id,date,summary,judgement bverwg_2020-1,14.01.2020,"Pressemitteilung Nr. 1/2020 vom 14.01.2020 EN Bundesverwaltungsgericht hebt Abschiebungsanordnung gegen einen polizeilich als Gefährder eingestuften türkischen Staatsangehörigen auf Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute der Klage eines als islamistischer Gefährder eingestuften türkischen Staatsangehörigen stattgegeben und die gegen ihn vom Land Niedersachsen verfügte Abschiebungsanordnung aufgehoben. Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport ordnete mit Verfügung vom 5. April 2019 die Abschiebung des Klägers in die Türkei an. Tatsächliche Anhaltspunkte rechtfertigten die Prognose, dass von ihm eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und eine terroristische Gefahr nach § 58a AufenthG ausgehe. In Anbetracht der Gesamtumstände sei davon auszugehen, dass der Kläger nicht lediglich eine radikal-religiöse Einstellung habe, sondern mit dem „Islamischen Staat (IS)“ und dessen Märtyrerideologie sympathisiere. Er habe sich in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert und halte den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung seiner islamistischen Auffassung für gerechtfertigt. Mit Beschluss vom 25. Juni 2019 - BVerwG 1 VR 1.19 - ordnete das erstinstanzlich zuständige Bundesverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der hiergegen erhobenen Klage an; es begründete dies mit Zweifeln an der der Gefahrenprognose des Beklagten zugrunde gelegten Hinwendung des Klägers zum radikal-extremistischen Islamismus. Auch unter Berücksichtigung der von der Behörde nach Ergehen des Eilbeschlusses und der daraufhin erfolgten Entlassung aus der Abschiebungshaft vorgelegten Erkenntnisse hält der Senat für den maßgeblichen Zeitpunkt der heutigen mündlichen Verhandlung die Verfügung für rechtswidrig. Eine Gefahr i.S.d. § 58a AufenthG kann auch dann vorliegen, wenn der Ausländer zwar nicht selbst - gar vollständig oder nachhaltig - ideologisch radikalisiert ist, er sich jedoch von Dritten im Wissen um deren ideologische Zwecke für entsprechende Gewalthandlungen „einspannen“ lässt. Auch nach diesem konkretisierten Maßstab gelangt der Senat in der Gesamtschau bei umfassender Würdigung des Verhaltens des Klägers, seiner Persönlichkeit, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung und seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen zu der Bewertung, dass die festgestellten Tatsachen im Ergebnis nicht die Bewertung tragen, dass aktuell von dem Kläger mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit eine nach § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder terroristische Gefahr ausgeht. BVerwG 1 A 3.19 - Urteil vom 14. Januar 2020","Urteil vom 14.01.2020 - BVerwG 1 A 3.19ECLI:DE:BVerwG:2020:140120U1A3.19.0 EN Abschiebungsanordnung gegen Gefährder Leitsatz: Eine Gefahr im Sinne des § 58a AufenthG kann auch dann vorliegen, wenn der Ausländer zwar nicht selbst - gar vollständig oder nachhaltig - ideologisch radikalisiert ist, er sich jedoch von Dritten im Wissen um deren ideologische Zwecke für entsprechende Gewalthandlungen instrumentalisieren lässt. Rechtsquellen AufenthG § 58a Abs. 1 Satz 1 VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 3 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 14.01.2020 - 1 A 3.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:140120U1A3.19.0] Urteil BVerwG 1 A 3.19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß und Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Die Verfügung des Beklagten vom 5. April 2019 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung seiner Abschiebung in die Türkei. 2 Er wurde am 7. Juni 1990 als drittes Kind türkischer Eltern in K. geboren und besitzt ebenfalls die türkische Staatsangehörigkeit. Dort lebte er, bis er im Juni 2018 nach G. zog. Seit 2006 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Die Schule verließ er 2012 ohne Abschluss. Eine Berufsausbildung hat der Kläger nicht absolviert. Er ist keiner geregelten Erwerbstätigkeit nachgegangen, sondern hat Gelegenheitsjobs ausgeübt. Von Juli 2018 bis Ende 2019 bezog er überwiegend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. 3 Durch Urteil des Amtsgerichts K. vom 19. Mai 2014 wurde der Kläger wegen Körperverletzung in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, die bis zum 26. Mai 2017 zur Bewährung ausgesetzt war. Mit Urteil des Amtsgerichts K. vom 28. Dezember 2017 wurde er wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Wegen Nötigung in Tateinheit mit Beleidigung in Tateinheit mit Körperverletzung sowie Fahrens ohne Fahrerlaubnis wurde der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts K. vom 18. März 2019 zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu je 25 € sowie zu einem Monat Fahrverbot verurteilt. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts H. vom 9. Dezember 2019 wurde er wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung (im Polizeigewahrsam am 29. März 2019) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Gegen den Kläger ist nach Angaben des Beklagten zudem ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Sozialleistungsbetruges, wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz und das Arzneimittelgesetz sowie wegen Betruges anhängig. Mit Beschluss des Amtsgerichts G. vom 6. Dezember 2019 wurde die am 11. September 2019 verfügte Meldeauflage, nach der sich der Kläger dreimal wöchentlich bei der Polizeiinspektion G. zu melden hat, bis zum 5. März 2020 verlängert. 4 Auf Grundlage eines Beschlusses des Amtsgerichts G. vom 27. März 2019 wurde der Kläger in Polizeigewahrsam genommen. Nach mündlicher Anhörung des Klägers verfügte das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport - gestützt auf § 58a AufenthG - mit Verfügung vom 5. April 2019 die Abschiebung des Klägers in die Türkei und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG nicht vorliegen. Zur Begründung führte es aus, aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte sei die Prognose gerechtfertigt, dass von dem Kläger eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und eine terroristische Gefahr ausgehe, die eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlich mache. Auch wenn den Sicherheitsbehörden aktuell noch kein konkreter Plan zur Ausführung einer terroristischen Gewalttat bekannt geworden sei, gehe vom Kläger ein zeitlich und sachlich beachtliches Risiko aus, dass er einen terroristischen Anschlag begehen oder sich an einem solchen beteiligen werde. Gleichzeitig sei zu befürchten, dass er eine derart gravierende Straftat verübe, dass eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzunehmen sei. In Anbetracht der Gesamtumstände sei davon auszugehen, dass der Kläger nicht lediglich eine radikal-religiöse Einstellung habe, sondern mit dem ""Islamischen Staat (IS)"" und dessen Märtyrerideologie sympathisiere. Er habe sich in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert und halte den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung seiner islamistischen Auffassung für gerechtfertigt. Der Kläger strebe eine Bewaffnung an, um kampfbereit zu sein und zum Beispiel bei polizeilichen Maßnahmen Polizeibeamte zu erschießen. Aufgrund seiner Biographie sei davon auszugehen, dass er in der Lage sei, sich unerlaubt Schießfeuerwaffen oder Ähnliches zu beschaffen. Er schrecke nach seinen charakterlichen Eigenschaften nicht vor Straftaten zurück, sei gewaltbereit und zudem drogenabhängig. Sein Verhältnis zu den Strafverfolgungsbehörden sei derart hasserfüllt, dass er geradezu schwärmerisch Angriffe auf Leib und Leben der Bediensteten für angezeigt erachte. Gleichzeitig erlaube seine bisherige Biographie die Annahme, dass er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund zukünftiger strafrechtlicher Vorwürfe Ermittlungen der deutschen Strafverfolgungsbehörden zu befürchten habe, so dass insbesondere die von ihm angekündigte Ermordung von Polizeibeamten ein realistisches Szenario darstelle, das es zu verhindern gelte. Die Abschiebungsanordnung sei auch unter Berücksichtigung der familiären Beziehungen und der Verwurzelung des Klägers in Deutschland verhältnismäßig und (auch) unter Berücksichtigung seines bisherigen Aufenthalts in Deutschland angezeigt. 5 Das Amtsgericht H. ordnete mit Beschluss vom 5. April 2019 Abschiebehaft an, deren Dauer in der Folgezeit mehrfach verlängert wurde. 6 Am 12. April 2019 hat der Kläger gegen die Abschiebungsanordnung Klage beim Bundesverwaltungsgericht erhoben und zugleich einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt (1 VR 1.19 ). 7 Zur Begründung wurde für den Kläger vorgetragen, von ihm gehe weder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung noch für einzelne Personen aus. Er habe lediglich versucht, mit durch den Islam inspirierten Motiven und Aussagen Anerkennung und Aufmerksamkeit bestimmter Personen zu erlangen. Dieses ""Schocken"" mit Angeberei über Waffen und Gewalt sei in Rockerkreisen üblich. Tatsächlich sei er weit davon entfernt, ein Sympathisant des Islamismus oder Salafismus zu sein. Er habe in G. schlicht die falschen ""Freunde"" gefunden. Diese seien jedoch nicht seine zentrale Bezugsgruppe, weil für ihn seine Familie im Vordergrund stehe. Im Zusammenleben mit seiner Lebensgefährtin habe er keinerlei islamistische oder auch nur religiöse Tendenzen gezeigt. Die Behörde habe ihre Entscheidung auf der Grundlage einer fehlerhaften Tatsachenermittlung getroffen und das Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Trotz durchgeführter Observations- und Abhörmaßnahmen gebe es keinerlei Belege für eine Islamisierung des Klägers. Er sei seit längerem straffrei und wolle ein bürgerliches Leben ohne Kontakt zu strafbaren Handlungen oder Straftätern führen. Eine Abschiebung könne nicht auf § 58a AufenthG gestützt werden, nur weil er schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten sei. In der Türkei hätte er als Kurde und Gefährder mit einer Inhaftierung ungewisser Länge zu rechnen. 8 Mit Beschluss vom 25. Juni 2019 - 1 VR 1.19 - hat der Senat die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet. Das Verbleibensinteresse des Klägers überwiege das öffentliche Interesse an einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung. Nach der gebotenen umfassenden Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung. Die zur Begründung der Abschiebungsanordnung angeführten tatsächlichen Anhaltspunkte in der Person des Klägers belegten - auch wenn sie als wahr unterstellt werden - in der Gesamtschau bei umfassender Würdigung seiner Persönlichkeit, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung und seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen nicht hinreichend die für § 58a AufenthG erforderliche, vom Beklagten angenommene ideologisch radikale Prägung der von dem Kläger ausgehenden Gefahr. Damit sei trotz der vom Beklagten angeführten Gefährlichkeit des Klägers die Prognose eines beachtlichen Risikos gerade auch im Sinne des § 58a AufenthG durch den Verbleib des Klägers im Bundesgebiet nicht gerechtfertigt. 9 Am 25. Juni 2019 wurde der Kläger aus der Haft entlassen. 10 Den Beteiligten wurde mit gerichtlicher Verfügung vom 19. August 2019 nach § 87b Abs. 2 VwGO unter anderem aufgegeben, bis zum 11. Oktober 2019 in Auseinandersetzung mit dem Beschluss des Senats vom 25. Juni 2019 ergänzend zu den Sachverhalten und Feststellungen, welche die Verfügung des Beklagten vom 5. April 2019 zu stützen geeignet sind, vorzutragen. 11 Der Kläger macht geltend, die angefochtene Verfügung sei ausweislich des Beschlusses des Senats rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Die Ausführungen des Beklagten nach Ergehen des Eilbeschlusses rechtfertigten keine andere Beurteilung. 12 Der Kläger beantragt, die Abschiebungsanordnung gemäß § 58a AufenthG des Beklagten vom 5. April 2019 aufzuheben. 13 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 14 Er verteidigt die angefochtene Abschiebungsanordnung. Die Ausführungen des Klägers seien nicht geeignet, die Prognose für eine von ihm ausgehende besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und eine terroristische Gefahr zu entkräften oder zu relativieren. Seine Einlassungen begründeten keine Zweifel am Vorliegen einer solchen Gefahr. Sie gingen über bloße Behauptungen nicht hinaus und seien in vielfacher Hinsicht unglaubwürdig oder zu widerlegen. 15 Die Gefahrenprognose bestehe unverändert fort. Der Kontakt des Klägers in die salafistische Szene dauere an beziehungsweise sei intensiviert worden. Seit Erlass der Abschiebungsanordnung sei es zu einer weiteren Abschottung der Szene gekommen. Trotz des äußerst konspirativen Verhaltens könne eine weitere religiöse Befassung und weitere Hinwendung des Klägers zum Islam belegt werden. Die formellen Riten der Religion würden einen immer höheren Stellenwert im Leben des Klägers einnehmen, und sein Verhalten gehe mit einem islamistischen Grundpotential einher. Er führe etwa seit dem 6. August 2019 regelmäßig islamische Gebete durch, lerne Gebetssuren, habe sich von seiner Mutter die rituelle Gebetswaschung erklären lassen und suche im Rahmen von Freitagsgebeten eine örtliche Moschee auf. Gegenüber seiner Mutter habe er erklärt, im Gefängnis sowohl den Koran als auch die Thora gelesen zu haben. Aus Äußerungen gegenüber seiner Mutter ergebe sich, dass der Kläger Polizeibeamte als ""schmutzige Ungläubige"" und (damit) als Teil des staatlichen Repressionsapparates als Feindbild ansehe. Er beabsichtige, sich im zeitlichen Kontext der gegen ihn betriebenen aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen an der Polizei sowie an dem Land Niedersachsen rächen zu wollen. In diesem Zusammenhang verweise der Kläger auf ""Allah"", welcher ihm bei seiner Tatbegehung helfen werde. Dieser eindeutige Gottesbezug im Zusammenhang mit der in Aussicht gestellten Rache zeige eindeutig, dass eine mögliche zukünftige Tatbegehung religiös motiviert wäre. Es sei davon auszugehen, dass es sich hierbei um eine ernst gemeinte Tatankündigung handele, weil der Kläger sich in seiner Lebensführung durch die verschiedenen aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen unmittelbar bedroht sehe. Er sei nicht nur mit der Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG belegt, sondern auch zu einer Ausweisung nach § 53 AufenthG angehört worden. Mit der Entscheidung über die Abschiebungsanordnung und dem möglichen Erlass einer Ausweisungsverfügung verdichte sich der Druck auf den Kläger ganz erheblich, der durch seine massiven persönlichen und finanziellen Schwierigkeiten erhöht werde. Zugleich spreche gerade ein feststellbar zunehmend konspiratives, auf äußerste Vorsicht gegenüber polizeilichen Maßnahmen ausgerichtetes Verhalten dafür, dass der Kläger sich weiter unter dem Einfluss von führenden Personen der salafistischen Szene befinde, die ihn in seinen Racheplänen bestärken und unterstützen könnten, um ihn so für eine salafistisch motivierte Straftat zu instrumentalisieren. Da der Kläger Zugang zu Schusswaffen, Messern und gefährlichen Gegenständen habe und bereit sei, diese auch gegen Personen einzusetzen, sei ihm eine Tatbegehung auch jederzeit möglich. 16 Darüber hinaus setze sich auch nach der Haftentlassung die mangelnde Rechtstreue und Gewaltaffinität des Klägers fort. Bei ihm könne weiterhin eine hohe Aggressivität und schwindende Hemmschwelle zur Ausübung von Gewalt festgestellt werden. Nach weiteren Erkenntnissen habe der Kläger Kontakt zu Clanfamilien, dem Drogenmilieu sowie der Rockerszene und Zugang zu Waffen und anderen gefährlichen Gegenständen. Er erwerbe und konsumiere weiterhin Drogen, so dass sein Verhalten als unberechenbar beziehungsweise unkalkulierbar einzuschätzen sei und die Wahrscheinlichkeit drastisch erhöhe, dass er bei Hinzutreten nicht vorhersehbarer Umstände zumindest eine niedrigschwellige terroristische Einzeltat begehe. 17 Nach der Gesamtbewertung gehe vom Kläger aufgrund des anhaltenden Drogenkonsums, gepaart mit einem Drang nach Profilierung durch Anwendung von Gewalt gegenüber Dritten, und der stetig fortschreitenden Einbettung in die salafistische Szene weiterhin eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise eine terroristische Gefahr aus. Ein Risikoanalysebericht des Bundeskriminalamtes (BKA) mit Stand 6. September 2019 komme im Kern zu der Bewertung, dass der Kläger auch in Zukunft (Gewalt-)Straftaten begehen werde. Es sei davon auszugehen, dass ein Opfer schwere Schäden davontragen oder sogar sein Leben verlieren könne. Allerdings sei es nach Einschätzung des BKA unwahrscheinlich, dass er eine schwere staatsgefährdende Gewalttat begehen werde. Sollte der Kläger dennoch eine schwere Gewalttat begehen, resultiere diese nach Einschätzung des BKA allerdings nicht aus feindseligen salafistischen Motiven. Die Polizeiinspektion G. und der Beklagte kämen auf der Grundlage aller vorliegenden Erkenntnisse weiterhin zu der Bewertung, dass bei dem Kläger von einer radikal-salafistischen Ideologisierung auszugehen und die Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat im Sinne des § 89a StGB durch den Kläger möglich sei. 18 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat erklärt, dass er sich nicht am Verfahren beteiligt. 19 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte dieses und des Verfahrens 1 VR 1.19 , den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten und die Ausländerakte. II 20 Die zulässige Klage ist begründet. Die Verfügung des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 5. April 2019 erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 21 1. Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ist in Fällen, in denen der Ausländer weder abgeschoben wurde noch freiwillig ausgereist ist, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des nach § 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO in erster und letzter Instanz zuständigen Bundesverwaltungsgerichts (zuletzt BVerwG, Urteil vom 6. Februar 2019 - 1 A 3.18 - NVwZ-RR 2019, 738 Rn. 16 unter Hinweis auf Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 14). Für die Rechtslage ist danach § 58a AufenthG in der seitdem nicht geänderten Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162; die Neufassung tritt erst am 1. März 2020 in Kraft) maßgeblich. Bei der Beurteilung der Sachlage sind mithin das Verhalten des Klägers und die diesbezügliche Erkenntnislage des Beklagten bis zur mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen. 22 2. Nach § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. 23 2.1 Diese Regelung ist formell und materiell verfassungsgemäß (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 16; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 20 ff. und vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - NVwZ 2017, 1530 Rn. 18). Sie findet auch auf türkische Staatsangehörige Anwendung, denen als Arbeitnehmer und/oder Familienangehörige ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht aus Art. 6 und/oder Art. 7 ARB 1/80 zusteht (BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2018 - 1 VR 3.18 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 13 Rn. 12 ff.). 24 2.2 Der Begriff der ""Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland"" ist - wie die wortgleiche Formulierung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG - nach der Rechtsprechung des Senats enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <120 f.>). In diesem Sinne richten sich auch Gewaltanschläge gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 21). 25 2.3 Das Erfordernis einer ""besonderen"" Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit. In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit aufgrund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen. Da es um die Verhinderung derartiger Straftaten geht, ist es nicht erforderlich, dass mit deren Vorbereitung oder Ausführung in einer Weise begonnen wurde, die einen Straftatbestand erfüllt und etwa bereits zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen geführt hat (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 23). 26 2.4 Wesentliche Kriterien für die Bestimmung einer ""terroristischen Gefahr"" können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Union im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 (ABl. L 164 S. 3), dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates Nr. 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) und Art. 3 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 S. 6) gewonnen werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Nach der Rechtsprechung des Senats liegt eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 m.w.N.). Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder ""Szeneeinbindungen"", die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und geeignet sind, die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 22; siehe auch BVerwG, Urteil vom 6. Februar 2019 - 1 A 3.18 - NVwZ-RR 2019, 738 Rn. 31). 27 2.5 Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Ungeachtet ihrer tatbestandlichen Verselbständigung ähnelt die Abschiebungsanordnung in ihren Wirkungen einer für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung. Zum Zweck der Verfahrensbeschleunigung ist sie aber mit Verkürzungen im Verfahren und beim Rechtsschutz verbunden. Insbesondere ist die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AufenthG). 28 Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten, bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, die zur Abwehr einer besonderen Gefahr lediglich eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen angesichts des hohen Schutzguts und der vom Terrorismus ausgehenden neuartigen Bedrohungen für einen abgesenkten Gefahrenmaßstab, weil seit den Anschlägen vom 11. September 2001 damit zu rechnen ist, dass ein Terroranschlag mit hohem Personenschaden ohne großen Vorbereitungsaufwand und mithilfe allgemein verfügbarer Mittel jederzeit und überall verwirklicht werden kann. Eine Abschiebungsanordnung ist daher schon dann möglich, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr und/oder eine besondere Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 25). In Fällen, in denen sich eine Person in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert, den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung dieser radikal-islamischen Auffassung für gerechtfertigt und die Teilnahme am sogenannten Jihad als verpflichtend ansieht, kann von einer hinreichend konkreten Gefahr auszugehen sein, dass diese Person terroristische Straftaten begeht (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2017 - 1 VR 8.17 - juris Rn. 18). 29 Für eine entsprechende ""Gefahrenprognose"" bedarf es - wie bei jeder Prognose - zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Der Hinweis auf eine auf Tatsachen gestützte Prognose dient der Klarstellung, dass ein bloßer (Gefahren-)Verdacht oder Vermutungen beziehungsweise Spekulationen nicht ausreichen. Zugleich definiert dieser Hinweis einen eigenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Abweichend von dem sonst im Gefahrenabwehrrecht geltenden Prognosemaßstab der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit mit seinem nach Art und Ausmaß des zu erwartenden Schadens differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss für ein Einschreiten nach § 58a AufenthG eine bestimmte Entwicklung nicht wahrscheinlicher sein als eine andere. Vielmehr genügt angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a AufenthG durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen kann (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 27). 30 Dieses beachtliche Eintrittsrisiko kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände nach Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. 31 In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, kann sich - abhängig von den Umständen des Einzelfalles - in der Gesamtschau schon daraus ergeben, dass ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer sich in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in ""religiösen"" Fragen regelmäßig austauscht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 28). Erst recht kann ein solches beachtliches Eintrittsrisiko anzunehmen sein, wenn die Radikalisierung eines solchen Ausländers ein Stadium erreicht, in dem sich dieser nach reiflicher Abwägung verpflichtet fühlt, seine Religion mit dem Mittel des gewaltsamen Kampfes zu verteidigen. 32 Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der obersten Landesbehörde bei der für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlichen Gefahrenprognose keine Einschätzungsprärogative zu. Als Teil der Exekutive ist sie beim Erlass einer Abschiebungsanordnung - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG) und unterliegt ihr Handeln nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der vollen gerichtlichen Kontrolle. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen behördlichen Beurteilungsspielraum. Auch wenn die im Rahmen des § 58a AufenthG erforderliche Prognose besondere Kenntnisse und Erfahrungswissen erfordert, ist sie nicht derart außergewöhnlich und von einem bestimmten Fachwissen abhängig, über das nur oberste (Landes-)Behörden verfügen. Vergleichbare Aufklärungsschwierigkeiten treten auch in anderen Zusammenhängen auf. Der hohe Rang der geschützten Rechtsgüter und die Eilbedürftigkeit der Entscheidung erfordern ebenfalls keine Einschätzungsprärogative der Behörde (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 29). 33 2.6 § 58a AufenthG erlaubt Maßnahmen nur zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr, die im vorbeschriebenen Umfang durch eine (vorrangig) ideologisch radikalisierte, insbesondere politisch oder religiös geprägte Gewaltanwendung oder -drohung gekennzeichnet ist. Fehlt es an einer ideologisch radikalen Prägung, ist einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch einen Ausländer auch bei drohenden Straftaten von erheblicher Bedeutung mit den Mitteln des Ausweisungsrechts (§§ 53 ff. AufenthG) oder nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht zu begegnen; hinzu tritt der Rechtsgüterschutz durch eine konsequente Verfolgung begangener Straftaten (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2019 - 1 VR 1.19 - NVwZ-RR 2019, 971 Rn. 17). 34 Die ideologische Prägung der drohenden Gewaltanwendung muss dabei nicht notwendigerweise in der eigenen Überzeugung des Ausländers begründet liegen. Eine Gefahr im Sinne des § 58a AufenthG kann mit Blick auf die geschützten Rechtsgüter vielmehr auch dann vorliegen, wenn der Ausländer zwar nicht selbst - gar vollständig oder nachhaltig - ideologisch radikalisiert ist, er sich jedoch von Dritten im Wissen um deren ideologische Zwecke für entsprechende Gewalthandlungen instrumentalisieren lässt. 35 3. Unter Berücksichtigung der vom Beklagten nach Ergehen des Eilbeschlusses und der daraufhin erfolgten Entlassung aus der Abschiebungshaft vorgelegten Erkenntnisse erweist sich die Verfügung zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weiterhin als rechtswidrig. Auch nach dem unter 2.6 konkretisierten Maßstab gelangt der Senat in der Gesamtschau bei umfassender Würdigung des Verhaltens des Klägers, seiner Persönlichkeit, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung und seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen zu der Bewertung, dass die festgestellten Tatsachen im Ergebnis nicht die Bewertung tragen, dass aktuell von dem Kläger mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit eine nach § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eine terroristische Gefahr ausgeht. 36 Der Kläger hatte zwar Kontakt zu Personen der salafistischen Szene und verhält sich konspirativ (3.1), ist gewaltbereit, hat eine Affinität zu Waffen, die er sich auch beschaffen kann, konsumiert Drogen und unterhält Kontakte in die Drogenszene und zu kriminellen Clanfamilien (3.2). Beim Kläger lässt sich aber weder eine religiöse Hinwendung zum Islam dahingehend feststellen, dass er sich in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert oder sich gar verpflichtet fühlt, seine Religion mit dem Mittel des gewaltsamen Kampfes zu verteidigen (3.3), noch besteht bei einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Klägers bereits ein beachtliches Risiko, dass er sich für derartige Ziele instrumentalisieren lässt (3.4). 37 3.1 Die vom Beklagten angeführten Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden belegen, dass der Kläger seit etwa Mitte 2018 bis zu seiner Inhaftierung Ende März 2019 regelmäßigen Kontakt zu Personen der salafistischen Szene in K. und G. hatte. Dabei handelt es sich unter anderem um Ih. Nrf., Pxu. W., K. Vd., Pr. Do. und Ü. Fhy. Nach Erkenntnissen des Beklagten sind diese Personen unter anderem verantwortlich für die Radikalisierung anderer Personen, haben persönlichen Kontakt zu Selbstmordattentätern und Jihadisten gehabt und stehen unter dem Verdacht, politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung zu begehen. Belegt sind neben regelmäßigen Telefonaten Verabredungen zu Treffen und der Versuch, den Kläger in der Haft zu besuchen und zu unterstützen (Vermerk des Beklagten vom 24. April 2019). Aus den in den Protokollen zur Telekommunikationsüberwachung dokumentierten Gesprächsinhalten ergibt sich auch, dass die Beteiligten konspirativ vorgehen und etwa die direkte Telefonkommunikation vermeiden und auf Messengerdienste oder Internettelefonie ausweichen. Seit Erlass der Abschiebungsanordnung gibt es Anhaltspunkte für eine weitere Abschottung der Szene. In Gesprächen des Klägers unter anderem mit seiner Schwester, seiner Mutter und seiner Lebensgefährtin werden verdeckte Maßnahmen der Sicherheitsbehörden erwähnt (Telefonüberwachung, verdeckte Ermittler und Vertrauenspersonen). Den Kontakt zu Personen aus der salafistischen Szene hat der Kläger nach der Haftentlassung auch nicht abgebrochen. Ausweislich der Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung hat er in der Zeit vom 30. Juli bis 17. August 2019 versucht, zu Nrf. und Fhy. Kontakt aufzunehmen. Mit Letzterem hat ein persönliches Zusammentreffen nachweislich am 17. August 2019 stattgefunden (Vermerk des Beklagten vom 19. August 2019). 38 Zwar sind die Einlassungen des Klägers, wonach es sich bei den Kontakten um bloße Zufallsbekanntschaften gehandelt und er von den salafistischen Bestrebungen der Personen nichts gewusst habe, er lediglich die falschen Freunde gefunden und es sich nicht um seine zentrale Bezugsgruppe gehandelt habe, insgesamt als unglaubwürdig einzustufen. Sie werden unter anderem durch ein Telefonat vom 4. Juli 2019 mit einem R. S. widerlegt, nach dem er nur mit drei von ""denen"" (gemeint Mitglieder der Salafistenszene) zu tun gehabt haben will. Nrf. habe er beim Kampfsport kennengelernt und er hätte den Kontakt schon damals abgebrochen, wenn er ""das"" (gemeint wohl der Salafismusvorwurf gegenüber Nrf.) gewusst hätte. Auf die Vorhalte zu Treffen und Kontakten mit den genannten Personen in der mündlichen Verhandlung hat er diese zunächst abgestritten und erst auf weitere Vorhalte eingestanden. Dass es bei den Kontaktversuchen mit Nrf. nach seiner Haftentlassung nur um die Rückgabe von ausgeliehenem Handwerkzeug gegangen sei, lässt sich durch die vorgelegten Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden auch unter Berücksichtigung des konspirativen Verhaltens nicht dahingehend widerlegen, dass radikal-religiöse Inhalte und Bestrebungen das wesentliche Motiv für die Kontaktaufnahme gewesen sind. Obwohl er spätestens seit Erlass der Abschiebungsanordnung von der Einstufung der Kontaktpersonen durch den Beklagten wusste, hat er nach der Haftentlassung Kontakt zu Nrf. und Fhy. gesucht, wodurch bloße Zufallsbekanntschaften widerlegt werden. 39 Ungeachtet dessen hat der bisherige Kontakt des Klägers zu maßgeblichen Mitgliedern der radikal-salafistischen Szene in K. und G. nicht schon zu einer erkennbaren, für den Kläger voraussichtlich auch handlungsleitenden Verwurzelung im radikal-religiösen Islamismus geführt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Kontaktaufnahmeversuche des Klägers nach seiner Haftentlassung auf die genannten beiden Mitglieder der salafistischen Szene G. beschränkt haben und ein persönliches Zusammentreffen nachweislich nur mit Fhy. stattgefunden hat. Eine Kontaktaufnahme mit anderen Mitgliedern der Szene, zu denen er vor seiner Verhaftung Kontakt hatte, ist nach den vorliegenden Erkenntnissen dagegen nicht erfolgt. Soweit der Kläger danach Kontakt zur Salafistenszene sucht, handelt es sich um eine austauschbare Bezugsgruppe (vgl. Risikoanalysebericht des Bundeskriminalamtes - BKA -, Stand 6. September 2019, S. 9). So sucht er ebenso Kontakt zum Rockermilieu, zu Clanfamilien und - über den Ankauf von Betäubungsmitteln hinaus - auch zur Drogenszene (siehe unten 3.2). In dem jeweiligen Milieu verwendet er symbolische Begriffe und Gesten, um auf diese Weise seine Zugehörigkeit zur Gruppe auszudrücken und Anerkennung zu erhalten. Dass es bei den Kontakten zur Salafistenszene inhaltlich primär um religiöse oder gar jihadistische, also die religiöse Gewalt verherrlichende Inhalte geht, ist dagegen nicht hinreichend erkennbar oder gar mit der gebotenen Gewissheit (§ 108 VwGO) festzustellen. 40 3.2 Der Senat verkennt weiterhin nicht die tatsächlichen Anhaltspunkte, die für ein von dem Kläger ausgehendes, allgemeines Gefahrenpotential sprechen. Nach den eingeführten und nach den überwiegend nicht glaubhaften, verharmlosenden Einlassungen des Klägers nicht erschütterten Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden hat der Kläger einen Hang zu Waffen und gefährlichen Gegenständen und ist in der Lage, sich solche jederzeit zu beschaffen. 41 Aus verschiedenen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und den im Bundeszentralregister ausgewiesenen strafrechtlichen Verurteilungen wegen Gewaltdelikten ergeben sich gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte, dass der Kläger gewalttätig und -bereit ist und er über eine niedrige Hemmschwelle verfügt, Gewalt gegenüber anderen Personen nicht nur anzudrohen, sondern auch einzusetzen. In der Gesamtschau spricht der Inhalt der beigezogenen Akten auch in Ansehung des Vorbringens des Klägers für eine Persönlichkeit, die durch eine mangelnde wirtschaftliche, berufliche und gesellschaftliche Integration, Beeinflussbarkeit und Anerkennungsbedürfnis sowie die Bereitschaft geprägt ist, Gewalt nicht nur (situationsbedingt) anzudrohen, sondern auch einzusetzen. So war der Kläger Mitglied der Straßengang ""Bad Boys K."" und des Rockerclubs ""United Tribuns"" und in der Türsteherszene K. aktiv. Es wurde auch über körperliche Misshandlungen seiner Lebensgefährtin berichtet. 42 In der jüngeren Vergangenheit wird durch ein Telefongespräch vom 30. August 2019 zwischen dem Kläger und Pxq. De. Ndg., einer Person aus der ""Betäubungsmittelszene"", belegt, dass der Kläger zu einer tätlichen Auseinandersetzung grundsätzlich bereit ist. Auch hat er gegenüber dem Genannten am 14. September 2019 am Telefon erklärt, dass er bereit sei, bei einer Auseinandersetzung dem De. Ndg. auch mit Waffen und/oder gefährlichen Gegenständen beizustehen, wenn er gerufen werde. Auf Fotos in einem sichergestellten Handy, die der Kläger versandt hat, sind drei unterschiedliche Pistolen, davon mindestens eine in der Hand des Klägers zu sehen. Nach weiteren Erkenntnissen des Beklagten hat der Kläger auch Kontakt mit Q. Ndun. aufgenommen, bei dem es sich um einen gewaltbereiten Straftäter der örtlichen Betäubungsmittelszene mit Bezug zur Clankriminalität handeln soll. So erwähnte er in einem Telefongespräch mit seiner Schwester am 16. Oktober 2019, dass er eine arabische Großfamilie kennengelernt habe und mit dieser Personengruppe unterwegs sei. In einem Telefongespräch am 26. Oktober 2019 wurde der Kläger gefragt, ob er in einem Restaurant, das von der Großfamilie Ndun. als Sicherheitsdienst betreut wird, arbeiten möchte. Aus einem Gespräch am 16. November 2019 ergeben sich aus Äußerungen im Zusammenhang mit dem Konflikt mit einem Türsteher am 15. November 2019 Anhaltspunkte, dass Ndun. sehr wahrscheinlich im Besitz von scharfen Schusswaffen ist. Seit dem 28. Oktober 2019 kam es im Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelkonsum des Klägers zum Kontakt zu Fhp. Vl. und Dk.-Vc. Vl. durch vermehrte Treffen in G. Diese Personen sollen ein hohes Gewalt- beziehungsweise Aggressionspotenzial und eine grundsätzlich negative beziehungsweise feindliche Einstellung gegenüber der Polizei besitzen. Der Kläger hatte nach Erkenntnissen des Beklagten nach seiner Haftentlassung nachweislich telefonischen Kontakt zu den Personen R. S. und Dp. U. Pk. Ndul.; bei Letzterem soll es sich um einen gewaltbereiten Straftäter aus dem Rockermilieu und dem strafbaren Menschenhandel handeln. Der Kläger soll nach polizeilicher Bewertung mit beiden Personen sehr vertraut wirken. Wegen dieser Kontakte zum Rockermilieu kann nach Einschätzung des Beklagten ein Zugang zu Waffen unterstellt werden. Der Kläger hat auch ein Gewaltvideo (Messerstiche und Zerstückelung eines menschlichen Körpers) in einer Chatgruppe ausgetauscht. 43 Die vom Beklagten vorgelegten Erkenntnisse enthalten auch hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger weiterhin Drogen (neben Marihuana auch harte Betäubungsmittel) konsumiert und regelmäßigen Kontakt zu Personen aus der Drogenszene hat. Telefongespräche am 21. Juli 2019 mit Il.-Vh. Ndf. belegen, dass der Kläger an diesem Tage von dem Genannten Betäubungsmittel zum Eigenkonsum erworben hat. Am 23. Juli 2019 kam es ausweislich eines Telefongesprächs zu einem weiteren Treffen mit Ndf. In einem Telefonat mit seinem Bruder am 31. Juli 2019 erklärt der Kläger, dass er es genieße, und im Vergleich zu früher einen dicken Kopf bekomme, wo er immer morgens eine geraucht habe und dann mit dem Hund spazieren gegangen sei. Er, der Kläger, habe früher jeden Tag 25 € für Rauchen ausgegeben und immer zum Kaffee eine geraucht. Nach einem Telefongespräch vom 25. August 2019 mit Ndf. kam es zu einem Streit im Zusammenhang mit dem Erwerb von Betäubungsmitteln, am 26. August 2019 kam es zu einem weiteren Zusammentreffen. Am 7., 8. und 10. September 2019 sind durch Telefongespräche Betäubungsmittelgeschäfte zwischen dem Kläger und Ndg. belegt, die auf den Konsum von harten Betäubungsmitteln (u.a. Kokain, Amphetamin) hindeuten. In einem Telefongespräch am 8. September 2019 berichtet die Lebensgefährtin, dass der Kläger einen Joint geraucht hat. 44 Der fortgesetzte Drogenkonsum des Klägers rechtfertigt zwar die Annahme des Beklagten, dass das Verhalten des Klägers als unberechenbar beziehungsweise unkalkulierbar eingeschätzt werden kann. Dies rechtfertigt aber nicht mit der gebotenen Klarheit den Schluss, dass sich die Wahrscheinlichkeit drastisch erhöhe, er werde bei Hinzutreten nicht vorhersehbarer Umstände zumindest eine niedrigschwellige terroristische Einzeltat begehen. Eine durch Drogenkonsum herabgesetzte Schwelle zur Gewaltbereitschaft kann für sich genommen das Hinzutreten einer hinreichenden ideologischen, politischen oder religiösen Radikalisierung beziehungsweise die Bereitschaft, sich zu diesen Zwecken instrumentalisieren zu lassen, als Voraussetzung für den Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG nicht ersetzen. 45 Tatsächliche Anhaltspunkte für eine ""besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland"" ergeben sich auch nicht aus dem wiederholten aggressiven bis bedrohlichen Auftreten des Klägers gegenüber Polizei- und Vollzugsbeamten. Verhalten und Äußerungen des Klägers lassen das für § 58a AufenthG erforderliche Moment nicht erkennen. Der Senat werte sie als - nicht zu billigende beziehungsweise gerechtfertigte - anlassbezogene Reaktion des Klägers auf konkrete Maßnahmen, die im jeweiligen Zusammenhang der Äußerungen zu betrachten sind. Sie erreichen - ihre Ernsthaftigkeit unterstellt - aber keine mit einer von § 58a AufenthG erfassten Gefahr vergleichbare Gefahrendimension. Dies gilt auch hinsichtlich der im Vermerk der Polizeiinspektion G. vom 8. November 2019 wiedergegebenen Angaben einer Person, nach denen der Kläger geäußert haben soll, dass er beabsichtige, sich im zeitlichen Kontext der gegen ihn betriebenen aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen an der Polizei sowie an dem Land Niedersachsen rächen zu wollen. In diesem Zusammenhang soll der Kläger auf ""Allah"" verwiesen haben, welcher ihm bei seiner Tatbegehung helfen werde. 46 Auch wenn der Kläger danach situationsbedingt gewaltbereit und unberechenbar ist, rechtfertigt dies nicht hinreichend die Prognose einer beachtlichen Eintrittswahrscheinlichkeit einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder terroristischen Gefahr durch den Kläger. Hierin sieht sich der Senat durch einen Bericht des BKA bestätigt, das die Begehung einer schweren staatsgefährdenden Straftat durch ihn unter Beibehaltung seines bisherigen Lebensstils für unwahrscheinlich hält. Voraussetzung hierfür wäre, dass sich der Kläger tiefgehend mit der salafistischen Ideologie auseinandersetzte, ihre Werte und Normen verinnerlichte oder sich politisch ideologisierte. Ferner müsste der Kläger ein dezidiertes Feindbild entwickeln, das er während seiner Zugehörigkeit zur radikalen Szene und trotz des Einflusses des als charismatisch und überzeugend zu beschreibenden Nrf. nicht gezeigt habe. Der Kläger müsste die Befriedigung seiner Bedürfnisse (nach Anerkennung, Status und Respekt) einem Gruppenwillen unterordnen und die Bereitschaft entwickeln, auf ein Leben in Deutschland zu verzichten. Die einzig feststellbare Angst des Klägers sei jedoch gerade die Aufgabe seines Lebens in Deutschland. Somit müsste der Kläger für die Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat mehrere Bedingungen erfüllen, die im Widerspruch zu seinem bisher gezeigten Verhalten stehen, so dass diese Entwicklungsmöglichkeit derzeit für unwahrscheinlich gehalten werde (Risikoanalysebericht des BKA, Stand 6. September 2019). 47 3.3 Das Verhalten des Klägers gibt zwar Anhaltspunkte für seine weiter bestehende religiöse Orientierung. Sie trägt nach Art oder Gewicht der Anhaltspunkte aber (weiterhin) nicht die Bewertung einer inhaltlichen Hinwendung zum radikal-extremistischen Islamismus bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islam beziehungsweise zum militanten Jihad mit einer Intensität und Nachhaltigkeit, die die Prognose des Beklagten rechtfertigen, beim im Grundsatz gewaltbereiten Kläger bestehe wegen einer hohen Identifikation mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam oder seiner engen Kontakte zu gleichgesinnten Personen bereits ein beachtliches Risiko zu Handlungen im Sinne des § 58a AufenthG, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann. Der Annahme einer hinreichenden ""Schnellradikalisierung"", die sich in der Folgezeit verfestigt oder bestätigt habe, vermag der Senat auf der Grundlage der vorliegenden Tatsachen nicht zu folgen. 48 In einem Telefonat mit Nrf. am 25. März 2019 hat er sich nach den Grundlagen des islamischen Glaubens erkundigt und berichtet seiner Lebensgefährtin am 26. März 2019 über die Auswirkungen und die Bedeutung des Gebets für ihn. Eine islamwissenschaftliche Bewertung des Beklagten vom 3. April 2019 kommt zu der Einschätzung, dass es sich bei dem Kläger nicht um eine Person mit fundiertem religiösem Wissen handelt. In einem Telefongespräch vom 12. Juli 2019 berichtet der Kläger seiner Mutter, dass er nach drei Monaten Gefängnisaufenthalt zu sich gekommen sei. Im Gefängnis habe er sowohl den Koran als auch die Thora gelesen. Den Koran finde er besser als die Bibel. Die anderen heiligen Bücher außer dem Koran seien im Laufe der Zeit geändert worden. Gott habe den Koran so herabgelassen, wie er jetzt sei. Er habe im Gefängnis etwas Einziges gelernt, das sei die Wahrheit. ""Diese"" (gemeint die Deutschen) hätten sehr viel Angst vor seiner Religion. In einem weiteren Telefongespräch am 12. Juli 2019 verlangt die Mutter vom Kläger, dass er schnellstmöglich mit dem Beten anfängt, was dieser zusagt. In einem Telefonat mit seiner Mutter am 24. Juli 2019 lobte der Kläger türkische Soldaten, die er in einem YouTube-Video gesehen hat. Er wolle sich bei einer türkischen Spezialeinheit bewerben und sich für diese Menschen (türkische Soldaten) opfern. Der Sieg sei für den Gott, diese Menschen seien wie Löwen. In Telefonaten am 6. und 7. August 2019 unterhält er sich mit seiner Mutter über das Beten und lässt es sich von ihr erklären. Er wolle täglich beten, er wolle Moslem sein und freitags beten gehen, auch wenn er deshalb Schwierigkeiten bekomme. Nach einem Telefonat mit seiner Mutter am 9. August 2019 sei er anlässlich des Freitagsgebets in der Moschee gewesen und habe den Hoca gefragt, ob er einen Hund besitzen dürfe, wenn er bete. Er habe sich erklären lassen, wie viele Male man beim Freitagsgebet auf die Knie gehen solle. Nach einem Bericht des Beklagten vom 9. Oktober 2019 gehören zu den Besuchern der vom Kläger aufgesuchten Gebetsräumlichkeiten in der L.straße 2 in G., die von den Sicherheitsbehörden als salafistischer Brennpunkt bewertet wird, Nrf. und W., bei denen es sich um Kontakt- und Begleitpersonen des Klägers handele. In einem Telefongespräch am 11. Oktober 2019 berichtete der Kläger, dass er gerade aus der Moschee gekommen sei (Freitagsgebet); in einem weiteren Telefongespräch erklärte er am 18. Oktober 2019, dass er weiterhin beten gehe. 49 Die vom Beklagten dem Kläger vorgehaltene weitere religiöse Befassung und dessen weitere Hinwendung zum Islam wird durch die eingeführten Erkenntnisse dahingehend belegt, dass sich der Kläger für islamische Riten interessiert, mehr oder weniger regelmäßig betet und eine Moschee besucht. Die Einschätzung des Beklagten, die formellen Riten der Religion würden einen immer höheren Stellenwert im Leben des Klägers einnehmen und sein Verhalten gehe mit einem islamistischen Grundpotential einher, wird von den eingeführten Erkenntnissen dagegen nicht getragen. 50 Eine hierfür erforderliche tiefergehende Auseinandersetzung des Klägers mit einer salafistischen Ideologie - trotz entsprechender Szenekontakte - ist weder festzustellen noch steht diese zu erwarten, weil sie im Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten und seinem mit einer radikal-islamistischen Ideologie unvereinbarem Lebensmodell (keine Unterordnung in Strukturen beziehungsweise einem Gruppenwillen, Drogenkonsum, westlich geprägte Lebensweise, auch seiner Lebensgefährtin) beziehungsweise seiner Angst vor einer Beendigung seines Lebensmittelpunktes in Deutschland steht (vgl. Risikoanalysebericht des BKA, Stand 6. September 2019, S. 9). Auch haben die (bisherigen) Kontakte des Klägers zu maßgeblichen Mitgliedern der radikal-salafistischen Szene in K. und G. (vgl. oben 3.1) nicht schon zu einer erkennbaren, für den Kläger voraussichtlich auch handlungsleitenden Verwurzelung im radikal-religiösen Islamismus geführt. Auch in Ansehung der durchweg verharmlosenden Einlassungen sieht das Gericht weiterhin keinen tragfähigen Anlass für die prognostische Bewertung, dass sich der Kläger tiefgehend mit der salafistischen Ideologie auseinandersetzt, ihre Werte und Normen verinnerlicht oder sich politisch ideologisiert. Trotz seiner Kontakte zur radikalen Szene und trotz des Einflusses des als charismatisch und überzeugend zu beschreibenden Nrf. hat der Kläger kein dezidiertes Feindbild entwickelt (vgl. Risikoanalysebericht des BKA, Stand 6. September 2019, S. 13). 51 Mangels einer eigenen Ideologisierung des Klägers lässt sich auch aus seiner Verbindung mit jihadistischen Symbolen keine inhaltliche Radikalisierung begründen. Aus der Tätowierung eines zweischneidigen Schwerts (Schwert von Dhu l-faqar) auf seinem rechten Unterarm kann nach islamwissenschaftlicher Bewertung eine jihadistische Gesinnung nicht abgeleitet werden, weil es sich um ein in der türkisch-arabischen Tattooszene verbreitetes Kultsymbol für Ehre und Respekt handelt. Das Versenden eines Fotos mit der Shahada-Flagge an Nrf. und das Auffinden von Fotos in sichergestellten Mobiltelefonen mit einem den Tauhid-Finger zeigenden Kläger vor einer schwarzen Flagge des Takbir, von zwei Jungen mit Waffen und dem Tauhid-Finger posierend und mit einer Frau mit Nikab und einer Schnellfeuerwaffe mit einem Mann mit Schwert im Hintergrund kann - ähnlich dem oben unter 3.2 dargestellten Posieren mit Waffen - als Verhalten angesehen werden, mit dem er nach Geltung in der Gruppe sucht, ohne sich des ideologischen Gehalts der Symbole zu eigen gemacht oder diese gar verinnerlicht zu haben; die für das Gericht nicht glaubhafte Einlassung des Klägers, sich nicht einmal dieses Gehalts bewusst gewesen zu sein, rechtfertigt hier nicht den Umkehrschluss. 52 Insgesamt ist daran festzuhalten, dass das Verhalten und die Äußerungen des Klägers eine religiös-ideologisierte Prägung seiner Person und seines Denkens nicht zur Überzeugung des Gerichts erkennen lassen. Sie tragen (weiterhin) nicht die Bewertung einer inhaltlichen Hinwendung zum radikal-extremistischen Islamismus bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islam beziehungsweise zum militanten Jihad mit einer Intensität und Nachhaltigkeit, die die Prognose rechtfertigt, bei dem im Grundsatz gewaltbereiten Kläger bestehe wegen einer hohen Identifikation mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam oder seiner engen Kontakte zu gleichgesinnten Personen bereits ein beachtliches Risiko zu Handlungen im Sinne des § 58a AufenthG, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen könne. 53 3.4 Auch die Gefahr einer Instrumentalisierung des Klägers für ideologisch geprägte Gewaltanwendungen ist nicht hinreichend wahrscheinlich. 54 Das BKA kommt in dem Risikoanalysebericht (Stand 6. September 2019, S. 11 ff.) zwar zu dem Ergebnis, dass für den Kläger ein Lebensentwurf ohne die Begehung von Straftaten als äußerst unwahrscheinlich erscheint. Sein bisher gezeigtes Verhalten, bei dem er sich trotz der drohenden Abschiebung nicht rechtskonform verhalten habe, spreche dafür, dass er weiterhin Gewaltstraftaten begehen werde. Aufgrund seiner Bereitschaft, Gewalt auch in massiver Form in unterschiedlichen Kontexten anzuwenden, sei davon auszugehen, dass hierbei in Zukunft ein Opfer massiv zu Schaden kommen oder unter Umständen sogar sein Leben verlieren werde. Im Lebenslauf des Klägers stellten Anschluss und Anerkennung in einer Gruppe handlungsleitende Motive dar, und er würde zu diesem Zweck auch Gewaltstraftaten begehen. Auf Grund dieser Motivation und seiner guten Beziehungen zu Nrf. hält es das BKA für möglich, dass der Kläger, ohne dass er die salafistische Ideologie übernimmt, wieder Anschluss an die salafistische Szene findet. Sollte er in diesem Umfeld eine schwere Gewalttat begehen, bestehe die Möglichkeit, dass diese - obwohl vom Kläger nicht mit feindseligen, salafistischen Motiven ausgeübt - in der Öffentlichkeit als islamistisch motivierte und damit staatsgefährdende Gewaltstraftat im Sinne des § 89a StGB wahrgenommen werde. 55 Seine leichte Beeinflussbarkeit, die etwa durch die Mitgliedschaft in beziehungsweise Kontakte zu verschiedenen gewaltbereiten Gruppierungen (Straßengang ""Bad Boys K."", Rockerclub ""United Tribuns"", Clanfamilie Ndun., Drogenszene) belegt ist, in denen er erkennbar Halt und Anerkennung gesucht hat, und sein Drogenkonsum sind zwar bei einer allgemeinen Gefahrenprognose in Bezug auf das Gewaltpotential des Klägers zu berücksichtigen (s.o. 3.2); über dessen religiös-extremistische Fundierung oder die Bereitschaft, dies auch zu Handlungen im Sinne des § 58a AufenthG einzusetzen beziehungsweise sich hierfür instrumentalisieren zu lassen, geben sie indes keinen hinreichenden Aufschluss. 56 Bei dieser Einschätzung ist insbesondere die Persönlichkeit des Klägers zu berücksichtigen. Sie ist zwar geprägt von einer grundsätzlichen und chronifizierten Gewaltbereitschaft, und bei der Anwendung physischer Gewalt neigt der Kläger zu Überreaktionen. Dabei ist er durchaus in der Lage, sich zu regulieren, insbesondere, wenn er durch die Anwendung von Gewalt ein Ziel nicht erreichen kann und letztlich als Verlierer aus einer Situation hervorginge. Er kann den Aufwand gegenüber dem Nutzen sehr gut abschätzen. Auch wenn er stetig nach einem Status, Anerkennung und Respekt in einer Gruppe sucht, fehlt es ihm grundsätzlich an der Bereitschaft, sich dem Willen anderer Personen oder Gruppen anzupassen beziehungsweise unterzuordnen. Der Kläger ist egoistisch und verhält sich rücksichtslos bei der Erreichung seiner Ziele sowie der Befriedigung seiner Bedürfnisse. Hierdurch wird erkennbar, dass sein Verhalten von Denkmustern in Form von einfachen Kausalitäten geprägt ist und in der Folge nur kurzfristige Ziele angestrebt werden. Er besitzt keine ausgeprägte Weitsicht oder eine mittel- beziehungsweise langfristige Strategie sowie Planung, und eine Verhaltensänderung erscheint beim Kläger in Zukunft mangels Selbstreflexion als eher unwahrscheinlich (Risikoanalysebericht des BKA, Stand 6. September 2019, S. 9 f.). Mit dieser Persönlichkeitsstruktur fehlt es dem Gericht an einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage für die Prognose, dass es hinreichend wahrscheinlich sei, dass er sich entgegen seinem Charakter den für eine terroristische Gewaltanwendung erforderlichen Organisationsstrukturen und Planungen unterwirft und dabei mit Blick auf die bei ihm ausgeprägte Aufwand-Nutzen-Kalkulation das Risiko der Verfolgung wegen einer terroristischen Straftat mit der erheblichen Gefahr einer Aufenthaltsbeendigung eingeht. 57 4. Mangels der hinreichenden Prognose einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr durch den Kläger und damit mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 58a AufenthG ist die angefochtene Abschiebungsanordnung aufzuheben. Damit entfällt auch die Grundlage für die Feststellung des Nichtvorliegens von Abschiebungsverboten (§ 58a Abs. 3 AufenthG). 58 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2020-10,06.02.2020,"Pressemitteilung Nr. 10/2020 vom 06.02.2020 EN Voraussetzungen für BAföG-Leistungen bei Fachrichtungswechsel nach dem 4. Fachsemester Wechseln Studierende nach dem Beginn des 4. Fachsemesters die Fachrichtung, können Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) grundsätzlich nur dann bewilligt werden, wenn Ausbildungszeiten aus der bisherigen Ausbildung durch die hierfür zuständige Stelle der Hochschule angerechnet worden sind. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht heute entschieden. Die Klägerin war vom Wintersemester 2013/2014 bis einschließlich Sommersemester 2015 im Bachelorstudiengang Combined Studies mit den Fächern Sachunterricht (Biologie) und Katholische Theologie eingeschrieben. Für dieses Lehramtsstudium erhielt sie wie beantragt Ausbildungsförderung vom Förderungsamt der Beklagten. Zum Wintersemester 2015/16 wechselte sie von dem Teilstudiengang Katholische Theologie zu dem Teilstudiengang Germanistik. Die Beklagte lehnte die Förderung des Studiums in der neuen Fächerkombination ab. Nach erfolgloser Klage vor dem Verwaltungsgericht verpflichtete das Oberverwaltungsgericht die Beklagte, der Klägerin für den streitigen Zeitraum von Oktober 2015 bis September 2016 Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Für Studierende ist ein Fachrichtungswechsel grundsätzlich nur aus wichtigem Grund bis zum Beginn des 4. Fachsemesters förderungsunschädlich (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG). Bei einem späteren Wechsel ist zu prüfen, ob die zeitliche Grenze aufgrund einer Anrechnung von Semestern aus der ursprünglich betriebenen Fachrichtung eingehalten ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG können bei dieser Prüfung Semester nur dann abgezogen werden, wenn sie durch die Ausbildungsstätte, d.h. die hierfür zuständige Stelle der Hochschule, tatsächlich auf den neuen Studiengang angerechnet worden sind. Die fehlende Anrechnung der Hochschule kann entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht durch das Förderungsamt oder das Gericht ersetzt werden. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht. In einem solchen Fall kann nur dann weitergefördert werden, wenn Studierende die Fachrichtung aus einem unabweisbaren Grund gewechselt haben. Ein solcher Grund kann auch dann vorliegen, wenn das bisherige Studium auf einen Beruf in einem kirchen- und verkündigungsnahen Bereich abzielt, dessen künftige Ausübung wegen einer geänderten religiösen Überzeugung unmöglich oder mit Blick auf die negative Glaubensfreiheit unzumutbar geworden ist. Dies macht die Klägerin hier geltend. Weil das Oberverwaltungsgericht ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt hierzu keine ausreichenden Tatsachen festgestellt hat, war die Sache an dieses zurückzuverweisen. BVerwG 5 C 10.18 - Urteil vom 06. Februar 2020 Vorinstanzen: OVG Lüneburg, 4 LB 408/17 - Beschluss vom 29. August 2018 - VG Osnabrück, 4 A 6/16 - Beschluss vom 24. November 2016 -","Urteil vom 06.02.2020 - BVerwG 5 C 10.18ECLI:DE:BVerwG:2020:060220U5C10.18.0 EN Leitsätze: 1. § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG setzt zwingend eine Anerkennungsentscheidung der hierfür zuständigen Stelle der Hochschule voraus. Diese Entscheidung kann nicht durch das Amt für Ausbildungsförderung oder - im Rechtsstreit über Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - das Verwaltungsgericht ersetzt werden. 2. Ein unabweisbarer Grund im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG kann auch dann gegeben sein, wenn das bisherige Studium auf einen Beruf in einem kirchen- und verkündigungsnahen Bereich abzielt, dessen künftige Ausübung wegen einer geänderten religiösen Überzeugung unmöglich oder mit Blick auf die negative Glaubensfreiheit unzumutbar geworden ist, weil die Ausübung des Berufs als solche sich als religiöser Bekenntnisakt darstellt. Rechtsquellen VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG Art. 3 Abs. 1, Art. 7 Abs. 3 Satz 2 BAföG § 7 Abs. 3 Satz 1, § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 7 Abs. 3 Satz 5, § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 15a Abs. 2 Satz 3 und Satz 4, § 48 Abs. 5 und Abs. 6 Instanzenzug VG Osnabrück - 24.11.2016 - AZ: VG 4 A 6/16 OVG Lüneburg - 29.08.2018 - AZ: OVG 4 LB 408/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 06.02.2020 - 5 C 10.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:060220U5C10.18.0] Urteil BVerwG 5 C 10.18 VG Osnabrück - 24.11.2016 - AZ: VG 4 A 6/16 OVG Lüneburg - 29.08.2018 - AZ: OVG 4 LB 408/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß, Dr. Harms und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. August 2018 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Ausbildungsförderung nach einem Fächerwechsel in einem Mehrfächerstudium. 2 Die Klägerin wurde im September 2013 von der Universität Vechta im Nachrückverfahren für den Studiengang ""Bachelor Combined Studies"" für den Teilstudiengang Sachunterricht (Biologie) mit dem Berufsziel Lehramt zugelassen. Ihre weitergehende Bewerbung um einen Studienplatz auch für den Teilstudiengang Germanistik wurde infolge insoweit bestehender Zulassungsbeschränkungen zunächst abgelehnt. Die Klägerin ließ sich daraufhin des Weiteren im (nicht zulassungsbeschränkten) Teilstudiengang Katholische Theologie immatrikulieren. Sie betrieb das Bachelorstudium in dieser Fächerkombination bis einschließlich Sommersemester 2015, also vier Semester lang. Für dieses Studium gewährte ihr das zuständige Studentenwerk der Beklagten Ausbildungsförderung. 3 Im Mai 2015 beantragte die Klägerin die Weiterförderung ihres Studiums. Im September 2015 teilte sie der Beklagten mit, dass sie zum Wintersemester 2015/16 unter Beibehaltung des Teilstudiengangs Sachunterricht (Biologie) vom Teilstudiengang Katholische Theologie zum Teilstudiengang Germanistik gewechselt sei. Beigefügt war eine Immatrikulationsbescheinigung der Universität Vechta, ausweislich derer die Klägerin nunmehr im Fach Germanistik im ersten Fachsemester und im Fach Sachunterricht im fünften Fachsemester eingereiht war. Den Wechsel des Studienfaches begründete die Klägerin gegenüber der Beklagten im Wesentlichen damit, bei ihr seien im Laufe des Sommersemesters 2015 Zweifel aufgetreten, ob sie Katholische Theologie als Lehrerin wirklich unterrichten wolle. Die hierfür erforderliche Glaubensüberzeugung bringe sie inzwischen nicht mehr mit. Sie habe auch nicht vor, ihren Lebenswandel an den Pflichten der katholischen Religion auszurichten. 4 Mit Bescheid vom 8. Dezember 2015 lehnte die Beklagte den Antrag auf Weiterförderung ab. Bei dem Wechsel der Fächerkombination handele es sich um einen Fachrichtungswechsel im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG, der nach dem vierten Fachsemester erfolgt sei und daher nur dann einer Förderung nicht entgegenstehe, wenn dieser aus unabweisbarem Grund erfolgt sei. Die geltend gemachten Gründe könnten aber allenfalls als wichtiger Grund anzusehen sein. 5 Dieser Auffassung hat sich das Verwaltungsgericht im Ergebnis angeschlossen und die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 8. Dezember 2015 verpflichtet, der Klägerin für den Zeitraum Oktober 2015 bis September 2016 Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Der Fachrichtungswechsel der Klägerin sei nicht förderungsschädlich, da dieser so zu behandeln sei, als sei er bis zum Beginn des zweiten Fachsemesters erfolgt, sodass auch nach § 7 Abs. 3 Satz 4 BAföG ein wichtiger Grund hierfür zu vermuten sei. Für den danach hier gegebenen Fall einer fehlenden Entscheidung der Ausbildungsstätte über die Anrechnung von Semestern enthalte § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG seinem Wortlaut nach keine Regelung. Diese Lücke sei im Wege einer analogen Anwendung des § 15a Abs. 2 Satz 3 BAföG zu schließen. 6 Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Sie rügt eine Verletzung des § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG. 7 Die Klägerin verteidigt den angefochtenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts. II 8 Die Revision der Beklagten ist begründet. Der angefochtene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht nicht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Er verletzt § 7 Abs. 3 Satz 5 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1952), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch das Gesetz vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2475). Da der Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 9 Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Förderungsanspruch kommt allein § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG in Betracht. Danach wird Ausbildungsförderung auch für eine andere Ausbildung geleistet, wenn der Auszubildende aus wichtigem oder unabweisbaren Grund - soweit hier von Interesse - die Fachrichtung gewechselt hat; Auszubildende, die - wie die Klägerin - an einer Hochschule studieren, können sich auf einen wichtigen Grund für den Fachrichtungswechsel nur bis zum Beginn des vierten Fachsemesters berufen. Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert, konzentriert sich der Streit der Beteiligten auf die Frage, ob der - von ihnen zu Recht nicht in Abrede gestellte - nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) erst nach dem Abschluss des vierten Fachsemesters vorgenommene Fachrichtungswechsel im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG gemäß § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG gleichwohl als rechtzeitig erfolgt anzusehen ist. Das ist zu verneinen (1.). Der Senat kann anhand der bisher festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen, ob die Klägerin die Fachrichtung - was für eine Bewilligung von Ausbildungsförderung bei einem Fachrichtungswechsel nach Beginn des vierten Fachsemesters erforderlich ist - aus unabweisbarem Grund gewechselt hat (2.). 10 1. Die Klägerin hat die Fachrichtung nicht gemäß § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG bis zum Beginn des vierten Fachsemesters gewechselt. 11 Nach dieser Vorschrift wird bei der Bestimmung des nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BAföG maßgeblichen vierten Fachsemesters, bis zu dessen Beginn Studierende die Fachrichtung aus wichtigem Grund wechseln können, die Zahl der Semester abgezogen, die nach Entscheidung der Ausbildungsstätte aus der ursprünglich betriebenen Fachrichtung auf den neuen Studiengang angerechnet werden. Mit der Entscheidung der Ausbildungsstätte im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG ist die hochschulrechtliche Anerkennungs- bzw. Anrechnungsentscheidung gemeint, die Voraussetzung für eine Einschreibung bzw. Einstufung in ein höheres Fachsemester der neuen anderen Ausbildung ist. Getroffen wird sie durch die hierzu berufenen Einrichtungen der Ausbildungsstätten, d.h. die nach dem jeweiligen Landeshochschulrecht für die Entscheidung über die Anerkennung bisheriger Studienzeiten, Studien- und Prüfungsleistungen als gleichwertig zuständigen Stellen der in § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 4 Halbs. 2 BAföG genannten Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen. Insofern wird der Begriff der Ausbildungsstätte in § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG in einem anderen Sinne verwendet als der gleichlautende Begriff in § 2 BAföG (vgl. insoweit etwa BVerwG, Urteile vom 12. Juli 2012 - 5 C 14.11 - BVerwGE 143, 314 Rn. 23 und vom 17. Oktober 2018 - 5 C 8.17 - BVerwGE 163, 252 Rn. 8 f.). Für dieses Verständnis spricht vor allem der enge funktionale Zusammenhang mit § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG. Diese Vorschrift bindet die Anrechnung von Zeiten einer vorangegangenen Ausbildung, berufspraktischen Tätigkeit oder eines vorangegangenen Praktikums auf die Förderungshöchstdauer der zu fördernde Ausbildung ausdrücklich an eine entsprechende Anerkennungsentscheidung der ""zuständigen Stelle"", womit ebenfalls die nach dem jeweiligen Landeshochschulrecht für die Entscheidung über die Anerkennung von Studienzeiten, Studien- und Prüfungsleistungen zuständige Stelle der Ausbildungsstätte gemeint ist (vgl. Fischer, in Rothe/Blanke, BAföG, Stand Juli 2019, § 15a Rn. 7.3 und Lackner, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 15a Rn. 13). Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Prüfung der Einhaltung der zeitlichen Grenze für einen förderungsunschädlichen Fachrichtungswechsel aus wichtigem Grund andere Anforderungen stellen wollte. Insbesondere lässt sich § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG nicht dahingehend auslegen, dass eine fehlende Anerkennungsentscheidung der hierfür zuständigen Stelle der Hochschule ersetzbar ist (a). Auch eine richterliche Rechtsfortbildung im von der Vorinstanz dargelegten Sinne scheidet aus (b). Dieses Ergebnis bedarf keiner Korrektur aus verfassungsrechtlichen Gründen (c). An der erforderlichen Anrechnungsentscheidung der Ausbildungsstätte fehlt es im konkreten Fall (d). 12 a) § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG setzt zwingend eine Anerkennungsentscheidung der hierfür zuständigen Stelle der Hochschule voraus. Der Wortlaut der Vorschrift sperrt eine Auslegung dahingehend, dass diese Entscheidung durch das Amt für Ausbildungsförderung oder - im Rechtsstreit über Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - das Verwaltungsgericht ersetzt werden kann. 13 Der gewählten Formulierung ""die nach Entscheidung der Ausbildungsstätte ... angerechnet werden"" ist unzweifelhaft zu entnehmen, dass bei der von den Ämtern für Ausbildungsförderung im Rahmen der Entscheidung über den Antrag auf Ausbildungsförderung vorzunehmenden Prüfung, ob die zeitliche Grenze der anspruchsbegründenden Norm des § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BAföG aufgrund einer Anrechnung von Semestern aus der ursprünglich betriebenen Fachrichtung eingehalten ist, nur dann Semester abgezogen werden können, wenn die auf sie entfallenden Studienzeiten durch die Ausbildungsstätte tatsächlich für den neuen Studiengang angerechnet worden sind. Der Gesetzeswortlaut bietet keinen Anknüpfungspunkt für eine Deutung, es reiche aus, dass Semester von Rechts wegen hochschulrechtlich anzurechnen seien oder angerechnet werden könnten. Das schließt es aus, dass eine tatsächlich nicht getroffene hochschulrechtliche Anerkennungs- bzw. Anrechnungsentscheidung durch die hierfür zuständige Stelle der in § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 4 Halbs. 2 BAföG genannten Ausbildungsstätten durch die Ämter für Ausbildungsförderung oder die Verwaltungsgerichte ersetzt werden kann. 14 b) Die Ersetzbarkeit der geforderten Anrechnungsentscheidung ist auch nicht im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung zu begründen. 15 Die Befugnis zur Korrektur des Wortlauts einer Vorschrift steht den Gerichten nur begrenzt zu. Jede Art der gesetzesimmanenten richterlichen Rechtsfortbildung setzt unabhängig von dem in Betracht kommenden methodischen Mittel (hier die Analogie) eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine judikative Lösung ersetzen. Ob eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2018 - 5 C 10.17 - NVwZ-RR 2019, 420 Rn. 11 m.w.N). In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben lässt sich nicht feststellen, dass es der Gesetzgeber planwidrig unterlassen hat, das Amt für Ausbildungsförderung zu ermächtigen, im Falle einer fehlenden hochschulrechtlichen Anerkennungsentscheidung der hierfür zuständigen Stellen selbst über die nach Maßgabe des jeweiligen Landeshochschulrechts als gleichwertig anzuerkennenden Studienzeiten, Studien- und Prüfungsleistungen und damit die Zahl der nach § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG abzuziehenden Semester zu entscheiden. 16 Dies erschließt sich bereits aus der Gesetzgebungsgeschichte und der in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Intention. Aus der amtlichen Begründung zu Art. 1 Nr. 4 Buchst. b des Zweiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 23. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3254), durch das der Satz 5 dem § 7 Abs. 3 BAföG angefügt worden ist, ergibt sich, dass nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers bei der Bestimmung des förderungsrechtlich unschädlichen Zeitpunkts eines Fachrichtungswechsels nur Semester Berücksichtigung finden sollen, die ""nach einer Anrechnungsentscheidung der hierfür zuständigen Ausbildungsstätte"" aus dem bisher verfolgten Studiengang auf den neu eingeschlagenen Studiengang angerechnet werden (BT-Drs. 16/5172 S. 18). Hieraus folgt, dass nach der gesetzgeberischen Vorstellung eine ausdrückliche hochschulrechtliche Anerkennungsentscheidung der hierfür zuständigen Stelle der Hochschule sowohl Voraussetzung als auch Maßstab eines Semesterabzugs im Rahmen der Fristbestimmung nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BAföG sein soll. 17 Der sich aus den Gesetzesmaterialien ergebende Zweck der Gesetzesänderung bekräftigt diesen Befund. Die Einfügung des Satzes 5 soll danach die verfassungskonforme Auslegung, die § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. August 2005 - 1 BvR 309/03 - (BVerfGK 6, 136) erfahren hat, klarstellend in das Gesetz übernehmen (BT-Drs. 16/5172 S. 18). Die danach beabsichtigte normative ""eins-zu-eins""-Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung erfordert keine Berücksichtigung der Fälle, in denen eine Anerkennungsentscheidung der Hochschule tatsächlich nicht ergangen ist. Denn eine derartige Fallkonstellation war nicht Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt zeichnet sich vielmehr dadurch aus, dass die Hochschule in jenem Fall mehrere Semester und Kurse aus dem ursprünglich verfolgten Studiengang der Zahnmedizin für den sodann verfolgten Studiengang der Humanmedizin als erbracht anerkannt hat. Die durch das Bundesverfassungsgericht beanstandete Ungleichbehandlung betrifft mithin ausschließlich Studierende, die über eine studienzeitverkürzende Anerkennungsentscheidung der Hochschule verfügten, welche allerdings bei der Bestimmung des Zeitpunkts nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BAföG unberücksichtigt blieb, wodurch diese wegen Nichteinhaltung der zeitlichen Grenze für einen förderungsunschädlichen Fachrichtungswechsel aus wichtigem Grund keine Ausbildungsförderung erhielten. Demgegenüber wurden Studierende, die unter Einhaltung der zeitlichen Grenze die Fachrichtung aus einem wichtigen Grund wechselten, gefördert, obgleich sie sich mangels anrechenbarer Leistungen in dem neuen Studium in das erste Fachsemester einzuschreiben hatten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. August 2005 - 1 BvR 309/03 - BVerfGK 6, 136 Rn. 31). Die bewusste Begrenzung der Gesetzesänderung auf diese vom Bundesverfassungsgericht entschiedene Fallkonstellation steht der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke entgegen. 18 Auch der systematische Abgleich mit § 15a Abs. 2 Satz 3 BAföG spricht gegen eine solche Lücke. Diese Vorschrift ermächtigt das Amt für Ausbildungsförderung die auf die Förderungshöchstdauer anzurechnenden (Vorausbildungs-)Zeiten unter Berücksichtigung der jeweiligen Studien- und Prüfungsordnungen sowie der Umstände des Einzelfalles selbst festzulegen, wenn der Auszubildende eine Anerkennungsentscheidung der zuständigen Stelle nicht vorlegt. Das hätte es nahegelegt, eine entsprechende Ermächtigung des Amtes für Ausbildungsförderung auch in § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG aufzunehmen. Dass der Gesetzgeber dies nicht getan hat, lässt insbesondere vor dem Hintergrund von Gesetzgebungsgeschichte und Gesetzeszweck erkennen, dass es sich dabei nicht um ein Redaktionsversehen handelt. 19 Das gilt umso mehr, als § 15a Abs. 2 Satz 3 BAföG eine andere Zielrichtung als § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG verfolgt. Die fiktive Vorverlagerung des Zeitpunktes des Fachrichtungswechsels in § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG dient - wie dargelegt - der Vermeidung eines gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses. Die Ermächtigung des Amtes für Ausbildungsförderung in § 15a Abs. 2 Satz 3 BAföG soll demgegenüber förderungsrechtlichen Missbrauchsfällen vorbeugen, welche sich daraus ergeben, dass Studierende, die innerhalb der Frist des § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BAföG und damit ohne die Notwendigkeit einer Semesteranrechnung wechseln, eine hochschulrechtlich mögliche Anerkennung ihrer Studienzeiten und -leistungen aus der ursprünglich betriebenen Fachrichtung aus welchen Gründen auch immer nicht vornehmen lassen. Ohne die dem Amt für Ausbildungsförderung in § 15a Abs. 2 Satz 3 BAföG eingeräumte Befugnis, die auf die Förderungshöchstdauer anzurechnenden Zeiten festzusetzen, würden diese Studierenden in Bezug auf die Förderungshöchstdauer gegenüber Studierenden ungerechtfertigt privilegiert, die eine hochschulrechtliche Anerkennung mit der Wirkung des § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG vornehmen lassen. Denn Erstgenannte könnten mangels Anrechnung von Zeiten auf die Förderungshöchstdauer in der Regel für einen längeren Zeitraum Ausbildungsförderung in Form eines hälftigen Zuschusses und im Übrigen durch ein zinsfreies Darlehen (§ 17 Abs. 1 und 2 BAföG) erhalten. Insofern hat § 15a Abs. 2 Satz 3 BAföG einen spezifisch auf die Bestimmung der Förderungshöchstdauer bezogenen Charakter, der sich zudem für den betreffenden Studierenden regelmäßig belastend auswirkt. Das lässt darauf schließen, dass eine Ersetzung der hochschulrechtlichen Anerkennungsentscheidung durch das Amt für Ausbildungsförderung im Rahmen der Prüfung der Förderfähigkeit einer anderen Ausbildung dem Grunde nach vom Gesetzgeber nicht gewollt war. 20 c) Die fehlende Ersetzbarkeit der hochschulrechtlichen Anerkennungsentscheidung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Darin liegt - entgegen der Annahme des Oberverwaltungsgerichts - kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. 21 Dieser gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Ausschluss, bei dem eine Begünstigung dem einen Personenkreis gewährt, dem anderen aber vorenthalten wird. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit ist zudem zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt und größte Zurückhaltung geboten ist, dem Gesetzgeber über den Gleichheitssatz zusätzliche Leistungsverpflichtungen aufzuerlegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2018 - 5 C 14.16 - Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 127 Rn. 35; BVerfG, Beschlüsse vom 26. April 1988 - 1 BvL 84/86 - BVerfGE 78, 104 <121> und vom 7. Februar 2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240 <254>, jeweils m.w.N.). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Normgeber regelmäßig engen rechtlichen Bindungen. Dies gilt auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. In diesen Fällen liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz schon dann vor, wenn für die Differenzierung keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. zu Vorstehendem insgesamt etwa BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 <68 f.> und BVerwG, Urteile vom 24. November 2016 - 5 C 57.15 - Buchholz 454.710 § 5 WoGG n.F. Nr. 1 Rn. 33 und 36 und vom 29. März 2018 - 5 C 14.16 - Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 127 Rn. 33, jeweils m.w.N.). Im Übrigen ist bei einer an Sachverhalten orientierten Ungleichbehandlung entscheidend, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung des Differenzierungsmerkmals zu beeinflussen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - BVerfGE 97, 169 <181> und vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 <69> m.w.N.). Nach diesen rechtlichen Maßstäben liegt hier zwar eine Ungleichbehandlung vor (aa). Diese ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt (bb). 22 aa) Ungleich behandelt werden Studierende, die nach dem Beginn des vierten Fachsemesters die Fachrichtung wechseln und trotz hochschulrechtlich anerkennungsfähiger und damit anrechenbarer Studienzeiten und -leistungen über keine entsprechende hochschulrechtliche Anerkennungsentscheidung der hierfür zuständigen Stelle der Hochschule verfügen, gegenüber einerseits Studierenden, die ebenfalls nach diesem Zeitpunkt einen Fachrichtungswechsel vornehmen und eine entsprechende Entscheidung besitzen, und andererseits Studierenden, die innerhalb der Frist des § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG die Fachrichtung wechseln und ebenso lang weiter gefördert werden. Die Ungleichbehandlung gegenüber den zuletzt genannten Studierenden besteht allerdings anders als vor der Beanstandung der früheren Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG durch das Bundesverfassungsgericht nicht mehr in einem Ausschluss von der Ausbildungsförderung bei einem Fachrichtungswechsel nach dem maßgeblichen Fachsemester schlechthin, sondern in der Bindung der weiteren Förderung an die zwingende Voraussetzung einer hochschulrechtlichen Anerkennungsentscheidung. 23 bb) Gegen diese Unterscheidung bestehen selbst bei einer Bindung an den Verhältnismäßigkeitsmaßstab keine rechtlichen Bedenken. Denn sie wird nach Art und Ausmaß durch einen hinreichenden Sachgrund gerechtfertigt. 24 Rechtfertigender Sachgrund für die Ungleichbehandlung ist die gesetzgeberische Wertung, die Entscheidung über die Anerkennung von Semestern der in Bezug auf das Hochschulrecht fachkundigen und sachnäheren zuständigen Stelle der Ausbildungsstätten vorzubehalten. Das ist sowohl § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG als auch § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 4 BAföG zu entnehmen. Ausweislich der vorstehenden Ausführungen ist die Entscheidung über die Anerkennung von Studienzeiten aus der ursprünglich verfolgten Fachrichtung auf den neuen Studiengang nach § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG anspruchsbegründend und gemäß § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG bei der Bestimmung der Förderungshöchstdauer für das Amt für Ausbildungsförderung ausnahmslos bindend (vgl. Lackner, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 15a Rn. 14). Durch diese Bindung wird das Amt für Ausbildungsförderung von aufwändigen Sachverhaltsermittlungen und von - wie der vorliegende Fall zeigt - unter Umständen sehr schwierigen rechtlichen Bewertungen unter Heranziehung der Studienordnungen befreit, die Angelegenheit der Hochschule sind (vgl. Fischer, in: Rothe/Blanke, BAföG, Stand Juli 2019, § 15a Rn. 7.4 s. allgemein zum Entlastungsaspekt im Rahmen des BAföG BVerwG, Urteil vom 27. April 1993 - 11 C 13.92 - FamRZ 1993, 1373 <1375>). Der Vorrang der hochschulrechtlichen Anerkennungsentscheidung im Rahmen der Bestimmung der Förderungshöchstdauer wird durch § 15a Abs. 2 Satz 4 BAföG unterstrichen. Danach ist das Amt für Ausbildungsförderung, nachdem es gemäß § 15a Abs. 2 Satz 3 BAföG die anzurechnenden Zeiten festgesetzt hat, grundsätzlich verpflichtet, eine später ergehende hochschulrechtliche Anerkennungsentscheidung zu übernehmen. 25 Das Gewicht der Ungleichbehandlung wird dadurch gemindert, dass die von der Förderung ausgeschlossenen Studierenden, soweit die Anerkennung von Studienzeiten aus der ursprünglich betriebenen Fachrichtung nicht ohnehin von Amts wegen vorgenommen wird (vgl. etwa § 56 Abs. 1 Satz 1 BremHG), in zumutbarer Weise hierauf Einfluss nehmen können. Denn sie können im Regelfall - und wie das Oberverwaltungsgericht in bindender Auslegung von Landesrecht (§ 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 560 ZPO) festgestellt hat auch hier - mit Aussicht auf Erfolg - gegebenenfalls unter Beachtung etwaiger formeller Erfordernisse - bei der zuständigen Stelle der Hochschule einen entsprechenden Anerkennungsantrag stellen und so den Förderungsausschluss durch eigenes Verhalten abwenden. Das notwendige verfahrensrechtliche Interesse für einen solchen Antrag und dessen sachliche Bescheidung folgt aus § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG. Danach ist die hochschulrechtliche Anerkennung bzw. Anrechnung eine anspruchsbegründende Voraussetzung für die Bewilligung von Ausbildungsförderung für eine andere Ausbildung nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BAföG. Lehnt die zuständige Stelle der Hochschule eine Anrechnung als solche oder in notwendigem Umfang ab, steht es den Betroffenen frei, Rechtsbehelfe hiergegen in Anspruch zu nehmen. 26 d) Mit Rücksicht auf diese rechtlichen Vorgaben ist dahin zu erkennen, dass die von § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG geforderte Anrechnungsentscheidung der Ausbildungsstätte nicht vorliegt. 27 Das Oberverwaltungsgericht hat zwar nicht geprüft, welche Einrichtung der Universität Vechta nach Maßgabe der einschlägigen landesrechtlichen und daher grundsätzlich irrevisiblen Regelungen als im oben genannten Sinne zuständige Stelle anzusehen ist und diese auch ansonsten nicht konkret benannt. Der Senat ist daher befugt, die insoweit einschlägigen landesrechtlichen Regelungen selbst auszulegen und anzuwenden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. März 2019 - 5 CN 1.18 - NVwZ 2019, 1685 Rn. 20). Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 3 der Rahmenprüfungsordnung für Bachelor- und Masterstudiengänge an der Universität Vechta vom 22. Februar 2012 (RPO), welche nach § 32 Satz 2 RPO seit dem 1. Oktober 2013 auch für den Studiengang Bachelor Combined Studies gilt, wird die Entscheidung über die Anerkennung von Studienzeiten in gleichen Studiengängen an einer deutschen Universität auf Antrag durch einen studiengangspezifischen Prüfungsausschuss getroffen. Gleiches gilt nach § 9 Abs. 2 Satz 1 RPO für die Anerkennung von Studienzeiten in anderen Studiengängen. 28 Das Oberverwaltungsgericht hat jedoch ausgeführt, die Universität Vechta habe eine Anrechnungsentscheidung im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG nicht getroffen. Damit ist konkludent festgestellt, dass eine hochschulrechtliche Anerkennungsentscheidung des studiengangspezifischen Prüfungsausschusses nicht vorliegt. Die hiergegen von der Beklagten erhobene Rüge der Aktenwidrigkeit, die auf die Annahme zielt, das Oberverwaltungsgericht habe einen ""falschen"" Sachverhalt festgestellt, ist unbegründet. 29 Von einer Aktenwidrigkeit der tatsächlichen Feststellungen ist auszugehen, wenn zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt ein Widerspruch besteht. Dieser Widerspruch muss zweifelsfrei und offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - 5 C 19.16 - BVerwGE 160, 212 Rn. 58). Das angegriffene Urteil trifft keine Feststellung, die im Widerspruch zum unumstrittenen Akteninhalt steht. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis vielmehr im Einklang mit diesem angenommen, dass weder in der Immatrikulation der Klägerin in das erste Fachsemester im Teilstudiengang Germanistik bzw. der hierüber ausgestellten Immatrikulationsbescheinigung noch in dem im vorinstanzlichen Verfahren von der Beklagten vorgelegten Schreiben der Universität Vechta vom 30. Mai 2018 eine Entscheidung über die (Nicht-)Anrechnung von Studienzeiten und -leistungen im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG liegt. 30 Für die Immatrikulation bzw. die hierüber ausgestellte Bescheinigung ergibt sich dies bereits daraus, dass diese - was von der Beklagten auch nicht bestritten wird - von dem mit dem studiengangspezifischen Prüfungsausschuss nicht identischen Immatrikulationsamt der Universität Vechta vorgenommen bzw. ausgestellt wird. Das folgt aus § 2 Abs. 4 Nr. 4 der Immatrikulationsordnung der Universität Vechta vom 25. Mai 2011. Diese Vorschrift ordnet an, dass, wenn die Einschreibung für ein höheres Fachsemester aufgrund von gleichwertigen Leistungen beantragt wird, dem Antrag auf Immatrikulation der Anerkennungsbescheid des hierfür zuständigen Prüfungsausschusses beizufügen bzw. bei der Online-Einschreibung nachzureichen ist. Das zeigt, dass die Einschreibung in ein höheres Fachsemester selbst keine hochschulrechtliche Anerkennungsentscheidung zum Ausdruck bringt, sondern eine solche des zuständigen Prüfungsausschusses voraussetzt. Demgemäß kann aus der Einschreibung in ein höheres Fachsemester zwar grundsätzlich eine Indizwirkung des Inhalts abgeleitet werden, dass eine Anerkennungsentscheidung durch die zuständige Stelle getroffen worden ist (vgl. Fischer, in: Rothe/Blanke, BAföG, Stand Juli 2019, § 15a Rn. 7.1). Umgekehrt lässt sich aus der Einschreibung in das erste Fachsemester - wie hier - aber nicht herleiten, dass der Prüfungsausschuss ausdrücklich über die Nichtanerkennung von Studienzeiten entschieden hätte. Denn dies kann seine Ursache ebenso gut darin haben, dass der Prüfungsausschuss mit einem solchen Anliegen überhaupt nicht befasst gewesen ist. So verhält es sich auch hier. Denn es ist weder festgestellt noch wird es von der Klägerin behauptet, dass sie beim Prüfungsausschuss einen Antrag auf Anrechnung von Studienzeiten und -leistungen gestellt hat. Vielmehr hat auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt, dass dies nicht geschehen ist. 31 Bereits mangels eines derartigen Antrags kann die erforderliche Anerkennungsentscheidung des studiengangspezifischen Prüfungsausschusses auch nicht in dem Schreiben der Leiterin des Dezernats 3 der Verwaltung der Universität Vechta vom 30. Mai 2018, das von dem Oberverwaltungsgericht als gutachterliche Stellungnahme im Sinne des § 48 Abs. 5 BAföG gewertet worden ist, erblickt werden. Darüber hinaus enthält oder gibt dieses Schreiben auch nach den Feststellungen der Vorinstanz keine Erklärung des zuständigen Prüfungsausschusses wieder, sondern erläutert lediglich aus Sicht der Universitätsverwaltung, warum im vorliegenden Fall eine Anrechnung von Leistungen nicht statthaft sei. Abgesehen davon handelt es sich bei dem Schreiben auch nicht um eine gutachtliche Stellungnahme zur Frage der Anerkennung von Studienzeiten nach § 48 Abs. 5 BAföG, an die die Beklagte nach Maßgabe des § 48 Abs. 6 BAföG gebunden wäre. Denn eine nach § 48 Abs. 5 BAföG in den Fällen des § 7 Abs. 3 BAföG eingeholte gutachterliche Stellungnahme ist auf eine Auskunft zu den besonderen tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Förderung nach Aufnahme einer anderen Ausbildung gerichtet (vgl. Fischer, in: Rothe/Blanke, BAföG, Stand Juli 2019, § 48 Rn. 49). Tatbestandliche Voraussetzung in diesem Sinne ist im Fall des § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG allein, ob eine hochschulrechtliche Anerkennung durch die hierfür zuständige Stelle erfolgt ist und welchen Inhalt sie insbesondere bezogen auf die Anrechnung von Semestern aus der ursprünglich betriebenen Fachrichtung auf den neuen Studiengang hat. Nur dies kann eine gutachterliche Stellungnahme der Ausbildungsstätte nach § 48 Abs. 5 BAföG zum Gegenstand haben. Die dem Amt für Ausbildungsförderung nach § 48 Abs. 6 BAföG eingeräumte Befugnis, von dieser Stellungnahme abzuweichen, reicht nicht weiter. Auch deshalb widerspricht das Schreiben vom 30. Mai 2018 nicht der Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, es fehle an einer Anerkennungsentscheidung des studiengangspezifischen Prüfungsausschusses. 32 2. Die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ermöglichen dem Senat im Fall der Klägerin keine abschließende Beurteilung, ob ihr der geltend gemachte Förderungsanspruch deshalb zusteht, weil sie aus einem unabweisbaren Grund die Fachrichtung gewechselt hat. 33 Ein unabweisbarer Grund für einen Fachrichtungswechsel im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG liegt vor, wenn Umstände eintreten, die die Fortführung der bisherigen Ausbildung objektiv und subjektiv unmöglich machen. Die Umstände müssen dergestalt sein, dass sie die Wahl zwischen der Fortsetzung der bisherigen Ausbildung und dem Überwechseln in eine andere Fachrichtung nicht zulassen. Es können nur solche Umstände berücksichtigt werden, die zu einem Wegfall der Eignung des Auszubildenden für die künftige Ausübung des bisher angestrebten Berufs und die dahin zielende noch zu absolvierende Ausbildung geführt haben. Demzufolge ist ein bloßer Neigungswandel unzureichend (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. April 1981 - 5 C 36.79 - BVerwGE 62, 174 <179> und vom 19. Februar 2004 - 5 C 6.03 - BVerwGE 120, 149 <150 f.> m.w.N.). Bei weltanschaulich gebundenen Berufen kann - anders als von der Beklagten in Anlehnung an Tz. 7.3.9 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG-VwV - i.d.F. vom 15. Oktober 1991 (GMBl. S. 770), zuletzt geändert am 29. Oktober 2013 (GMBl. S. 1094), angenommen - auch ein Wandel der Weltanschauung oder Konfession unter Umständen als ein solch unabweisbarer Grund anzusehen sein. Erforderlich ist insoweit, dass der Wandel der Weltanschauung oder Konfession zu einem Wegfall der Eignung für die Ausübung des angestrebten Berufs führt. Solches kann auch dann gegeben sein, wenn das bisherige Studium auf einen Beruf in einem kirchen- und verkündigungsnahen Bereich abzielt, dessen künftige Ausübung wegen einer geänderten religiösen Überzeugung unmöglich oder mit Blick auf die negative Glaubensfreiheit unzumutbar geworden ist, weil die Ausübung des Berufs als solche sich als religiöser Bekenntnisakt darstellt. In Betracht kommt dies etwa im Fall eines Kirchenaustritts bei einem Theologiestudium zur Vorbereitung auf das Pfarramt (vgl. Buter, in: Rothe/Blanke, BAföG, Stand Juli 2019, § 7 Rn. 43). Nicht anders stellt es sich im Fall von Personen dar, die - wie die Klägerin - Katholische oder Evangelische Theologie mit dem Berufsziel Lehramt studieren, weil die Ausübung des Berufs des Religionslehrers die Erteilung einer kirchlichen Unterrichtserlaubnis (Missio canonica bzw. Vocatio) voraussetzt (vgl. Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG; für den katholischen Religionsunterricht in Niedersachsen: Art. 7 Abs. 3 Satz 1 des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Lande Niedersachsen vom 1. Juli 1965 ). Diese wird nur dann gewährt, wenn der Betreffende die Bereitschaft zusichert, den Religionsunterricht in Übereinstimmung mit der Lehre der jeweiligen Kirche zu erteilen. Im Bereich der katholischen Kirche wird zudem erwartet, in der persönlichen Lebensführung die Grundsätze der Lehre der katholischen Kirche zu beachten (vgl. Deutsche Bischofskonferenz, Rahmenrichtlinien für die Erteilung der kirchlichen Unterrichtserlaubnis und der Missio canonica für Lehrkräfte mit der Fakultas ""Katholische Religionslehre"" vom 15. März 1973, Nr. 7). Mit Blick darauf ist die Berufsausübung unmöglich, wenn ein Wandel der religiösen Überzeugung vorliegt, der die Übereinstimmung mit der kirchlichen Lehre entfallen lässt, weil dann bei einer wahrheitsgemäßen Erklärung hierüber keine Aussicht auf die Erteilung der kirchlichen Unterrichtserlaubnis mehr besteht. Jedenfalls wird sie in solchen Fällen angesichts der in den Erteilungsvoraussetzungen zum Ausdruck kommenden Teilhabe des Religionslehrerberufs am Bekenntnischarakter des Religionsunterrichts mit Blick auf die negative Religionsfreiheit unzumutbar, was ebenfalls als Wegfall der Eignung zu behandeln ist. Die betreffenden Umstände sind von dem Auszubildenden unverzüglich geltend zu machen, sobald er sich über sie Gewissheit verschafft hat bzw. im Klaren ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 12 ZB 12.22 77 - juris Rn. 7). 34 Die Feststellungen des angefochtenen Urteils erlauben dem Senat keine abschließende Beurteilung, ob bei der Klägerin - was hier allenfalls in Betracht zu ziehen ist - ein in diesem Sinne beachtlicher und auf einen unabweisbaren Grund nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG führender Wandel der Glaubensüberzeugung vorliegt. Die Sache ist deshalb an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. Im Rahmen der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Oberverwaltungsgerichts unter persönlicher Anhörung der Klägerin zu klären haben, ob bei der Klägerin - wie von ihr selbst vorgetragen - erst im Verlauf des Studiums der Katholischen Theologie ein relevanter Glaubenswandel stattgefunden und wann dieser sich vollzogen hat. Dabei wird das Oberverwaltungsgericht insbesondere die von ihm in Bezug genommene Erklärung der Eltern der Klägerin nicht außer Acht lassen können, wonach sich die Klägerin bereits im ersten Semester nicht mit den Lehren der katholischen Religion habe identifizieren können. Ebenso wird in den Blick zu nehmen sein, dass die Klägerin nach den bisherigen Feststellungen das Studium der Katholischen Theologie zu keinem Zeitpunkt tatsächlich betrieben hat. 35 3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten." bverwg_2020-12,27.02.2020,"Pressemitteilung Nr. 12/2020 vom 27.02.2020 EN Grundsätzlich keine Kürzung von BAföG um die vom Staat gewährten Unterhaltsvorschussleistungen Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG), die ein Auszubildender für sich selbst erhält, sind bis zur Höhe des allgemeinen Einkommensfreibetrages nicht auf Leistungen anzurechnen, die er nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) erhält. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger besuchte eine höhere Berufsfachschulklasse und erhielt im Bewilligungszeitraum Juli 2017 bis Juni 2018 Ausbildungsförderung nach dem BAföG i.H.v. 92 € monatlich. Den restlichen Bedarf deckte seine alleinerziehende Mutter ab, bei der er lebte, während sein Vater nicht zur Zahlung von Unterhalt in der Lage war. Nachdem der Gesetzgeber ab 1. Juli 2017 die Berechtigung zum Bezug von Leistungen nach dem UVG von der Vollendung des 12. Lebensjahres auf die Vollendung des 18. Lebensjahres heraufgesetzt hatte, erhielt der Kläger von Juli 2017 bis zu seinem 18. Geburtstag im Oktober 2017 auch Leistungen nach dem UVG i.H.v. insgesamt 660 €. Die beklagte Stadt sah diese Leistungen als Ausbildungsbeihilfe an, die auf die gesamte 2017/2018 gewährte Ausbildungsförderung nach dem BAföG ohne Berücksichtigung eines Freibetrages anzurechnen sei. Dementsprechend setzte sie die Ausbildungsförderung für den Kläger herab und forderte ihn zur Erstattung überzahlter BAföG-Leistungen auf. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Die Sprungrevision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Anrechnung von UVG-Leistungen auf die Ausbildungsförderung nach dem BAföG liegen im Streitfall nicht vor. Die UVG-Leistungen sind Einkommen i.S.d. Gesetzes (§ 21 BAföG). Es handelt sich zwar nicht um Ausbildungsbeihilfen (§ 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG), da sie nicht zum Zwecke der Durchführung einer Ausbildung, sondern unabhängig hiervon für den Lebensunterhalt gewährt werden. Unterhaltsvorschussleistungen gehören nach geltendem Recht aber zu den sonstigen Einnahmen (§ 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAföG). Denn sie dienen dem Lebensbedarf des Auszubildenden und sind in der Einkommensverordnung zum BAföG (§ 1 Nr. 7) eigens als sonstige Einnahmen benannt. Als solche unterfallen sie dem allgemeinen Einkommensfreibetrag, wonach vom Einkommen des Auszubildenden monatlich 290 € anrechnungsfrei bleiben (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 BAföG). Dieser eindeutige gesetzliche Befund kann nicht im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung korrigiert werden. Es lässt sich weder eindeutig feststellen, dass die Nichtanrechnung von UVG-Leistungen bis zur Höhe des Einkommensfreibetrages dem gesetzgeberischen Plan des BAföG zuwiderläuft, noch in welcher Weise einer etwaigen Planwidrigkeit Rechnung zu tragen wäre, zumal eine nur teilweise Anrechnung wie bei Waisenrente und -geld (§ 23 Abs. 4 Nr. 1 BAföG) durch den Gesetzgeber nicht auszuschließen ist. BVerwG 5 C 5.19 - Urteil vom 27. Februar 2020 Vorinstanz: VG Gera, 6 K 1211/18 Ge - Urteil vom 19. Februar 2019 -","Urteil vom 27.02.2020 - BVerwG 5 C 5.19ECLI:DE:BVerwG:2020:270220U5C5.19.0 EN Unterhaltsvorschussleistungen an den Auszubildenden sind Einkommen im Sinne des BAföG, das dem allgemeinen Einkommensfreibetrag unterfällt. Leitsatz: Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, die ein Auszubildender für sich selbst erhält, stellen Einkommen im Sinne des BAföG dar, das dem allgemeinen Einkommensfreibetrag unterfällt. Rechtsquellen Instanzenzug VG Gera - 19.02.2019 - AZ: VG 6 K 1211/18 Ge Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.02.2020 - 5 C 5.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:270220U5C5.19.0] Urteil BVerwG 5 C 5.19 VG Gera - 19.02.2019 - AZ: VG 6 K 1211/18 Ge In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 19. Februar 2019 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten um die Anrechnung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz auf die Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. 2 Der Kläger besuchte eine höhere Berufsfachschulklasse und erhielt im Bewilligungszeitraum Juli 2017 bis Juni 2018 Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Nachdem der Gesetzgeber ab 1. Juli 2017 die Berechtigung zum Bezug von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz von der Vollendung des 12. Lebensjahres auf die Vollendung des 18. Lebensjahres heraufgesetzt hatte, erhielt der Kläger von Juli 2017 bis zu seinem 18. Geburtstag im Oktober 2017 auch Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von insgesamt 660 €. Die Beklagte sah diese Leistungen als Ausbildungsbeihilfe an, die auf die gesamte 2017/2018 gewährte Ausbildungsförderung ohne Berücksichtigung eines Freibetrages anzurechnen sei. Dementsprechend setzte sie mit Bescheid vom 30. April 2018 die Ausbildungsförderung für den Kläger herab und forderte ihn zur Erstattung überzahlter Ausbildungsförderung auf. 3 Auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit der Begründung auf, dass es sich bei den Unterhaltsvorschussleistungen ausbildungsförderungsrechtlich um sonstige Einnahmen unterhalb des maßgebenden allgemeinen Einkommensfreibetrags handele. 4 Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision. Sie macht geltend, dass es sich bei den dem Kläger gewährten Unterhaltsvorschussleistungen um Ausbildungsbeihilfen handele, die ohne Berücksichtigung eines Freibetrages auf die Ausbildungsförderung anzurechnen seien. 5 Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. II 6 Die Sprungrevision der Beklagten ist nicht begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). 7 1. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 30. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 4. Juni 2018 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zwischen den Beteiligten steht dabei allein im Streit, ob der Kläger deshalb zu Unrecht Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1952; 2012 I S. 197), für den hier relevanten Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 71 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626), erhalten hat und die Leistungen insoweit zurückerstatten muss, weil er für den Zeitraum Juli bis Oktober 2017 ebenfalls Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in der Fassung des Art. 23 des Gesetzes vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3122) erhalten hat, die er sich im Rahmen der Ausbildungsförderung als eigenes Einkommen anrechnen lassen muss. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend verneint. 8 Als Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides kommt allein § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 1 BAföG in Betracht. Danach ist, wenn die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung an keinem Tage des Kalendermonats vorgelegen haben, für den sie gezahlt worden ist, - außer in den Fällen der §§ 44 bis 50 SGB X - der Bewilligungsbescheid insoweit aufzuheben und der Förderungsbetrag in entsprechendem Umfang zu erstatten, als der Auszubildende Einkommen im Sinne des § 21 BAföG erzielt hat, das bei der Bewilligung der Ausbildungsförderung nicht berücksichtigt worden ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die dem Kläger gewährten Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sind zwar Einkommen im Sinne des § 21 BAföG (a). Sie unterfallen aber der Freibetragsregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG und sind deshalb bei der Bewilligung von Ausbildungsförderung nach Maßgabe dieser Vorschrift zu berücksichtigen; dieser eindeutige gesetzliche Befund kann nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung korrigiert werden (b). 9 a) Die dem Auszubildenden selbst gewährten Unterhaltsvorschussleistungen sind Einkommen im Sinne der hier allein in Betracht kommenden Regelung des § 21 Abs. 3 Satz 1 BAföG. Danach gelten die dort bezeichneten Einnahmen in Höhe der tatsächlich geleisteten Beträge als Einkommen im Sinne des BAföG. Die Unterhaltsvorschussleistungen stellen zwar keine Ausbildungsbeihilfen oder gleichartige Leistungen im Sinne von § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG dar (aa). Sie zählen aber zu den sonstigen Einnahmen nach § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAföG (bb). 10 aa) Unterhaltsvorschussleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, die der Auszubildende für sich selbst erhält, sind keine Ausbildungsbeihilfen oder gleichartige Leistungen im Sinne des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG. Der Begriff der Ausbildungsbeihilfen und gleichartigen Leistungen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (BVerwG, Urteil vom 21. September 1989 - 5 C 10.87 - BVerwGE 82, 323 <327 f.>). Hieran ist festzuhalten. Diese Leistungen haben die allgemeine Zweckrichtung der Ausbildungsförderung, sie werden eigens zum Zwecke der Durchführung einer Ausbildung gewährt (vgl. OVG Münster, Urteil vom 18. Februar 1988 - 16 A 2230/85 - FamRZ 1988, 109 <110>). Unterhaltsvorschussleistungen werden demgegenüber unabhängig von der Durchführung einer Ausbildung gewährt, um den alleinerziehenden Elternteil wirtschaftlich zu entlasten und den (Mindest-)Unterhalt des Minderjährigen sicherzustellen (BT-Drs. 8/1952 S. 6). Sie dienen der Behebung oder zumindest Milderung einer gegenwärtigen Notlage, die nach der Wertung des Gesetzes durch das Alleinerziehen durch einen Elternteil und ausbleibende oder nur unzureichende Unterhaltszahlungen des barunterhaltspflichtigen anderen Elternteils gekennzeichnet ist (BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2017 - 5 C 36.16 - BVerwGE 161, 130 Rn. 19). Diese Zweckbestimmung hat sich durch die Ausweitung der Leistungsberechtigung auf die Gruppe der 12- bis 17-Jährigen durch das Gesetz vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3122) für den vorliegenden Zusammenhang nicht geändert. Denn die zusätzlich in § 1 Abs. 1a UVG genannten Leistungsvoraussetzungen knüpfen nicht an die Durchführung einer Ausbildung an. 11 Gegenteiliges folgt auch nicht aus dem Erlass des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 20. September 2017, wonach Unterhaltsvorschussleistungen an den Auszubildenden selbst Ausbildungsbeihilfen im Sinne von § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG seien. Diese rechtliche Einordnung widerspricht eindeutig den gesetzlichen Vorgaben und bindet überdies als sog. norminterpretierende Verwaltungsvorschrift die Gerichte nicht (vgl. zur Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BAföG: BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2010 - 5 C 3.09 - Buchholz 436.36 § 27 BAföG Nr. 6 Rn. 38). 12 bb) Unterhaltsvorschussleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, die der Auszubildende für sich selbst erhält, zählen aber zu den sonstigen Einnahmen im Sinne von § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAföG. Danach gelten als Einkommen des Auszubildenden mit Ausnahme der Unterhaltszahlungen seiner Eltern und seines Ehegatten oder Lebenspartners seine sonstigen Einnahmen, die zur Deckung des Lebensbedarfs bestimmt sind, soweit sie das Bundesministerium für Bildung und Forschung in einer Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat. Für den Auszubildenden selbst gewährte Unterhaltsvorschussleistungen dienen, ohne selber Unterhaltsleistungen der Eltern zu sein, der Deckung seines Lebensbedarfs. 13 Zudem werden sie von § 1 Nr. 7 der auf der Grundlage von § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAföG erlassenen BAföG-Einkommensverordnung (BAföG-EinkommensV) vom 5. April 1988 (BGBl. I S. 505), für den hier relevanten Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 6 Abs. 3 des Gesetzes vom 23. Mai 2017 (BGBl. I S. 1228), erfasst. Als Einnahmen, die zur Deckung des Lebensbedarfs bestimmt sind, gelten danach auch Leistungen der sozialen Sicherung ""nach dem Unterhaltsvorschussgesetz Unterhaltsleistung (§§ 1 ff.)"". Nach dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut erfasst die Verweisung alle Unterhaltsvorschussleistungen einschließlich derjenigen an den Auszubildenden selbst. Insbesondere fehlt in § 1 Nr. 7 BAföG-EinkommensV eine Formulierung, die den Anwendungsbereich der Vorschrift auf die Geschwisterkinder und eigenen Kinder des Auszubildenden beschränkt, die bei Inkrafttreten der Vorschrift im Jahre 1988 allein Leistungsberechtigte nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sein konnten. Die Norm enthält vielmehr eine dynamische Verweisung auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in seiner jeweils geltenden Fassung. Dies ergibt bereits der systematische Vergleich mit § 1 Nr. 8, 9, 11 und 12 sowie § 2 Nr. 3 BAföG-EinkommensV. Diese Vorschriften verweisen jeweils auf ein Gesetz in einer ganz bestimmten Fassung und bringen durch dieses Vollzitat eine statische Verweisung hierauf zum Ausdruck, während § 1 Nr. 7 BAföG-EinkommensV (wie auch zahlreiche andere Ziffern in § 1 BAföG-EinkommensV) ein solches Vollzitat gerade nicht aufweist. Sinn und Zweck der Verweisung, wie sie in der Begründung des Verordnungsentwurfs (BR-Drs. 69/88 S. 9 f.) zum Ausdruck kommen, sprechen ebenfalls für eine dynamische Verweisung. Die Begründung zu § 1 Nr. 7 BAföG-EinkommensV bezieht sich zwar (allein) auf Geschwisterkinder des Auszubildenden, die durch die ihnen gewährten Unterhaltsvorschussleistungen als in diesem Umfang versorgt anzusehen seien, weshalb sich der ausbildungsförderungsrechtlich anzuerkennende elterliche Freibetrag entsprechend verringere. Dieser Gedanke gilt jedoch unabhängig vom Alter der Geschwisterkinder. Demgemäß sind nach der Heraufsetzung des Bezugsalters für Unterhaltsvorschussleistungen auf die Vollendung des 12. Lebensjahres ab Januar 1993 durch das Gesetz vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2322) und dessen weitere Heraufsetzung auf die Vollendung des 18. Lebensjahres ab Juli 2017 durch das Gesetz vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3122) auch Unterhaltsvorschussleistungen an ältere Geschwisterkinder und eigene Kinder des Auszubildenden (selbstverständlich) weiter ausbildungsförderungsrechtlich als Einkommen zu berücksichtigen. Denn auch deren Lebensbedarf ist insoweit als gedeckt anzusehen. Dieselbe Überlegung greift auch, wenn Auszubildende für sich selbst Unterhaltsvorschussleistungen erhalten. 14 b) Die dem Auszubildenden selbst gewährten Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sind aber nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG nicht auf die ihm gewährte Ausbildungsförderung anzurechnen. Danach bleiben vom Einkommen des Auszubildenden für ihn selbst 290 Euro monatlich anrechnungsfrei. Bei den Unterhaltsvorschussleistungen an den Auszubildenden selbst, die - wie dargelegt - zum sonstigen Einkommen des Auszubildenden im Sinne des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAföG zählen, handelt es sich um Einkommen im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 BAföG. Derartige Leistungen können vom Einkommensbegriff dieser Vorschrift nicht im Wege der (einschränkenden) Auslegung ausgenommen werden. Denn dieser Begriff verweist nach Wortlaut und Systematik ohne Ausnahmen auf das Einkommen nach § 21 BAföG. Sollte das Urteil des Senats vom 9. Dezember 2014 - 5 C 3.14 - (Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 18 Rn. 19) dahin zu verstehen sein, dass die Freibetragsregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG nur hinsichtlich solcher Einnahmen greift, die dem Auszubildenden einen Anreiz vermitteln, die Sozialleistungen im Wege der Selbsthilfe aufzustocken, hält der Senat hieran nicht fest. 15 Vorstehendes Ergebnis ist nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu korrigieren. Deren Voraussetzungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2019 - 5 C 1.18 - NVwZ-RR 2019, 653 Rn. 14) liegen nicht vor. Es lässt sich weder eindeutig feststellen, dass die Nichtanrechnung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bis zur Höhe des Einkommensfreibetrages dem gesetzgeberischen Plan des BAföG zuwiderläuft, noch in welcher Weise einer etwaigen Planwidrigkeit Rechnung zu tragen wäre, zumal eine nur teilweise Anrechnung wie bei Waisenrente und -geld (§ 23 Abs. 4 Nr. 1 BAföG) durch den Gesetzgeber nicht auszuschließen ist. 16 Da der Kläger nicht über anderes anzurechnendes Einkommen verfügte und die ihm gewährten Unterhaltsvorschussleistungen mit 198 € monatlich unterhalb des Einkommensfreibetrags von 290 € monatlich lagen, waren diese bei der Bewilligung von Ausbildungsförderung nicht anzurechnen. 17 2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO." bverwg_2020-13,27.02.2020,"Pressemitteilung Nr. 13/2020 vom 27.02.2020 EN Diesel-Verkehrsverbot kann bei absehbarer Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid unverhältnismäßig sein Wenn nach einer Prognose auf hinreichend sicherer Grundlage der Grenzwert für Stickstoffdioxid in Kürze eingehalten wird, kann ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge unverhältnismäßig sein. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist ein deutschlandweit tätiger Umweltverband. Er beansprucht die weitere Fortschreibung des zuletzt 2018 überarbeiteten Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Reutlingen. Er macht geltend, dass bis in das Jahr 2020 hinein der Grenzwert für Stickstoffdioxid überschritten werde. Der Verwaltungsgerichtshof hat das beklagte Land verurteilt, den Luftreinhalteplan unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid enthält. Der Plan verzichte zu Unrecht auf Dieselfahrverbote. Auch seien die bei der Planung zugrunde gelegten Prognosen teilweise nicht hinreichend belegt. Auf die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil geändert und den Beklagten zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts verurteilt. Der Luftreinhalteplan leidet an den festgestellten Prognosefehlern. Allerdings war - anders als der Verwaltungsgerichtshof meint - ein Dieselfahrverbot nicht zwingend vorzusehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist sowohl bei der Anordnung von Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte als auch bei deren Ausgestaltung zu beachten. Ein Dieselfahrverbot kann insbesondere dann unverhältnismäßig sein, wenn die baldige Einhaltung des Grenzwerts absehbar ist. Aus der jüngst in Kraft getretenen Vorschrift des § 47 Abs. 4a BImSchG ergibt sich nichts anderes. BVerwG 7 C 3.19 - Urteil vom 27. Februar 2020 Vorinstanz: VGH Mannheim, 10 S 1977/18 - Urteil vom 18. März 2019 -","Urteil vom 27.02.2020 - BVerwG 7 C 3.19ECLI:DE:BVerwG:2020:270220U7C3.19.0 EN Fortschreibung eines Luftreinhalteplans und Zulässigkeit von Fahrverboten Leitsätze: 1. Weder die Zulässigkeit noch die Begründetheit einer Umweltverbandsklage auf Fortschreibung eines Luftreinhalteplans setzen das tatsächliche Bestehen einer SUP-Pflicht voraus. 2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beansprucht Geltung nicht nur hinsichtlich der Frage, wie ein Verkehrsverbot auszugestalten ist, sondern auch bei der vorgelagerten Frage, ob ein Verkehrsverbot anzuordnen ist. Ob sich ein Verkehrsverbot bei höheren als nur sehr geringfügigen Grenzwertüberschreitungen als unverhältnismäßig darstellt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. 3. An die gerichtliche Überprüfung von Prognosen für Luftreinhaltepläne sind keine anderen Anforderungen zu stellen als bei sonstigen Prognosen. 4. Luftreinhaltepläne müssen keine Maßnahmen für den Fall bereithalten, dass sich die Prognose der Grenzwerteinhaltung als zu positiv erweisen und absehbar nicht verwirklichen sollte. 5. § 47 Abs. 4a BImSchG ist so auszulegen, dass diese Vorschrift Verkehrsverboten bei Stickstoffdioxidwerten unterhalb von 50 µg/m³ dann nicht entgegensteht, wenn sie sich als einziges Mittel darstellen, um - bei Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - die Überschreitung des Grenzwertes so kurz wie möglich zu halten. Rechtsquellen EGRL 50/2008 Art. 13 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 BImSchG §§ 40, 47 Abs. 1, 5 und 5a, § 48a Abs. 1 UmwRG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 Buchst. a) und b), § 2 Abs. 4 Satz 2 BImSchV 35 §§ 1, 2, 3 BImSchV 39 § 3 Abs. 1 UVPG § 35 Abs. 1 Nr. 2 VwGO § 139 Abs. 3 Satz 4 Instanzenzug VGH Mannheim - 18.03.2019 - AZ: VGH 10 S 1977/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.02.2020 - 7 C 3.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:270220U7C3.19.0] Urteil BVerwG 7 C 3.19 VGH Mannheim - 18.03.2019 - AZ: VGH 10 S 1977/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2020 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Schemmer, Dr. Günther und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Auf die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 18. März 2019 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, den Luftreinhalteplan für den Regierungsbezirk Tübingen, Teilplan Stadt Reutlingen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts fortzuschreiben. Im Übrigen werden die Revisionen zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Hälfte, der Beklagte und die Beigeladene tragen je 1/4 der Gerichtskosten. Die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten werden gegeneinander aufgehoben. Gründe I 1 Der Kläger, eine deutschlandweit tätige und nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltschutzvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Reutlingen. 2 Für Reutlingen besteht seit dem Jahr 2005 ein mehrfach geänderter Luftreinhalteplan, der zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastung vorsieht. Der Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) im Jahresmittel von 40 μg/m3 wurde an der Messstelle Lederstraße-Ost in Reutlingen in den Jahren 2009 bis 2017 jeweils überschritten. Auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen aus dem Jahr 2014 erfolgte die 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans. Sie enthält unter der Bezeichnung ""Szenario Reutlingen"" ein Maßnahmenpaket, das aus stufenweise in den Jahren 2018 bis 2020 umzusetzenden Maßnahmen besteht (M 1 bis M 10). Vorgesehen sind unter anderem eine iterative Verkehrsreduzierung im Bereich der Lederstraße (M 1), ein Lkw-Durchfahrtsverbot auf innerstädtischen Strecken (M 2) und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Straßen (M 3). Sollte eine Einhaltung des Immissionsgrenzwerts für Stickstoffdioxid an der Verkehrsmessstation ""Reutlingen Lederstraße-Ost"" im Jahr 2018 nicht erreicht werden und auch 2019 nicht erwartet werden können, sind ab 2020 unter anderem Verkehrsbeschränkungen in der Umweltzone Reutlingen für Fahrzeuge ohne blaue Plakette vorgesehen (M 11). 3 Ein der 4. Fortschreibung zugrundeliegendes Fachgutachten prognostizierte zum ""Szenario Reutlingen"" für die Lederstraße im Jahr 2019 einen NO2-Wert von 41 μg/m3 ohne und 39 μg/m3 mit Software-Updates (Pkw-Nachrüstungen) sowie im Jahr 2020 Werte von 37 bzw. 36 μg/m3. 4 Im März 2018 stellte der Kläger einen Antrag auf Änderung des Luftreinhalteplans. Am 3. April 2018 hat er Klage erhoben. 5 In dem vom Beklagten im Prozess vorgelegten Fachgutachten ""Modellstadt Reutlingen"" vom 12. März 2019 wurden für die Lederstraße für das Jahr 2019 48 μg/m3 und für das Jahr 2020 44 μg/m3 prognostiziert. 6 Mit Urteil vom 18. März 2019 hat der Verwaltungsgerichtshof den Beklagten verurteilt, den für die Stadt Reutlingen geltenden Luftreinhalteplan so fortzuschreiben, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Grenzwerts für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 μg/m3 im Stadtgebiet Reutlingen enthält. 7 Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Es bestehe nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine Erfolgspflicht, den Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. Diesen Anforderungen genüge die 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans nicht. Ein Dieselfahrverbot sehe der Luftreinhalteplan trotz Grenzwertüberschreitung nicht vor, obwohl damit der Grenzwert schon im Kalenderjahr 2019 flächendeckend hätte eingehalten werden können. Eine Grenzwerteinhaltung erst ab dem Jahr 2020 sei unzureichend. 8 Die Planung leide teilweise unter Prognosemängeln. Es bedürfe bei Luftreinhalteplänen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit dafür, mit einer geplanten Maßnahme die Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid zu erreichen. Vor diesem Hintergrund erwiesen sich die Maßnahmen M1 und M2 als defizitär bzw. nicht plausibel begründet. Zudem seien nicht alle Grundannahmen zu Software-Updates und deren Emissionsreduktion ausreichend gesichert. 9 Es bedürfe einer Neuplanung. Eine Grenzwerteinhaltung sei bei zügiger Planfortschreibung unter Einbeziehung von Fahrverboten für das Jahr 2019 nicht von vornherein ausgeschlossen. Der zusätzliche Einsatz eines Dieselfahrverbots könne das Maß der Überschreitung im Jahr 2019 erheblich verringern. Die aktuelle Prognose gehe zudem für das Jahr 2020 ebenfalls von einer Überschreitung aus. Mit der neuen Prognose würden (potentielle) Defizite der früheren Prognose nicht in Gänze hinfällig. Es fehle an einer hinreichend belegten Wahrscheinlichkeit dafür, dass von der Beigeladenen beabsichtigte Maßnahmen wie photokatalytische Fassadenbeschichtungen, die im Luftreinhalteplan noch nicht berücksichtigt seien, die Einhaltung des Grenzwerts möglich machten. Bei einer Neuplanung dürften die zur Grenzwerterreichung notwendigen Maßnahmen nicht im Wege einer Abwägung zwischen dem Ausmaß von durch Grenzwertüberschreitungen bedingten Gesundheitsgefahren und den durch Dieselfahrverbote erfolgenden Einschränkungen von Verkehrsteilnehmern relativiert werden. 10 Aus dem neu geschaffenen § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG ließen sich keine rechtlichen Schlüsse ziehen. Die Vorschrift sei überflüssig, wenn der Jahresmittelgrenzwert von 40 μg/m3 auch ohne Fahrverbote möglichst schnell erreicht werden könne. Sollten bei Erreichung von Jahresmittelgrenzwerten bis einschließlich 50 μg/m3 regelmäßig Fahrverbote als mögliche Maßnahmen ausgeblendet werden, läge ein Verstoß gegen die unionsrechtliche Ergebnisverpflichtung vor, Grenzwertüberschreitungen möglichst kurz zu halten. 11 Der Beklagte und die Beigeladene haben jeweils die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt. 12 Der Beklagte macht geltend: Die Verurteilung zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans setze voraus, dass gemäß § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwRG eine - hier nicht gegebene - Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung nach dem UVPG bestehe. Zudem verkenne der Verwaltungsgerichtshof die bei absehbar endenden Grenzwertüberschreitungen aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden Einschränkungen eines Verkehrsverbots. Die Sachverhaltserfassung durch den Verwaltungsgerichtshof und seine Einschätzung des Reduktionspotenzials der Software-Updates genügten nicht den Anforderungen an die gerichtliche Aufklärungspflicht. Die Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für Maßnahmen der Luftreinhalteplanung in § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG begegne keinen unionsrechtlichen Bedenken. Die Europäische Kommission habe die unionsrechtliche Unbedenklichkeit ausdrücklich bestätigt. 13 Die Beigeladene macht geltend: Für 2019 und 2020 könne eine Änderung der Planung wegen des Zeitablaufs beziehungsweise der notwendigen Planungszeiten nicht mehr umgesetzt werden. Der Verwaltungsgerichtshof habe daher das maßgebliche Prüfprogramm verkannt. Die aus der Richtlinie 2008/50/EG abgeleitete Ergebnisverpflichtung setze den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Anordnung von Verkehrsverboten nicht außer Kraft. Sei bei Aufstellung des Luftreinhalteplans absehbar, dass mit einer zeitnahen Einhaltung des Grenzwerts zu rechnen sei, müsse dies gegebenenfalls zu einem Verzicht auf die Einführung eines Verkehrsverbots führen. Der Verwaltungsgerichtshof sei seiner Amtsermittlungspflicht und Begründungspflicht nicht nachgekommen und habe den Sachverhalt aktenwidrig festgestellt. 14 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 18. März 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen. 15 Der Kläger beantragt, die Revisionen zurückzuweisen. 16 Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs und macht die Unzulässigkeit der Revisionen geltend. Der Gesetzgeber habe das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Luftreinhalteplan Darmstadt in spezialgesetzliche Normen überführen wollen. Dieses Ergebnis werde verhindert, falls eine fehlende SUP-Pflicht dem Klagerecht der Klägerin entgegenstünde. § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwRG sei auf die vorliegende Leistungsklage bereits seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. 17 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht führt aus: Der Gesetzgeber habe mit dem unionsrechtskonformen § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG von der Befugnis Gebrauch gemacht, die Verhältnismäßigkeit von Verkehrsverboten generalisierend zu konkretisieren. II 18 A. Die Revisionen sind zulässig. 19 1. a) Die Revision des Beklagten genügt entgegen der Auffassung des Klägers den Voraussetzungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO. Der ausdrücklichen Bezeichnung einer verletzten Norm bedarf es nicht, wenn sich - wie hier - den Ausführungen die entsprechende Vorschrift ohne Weiteres entnehmen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1970 - 4 C 80.66 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr. 39). 20 b) Die Beigeladene ist revisionsbefugt. Sie wird durch das angegriffene Urteil materiell beschwert. Sie kann geltend machen, durch dessen mögliche Rechtskraftwirkung präjudiziell und unmittelbar in eigenen Rechten beeinträchtigt zu werden. Dazu genügt, dass sich die Rechtskraft des Urteils nach § 121 Nr. 1 i.V.m. § 63 Nr. 3 VwGO auf die Beigeladene erstreckt und deren Möglichkeiten zur Verteidigung ihrer Rechte in einem nachfolgenden Verfahren beschränken würde (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 38 Rn. 12 m.w.N.). Die Beigeladene kann eine Beeinträchtigung ihres gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG durch das angefochtene Urteil geltend machen. Der Verwaltungsgerichtshof hat vorliegend dem Plangeber aufgegeben, bei der Fortschreibung des Luftreinhalteplans neben Verkehrsverboten Maßnahmen aus dem ""Szenario Reutlingen"" weiter zu verfolgen. Maßnahmen wie die Förderung des Radverkehrs und Fußverkehrs (M 4.2 und M 4.3) und der gebotene Einsatz von Linienbussen mit der Schadstoffklasse Euro VI oder alternativen Antriebskonzepten in der Lederstraße (M 5) können das Selbstverwaltungsrecht der Beigeladenen unmittelbar beeinträchtigen. Dass der Senat in seinem Urteil vom 27. Februar 2018 - 7 C 30.17 - (BVerwGE 161, 201 Rn. 68) einen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht verneint hat, steht dem nicht entgegen. Im dortigen Verfahren schied eine Verletzung der kommunalen Selbstverwaltung unter dem geltend gemachten Gesichtspunkt einer Beeinträchtigung des Wirtschaftsstandorts für Produktions- und Handelsbetriebe durch allgemein geltende Verkehrsverbote für bestimmte Kraftfahrzeuge aus. Das steht hier nicht in Rede. 21 B. Die Revisionen sind teilweise begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass der für die Beigeladene geltende Luftreinhalteplan unter einem Prognosemangel leidet und der Beklagte ihn fortzuschreiben hat. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbots für Dieselfahrzeuge tragen dagegen nicht in vollem Umfang dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung. 22 1. a) Der Kläger ist als anerkannte Umweltvereinigung klagebefugt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG, also nach Nr. 4 auch gegen eine Entscheidung über die Annahme von Plänen und Programmen i.S.v. § 2 Abs. 7 UVPG, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestehen kann, einlegen, wenn sie geltend macht, dass die Entscheidung oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften verletzt, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können. Das Gesetz fordert für den Rechtsbehelf einen tauglichen Gegenstand, allein die Möglichkeit dessen Vorliegens reicht nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 - 7 C 5.18 - juris Rn. 17 ff. m.w.N.). Es ist daher schon im Rahmen der Zulässigkeit zu prüfen, ob die angegriffene Entscheidung oder der angegriffene Plan zu den Entscheidungen oder Plänen gehört, für die nach Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine SUP-Pflicht bestehen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 4 C 14.12 - BVerwGE 149, 17 Rn. 10 zur UVP-Pflicht). Dies ist hier der Fall. Für Luftreinhaltepläne ist nach Nr. 2.2 der Anlage 5 des UVPG i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 2 UVPG eine SUP-Pflicht dann vorgesehen, wenn sie für Entscheidungen über die Zulässigkeit von in der Anlage 1 des UVPG aufgeführten Vorhaben oder von Vorhaben, die nach Landesrecht einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder Vorprüfung des Einzelfalls bedürfen, einen Rahmen setzen. 23 b) Das besondere Zulässigkeitserfordernis des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b) UmwRG ist gleichfalls gegeben. Danach setzt die Klagebefugnis einer Umweltvereinigung voraus, dass diese im Falle eines Verfahrens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG zur Beteiligung berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist. Der Senat hat bereits zu § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a) UmwRG entschieden (BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 - 7 C 5.18 - juris Rn. 24), dass bei Zulassungsentscheidungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG, bei denen die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung und damit die Beteiligungsberechtigung von einer Vorprüfung des Einzelfalles abhängt, auf der Zulässigkeitsebene die Möglichkeit einer Beteiligungsberechtigung zur Begründung der Klagebefugnis genügt. Dies ist auf das Beteiligungserfordernis in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b) UmwRG übertragbar. 24 2. Auch für die Begründetheitsprüfung einer Umweltverbandsklage auf Fortschreibung eines Luftreinhalteplans ist nicht das tatsächliche Bestehen einer Plicht zu einer strategischen Umweltprüfung Voraussetzung. Der die gerichtliche Überprüfung von Plänen und Programmen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG vom tatsächlichen Bestehen einer SUP-Pflicht abhängig machende § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwRG findet insoweit keine Anwendung. Dies folgt entgegen der Auffassung des Klägers allerdings nicht bereits daraus, dass es sich bei dem geltend gemachten Leistungsanspruch nicht, wie in § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG gefordert, um einen Rechtsbehelf ""gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1"" handelt. Auch eine auf Fortschreibung eines Luftreinhalteplans gerichtete Leistungsklage ist gegen die Entscheidung über die Annahme eines Luftreinhalteplans (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG) gerichtet, da sie nur dann begründet ist, wenn sich der Plan als rechtswidrig erweist, weil er entgegen § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Der eingeschränkte Begründetheitsmaßstab findet vielmehr deswegen keine Anwendung, weil die Norm einer teleologischen Reduktion für Fälle der vorliegenden Art bedarf. Mit der Aufnahme von Luftreinhalteplänen in den Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes wollte der Gesetzgeber dem Urteil des Senats vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - (BVerwGE 147, 312 Rn. 38 ff.) zur prokuratorischen Rechtsstellung einer Umweltvereinigung Rechnung tragen und in eine gesetzliche Regelung überführen (BT-Drs. 18/9526, S. 35). In dieser Entscheidung hat der Senat aus dem Unionsrecht eine erweiternde Auslegung des § 47 Abs. 1 BImSchG abgeleitet, die einem anerkannten Umweltverband eigene Rechte im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO gewährt. Diese im unionsrechtlichen Luftqualitätsrecht begründete Erweiterung der subjektiven Rechtsposition der Verbände hat der Senat weder auf der Zulässigkeitsebene noch hinsichtlich der Begründetheitsprüfung auf Luftreinhaltepläne beschränkt, die einer Pflicht zu einer Umweltprüfung unterliegen. Vor diesem Hintergrund ist eine teleologische Reduktion des § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwRG für Klagen anerkannter Umweltvereinigungen gegen Luftreinhaltepläne geboten. Anderenfalls bliebe der Gesetzgeber unbeabsichtigt hinter seiner in der Gesetzesbegründung klar zum Ausdruck gekommenen Regelungsabsicht zurück (ebenso OVG Münster, Urteile vom 31. Juli 2019 - 8 A 2851/18 - juris Rn. 398 ff. und vom 12. September 2019 - 8 A 4775/18 - juris Rn. 478 ff.). 25 3. Ein Anspruch des Klägers auf Fortschreibung des Luftreinhalteplans Reutlingen scheidet entgegen der Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen nicht schon deswegen von vornherein aus, weil die in § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065) festgelegten Grenzwerte im Jahr 2020 sicher eingehalten werden. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, auch 2020 werde der Stickstoffdioxidgrenzwert nicht eingehalten, leidet nicht unter den von der Beklagten und Beigeladenen geltend gemachten Verfahrensfehlern. 26 Nach der kurz vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs vom Beklagten vorgelegten aktualisierten Prognose ""Modellstadt Reutlingen"" wurde für das Jahr 2019 an der Messstelle Lederstraße-Ost ein Stickstoffdioxid-Jahresmittelwert von 48 µg/m³ und für das Jahr 2020 von 44 µg/m³ prognostiziert. Gleichzeitig hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend gemacht, durch photokatalytische Fassadenbeschichtungen an der Lederstraße und eine Fahrbahnabrückung um einen Meter sei mit einer Reduzierung der Immissionen um 3 µg/m³ zu rechnen. Durch die Umsetzung von Maßnahmen aus dem Luftreinhalteplan und weiterer Maßnahmen sei eine zusätzliche Minderungswirkung von mehr als 1 µg/m³ zu erwarten, so dass der Grenzwert 2020 eingehalten werde. 27 a) Den Aktualisierungen der Prognosen und der Maßnahmen stehen nicht die Beteiligungs- und Publizitätsanforderungen der Luftreinhalteplanung entgegen (anders OVG Hamburg, Urteil vom 29. November 2019 - 1 E 23.18 - juris Rn. 127). Die in § 47 Abs. 5 und 5a BImSchG enthaltene Pflicht zur Beteiligung der Öffentlichkeit schließt eine sich auf eine Aktualisierung beschränkende Überarbeitung und Überprüfung der der Planung zugrundeliegenden Prognosen und der in der Luftreinhalteplanung enthaltenen Maßnahmen nicht aus. Etwas Anderes kann dann gelten, wenn methodisch vollständig neue Prognosen erstellt oder vorgesehene Maßnahmen grundlegend umgestaltet werden. 28 b) Der Verwaltungsgerichtshof ist ohne Rechtsverstoß zu der Annahme gelangt, die von der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung angeführten Minderungswirkungen weiterer Luftreinhaltemaßnahmen belegten nicht plausibel, dass für 2020 insgesamt von einer Unterschreitung des Jahresmittelwertes auszugehen sei. Die Wertung des Verwaltungsgerichtshofs, die in der aktualisierten Prognose auf 3 µ/m³ erhöhte Minderungswirkung der photokatalytischen Anstriche sei nicht belastbar begründet, beruht nicht auf einem aktenwidrig festgestellten Sachverhalt. Mit ihrem Vorbringen verfehlt die Beigeladene die Anforderungen an die Rüge einer aktenwidrigen Tatsachenfeststellung. Der Vorwurf, das Gericht habe einen Sachverhalt ""aktenwidrig"" festgestellt, kann auf eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes gemäß § 108 Abs. 1 VwGO führen, wenn zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt ein offensichtlicher, keiner weiteren Beweiserhebung bedürftiger, zweifelsfreier Widerspruch vorliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. März 2013 - 4 B 15.12 - juris Rn. 22). Akteninhalt in diesem Sinn ist demnach nicht der gesamte Inhalt der von den Beteiligten im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze, in denen sich gerade auch - und wie hier - noch weiter aufklärungsbedürftiger Sachvortrag findet. Vielmehr muss ein Widerspruch zu einer im Urteil durch die Bezugnahme auf die Akten festgestellten Tatsache aufgezeigt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2019 - 10 B 14.19 - juris Rn. 25). Das ist hier nicht geschehen. 29 Die von der Beigeladenen zur Begründung der erhöhten Minderungswirkung angeführte Flächenvergrößerung des photokatalytischen Anstrichs ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht übersehen, sondern ausweislich der Urteilsgründe in der mündlichen Verhandlung angesprochen und mit dem Sachverständigen der Beigeladenen erörtert worden. Eine Aktenwidrigkeit liegt auch nicht darin, dass der Verwaltungsgerichtshof fehlende Praxiserfahrungen mit photokatalytischen Anstrichen gerügt hat. Zum einen hat der Verwaltungsgerichtshof mit der Formulierung, dass es ""bislang offenbar"" keine Praxiserfahrungen mit photokatalytischen Anstrichen oder Beschichtungen von Außenfassaden im Zusammenhang mit der Reduktion von Stickoxiden gebe und solche von der Beigeladenen und ihrem Sachverständigen nicht vorgetragen worden seien (UA S. 26, juris Rn. 66), nicht ausgeschlossen, dass es doch darüber hinaus gehende Erfahrungen geben kann. Zum anderen hat er auch diese Frage in der mündlichen Verhandlung mit dem Sachverständigen der Beigeladenen erörtert, und dieser hat eingeräumt, dass er nur über Erfahrungen mit entsprechenden Fahrbahnbelägen verfüge, nicht aber bei Fassadenanstrichen- und -beschichtungen. Die Wertung des Verwaltungsgerichtshofs, es fehlten Praxiserfahrungen mit den Anstrichen, ist entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch nicht deswegen aktenwidrig, weil der Verwaltungsgerichtshof unberücksichtigt gelassen hat, dass der Gutachter des Beigeladenen zum Beleg der Wirksamkeit der Anstriche in seiner zu den Akten gereichten Stellungnahme auf ""mikroskalige Simulationen"" verwiesen hat. Inwiefern durch Simulationen Praxiserfahrungen gewonnen werden können, erschließt sich nicht und wird auch von der Beigeladenen nicht dargelegt. Die Entscheidung leidet daher insoweit auch nicht an einem Begründungsmangel (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Fehl geht schließlich auch die Rüge der Beigeladenen, das Urteil beruhe deswegen auf einem aktenwidrigen Sachverhalt, weil der Verwaltungsgerichtshof verkannt habe, dass es sich bei den ""weiteren zum Teil sicheren"" Luftreinhaltemaßnahmen, die die Einhaltung des Grenzwertes im Jahr 2020 sicherstellen werden, nicht um zusätzliche Maßnahmen, sondern um solche handelt, die im Luftreinhalteplan bereits vorgesehen sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies nicht verkannt, sondern er hat, ausgehend davon, dass ein Minderungspotential von mindestens 3 µg/m³ durch photokatalytische Anstriche und eine Fahrbahnabrückung nicht belegt werden konnte, die zur Einhaltung der Grenzwerte im Jahr 2020 erforderliche Minderungswirkung der weiteren Gesamtmaßnahmen um 4 µg/m³ als ""völlig spekulativ"" bezeichnet. 30 4. Zu Unrecht hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass der Beklagte die in § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG enthaltene Pflicht zur Aufstellung eines Luftreinhalteplans im Falle einer Überschreitung der durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegten Immissionsgrenzwerte schon dadurch verletzt hat, dass er für das Jahr 2019 keine Verkehrsverbote festgesetzt hat. Zwar hätte nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs durch die Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge der Grenzwert für Stickstoffdioxid bereits im Jahr 2019 flächendeckend eingehalten werden können. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, zur Vermeidung der Überschreitungen hätte daher nicht auf die Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge verzichtet werden dürfen, trägt aber dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht hinreichend Rechnung. 31 Vorliegend sollte nach der dem Luftreinhalteplan ursprünglich zugrunde liegenden Prognose der NO2-Wert an der Messstelle Lederstraße-Ost im Jahr 2019 41 μg/m3 betragen. Hierauf hat der Verwaltungsgerichtshof abgehoben. Angesichts dessen überspannt er mit seiner Forderung, dass trotz der nach der ursprünglichen Prognose auch ohne Fahrverbote im Jahr 2020 eingehaltenen Grenzwerte nicht auf ein Fahrverbot für 2019 verzichtet werden durfte, die vom Senat in seinen Urteilen vom 27. Februar 2018 - 7 C 30.17 - (BVerwGE 161, 201) und - 7 C 26.16 - (Buchholz 406.25 § 47 BImSchG Nr. 6) entwickelten Verhältnismäßigkeitsanforderungen. 32 a) Der Senat hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ausgeführt, dass eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen ausreicht, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1) i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2018 - 7 C 30.17 - BVerwGE 161, 201 Rn. 32). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). 33 Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht. Daher ist der Umstand, dass in einem Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschritten werden, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2018 - 7 C 30.17 - BVerwGE 161, 201 Rn. 33 f.). Die festgelegten Maßnahmen müssen aber jedenfalls geeignet sein, den Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. Zu berücksichtigen ist zudem die Länge des Zeitraums, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Oktober 2019 - C-636/18 [ECLI:​EU:​C:​2019:​900], Kommission/Frankreich - Rn. 90). Die Luftreinhaltepläne können aber nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel einer Verringerung der Verschmutzungsgefahr und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (stRspr; EuGH, vgl. Urteil vom 24. Oktober 2019 - C-636/18, Kommission/Frankreich - Rn. 79). Eine Anordnung eines Verkehrsverbots muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2018 - 7 C 30.17 - BVerwGE 161, 201 Rn. 38). 34 b) Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, die Verhältnismäßigkeitsprüfung sei auf eine Ausgestaltung der Verkehrsverbote beschränkt, da das Bundesverwaltungsgericht Verhältnismäßigkeitserwägungen nur zu einer Abstufung für zonale Verkehrsverbote für Euro-5-Diesel und für niedrigere Euro-Klassen angestellt habe, verletzt Bundesrecht. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beansprucht Geltung nicht nur hinsichtlich der Frage, wie ein Verkehrsverbot auszugestalten ist, sondern auch bei der vorgelagerten Frage, ob ein Verkehrsverbot anzuordnen ist. Auch wenn ein ganzjähriges Verkehrsverbot die einzige geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der Stickstoffdioxidgrenzwerte ist, erübrigt sich damit nicht bereits die Verhältnismäßigkeitsprüfung, ob ein solches Verbot zu verhängen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - juris Rn. 221) verlangt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf der letzten Prüfungsebene, dass die Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit nicht in unangemessenem Verhältnis zu den Gemeinwohlzwecken, denen die Grundrechtsbeeinträchtigungen dienen, stehen. Dies macht auch bei der Frage, ob ein Verkehrsverbot eine verhältnismäßige Maßnahme sein kann, eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erforderlich. 35 Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der übergeordnete Zweck der Einhaltung von Grenzwerten für Stickstoffdioxidimmissionen der Schutz der menschlichen Gesundheit ist. Zwar ist der Gesundheitsschutz ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel von Verfassungsrang (BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. - BVerfGE 121, 317 juris Rn. 102). Danach besteht eine Pflicht des Staates, sich schützend und fördernd vor das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Gesundheit des Einzelnen zu stellen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. März 2018 - 2 BvR 1371/13 - NJW 2018, 2312 Rn. 31 m.w.N.). Diese Pflicht ist allerdings nicht absolut. Soweit es dabei auf das Verhalten Dritter ankommt, werden derartige Schutzpflichten nur verletzt, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben oder auf einer unzureichenden Tatsachenermittlung oder unvertretbaren Einschätzungen beruhen (BVerfG, Beschluss vom 15. März 2018 - 2 BvR 1371/13 - NJW 2018, 2312 Rn. 32). 36 Auch aus der unionsrechtlichen Handlungspflicht in Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG folgt nichts Anderes. Nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Oktober 2019 - C-636/18 - Rn. 86). Eine Verpflichtung zur Ergreifung effektiver, aber dafür unverhältnismäßiger Maßnahmen wäre hiermit und mit dem vom EuGH den Mitgliedstaaten - ungeachtet der Verpflichtung, die Zeit der Überschreitung so kurz wie möglich zu halten - ausdrücklich eingeräumten Spielraum bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen (vgl. EuGH, Urteile vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:​EU:​C:​2017:​267] Europäische Kommission/Bulgarien - Rn. 15 und vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 99 ff.) nicht vereinbar. 37 c) Diesen Maßgaben wird die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, ein Luftreinhalteplan genüge unabhängig von der Höhe und der Dauer der Grenzwertüberschreitung nicht den rechtlichen Anforderungen, wenn er auf die sofortige Einführung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge verzichtet, nicht in vollem Umfang gerecht. Bei einer - ungeachtet etwaiger Prognosemängel - vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten Überschreitung des Grenzwertes um nur noch 1 µg/m³ im Folgejahr nach Inkrafttreten des Luftreinhalteplanes und gleichzeitig prognostizierter (deutlicher) Unterschreitung des Grenzwertes im übernächsten Jahr ist die Anordnung von Verkehrsverboten regelmäßig nicht geboten. Die Belastungen, die mit Verkehrsverboten insbesondere für die Eigentümer, Halter und Fahrer von Dieselfahrzeugen verbunden sind, stehen in einem solchen Fall in keinem angemessenen Verhältnis zu den mit derart geringfügigen und zeitlich begrenzten Grenzwertüberschreitungen verbundenen möglichen Gesundheitsgefahren. 38 Dies gilt auch für die grundsätzlich weniger belastenden streckenbezogenen Verkehrsverbote. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass durch streckenbezogene Verbote Ausweichverkehre und damit höhere Belastungen an anderen Straßen entstehen können. Diese sind zwar, wie der Senat in seinen Urteilen vom 27. Februar 2018 - 7 C 30.17 - (BVerwGE 161, 201 Rn. 66) und - 7 C 26.16 - (Buchholz 406.25 § 47 BImSchG Nr. 6 Rn. 65) ausgeführt hat, grundsätzlich hinzunehmen, soweit die Grenzwerte an den Ausweichstrecken nicht überschritten werden. Dies bedeutet aber nicht, dass das Interesse der an den Ausweichstrecken lebenden Personen vor einem unter Umständen erheblichen Anstieg der Luftschadstoffe bis an die Immissionsgrenzwerte heran bewahrt zu bleiben, von vornherein unbeachtlich wäre. Bewegt sich die Überschreitung des Grenzwertes - wie hier - in einem Bereich von nur 1 µg/m³ und ist mit einem kontinuierlichen Rückgang der Belastung sowie der alsbaldigen Einhaltung bzw. deutlichen Unterschreitung des Grenzwertes sicher zu rechnen, ist ein Verkehrsverbot daher regelmäßig auch dann nicht geboten, wenn es die einzige geeignete Maßnahme ist, um das Ziel zu einem früheren Zeitpunkt zu erreichen. 39 Ob sich ein Verkehrsverbot auch bei höheren Grenzwertüberschreitungen als unverhältnismäßig darstellt, hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere davon ab, wie lang die prognostizierte Dauer der Überschreitung ist und mit welchem Maß an Sicherheit die Einhaltung der Grenzwerte erwartet werden kann. Je kürzer einerseits die Überschreitung andauert und je sicherer die baldige Einhaltung der Grenzwerte zu erwarten ist und je größer andererseits die Auswirkungen eines Verkehrsverbots für die betroffenen Verkehrsteilnehmer und Anwohner von Ausweichstrecken ist, umso eher sind auch höhere Überschreitungen hinnehmbar. So kann etwa dann, wenn durch die bevorstehende Fertigstellung einer Umgehungsstraße oder eines Straßentunnels eine erhebliche Verkehrsreduzierung und damit auch eine Reduzierung der Schadstoffe in naher Zukunft sicher zu erwarten ist, eine Umleitung des Verkehrs aber zu erheblichen Belastungen an anderer Stelle führen würde, auch eine deutliche Grenzwertüberschreitung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit vorübergehend tolerierbar sein. 40 d) Erweist sich der rechtliche Ansatz des Verwaltungsgerichtshofs, wonach von der Anordnung von Verkehrsverboten für das Jahr 2019 nicht hätte abgesehen werden dürfen, als fehlerhaft, kann die von der Beigeladenen aufgeworfene Frage, ob das angegriffene Urteil ausreichende tatsächliche Feststellungen zur Ausgestaltung und Wirksamkeit solcher Verbote enthält und ob die Fortschreibung des Luftreinhalteplans in zeitlicher Hinsicht im Jahre 2019 überhaupt noch möglich gewesen wäre, dahinstehen; dies gilt gleichermaßen für die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen. 41 5. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat der Verwaltungsgerichtshof beanstandet, dass die bestehende Planung auf einer mangelhaften Prognose beruht. 42 a) Eine rechtmäßige Luftreinhalteplanung setzt voraus, dass sie auf einer ordnungsgemäßen Prognose der Entwicklung der Immissionswerte beruht. Maßgeblich ist der bei Aufstellung des Plans vorhandene tatsächliche und wissenschaftliche Erkenntnisstand. Bei planerischen Entscheidungen, die nicht allein auf der Erfassung eines gegenwärtigen Zustands, sondern auch auf einer Einschätzung in der Zukunft liegender Tatsachen beruhen, liegt es in der Natur der Sache, dass die Richtigkeit der Prognose gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die zukünftige Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse entzieht sich naturgemäß einer exakten Tatsachenfeststellung. Die mithin keiner Richtigkeitsgewähr unterliegenden Prognosen sind gerichtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüfbar, ob sie methodisch einwandfrei erarbeitet worden sind, nicht auf unrealistischen Annahmen beruhen und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. November 2013 - 9 B 14.13 - DVBl 2014, 237 Rn. 7). 43 Aus der unionsrechtlich determinierten Ergebnisverpflichtung folgen keine höheren Anforderungen an die gerichtliche Überprüfbarkeit von Prognosen im Bereich der Luftreinhalteplanung. Die vom Verwaltungsgerichtshof in Erwägung gezogene Parallele zu den in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Zulassung von Vorhaben in FFH-Gebieten überzeugt nicht. Die in Art. 6 der FFH-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 31. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen) geregelten verfahrensrechtlichen und materiellen Anforderungen an die Verträglichkeitsprüfung sind - anders als die Luftreinhalteplanung - vorhabenbezogen und schutzgebietsbezogen ausgestaltet. Das Verbot, ein Vorhaben zuzulassen, sofern nicht die Gewissheit besteht, dass es nicht zu Beeinträchtigungen der für das Gebiet festgelegten Erhaltungsziele führt, hat seinen Grund in der besonderen Bedeutung der das ökologische Netz ""Natura 2000"" bildendenden Schutzgebiete und ist nicht auf Planungsentscheidungen übertragbar oder in sonstiger Weise verallgemeinerungsfähig (vgl. auch VG Berlin, Urteil vom 9. Oktober 2018 - 10 K 207.16 - juris Rn. 80). 44 b) Der Verwaltungsgerichtshof ist ohne Verletzung von Bundesrecht davon ausgegangen, dass die den Maßnahmen M 1 und M 2 zugrunde liegende Verkehrsprognose im Bereich der Sachverhaltsannahmen und bei der Plausibilität der Begründung Mängel aufweist. 45 aa) Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof die fehlende Nachvollziehbarkeit der Begründung des Prognoseergebnisses für die im Luftreinhalteplan angenommene Reduzierung des Verkehrsaufkommens in der Lederstraße um 12 500 Kfz/24h gerügt. Wie von der Beigeladenen ausdrücklich zugestanden, beträgt die Summe der im Luftreinhalteplan in M 1 beschriebenen Teilumsetzungsschritte nur 8 300 Kfz/24h. Die Diskrepanz von 4 200 Kfz/24h konnte ausweislich der Urteilsbegründung auch in der mündlichen Verhandlung nicht durch Befragung des Gutachters der Beigeladenen aufgeklärt werden. Soweit die Beigeladene in der Revisionsbegründung geltend macht, im Luftreinhalteplan werde auf ""weitere verkehrliche Teilumsetzungsschritte"" verwiesen, deren Wirkungen noch nachzuweisen seien, verfehlt sie den rechtlichen Maßstab. Die zur Schadstoffminderung geeigneten Schritte müssen im Luftreinhalteplan selbst benannt sowie hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Wirksamkeit hinreichend konkret beschrieben sein. Der pauschale Verweis auf ungenannte Maßnahmen unklarer Wirkung, deren Nachweis aussteht, genügt insoweit offensichtlich nicht den rechtlichen Anforderungen des § 47 Abs. 1 BImSchG. Den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs liegen auch keine aktenwidrigen Sachverhaltsfeststellungen zugrunde. Dass es zur Erreichung des Ziels der Verkehrsreduzierung um 12 500 Kfz/24h noch weiterer, nicht im Luftreinhalteplan festgelegter und bezifferter Maßnahmen bedarf, ist kein Umstand, den der Verwaltungsgerichtshof übersehen hat, sondern es stellt gerade den Kern der Kritik dar, die Prognose sei fehlerhaft. 46 bb) Hinsichtlich der vom Verwaltungsgerichtshof geäußerten Zweifel an der angenommenen Maximalkapazität des Scheibengipfeltunnels weist die Beigeladene zu Recht darauf hin, dass der Verwaltungsgerichtshof diese Frage im Ergebnis offengelassen hat. Den diesbezüglich von ihr gerügten Verfahrensfehlern braucht der Senat daher nicht nachzugehen. 47 cc) Ebenso wenig bedarf es einer Entscheidung, ob der Verwaltungsgerichtshof zu Recht die Emissionsreduktion aufgrund von Software-Updates beanstandet hat. Denn angesichts der Tatsache, dass bei der wegen des Fehlers bei der Ermittlung der Verkehrsreduzierung in der Lederstraße erforderlichen Neuplanung die vorhandenen Prognosen zu überarbeiten sind und hierbei u.a. die im November 2019 erschienene Version 4.1. des Handbuchs für Emissionsfaktoren - HBEFA - zu berücksichtigen sein wird, ist nicht absehbar, dass die bisherigen Prognosen zur Wirksamkeit der Software-Updates künftig noch maßgeblich sein werden. Dahinstehen kann daher auch, ob die vom Verwaltungsgerichtshof aus einer ""lebensnahen Betrachtung"" heraus geäußerten Zweifel an einer hinreichenden Nachhaltigkeit freiwilliger Updates berechtigt und hinreichend empirisch abgesichert sind. 48 6. Zutreffend hat die Beigeladene darauf hingewiesen, dass ein Luftreinhalteplan keine Maßnahmen für den Fall bereitzuhalten hat, dass sich die Prognose der Grenzwerteinhaltung als zu positiv erweisen und absehbar nicht verwirklichen sollte. Der in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung der Notwendigkeit einer zusätzlichen Planung auf einer zweiten Stufe für den Fall, dass sich die Prognose der Grenzwerteinhaltung als zu positiv erweist und absehbar nicht verwirklichen sollte (etwa OVG Münster, Urteile vom 31. Juli 2019 - 8 A 2851/18 - juris Rn. 335 f. und vom 12. September 2019 - 8 A 4775/18 - juris Rn. 323 sowie OVG Hamburg, Urteil vom 29. November 2019 - 1 E 23/18 - juris Rn. 287), ist nicht zu folgen. 49 a) Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 Satz 4 BImSchG als der einzigen in Betracht kommenden Rechtsgrundlage liegen nicht vor. Danach kann ein Luftreinhalteplan als einen Bestandteil auch einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen enthalten. Zusätzliche Maßnahmen für den Fall des Scheiterns der Maßnahmen auf der ""ersten Stufe"" entsprechen damit nicht dem Konzept von § 47 Abs. 2 BImSchG, der lediglich zwischen kurzfristig zu ergreifenden Maßnahmen und längerfristig angelegten Maßnahmen nach § 47 Abs. 1 BImSchG unterscheidet. Die Planung auf einer ""zweiten Stufe"" ist daher keine Planung im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 und 4 BImSchG. 50 b) Auch die unionsrechtlich begründete Ergebnisverpflichtung und das Zügigkeitsgebot gebieten keine Vorsorgeplanung für den Fall, dass sich die dem Luftreinhalteplan zugrundeliegenden Prognosen als fehlerhaft oder die festgesetzten Maßnahmen als nicht ausreichend erweisen. Zwar ist die zuständige Behörde verpflichtet, die Entwicklung der Luftschadstoffbelastung ständig und ausreichend engmaschig zu beobachten und die Wirksamkeit sowie Nachhaltigkeit der festgelegten Maßnahmen zu kontrollieren. Dies bedeutet aber nicht, dass sie bereits im Rahmen der Planaufstellung alle absehbaren und ernsthaft in Betracht kommenden Überschreitungsvarianten vorausschauend in den Blick zu nehmen und hierauf gerichtete Konzepte zu entwickeln und bereitzuhalten hätte (so aber OVG Münster, Urteil vom 31. Juli 2019 - 8 A 2851/18 - juris Rn. 340). Eine derart weitgehende gestaffelte Prüfung müsste eine Vielzahl von Szenarien einem aufwändigen Prüfprogramm unterziehen und je nach unterstelltem Grad der Zielverfehlung unterschiedliche Reaktionskonzepte und in diesem Zusammenhang auch differenzierende Überlegungen zur Verhältnismäßigkeit etwaig vorzuhaltender Maßnahmen anstellen. Hierdurch würde die Planungsdauer trotz Überschreitung der Grenzwerte regelmäßig nicht unerheblich verlängert und das Zügigkeitsgebot bei der Aufstellung eines Luftreinhalteplans konterkariert. Auch die Kontrolle der Einhaltung dieses Gebotes würde hierdurch erheblich erschwert. Auf ungünstigere Entwicklungen als prognostiziert, kann und muss die Behörde durch eine zügige und entschlossene Fortschreibung des Luftreinhalteplans reagieren. Dabei ist sie entgegen der Auffassung der Beigeladenen verpflichtet, unterjährig zu reagieren, wenn sich abzeichnet, dass sich eine Prognose als unzutreffend erwiesen hat oder die vorgesehenen Maßnahmen nicht greifen. 51 7. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht eine Neuplanung für erforderlich gehalten. Eine solche Verpflichtung folgt bereits daraus, dass die Prognose über die Verkehrsreduzierung in der Lederstraße nicht belastbar ist und die Grenzwerte im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung weiterhin überschritten waren. 52 a) Einer Neuplanung im laufenden Jahr steht nicht entgegen, dass der Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid nach § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV auf ein Kalenderjahr bezogen ist, so dass sich die tatsächliche Einhaltung erst nach Ablauf des Jahres feststellen lässt. Damit ist nicht verbunden, dass Luftreinhalteplanungen und die darin festgelegten Maßnahmen nur zum Jahresbeginn einsetzen können. Steht prognostisch fest, dass der Grenzwert im laufenden Jahr überschritten wird und ist die aktuelle Planung defizitär, hat der Plangeber unverzüglich zu reagieren. Zwar kann die Pflicht zur Neuplanung ausscheiden, wenn aufgrund der zwischenzeitlichen Entwicklung der Luftschadstoffe feststeht, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz eine Luftreinhalteplanung nicht mehr notwendig ist (vgl. OVG Münster, Urteil vom 31. Juli 2019 - 8 A 2851/18 - juris Rn. 388, 392). So liegt es hier aber nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Verfahrensverstoß festgestellt, dass nach den aktualisierten Prognosen für das Jahr 2019 an der Messstelle Lederstraße-Ost von einem Stickstoffdioxid-Jahresmittelwert von 48 μg/m3 und für das Jahr 2020 von 44 μg/m3 auszugehen ist. 53 b) Ob die Prognosemängel in den im März 2019 vorgelegten neuen Prognosen fortwirken, wie der Verwaltungsgerichtshof angenommen hat, kann der Senat offenlassen, weil bei der Neuplanung die Prognosen zu aktualisieren bzw. neue Prognosen zu erstellen sind. Allerdings ist jedenfalls hinsichtlich der Maßnahme M 1 von einem Fortwirken auszugehen. Obgleich die neue Prognose auf einer ""aktualisierten Verkehrsdatenbasis, Verkehrsmodell an aktuellen Zählungen neu geeicht"" beruht (Fachgutachten ""Modellstadt Reutlingen"" - Ergänzende Berechnungen vom 12. März 2019), wird der Umsetzungsstand der Maßnahmen des ""Szenario Reutlingen"" der 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans berücksichtigt. Die im Anhang beigefügte Liste führt zu den Teilmaßnahmen der Maßnahme M 1 die schon im Luftreinhalteplan enthaltenen Zahlen auf. Die angegebenen Maßnahmen ergeben weiterhin in der Summe nur 8 300 Kfz/24 h mit einer Reduktionswirkung von 4,8 μg/m3. 54 c) Bei der Neuplanung ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen. Im Rahmen dieser Prüfung können neben der vom Senat in seinen Urteilen vom 27. Februar 2018 - 7 C 30.17 - (BVerwGE 161, 201) und - 7 C 26.16 - (Buchholz 406.25 § 47 BImSchG Nr. 6) erörterten zeitlichen Staffelung bei der Einführung von Verkehrsverboten und der Differenzierung nach dem räumlichen Umfang der Verbote sowie nach Alter und Abgasverhalten der betroffenen Fahrzeuge weitere Aspekte zu berücksichtigen sein. 55 aa) So hat der Senat bereits darauf hingewiesen, dass nicht nur die Belastungen und Einschränkungen für die Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer, sondern auch die Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft zu berücksichtigen sind (BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 - 7 C 30.17 - BVerwGE 161, 201 Rn. 41 und - 7 C 26.16 - Buchholz 406.25 § 47 BImSchG Nr. 6 Rn. 38). Wie oben im Einzelnen dargelegt, kann zudem bei sehr geringen Grenzwertüberschreitungen ein Verkehrsverbot unverhältnismäßig sein, wenn der noch verbleibende Zeitraum der Überschreitung nur kurz und die Einhaltung der Grenzwerte sicher zu erwarten ist. 56 Der danach im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmende Ausgleich bedeutet allerdings nicht, dass eine ergebnisoffene planerische Abwägung aller in Betracht kommenden Belange vorzunehmen wäre. Wird der maßgebliche Grenzwert überschritten und erweist sich eine Maßnahme als geeignet und erforderlich, um den Zeitraum der Überschreitung so kurz wie möglich zu halten, ist der dann noch vorzunehmende Interessenausgleich nicht mehr im Sinne einer planerischen Abwägung vorzunehmen, sondern Ausdruck der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, wonach ein legitimes Ziel mit geeigneten und erforderlichen Mitteln nicht um jeden Preis verfolgt werden darf. In diesem Sinne hat auch der EuGH in seinem Urteil vom 24. Oktober 2019 - C- 636/18, Kommission/Frankreich - (Rn. 86) darauf hingewiesen, dass strukturelle Schwierigkeiten keinen Rechtfertigungsgrund für eine Grenzwertüberschreitung darstellen, es sich aber um einen Umstand handeln könne, der im Rahmen der allgemeinen Interessenabwägung von Bedeutung sein könne. Ein derartiger Umstand kann auch die besondere infrastrukturelle Bedeutung eines Verkehrswegs sein (vgl. OVG Münster, Urteil vom 12. September 2019 - 8 A 4775/18 - juris Rn. 268). 57 Dagegen sind keine Feststellungen zu Art und Umfang der aus den Grenzwertüberschreitungen folgenden Gesundheitsgefahren geboten. Die bei einer Planung zur Grenzwerteerreichung notwendigen Maßnahmen dürfen nicht im Rahmen einer Abwägung zwischen dem Ausmaß von durch Grenzwertüberschreitungen bedingten Gesundheitsgefahren und den durch Verkehrsverbote erfolgenden Einschränkungen von Verkehrsteilnehmern relativiert werden. Einer detaillierten Feststellung zum genauen Umfang der Betroffenheit durch Gesundheitsgefahren und der Anzahl der davon betroffenen Personen bedarf es daher nicht (a.A. VGH Kassel, Beschluss vom 17. Dezember 2018 - 9 A 2037/18.Z - juris Rn. 19). Die grundsätzliche Entscheidung der Frage einer Gesundheitsgefahr bei Überschreitung der Grenzwerte hat bereits der Normgeber getroffen; sie ist daher einer Überprüfung im Einzelfall entzogen. 58 8. Aus § 47 Abs. 4 a BImSchG ergeben sich gegenüber den vorstehenden Erwägungen zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz keine weiteren Einschränkungen. Nach dieser Norm kommen Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge wegen Überschreitung der Immissionsgrenzwerte in der Regel nur in Gebieten in Betracht, in denen der Stickstoffdioxidwert von 50 Mikrogramm/m³ im Jahresmittel überschritten worden ist. 59 a) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass es nur auf gemessene Grenzwertüberschreitungen bis 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft ankommt und nicht auf lediglich prognostizierte Überschreitungen bis in diese Höhe. Ein anderes Verständnis wäre mit dem Wortlaut der Norm schwerlich in Einklang zu bringen. Selbst wenn man trotz des klaren Wortlauts auf den Zweck der Regelung abstellte, ergäbe sich nichts Anderes. Weder der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/6335) noch der Stellungnahme des Umweltausschusses (BT-Drs. 19/8257) lässt sich entnehmen, dass die hinter der Regelung stehende gesetzliche Annahme, überall dort, wo bereits Stickstoffbelastungen unter 50 µg/m³ vorliegen, sei davon auszugehen, dass die beschlossenen Maßnahmen zu einer Senkung unter den Grenzwert führen, auch dann gelten soll, wenn zwar bislang eine gemessene Belastung über 50 µg/m³ liegt, die Immissionsprognosen aber auf künftige Werte darunter verweisen. Aus dem von der Beklagten gebildeten Beispiel ergibt sich nichts Anderes. Wenn zum Zeitpunkt der Aufstellung des Luftreinhalteplans die letzte gemessene Belastung noch über 50 µg/m³ liegt, mag es im Einzelfall günstige Entwicklungen geben, die eine Senkung von mehr als 10 µg/m³ bewirken. Dies dürfte aber weder den bisherigen Erfahrungen mit der Entwicklung der Immissionswerte entsprechen, noch hat der Gesetzgeber eine solche Erwartung formuliert. 60 b) Die Bestimmung, dass Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge in der Regel nur bei Werten über 50 µg/m³ in Betracht kommen, ist unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass damit eine tatsächliche Vermutung ausgedrückt werden soll, wonach bei solchen Immissionswerten eine Unterschreitung des Grenzwertes aufgrund der ergriffenen Maßnahmen auch ohne Verkehrsverbote zeitnah zu erwarten ist. Soweit dies entgegen dieser Annahme nicht der Fall sein sollte und Verkehrsverbote sich als einziges Mittel darstellen, um die Überschreitung des Grenzwertes so kurz wie möglich zu halten, kann demgegenüber nicht von einem Regelfall im Sinne des § 47 Abs. 4a BImSchG ausgegangen werden, so dass die Vorschrift auch unterhalb von Werten von 50 µg/m³ Verkehrsverboten im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht entgegengehalten werden kann. 61 Wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend angenommen hat, wäre eine nach dem Wortlaut möglicherweise näherliegende Auslegung, dass ein echtes Regel-Ausnahme-Verhältnis geschaffen werden sollte, nach dem Verkehrsverbote überhaupt nur in atypischen Fällen angeordnet werden dürfen, nicht mit Unionsrecht vereinbar. Zwar steht es dem Gesetzgeber frei, Anforderungen an die Verhältnismäßigkeitsprüfung normativ festzulegen. Eine starre Grenze, unterhalb derer ein anerkannt effektiver Maßnahmentyp nur im atypischen Ausnahmefall angeordnet werden darf, verstieße jedoch gegen die unionsrechtliche Verpflichtung, den Zeitraum der Überschreitung so kurz wie möglich zu halten. Diese unterliegt zwar ihrerseits dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Allerdings geht aus der Rechtsprechung des EuGH hervor, dass nicht einzelfallbezogene, generelle Erwägungen insbesondere im Fall einer länger andauernden Überschreitung nicht als Beleg dafür in Betracht kommen, dass die getroffenen Maßnahmen ausreichend waren, auch die Grenzwerte weiterhin überschritten werden (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Oktober 2019 - C- 636/18 -, Kommission/Frankreich Rn. 84). Dies wird durch die Bemerkungen der Europäischen Kommission auf die Notifizierung des 13. Änderungsgesetzes zum Bundesimmissionsschutzgesetz bestätigt, wonach die Einführung der Formulierung ""in der Regel"" begrüßt wird, ""um Fahrverbote nicht auszuschließen, falls sie sich als einzige Möglichkeit erweisen sollten, Zeiträume der Nichteinhaltung so kurz wie möglich zu halten"" (Schreiben vom 13. Februar 2019, C [2019] 1391 final S. 2). 62 Das Erfordernis einer entsprechenden· unionsrechtskonformen Auslegung entspricht auch der einhelligen Auffassung bislang mit § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG befasster Obergerichte (vgl. OVG Münster, Urteil vom 31. Juli 2019 - 8 A 2851/18 - juris Rn. 279; OVG Hamburg, Beschluss vom 31. Mai 2019 - 1 Bs 90/19 - juris Rn. 33) und der erstinstanzlichen Rechtsprechung (VG Berlin, Urteil vom 9. Oktober 2018 - 10 K 207.16 - juris Rn. 74; VG Köln, Urteil vom 8. November 2018 - 13 K 6684/15 - juris Rn. 34). Eine wörtliche Auslegung als echtes Regel-Ausnahme-Verhältnis hält auch die ganz überwiegende rechtswissenschaftliche Literatur - mit unterschiedlichen Akzentuierungen - für unionsrechtswidrig (vgl. Weiß/Feder, EWS 2019, 14 <17 f.>; Will, NZV 2019, 17 <24 f.>; Quarch, SVR 2019, 18 <23>; Scheidler, NVwZ 2019, 751 <754 f.>; Laskowski, ZRP 2019,44 <46 f.>; Klinger, ZUR 2019, 131 <133 f.>; Berkemann, ZUR 2019, 412 <419 f.>). Auch diejenigen Autoren, die § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG dem Grunde nach für unionsrechtskonform halten, gehen in der Sache davon aus, dass dieser Verkehrsverbote dann nicht ausschließt, wenn sie das einzige Mittel sind, die Grenzwerte in absehbarer Zeit einzuhalten (vgl. Schink, I+E 2019, 58 <62>; Brenner, DAR 2019, 342). 63 Es besteht kein Anlass, die Frage der Vereinbarkeit von § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG mit Art. 13 oder 23 der Richtlinie 2008/50 EG dem EuGH vorzulegen. Die Auslegung der entsprechenden Richtlinienbestimmungen ist vielmehr auf Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der letzten Jahre hinreichend klar, um zu der vorstehend skizzierten unionsrechtskonformen Auslegung zu kommen (vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 31. Juli 2019 - 8 A 2851/18 - juris Rn. 307). 64 c) Eine Verfassungswidrigkeit der Neuregelung ergibt sich entgegen einzelner Stimmen in der Literatur nicht daraus, dass die Regelungswirkung bei der angenommenen unionsrechtskonformen Auslegung gegenüber dem ohnehin geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gering ist (vgl. Klinger, ZUR 2019, 131 <134>). Dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt, eine sich aus der Rechtsprechung und allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergebende Lage zu kodifizieren. Der Grundsatz der Normenwahrheit führt zwar dazu, dass sich der Gesetzgeber an dem für den Normadressaten ersichtlichen Regelungsgehalt der Norm festhalten lassen muss. Ausreichend ist jedoch, wenn dieser Inhalt in zumutbarer Weise im Wege der Auslegung zu erkennen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 2008 - 1 BvR 349/04 - juris Rn. 23). Dies ist hier der Fall. 65 d) Nach den vorstehenden Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erscheint es auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht zwingend, dass Verkehrsverbote anzuordnen sein werden. Diese sind vom Plangeber zu prüfen und ihre Anordnung im Luftreinhalteplan ist ernsthaft in Betracht zu ziehen. Ob sie sich aber unter Würdigung aller zu berücksichtigenden Umstände als verhältnismäßig erweisen, bedarf der erneuten Prüfung. Kommt der Plangeber dabei dazu, dass sie trotz Eignung und Erforderlichkeit zur Grenzwerteinhaltung unverhältnismäßig seien, bedarf dies einer eingehenden Begründung (vgl. OVG Münster, Urteil vom 31. Juli 2019 - 8 A 2851/18 - juris Rn. 315 ff.). 66 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2020-18,23.04.2020,"Pressemitteilung Nr. 18/2020 vom 23.04.2020 EN EuGH soll Fragen zum Nachzug volljährig gewordener Kinder zu anerkannten Flüchtlingen klären Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Klärung der Auslegung von Regelungen der Familienzusammenführungsrichtlinie (RL 2003/86/EG) beim Kindernachzug zu anerkannten Flüchtlingen angerufen. Die im Januar 1999 geborene Klägerin ist syrische Staatsangehörige und begehrt die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug zu ihrem Vater. Dem Vater wurde auf seinen im April 2016 gestellten Asylantrag im Juli 2017 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Im September 2017 erhielt er eine für drei Jahre gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Im August 2017 beantragte die Klägerin beim Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Istanbul die Erteilung eines nationalen Visums zum Familiennachzug. Das Generalkonsulat lehnte die Erteilung im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für einen Kindernachzug lägen nicht vor, weil der Vater der Klägerin bis zum Eintritt von deren Volljährigkeit noch nicht über einen nachzugsfähigen Aufenthaltstitel verfügt habe. Das Verwaltungsgericht hat die beklagte Bundesrepublik zur Erteilung des begehrten Visums verpflichtet. Die Klägerin sei als minderjähriges Kind i.S.v. § 32 Abs. 1 AufenthG nachzugsberechtigt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Minderjährigkeit sei bei unionsrechtskonformer Auslegung der Zeitpunkt der Asylantragstellung des zusammenführenden Elternteils. Auf die Sprungrevision der Beklagten hat der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH mehrere Fragen betreffend die Auslegung der Familienzusammenführungsrichtlinie zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die Voraussetzungen für einen Kindernachzug nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liegen nicht vor, weil die Klägerin bei Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an ihren Vater und Stellung ihres Antrags auf Familiennachzug nicht mehr minderjährig war, was nach gefestigter Rechtsprechung erforderlich ist; diese Regelung lässt eine Auslegung nicht zu, nach der für die Minderjährigkeit auf den Zeitpunkt des Asylantrages des Elternteils abzustellen ist. Ein Anspruch in unmittelbarer Anwendung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/86/EG kommt nur in Betracht, wenn beim Kindernachzug zu Flüchtlingen hinsichtlich der Minderjährigkeit des nachzugswilligen Kindes maßgeblich der Zeitpunkt der Asylantragstellung des Flüchtlings ist. So hat es der EuGH in seinem Urteil vom 12. April 2018 - C-550/16 - für den umgekehrten Fall des Elternnachzuges zu einem minderjährigen unbegleiteten Flüchtling entschieden. Der Senat sieht Klärungsbedarf, ob diese zu anderen Normen der RL 2003/86/EG ergangene Rechtsprechung auf den Kindernachzug zu einem anerkannten Flüchtling übertragbar und es geboten ist, auf diesen frühen Zeitpunkt abzustellen. Zudem stellt sich die Frage, welche Anforderungen an das Bestehen von tatsächlichen familiären Bindungen i.S.v. Art. 16 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/86/EG zwischen dem inzwischen volljährig gewordenen Kind und dem Flüchtling zu stellen sind. Zu dem umgekehrten Fall des Elternnachzuges zu einem volljährig gewordenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschlüssen vom heutigen Tag (BVerwG 1 C 9.19 und 1 C 10.19) ebenfalls Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet. Fußnote: Vorlagefragen 1. Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen, dass ein Kind des Zusammenführenden, der als Flüchtling anerkannt worden ist, auch dann minderjährig im Sinne dieser Vorschrift ist, wenn es im Zeitpunkt der Asylantragstellung des Zusammenführenden minderjährig war, aber schon vor dessen Anerkennung als Flüchtling und Stellung des Antrags auf Familienzusammenführung volljährig geworden ist? 2. Bei Bejahung der Frage 1: Welche Anforderungen sind an die tatsächlichen familiären Bindungen i.S.d. Art. 16 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/86/EG in einem solchen Fall zu stellen? a) Reicht dafür das rechtliche Eltern-Kind-Verhältnis aus oder ist auch ein tatsächliches Familienleben erforderlich? b) Falls es auch eines tatsächlichen Familienlebens bedarf: Welche Intensität ist dafür erforderlich? Genügen dazu etwa gelegentliche oder regelmäßige Besuchskontakte, bedarf es des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt oder ist darüber hinaus eine Beistandsgemeinschaft erforderlich, deren Mitglieder aufeinander angewiesen sind? c) Erfordert der Nachzug des zwischenzeitlich volljährig gewordenen Kindes, das sich noch im Drittstaat befindet und einen Antrag auf Familienzusammenführung zu einem als Flüchtling anerkannten Elternteil gestellt hat, die Prognose, dass das Familienleben nach der Einreise in der gemäß Frage 2b) geforderten Weise im Mitgliedstaat (wieder) aufgenommen wird? BVerwG 1 C 16.19 - Beschluss vom 23. April 2020 Vorinstanz: VG Berlin, 12 K 27.18 V - Urteil vom 12. März 2019 -","Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Auslegung von Bestimmungen der Familienzusammenführungsrichtlinie (RL 2003/86/EG), mit dem insbesondere geklärt werden soll, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Minderjährigkeit abzustellen ist, wenn ein Kind eines anerkannten Flüchtlings sich auf den Nachzugstatbestand des Art. 4 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/86/EG beruft. Tenor Das Verfahren wird ausgesetzt.Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen eingeholt:1. Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen, dass ein Kind des Zusammenführenden, der als Flüchtling anerkannt worden ist, auch dann minderjährig im Sinne dieser Vorschrift ist, wenn es im Zeitpunkt der Asylantragstellung des Zusammenführenden minderjährig war, aber schon vor dessen Anerkennung als Flüchtling und Stellung des Antrags auf Familienzusammenführung volljährig geworden ist?2. Bei Bejahung der Frage 1:Welche Anforderungen sind an die tatsächlichen familiären Bindungen im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/86/EG in einem solchen Fall zu stellen?a) Reicht dafür das rechtliche Eltern-Kind-Verhältnis aus oder ist auch ein tatsächliches Familienleben erforderlich?b) Falls es auch eines tatsächlichen Familienlebens bedarf: Welche Intensität ist dafür erforderlich? Genügen dazu etwa gelegentliche oder regelmäßige Besuchskontakte, bedarf es des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt oder ist darüber hinaus eine Beistandsgemeinschaft erforderlich, deren Mitglieder aufeinander angewiesen sind?c) Erfordert der Nachzug des zwischenzeitlich volljährig gewordenen Kindes, das sich noch im Drittstaat befindet und einen Antrag auf Familienzusammenführung zu einem als Flüchtling anerkannten Elternteil gestellt hat, die Prognose, dass das Familienleben nach der Einreise in der gemäß Frage 2 b) geforderten Weise im Mitgliedstaat (wieder) aufgenommen wird? Gründe IDie am [...] geborene Klägerin ist syrische Staatsangehörige und lebt seit mehreren Jahren in der Türkei. Sie begehrt die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug zu ihrem als Flüchtling anerkannten Vater.Die Mutter der Klägerin ist verstorben. Ihr Vater reiste 2015 nach Deutschland ein und stellte im April 2016 förmlich Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) erkannte dem Vater auf dessen erfolgreiche Klage im Juli 2017 die Flüchtlingseigenschaft zu. Der Beigeladene erteilte ihm im September 2017 eine für drei Jahre gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG.Am 10. August 2017 beantragte die - inzwischen volljährige - Klägerin bei dem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in I. (Generalkonsulat) die Erteilung eines nationalen Visums zum Familiennachzug zu ihrem im Bundesgebiet lebenden Vater. Das Generalkonsulat lehnte den Antrag zuletzt mit Remonstrationsbescheid vom 11. Dezember 2017 ab. Die Voraussetzungen des § 32 AufenthG seien nicht erfüllt, weil die Klägerin volljährig sei und ihr Vater vor dem Eintreten ihrer Volljährigkeit noch nicht über die Aufenthaltserlaubnis als Flüchtling verfügt habe. Ein Familiennachzug volljähriger Kinder nach der Ermessensvorschrift des § 36 Abs. 2 AufenthG setzte eine außergewöhnliche Härte voraus. Eine solche liege nicht vor, weil nicht erkennbar sei, dass die Klägerin in der Türkei kein eigenständiges Leben führen könne.Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Mit Urteil vom 12. März 2019 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, der Klägerin ein Visum zum Zwecke des Familiennachzugs zu erteilen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung sei die Klägerin als minderjährig im Sinne des § 32 Abs. 1 AufenthG anzusehen. Maßgeblich für die Beurteilung der Minderjährigkeit sei nicht der Zeitpunkt der Beantragung des Visums zum Familiennachzug, sondern der Zeitpunkt der Asylantragstellung ihres Vaters. Dies folge aus der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (nachfolgend: Gerichtshof) vom 12. April 2018 - C-550/16, A und S - betreffend den Elternnachzug zum unbegleiteten minderjährigen Flüchtling. Diese sei auf die hier gegebene umgekehrte Konstellation übertragbar. Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Familienzusammenführungsrichtlinie (RL 2003/86/EG) sei im Lichte dieser Entscheidung dahin auszulegen, dass ein Kind des Zusammenführenden als minderjährig anzusehen sei, wenn es bei der Stellung des Asylantrags durch den Zusammenführenden minderjährig war. Auch im Falle des Kindernachzugs sei die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts für das Vorliegen der Minderjährigkeit nicht den Mitgliedstaaten überlassen, sondern sei dieser aus einer autonomen Auslegung der Richtlinie zu gewinnen. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei ein deklaratorischer Akt. Ebenso wie in dem zu Art. 10 Abs. 3 Buchst. a RL 2003/86/EG entschiedenen Fall würde die praktische Wirksamkeit des Anspruchs auf Familienzusammenführung in Frage gestellt und wären die Grundsätze der Rechtssicherheit und Gleichbehandlung verletzt, wenn es bei Art. 4 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/86/EG für die Beurteilung der Minderjährigkeit auf den Zeitpunkt der Stellung des Visumantrags ankäme. Die Klägerin habe ihren Visumantrag innerhalb der vom Gerichtshof geforderten Frist von drei Monaten ab Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft des Stammberechtigten gestellt.Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine fehlerhafte Auslegung der Voraussetzung der Minderjährigkeit im Sinne des § 32 Abs. 1 AufenthG. Nach nationaler Rechtsprechung sei dafür auf den Zeitpunkt der Beantragung des Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung abzustellen. Aus dem Urteil des Gerichtshofs vom 12. April 2018 könne nichts anderes hergeleitet werden, weil dieses einen anderen Sachverhalt und eine andere Rechtsgrundlage der Richtlinie betreffe. Die vom Gerichtshof angeführten Überlegungen zur Auslegung von Art. 2 Buchst. f RL 2003/86/EG beanspruchten für die Auslegung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/86/EG keine Geltung, zumal diese Vorschrift ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweise.IIDer Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen.1. Die Voraussetzungen für das Recht auf Familienzusammenführung werden nach deutschem Recht im Rahmen eines von dem Familienangehörigen bei der Auslandsvertretung des Drittstaats, in dem er sich aufhält, zu stellenden Antrags auf Erteilung eines nationalen Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung überprüft. Den hiernach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Aufenthaltsgesetzes (AufenthG):§ 6 Visum(...)(3) Für längerfristige Aufenthalte ist ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Die Erteilung richtet sich nach den für die Aufenthaltserlaubnis, die Blaue Karte EU, die ICT-Karte, die Niederlassungserlaubnis und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU geltenden Vorschriften. (...)§ 32 Kindernachzug(1) Dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil einen der folgenden Aufenthaltstitel besitzt:1. (...)2. Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative(...)§ 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen(1) (...)(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. (...)2. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich. Die Klage kann nur Erfolg haben, wenn der Klägerin der geltend gemachte Anspruch in unmittelbarer Anwendung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. L 251 S. 12) - RL 2003/86/EG - zusteht. Das hängt von der Beantwortung der Vorlagefragen ab.2.1 Auf der Grundlage des nationalen Rechts hat die Klägerin keinen Rechtsanspruch auf Erteilung eines Visums zum Familiennachzug zu ihrem Vater. Ein solcher Rechtsanspruch könnte sich nur aus § 32 AufenthG ergeben, der den Nachzug minderjähriger Kinder regelt. Volljährigen Kindern kann der Nachzug nur bei Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte im Ermessenswege gewährt werden (§ 36 Abs. 2 AufenthG); diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Klägerin bisher tatrichterlich nicht festgestellt. § 32 AufenthG ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin auszulegen, dass das Kind zwar nicht mehr bei Erteilung des Visums, wohl aber in dem Zeitpunkt, in dem es den Antrag auf Erteilung eines Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung stellt, noch minderjährig sein muss. Zudem muss es auch in dem Zeitpunkt minderjährig sein, in dem dem Elternteil die jeweils zum Nachzug berechtigende Aufenthaltserlaubnis (hier: Aufenthaltserlaubnis als anerkannter Flüchtling, § 32 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 AufenthG) erteilt worden ist. Dass für die Altersgrenze - abweichend vom allgemein für Klagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung - auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt wird, soll verhindern, dass der Nachzugsanspruch des Kindes wegen der Verfahrensdauer allein durch Zeitablauf erlischt. Dies ändert nach der Rechtsprechung des Senats aber nichts daran, dass alle Voraussetzungen für den Kindernachzug einmal zeitgleich vorliegen müssen. Das Kind kann deshalb hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen Sachverhaltsänderungen zu seinen Gunsten nach Vollendung des 18. Lebensjahres nicht mehr geltend machen, sondern muss diese (auch) bereits vor Eintritt der Volljährigkeit erfüllen. Andernfalls würde durch eine länger dauernde Rechtsverfolgung - über das Ziel eines effektiven Rechtsschutzes hinaus - die vom Gesetz vorgesehene Altersgrenze umgangen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 18. November 1997 - 1 C 22.96 - Buchholz 402.240 § 20 AuslG 1990 Nr. 4 S. 18 ff. und vom 26. August 2008 - 1 C 32.07 - BVerwGE 131, 370 Rn. 17).Eine Auslegung des § 32 Abs. 1 AufenthG dahin, dass sich die Minderjährigkeit des Kindes anhand des Zeitpunkts der Asylantragstellung des zusammenführenden Elternteils beurteilt, wäre in Anwendung der allgemein anerkannten Auslegungsregeln selbst dann nicht möglich, wenn Art. 4 Abs. 1 RL 2003/86/EG ein Abstellen auf diesen Zeitpunkt gebieten sollte. Ihr stünde entgegen, dass § 32 Abs. 1 AufenthG nicht nur den Kindernachzug zu anerkannten Flüchtlingen, sondern auch den Kindernachzug zu allen anderen in Deutschland aufenthaltsberechtigten Ausländern regelt; ausgeklammert ist allein der Kindernachzug zu subsidiär Schutzberechtigten. Da die Voraussetzung ""minderjähriges lediges Kind"" für alle nachfolgend unter Nr. 1 bis 7 aufgezählten Varianten eines Kindernachzugs gleichermaßen gilt, kann der für die Minderjährigkeit maßgebliche Zeitpunkt nach geltendem nationalen Recht nur einheitlich bestimmt werden. Als für sämtliche Fallgruppen sachgerechter einheitlicher Zeitpunkt kommt aber nur der Zeitpunkt der Beantragung des Visums zur Familienzusammenführung in Betracht. Es widerspräche nicht nur der gesetzlichen Systematik, sondern auch dem Willen des Gesetzgebers, beim Kindernachzug zu Flüchtlingen anders als in allen anderen Fällen einen Zeitpunkt zugrunde zu legen, der noch vor Ingangsetzung des durch § 6 Abs. 3 i.V.m. § 32 Abs. 1 AufenthG geregelten Verwaltungsverfahrens der Familienzusammenführung liegt. Sollte diese Rechtslage unionsrechtswidrig sein, bedürfte es zur Behebung dieses Mangels mithin einer ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers. Das gilt vor allem auch deshalb, weil dieser nicht verpflichtet wäre, die - gemessen an Art. 15 Abs. 1 RL 2003/86/EG - überschießende Umsetzung des deutschen Rechts, wonach nachgezogene Kinder unabhängig von ihrer Aufenthaltsdauer schon mit Volljährigkeit ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erwerben (vgl. § 34 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), auch auf solche Kinder zu erstrecken, die bereits bei Stellung des Antrags auf Familiennachzug volljährig waren.2.2 Falls Vorlagefrage 1 zu bejahen ist, könnte der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung aber in unmittelbarer Anwendung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/86/EG zustehen. Die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung der Richtlinienvorschrift lägen vor (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 26. Februar 1986 - Rs. 152/84 [ECLI:EU:C:1986:84], Marshall - Rn. 46 f.): Es handelt sich um eine inhaltlich unbedingte und hinreichend genaue Regelung, die ein Recht des Einzelnen begründet und die der deutsche Gesetzgeber innerhalb der am 3. Oktober 2005 (Art. 20 Abs. 1 RL 2003/86/EG) abgelaufenen Umsetzungsfrist nicht hinreichend in das nationale Recht umgesetzt hätte. Art. 4 Abs. 1 RL 2003/86/EG gibt den Mitgliedstaaten präzise positive Verpflichtungen auf, denen klar definierte subjektive Rechte entsprechen, da er den Mitgliedstaaten in den in der Richtlinie festgelegten Fällen vorschreibt, den Nachzug bestimmter Mitglieder der Familie des Zusammenführenden zu genehmigen, ohne dass sie dabei ihren Ermessensspielraum ausüben könnten (EuGH, Urteil vom 27. Juni 2006 - C-540/03 [ECLI:EU:C:2006:429], Parlament/Rat - Rn. 60). Die den Mitgliedstaaten in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 3 und Abs. 6 RL 2003/86/EG eingeräumten Ermessensspielräume setzen voraus, dass die dort für zulässig erklärten abweichenden Regelungen bereits im Zeitpunkt der Umsetzung der Richtlinie im nationalen Recht vorhanden waren (sog. Stand-Still-Klauseln), was in Deutschland nicht der Fall ist. Zwar sollte Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 3 RL 2003/86/EG es gerade Deutschland ermöglichen, die hier vorhandenen Beschränkungen des Nachzugs älterer Kinder beizubehalten (vgl. Hailbronner/Arévalo, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part C II Art. 4 Rn. 17 f.). Derartige Integrationsanforderungen waren aber schon im Zeitpunkt des Ablaufs der Umsetzungsfrist der Richtlinie auch im deutschen Recht nur für den Nachzug älterer Kinder zu Drittstaatsangehörigen, die keine Flüchtlinge sind, vorgesehen; für den Nachzug zu anerkannten Flüchtlingen galten und gelten sie nicht (vgl. bereits § 32 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG i.d.F. vom 30. Juli 2004 ).Von der Beantwortung der Vorlagefrage 2 hängt ab, welche Aufklärungsmaßnahmen das Tatsachengericht gegebenenfalls noch zu ergreifen hat, um festzustellen, dass der Familiennachzug auf die (Wieder-)Aufnahme eines tatsächlichen familiären Lebens zielt.Die weiteren, in den Vorlagefragen nicht erwähnten Voraussetzungen für eine Familienzusammenführung unmittelbar auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/86/EG lägen vor. Von dem Nachweis, dass der Zusammenführende die in Art. 7 RL 2003/86/EG genannten Bedingungen erfüllt, ist gemäß Art. 12 Abs. 1 RL 2003/86/EG zwingend abzusehen, weil der Antrag auf Familienzusammenführung innerhalb einer Frist von drei Monaten nach der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gestellt wurde und nach den Feststellungen des Tatsachengerichts eine Familienzusammenführung in einem Drittstaat, zu dem eine besondere Bindung der Klägerin oder ihres Vaters besteht, nicht möglich ist. Falls die in Bezug auf den Elternnachzug zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen mit Urteil vom 12. April 2018 entwickelten Erwägungen in Beantwortung der Vorlagefrage 1 sinngemäß auf die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 RL 2003/86/EG zu übertragen sind, so dass ein nachzugswilliges Kind, das nach Asylantragstellung, aber vor der Anerkennung des Zusammenführenden als Flüchtling volljährig geworden ist, noch als minderjähriges Kind im Sinne dieser Regelung anzusehen wäre, sofern es den Antrag auf Familienzusammenführung innerhalb von drei Monaten nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Zusammenführenden stellt (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 12. April 2018 - C-550/16 [ECLI:EU:C:2018:248], A und S - Rn. 61), wäre diese Antragsfrist hier ebenfalls eingehalten.3. Die Vorlagefragen bedürfen der Klärung durch den Gerichtshof.3.1 Mit Vorlagefrage 1 soll geklärt werden, auf welchen Zeitpunkt für die Voraussetzung der Minderjährigkeit des Kindes (und des Sorgerechts) abzustellen ist, wenn der Zusammenführende ein anerkannter Flüchtling ist. Das vorlegende Gericht möchte insbesondere wissen, ob bzw. inwieweit die Erwägungen des Gerichtshofs zu der umgekehrten Fallkonstellation des Elternnachzugs zu einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling (vgl. EuGH, Urteil vom 12. April 2018 - C-550/16 -) auf die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 RL 2003/86/EG übertragbar sind und es deshalb gebieten, auch in diesem Zusammenhang von einem ""minderjährigen Kind"" auszugehen, wenn dieses bei der Familienzusammenführung zu einem anerkannten Flüchtling im Zeitpunkt der Beantragung internationalen Schutzes durch den Flüchtling noch minderjährig war, aber bereits im Verlauf von dessen Asylverfahren volljährig geworden ist. Diese Frage wird in den beim Gerichtshof anhängigen Vorabentscheidungsverfahren (verb. Rechtssachen C-133/19, C-136/19 und C-137/19; Schlussanträge des Generalanwalts Hogan vom 19. März 2020 [ECLI:EU:C:2020:222]) des belgischen Conseil d'État nicht notwendigerweise geklärt werden, weil sie dort in dieser Form nicht entscheidungserheblich war. Denn dort waren alle Antragsteller im Zeitpunkt des Antrags auf Familienzusammenführung noch minderjährig und ist deshalb nur zu entscheiden, ob das belgische Recht mit der Richtlinie vereinbar ist, soweit die Minderjährigkeit danach - anders als nach deutschem Recht - sogar noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Familienzusammenführung fortbestehen muss.a) Vorab stellt sich die Frage, ob sich der Zeitpunkt, bis zu dem die Minderjährigkeit vorliegen muss, überhaupt nach einheitlichen unionsrechtlichen Kriterien bestimmt oder ob dies dem nationalen Recht überlassen ist. Die Beklagte hat vorgetragen, die Richtlinie gebe den Mitgliedstaaten in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 RL 2003/86/EG für den Nachzug minderjähriger Kinder keine einheitliche Altersgrenze vor. Der Unionsgesetzgeber habe mit dem Verweis auf das Volljährigkeitsalter nach dem jeweiligen nationalen Recht eine potentielle Ungleichbehandlung zweier Antragsteller in Kauf genommen. Sei die Altersgrenze schon nicht einheitlich vorgegeben, seien die Mitgliedstaaten erst recht berechtigt, den für ihre Einhaltung maßgeblichen Zeitpunkt selbst zu bestimmen. Die Beklagte hat sich in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Gerichtshofs vom 17. Juli 2014 - C-338/13 [ECLI:EU:C:2014:2092], Noorzia - berufen.Das vorlegende Gericht hat Zweifel, ob diese Beurteilung zutrifft. Der Gerichtshof hat betont, dass Art. 4 Abs. 1 RL 2003/86/EG den Mitgliedstaaten präzise positive Verpflichtungen aufgibt, denen klar definierte subjektive Rechte entsprechen, da er den Mitgliedstaaten in den in der Richtlinie festgelegten Fällen vorschreibt, den Nachzug bestimmter Mitglieder der Familie des Zusammenführenden zu genehmigen, ohne dass sie dabei ihren Ermessensspielraum ausüben könnten (EuGH, Urteil vom 27. Juni 2006 - C-540/03 - Rn. 60). Die Mitgliedstaaten können über die Festlegung der Altersgrenze schon nicht frei entscheiden, weil diese mit dem Volljährigkeitsalter nach allgemeinem (nationalen) Zivilrecht übereinstimmen muss, das derzeit in allen Mitgliedstaaten bei 18 Jahren liegt (vgl. Hailbronner/Arévalo, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part C II Art. 4 Rn. 7). Der mitgliedstaatliche Gestaltungsspielraum ist auf die Festlegung des allgemeinen Volljährigkeitsalters beschränkt. Er dürfte zudem unter dem Vorbehalt stehen, dass die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigt wird und die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit - gerade auch bezogen auf verschiedene Antragsteller in demselben Mitgliedstaat, die sich in derselben Situation befinden - eingehalten sind (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - C-338/13 - Rn. 14 ff., 17 f.). Die Schlussanträge des Generalanwalts Hogan vom 19. März 2020 in den verbundenen Rechtssachen C-133/19, C-136/19 und C-137/19 (Rn. 38 ff.) beruhen ebenfalls auf der Annahme, dass die Bestimmung des für die Minderjährigkeit maßgeblichen Zeitpunkts bei der Anwendung von Art. 4 Abs. 1 RL 2003/86/EG nicht im freien Ermessen der Mitgliedstaaten liegt. Eine allgemeine Befugnis zur Festlegung von Altersgrenzen für den Familiennachzug besteht damit jedenfalls nicht.b) Die im Urteil des Gerichtshofs vom 12. April 2018 - C-550/16 - zu dem für die Minderjährigkeit maßgeblichen Zeitpunkt getroffenen Aussagen sind für das vorliegende Verfahren nicht unmittelbar bindend. Jene Entscheidung betraf den Elternnachzug zu einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling gemäß Art. 2 Buchst. f i.V.m. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a RL 2003/86/EG. Hier geht es hingegen um die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 RL 2003/86/EG, der den Kindernachzug zu Drittstaatsangehörigen regelt, die im Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt sind.Das vorlegende Gericht ersucht um Klärung, ob die Erwägungen aus dem Urteil des Gerichtshofs vom 12. April 2018 - C-550/16 - dergestalt auf die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 RL 2003/86/EG zu übertragen sind, dass der Familiennachzug eines Kindes zu einem anerkannten Flüchtling nach dieser Vorschrift zu bewilligen ist, wenn das Kind im Zeitpunkt der Asylantragstellung des Flüchtlings minderjährig war, aber schon vor dessen Anerkennung als Flüchtling - und damit auch vor der Stellung des Antrags auf Einreise und Aufenthalt zum Zwecke der Familienzusammenführung - bereits volljährig geworden ist.aa) Gegen eine solche Übertragung spricht, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und c RL 2003/86/EG ganz allgemein den Kindernachzug zu aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen regeln. Der Zusammenführende ist damit nicht zwingend ein Flüchtling. Als einheitlicher, für alle Fallgestaltungen denkbarer Zeitpunkt für die Beurteilung der Minderjährigkeit kommt aber nur der Zeitpunkt der Beantragung der Familienzusammenführung in Betracht. Dafür, dass die Richtlinie bei Altersgrenzen diesen Zeitpunkt als maßgeblich ansieht, könnte auch die in Art. 4 Abs. 6 RL 2003/86/EG getroffene Sonderregelung sprechen. Dass (nur) für den Familiennachzug zu Flüchtlingen ein abweichender, wesentlich früherer Zeitpunkt zugrunde zu legen sein sollte, lässt sich der Richtlinie nicht ausdrücklich entnehmen. Diese Auffassung vertritt wohl auch Generalanwalt Hogan in seinen Schlussanträgen vom 19. März 2020 in den verbundenen Rechtssachen C-133/19, C-136/19 und C-137/19 (Rn. 41 a.E.).Der Senat hat die Überlegung des Gerichtshofs, dass der Anspruch auf Kindernachzug nicht allein durch die Dauer des behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens untergehen darf, in seiner Rechtsprechung zu § 32 AufenthG ebenfalls berücksichtigt. Er hat der Richtlinie 2003/86/EG (ebenso wie der nationalen Umsetzungsvorschrift) aber kein Erfordernis entnehmen können, hierbei zusätzlich zu der Dauer des in der Richtlinie allein geregelten Verfahrens der Familienzusammenführung die Dauer weiterer vorgelagerter Verfahren (hier: Asylverfahren des Zusammenführenden und anschließendes Verfahren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als Flüchtling) einzubeziehen. Er hat dabei auch zugrunde gelegt, dass die Richtlinie gemäß ihrem Art. 3 Abs. 2 Buchst. a jedenfalls vor der Anerkennung des Zusammenführenden als Flüchtling noch keine Anwendung findet. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs steht dies einer Vorverlagerung des für die Minderjährigkeit maßgeblichen Zeitpunkts auf den der Asylantragstellung des Zusammenführenden allerdings nicht entgegen (vgl. EuGH, Urteil vom 12. April 2018 - C-550/16 - Rn. 50 ff.).Der Gerichtshof hat zudem in seinem Urteil vom 12. April 2018 - C-550/16 - an mehreren Stellen die besondere Schutzbedürftigkeit unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge hervorgehoben (Rn. 33 f., 55 und 58). Sollte dies für die Entscheidung mit maßgeblich gewesen sein, wären die dortigen Erwägungen auf den umgekehrten Fall des Kindernachzugs nicht übertragbar. Denn der Zusammenführende, dem der Anspruch auf Familienzusammenführung nach der Richtlinie zusteht, ist hier ein volljähriger Flüchtling.bb) Allerdings stützt sich das erwähnte Urteil auch auf Überlegungen, die auf den Kindernachzug zu einem volljährigen Flüchtling übertragen werden könnten. Der Gerichtshof hat betont, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach dem 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/95/EU ein deklaratorischer Akt ist. Ein Drittstaatsangehöriger, dem die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, sei deshalb rückwirkend ab Antragstellung als Flüchtling zu behandeln, und an diese (materielle) Flüchtlingseigenschaft knüpfe das Recht auf Familienzusammenführung an (EuGH, Urteil vom 12. April 2018 - C-550/16 - Rn. 53 ff., 62 a.E.).Wäre hiervon auch beim Kindernachzug gemäß Art. 4 Abs. 1 RL 2003/86/EG auszugehen, soweit dieser zu einem Flüchtling erfolgt, könnte die praktische Wirksamkeit dieses Nachzugsanspruchs beeinträchtigt sein, wenn das Recht auf Familienzusammenführung nach dieser Bestimmung davon abhinge, zu welchem Zeitpunkt die zuständige nationale Behörde förmlich über die Anerkennung des Betroffenen als Flüchtling entscheidet, und damit von der mehr oder weniger schnellen Bearbeitung des Antrags auf internationalen Schutz durch diese Behörde (vgl. entsprechend EuGH, Urteil vom 12. April 2018 - C-550/16 - Rn. 55). Der Gerichtshof hat die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit als beeinträchtigt betrachtet, wenn zwei unbegleitete Minderjährige gleichen Alters, die ihren Antrag auf internationalen Schutz zum gleichen Zeitpunkt gestellt haben, hinsichtlich des Rechts auf Familienzusammenführung je nach der Bearbeitungsdauer dieser Anträge unterschiedlich behandelt werden können (Rn. 56), und wenn es für den Berechtigten unvorhersehbar wäre, ob er das Recht auf Familienzusammenführung mit seinen Eltern in Anspruch nehmen kann (Rn. 59). Diese Erwägungen ließen sich sinngemäß auf den umgekehrten Fall des Kindernachzugs zu einem volljährigen Flüchtling übertragen. Zu übertragen wäre dann wohl auch die vom Gerichtshof entwickelte Verpflichtung, den Antrag auf Familienzusammenführung innerhalb einer angemessenen Frist von grundsätzlich drei Monaten ab der Anerkennung des Zusammenführenden als Flüchtling zu stellen (Rn. 61).Ob der Übertragbarkeit der vorstehenden Überlegungen entgegensteht, dass der besondere Schutz unbegleiteter Minderjähriger für das Urteil im Verfahren C-550/16 entscheidend war, ist für das vorlegende Gericht unklar. Möglich ist auch, dass der Gerichtshof diesen Aspekt nur verstärkend herangezogen hat (siehe insbesondere Rn. 55, 58 des Urteils vom 12. April 2018), tragender Grund für die Entscheidung aber bereits allein die Vorzugsbehandlung war, die die Richtlinie 2003/86/EG nach ihrem 8. Erwägungsgrund allen Flüchtlingen zuteilwerden lässt (Rn. 32 des Urteils). Diese hat sich auch für den Kindernachzug zu volljährigen Flüchtlingen in der Richtlinie niedergeschlagen, weil nach Art. 12 Abs. 1 RL 2003/86/EG der Flüchtling seine Kernfamilie nachholen darf, ohne dass die in Art. 7 RL 2003/86/EG genannten Bedingungen erfüllt sein müssen. Zudem ist auch an dieser Fallgestaltung - jedenfalls mittelbar - ein im Zeitpunkt der Asylantragstellung Minderjähriger beteiligt, nämlich derjenige, für den der Nachzug begehrt wird. Art. 5 Abs. 5 RL 2003/86/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten, bei Anträgen auf Familienzusammenführung dafür Sorge zu tragen, dass vor allem das Wohl des minderjährigen Kindes gebührend berücksichtigt wird. Diese - auch in Art. 24 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte - Verpflichtung ist nicht auf den Fall beschränkt, dass es sich bei dem Minderjährigen um den Zusammenführenden handelt. Allerdings beantworten diese Regelungen für sich genommen nicht die Frage, ob ein Kind, das bereits im Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Einreise und Aufenthalt zum Zwecke der Familienzusammenführung volljährig war, überhaupt noch als minderjährig behandelt werden muss.3.2 Vorlagefrage 2 dient gegebenenfalls der Klärung, welche Anforderungen an die tatsächlichen familiären Bindungen im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/86/EG und deren Überprüfung in einem solchen Fall zu stellen sind.Der Anspruch auf Familienzusammenführung ist nach seinem Sinn und Zweck auf die Herstellung eines tatsächlichen Familienlebens gerichtet. Dies bestätigt die Entstehungsgeschichte der Richtlinie (vgl. etwa die Begründung des ursprünglichen Richtlinienvorschlags der Kommission vom 1. Dezember 1999 zu Art. 11 Nr. 2, Art. 13 Nr. 1). Es folgt auch aus dem 2. und 6. Erwägungsgrund sowie einigen ausdrücklichen Bestimmungen der Richtlinie: So ist die Familienzusammenführung gemäß Art. 2 Buchst. d RL 2003/86/EG auf das Ziel gerichtet, die Familiengemeinschaft aufrechtzuerhalten. Art. 5 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 RL 2003/86/EG regeln die Anforderungen an den Nachweis des Bestehens familiärer Bindungen. Am deutlichsten ergibt sich das Erfordernis von auch tatsächlichen familiären Bindungen aus Art. 16 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/86/EG. Art. 16 RL 2003/86/EG enthält eine abschließende Aufzählung aller Gründe, aus denen ein (erstmaliger) Antrag auf Einreise und Aufenthalt zum Zwecke der Familienzusammenführung abgelehnt, ein bereits erteilter Aufenthaltstitel entzogen oder seine Verlängerung verweigert werden kann (siehe auch Begründung der Kommission zum geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend das Recht auf Familienzusammenführung zu Art. 16). Die Kommission hat in diesem Zusammenhang das Erfordernis eines tatsächlichen Ehe- oder Familienlebens mit dem Ziel der Familienzusammenführung begründet, das in der ""Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Familiengemeinschaft"" bestehe.All dies lässt nach Auffassung des vorlegenden Gerichts erkennen, dass das rein formale Ehe- oder Familienband für sich genommen nicht ausreichend ist, um einen Anspruch auf Familienzusammenführung zu begründen, sondern der Nachzugsantrag auch darauf gerichtet sein muss, in dem Mitgliedstaat, in dem der Zusammenführende sich aufhält, ein tatsächliches Ehe- bzw. hier Familienleben aufzunehmen. Vorlagefrage 2 a) dürfte daher im letztgenannten Sinne zu beantworten sein; Vorlagefrage 2 c) dürfte zu bejahen sein.Schwieriger zu beantworten ist aus Sicht des vorlegenden Gerichts die Frage, welche konkreten Anforderungen an ein tatsächliches Familienleben zu stellen sind (Vorlagefrage 2 b). Die Bandbreite möglicher tatsächlicher familiärer Bindungen reicht insoweit von gelegentlichen Kontakten bis hin zu einer Beistandsgemeinschaft, bei der die beteiligten Familienmitglieder aufeinander angewiesen sind. Das vorlegende Gericht bittet in diesem Zusammenhang auch um Präzisierung, mit welcher Intensität die Absicht, tatsächliche familiäre Bindungen in dem geforderten Umfang aufzunehmen, vor der erstmaligen Entscheidung über die Familienzusammenführung zu überprüfen ist und ob es dafür eine Rolle spielt, dass das Kind im Zeitpunkt dieser Entscheidung bereits volljährig ist. Für den Fall, dass bei dem Familiennachzug minderjähriger Kinder zu einem zusammenführenden Elternteil in der Regel ohne weitere Angaben oder Ermittlungen davon auszugehen ist, dass dieser der (Wieder-)Aufnahme eines tatsächlichen Familienlebens im Mitgliedstaat dient, möchte das vorlegende Gericht deshalb insbesondere wissen, ob eine solche ""Automatik"" gegebenenfalls auch für Kinder gälte, die bei der Entscheidung über den Antrag auf Familienzusammenführung bereits volljährig sind, aber - wegen der Vorverlagerung des für die Minderjährigkeit maßgeblichen Zeitpunkts - gleichwohl noch von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b bis d RL 2003/86/EG erfasst sind.4. Auch wenn die Voraussetzungen für die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens gemäß Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs nicht vorliegen dürften, bittet das vorlegende Gericht um eine möglichst beschleunigte Verfahrensbehandlung. Ein gegebenenfalls fortwirkender Minderjährigenschutz verlöre mit weiterem Zeitablauf immer mehr an Bedeutung. Das gilt über das vorliegende Verfahren hinaus in einer Vielzahl von Fällen, in denen sich die hier aufgeworfenen Fragen mit Blick auf die große Zahl der in Deutschland aufhältigen Flüchtlinge stellen und stellen werden. Eine rasche Klärung erscheint daher wünschenswert." bverwg_2020-19,23.04.2020,"Pressemitteilung Nr. 19/2020 vom 23.04.2020 EN Versandhandel mit Arzneimitteln umfasst auch das Einsammeln von Rezepten und Botenauslieferungen im Einzugsbereich der Präsenzapotheke Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass eine Präsenz­apotheke mit Versandhandelserlaubnis im örtlichen Einzugsbereich ihrer Apotheke eine Einrichtung zum Sammeln von Verschreibungen und Arzneimittelbestellungen betreiben und die bestellten Medikamente durch eigene Boten ausliefern darf. Die Klägerin ist Apothekerin und betreibt in der beklagten Stadt u.a. die P-Apotheke. Sie verfügt zudem über eine Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln. Seit Ende 2014 unterhält sie im Eingangsbereich eines Supermarktes eine Einrichtung zum Sammeln von Verschreibungen und Arzneimittelbestellungen. Die Kunden können ihre Rezepte zusammen mit einem ausgefüllten Bestellschein in einen dafür vorgesehenen Umschlag stecken und in den angebrachten Briefkasten werfen. Der Briefkasten wird von der Klägerin oder einem Mitarbeiter regelmäßig geleert. Die Auslieferung der Medikamente erfolgt innerhalb des Stadtgebietes (versandkostenfrei) durch Boten der Klägerin. Außerhalb des Stadtgebietes werden die bestellten Arzneimittel durch einen externen Dienstleister (kostenpflichtig) versandt. Durch Ordnungsverfügung untersagte die Beklagte der Klägerin den Betrieb der Einrichtung mit der Begründung, es handele sich um eine unzulässige Rezeptsammelstelle. Sie sei von der Versandhandelserlaubnis nicht umfasst. Die gegen die Ordnungsverfügung gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Revision der Klägerin stattgegeben und die Ordnungsverfügung aufgehoben. Die von der Klägerin betriebene Einrichtung zum Sammeln von Rezepten und Bestellungen von Arzneimitteln ist von ihrer Versandhandelserlaubnis umfasst. Die Vorschriften des Apotheken- und des Arzneimittelrechts über den Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln schließen eine Zustellung durch eigene Boten der Apotheke weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Regelungszweck aus. Dem Begriff des Versandhandels unterfällt auch ein Vertriebsmodell, das auf einen Versand im örtlichen Einzugsbereich der Apotheke ausgerichtet ist und hierfür eigene Boten der Apotheke einsetzt. Die Arzneimittelsicherheit ist nicht mehr gefährdet als beim Versand über größere Entfernungen mittels externer Versanddienstleister. Dass eine Zulassung dieses Vertriebsmodells zu einem signifikanten Rückgang der Apothekendichte und einer Gefährdung der Arzneimittelversorgung führen könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. BVerwG 3 C 16.18 - Urteil vom 23. April 2020 Vorinstanzen: OVG Münster, 13 A 2289/16 - Urteil vom 02. Juli 2018 - VG Gelsenkirchen, 19 K 5025/15 - Urteil vom 27. September 2016 -","Urteil vom 23.04.2020 - BVerwG 3 C 16.18ECLI:DE:BVerwG:2020:230420U3C16.18.0 EN Zulässigkeit eines lokalen Versandhandels mit Botenzustellung Leitsatz: Der Begriff des Versandes im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, § 11a ApoG, § 17 Abs. 2a ApBetrO umfasst auch einen Vertrieb, der auf einen Versandhandel im örtlichen Einzugsbereich der Präsenzapotheke ausgerichtet ist und für die Zustellung der Arzneimittel eigene Boten der Apotheke einsetzt. Rechtsquellen AMG § 43 Abs. 1 Satz 1, § 69 Abs. 1 Satz 1 ApoG § 11a ApBetrO §§ 17, 24 VwVfG NRW § 28 Abs. 1 Instanzenzug VG Gelsenkirchen - 27.09.2016 - AZ: VG 19 K 5025/15 OVG Münster - 02.07.2018 - AZ: OVG 13 A 2289/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 23.04.2020 - 3 C 16.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:230420U3C16.18.0] Urteil BVerwG 3 C 16.18 VG Gelsenkirchen - 27.09.2016 - AZ: VG 19 K 5025/15 OVG Münster - 02.07.2018 - AZ: OVG 13 A 2289/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Prof. Dr. habil. Wysk, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli 2018 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 27. September 2016 werden geändert. Ziffern 1 und 2 der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 30. Oktober 2015 werden aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin ist Apothekerin. Sie betreibt in H. eine Apotheke mit zwei Filialen, darunter die ""P.-Apotheke"", ... Zudem hat sie seit Dezember 2006 eine Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG), § 11a des Apothekengesetzes (ApoG). 2 Seit Dezember 2014 unterhält sie in einem Supermarkt in H. eine Einrichtung der P.-Apotheke zum Sammeln von Verschreibungen und Arzneimittelbestellungen. Der Aufsteller befindet sich im Eingangsbereich des Marktes. Die Kunden können ihre Rezepte zusammen mit dem ausgefüllten Bestellschein in einen dafür vorgesehenen Umschlag legen und in den am Aufsteller angebrachten Briefkasten werfen. Auch die Bestellung rezeptfreier Medikamente ist möglich. Der Briefkasten wird von der Klägerin oder einem ihrer Mitarbeiter montags bis freitags einmal täglich geleert. Im Stadtgebiet von H. liefert die Klägerin die bestellten Arzneimittel versandkostenfrei durch Boten der Apotheke aus. Für Zustellungen außerhalb des Stadtgebietes beauftragt sie einen externen Dienstleister. Hierbei fallen Versandkosten an (4,95 € bei einem Paketgewicht von bis zu 1 kg, > 1 kg: 20 €). 3 Die Beklagte sah in der Einrichtung eine gemäß § 24 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) unzulässige Rezeptsammelstelle und hörte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Juli 2015 zum Erlass eines Bußgeldbescheides an. Durch Ordnungsverfügung vom 30. Oktober 2015 untersagte sie ihr, in dem betreffenden Supermarkt ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde eine Einrichtung zum Sammeln von Verschreibungen, die sodann per Bote oder externem Dienstleister an die Kunden geliefert werden, zu unterhalten (Ziffer 1 der Ordnungsverfügung), und forderte sie auf, die Einrichtung unverzüglich zu entfernen (Ziffer 2 der Ordnungsverfügung). 4 Die dagegen erhobene Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in seinem Urteil vom 2. Juli 2018 zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die angefochtene Ordnungsverfügung sei rechtmäßig. Die nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW erforderliche Anhörung der Klägerin sei erfolgt. Zwar sei sie mit Schreiben vom 10. Juli 2015 allein zum Erlass eines Bußgeldbescheides angehört worden. Ihr habe sich aber aufgrund des umfangreichen Schriftwechsels und der telefonischen Erörterungen ihres Prozessbevollmächtigten mit der Beklagten aufdrängen müssen, dass ordnungsrechtliche Schritte im Raume stünden. Die Verfügung sei auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Sie finde ihre Rechtsgrundlage in § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG. Die Klägerin verstoße gegen § 24 ApBetrO, weil sie die Einrichtung zum Sammeln von Verschreibungen ohne Erlaubnis unterhalte. Die Rezeptsammlung sei ihr auch nicht aufgrund ihrer Versanderlaubnis nach § 11a ApoG gestattet. Zwar komme § 24 ApBetrO im Versandhandel nicht zur Anwendung. Das Vertriebskonzept der Klägerin sei aber nicht dem Versandhandel zuzuordnen. Maßgebliches Kriterium für das Vorliegen von Versandhandel sei das Fehlen einer räumlichen Bindung der Arzneimittelabgabe an die Präsenzapotheke. Das Bestehen einer räumlichen Bindung sei wertend unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände aus der Sicht eines verständigen Kunden zu prüfen. Ob die Zustellung von Arzneimitteln durch Boten der Apotheke ausschließlich den Präsenzapotheken vorbehalten sei, könne dahingestellt bleiben. Jedenfalls komme sie nicht als ausschließliche oder überwiegende Form der Zustellung im Versandhandel in Betracht. Danach handele es sich bei dem Vertriebskonzept der Klägerin nicht um Versandhandel. Es sei darauf ausgerichtet, Rezepte zielgerichtet nur von Kunden aus dem Einzugsbereich ihrer Apotheke zu sammeln und diese anschließend, wie für die Präsenzapotheke typisch, durch Boten der Apotheke zu beliefern. Aus Kundensicht würden die Arzneimittel unmittelbar aus den Räumen der Apotheke abgegeben. 5 Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Es fehle an einer ordnungsgemäßen Anhörung, weil sie nur zum Erlass eines Bußgeldbescheides angehört worden sei. Ein Verstoß gegen § 24 ApBetrO liege nicht vor. Der Betrieb der beanstandeten Einrichtung sei dem Versandhandel zuzuordnen und deshalb von ihrer Versanderlaubnis umfasst. Die Zustellung der Arzneimittel durch Boten der Apotheke stehe der Annahme von Versandhandel nicht entgegen. Das ergebe sich sowohl aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2008 - BVerwG 3 C 27.07 - als auch aus den Gesetzgebungsmaterialien zum Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz vom 22. Dezember 2010. Zudem sei auch § 17 Abs. 2 ApBetrO zu entnehmen, dass die Botenzustellung im Versandhandel zulässig sei. Aus der Bezugnahme des § 24 Abs. 4 ApBetrO auf § 17 Abs. 2 ApBetrO folge nichts Gegenteiliges. Rechtsfehlerhaft sei das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, das Bestehen einer räumlichen Bindung des Abgabevorgangs an die Apotheke sei aus der Sicht eines verständigen Kunden zu beurteilen. Die subjektive Kundenbewertung sei für die rechtliche Einstufung nicht maßgeblich. Der überwiegend lokale Einzugsbereich der beanstandeten Einrichtung stehe ihrer Einstufung als Versandhandel ebenfalls nicht entgegen. 6 Die Beklagte verteidigt das angegriffene Berufungsurteil. II 7 Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Ziffern 1 und 2 der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 30. Oktober 2015 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die beanstandete Einrichtung zum Sammeln von Verschreibungen steht im Einklang mit den Vorschriften des Arzneimittel- und des Apothekenrechts. Die Urteile der Vorinstanzen sind daher zu ändern, der angefochtene Verwaltungsakt ist aufzuheben (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 8 1. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394) - hier in der wegen des zu überprüfenden Dauerverwaltungsakts maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 22. März 2020 (BGBl. I S. 604; vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 - 3 C 9.04 - Buchholz 418.21 ApBO Nr. 16 S. 2 m.w.N.) - treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Die Ermächtigung erstreckt sich auch auf ordnungsrechtliche Maßnahmen bei Verstößen gegen das Apothekenrecht (stRspr, BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2015 - 3 C 30.13 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​260215U3C30.13.0] - BVerwGE 151, 291 Rn. 9 m.w.N.). Ziffern 1 und 2 der angefochtenen Ordnungsverfügung können hierauf jedoch nicht gestützt werden. Die Verfügung ist zwar formell rechtmäßig. Der von der Klägerin gerügte Anhörungsmangel besteht nicht (2.). Die verfügten Anordnungen der Beklagten sind aber materiell rechtswidrig, weil die beanstandete Einrichtung der Klägerin weder gegen das Arzneimittelrecht noch das Apothekenrecht verstößt (3.). 9 2. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) angenommen, dass die Klägerin vor Erlass der Ordnungsverfügung gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG NRW angehört worden ist. Eine ordnungsgemäße Anhörung muss den beabsichtigten Verwaltungsakt nach Art und Inhalt so konkret umschreiben, dass der Adressat erkennen kann, weshalb und wozu er sich äußern soll und mit welcher Entscheidung er zu rechnen hat (BVerwG, Beschluss vom 17. August 2017 - 9 VR 2.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​170817B9VR2.17.0] - Buchholz 407.4 § 16a FStrG Nr. 6 Rn. 9; Urteil vom 22. März 2012 - 3 C 16.11 - BVerwGE 142, 205 Rn. 12). Danach stellte zwar das Schreiben der Beklagten vom 10. Juli 2015 keine ausreichende Anhörung in Bezug auf den Bescheid vom 30. Oktober 2015 dar. Es handelte sich dabei um eine Anhörung gemäß § 55 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), die sich allein auf den beabsichtigten Erlass eines Bußgeldbescheides bezogen hat. Aus dem Schreiben war für die Klägerin nicht zu erkennen, dass sie (auch) mit dem Erlass ordnungsrechtlicher Maßnahmen zu rechnen hatte. Die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Anhörung sind aber erfüllt, weil sich der Klägerin - wie das Oberverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt hat - aufgrund des umfangreichen Schriftwechsels und der telefonischen Erörterungen ihres Prozessbevollmächtigten mit der Beklagten aufdrängen musste, dass auch ordnungsrechtliche Schritte im Raume standen (UA S. 14). Diese nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen Feststellungen sind für das Revisionsverfahren verbindlich (§ 137 Abs. 2 VwGO). 10 3. Die unter Ziffern 1 und 2 der Ordnungsverfügung angeordneten Maßnahmen - Untersagung des Betriebs und Entfernung der Einrichtung - sind jedoch materiell rechtswidrig und verletzen die Klägerin dadurch in ihren Rechten. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Klägerin verstoße mit der von ihr unterhaltenen Einrichtung zum Sammeln von Verschreibungen gegen § 24 ApBetrO, steht mit Bundesrecht nicht im Einklang. Ihr liegt eine unzutreffende Auslegung des Begriffs des nach § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, § 11a ApoG erlaubten Versandes zugrunde. Die von der Klägerin im Eingangsbereich eines Supermarktes betriebene Einrichtung zum Einsammeln von Verschreibungen und Bestellungen für Arzneimittel, die sodann im Stadtgebiet von H. durch eigene Boten der Apotheke und außerhalb von H. durch externe Dienstleister an die Kunden ausgeliefert werden, ist von ihrer Versanderlaubnis umfasst. Es handelt sich hierbei um ein Inverkehrbringen von Arzneimitteln im Wege des Versandhandels (a). Das schließt einen Verstoß gegen § 24 ApBetrO aus (b). 11 a) Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG dürfen Arzneimittel, die nicht für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, außer in den - hier nicht einschlägigen - Fällen des § 47 AMG berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden; das Nähere regelt das Apothekengesetz. § 11a des Gesetzes über das Apothekenwesen (Apothekengesetz - ApoG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 15. Oktober 1980 (BGBl. I S. 1993) - in der maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 9. August 2019 (BGBl. I S. 1202) - regelt die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln und in diesem Zusammenhang die Anforderungen an den Versand. Auf der Grundlage von § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ApoG regelt § 17 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung - ApBetrO) - in der hier maßgeblichen Fassung der Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung und der Arzneimittelpreisverordnung vom 9. Oktober 2019 (BGBl. I S. 1450) - weitere Vorgaben für die Arzneimittelabgabe. 12 Das Oberverwaltungsgericht hat zugrunde gelegt, eine ausschließliche oder überwiegende Zustellung von Arzneimitteln durch eigene Boten der Apotheke sei von dem Versandbegriff des § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, § 11a ApoG nicht umfasst. Es hat weiter angenommen, dass das Vertriebskonzept der Klägerin, das vornehmlich auf eine lokale Rezeptsammlung und Botenzustellung im Einzugsbereich der Präsenzapotheke ausgerichtet sei, nicht dem Versandhandel zuzuordnen sei. Das ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. Der Begriff des Versandes im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, § 11a ApoG, § 17 Abs. 2a ApBetrO umfasst auch einen Vertrieb, der auf einen Versandhandel im örtlichen Einzugsbereich der Präsenzapotheke ausgerichtet ist und für die Zustellung der Arzneimittel eigene Boten der Apotheke einsetzt. 13 aa) Beim Versand erfolgt die Arzneimittelabgabe aus einer öffentlichen Apotheke heraus (vgl. § 11a Satz 1 Nr. 1 ApoG), ohne dass der Kunde gehalten ist, die Apothekenbetriebsräume zu betreten. Er kann seine Bestellung schriftlich, telefonisch oder elektronisch aufgeben (vgl. zu den Fernkommunikationsmitteln § 312c Abs. 2 BGB) und sich die bestellten Medikamente an einen beliebigen Ort zustellen lassen (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 - 3 C 30.09 - BVerwGE 137, 213 Rn. 14). In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Abgabe im Wege des Versandes nicht voraussetzt, dass das bestellte Arzneimittel individuell an die Anschrift des vom Auftraggeber (Besteller) benannten Empfängers ausgeliefert wird. Der Versand kann auch durch Übersendung an eine Abholstation erfolgen, in der die Arzneimittelsendung dem Kunden ausgehändigt wird (BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 27.07 - BVerwGE 131, 1 Rn. 17 ff.). Gemäß § 43 Abs. 3 AMG müssen auch verschreibungspflichtige Arzneimittel nur von, aber nicht in Apotheken abgegeben werden; auch sie dürfen mithin im Wege des Versandhandels in Verkehr gebracht werden. 14 bb) Der nach § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, § 11a ApoG erlaubte Versand setzt nicht voraus, dass die Apotheke für die Übersendung externe Transportdienstleister einsetzt. Sie darf die bestellten Arzneimittel auch durch eigenes Personal transportieren und ausliefern. 15 (1) Eine Zustellung der Arzneimittel durch eigene Boten der Apotheke ist vom Wortlaut des § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, § 11a ApoG umfasst. 16 Nach dem allgemeinen Begriffsverständnis ist der Versandhandel eine Form des Direktvertriebs, bei dem der Vertragsabschluss durch Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande kommt und der Verkäufer die bestellten Waren den Käufern durch Transportunternehmen oder eigene Transportmittel zustellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 27.07 - BVerwGE 131, 1 Rn. 18). Danach hängt die Zuordnung eines Rechtsgeschäfts zum Versandhandel nicht davon ab, ob der Verkäufer für die Beförderung der Ware zum Kunden externe Dritte (Transportdienstleister) einschaltet oder eigenes Personal einsetzt. 17 Für den in § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, § 11a ApoG verwendeten Begriff des Versandes ergibt sich nichts Abweichendes. Nach § 11a Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ApoG ist sicherzustellen, dass das zu versendende Arzneimittel so transportiert und ausgeliefert wird, dass seine Qualität und Wirksamkeit erhalten bleibt (ebenso § 17 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 Halbs. 1 ApBetrO). Nach § 11a Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ApoG ist sicherzustellen, dass das versandte Arzneimittel der Person ausgeliefert wird, die von dem Auftraggeber der Bestellung der Apotheke mitgeteilt wird (vgl. § 17 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 Halbs. 1 ApBetrO). Ob die Apotheke für Transport und Auslieferung eigenes Personal einsetzt oder einen Dritten damit beauftragt, gibt § 11a ApoG nicht vor. Etwas anders folgt auch nicht daraus, dass nach § 11a Satz 1 Nr. 3 Buchst. e ApoG ein System zur Sendungsverfolgung unterhalten werden muss (vgl. § 17 Abs. 2a Satz 1 Nr. 9 ApBetrO) und nach § 11a Satz 1 Nr. 3 Buchst. f ApoG eine Transportversicherung abzuschließen ist. Mit diesen Anforderungen wird den besonderen Anforderungen Rechnung getragen, die sich durch eine Beförderung per Post oder einen sonstigen gewerblichen Zustellungsdienst ergeben. Die Regelungen gewährleisten, dass durch den Transport die Arzneimittelsicherheit und der Verbraucherschutz nicht beeinträchtigt werden und die versandten Arzneimittel nicht in unbefugte Hände geraten (vgl. die Begründung zum Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 , BT-Drs. 15/1525 S. 161). Daraus geht hervor, dass die Apotheke die bestellten Arzneimittel durch externe Dienstleister transportieren und ausliefern lassen darf. Macht sie hiervon Gebrauch, müssen die in § 11a Satz 1 Nr. 3 Buchst. e und f ApoG genannten Sicherheitsanforderungen erfüllt sein. Den Vorschriften lässt sich aber nicht entnehmen, dass der Inhaber der Versanderlaubnis auf diese Form der Versendung beschränkt und eine Beförderung durch eigenes Personal der Apotheke ausgeschlossen ist. 18 (2) Die Regelung des § 17 Abs. 2 ApBetrO über die Zustellung von Arzneimitteln durch Boten der Apotheke steht dem nicht entgegen. Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 ApBetrO ist die Zustellung durch Boten der Apotheke ohne Erlaubnis nach § 11a ApoG zulässig. § 17 Abs. 1a Satz 1 ApBetrO, wonach Arzneimittel außer im Fall des § 11a ApoG und § 17 Abs. 2a ApBetrO nur in den Apothekenbetriebsräumen in den Verkehr gebracht werden dürfen, erhellt, dass der Verordnungsgeber die Regelung des § 17 Abs. 2 ApBetrO der Arzneimittelabgabe in der Präsenzapotheke zuordnet. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass im Versandhandel eine Zustellung durch Boten der Apotheke unzulässig ist. Abgesehen davon, dass dies weder in den gesetzlichen Bestimmungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, § 11a ApoG noch in der Ermächtigung für den Erlass der Apothekenbetriebsordnung (§ 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ApoG) eine Stütze findet, sprechen auch Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Verordnungsregelung dagegen. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 ApBetrO in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung waren die Versendung aus der Apotheke oder die Zustellung durch Boten (nur) im begründeten Einzelfall zulässig. Mit der Zulassung des Versandhandels unter Erlaubnisvorbehalt durch § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, § 11a ApoG i.d.F. des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14. November 2003 erhielt § 17 Abs. 2 Satz 1 ApBetrO eine neue Fassung. Die Zustellung durch Boten der Apotheke war nun im Einzelfall ohne Erlaubnis nach § 11a ApoG zulässig. Durch die Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung und der Arzneimittelpreisverordnung vom 9. Oktober 2019 ist der Anwendungsbereich der Regelung ein weiteres Mal erweitert worden. Der Verordnungsgeber hat die Begrenzung auf den Einzelfall aufgehoben, um die Botenzustellung als Versorgungsform der Vor-Ort-Apotheke und als Alternative zum Versandhandel zu stärken (vgl. BR-Drs. 324/19 S. 3 und 6). Es ist nicht zu erkennen, dass damit eine Botenzustellung für den Bereich des Versandhandels ausgeschlossen werden sollte. § 17 Abs. 2 Satz 1 ApBetrO stellt klar, dass ""der Botendienst auf Kundenwunsch grundsätzlich zulässig"" ist, ohne dass es hierfür einer Versanderlaubnis bedarf (vgl. BR-Drs. 324/19 S. 6). Die Vorschrift regelt aber nicht, dass im Versandhandel die Zustellung durch Boten der Apotheke unzulässig ist. Auch § 17 Abs. 2a ApBetrO, der die Anforderungen an den Versand regelt, sieht kein Verbot oder eine Beschränkung der Botenzustellung vor. 19 (3) Diese Auslegung wird durch Sinn und Zweck des § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, § 11a ApoG gestützt. Der Gesetzgeber hat die Zulassung des Versandhandels mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln unter anderem damit begründet, dass Apotheken das Angebot gezielt nutzen könnten, um im Wettbewerb im Arzneimittelmarkt ihren Service auszubauen und so die Kundenbindung zu verstärken (BT-Drs. 15/1525 S. 165). Diesem Anliegen entspricht, es der Disposition der einzelnen Apotheke zu überlassen, ob sie die Versendung durch externe Transportdienstleister durchführen lässt oder die bestellten Arzneimittel durch eigene Boten ausliefert. Die Belange des Verbraucherschutzes und der Arzneimittelsicherheit (vgl. BT-Drs. 15/1525 S. 75, 161 und 165) stehen nicht entgegen. Der Transport und die Auslieferung durch eigenes Personal der Apotheke erweisen sich gegenüber dem Versand per Post oder sonstige Transportunternehmen nicht als weniger sicher. Im Gegenteil dürfte dies die Sicherheit noch erhöhen. 20 (4) Danach dürfte eine restriktive Auslegung auch gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen. Ein Verbot oder eine Beschränkung der Arzneimittelzustellung durch eigene Boten der Apotheke im Versandhandel greifen in die Berufsausübungsfreiheit des Inhabers der Versanderlaubnis ein. Sie sind nur gerechtfertigt, wenn sie durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls getragen werden und nicht außer Verhältnis zu den beeinträchtigten Interessen des Erlaubnisinhabers stehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2010 - 3 C 30.09 - BVerwGE 137, 213 Rn. 28 ff. und vom 19. September 2013 - 3 C 15.12 - BVerwGE 148, 28 Rn. 20). Solche Gründe sind weder in den Gesetzgebungsmaterialien dargelegt noch ersichtlich. Die Zulassung der Botenzustellung im Versandhandel beeinträchtigt weder die Arzneimittelsicherheit, noch ist erkennbar, dass sie zu einer Gefährdung der Arzneimittelversorgung führen könnte (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. November 2018 - 1 BvR 442/18 - GesR 2019, 131 Rn. 5 - dort zu Rezeptsammelstellen in Gemeinden ohne Präsenzapotheke). 21 cc) Ebenso wenig schließen die arzneimittel- und apothekenrechtlichen Vorschriften einen Versandhandel aus, der vornehmlich auf einen Versand im örtlichen Einzugsbereich der Präsenzapotheke ausgerichtet ist. 22 (1) Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch meint der Begriff des Versandhandels nicht nur Vertriebsmodelle mit überregionaler, deutschlandweiter oder internationaler Ausrichtung. Er umfasst auch kleinräumige Vertriebsformen, die auf einen regionalen und/oder lokalen Kundenkreis zielen (vgl. z.B. im Lebensmittelversand). 23 (2) Es ist nicht zu erkennen, dass der in § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, § 11a ApoG verwendete Versandbegriff enger zu verstehen wäre. Die Vorschriften schließen einen lokalen oder regionalen Versandhandel nicht aus. Anderes lässt sich auch nicht aus § 11a Satz 1 Nr. 3 Buchst. a ApoG ableiten, wonach die Versendung des bestellten Arzneimittels in der Regel innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Eingang der Bestellung zu erfolgen hat und der Besteller über eine Verzögerung zu informieren ist. Die vorgegebene Frist von zwei Tagen ist damit begründet worden, dass der Besteller beim Arzneimittelversand von einer längeren Frist bis zum Erhalt seiner Bestellung aufgrund der damit verbundenen Abwicklungen rechnen muss (BT-Drs. 15/1525 S. 161). Die Fristvorgabe soll sicherstellen, dass die Bestellung alsbald bearbeitet wird und die Auslieferung des bestellten Arzneimittels auch im Fall einer größeren Entfernung zur Lieferanschrift zeitnah erfolgen kann. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass ein auf den örtlichen Einzugsbereich der Präsenzapotheke ausgerichteter Versandhandel unzulässig ist. 24 Sinn und Zweck des Gesetzes sprechen gegen eine einengende Auslegung. Die Ermöglichung des Versandhandels mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln ist vor allem mit dem Anliegen der Verbraucher begründet worden, Erschwernisse der Arzneimittelbeschaffung abzubauen (BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 - 3 C 9.04 - Buchholz 418.21 ApBO Nr. 16 S. 3; BT-Drs. 15/1525 S. 165). Dabei hat der Gesetzgeber nicht allein Kunden mit größeren Entfernungen zur nächsten Apotheke im Blick gehabt. Die Gesetzesbegründung verweist außerdem auf Verbraucher wie chronisch Kranke, immobile Patienten, ältere Bürger und Berufstätige, deren Anliegen der Versandhandel entgegenkomme (BT-Drs. 15/1525 S. 163 und 165). Hiernach ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber einen auf den Einzugsbereich der Präsenzapotheke ausgerichteten Versandhandel ausschließen wollte. Ein lokaler Versand trägt dem Anliegen von Kunden Rechnung, die ihre Versandbestellung gezielt bei einer Vor-Ort-Apotheke aufgeben möchten, die sie kennen. 25 Die Belange des Verbraucherschutzes und der Arzneimittelsicherheit stehen nicht entgegen. Sie werden durch ein den lokalen Versandhandel einschließendes Verständnis des Versandhandels nicht beeinträchtigt. Die Absicht des Gesetzgebers, faire Bedingungen für den Wettbewerb von Versandapotheken mit Präsenzapotheken zu schaffen (BT-Drs. 15/1525 S. 75), vermag eine restriktive Auslegung ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Die Erteilung der Versanderlaubnis setzt voraus, dass der Versand aus einer öffentlichen Apotheke zusätzlich zu dem üblichen Apothekenbetrieb erfolgt (§ 11a Satz 1 Nr. 1 ApoG). Danach gilt für Apotheken mit Sitz im Inland, dass jeder Inhaber einer Versanderlaubnis zugleich Betreiber einer Präsenzapotheke ist. Allen öffentlichen Apotheken ist es unter den in § 11a ApoG bestimmten Voraussetzungen möglich, eine Versanderlaubnis zu erhalten (Wesser/Saalfrank, MedR 2018, 21 <22> m.w.N.). Es ist deshalb auch nicht ersichtlich, dass die Zulassung lokaler Versandhandelskonzepte zu einem die Arzneimittelversorgung gefährdenden Rückgang der Apothekendichte führen könnte. 26 dd) Danach hat die berufungsgerichtliche Würdigung des Vertriebskonzepts der Klägerin keinen Bestand. Zwar geht das Oberverwaltungsgericht zutreffend davon aus, dass das Vertriebskonzept der Klägerin nicht schon deshalb als Arzneimittelversand im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, § 11a ApoG anzusehen ist, weil sie über eine Versanderlaubnis nach § 11a ApoG verfügt. Vielmehr muss der Vertrieb die Voraussetzungen für das Vorliegen von Versandhandel auch tatsächlich erfüllen. Die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts beruht aber auf dem - wie gezeigt - fehlerhaften Rechtssatz, dass ein Vertrieb, der auf einen Versand im örtlichen Einzugsbereich der Apotheke ausgerichtet ist und für die Zustellung der Arzneimittel eigene Boten der Apotheke einsetzt, nicht dem Begriff des Versandhandels unterfällt. 27 ee) Der Senat kann die Zuordnung des Vertriebskonzepts der Klägerin selbst vornehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zum Verfahren und zu den Modalitäten des Vertriebskonzepts getroffen (UA S. 30 f.). Die Beurteilung, ob der Vertrieb nach diesen Feststellungen als Versandhandel einzustufen ist oder ob es sich um ein Inverkehrbringen in den Apothekenbetriebsräumen handelt, ist keine Tatsachenfeststellung, sondern rechtliche Würdigung. 28 Das Vertriebskonzept der Klägerin ist dem Versandhandel im Sinne des § 11a ApoG zuzuordnen. Sowohl der Bestellvorgang als auch die Übergabe der Arzneimittel an die Kunden erfolgen außerhalb von Apothekenbetriebsräumen. Dass sich das Angebot der Klägerin vornehmlich an Kunden aus H. richtet, steht der Einstufung als Versandhandel - wie gezeigt - nicht entgegen. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht deshalb, weil sich am Aufsteller und auf den Bestellscheinen kein Hinweis auf die Versanderlaubnis der Klägerin findet und weil sie nicht darüber informieren, dass es sich bei der Einrichtung um Versandhandel handelt. Dies ist nach § 11a ApoG nicht erforderlich. 29 b) Hiernach liegt der zur Begründung der Ordnungsverfügung herangezogene Verstoß gegen § 24 Abs. 1 und 2 ApBetrO nicht vor. 30 Gemäß § 24 Abs. 1 ApBetrO dürfen Einrichtungen zum Sammeln von Verschreibungen (Rezeptsammelstellen) nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde unterhalten werden (Satz 1). Die Erlaubnis ist dem Inhaber einer Apotheke auf Antrag zu erteilen, wenn zur ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von abgelegenen Orten oder Ortsteilen ohne Apotheken eine Rezeptsammelstelle erforderlich ist (Satz 2). Gemäß § 24 Abs. 2 ApBetrO dürfen Rezeptsammelstellen nicht in Gewerbebetrieben oder bei Angehörigen der Heilberufe unterhalten werden. Dagegen hat die Klägerin nicht verstoßen. Sie bedarf für die im Rahmen des Versandhandels betriebene Einrichtung zum Sammeln von Verschreibungen keiner Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 ApBetrO. 31 aa) Der Senat hat durch Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 27.07 - (BVerwGE 131, 1) entschieden, dass die Vorschrift des § 24 ApBetrO nicht für das Einsammeln von Verschreibungen im Rahmen des Versandhandels mit Arzneimitteln gilt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Regelung von der räumlichen Bindung der Arzneimittelabgabe an die Apotheke ausgehe. Da es bei dem nach § 11a ApoG erlaubten Versand an einer solchen räumlichen Bindung fehle, sei § 24 ApBetrO nicht anzuwenden. Sammelbesteller seien ein typisches Element des Versandhandels. Die Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln umfasse daher auch die Möglichkeit, Verschreibungen und Medikamentenbestellungen in einer Sammeleinrichtung entgegenzunehmen und gebündelt an die Apotheke zu übersenden (BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 a.a.O. Rn. 34). 32 bb) Hieran hält der Senat fest. Die Änderung des § 24 ApBetrO durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung vom 5. Juni 2012 (BGBl. I S. 1254) gibt keine Veranlassung zu einer Änderung der Rechtsprechung. Gemäß § 24 Abs. 4 Satz 2 ApBetrO i.d.F. der Verordnung vom 5. Juni 2012 sind die Arzneimittel, sofern sie nicht abgeholt werden, dem Empfänger in zuverlässiger Weise im Wege der Botenzustellung nach § 17 Abs. 2 ApBetrO auszuliefern. Der neu eingefügte Zusatz ""im Wege der Botenzustellung nach § 17 Absatz 2"" bestätigt, dass der Verordnungsgeber die Arzneimittelabgabe im Rahmen des § 24 ApBetrO dem Inverkehrbringen ""in den Apothekenbetriebsräumen"" (vgl. § 17 Abs. 1a ApBetrO) zuordnet. 33 Danach gibt es für die Anwendung des § 24 ApBetrO auf die im Rahmen des erlaubten Versandhandels betriebene Sammlung von Rezepten keine Grundlage. Weder sieht § 24 ApBetrO dies vor, noch erklären § 11a ApoG, § 17 Abs. 2a ApBetrO die Vorschrift für anwendbar. Der Referentenentwurf zu dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2262) sah zwar eine Ergänzung des § 11a ApoG vor, wonach eine Rezeptsammlung außerhalb der Apothekenbetriebsräume unzulässig sein sollte (Art. 6 Nr. 1 Buchst. c des RefE-AMNOG). Dieser Regelungsvorschlag wurde aber im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren nicht weiterverfolgt (vgl. Kieser/Buckstegge, A&R 2017, 462 <465 f.>). 34 cc) Einzuräumen ist, dass Präsenzapotheken, die Rezeptsammelstellen nur nach Maßgabe des § 24 ApBetrO unterhalten dürfen, gegenüber Apotheken mit Versanderlaubnis, die diesen Beschränkungen nicht unterliegen, im Nachteil sind. Die Differenzierung ist aber Folge der Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln. Es ist Sache des Normgebers, ob und gegebenenfalls welche Folgerungen er daraus für § 24 ApBetrO zieht. Ebenso liegt es bei ihm, gegebenenfalls ergänzende Regelungen über die Anforderungen an Einrichtungen zum Sammeln von Verschreibungen und Bestellungen im Versandhandel zu erlassen. 35 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2020-2,22.01.2020,"Pressemitteilung Nr. 2/2020 vom 22.01.2020 EN Regelung der Münchener Taxiordnung über Standplatzpflicht für Taxen ist unwirksam Das Personenbeförderungsgesetz ermächtigt nicht zum Erlass einer Rechtsverordnung, die gebietet, dass Taxis nur an behördlich zugelassenen Stellen bereitgehalten werden dürfen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Antragsteller, ein in München tätiger Taxifahrer, wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen eine Vorschrift der Taxiordnung der Landeshauptstadt München, wonach Taxis nur an behördlich zugelassenen Stellen bereitgehalten werden dürfen (sogenannte Standplatzpflicht). Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Antrag stattgegeben und die angegriffene Vorschrift für unwirksam erklärt. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar unzutreffend angenommen, § 47 Abs. 3 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) genüge nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit einer Verordnungsermächtigung. Auch folgt aus der bundesrechtlichen Pflicht gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG, Taxen nur an behördlich zugelassenen Stellen bereitzuhalten, kein Verbot, eine gleichlautende Bestimmung in einer Rechtsverordnung zu wiederholen. Das Personenbeförderungsgesetz enthält jedoch keine Verordnungsermächtigung zur Regelung einer Standplatzpflicht für Taxen. Es ermächtigt nur zum Erlass einer Rechtsverordnung, die den Umfang der Betriebspflicht, die Ordnung auf Taxenständen sowie Einzelheiten des Dienstbetriebs regelt. Die Standplatzpflicht unterfällt keinem dieser drei Regelungsbereiche. Insbesondere stellt sie keine Einzelheit des Dienstbetriebs dar, sondern gehört zu den grundlegenden Elementen des Verkehrs mit Taxen. Fußnote: Personenbeförderungsgesetz § 47 Verkehr mit Taxen (1) Verkehr mit Taxen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die der Unternehmer an behördlich zugelassenen Stellen bereithält und mit denen er Fahrten zu einem vom Fahrgast bestimmten Ziel ausführt. Der Unternehmer kann Beförderungsaufträge auch während einer Fahrt oder am Betriebssitz entgegennehmen. (2) …. (3) Die Landesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung den Umfang der Betriebspflicht, die Ordnung auf Taxenständen sowie Einzelheiten des Dienstbetriebs zu regeln. Sie kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung übertragen. In der Rechtsverordnung können insbesondere Regelungen getroffen werden über 1. das Bereithalten von Taxen in Sonderfällen einschließlich eines Bereitschaftsdienstes, 2. die Annahme und Ausführung von fernmündlichen Fahraufträgen, 3. den Fahr- und Funkbetrieb, 4. die Behindertenbeförderung und 5. die Krankenbeförderung, soweit es sich nicht um Beförderungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 handelt. BVerwG 8 CN 2.19 - Urteil vom 22. Januar 2020 Vorinstanz: VGH München, 11 N 17.1693 - Urteil vom 19. Juni 2018 -","Urteil vom 22.01.2020 - BVerwG 8 CN 2.19ECLI:DE:BVerwG:2020:220120U8CN2.19.0 EN Standplatzpflicht für Taxen Leitsatz: § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG enthält das bundesgesetzliche Gebot, Taxen nur an behördlich zugelassenen Stellen bereitzuhalten (Standplatzpflicht). Das Personenbeförderungsgesetz ermächtigt jedoch nicht zur Regelung einer Standplatzpflicht durch Rechtsverordnung. Rechtsquellen GG Art. 80 Abs. 1 Satz 2 PBefG § 47 Abs. 1 und 3, § 61 Abs. 1 Nr. 4 VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1 Taxiordnung der Landeshauptstadt München vom 25. Oktober 2016 § 2 Abs. 1, § 7 Abs. 2 Instanzenzug VGH München - 19.06.2018 - AZ: VGH 11 N 17.1693 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 22.01.2020 - 8 CN 2.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:220120U8CN2.19.0] Urteil BVerwG 8 CN 2.19 VGH München - 19.06.2018 - AZ: VGH 11 N 17.1693 In der Normenkontrollsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Antragsteller, ein in M. tätiger Taxifahrer, wendet sich gegen § 2 Abs. 1 der Verordnung der Landeshauptstadt M. über das Taxigewerbe vom 25. Oktober 2016 (Taxiordnung). Danach dürfen Taxis unbeschadet privatrechtlicher Sonderregelungen nur an behördlich zugelassenen Stellen bereitgehalten werden (Zeichen 229, § 41 StVO - Standplätze und Nachrückplätze). Die Verordnung wurde am 10. November 2016 bekanntgemacht und trat am 11. November 2016 in Kraft. Gleichzeitig trat die vorangehende Taxiordnung vom 4. Januar 2016, die eine gleichlautende Vorschrift enthielt, gemäß § 7 Abs. 2 Taxiordnung außer Kraft. 2 Am 30. August 2017 hat der Antragsteller im Wege der Normenkontrolle beantragt, § 2 Abs. 1 der Taxiordnung vom 25. Oktober 2016 für unwirksam zu erklären. Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Antrag stattgegeben. Für die angegriffene Regelung ergebe sich aus dem Personenbeförderungsgesetz keine Ermächtigungsgrundlage. § 47 Abs. 3 PBefG, der die Landesregierung zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtige, genüge nicht den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG enthalte eine abschließende bundesrechtliche Bestimmung über die Standplatzpflicht; diese könne daher nicht nochmals inhaltsgleich in einer Rechtsverordnung geregelt werden. Die Standplatzpflicht für Taxen falle nicht unter die in § 47 Abs. 3 Satz 1 PBefG genannten Regelungsgegenstände. Sie stelle insbesondere keine Einzelheit des Dienstbetriebs im Sinne des § 47 Abs. 3 Satz 1 PBefG dar. 3 Zur Begründung der vom Verwaltungsgerichtsgerichtshof zugelassenen Revision macht die Antragsgegnerin geltend, das angegriffene Urteil verletze § 47 PBefG. § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG enthalte lediglich eine Legaldefinition des Verkehrs mit Taxen, aber keine abschließende Regelung des Bundesgesetzgebers, die es verböte, eine Standplatzpflicht in örtliche Taxiordnungen aufzunehmen. Solche Regelungen könnten auf die Ermächtigungsgrundlage des § 47 Abs. 3 Satz 1 PBefG gestützt werden, weil sie Einzelheiten des Dienstbetriebs beträfen. Der Gesetzgeber habe die Regelung der Standplatzpflicht dem jeweiligen Verordnungsgeber überlassen wollen, der diesbezügliche Verstöße nach § 61 Abs. 1 Nr. 4 PBefG mit einem Bußgeld belegen könne. Die Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs führe hingegen zu einer Sanktionslücke, die nicht vom gesetzgeberischen Willen getragen sein könne. 4 Die Antragsgegnerin beantragt, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Juni 2018 zu ändern und den Antrag abzulehnen. 5 Der Antragsteller beantragt, die Revision zurückzuweisen. 6 Er verteidigt das Urteil der Vorinstanz. II 7 Die Revision hat keinen Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beruht zwar auf der Verletzung von Bundesrecht, erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). 8 1. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag zu Recht für zulässig gehalten. Insbesondere hat er zutreffend angenommen, dass der Antragsteller die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gewahrt hat. Danach ist ein Antrag über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift zu stellen. Die angegriffene Vorschrift stimmt zwar wörtlich mit der Vorgängerregelung des § 2 Abs. 1 der Taxiordnung vom 4. Januar 2016 überein. Die Taxiordnung vom 25. Oktober 2016 hat jedoch mit ihrem Inkrafttreten die frühere Taxiordnung aufgehoben und diese mit konstitutiver Wirkung ersetzt (vgl. § 7 Abs. 2 Taxiordnung). In einem solchen Fall löst die Bekanntmachung die Antragsfrist erneut aus (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 2004 - 8 CN 1.02 - BVerwGE 120, 82 <84>; vom 27. Oktober 2010 - 8 CN 2.09 - Buchholz 430.4 Berufsständisches Versorgungsrecht Nr. 53 Rn. 17 und vom 26. September 2012 - 6 CN 1.11 - BVerwGE 144, 195 Rn. 11). Die am 30. August 2017 erhobene Normenkontrollklage des Antragstellers gegen die am 10. November 2016 bekannt gemachte Verordnung vom 25. Oktober 2016 war danach fristgerecht. 9 2. Das angegriffene Urteil steht jedoch nicht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es geht von einem unzutreffenden Verständnis der Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG aus (a). Darüber hinaus wendet es § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG fehlerhaft an, soweit es aus dem Gebot, Taxen nur an behördlich zugelassenen Stellen bereitzuhalten (Standplatzpflicht), das Verbot ableitet, eine gleichlautende Regelung durch Rechtsverordnung zu treffen (b). 10 a) Der Verwaltungsgerichtshof ist unzutreffend davon ausgegangen, dass die Ermächtigungsgrundlage des § 47 Abs. 3 PBefG den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht genügt. Danach müssen Gesetze, die zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen, Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. Diese muss nach Tendenz und Programm so genau umrissen sein, dass der Bürger schon aus der gesetzlichen Ermächtigung erkennen und vorhersehen kann, was ihm gegenüber zulässig sein soll und welchen möglichen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können. Die Ermächtigungsnorm muss in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein; sie hat von Verfassungs wegen nur hinreichend bestimmt zu sein. Dazu genügt es, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Entstehungsgeschichte der Norm (stRspr, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 - BVerfGE 143, 38 Rn. 54 ff.). § 47 Abs. 3 PBefG entspricht diesen Anforderungen. Die gesetzlichen Vorgaben der erteilten Ermächtigung lassen sich mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungsregeln erschließen. Die Vorschrift ermächtigt die Landesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung, die einzelne Regelungen zum Verkehr mit Taxen näher ausgestaltet und konkretisiert. Die Ermächtigung erstreckt sich ausschließlich auf den Umfang der Betriebspflicht, die Ordnung auf Taxenständen sowie Einzelheiten des Dienstbetriebs und begrenzt damit die Regelungsbefugnis des Verordnungsgebers auf die genannten drei Bereiche. § 47 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 bis 5 PBefG enthält darüber hinaus konkretisierende Beispiele möglicher Regelungsgegenstände. Die gesetzlichen Vorgaben der Verordnungsermächtigung lassen damit hinreichend bestimmt erkennen, welchen möglichen Inhalt die auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen haben können. Das gilt auch für die Ermächtigung, Einzelheiten des Dienstbetriebs zu regeln (dazu unten 3.). 11 b) Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, das Gebot, Taxen nur an behördlich zugelassenen Stellen bereitzuhalten, ergebe sich bereits aus § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG und könne daher nicht nochmals inhaltsgleich in einer Rechtsverordnung geregelt werden, steht nicht in vollem Umfang im Einklang mit Bundesrecht. Es trifft zwar zu, dass § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG eine Standplatzpflicht für Taxen vorsieht (aa). Für das von der Vorinstanz daraus abgeleitete Wiederholungsverbot in einer Rechtsverordnung fehlt es aber an einer Rechtsgrundlage (bb). 12 aa) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht ist der Verwaltungsgerichtsgerichtshof davon ausgegangen, dass § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG nicht nur eine Legaldefinition des Verkehrs mit Taxen enthält, sondern auch die Verpflichtung begründet, Taxen nur an behördlich zugelassenen Stellen bereitzuhalten (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 14. November 1989 - 1 BvL 14/85, 1 BvR 1276/84 - BVerfGE 81, 70 <92, 94>; BGH, Urteil vom 6. April 2017 - I ZR 33/16 - juris Rn. 10 f.). Das ergibt sich insbesondere aus dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Ihr Wortlaut und ihre Entstehungsgeschichte stehen dem nicht entgegen. 13 § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG definiert den Verkehr mit Taxen als Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die der Unternehmer an behördlich zugelassenen Stellen bereithält und mit denen er Fahrten zu einem vom Fahrgast bestimmten Ziel ausführt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist das Bereithalten von Taxen an behördlich zugelassenen Stellen als konstitutives Element des Verkehrs mit Taxen zu verstehen. Dies legt es nahe, der Norm über die Legaldefinition des Verkehrs mit Taxen hinaus eine Standplatzpflicht für Taxen zu entnehmen. Aus ihrer Entstehungsgeschichte folgt nichts Anderes. Die Vorschrift hat ihre heutige Fassung durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes vom 25. Februar 1983 (BGBl. I S. 196) erhalten. Im Gegensatz zu der bis dahin geltenden Fassung des § 47 Abs. 3 Satz 1 PBefG a.F., die das Bereitstellen von Taxen auf öffentlichen Straßen und Plätzen dahin konkretisierte, dass die Fahrzeuge nur an behördlich zugelassenen Stellen bereitgestellt werden durften, sah § 47 Abs. 3 PBefG in der Fassung des Fünften Änderungsgesetzes ein derartiges ausdrückliches Gebot nicht mehr vor. Das Bereithalten von Taxen an behördlich zugelassenen Stellen wurde jedoch als Begriffsmerkmal in die Legaldefinition des § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG übernommen. Diese Umstellung gibt indessen keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber die Standplatzpflicht für Taxen aufheben wollte, zumal die Gesetzesmaterialien hierzu keine Ausführungen enthalten (vgl. BT-Drs. 9/2128 S. 8). 14 Vor allem die Gesetzessystematik spricht für eine in § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG verankerte bundesrechtliche Standplatzpflicht für Taxen. Sie ergibt sich insbesondere aus dem Regelungszusammenhang zwischen § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG und Satz 2 der Vorschrift. Nach § 47 Abs. 1 Satz 2 PBefG kann der Unternehmer Beförderungsaufträge auch während einer Fahrt oder am Betriebssitz entgegennehmen. Mit dem Wort ""auch"" nimmt die Regelung auf Satz 1 der Vorschrift Bezug und lässt die Entgegennahme eines Beförderungsauftrags während einer Fahrt oder am Betriebssitz neben der Entgegennahme an behördlich zugelassenen Stellen ausdrücklich zu. Diese Regelungstechnik lässt erkennen, dass die Aufzählung zulässiger Entgegennahmen von Beförderungsaufträgen abschließend ist. Andere als die in § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 PBefG aufgeführten Möglichkeiten, Beförderungsaufträge entgegenzunehmen, sind untersagt. Auch § 47 Abs. 2 Satz 3 PBefG stützt die Annahme einer bundesgesetzlichen Standplatzpflicht. Kann danach die Genehmigungsbehörde das Bereithalten an behördlich zugelassenen Stellen außerhalb der Betriebssitzgemeinde gestatten, deutet dies darauf hin, dass das Bereithalten von Taxen zur Aufnahme von Fahrgästen außerhalb solcher Stellen nicht gestattet ist. Diese Auslegung trägt schließlich auch dem Zweck des Gesetzes Rechnung. Die gesetzliche Pflicht, Taxen nur an behördlich zugelassenen und entsprechend gekennzeichneten Stellen bereitzuhalten, sichert einen reibungslosen Verkehrsfluss, verhindert das ungeordnete Bereithalten von Taxen an erfahrungsgemäß geschäftsgünstigen Stellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 1980 - 7 C 92.78 - BVerwGE 61, 9 S. 12 f.) und trägt der Bedeutung eines reibungslosen Taxiverkehrs Rechnung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 9. April 2014 - 3 C 5.13 - BVerwGE 149, 254 Rn. 19, 22). 15 bb) Indessen hat der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht aus der in § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG gesetzlich verankerten Standplatzpflicht von Taxen das Verbot abgeleitet, eine gleichlautende Regelung in einer Rechtsverordnung zu wiederholen. Für ein solches Wiederholungsverbot findet sich weder im Personenbeförderungsgesetz noch in anderen Bestimmungen eine rechtliche Grundlage. 16 3. Das angegriffene Urteil beruht auf der aufgezeigten Verletzung von Bundesrecht, erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Das Personenbeförderungsgesetz ermächtigt nicht zum Erlass der angegriffenen Vorschrift. 17 § 47 Abs. 3 Satz 1 PBefG ermächtigt die Landesregierung, durch Rechtsverordnung den Umfang der Betriebspflicht, die Ordnung auf Taxiständen sowie Einzelheiten des Dienstbetriebs zu regeln. § 47 Abs. 3 Satz 3 PBefG enthält konkretisierende Beispiele möglicher Regelungsgegenstände. Die von der Antragsgegnerin angeordnete Standplatzpflicht fällt weder unter die dort genannten Beispiele, noch betrifft sie den Umfang der Betriebspflicht oder die Ordnung auf Taxenständen. Sie stellt auch keine Einzelheit des Dienstbetriebs dar. Dienstbetrieb im Sinne des § 47 Abs. 3 Satz 1 PBefG sind der Betrieb und das Bereithalten von Taxen zur Beförderung von Personen. Einzelheiten des Dienstbetriebs, die durch Rechtsverordnung geregelt werden können, betreffen das Vorgehen des Unternehmers oder Fahrers bei Ausübung des Dienstes, d.h. die Art und Weise, wie der Unternehmer die ihm obliegende, in der Legaldefinition des § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG umrissene Aufgabe der individuellen Verkehrsbedienung wahrnimmt. Sie erfassen nur die äußere Seite des Taxenverkehrs, insbesondere Details der Beförderungsleistung, nicht hingegen innerbetriebliche Angelegenheiten oder Pflichten des Unternehmers gegenüber den Behörden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 1988 - 7 B 83.88 - Buchholz 442.01 § 47 PBefG Nr. 3 S. 2). Um eine solche Pflicht handelt es sich aber bei der Standplatzpflicht, zumal sie nicht nur eine Detailfrage des Taxenbetriebs, sondern ein grundlegendes Element des Taxenverkehrs betrifft. 18 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2020-21,06.05.2020,"Pressemitteilung Nr. 21/2020 vom 06.05.2020 EN Verfahrensbeteiligung von Kirchen bei der Bewilligung von Sonntagsarbeit Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens ist an Verwaltungsverfahren zur Bewilligung von Sonntagsarbeit in Callcentern zu beteiligen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Nach dem Arbeitszeitgesetz dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen grundsätzlich nicht beschäftigt werden. Im Einzelfall kann die Aufsichtsbehörde unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen Ausnahmen bewilligen. Nachdem der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens bekannt geworden war, dass im Freistaat Sachsen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen in Callcentern auf der Grundlage solcher Ausnahmebewilligungen beschäftigt werden, beantragte sie bei der Landesdirektion Sachsen ihre Beteiligung an allen laufenden und künftigen Bewilligungsverfahren. Die Landesdirektion lehnte diesen Antrag ab. Der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet gewesen ist, die Landeskirche an Verwaltungsverfahren zur Bewilligung von Sonntagsarbeit in Callcentern zu beteiligen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil bestätigt. Die Klägerin ist nach § 13 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) an Verfahren zur Bewilligung von Sonntagsarbeit in Callcentern zu beteiligen. Dem Ausgang der Bewilligungsverfahren kommt der Klägerin gegenüber rechtsgestaltende Wirkung zu. Die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes, die im Einzelfall Ausnahmen vom grundsätzlichen Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen zulassen, sind gegenüber Religionsgemeinschaften drittschützend. Diese können sich auf das Grundrecht der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG berufen, das durch die Sonn- und Feiertagsgarantie nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 Weimarer Reichsverfassung (WRV) konkretisiert wird. Nach Art. 139 WRV bleiben der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Der darin liegende verfassungsrechtliche Schutzauftrag richtet sich nicht nur an den Gesetzgeber, sondern ist auch von den Behörden bei der Entscheidung über Ausnahmebewilligungen zu beachten. Solche Entscheidungen hat der Beklagte der Klägerin bekanntzugeben. Fußnote: Auszug aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: Art. 4 (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. Art. 140 Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.   Art. 139 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.   Auszug aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz § 13 Beteiligte (…) (2) Die Behörde kann von Amts wegen oder auf Antrag diejenigen, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, als Beteiligte hinzuziehen. Hat der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung für einen Dritten, so ist dieser auf Antrag als Beteiligter zu dem Verfahren hinzuzuziehen; soweit er der Behörde bekannt ist, hat diese ihn von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen. BVerwG 8 C 5.19 - Urteil vom 06. Mai 2020 Vorinstanzen: OVG Bautzen, 3 A 505/17 - Urteil vom 11. April 2019 - VG Dresden, 4 K 1278/16 - Urteil vom 12. April 2017 -","Urteil vom 06.05.2020 - BVerwG 8 C 5.19ECLI:DE:BVerwG:2020:060520U8C5.19.0 EN Verfahrensbeteiligung von Kirchen bei der Bewilligung von Sonntagsarbeit Leitsatz: Zu Verwaltungsverfahren über die Bewilligung von Sonntagsarbeit nach § 13 Abs. 5, § 15 Abs. 2 ArbZG sind die Kirchen nach Maßgabe des § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hinzuzuziehen. Rechtsquellen ArbZG § 9 Abs. 1, § 13 Abs. 5, § 15 Abs. 2 GG Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 140 i.V.m. Art. 139 WRV VwGO § 44a VwVfG § 13 Abs. 2 Satz 2, § 41 Abs. 1 Satz 1 Instanzenzug VG Dresden - 12.04.2017 - AZ: VG 4 K 1278/16 OVG Bautzen - 11.04.2019 - AZ: OVG 3 A 505/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 06.05.2020 - 8 C 5.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:060520U8C5.19.0] Urteil BVerwG 8 C 5.19 VG Dresden - 12.04.2017 - AZ: VG 4 K 1278/16 OVG Bautzen - 11.04.2019 - AZ: OVG 3 A 505/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die klagende Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Nachdem ihr bekannt geworden war, dass im Freistaat Sachsen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen in Callcentern aufgrund von Ausnahmebewilligungen nach dem Arbeitszeitgesetz beschäftigt werden, beantragte sie ihre Beteiligung an entsprechenden Bewilligungsverfahren sowie die Vorlage bereits erteilter Bewilligungsbescheide. Die Landesdirektion Sachsen lehnte die Anträge ab. Den Widerspruch der Klägerin wies sie zurück. 2 Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet gewesen ist, die Klägerin an Genehmigungsverfahren zur Gestattung von Sonntagsarbeit in Callcentern zu beteiligen und den Beklagten verurteilt, der Klägerin alle bereits erteilten Genehmigungen zur Gestattung von Sonntagsarbeit in Callcentern vorzulegen, soweit diese noch fortwirkten. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Die Klage sei mit beiden Anträgen zulässig. § 44a VwGO stehe der Zulässigkeit des Fortsetzungsfeststellungsantrags nicht entgegen. Dieser sei auch begründet. Der Anspruch der Kirchen, sie zu Verwaltungsverfahren über die Bewilligung von Sonntagsarbeit in Callcentern hinzuzuziehen, folge aus § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Den Bewilligungsverfahren komme gegenüber den Kirchen rechtsgestaltende Wirkung zu. Die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes, die im Einzelfall Ausnahmen von dem grundsätzlichen Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen zuließen, seien gegenüber den Kirchen drittschützend. Sie konkretisierten auf der Ebene des einfachen Rechts den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag, der sich für den Gesetzgeber aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV ergebe. Dieser Schutzauftrag richte sich auch an die Exekutive. Der auf Vorlage der erteilten Bewilligungen gerichtete Leistungsantrag sei ebenfalls begründet. 3 Zur Begründung der Revision macht der Beklagte geltend, der Fortsetzungsfeststellungsantrag sei nach § 44a VwGO unzulässig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Hinzuziehung zu den in Rede stehenden Verwaltungsverfahren. Deren Ausgang habe für sie keine rechtsgestaltende Wirkung im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Aus der verfassungsrechtlichen Sonn- und Feiertagsgarantie folge ein objektiv-rechtlicher Schutzauftrag, den der Gesetzgeber im Arbeitszeitgesetz in hinreichender Weise umgesetzt habe. Solange das verfassungsrechtlich gebotene Niveau des Sonntagsschutzes nicht unterschritten sei, könne die Klägerin keine subjektiv-rechtlichen Belange geltend machen. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern in einem Teil der sächsischen Callcenter sei in der Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar und taste das verfassungsrechtlich gebotene Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht an. Auch der Leistungsantrag sei unbegründet. Die erteilten Bewilligungen berührten keine rechtlich geschützten Interessen der Klägerin. 4 Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. April 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 12. April 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen. 5 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. 6 Sie verteidigt das angegriffene Urteil. II 7 Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). 8 1. Das Berufungsgericht hat den Fortsetzungsfeststellungsantrag ohne Verstoß gegen Bundesrecht für zulässig (a) und begründet (b) gehalten. 9 a) Der Antrag ist entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft, nachdem sich das ursprüngliche Verpflichtungsbegehren der Klägerin, sie zu den Verwaltungsverfahren über die Bewilligung von Sonntagsarbeit hinzuzuziehen, mit Abschluss der Bewilligungsverfahren erledigt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2000 - 3 C 2.00 - Buchholz 316 § 13 VwVfG Nr. 2 S. 3). Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, da eine Wiederholungsgefahr besteht. Dazu genügt die hinreichende Gefahr, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut mit einer gleichlautenden Entscheidung der Behörde gegenüber der Klägerin zu rechnen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2019 - 8 C 3.19 - NVwZ-RR 2020, 533 Rn. 15). Das ist hier der Fall. Der Beklagte hat deutlich gemacht, dass er beabsichtige, auch zukünftig die Klägerin nicht zu den in Rede stehenden Bewilligungsverfahren hinzuzuziehen. 10 § 44a Satz 1 VwGO steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Danach können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Das gilt nach Satz 2 der Vorschrift jedoch nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Ablehnung der Hinzuziehung nach § 13 Abs. 2 VwVfG zwar eine behördliche Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a VwGO darstellt, die Klägerin als Nichtbeteiligte im Sinne des Satzes 2 der Vorschrift aber nicht auf die gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfe verwiesen werden kann. 11 Der Begriff der Verfahrenshandlung erfasst jede behördliche Maßnahme, die im Zusammenhang mit einem schon begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren steht und die der Vorbereitung einer regelnden Sachentscheidung dient. Hierunter fällt auch die behördliche Verweigerung einer erstrebten Verfahrenshandlung (BVerwG, Urteil vom 22. September 2016 - 2 C 16.15 - Buchholz 310 § 44a VwGO Nr. 13 Rn. 19), hier der Hinzuziehung. 12 Die Klägerin ist Nichtbeteiligte im Sinne des § 44a Satz 2 VwGO. Dieser Begriff ist im Einklang mit § 13 VwVfG auszulegen. Beteiligte im Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts sind die in § 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG Bezeichneten sowie diejenigen, die nach § 13 Abs. 2 VwVfG von der Behörde hinzugezogen worden sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG). Die Hinzuziehung wirkt konstitutiv. Erst durch sie erlangt der Nichtbeteiligte die Stellung eines am Verwaltungsverfahren Beteiligten. Personen, die erfolglos ihre Hinzuziehung zum Verfahren gemäß § 13 Abs. 2 VwVfG beantragt haben, behalten hingegen ihre Stellung als Nichtbeteiligte. Auf sie findet die Ausnahmeregelung des § 44a Satz 2 VwGO Anwendung. Dem steht der Zweck des § 44a Satz 1 VwGO nicht entgegen. Die Vorschrift dient dem Ziel der Prozessökonomie und soll verhindern, dass die sachliche Entscheidung durch die Anfechtung von Verfahrenshandlungen verzögert wird. Nur das Ergebnis behördlichen Handelns, nicht aber die Vorbereitung der Sachentscheidung soll Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle sein (BVerwG, Urteil vom 22. September 2016 - 2 C 16.15 - Buchholz 310 § 44a VwGO Nr. 13 Rn. 17; BT-Drs. 7/910 S. 97). Doch ist bei der Anwendung von § 44a VwGO die grundrechtliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG zu berücksichtigen mit der Folge, dass der Ausschluss einer gerichtlichen Überprüfung von Verfahrenshandlungen für die Rechtsuchenden nicht zu unzumutbaren Nachteilen führen darf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2004 - 6 B 30.04 - juris Rn. 12 m.w.N.). Würde der entgegen seinem Antrag nicht Hinzugezogene auf ein gerichtliches Vorgehen gegen die - ihm möglicherweise gar nicht bekanntwerdende - Sachentscheidung verwiesen, wäre sein Rechtsschutz nicht ausreichend sichergestellt, so dass sein Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der Hinzuziehung zulässig ist. 13 b) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin könne die Hinzuziehung zu Verwaltungsverfahren zur Bewilligung von Sonntagsarbeit in Callcentern auf der Grundlage des § 1 SächsVwVfG i.V.m. § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG beanspruchen, steht mit Bundesrecht in Einklang. 14 Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hat die Behörde einen Dritten, für den der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung hat, auf dessen Antrag als Beteiligten zu dem Verfahren hinzuzuziehen. Eine rechtsgestaltende Wirkung liegt vor, wenn durch den möglicherweise ergehenden Verwaltungsakt zugleich und unmittelbar Rechte des Dritten begründet, aufgehoben oder geändert werden (BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2018 - 7 B 14.17 - juris Rn. 9). Auch bewilligende Verwaltungsakte können rechtsgestaltende Wirkung haben (vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 13 Rn. 40). Da der Ausgang des Verfahrens offen ist, genügt die Möglichkeit, dass die rechtsgestaltende Wirkung bei einem bestimmten Verfahrensausgang eintreten wird. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Je nach Ausgang der in Rede stehenden Bewilligungsverfahren nach dem Arbeitszeitgesetz können Rechte der Klägerin aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV beeinträchtigt werden. 15 Die Klägerin als Religionsgemeinschaft kann das Grundrecht des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG für sich in Anspruch nehmen. Die Religionsfreiheit beschränkt sich nicht auf die Funktion eines Abwehrrechts, sondern gebietet auch, Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern. Die Schutzpflicht für dieses Rechtsgut trifft den Staat auch gegenüber den als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfassten Religionsgemeinschaften. Die aus dem Grundrecht der Religionsfreiheit abzuleitende Schutzpflicht wird durch die Sonn- und Feiertagsgarantie nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV konkretisiert. Nach Art. 139 WRV bleiben der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Die Gewährleistung von Tagen der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung ist auch darauf ausgerichtet, den Grundrechtsschutz zu stärken; sie konkretisiert insofern die aus den jeweils einschlägigen Grundrechten folgenden staatlichen Schutzpflichten (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <80 f.>). Der zeitliche Gleichklang einer für alle Bereiche regelmäßigen Arbeitsruhe ist ein grundlegendes Element für die Wahrnehmung der verschiedenen Formen sozialen Lebens. Der objektivrechtliche Schutzauftrag, der in der Sonn- und Feiertagsgarantie begründet ist, ist mithin auf die Stärkung des Schutzes derjenigen Grundrechte angelegt, die in besonderem Maße auf Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung angewiesen sind. Mit der Gewährleistung rhythmisch wiederkehrender Tage der Arbeitsruhe fördert und schützt die Sonn- und Feiertagsgarantie neben anderen Grundrechten auch die Ausübung der Religionsfreiheit (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <82,84>; BVerwG, Urteil vom 26. November 2014 - 6 CN 1.13 - BVerwGE 150, 327 Rn. 15). 16 § 9 Abs. 1 ArbZG verbietet die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen. § 13 Abs. 5 und § 15 Abs. 2 ArbZG definieren die Voraussetzungen, unter denen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen gleichwohl ausnahmsweise beschäftigt werden dürfen. Sie konkretisieren auf der Ebene des einfachen Rechts den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Der Erlass von Bewilligungen nach dem Arbeitszeitgesetz, die das Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen im Einzelfall durchbrechen, wirkt auf das Recht der Religionsgemeinschaften aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV unmittelbar rechtsgestaltend ein, weil dadurch der gesetzlich gewährleistete Schutz von Sonn- und Feiertagen jeweils gemindert wird. 17 Entgegen der Auffassung des Beklagten richtet sich der verfassungsrechtliche Schutzauftrag für den Sonn- und Feiertagsschutz nicht nur an den Gesetzgeber, sondern an alle staatlichen Organe (vgl. BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <78 f., 84>). Der Gesetzgeber hat zwar das verfassungsrechtlich gebotene Mindestniveau des Sonntagsschutzes einfachrechtlich zu gewährleisten. Auch Behörden haben jedoch die verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Sonntagsschutz bei der Anwendung der gesetzlichen Normen einschließlich des Verfahrensrechts im Einzelfall zu beachten. 18 Der Einwand des Beklagten, die Sonntagsarbeit in Callcentern sei für die Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar und berühre deshalb das für den Sonntagsschutz geltende Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht, rechtfertigt keine andere Bewertung und steht der Hinzuziehung der Klägerin zu Bewilligungsverfahren nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat mit dem generellen sonntäglichen Beschäftigungsverbot des § 9 Abs. 1 ArbZG und den dazu ergangenen Ausnahmevorschriften der §§ 13, 15 ArbZG das Schutzniveau des Sonntagsschutzes gesetzlich ausgestaltet, ohne auf die öffentliche Wahrnehmbarkeit der Sonntagsarbeit abzustellen. Eine Verringerung des Schutzniveaus der Sonn- und Feiertagsgarantie bei der Erteilung von Einzelbewilligungen lässt sich aus der fehlenden öffentlichen Wahrnehmung der Sonntagsarbeit in Callcentern nicht ableiten. 19 2. Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen revisibles Recht den auf Bekanntgabe der noch fortwirkenden Bewilligungsbescheide gerichteten Leistungsantrag für zulässig und begründet gehalten. Die Klägerin kann die Bekanntgabe dieser Bewilligungsbescheide nach § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG beanspruchen. Sie ist zwar nicht Beteiligte im Sinne dieser Vorschrift. Das vom Beklagten bei der Entscheidung über die Bekanntgabe auszuübende pflichtgemäße Ermessen ist der Klägerin gegenüber jedoch auf Null reduziert. 20 § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG verpflichtet die Behörde zur Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an den betroffenen Beteiligten und vermittelt diesem zugleich einen Anspruch hierauf. Die Bekanntgabepflicht ist Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. April 1991 - 1 BvR 1341/90 - BVerfGE 84, 133 <159>). Erst die Kenntnis des Verwaltungsakts schafft die Voraussetzung für dessen von Art. 19 Abs. 4 GG gebotene effektive Kontrolle. Ob eine Person von dem Verwaltungsakt betroffen wird, folgt aus dem materiellen Recht (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 41 Rn. 32). Für die Klägerin ergibt sich die Betroffenheit im Sinne dieser Vorschrift aus ihrer dargestellten verfassungsrechtlichen Rechtsposition. Die Stellung als Beteiligter bestimmt sich indessen nach § 13 Abs. 1 VwVfG. Dabei kann hier offenbleiben, ob auch demjenigen ein Anspruch auf Bekanntgabe nach § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zukommt, der von dem Verwaltungsakt zwar betroffen wird, eine Beteiligtenstellung im Sinne des § 13 Abs. 1 VwVfG aber nicht erlangt hat. Denn jedenfalls hat die Behörde über die Bekanntgabe des Verwaltungsakts an den zwar betroffenen, aber nicht beteiligten Dritten nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 41 Rn. 34). Dieses Verständnis der Vorschrift steht in systematischer Hinsicht mit den zu § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG entwickelten Grundsätzen zur Akteneinsicht am Verfahren nicht beteiligter Dritter im Einklang. Auch insoweit besteht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. September 1980 - 1 C 52.75 - BVerwGE 61, 15 <22> und vom 5. Juni 1984 - 5 C 73.82 - BVerwGE 69, 278 <279 f.>). Zudem wird hierdurch dem Interesse des Dritten, Kenntnis von dem ihn betreffenden Verwaltungsakt zu erlangen und gegebenenfalls den Rechtsweg zu beschreiten, Rechnung getragen. 21 Auf dieser Grundlage ist eine Ermessensreduzierung auf Null zugunsten der Klägerin anzunehmen. Sie ist unter Verletzung von § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG an den vom Beklagten durchgeführten Bewilligungsverfahren zur Sonntagsarbeit nicht beteiligt worden. Im Hinblick auf die rechtsstaatliche Funktion der Bekanntgabe kann ihr die nachträgliche Kenntnisnahme der bereits ergangenen, noch wirksamen Bewilligungsbescheide im Ermessenswege nicht versagt werden, weil sie anderenfalls entgegen Art. 19 Abs. 4 GG an der sachgerechten Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert wäre. 22 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2020-22,07.05.2020,"Pressemitteilung Nr. 22/2020 vom 07.05.2020 EN Weiterleitung von Eingaben an Kreisräte Das Landratsamt Rottweil war als Geschäftsstelle des Kreistages verpflichtet, Eingaben an die Kreisräte an diese weiterzuleiten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Im September 2016 versandte der Kläger Briefe an die Kreisräte und den Landrat des Landkreises Rottweil, in denen er diese u.a. aufforderte, ihre kommunalpolitischen Einflussmöglichkeiten geltend zu machen, um von ihm behauptete Rechtsverstöße eines im Landkreis ansässigen Unternehmens zu unterbinden. Die Anschrift enthielt jeweils die Funktionsbezeichnung, den Namen und den Zusatz „c/o Landratsamt Rottweil“ sowie die Bemerkung „persönlich/vertraulich“. Einige Briefe erreichten die Adressaten. Die übrigen sandte das Landratsamt an den Kläger zurück. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass das Landratsamt verpflichtet war, die Briefe des Klägers an diejenigen Kreisräte weiterzuleiten, bei denen keine andere Kontaktaufnahme möglich war, und die Klage i.Ü. abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Weiterleitung der Briefe aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 17 GG zu. Mit diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben steht die Verwaltungspraxis des Landratsamtes, Briefe von Einzelpersonen an Kreisräte generell nicht an diese weiterzuleiten, nicht in Einklang. Jedenfalls Petitionen von Einzelpersonen müssen gemäß Art. 17 GG weitergeleitet werden. Ob hier alle Voraussetzungen einer Petition im Sinne der Vorschrift erfüllt waren, musste nicht abschließend geklärt werden. Nachdem das Landratsamt festgestellt hatte, dass die Eingabe einigen Kreisräten zugegangen war, musste es sie jedenfalls aus Gründen der Gleichbehandlung auch den übrigen Kreisräten zuleiten. Nur so konnte jeder angeschriebene Kreisrat prüfen, ob es sich bei dem Schreiben um eine Petition handelte, und gegebenenfalls das Erforderliche veranlassen. BVerwG 8 C 12.19 - Urteil vom 06. Mai 2020 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 1 S 2712/17 - Urteil vom 27. November 2018 - VG Freiburg, 1 K 3746/16 - Urteil vom 27. September 2017 -","Urteil vom 06.05.2020 - BVerwG 8 C 12.19ECLI:DE:BVerwG:2020:060520U8C12.19.0 EN Verpflichtung des Landratsamtes zur Weiterleitung von Schreiben an Kreisräte Leitsätze: 1. Ein Kreistag ist eine Volksvertretung im Sinne des Art. 17 GG. 2. Die Praxis eines Landratsamtes, als Geschäftsstelle des Kreistages bei ihm eingehende, an sämtliche Kreistagsmitglieder adressierte Schreiben von Privatpersonen generell nicht an die Mitglieder des Kreistages weiterzuleiten, ist mit Art. 17 GG nicht vereinbar. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1, Art. 17 VwGO § 42 Abs. 2, § 43 Instanzenzug VG Freiburg - 27.09.2017 - AZ: VG 1 K 3746/16 VGH Mannheim - 27.11.2018 - AZ: VGH 1 S 2712/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 06.05.2020 - 8 C 12.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:060520U8C12.19.0] Urteil BVerwG 8 C 12.19 VG Freiburg - 27.09.2017 - AZ: VG 1 K 3746/16 VGH Mannheim - 27.11.2018 - AZ: VGH 1 S 2712/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 27. November 2018 wird geändert. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 27. September 2017 wird zurückgewiesen. Im Übrigen wird dieses Urteil auf die Anschlussberufung des Klägers geändert und festgestellt, dass das Landratsamt R. verpflichtet war, sämtliche am 9. September 2016 bei ihm eingegangenen, an Mitglieder des Kreistages gerichteten Briefe des Klägers an diese weiterzuleiten. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen. Gründe I 1 Der Kläger begehrt die Feststellung, dass das Landratsamt R. verpflichtet war, von ihm verfasste, an die Mitglieder des Kreistages des beklagten Landkreises gerichtete Briefe an diese weiterzuleiten. 2 Im September 2016 versandte der Kläger Briefe an den Landrat, den Ersten Landesbeamten sowie an jedes Mitglied des Kreistages und des Jugendhilfeausschusses des Beklagten. Die Schreiben an die Kreistagsmitglieder gingen am 9. September 2016 bei dem Landratsamt des Beklagten ein, das zugleich Geschäftsstelle des Kreistages ist. Sie waren jeweils in einem verschlossenen Umschlag namentlich an die einzelnen Kreisräte unter der Postanschrift des Landratsamts R. und mit dem Zusatz ""PERSÖNLICH/VERTRAULICH"" adressiert. 3 Die an den Landrat und den Ersten Landesbeamten gerichteten Schreiben wurden diesen am 12. bzw. 13. September 2016 zugeleitet. Sie trugen das Datum vom 8. September 2016 und enthielten unter anderem die Aufforderung an die Adressaten, ihre kommunalpolitischen Einflussmöglichkeiten geltend zu machen, um vom Kläger befürchtete illegale Waffenexporte einer Firma mit Sitz im Kreisgebiet zu verhindern. Aufgrund der Gesamtumstände des Posteingangs ging der Beklagte davon aus, dass der Inhalt der an die Kreisräte gerichteten Schreiben dem Inhalt der an den Landrat und den Ersten Landesbeamten gerichteten Schreiben entsprach. 4 Ein Teil der an die Kreisräte gerichteten Schreiben ging diesen zu. Hiervon erlangte der Beklagte Kenntnis. Die übrigen an die Kreisräte gerichteten Schreiben sandte er in der Folgezeit an den Kläger zurück. Zur Begründung verwies er auf seine Praxis, Schreiben, Informationsbroschüren und ähnliche Einsendungen von Privatpersonen an Kreisräte grundsätzlich nicht an diese weiterzuleiten. Allein interne Informationen, Informationen von Unternehmen und Zweckverbänden, an denen der Landkreis direkt oder indirekt beteiligt oder deren Mitglied er sei, sowie Informationen insbesondere von gemeinnützigen Vereinen oder Einrichtungen, die der Landkreis finanziell unterstütze, leite er an die Kreisräte weiter, soweit dies keine unangemessenen Zusatzkosten verursache. 5 Der Kläger hat Klage auf Feststellung erhoben, dass der Beklagte verpflichtet gewesen sei, seine an die Kreisräte gerichteten Schreiben an diese weiterzuleiten. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, das Landratsamt R. sei dazu verpflichtet gewesen, soweit zu diesen keine andere Kontaktaufnahme möglich gewesen sei. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. 6 Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Anschlussberufung des Klägers hat er zurückgewiesen. Die Klage sei insgesamt unbegründet. Eine einfachgesetzliche Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Weiterleitungsanspruch sei noch nicht einmal für Kreiseinwohner zu finden. Ein Anspruch folge auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit einer entsprechenden Verwaltungspraxis des Beklagten. Der Beklagte habe substantiiert dargelegt, dass er in der Vergangenheit keine Schreiben von Privatpersonen an Kreisräte weitergeleitet habe. Soweit er Schreiben von Unternehmen, Zweckverbänden und sonstigen Institutionen weitergeleitet habe, werde die Ungleichbehandlung durch den besonderen Bezug dieser Schreiben zum Landkreis gerechtfertigt. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG begründe keinen Anspruch auf Mitwirkung öffentlicher Träger an der Meinungsverbreitung. Art. 17 GG begründe Weiterleitungsansprüche nur, wenn der Schutzbereich der Vorschrift eröffnet sei. Das sei hier nicht der Fall, weil der Kläger sein Begehren an die einzelnen Kreistagsmitglieder richte, die weder Volksvertretung im Sinne der Vorschrift noch zuständige Stellen seien. 7 Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, ein Anspruch auf Weiterleitung ergebe sich schon aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit der Verwaltungspraxis des Beklagten, da auch Schreiben von Privatpersonen einen besonderen Bezug zum Landkreis aufweisen könnten. Jedenfalls folge sein Anspruch aus Art. 17 GG. Die streitgegenständlichen, parallel an alle Kreisräte gerichteten Schreiben stellten eine Petition an den Kreistag als Kollegialorgan dar. Dieser sei tauglicher Adressat einer Petition. Unabhängig davon seien auch die einzelnen Kreisräte als taugliche Petitionsadressaten anzusehen. 8 Der Kläger beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 27. November 2018 zu ändern, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 27. September 2017 zurückzuweisen, dieses im Übrigen auf die Anschlussberufung des Klägers zu ändern und festzustellen, dass das Landratsamt R. verpflichtet war, sämtliche am 9. September 2016 bei ihm eingegangenen, an Mitglieder des Kreistages gerichteten Briefe des Klägers an diese weiterzuleiten. 9 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 10 Er verteidigt das Berufungsurteil. II 11 Die Revision ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). 12 1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die Klage nur Erfolg haben kann, wenn dem Kläger - und nicht nur den Adressaten - gegenüber dem Beklagten ein subjektives Recht auf Weiterleitung seiner Briefe an die Kreisräte zustand. Schon die Zulässigkeit der Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO setzt entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO die Möglichkeit einer Verletzung des Klägers in eigenen Rechten voraus. Aus dem Umstand, dass das Feststellungsinteresse gemäß § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse einschließt, kann nicht hergeleitet werden, dass jeder auch ohne eigene Rechtsbetroffenheit Feststellungsklage erheben könnte. Vielmehr muss der Kläger geltend machen können, in eigenen Rechten verletzt zu sein, weil er an dem festzustellenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt ist oder weil von diesem eigene Rechte abhängen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1996 - 8 C 19.94 - BVerwGE 100, 262 <271>; Beschlüsse vom 30. Juli 1990 - 7 B 71.90 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 109 S. 22 <23 f.> und vom 24. Mai 2011 - 6 B 2.11 - juris Rn. 5 f.). Begründet ist der Feststellungsantrag dementsprechend nur, wenn dem Kläger aus dem Rechtsverhältnis des Beklagten zu ihm selbst oder zu Dritten ein Anspruch darauf zustand, dass das Landratsamt die dort eingegangenen, an die Kreisräte adressierten Briefe an diese weiterleitete. 13 2. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, für einen solchen Anspruch gebe es keine Rechtsgrundlage, steht mit Art. 17 und Art. 3 Abs. 1 GG nicht in Einklang. Dabei muss die Frage, ob ein Weiterleitungsanspruch schon aus Art. 17 Abs. 1 GG folgte, nicht abschließend geklärt werden (a). Jedenfalls verneint das Berufungsurteil unzutreffend - auch - einen Weiterleitungsanspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG, weil es mit dem Verwaltungsgericht davon ausgeht, ein solcher Anspruch könne nur im Rahmen der bisherigen Verwaltungspraxis des Beklagten bestehen (b). 14 a) Nach Art. 17 GG hat jedermann das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Unter Bitten sind Forderungen und Vorschläge zu verstehen, die auf ein Handeln oder Unterlassen von staatlichen Organen, Behörden und sonstigen Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, gerichtet sind. Beschwerden sind Beanstandungen, die sich gegen ein Handeln oder Unterlassen dieser Stellen wenden. Gegenstand einer Petition kann eine Eingabe in eigener Sache, für andere oder im allgemeinen Interesse sein. Es steht jedermann frei, sich durch eine Petition für die Förderung welchen Anliegens auch immer einzusetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2017 - 6 C 16.16 - BVerwGE 158, 208 Rn. 6). 15 Ob ein Weiterleitungsanspruch gemäß Art. 17 GG schon wegen der Adressierung der Schreiben ausscheidet, braucht nicht abschließend geklärt zu werden. Allerdings beruht die Annahme des Berufungsurteils, die Bitten des Klägers seien - nur - an die einzelnen Kreisräte und nicht - mindestens auch - an den Kreistag gerichtet, auf einer Auslegung der Schreiben, die nicht alle entsprechend §§ 133 und 157 BGB dafür relevanten Umstände berücksichtigt. Das Berufungsurteil wertet Form und Inhalt der einzelnen Schriftstücke aus, ohne in Rechnung zu stellen, dass das Landratsamt - ausweislich des Internetauftritts des Beklagten - als Geschäftsstelle des Kreistages dient und die erkennbare parallele Übersendung gleichartiger Schreiben an sämtliche Mandatsträger darauf hindeuten konnte, dass der Inhalt der Schreiben sich - zumindest auch und über die Kreisräte - an den von diesen gebildeten Kreistag richtete. Dem stand nicht entgegen, dass der Kläger keine Resolution des Kreistages forderte. Zu den kommunalpolitischen Einflussmöglichkeiten, die er umfassend in seinem Sinne genutzt wissen wollte, gehört auch das Recht der Kreisräte, eine gemeinsame Befassung und Entscheidung im Plenum herbeizuführen. 16 Waren die Schreiben als Bitten - auch - an den Kreistag zu verstehen, lag eine Petition im Sinne des Art. 17 GG vor, weil Kreistage zu den Volksvertretungen im Sinne dieser Gewährleistung zählen (noch offen gelassen von BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1980 - 7 C 73.78 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 32 S. 49 <51>). Das folgt aus dem systematischen Zusammenhang mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, der ungeachtet der Ausweitung des Kommunalwahlrechts in Satz 3 der Vorschrift weiter von einer Vertretung des Volks in den Gemeinden und Kreisen spricht. Bestätigt wird es durch den Sinn und Zweck des Art. 17 GG und dessen Unterscheidung zwischen Volksvertretungen und zuständigen Stellen. Art. 17 GG gewährleistet jedermann einen freien und ungehinderten Zugang zum Staat (Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Stand Februar 2020, Art. 17 Rn. 43, 80 ff.). Mit dem Recht, Petitionen an die Volksvertretung zu richten, schreibt er das traditionelle Recht der Petition an den Souverän unter demokratischen Vorzeichen als Grundrecht auf ungehinderten Zugang zum Repräsentationsorgan der jeweiligen Gebietskörperschaft fort. Auf die Frage, ob die Gebietskörperschaft als Staat oder als Kommune verfasst ist, kommt es für den Begriff der Volksvertretung im Sinne des Art. 17 GG ebenso wenig an wie auf die Frage, wer an Wahlen zum kommunalen Vertretungsorgan teilnehmen darf. Für die Gewährleistung des Petitionsrechts und die Unterscheidung zwischen Volksvertretungen und zuständigen Stellen im Sinne des Art. 17 GG ist entscheidend, dass Letztere nur im Rahmen ihrer jeweiligen sachlichen, örtlichen und instanziellen Zuständigkeit tätig werden können, während die Vertretungen sich mit allen Themen im Rahmen der Verbandskompetenz ihrer Gebietskörperschaft befassen dürfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 1992 - 1 BvR 1553/90 - NJW 1992, 3033; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Stand Februar 2020, Art. 17 Rn. 98, 104 ff.). Das trifft auch auf kommunale Vertretungen zu. 17 Ob bei zutreffender Auslegung entsprechend §§ 133 und 157 BGB von einer Petition an den Kreistag auszugehen ist oder ob die einzelnen Kreisräte entgegen der Auffassung der Vorinstanz zuständige Stellen im Sinne des Art. 17 GG sein könnten, bedarf keiner weiteren Klärung. Auch die Frage, ob Art. 17 GG zur Weiterleitung aller an Kreistagsmitglieder persönlich adressierten Sendungen verpflichtet, muss nicht entschieden werden. Hier ergab sich der streitige Weiterleitungsanspruch jedenfalls aus Art. 3 Abs. 1 GG. 18 b) Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, Art. 3 Abs. 1 GG könne einen solchen Anspruch nur im Rahmen der bisherigen Verwaltungspraxis des Beklagten begründen, greift in zweifacher Hinsicht zu kurz: Zum einen berücksichtigt sie nicht, dass diese Verwaltungspraxis nicht mit Art. 17 GG in Einklang steht. Zum anderen stellt sie nicht in Rechnung, dass das Landratsamt als Geschäftsstelle des Kreistages nach dem Gleichbehandlungsgebot schon deshalb zur Weiterleitung der Schreiben an die Kreisräte verpflichtet war, weil einzelne Briefe ausweislich der Verwaltungsvorgänge (Quadrangel 11, Tabelle, rechte Spalte oben) an ihre Adressaten weitergeleitet worden waren oder diese zumindest mit seiner Kenntnis erreicht hatten. 19 Die vom Berufungsgericht festgestellte Verwaltungspraxis des Beklagten, an Kreisräte adressierte Briefe von Privatpersonen grundsätzlich nicht weiterzuleiten, hindert auch den Zugang von Schreiben, die eine Bitte oder Beschwerde im Sinne von Art. 17 GG an den Kreistag enthalten. In solchen Fällen ist die Petition vom Kreisrat an den Kreistag weiterzuleiten; sofern kein Petitionsausschuss eingerichtet wurde, ist sie im Plenum zu behandeln. 20 Das Anhalten oder Zurücksenden solcher über einen Kreisrat an den Kreistag gerichteten Bitt- oder Beschwerdeschreiben ist mit Art. 17 GG nicht vereinbar. Das Petitionsgrundrecht vermittelt dem Petenten einen Anspruch darauf, dass die angegangene Stelle seine Petition entgegennimmt, deren Inhalt zur Kenntnis nimmt, sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten prüft und sich nachvollziehbar und diskriminierungsfrei mit dem Anliegen befasst. Nach Abschluss der Prüfung muss sie die Petition auf nachvollziehbare Weise erledigen (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. März 2017 - 6 C 16.16 - BVerwGE 158, 208 Rn. 8 f. und vom 28. November 1975 - 7 C 53.73 - Buchholz 11 Art. 17 GG Nr. 1 S. 3 f.; BVerfG, Beschlüsse vom 15. Mai 1992 - 1 BvR 1553/90 - juris Rn. 16 f. und vom 26. März 2007 - 1 BvR 138/07 - juris Rn. 2; Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Stand Februar 2020, Art. 17 Rn. 84 ff.). Die Praxis des Beklagten, Kreistagsmitgliedern Schreiben von Privatpersonen generell vorzuenthalten, verletzt das aus der Pflicht zur Entgegennahme der Petition abzuleitende Verbot, den Zugang eines Petitionsschreibens zu demjenigen, an den sich die Bitte oder Beschwerde richtet, zu verhindern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2019 - 2 BvR 2189/18 - juris Rn. 19 und 21; zum Verbot bewusster Verschleppung vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 2007 - 1 BvR 1033/07 - juris LS und Rn. 3). 21 Unabhängig von der oben unter a) aufgeworfenen Frage, ob die streitigen Schreiben als an die Kreisräte adressierte, über sie an den Kreistag gerichtete Petitionen zu verstehen sind, musste das Landratsamt des Beklagten sie jedenfalls nach Art. 3 Abs. 1 GG an die Adressaten weiterleiten, nachdem einzelne Briefe aktenkundig ihren Empfängern übermittelt worden waren. 22 Art. 3 Abs. 1 GG verbietet jede Ungleichbehandlung ohne zureichenden Sachgrund. Eine Ungleichbehandlung der an die Kreisräte unter der Anschrift des Landratsamts adressierten Schreiben des Klägers ergab sich daraus, dass diese nur zum geringen Teil an die Adressaten weitergeleitet wurden. Nach den Feststellungen der Vorinstanz und den von ihr in Bezug genommenen Verwaltungsvorgängen des Beklagten ist davon auszugehen, dass am 9. September 2016 gleichartige Briefe an sämtliche Kreistagsmitglieder (vgl. Seite 2 des Urteilsabdrucks: ""die einzelnen Kreistagsmitglieder"") bei der Poststelle des Landratsamts eingingen, jedoch nur zwei ihre Adressaten erreichten. Das ergibt sich aus der Auflistung und den handschriftlichen Eintragungen im Quadrangel 11 der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten. Laut Aktenvermerk vom 21. September 2016 ""fehl[t]en"" 17 Briefe; die Nachforschungen nach ihrem Verbleib dokumentiert eine dem Vermerk beigefügte Tabelle, die die Adressaten der im Landratsamt vorliegenden und die der dort nicht - oder nicht mehr - vorhandenen Schreiben auflistet. In der Liste der fehlenden Schreiben findet sich neben den Namen von zwei Kreisräten der in der Revisionsverhandlung erörterte handschriftliche Vermerk: ""Zugang 24.9.""; bei zwei weiteren wird ""kein Eingang"" verzeichnet; zu den übrigen Adressaten fehlender Schreiben gibt es keinen Eintrag. Danach musste das Landratsamt davon ausgehen, dass in seiner Poststelle jedenfalls mehr als die ihm noch vorliegenden Schreiben eingegangen und in mindestens zwei Fällen den Adressaten zugänglich gemacht worden waren. Auf die Frage, ob dies versehentlich oder bewusst geschehen war, kommt es nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht an. Entscheidend ist, dass die Ungleichbehandlung verschiedener Briefe des Klägers an einzelne Kreisräte sachlich nicht gerechtfertigt war. 23 Der Beklagte hat keinen sachlichen Grund genannt, der es rechtfertigen könnte, in dieser besonderen Situation nicht auch die anderen Schreiben an die Kreisräte weiterzuleiten. Auch sonst ist ein solcher Grund nicht ersichtlich. Vielmehr gebot es der Grundsatz der Gleichbehandlung, alle Kreisräte gleichermaßen in die Lage zu versetzen, den Inhalt der Schreiben des Klägers zu würdigen und zu entscheiden, ob es sich dabei um eine Petition im Sinne von Art. 17 GG handelte und an wen diese gegebenenfalls gerichtet und weiterzuleiten war. 24 4. Der Senat kann gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO auf der Grundlage der von dem Berufungsgericht festgestellten Tatsachen in der Sache selbst entscheiden. Dies führt zur Änderung der vorinstanzlichen Urteile und zum Ausspruch der vom Kläger begehrten Feststellung. 25 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2020-23,14.05.2020,"Pressemitteilung Nr. 23/2020 vom 14.05.2020 EN Polizeivollzugsbeamte in Bayern dürfen sich an Kopf, Hals, Händen und Unterarmen nicht tätowieren lassen Das Bayerische Beamtengesetz untersagt Polizeivollzugsbeamten unmittelbar, sich im beim Tragen der Dienstkleidung (Sommeruniform) sichtbaren Körperbereich, d.h. konkret an Kopf, Hals, Händen und Unterarmen, tätowieren zu lassen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger steht als Polizeivollzugsbeamter im Dienst des beklagten Freistaates Bayern. Seinen Antrag, ihm eine beim Tragen der Dienstkleidung sichtbare Tätowierung mit dem verzierten Schriftzug „aloha“ auf dem Unterarm zu genehmigen, lehnte der Dienstherr ab. Klage und Berufung des Beamten sind ohne Erfolg geblieben. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründung ausgeführt, das 2018 ergänzte Bayerische Beamtengesetz enthalte eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage, die die oberste Dienstbehörde ermächtige, bei Polizeivollzugsbeamten das Tragen von Tätowierungen zu reglementieren. Im Revisionsverfahren hat der Kläger sein Begehren dahin präzisiert, dass die Tätowierung maximal 15 x 6 cm betragen soll. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Es hat entschieden, dass bereits im Bayerischen Beamtengesetz selbst für im Dienst stehende Polizeivollzugsbeamte ein hinreichend vorhersehbares und berechenbares Verbot für Tätowierungen und andere nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale (wie etwa ein Branding oder ein Ohrtunnel) im beim Tragen der Uniform sichtbaren Körperbereich geregelt ist. Dies ergibt sich aus der Auslegung des Gesetzes unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung. Danach sind äußerlich erkennbare Tätowierungen und vergleichbare auf Dauer angelegte Körpermodifikationen im sichtbaren Bereich mit der Neutralitäts- und Repräsentationsfunktion von uniformierten Polizeivollzugsbeamten unvereinbar. Durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte individuelle Interessen der Polizeivollzugsbeamten an einer Tätowierung müssen für den - bezogen auf den Gesamtkörper beim Tragen der Dienstkleidung kleinen - sichtbaren Bereich gegenüber der Notwendigkeit eines einheitlichen und neutralen Erscheinungsbildes zurücktreten. Fußnote: Art. 75 Abs. 2 Bayerisches Beamtengesetz lautet: (2) Soweit es das Amt erfordert, kann die oberste Dienstbehörde nähere Bestimmungen über das Tragen von Dienstkleidung und das während des Dienstes zu wahrende äußere Erscheinungsbild der Beamten und Beamtinnen treffen. Dazu zählen auch Haar- und Barttracht sowie sonstige sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale. BVerwG 2 C 13.19 - Urteil vom 14. Mai 2020 Vorinstanzen: VGH München, 3 BV 16.2072 - Urteil vom 14. November 2018 - VG Ansbach, AN 1 K 15.01449 - Urteil vom 25. August 2016 -","Urteil vom 14.05.2020 - BVerwG 2 C 13.19ECLI:DE:BVerwG:2020:140520U2C13.19.0 EN Tätowierungsverbot für Bayerische Polizeivollzugsbeamte Leitsätze: 1. Mit der Neufassung des Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG im Jahr 2018 hat der bayerische Gesetzgeber unmittelbar die parlamentarische Leitentscheidung getroffen, dass sich Polizeivollzugsbeamte in dem beim Tragen der (Sommer-)Uniform sichtbaren Körperbereich nicht tätowieren lassen dürfen. 2. Das in Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG normierte Verbot für Polizeivollzugsbeamte, sich an Kopf, Hals, Händen und Unterarmen im sichtbaren Bereich tätowieren oder vergleichbar behandeln zu lassen, verletzt weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht dieser Beamten noch verstößt es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Denn dieses Verbot ist geeignet und erforderlich, das vom Gesetzgeber vorgegebene Ziel eines einheitlichen und neutralen Erscheinungsbildes der Polizei zu fördern. Rechtsquellen BayBG Art. 75 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 70 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 Instanzenzug VG Ansbach - 25.08.2016 - AZ: VG AN 1 K 15.01449 VGH München - 14.11.2018 - AZ: VGH 3 BV 16.2072 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 14.05.2020 - 2 C 13.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:140520U2C13.19.0] Urteil BVerwG 2 C 13.19 VG Ansbach - 25.08.2016 - AZ: VG AN 1 K 15.01449 VGH München - 14.11.2018 - AZ: VGH 3 BV 16.2072 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Mai 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung und Dollinger sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. November 2018 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger steht als Polizeivollzugsbeamter im Dienst des beklagten Freistaates. 2 Den Antrag des 1976 geborenen Klägers, ihm eine beim Tragen der Dienstkleidung sichtbare Tätowierung mit dem verzierten Schriftzug ""aloha"" auf einem Unterarm zu genehmigen, lehnte der Dienstherr ab. Die dagegen gerichtete Klage und Berufung des Klägers sind ohne Erfolg geblieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründung ausgeführt, das im Jahr 2018 ergänzte Bayerische Beamtengesetz enthalte eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage, die die oberste Dienstbehörde ermächtige, bei Polizeivollzugsbeamten das Tragen von Tätowierungen zu reglementieren. Der Gesetzgeber habe der obersten Dienstbehörde nähere Vorgaben zum Inhalt (äußeres Erscheinungsbild, wozu auch ""sonstige sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale"" gehörten), zum Ausmaß (sichtbarer Bereich) und - ausweislich der Gesetzesbegründung - zum Zweck (einheitliches/neutrales Erscheinungsbild) zur Hand gegeben, um ein permanentes Erscheinungsmerkmal wie eine Tätowierung gegebenenfalls als unzulässig einzustufen zu können. 3 Der Kläger trägt zur Begründung der auf seine Beschwerde vom Senat zugelassenen Revision insbesondere vor, die Ablehnung seines Antrags, sich im sichtbaren Bereich seines Unterarmes das Wort ""aloha"" tätowieren zu lassen, verletze ihn in seinem Persönlichkeitsrecht. Der Verwaltungsgerichtshof verkenne, dass es nicht ausreichend sei, einen Eingriff in das Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit eines Beamten damit zu begründen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit für einen derartigen Eingriff geschaffen habe. Es sei vielmehr zusätzlich erforderlich, dass für diesen Eingriff plausible und nachvollziehbare Gründe durch die oberste Dienstbehörde benannt werden können. Daran fehle es hier. 4 Der Kläger beantragt, die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. November 2018 und des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. August 2016 sowie den ablehnenden Bescheid des Polizeipräsidiums Mittelfranken vom 28. Juli 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, im Dienst an einem Unterarm eine sichtbare Tätowierung mit dem verzierten Schriftzug ""aloha"" in einer Größe von max. 15 cm x 6 cm Gesamtfläche zu tragen. 5 Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 6 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Im Berufungsurteil hat der Verwaltungsgerichtshof Art. 75 Abs. 2 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) in der Fassung vom 18. Mai 2018 (GVBl. S. 286) als bloße Ermächtigungsgrundlage ausgelegt, die die oberste Dienstbehörde berechtige, bereits ernannten Polizeivollzugsbeamten - auch durch eine bloße Verwaltungsvorschrift - das Tragen einer Tätowierung im sichtbaren Bereich zu untersagen. Diese Auslegung verletzt revisibles Recht (§ 191 Abs. 2 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Das Urteil stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Denn der vom Kläger beantragten Feststellung steht Art. 75 Abs. 2 BayBG entgegen, mit dem der Gesetzgeber, wie rechtlich geboten, die Entscheidung über die Zulässigkeit der Tätowierung im sichtbaren Bereich unmittelbar selbst getroffen hat. 7 Tätowierungen im sichtbaren Bereich sind für das Beamtenverhältnis in verschiedener Hinsicht relevant, zunächst bei der Frage der Einstellung in das Beamtenverhältnis, beim Ansinnen eines bereits ernannten Beamten, sich tätowieren zu lassen, sowie bei der Weisung des Dienstherrn, eine bereits vorhandene Tätowierung zu entfernen. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist lediglich die zweite Konstellation, in der ein bereits ernannter Beamter dem Dienstherrn eine geplante Tätowierung angezeigt hat. 8 Nach Art. 75 Abs. 2 Satz 1 BayBG kann die oberste Dienstbehörde, soweit es das Amt erfordert, nähere Bestimmungen über das Tragen von Dienstkleidung und das während des Dienstes zu wahrende äußere Erscheinungsbild der Beamten und Beamtinnen treffen. Dazu zählen gemäß Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG auch Haar- und Barttracht sowie sonstige sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale. 9 Zur Regelung in Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG ist der bayerische Gesetzgeber befugt (1). Die Vorschrift des Art. 75 Abs. 2 BayBG ist hinreichend bestimmt (2), sowohl was die Tatbestandsmerkmale angeht (a) als auch die Rechtsfolge betreffend (b). Die Auslegung der Norm durch das Berufungsgericht ist zwar mit Bundesrecht unvereinbar, das Berufungsurteil stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (3). Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG genügt des Weiteren - auch unter ggf. gewandelten gesellschaftlichen Verhältnissen im Hinblick auf Tätowierungen und vergleichbare äußere Erscheinungsmerkmale - den sonstigen Anforderungen an die materielle Verfassungsmäßigkeit, insbesondere an die Verhältnismäßigkeit der Regelung (4). 10 1. Die Gesetzgebungskompetenz des Freistaats Bayern für die in Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG getroffene Regelung für äußerlich sichtbare dauerhafte Körpermodifikationen von Beamten, die zum Tragen von Dienstkleidung verpflichtet sind, ergibt sich aus Art. 70 Abs. 1 GG. Das äußere Erscheinungsbild eines Beamten bei der Vornahme von Amtshandlungen ist bundesrechtlich nicht abschließend geregelt, sondern fällt in die Verantwortung der Länder. Auch wenn man unterstellte, die Regelung in Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG sei eine den Status des Beamten betreffende und damit der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG unterfallende Regelung (dafür Pfeffer, NVwZ 2020, 15 <18>), änderte dies nichts an der Gesetzgebungskompetenz des Freistaats Bayern. Denn der Bund hat von einer etwaigen konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht, sodass der beklagte Freistaat in jedem Fall zur Gesetzgebung befugt ist. 11 2. Die wesentlichen Inhalte des Beamtenverhältnisses sind durch das Gesetz selbst zu regeln. Aus der parlamentarischen Leitentscheidung muss erkennbar und vorhersehbar sein, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 42). Der Dienstherr, der den Tätowierungsantrag eines Beamten unter Hinweis auf das amtserforderliche äußere Erscheinungsbild ablehnt, greift in das durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierte allgemeine Persönlichkeitsrecht dieses Beamten ein. Dieser Eingriff reicht weiter als derjenige, Dienstkleidung anzulegen und Schmuck vor dem Dienstantritt abzulegen, weil er das auf Dauer angelegte äußere Erscheinungsbild des beim Tragen der Uniform sichtbaren Körperbereichs des Beamten betrifft. Nach der Rechtsprechung des Senats bedarf die Reglementierung zulässiger Tätowierungen im Beamtenverhältnis deshalb einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Regelung (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 42). Die selbstständige Regelung von Tätowierungen und vergleichbaren dauerhaften Körpermodifikationen allein durch den Dienstherrn im Wege von Verwaltungsvorschriften ist damit ausgeschlossen. 12 Dass eine Norm auslegungsbedürftig ist, führt nicht ohne Weiteres zu ihrer Unbestimmtheit. Dem Bestimmtheitserfordernis ist vielmehr genügt, wenn die Auslegungsprobleme mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können (stRspr, vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2020 - 2 BvR 1333/17 - NJW 2020, 1049 Rn. 85 m.w.N.). Es ist in erster Linie Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane, Zweifelsfragen zu klären und Auslegungsprobleme mit den herkömmlichen Mitteln juristischer Methode zu lösen (BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013 - 2 BvR 2436/10 u.a. - BVerfGE 134, 141 Rn. 127 m.w.N.). 13 a) Die Tatbestandsmerkmale des Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG - sonstige sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale - sind der Auslegung mit den herkömmlichen juristischen Methoden nach Wortlaut, Systematik und Normzweck zugänglich und deshalb hinreichend bestimmt. Dem Gesetzgeber geht es allein um Tattoos und vergleichbare dauerhafte Körpermodifikationen (etwa Brandings, Fleshtunnels u.a.), die beim Tragen von Dienstkleidung sichtbar sind und dadurch Einfluss auf das nach Art. 75 Abs. 2 Satz 1 BayBG maßgebliche äußere Erscheinungsbild des Beamten haben, der Dienstkleidung tragen muss. Die Sommeruniform zugrunde gelegt, handelt es sich bei diesem sichtbaren Körperbereich der Polizeivollzugsbeamten um den Kopf, den Hals, die Hände und die Unterarme. Nicht umfasst vom Regelungsgehalt des Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG sind mithin dauerhafte Körpermodifikationen an allen anderen Stellen des Körpers. 14 Darüber hinaus muss es sich bei dem nicht sofort ablegbaren Erscheinungsmerkmal i.S.v. Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG um ein solches handeln, das das äußere Erscheinungsbild des Beamten nach Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG (mit-)prägt. Damit werden auf Dauer angelegte Körpermodifikationen von der Regelung nicht erfasst, die infolge von chirurgisch-plastischen Operationen im Körperinneren durchgeführt werden (etwa Implantate). 15 Unter die Regelung fallen weiter nur solche Erscheinungsmerkmale, die beim Tragen der Dienstkleidung (auch in Gestalt der Sommeruniform mit Kurzarmhemd) sichtbar sind. Auch der Begriff der Sichtbarkeit des Erscheinungsmerkmals ist auslegungsfähig. Sichtbar im Hinblick auf das nach außen erkennbare Erscheinungsbild des Beamten ist nur, was mit bloßem Auge bei einem natürlichen Mindestabstand erkennbar ist. Damit fallen dauerhafte äußere Körpermodifikationen - etwa Mini-Tattoos - an sämtlichen Körperteilen weg, die so klein sind, dass sie von Dritten als solche nicht ohne Weiteres zu erkennen sind. Ein Unterarm-Tattoo mit einer Größe - wie hier - von 15 cm x 6 cm Gesamtfläche hingegen ist für Dritte ohne Weiteres sichtbar. 16 Schließlich darf das sichtbare äußere Erscheinungsmerkmal nach Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG nicht sofort ablegbar sein. Im sichtbaren Bereich des Dienstkleidung tragenden Beamten sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale - etwa Piercings, Ringe, Nasen- und Ohrstecker und Ähnliches - werden von der Vorschrift nicht umfasst. Sie können von dem Beamten vor dem Dienst unproblematisch abgelegt und nach Dienstschluss ebenso wieder angelegt werden. 17 b) Der Wortlaut von Art. 75 Abs. 2 Satz 1 BayBG - ""kann die oberste Dienstbehörde nähere Bestimmungen ... treffen"" - deutet zwar für die Rechtsfolgeentscheidung eine bloße Ermächtigungsgrundlage für die oberste Dienstbehörde an, nähere Bestimmungen über das Tragen von amtserforderlicher Dienstkleidung und das zu wahrende äußere Erscheinungsbild der Beamten - Haar- und Barttracht und sonstige sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale - selbstständig zu treffen. Mit anderen Worten, die oberste Dienstbehörde könnte danach frei sein, nähere Bestimmungen etwa über Tätowierungen im sichtbaren Bereich nach eigenem Befinden zu treffen, d.h. solche ganz oder teilweise zuzulassen oder zu versagen. Ein solches Verständnis der Vorschrift hat der Verwaltungsgerichtshof dem angefochtenen Berufungsurteil auch zugrunde gelegt, wenn er ausführt, mit Art. 75 Abs. 2 BayBG habe der Gesetzgeber der obersten Dienstbehörde nähere Vorgaben an die Hand gegeben, damit diese gegebenenfalls ein permanentes Erscheinungsmerkmal wie eine Tätowierung als unzulässig einstufen kann (UA Rn. 17). 18 Ein solches Normverständnis verfehlt das aus dem Wesentlichkeitsgrundsatz folgende verfassungsrechtliche Gebot, dass der Gesetzgeber die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen auch im Beamtenverhältnis durch das Gesetz selbst zu regeln hat und bereits aus dieser parlamentarischen Leitentscheidung erkennbar und vorhersehbar sein muss, was dem Beamten gegenüber zulässig sein soll (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 42). Über die Frage der Zulässigkeit von nicht sofort ablegbaren und äußerlich sichtbaren Erscheinungsmerkmalen - also insbesondere von Tätowierungen, Brandings oder Fleshtunnels - bei Beamten im sichtbaren Bereich - d.h. in dem Bereich, der bei vorgeschriebener Dienstkleidung oder üblicher Bekleidung von anderen Personen einsehbar ist - hat der Gesetzgeber nach Maßgabe der Anforderungen des Amtes selbst zu entscheiden. 19 Dementsprechend reicht eine - nach dem Wortlaut von Art. 75 Abs. 2 Satz 1 BayBG durchaus naheliegende bloße - Ermächtigung an die Exekutive, nähere Bestimmungen - etwa durch Verwaltungsvorschriften - zu treffen, nicht aus. Deshalb verletzt eine solche Auslegung der Vorschrift - wie sie das Berufungsgericht hier unter Heranziehung des Regelungsgehalts der Norm anhand einer Verwaltungsvorschrift aus dem Jahr 2000 vorgenommen hat - revisibles Recht, weil sie die erforderliche parlamentarische Leitentscheidung des Gesetzgebers auf die Exekutive verlagert. 20 3. Das angefochtene Berufungsurteil stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die vom Wortlaut des Art. 75 Abs. 2 Satz 1 BayBG in der Rechtsfolge auf eine Delegation an die oberste Dienstbehörde angelegte Regelung beschränkt sich auf den Erlass von Verwaltungsvorschriften für Dienstkleidung. Der im Jahr 2018 neu eingefügte Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG betrifft hingegen die nicht sofort ablegbaren Erscheinungsmerkmale, die beim Tragen der Dienstkleidung sichtbar sind. Für diese hat der Gesetzgeber - jedenfalls für Polizeivollzugsbeamte - im Gesetz selbst eine abschließende Entscheidung getroffen. Sie sind grundsätzlich untersagt. 21 Dies folgt für den Senat aus der Gesetzesbegründung zu Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG vom 27. März 2018 (LT-Drs. 17/21474). Sie spricht entscheidend dafür, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung von Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG die vom Senat im Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - (BVerwGE 160, 370 Rn. 33 ff. <42>) geforderte ""parlamentarische Leitentscheidung"" für Polizeivollzugsbeamte selbst getroffen hat. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der Gesetzgeber die Neuregelung in Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG im Jahr 2018 ausdrücklich und unter Bezugnahme auf die kompetenzrechtlichen Überlegungen des vorgenannten Senatsurteils geschaffen hat. Zum anderen und vor allem heißt es zur Begründung in der Landtagsdrucksache (LT-Drs. 17/21474, S. 1) wörtlich: ""Mit der Dienstkleidung und insbesondere der von Polizeivollzugsbeamten zu tragenden Uniform soll, neben einer Kennzeichnung der Ausstattung mit hoheitlichen Befugnissen, die Neutralität ihrer Träger zum Ausdruck gebracht werden. Diese wäre insbesondere bei Tätowierungen oder auffallendem Körperschmuck (Piercings, Ohrtunnel o.ä.) im sichtbaren Bereich beeinträchtigt. Individuelle Interessen müssen gegenüber der Notwendigkeit eines einheitlichen/neutralen Erscheinungsbilds zurücktreten."" Daraus folgt, dass der Gesetzgeber - jedenfalls für Polizeivollzugsbeamte, die zum Tragen von Dienstkleidung verpflichtet sind - selbst die Entscheidung über ein generelles Verbot für Tätowierungen und andere nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale in dem beim Tragen der Uniform sichtbaren Körperbereich getroffen hat. Das Amt eines hoheitlich tätigen Polizeivollzugsbeamten erfordert nach dem für den Senat maßgeblichen Regelungswillen des bayerischen Gesetzgebers, dass der einzelne Polizeivollzugsbeamte im beim Tragen von Dienstkleidung sichtbaren Körperbereich auf äußerlich erkennbare dauernde Körpermodifikationen grundsätzlich zu verzichten hat. 22 Das Verständnis von Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG als parlamentarische Leitentscheidung gegen beim Tragen von Dienstkleidung ""sonstige sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale"" wird durch die neuen Verwaltungsvorschriften zum ""Erscheinungsbild der Bayerischen Polizei"" in der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration vom 7. April 2020 (Bayerisches Ministerialblatt vom 29. April 2020 Nr. 229) im Ergebnis bestätigt. Dort heißt es unter Ziffer 4 Satz 1, den Gesetzesinhalt erläuternd, dass im Dienst - ausgenommen beim Dienstsport und bei Maßnahmen des behördlichen Gesundheitsmanagements - Tätowierungen, Brandings, Mehndis und Ähnliches nicht sichtbar sein dürfen. Nur ausnahmsweise darf davon in begründeten Einzelfällen zum Beispiel bei entsprechender dienstlicher Notwendigkeit abgewichen werden (ebenda Ziff. 7). 23 4. Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG genügt schließlich auch unter Berücksichtigung ggf. gewandelter gesellschaftlicher Verhältnisse im Hinblick auf Tätowierungen und andere äußere Körpermodifikationen den übrigen materiellen verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere an die Verhältnismäßigkeit der Regelung. 24 Die gesetzliche Regelung greift - wie bereits dargelegt - in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG der zur Tragung von Dienstkleidung verpflichteten Polizeivollzugsbeamten ein, indem sie ihnen verwehrt, sich an Kopf, Hals, Händen und Unterarmen tätowieren zu lassen oder diese Körperteile sonst dauerhaft äußerlich zu verändern. Sie beschränkt ihr von Art. 2 Abs. 1 GG umfasstes Recht, über die Gestaltung der äußeren Erscheinung an den vorgenannten Körperbereichen auch im Dienst eigenverantwortlich zu bestimmen (BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 - 2 C 3.05 - BVerwGE 125, 85 Rn. 15; BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Januar 1991 - 2 BvR 550/90 - NJW 1991, 1477). 25 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG steht unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung. Daher kann es aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden, das den Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes entspricht (dazu unter II. 1.) und inhaltlich hinreichend bestimmt ist (dazu unter II. 2.), wenn der Eingriff auf Gründe des Gemeinwohls gestützt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt (BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 - 2 BvL 43/92 u.a. - BVerfGE 90, 145 <171 f.> und Kammerbeschluss vom 19. Oktober 2016 - 2 BvR 1943/16 - NVwZ 2017, 229 Rn. 18; BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 - 2 C 3.05 - BVerwGE 125, 85 Rn. 17). 26 Mit der Dienstkleidung und insbesondere der von Polizeivollzugsbeamten zu tragenden Uniform wird, neben einer Kennzeichnung der Ausstattung mit hoheitlichen Befugnissen, die Neutralität ihrer Träger zum Ausdruck gebracht. Die Uniform ist sichtbares Zeichen dafür, dass die Individualität der Polizeivollzugsbeamten im Dienst hinter die Anforderungen des Amtes zurücktritt. Polizeiliche Maßnahmen sollen losgelöst von der Person der handelnden Beamten als hoheitliche Maßnahmen des Staates wahrgenommen werden (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 48). 27 Das Vertrauen in die Neutralität, Objektivität und Unparteilichkeit von Personen, die - wie Polizeivollzugsbeamte - hoheitliche Maßnahmen durchsetzen, hängt zu einem erheblichen Teil von dem Auftreten und dem äußeren Erscheinungsbild dieser Beamten ab. Auch nach außen hin müssen Polizeivollzugsbeamte deshalb - vergleichbar dem neutralen Auftreten von Richtern, Staatsanwälten, Rechtspflegern oder Rechtsreferendaren etwa während einer Verhandlung (vgl. z.B. § 31a Niedersächsisches Justizgesetz vom 12. Mai 2020, Nds. GVBl. S. 116; § 21 Abs. 3 des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen der ordentlichen Gerichtsbarkeit Baden-Württemberg in der Fassung des Gesetzes zur Neutralität bei Gerichten und Staatsanwaltschaften des Landes vom 23. Mai 2017, GBl. S. 265) - eine innere Haltung ausdrücken, die durch Neutralität, Distanz und Objektivität geprägt ist (vgl. z.B. Landtag von Baden-Württemberg, LT-Drs. 16/1954 vom 25. April 2017, S. 14 f.). 28 Nach Maßgabe von Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG erachtet der bayerische Gesetzgeber Tätowierungen an Kopf, Hals, Händen und Unterarmen eines zum Tragen von Dienstkleidung verpflichteten Polizeivollzugsbeamten als sonstige sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale als geeignet, die Neutralitätsfunktion der Uniform zu beeinträchtigen (vgl. LT-Drs. 17/21474 vom 27. März 2018, S. 1). Diese Entscheidung hat der Gesetzgeber getroffen, ohne dabei von unzureichenden tatsächlichen Erkenntnisgrundlagen ausgegangen zu sein. Die Gesetzesbegründung nimmt dafür auf Studien des Instituts für Demoskopie Allensbach (2014), der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern (2010) und Studien in den Ländern Niedersachsen und Rheinland-Pfalz (2001) sowie auf oberverwaltungsgerichtliche Entscheidungen und Literaturstellen Bezug und bewertet diese in eigener Verantwortung (LT-Drs. 17/21474 vom 27. März 2018). 29 Weitergehende verfassungsrechtliche Anforderungen an die Begründung der parlamentarischen Leitentscheidung bestehen angesichts des weiten Gestaltungsspielraums nicht, der dem Gesetzgeber bei Maßnahmen zur Gewährleistung des staatlichen Neutralitätsgebots zukommt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Staat Maßnahmen ergreifen darf, die die Neutralität seiner Amtsträger - gleich ob diese Polizeivollzugsbeamte oder Justizbedienstete sind - aus der Sichtweise eines objektiven Dritten unterstreichen sollen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2020 - 2 BvR 1333/17 - NJW 2020, 1049 Rn. 92). Dabei kann die Verpflichtung des Staates auf Neutralität keine andere sein als die Verpflichtung seiner Amtsträger auf Neutralität, denn der Staat kann nur durch Personen handeln (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2020 - 2 BvR 1333/17 - NJW 2020, 1049 Rn. 89 m.w.N.). 30 Zur gesetzlichen Untersagung nach § 45 HBG vom 27. Mai 2013 (GVBl. S. 218), während bestimmter Ausbildungsabschnitte des Rechtsreferendariats ein Kopftuch zu tragen, hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege setze voraus, dass gesellschaftliches Vertrauen nicht nur in die einzelne Richterpersönlichkeit, sondern in die Justiz insgesamt existiert. Dieses Vertrauen ist unabhängig vom konkreten Streitfall erforderlich und kann durch eine Vielzahl von Umständen gestärkt oder beeinträchtigt werden. Ein ""absolutes Vertrauen"" in der gesamten Bevölkerung wird zwar nicht zu erreichen sein. Dem Staat kommt insofern aber die Aufgabe der Optimierung zu. Diese verfolgt er derzeit u.a. - wie bereits hervorgehoben - durch strenge Formalisierungsbestimmungen (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2020 - 2 BvR 1333/17 - NJW 2020, 1049 Rn. 91). Nichts Anderes gilt für die Entscheidung des Gesetzgebers nach Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG über die Untersagung bestimmter sichtbarer und nicht sofort ablegbarer Erscheinungsmerkmale bei zum Tragen von Dienstkleidung verpflichteten Polizeivollzugsbeamten. 31 Schließlich streitet für die Regelung in Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG, dass es grundsätzlich dem Gesetzgeber obliegt, darüber zu entscheiden, wie er sich durch seine Polizeivollzugsbeamten im Dienst repräsentiert sehen will. Gefährdungen für die Repräsentations- und die Neutralitätsfunktion im Hinblick auf das äußere Erscheinungsbild können grundsätzlich auch Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Polizeivollzugsbeamten - hier durch das Verbot der auf Dauer angelegten äußeren Körpergestaltung durch Tätowierung an Kopf, Hals, Händen und Unterarmen - rechtfertigen (BVerwG, Urteile vom 2. März 2006 - 2 C 3.05 - BVerwGE 125, 85 Rn. 30 und vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 51). Entscheidend ist auch hier, dass der parlamentarische Gesetzgeber eine vertretbare Entscheidung trifft, die der gerichtlichen Kontrolle nur unter Berücksichtigung seines weiten Gestaltungsspielraums zugänglich ist. 32 An diesem Maßstab orientiert, ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass das in Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG normierte Verbot für Polizeivollzugsbeamte, sich an Kopf, Hals, Hände und Unterarmen tätowieren oder vergleichbar behandeln zu lassen, deren Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht verletzt. Diese Beschränkung des äußeren Erscheinungsbildes uniformierter Polizeivollzugsbeamter ist auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, weil sie geeignet und erforderlich ist, das vom Gesetzgeber vorgegebene Ziel, ein einheitliches und neutrales Erscheinungsbild seiner Polizei zu fördern, und die Grenzen des Zumutbaren für den einzelnen Polizisten wahrt. Denn dieser darf sich jenseits der beim Tragen der Dienstkleidung sichtbaren Körperbereiche - im Rahmen des gesetzlich Zulässigen (vgl. etwa § 86a Abs. 1 StGB) - unbeschränkt tätowieren lassen. 33 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2020-25,26.05.2020,"Pressemitteilung Nr. 25/2020 vom 26.05.2020 EN Zweckvaterschaftsanerkennung hindert nicht Familiennachzug der ausländischen Mutter zu ihrem minderjährigen deutschen Kind Der Ausschluss des Familiennachzugs bei zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken begründetem Verwandtschaftsverhältnis (§ 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG) ist nicht auf den Nachzug der leiblichen ausländischen Mutter zu ihrem minderjährigen Kind anwendbar, dessen deutsche Staatsangehörigkeit aus der rechtlich wirksamen Anerkennung durch einen deutschen Staatsangehörigen folgt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin, eine vietnamesische Staatsangehörige, reiste im Mai 2005 in das Bundesgebiet ein. Nach der Rücknahme eines Asylantrages wurde ihr Aufenthalt zunächst geduldet. Im Mai 2006 erkannte ein deutscher Staatsangehöriger die Vaterschaft für ihren seinerzeit noch ungeborenen Sohn an. In der Folgezeit wurde ihr eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt. Im November 2009 beantragte die Klägerin nach einem Umzug in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten dort die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft zwischen ihr und ihrem Sohn (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG). Wegen des Verdachts einer Vaterschaftsanerkennung allein aus aufenthaltsrechtlichen Gründen (Zweckvaterschaftsanerkennung) wurde der Antrag nicht beschieden. Ein behördlicher Vaterschaftsanfechtungsantrag wurde im Anschluss an die Feststellung der Nichtigkeit des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB a.F. durch das Bundesverfassungsgericht zurückgenommen. Auf die beim Verwaltungsgericht erfolglose Untätigkeitsklage hin hat der Verwaltungsgerichtshof die Beklagte zur auch rückwirkenden Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis verpflichtet. Die Ausschlussklausel des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG sei nicht auf den Nachzugsanspruch einer ausländischen Mutter zu ihrem deutschen Kind anzuwenden, das die deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund der Vaterschaftsanerkennung durch einen Deutschen erworben hat. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zur Unanwendbarkeit der Ausschlussklausel bestätigt. Der Senat hat offengelassen, ob § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG Vaterschaftsanerkennungen insgesamt nicht erfasst und den Familiennachzug nur bei Ehen, Lebenspartnerschaften und Adoptionen ausschließt, die allein der Ermöglichung des Aufenthalts im Bundesgebiet dienen. § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG ist jedenfalls dann nicht auf eine Vaterschaftsanerkennung anzuwenden, wenn diese nicht das Verwandtschaftsverhältnis zwischen nachzugswilligem Ausländer (hier: der Mutter) und dem im Deutschland lebenden Familienmitglied (hier: deren Sohn) begründet. Die Anerkennung der Vaterschaft eines Kindes durch einen Deutschen mit dem Ziel, der ausländischen Mutter des Kindes den Familiennachzug zu ermöglichen, begründet weder zwischen dem Anerkennenden und der ausländischen Mutter noch zwischen dieser und ihrem Kind ein Verwandtschaftsverhältnis i.S.d. § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG. BVerwG 1 C 12.19 - Urteil vom 26. Mai 2020 Vorinstanzen: VGH München, 19 BV 16.937 - Urteil vom 11. März 2019 - VG Ansbach, 5 K 14.428 - Urteil vom 24. März 2016 -","Urteil vom 26.05.2020 - BVerwG 1 C 12.19ECLI:DE:BVerwG:2020:260520U1C12.19.0 EN Zur Anwendung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG auf Zweckvaterschaftsanerkennungen Leitsätze: 1. Dem Ausschlussgrund des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG unterfällt nicht die Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses zwischen einem seine Vaterschaft ohne genetische Abstammung anerkennenden deutschen Staatsangehörigen und einem minderjährigen ledigen Kind mit dem Ziel, dessen ausländischer Mutter ein Aufenthaltsrecht zur Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu ermöglichen. 2. Die Erteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG wird durch die Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels nicht aufgehoben. 3. Anspruch im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 AufenthG ist nur ein strikter Rechtsanspruch, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und der voraussetzt, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind (Bestätigung von BVerwG, Urteile vom 16. Dezember 2008 - 1 C 37.07 - BVerwGE 132, 382 Rn. 21 und vom 17. Dezember 2015 - 1 C 31.14 - BVerwGE 153, 353 Rn. 20 ff.). 4. Ein Ausländer, dem nach Rücknahme eines Asylantrags eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt wurde, kann nach § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV die Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck vom Inland aus begehren. 5. Ein Ausländer, dessen Aufenthaltserlaubnis gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG fortgilt, ist jedenfalls dann im Sinne des § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, wenn ihm die Verlängerung der bisherigen Aufenthaltserlaubnis zugesichert worden ist. Rechtsquellen RL 2003/86/EG Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b, Abs. 4 Satz 1 AufenthG § 5 Abs. 2 Satz 1, § 10 Abs. 3 Satz 1 und 3 Halbs. 1 und 2, § 25 Abs. 5, § 27 Abs. 1 und 1a Nr. 1 Alt. 2, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG a.F. § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthV § 39 Satz 1 Nr. 1 AuslG § 30 Abs. 5 BGB § 1592 Nr. 2, § 1597a Abs. 1, § 1599 Abs. 1, § 1754 Abs. 1 und 2, § 1600b Abs. 1a BGB a.F. § 1600 Abs. 1 Nr. 5 StAG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 Halbs. 1 VwGO § 63 Nr. 4, § 162 Abs. 2 Satz 1 Instanzenzug VG Ansbach - 24.03.2016 - AZ: VG AN 5 K 14.00428 VGH München - 11.03.2019 - AZ: VGH 19 BV 16.937 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 26.05.2020 - 1 C 12.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:260520U1C12.19.0] Urteil BVerwG 1 C 12.19 VG Ansbach - 24.03.2016 - AZ: VG AN 5 K 14.00428 VGH München - 11.03.2019 - AZ: VGH 19 BV 16.937 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für den Zeitraum vom 6. November 2009 bis zum 21. März 2016 in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 24. März 2016 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. März 2019 sind insoweit wirkungslos. Im Übrigen wird die Revision der Beteiligten zu 2. zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen tragen die Klägerin zu 37 v.H., die Beklagte zu 42 v.H. und die Beteiligte zu 2. zu 21 v.H. Gründe I 1 Die im März 1983 geborene Klägerin ist vietnamesische Staatsangehörige. Sie begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit ihrem im September 2006 in Berlin geborenen Sohn. 2 Die Klägerin reiste im Mai 2005 in das Bundesgebiet ein. Nach der Rücknahme eines unter Alias-Personalien gestellten Asylantrags wurde ihr Aufenthalt zunächst von der Ausländerbehörde Berlin geduldet. Im Mai 2006 erkannte ein deutscher Staatsangehöriger die Vaterschaft für den seinerzeit noch ungeborenen Sohn der Klägerin an. 3 Im Oktober 2006 hatte die vormals zuständige Ausländerbehörde der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt, die in der Folge mehrfach, zuletzt bis zum 26. April 2015 durch die Beklagte verlängert wurde. Seither ist die Klägerin im Besitz von Fiktionsbescheinigungen nach § 81 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 AufenthG. 4 Nach ihrem Zuzug in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 6. November 2009 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Über diesen Antrag hat die Beklagte wegen des Verdachts, die Vaterschaftsanerkennung sei ausschließlich aufenthaltsrechtlich motiviert gewesen, keine Entscheidung getroffen. Ein behördlicher Vaterschaftsanfechtungsantrag wurde im Anschluss an die Feststellung der Nichtigkeit des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB a.F. zurückgenommen. 5 Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten begehrt hatte, ihr rückwirkend auf den 6. November 2009 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu erteilen, als unbegründet abgewiesen. Die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis sei nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen. Durch die Anerkennung der Vaterschaft sei ein Verwandtschaftsverhältnis mit dem Ziel begründet worden, der Mutter des Kindes einen erlaubten Aufenthalt zu vermitteln. Der sachliche Anwendungsbereich des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG erfasse auch missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen. 6 Auf die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof die Beklagte verpflichtet, der Klägerin rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Antragstellung am 6. November 2009 gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG, der eine Ausnahme von dem Grundsatz vorsehe, dass eine wirksame Vaterschaftsanerkennung nur dann unberücksichtigt bleiben könne, wenn sie erfolgreich angefochten worden sei, stehe der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Die Bestimmung sei auf die vorliegende Konstellation der Anerkennung einer Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Mutter weder unmittelbar noch analog anwendbar. 7 Die beteiligte Landesanwaltschaft (im Folgenden: Beteiligte zu 2.) führt zur Begründung der von ihr eingelegten Revision im Wesentlichen aus, das angefochtene Urteil verstoße gegen § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG. Die Norm finde Anwendung auch auf die streitgegenständliche Fallgestaltung der Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses zwischen einem seine Vaterschaft anerkennenden deutschen Staatsangehörigen und einem minderjährigen ledigen Kind mit dem Ziel, dessen ausländischer Mutter ein Aufenthaltsrecht zur Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu ermöglichen. § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG finde, wenn nicht unmittelbar, so doch jedenfalls analog Anwendung. 8 Die Beklagte schließt sich dem Vorbringen der Beteiligten zu 2. an. 9 Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs. § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG sei auf die streitgegenständliche Fallgestaltung nicht anwendbar. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Norm überhaupt auf Vaterschaftsanerkennungen Anwendung finde, da diese weder im Richtlinienrecht noch in der Begründung des Entwurfs des Richtlinienumsetzungsgesetzes Berücksichtigung gefunden hätten. In Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke scheide auch eine analoge Anwendung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG aus. 10 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren. Er schließt sich der Rechtsauffassung der Beklagten und der Beteiligten zu 2. an. 11 In der Revisionsverhandlung haben die Beteiligten den Rechtsstreit für den Erteilungszeitraum vom 6. November 2009 bis zum 21. März 2016 für in der Hauptsache erledigt erklärt. II 12 1. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit bezüglich des Erteilungszeitraums vom 6. November 2009 bis zum 21. März 2016 für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Im Umfang der Teilerledigung sind die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 24. März 2016 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. März 2019 wirkungslos (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO). 13 2. Im Übrigen hat die Revision der Beteiligten zu 2. keinen Erfolg. 14 2.1 Die Revision ist zulässig. Der Vertreter des öffentlichen Interesses ist gemäß § 63 Nr. 4 VwGO Beteiligter des Verfahrens, falls er - wie hier die Beteiligte zu 2. - von seiner Beteiligungsbefugnis bis zu dem Abschluss des Verfahrens bei dem Gericht Gebrauch macht, bei dem er bestellt ist. Unter dieser Voraussetzung kann er sämtliche Rechtsmittel, so auch Revision, einlegen (BVerwG, Urteil vom 25. August 1992 - 1 C 38.90 - BVerwGE 90, 337 <338 f.> und Beschluss vom 4. Mai 1999 - 4 C 1.99 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 223 S. 7). 15 2.2 Die Revision ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beruht, soweit es noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Klage ist zulässig (2.2.1), aber unbegründet (2.2.2). 16 2.2.1 Die als Untätigkeitsverpflichtungsklage statthafte Klage ist auch im Übrigen zulässig. Für den von dem Klageantrag noch erfassten Erteilungszeitraum ab dem 22. März 2016 verfügt die Klägerin insbesondere auch über das für die rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. 17 Ein Ausländer kann die Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und unabhängig davon, ob das Aufenthaltsrecht für einen späteren Zeitpunkt bereits zuerkannt worden ist oder nicht, auch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung nur beanspruchen, wenn er ein schutzwürdiges Interesse hieran hat. Ein solches schutzwürdiges Interesse besteht, wenn der Zeitpunkt, von welchem an das Aufenthaltsrecht zuerkannt wird, für die weitere aufenthaltsrechtliche Stellung des Ausländers erheblich sein kann (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2009 - 1 C 7.08 - Buchholz 402.242 § 9a AufenthG Nr. 1 Rn. 13 m.w.N.). 18 Gemessen daran kann dem noch streitgegenständlichen Erteilungszeitraum die Relevanz im Hinblick insbesondere auf die Erlangung eines qualifizierten Aufenthaltsstatus nicht von vornherein abgesprochen werden. 19 2.2.2 Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG rückwirkend ab dem 22. März 2016 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 20 Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist nach der Rechtsprechung des Senats bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 1 C 31.14 - BVerwGE 153, 353 Rn. 9). Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, sind vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, falls sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 27.14 - NVwZ 2016, 71 Rn. 10). Abweichendes gilt nur, wenn und soweit aus Gründen des materiellen Rechts ausnahmsweise auf einen anderen Zeitpunkt abzustellen ist, etwa bei Beantragung einer rückwirkenden Verpflichtung oder Neubescheidung. So verhält es sich hier: Da die Klägerin die Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen zurückliegenden Zeitraum begehrt, müssen dessen Voraussetzungen in dem gesamten betreffenden Zeitraum erfüllt gewesen sein. 21 Zutreffend hat der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen der besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 27 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bejaht (a). Auch seine Rechtsauffassung, der Ausschlussgrund des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG stehe der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hier nicht entgegen, steht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, dazu b). Der Erteilung steht ferner nicht die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegen; auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen (§ 5 Abs. 1 und 2 AufenthG) liegen vor (c). 22 a) Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Klägerin die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 27 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erfüllt. 23 Insbesondere ist der Sohn der Klägerin deutscher Staatsangehöriger. Er hat die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG durch Geburt erworben, da sein rechtlicher Vater gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und seine Vaterschaft im Einklang mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 StAG wirksam anerkannt hatte. Eine nachträgliche Beseitigung dieses Staatsangehörigkeitserwerbs durch eine erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung, an der es zudem auch fehlt, ist nach geltendem Recht nicht möglich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 zur Verfassungswidrigkeit der sogenannten Behördenanfechtung; siehe ferner BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2019 - 2 BvR 1327/18 - InfAuslR 2019, 390 zur staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgenlosigkeit der Anfechtung durch den rechtlichen Vater). 24 b) Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG sei jedenfalls auf die hier vorliegende Fallgestaltung der Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses zwischen einem seine Vaterschaft anerkennenden deutschen Staatsangehörigen und einem minderjährigen ledigen Kind mit dem Ziel, dessen ausländischer Mutter ein Aufenthaltsrecht zur Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu ermöglichen, nicht anwendbar, steht im Ergebnis im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). 25 Gemäß § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG wird ein Familiennachzug nicht zugelassen, wenn feststeht, dass das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. 26 aa) Der Senat erachtet es als schon fraglich, ob durch eine Vaterschaftsanerkennung, welche im Sinne des § 1597a Abs. 1 BGB gezielt gerade zu dem Zweck erfolgt, die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt zu schaffen (missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft), ein Verwandtschaftsverhältnis im Sinne des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG begründet wird (die Anwendbarkeit der Norm dem Grunde nach verneinend VGH München, Beschluss vom 20. Oktober 2015 - 19 C 15.820 - NJW 2016, 664 Rn. 3; OVG Münster, Urteil vom 23. August 2012 - 18 A 537/11 - FamRZ 2013, 1338 <1339 und 1340>; VG Düsseldorf, Urteil vom 7. Dezember 2016 - 7 K 9434/16 - juris Rn. 54 ff.; a.A. VGH Mannheim, Beschluss vom 4. November 2014 - 11 S 1886/14 - InfAuslR 2015, 45; OVG Koblenz, Urteil vom 6. März 2008 - 7 A 11276/07 - FamRZ 2009, 511 <512>; VG Magdeburg, Urteil vom 29. August 2018 - 2 A 24/16 - juris Rn. 32). 27 Zwar steht der Wortlaut der Vorschrift mit seiner zweiten Alternative einer Anwendung des Ausschlusstatbestandes auf missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen - sogenannte Zweckvaterschaften - bei isolierter Betrachtung nicht entgegen (s. auch unten bb) (1) (a)). In der Begründung des Gesetzentwurfs werden jedoch ausschließlich die Fälle der Zweckehe oder Zweckadoption angesprochen (BT-Drs. 16/5065, S. 170). Dem entspricht, dass der Gesetzgeber mit der Regelung, die mit dem Gesetz vom 19. August 2007 zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (BGBl. I S. 1970, ber. BGBl. 2008 I S. 992) eingeführt worden ist, in erster Linie Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. L 251 S. 12) umsetzen wollte. In deren Anwendungsbereich (dem Nachzug zu Drittstaatsangehörigen) war er bei der Umsetzung von Versagungsgründen auf die dort genannten Tatbestände Zweckehe bzw. -lebenspartnerschaft und Zweckadoption beschränkt. Soweit die Regelung auf den - von der Richtlinie nicht erfassten - Familiennachzug von Ehegatten zu Deutschen erstreckt worden ist, wurde auch hier zur Begründung lediglich darauf hingewiesen, dass ""hier gleichfalls die Gefahr besteht, dass Zweckehen geschlossen werden; hinsichtlich der Zweckadoptionen entfaltet die Regelung ungeachtet der Frage der Anerkennungsfähigkeit der betreffenden Auslandsadoptionen Signalwirkung"" (BT-Drs. a.a.O.). Hier wie auch im Übrigen enthält die Entwurfsbegründung keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber dem Ausschlussgrund für den Familiennachzug zu Deutschen einen weitergehenden Anwendungsbereich zukommen lassen wollte, der auch die rein aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung umfasst. Im Zusammenhang mit den Gesetzesmaterialien des parallel beratenden Gesetzes vom 13. März 2008 zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft (BGBl. I S. 313) spricht dies eher dafür, dass der Gesetzgeber Zweckvaterschaftsanerkennungen seinerzeit ausschließlich familienrechtlich durch deren behördliche Anfechtung begegnen wollte. Den Materialien beider Gesetze lassen sich keine belastbaren Hinweise darauf entnehmen, dass § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG in Bezug auf missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen gleichsam eine ausländerrechtliche ""Reservefunktion"" zukommen sollte (s. auch unten bb) (1) (c)). Vielmehr spricht Überwiegendes dafür, dass Zweckvaterschaftsanerkennungen im Wege der Anfechtung rechtsgebietsübergreifend die Tatbestandswirkung genommen werden sollte (s. auch unten bb) (1) (d)). 28 bb) Jedenfalls unterfällt dem Ausschlussgrund des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG nicht die Fallgestaltung der Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses zwischen einem seine Vaterschaft ohne genetische Abstammung anerkennenden deutschen Staatsangehörigen und einem minderjährigen ledigen Kind mit dem Ziel, dessen ausländischer Mutter ein Aufenthaltsrecht zur Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu ermöglichen. Die Norm findet insoweit weder unmittelbar ((1)) noch analog ((2)) Anwendung. 29 (1) Gegen eine unmittelbare Anwendung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG auf die streitgegenständliche Fallgestaltung streiten die grammatische ((a)), systematische ((b)), historisch-genetische ((c)) und teleologische ((d)) Auslegung der Norm. 30 (a) Bereits der Wortlaut des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG und dessen unmittelbarer Bezug zu § 27 Abs. 1 AufenthG lassen ein Normverständnis, zwischen dem die Vaterschaft anerkennenden deutschen Staatsangehörigen und dem Kind der den Nachzug begehrenden Ausländerin werde ein Verwandtschaftsverhältnis im Sinne des Ausschlussgrundes begründet, fernliegend erscheinen. 31 Durch den Begriff ""Familiennachzug"" und die Bezeichnung der familiären Beziehung in § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG mit dem bestimmten Artikel (""die"" Ehe, ""das"" Verwandtschaftsverhältnis) werden die in § 27 Abs. 1 AufenthG bestimmten und in den §§ 28 ff. AufenthG konkretisierten familiären Beziehungen aufgegriffen. Die in § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG nachfolgende Formulierung ""dem Nachziehenden"" ist im Kontext der Norm auf den die Einreise und den Aufenthalt zum Zwecke des Familiennachzuges begehrenden Ausländer bezogen. § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG schließt ein Nachzugsbegehren nach Maßgabe des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft des ausländischen Elternteils mit seinem minderjährigen ledigen deutschen Kind im Bundesgebiet allenfalls dann aus, wenn feststeht, dass das Verwandtschaftsverhältnis zwischen jenem und diesem ausschließlich zu dem Zweck begründet wurde, jenem die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Verwandtschaftsverhältnis im Sinne des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG ist somit allein die zwischen dem Nachziehenden und dem Stammberechtigten begründete verwandtschaftliche Beziehung. Teil dieser Beziehung ist nicht der die Vaterschaft des ausländischen Kindes der den Nachzug begehrenden Ausländerin anerkennende deutsche Staatsangehörige. 32 (b) Gegen eine Erstreckung auf Verwandtschaftsverhältnisse, die durch ein Vaterschaftsanerkenntnis begründet worden sind, auch in Fällen, in denen dieses Verhältnis nicht zwischen dem nachzugswilligen und zusammenführenden Familienangehörigen begründet worden ist, streitet auch das Ziel der Regelung, Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 Alt. 2 Buchst. b RL 2003/86/EG umzusetzen (s.o. 2.2.2. b) aa)). Die Nutzung des Begriffs des Verwandtschaftsverhältnisses in § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG kann terminologisch zwar auch solche Beziehungen umfassen, die durch Vaterschaftsanerkennung und nicht (allein) durch Ehe, Lebenspartnerschaft oder Adoption begründet worden sind. Eine derart überschießende Umsetzung in der Weise, die über eine Erweiterung des personellen Anwendungsbereichs auf den Familiennachzug zu deutschen Stammberechtigten hinaus sachlich dem Grunde nach durch Vaterschaftsanerkennung begründete Verwandtschaftsverhältnisse erfasste, änderte nichts daran, dass auch Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 Alt. 2 Buchst. b RL 2003/86/EG im Ansatz auf das Verhältnis zwischen Zusammenführenden und dem einen Familiennachzug begehrenden Familienangehörigen abstellt (s.a. Art. 2 Buchst. c RL 2003/86/EG); die Erstreckung auf ein ""Dreiecksverhältnis"" der vorliegenden Art bewirkte eine zusätzliche, durch die Nutzung des Begriffs ""Verwandtschaftsverhältnis"" nicht vorgezeichnete Erweiterung. 33 (c) Ein jedenfalls auf die Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses zwischen nachzugswilliger und zusammenführender Person begrenztes Verständnis des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG spiegelt sich auch in der Begründung des Entwurfs des Gesetzes vom 19. August 2007 zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (BGBl. I S. 1970, ber. BGBl. 2008 I S. 992) wider. 34 Danach sollte unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2003/86/EG durch § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ausdrücklich ein Ausschlussgrund für den Familiennachzug im Falle einer Zweckehe oder Zweckadoption normiert werden, um den Anreiz zu nehmen, Zweckehen zu schließen oder Zweckadoptionen vorzunehmen und um mit dem ausdrücklichen Ausschluss von Zweckadoptionen für die Erlangung eines Aufenthaltsrechts Formen des ""Handels"" mit Kindern aus Armutsregionen zu bekämpfen. Die Regelung sollte auf den Familiennachzug von Ehegatten zu Deutschen erstreckt werden, da hier gleichfalls die Gefahr bestehe, dass Zweckehen geschlossen würden; hinsichtlich der Zweckadoptionen entfalte die Regelung ungeachtet der Frage der Anerkennungsfähigkeit der betreffenden Auslandsadoptionen Signalwirkung (BT-Drs. 16/5065 S. 170; BT-Drs. 16/5498 S. 4 f.). 35 Bereits die Frage, ob ein nach nationalem Recht durch Vaterschaftsanerkennung begründetes Verwandtschaftsverhältnis dem Grunde nach von § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG erfasst wird, war nicht erkennbar Gegenstand von Erörterungen im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens. Dies hätte indes ob der ""Vorarbeiten"" für den parallel beratenen Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft (vgl. insoweit den Bericht einer Länder-Arbeitsgruppe für die Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister- und -senatoren der Länder am 5./6. Dezember 2002 in Bremen zum Thema ""Vaterschaftsanerkennungen zu Zwecken der Erlangung eines Aufenthaltstitels bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit"", https://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/2002-12-06/anlagen-12.pdf?__blob=publicationFile&v=2, S. 5, 7 und 8) nahegelegen und wäre zur Klärung des Verhältnisses der behördlichen Vaterschaftsanfechtung und des Ausschlusses nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG zu erwarten gewesen. Dies gilt umso mehr, als auch die hier streitgegenständliche Konstellation ausdrücklich Gegenstand des Gesetzes vom 13. März 2008 zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft (BGBl. I S. 313) war. Dass die Bundesregierung im Rahmen des Gesetzentwurfs in anderen Zusammenhängen wiederholt und ausdrücklich auf den parallel beratenen Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft hingewiesen hat (BT-Drs. 16/5065 S. 158, 191, 207), belegt, dass sich der Gesetzgeber der mit missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen verbundenen aufenthaltsrechtlichen Folgen voll bewusst war. Gleichwohl fehlt in der Begründung des Gesetzentwurfes zu § 27 Abs. 1a AufenthG schon jeder Hinweis darauf, dass auch durch familienrechtlich weiterhin wirksame Vaterschaftsanerkennungen begründete Verwandtschaftsverhältnisse erfasst sein sollten; erst recht hätte die erweiternde Erstreckung auf durch Vaterschaftsanerkennung begründete, weiterhin wirksame Verwandtschaftsverhältnisse, die nicht zwischen nachzugswilligen und zusammenführenden Familienangehörigen begründet worden sind, einen hinreichend erkennbaren Niederschlag finden müssen. Dies ist indes nicht erfolgt. 36 Bekräftigt wird diese Auslegung durch die Begründung des Entwurfs zu § 1600b Abs. 1a BGB, ausweislich derer der sorgeberechtigte ausländische Elternteil eines durch einen Deutschen anerkannten Kindes den Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ""nur und erst dann [verliert], wenn eine Anfechtungsklage erhoben wird und diese Erfolg hat"" (BT-Drs. 16/3291 S. 15). Hätte der Gesetzgeber dem Familiennachzug der ausländischen Mutter eines durch einen Deutschen anerkannten Kindes nicht nur im Wege einer mit dem parallel beratenen Gesetzgebungsvorhaben geschaffenen behördlichen Vaterschaftsanfechtung entgegentreten, sondern jenen - in Abkehr von der vorstehenden Entwurfsbegründung - zusätzlich aufenthaltsrechtlich durch § 27 Abs. 1a AufenthG ausschließen wollen, so wäre ein ausdrücklicher Hinweis in der Gesetzesbegründung zu § 27 Abs. 1a AufenthG angezeigt gewesen. 37 Die vor der Verabschiedung des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft am 13. März 2008 ergangenen Hinweise des Bundesministers des Innern zu den wesentlichen Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) (Hinweise zum Richtlinienumsetzungsgesetz; Stand: 18. Dezember 2007, https://www.einwanderer.net/fileadmin/downloads/Zuwanderungsgesetz/BMI_HinweiseAendGesetzDez._07.pdf) und die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz führen im Rahmen der historisch-genetischen Auslegung zu keinem anderen Ergebnis. Ziff. 27.1.2 AVwV-AufenthG lässt deutlich werden, dass im Fokus des Gesetzgebers die Bekämpfung unter anderem von Zweckadoptionen stand. Zwar erklärt Ziff. 27.1a.1.3 Satz 1 AVwV-AufenthG, der Rn. 183 Satz 1 der vorzitierten Hinweise zum Richtlinienumsetzungsgesetz entspricht, § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG in Bezug auf ein durch missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung begründetes Kindschaftsverhältnis ebenfalls für anwendbar; Ziff. 27.1a.1.3 Satz 2 bis 5 AVwV-AufenthG hebt indes die Pflicht zur Beachtung des Verfahrens der behördlichen Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB a.F. hervor. Die in Ziff. 27.1a.1.3 Satz 6 bis 8 AVwV-AufenthG thematisierte Reservefunktion des Ausschlussgrundes des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG spiegelt eine dem Gesetzesbeschluss nachfolgende, behördliche Auslegung dieser Norm; einen erkennbaren Anknüpfungspunkt in der Gesetzesbegründung oder dem Gesetzgebungsverfahren hat sie nicht. 38 Keine abweichende Betrachtung ermöglicht der durch das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft neugefasste § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG a.F. Hiernach war für den Fall, dass ein Ausländer, der in einem Verfahren beteiligt war, welches die Anfechtung der Vaterschaft nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB a.F. zum Gegenstand hatte, die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels beantragte, die Entscheidung über den Aufenthaltstitel bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle einer gerichtlichen Entscheidung bis zu deren Rechtskraft auszusetzen, ""es sei denn, über den Aufenthaltstitel kann ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens entschieden werden"". Mit § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG a.F. hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, rechtswirksame Zweckvaterschaftsanerkennungen, die er auch aufenthaltsrechtlich als verbindlich betrachtet hat, einem behördlichen Anfechtungsverfahren unterwerfen und der Ausländerbehörde die Beachtung der familiengerichtlichen Entscheidung aufgeben zu wollen (vgl. BT-Drs. 16/3291 S. 16). Der letzte Halbsatz des § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG a.F. spricht indes gerade nicht für die Annahme, § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG sei auch auf die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung anwendbar (a.A. VGH Mannheim, Beschluss vom 4. November 2014 - 11 S 1886/14 - FamRZ 2015, 1066 <1068>). Denn eine ablehnende Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels kommt auch aus anderen, mit dem Anfechtungsverfahren nicht in Zusammenhang stehenden Gründen, etwa im Falle der Nichterfüllung sonstiger Erteilungsvoraussetzungen oder dem Vorliegen von Versagungsgründen in Betracht (vgl. zu § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG a.F. VGH München, Beschluss vom 30. März 2007 - 24 CS 06.856 - BeckRS 2007, 29599 Rn. 6). 39 Für die historisch-genetische Auslegung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG unerheblich ist, dass das Bundesverfassungsgericht die behördliche Befugnis zur Vaterschaftsanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB a.F. für nichtig erklärt hat (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48). Maßgeblich ist insoweit allein die Sichtweise des Gesetzgebers bei Erlass der Norm (a.A. VGH Mannheim, Beschluss vom 4. November 2014 - 11 S 1886/14 - FamRZ 2015, 1066 <1068>). 40 (d) Auch die erkennbare Zielsetzung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG, bei Begründung familienrechtlicher Verhältnisse allein aus aufenthaltsrechtlichen Gründen nicht nur einen Aufenthaltstitel zum Familiennachzug, sondern einen hieran anknüpfenden Aufenthalt insgesamt auszuschließen, spricht jedenfalls gegen eine Erstreckung auf Vaterschaftsanerkennungen, die nicht zwischen nachzugswilligen und zusammenführenden Familienangehörigen begründet worden sind. 41 § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG verfolgt den Zweck, den Anreiz entfallen zu lassen, Zweckehen zu schließen oder Zweckadoptionen vorzunehmen, um ein hierauf gestütztes Aufenthaltsrecht zu erlangen (BT-Drs. 16/5065 S. 170; BT-Drs. 16/5498 S. 4 f.). Ein entsprechendes Ziel wäre in Bezug auf Zweckvaterschaftsanerkennungen in der streitgegenständlichen Fallgestaltung nicht wirksam zu erreichen. Im Unterschied zu Zweckehen oder -adoptionen, aus denen den den Nachzug begehrenden Ausländern in aller Regel kein Aufenthaltsrecht erwächst, entfiele der Anreiz für eine ausländische Mutter, eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung zu betreiben, durch die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug im Regelfall nicht, da jener infolge der deutschen Staatsangehörigkeit ihres Kindes oftmals mit Blick auf die familiäre Lebensgemeinschaft mit diesem ein anderweitiges Bleiberecht zu erteilen ist. 42 Gerade dieser Tatsache entsprach die systematisch-konzeptionelle Entscheidung des Gesetzgebers für ein familienrechtliches Vaterschaftsanfechtungsverfahren. In Anerkennung des Umstands, dass das Abstammungsrecht ""wegen seiner Tatbestandswirkung in einer Vielzahl von Rechtsgebieten eines besonders hohen Maßes an Rechtssicherheit"" bedürfe und dem ""Gedanke[n] der Einheit der Rechtsordnung hier eine besondere Bedeutung"" zukomme, zielte die Einführung eines Anfechtungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch auf die ""Stärkung des Grundsatzes, familienrechtliche Statusentscheidungen auch für das Staatsangehörigkeits- und Ausländerrecht gelten zu lassen"" (BT-Drs. 16/3291 S. 12). Im Vergleich zu der ausländerrechtlichen Nichtzulassung des Familiennachzuges nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG bot die Beseitigung der Tatbestandswirkung im Wege der Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung aus der damaligen Perspektive des Gesetzgebers ""im Sinne eines überwiegenden Gemeininteresses"" (BT-Drs. 16/3291 S. 11 f.) ""einen sachgerechten"" und insbesondere rechtsgebietsübergreifenden ""Lösungsansatz"" (BT-Drs. 16/3291 S. 11). 43 (2) Nach dem Vorstehenden scheidet auch eine analoge Anwendung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG auf die Konstellation der Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses zwischen einem seine Vaterschaft anerkennenden deutschen Staatsangehörigen und einem minderjährigen ledigen Kind mit dem Ziel, dessen ausländischer Mutter ein Aufenthaltsrecht zur Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu ermöglichen, aus, da es jedenfalls an der insoweit erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehlt. 44 Dass es der Gesetzgeber planwidrig unterlassen hat, die betreffende Fallgestaltung einer Regelung in § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG zuzuführen, lässt sich im Lichte der vorstehenden Ausführungen nicht feststellen. Die Entstehungsgeschichte weder des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft noch des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union liefert verlässliche Anknüpfungspunkte, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, die streitgegenständliche Fallgestaltung der Nichtzulassung des Familiennachzuges im Sinne des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG zu unterwerfen. Derartiger Anknüpfungspunkte hätte es indes gerade vor dem Hintergrund der mit der Einführung eines Anfechtungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch verfolgten ""Stärkung des Grundsatzes, familienrechtliche Statusentscheidungen auch für das Staatsangehörigkeits- und Ausländerrecht gelten zu lassen"" (BT-Drs. 16/3291 S. 12), bedurft. 45 c) Bezogen auf den hier noch streitgegenständlichen Zeitraum ab dem 22. März 2016, steht der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG nicht die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegen; auch sind die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen erfüllt. 46 Zwar darf der Klägerin, die im Oktober 2005 ihren Asylantrag zurückgenommen hat, gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Kapitels 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden (aa). Die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG findet gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG indes hier wegen des Bestehens eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung (bb). 47 aa) § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG sperrt unter anderem im Falle der Rücknahme eines Asylantrags die Erteilung solcher Aufenthaltstitel, die nicht in Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes normiert sind. Er steht daher grundsätzlich einer Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug vom Inland aus entgegen. 48 Diese Erteilungssperre für solche anderen Zwecken dienende Aufenthaltserlaubnisse wird durch die Erteilung und Verlängerung eines humanitären Aufenthaltstitels, hier einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, nicht aufgehoben (so bereits OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Juni 2011 - 2 B 2.10 - juris Rn. 34 ff.; ebenso Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 10 Rn. 40). 49 Dafür spricht schon der Wortlaut des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Die Formulierung (""nur"", ""vor der Ausreise"") legt nahe, dass die von der Regelung erfassten Ausländer bis zu einer Erfüllung ihrer Ausreisepflicht auf Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes verwiesen sein sollen. 50 Diese Auslegung wird durch den Sinn und Zweck der Norm bestätigt, im Interesse der effektiven Steuerung des Zuzugs von Ausländern in das Bundesgebiet den Anreiz für die Schaffung von Bleiberechten nach negativem Abschluss eines Asylverfahrens zu reduzieren (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 - 1 C 16.17 - BVerwGE 162, 349 Rn. 27). Ausländer, die, ohne zuvor das Visumverfahren beschritten zu haben, im Bundesgebiet Asyl oder internationalen Schutz beantragt haben, sollen im Falle der Erfolglosigkeit der Antragstellung im Grundsatz für die Verfolgung eines nicht humanitären Aufenthaltszwecks auf das gesetzlich vorgesehene Zuzugsverfahren verwiesen werden. Die vorstehenden Ziele würden weitgehend entwertet, würde den betreffenden Ausländern der Wechsel in einen anderen Aufenthaltszweck ohne vorherige Erfüllung ihrer Ausreisepflicht generell ermöglicht. Das Asylverfahren könnte verstärkt zur Umgehung des Visumverfahrens genutzt werden. Der Aufenthaltserlaubnis zu humanitären Zwecken käme die ihr vom Gesetzgeber nicht zugewiesene Funktion eines ""Eingangstores"" für die Verfolgung anderer Aufenthaltszwecke zu, bei dessen Erteilung nicht vornehmlich humanitäre Gesichtspunkte, sondern mit starkem Gewicht auch ordnungsrechtliche Aspekte zu berücksichtigen wären (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. April 2010 - 1 C 5.09 - BVerwGE 136, 284 <288 f.>). 51 bb) Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 AufenthG findet § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung ((1)). Ein solcher steht der Klägerin für den hier noch in Streit stehenden Zeitraum ab dem 22. März 2016 zu ((2)). 52 (1) Der Begriff des Anspruchs auf Erteilung bezeichnet wie in § 10 Abs. 1 AufenthG allein den gesetzlichen Anspruch, mithin einen strikten Rechtsanspruch, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und der voraussetzt, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Nur dann hat der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung über das zu erteilende Aufenthaltsrecht getroffen. § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 AufenthG hätte es nicht bedurft, wenn auch Regelansprüche oder Ansprüche auf Grund von Soll-Vorschriften dem Begriff des Anspruchs im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 AufenthG unterfielen. Ebenso wenig liegt ein Anspruch im vorstehenden Sinne im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null vor (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - 1 C 37.07 - BVerwGE 132, 382 Rn. 21; OVG Lüneburg, Beschluss vom 5. September 2017 - 13 LA 129/17 - BeckRS 2017, 124304 Rn. 14 ff.; vgl. ferner BVerwG, Urteile vom 10. Dezember 2014 - 1 C 15.14 - Buchholz 402.242 § 5 AufenthG Nr. 16 Rn. 15 zu § 39 Nr. 5 AufenthV, vom 17. Dezember 2015 - 1 C 31.14 - BVerwGE 153, 353 Rn. 20 ff. und vom 12. Juli 2016 - 1 C 23.15 - Buchholz 402.242 § 10 AufenthG Nr. 6 Rn. 21 m.w.N., jeweils zu § 10 Abs. 1 AufenthG). Für eine einschränkende Auslegung der Regelung durch höherrangiges Recht (Art. 20 AEUV, Art. 6 GG, Art. 8 EMRK) belässt § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 AufenthG keinen Raum. Einer solchen bedarf es auch nicht, da die beschränkte Erteilungssperre nur bis zur Erfüllung der Ausreisepflicht gilt und dem Ausländer, sofern ihm die Ausreise im Einzelfall unmöglich oder unzumutbar ist, die Fortsetzung seines Aufenthalts auf der Grundlage eines humanitären Aufenthaltstitels grundsätzlich nicht versperrt ist. 53 (2) Ein solcher Anspruch liegt hier in Gestalt von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG vor, da die Klägerin jedenfalls seit dem 22. März 2016 sämtliche zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllte. Ein Ausweisungsinteresse wegen der Verurteilung der Klägerin wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei im Jahre 2007 war in dem nunmehr geltend gemachten Erteilungszeitraum ab dem 22. März 2016 nicht mehr aktuell. Der Erteilung stand insbesondere auch nicht die mangelnde Durchführung eines Visumverfahrens im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG entgegen, da der Klägerin die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV vom Inland aus erteilt werden darf. Nach dieser Vorschrift kann ein Ausländer über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn er ein nationales Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Diese Voraussetzungen waren in der Person der Klägerin am 22. März 2016, dem hier materiell-rechtlich maßgeblichen Zeitpunkt, erfüllt. Eine nach § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend geltende Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG genügt dazu jedenfalls dann, wenn deren Verlängerung nicht in Streit steht und von der Ausländerbehörde zugesichert worden ist. 54 (a) § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV findet auch für den Fall Anwendung, dass dem Ausländer nach Rücknahme eines Asylantrages zunächst eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt wurde und dieser nunmehr die Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG begehrt (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. März 2019 - 11 B 5.17 - juris Rn. 41; VG Aachen, Urteil vom 10. Februar 2010 - 8 K 2258/08 - juris Rn. 24 f.; a.A. VG Potsdam, Urteile vom 12. Januar 2016 - 8 K 2622/14 - juris Rn. 25 und vom 31. Mai 2017 - 8 K 2926/14 - juris Rn. 20). 55 Die fehlende Erfüllung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG bei der ursprünglichen Einreise steht in den Fällen der Nr. 1 einem Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels nicht entgegen (BR-Drs. 731/04 S. 182). Macht die Ausländerbehörde von der ihr im Zuge der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG eröffneten Möglichkeit eines Absehens von der Verweisung des Ausländers auf das Visumverfahren Gebrauch und erteilt sie diesem nicht allein eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG, sondern legalisiert sie dessen Aufenthalt, so verbleibt für eine einschränkende Anwendung des § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV mit dem Ziel, das Erfordernis der Zuzugssteuerung nicht zu entwerten, kein Raum. 56 Der Wortlaut der Norm liefert für ein solches einschränkendes Normverständnis keinen Anhaltspunkt. Danach darf der Ausländer einen Aufenthaltstitel vom Inland auch dann einholen, wenn er eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, ohne dass insoweit bestimmte Aufenthaltszwecke ausgenommen wären (VG Aachen, Urteil vom 10. Februar 2010 - 8 K 2258/08 - juris Rn. 24; VG Schleswig, Urteil vom 25. September 2017 - 1 A 106/14 - UA S. 11). 57 Für ein weites Verständnis des § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV streitet auch die Systematik der Norm. Eine Konkretisierung des zu beantragenden Aufenthaltstitels ist § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV im Gegensatz etwa zu § 39 Satz 1 Nr. 3 und 7 bis 11 AufenthV nicht zu entnehmen. 58 Sinn und Zweck des § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV stützen dieses Verständnis. Danach soll derjenige, der im Bundesgebiet bereits rechtmäßig aufhältig ist, regelmäßig nicht mehr auf ein Visumverfahren verwiesen werden. Eine abweichende Behandlung von Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG drängt sich nicht auf, zumal diesen eine Ausreise voraussetzungsgemäß aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist. 59 Der Verordnungsbegründung sind ebenfalls Anhaltspunkte für ein einschränkendes Normverständnis nicht zu entnehmen. § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV macht das Einholen des Aufenthaltstitels vom Bundesgebiet aus allein von der ""Ansässigkeit"" des Ausländers im Bundesgebiet und dem Besitz eines der in der Vorschrift genannten Aufenthaltstitels abhängig. Unerheblich ist, ob der Ausländer ursprünglich erlaubt eingereist ist. Dabei standen dem Verordnungsgeber explizit Inhaber humanitärer Aufenthaltstitel vor Augen (BR-Drs. 731/04 S. 182). Dafür, dass die Norm planwidrig zu weit gefasst und damit einer teleologischen Reduktion zugänglich wäre, ist bei diesem Befund nichts ersichtlich. 60 (b) Dass sich die Klägerin nach dem Ablauf der Geltungsdauer der ihr erteilten Aufenthaltserlaubnis nurmehr im Besitz einer Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG befindet, steht der Anwendung des § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV nicht entgegen. 61 In Rechtsprechung und Schrifttum wird die Frage, ob auch die Fortbestehensfiktion, der bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über die Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels eine allein rechtswahrende, nicht hingegen auch rechtsbegründende Funktion zukommt, den Tatbestand des § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV ausfüllt, unterschiedlich beurteilt (vgl. etwa OVG Schleswig, Beschluss vom 9. Februar 2016 - 4 MB 6/16 - juris Rn. 13; VGH Kassel, Beschluss vom 28. Oktober 2019 - 7 B 1729/19 - InfAuslR 2020, 157 <158 f.>; ferner Engels, in: Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand: 1. Januar 2020, § 39 AufenthV Rn. 3 f.; Funke-Kaiser, in: Fritz/Vormeier - Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, Stand: September 2018, § 5 AufenthG Rn. 112). 62 Jedenfalls in einer Konstellation wie der vorliegenden, in der ungeachtet des Vorliegens der Erteilungsvoraussetzungen und des Fehlens von Versagungsgründen zwar nicht die Neuerteilung der beantragten, wohl aber die Verlängerung der vormaligen Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörde zugesichert worden ist, ist der Ausländer so zu behandeln, als wäre er weiterhin im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 AufenthV im Besitz der als fortgeltend fingierten Aufenthaltserlaubnis. In einer solchen Fallgestaltung rechtfertigt es allein der Umstand, dass die Ausländerbehörde über einen fristgerecht gestellten Antrag ohne zureichenden Grund nicht entscheidet, nicht, dem Ausländer den Nichtbesitz einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV entgegenzuhalten (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Februar 2020, § 81 AufenthG Rn. 32; Kluth, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1. November 2019, § 81 Rn. 34). 63 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Sie berücksichtigt sowohl hinsichtlich des übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärten Teils als auch hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils der Klage die Erfolgsaussichten bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses bzw. das jeweilige Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten (vgl. zur Kostentragungspflicht des Vertreters des öffentlichen Interesses BVerwG, Urteil vom 11. November 1993 - 3 C 45.91 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 19 S. 23 f. m.w.N.)" bverwg_2020-26,28.05.2020,"Pressemitteilung Nr. 26/2020 vom 28.05.2020 EN Briefporto für Standardbriefe rechtswidrig Die Erhöhung des Entgelts für die Beförderung von Standardbriefen von 0,62 € auf 0,70 € für den Zeitraum von 2016 bis 2018 war rechtswidrig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Die Bundesnetzagentur hat der beigeladenen Deutschen Post AG die beantragten Erhöhungen der Entgelte für verschiedene Standardbriefdienstleistungen für den Zeitraum von 2016 bis 2018 genehmigt (sog. Price-Cap-Verfahren). Die beklagte Bundesrepublik ist verfassungs- und unionsrechtlich verpflichtet sicherzustellen, dass diese Leistungen flächendeckend im gesamten Bundesgebiet in einer bestimmten Qualität und zu erschwinglichen Preisen erbracht werden (Universaldienst). Die Deutsche Post AG hat sich gegenüber der Bundesrepublik rechtsverbindlich verpflichtet, den Universaldienst wahrzunehmen. Als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundespost verfügt sie über die Infrastruktur, die für eine flächendeckende Briefbeförderung notwendig ist. Ihr Umsatzanteil im Briefmarkt liegt nach wie vor bei mehr als 80 %. Aufgrund der marktbeherrschenden Stellung der Deutschen Post AG schreibt das Postgesetz vor, dass die Entgelte für Standardbriefdienstleistungen genehmigungspflichtig sind. Maßstab ist das Entgelt, das ein vernünftig wirtschaftendes Unternehmen in einem funktionierenden Wettbewerb unter Marktbedingungen erzielen würde (Wettbewerbspreis). Hierfür sind die Kosten, die das regulierte Unternehmen tatsächlich aufwendet, um die Leistungen zu erbringen, mit den fiktiven Kosten, die bei Vornahme der gebotenen Innovationen und Rationalisierungen im Regulierungszeitraum anfielen, zu vergleichen (Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung). Bestandteil der Effizienzkosten ist ein angemessener Gewinnzuschlag. Darüber hinaus sind Kosten zu berücksichtigen, die dem regulierten Unternehmen entstehen, weil es bei der Erbringung der Leistungen gesetzliche Verpflichtungen beachten muss. Hierbei handelt es sich insbesondere um Kosten für die Erfüllung der rechtsverbindlichen Anforderungen an den Universaldienst, die ein effizient wirtschaftendes Unternehmen nicht eingehen würde. Das so ermittelte Kostenniveau ist mit dem Ausgangsentgeltniveau zu vergleichen. Die genehmigten Entgelterhöhungen für die Jahre 2016 bis 2018 sind vor allem darauf zurückzuführen, dass die Bundesregierung als Verordnungsgeber im Jahr 2015 einen neuen Maßstab für die Ermittlung des Gewinnzuschlags eingeführt hat. Sie hat die Postentgeltregulierungsverordnung dahingehend geändert, dass sich der Gewinnzuschlag nicht mehr nach dem unternehmerischen Risiko, d.h. nach der angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals, bemisst, sondern Ergebnis einer Vergleichsmarktbetrachtung ist. Maßgebend sind die Gewinnmargen solcher Unternehmen, die in anderen europäischen Ländern auf vergleichbaren Märkten tätig sind. Die Briefmärkte der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind ausnahmslos dadurch gekennzeichnet, dass die früheren staatlichen Monopolunternehmen nach wie vor eine marktbeherrschende Stellung innehaben. Dementsprechend hat die Bundesnetzagentur auf die nach dem Geschäftsumfang gewichteten Umsatzrenditen dieser Unternehmen abgestellt. Die Klage eines Vereins, in dem andere Postunternehmen zusammengeschlossen sind, gegen die Genehmigung der Entgelterhöhung für die Beförderung von Standardbriefen hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Sprungrevision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und die angefochtene Entgeltgenehmigung aufgehoben. Die Entgeltgenehmigung ist rechtswidrig und verletzt daher den Kläger als Kunden der Beigeladenen in seinem grundgesetzlich geschützten Recht, den Inhalt von Verträgen autonom auszuhandeln. Die Rechtswidrigkeit folgt daraus, dass die im Jahr 2015 erlassenen Bestimmungen der Postentgeltregulierungsverordnung über die Ermittlung des unternehmerischen Gewinns durch eine Vergleichsmarktbetrachtung unwirksam sind. Sie sind nicht durch eine Verordnungsermächtigung des Postgesetzes gedeckt. Denn der seit 1998 unverändert geltende postgesetzliche Entgeltmaßstab der Effizienzkosten für den Gewinnzuschlag stellt auf die angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals des regulierten Unternehmens ab. Dieser Kostenbegriff erfasst keinen Gewinnzuschlag, der sich an Gewinnmargen vergleichbarer Unternehmen auf vergleichbaren anderen Märkten orientiert. BVerwG 6 C 1.19 - Urteil vom 27. Mai 2020 Vorinstanz: VG Köln, 25 K 7243/15 - Urteil vom 04. Dezember 2018 -","Urteil vom 27.05.2020 - BVerwG 6 C 1.19ECLI:DE:BVerwG:2020:270520U6C1.19.0 EN Entgeltgenehmigung für Standardbriefe Leitsätze: 1. Entgeltgenehmigungen für Postdienstleistungen sind auch dann selbstständig anfechtbare Verwaltungsakte, wenn sie auf Maßgrößen für mehrere Leistungsentgelte beruhen. 2. Postdienstleistungen des Universaldienstes unterliegen der Entgeltregulierung nach §§ 19 ff. PostG. Die Entgeltgenehmigung für eine solche Postdienstleistung muss den Entgeltmaßstäben der Erschwinglichkeit und der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung genügen. 3. Der Verordnungsgeber muss bei der Festlegung von Maßgrößen für die Entgeltregulierung den erweiterten Effizienzkostenmaßstab nach § 20 Abs. 1 und 2 PostG beachten. 4. Der Effizienzkostenmaßstab des § 20 Abs. 1 PostG verlangt die Ermittlung des Gewinns des regulierten Unternehmens nach der Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Daher war § 3 Abs. 2 Satz 2 der Preis-Entgeltregulierungsverordnung i.d.F. vom 29. Mai 2015 unwirksam, der die Ermittlung des Gewinns aufgrund einer Vergleichsbetrachtung der Umsatzrenditen vergleichbarer europäischer Postunternehmen vorgesehen hat. 5. Es gibt keine Rechtsgrundlage für die Abschöpfung von Entgelten, die das regulierte Unternehmen aufgrund einer Entgeltgenehmigung zu viel vereinnahmt hat. Rechtsquellen GG Art. 2 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1 und 2, Art. 87f Abs. 1 und 2 Satz 1 PostG § 11 Abs. 1 und 2, § 15 Abs. 1 und 2, §§ 19, 20 Abs. 1 und 2, § 21 Abs. 1 und 4, § 23 Abs. 2 TKG 2004 § 31 Abs. 2 Satz 1 TKG 2012 § 32 Abs. 1 Satz 1 PEntgV 1999 § 3 Abs. 1 und 2, § 4 Abs. 1 bis 3 TEntgV 1996 § 3 Abs. 2 Richtlinie 2008/6/EG Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 Instanzenzug VG Köln - 04.12.2018 - AZ: VG 25 K 7243/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.05.2020 - 6 C 1.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:270520U6C1.19.0] Urteil BVerwG 6 C 1.19 VG Köln - 04.12.2018 - AZ: VG 25 K 7243/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Steiner für Recht erkannt: Der Beschluss der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 4. Dezember 2015 wird in Bezug auf das Rechtsverhältnis zwischen der Beigeladenen und dem Kläger insoweit aufgehoben, als die Bundesnetzagentur ein Entgelt für die Beförderung von Standardbriefen von 0,70 € festgesetzt hat. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 4. Dezember 2018 wird geändert, als das Verwaltungsgericht die Klage insoweit abgewiesen hat. Im Übrigen wird die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 4. Dezember 2018 zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Hälfte, die Beklagte und die Beigeladene tragen jeweils ein Viertel der Gerichtskosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Kläger trägt jeweils die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Beigeladenen. Die Beklagte und die Beigeladene tragen jeweils ein Viertel der außergerichtlichen Kosten des Klägers. Gründe I 1 Der Kläger ist ein eingetragener Verein, in dem sich Postunternehmen zusammengeschlossen haben. Er wendet sich gegen eine Entgeltgenehmigung, die die Bundesnetzagentur der beigeladenen Deutsche Post AG erteilt hat. 2 Die Beigeladene hält auf dem deutschen Markt für Briefdienstleistungen einen Umsatzanteil von mehr als 80 %. Sie hat sich gegenüber der Beklagten verpflichtet, die Versorgung mit bestimmten grundlegenden Postdienstleistungen im gesamten Bundesgebiet sicherzustellen (Universaldienst). Durch Beschluss vom 4. Dezember 2015 hat die Bundesnetzagentur der Beigeladenen als dem den Briefmarkt beherrschenden Unternehmen für den Zeitraum von 2016 bis 2018 antragsgemäß Erhöhungen des Entgelts für die Beförderung verschiedener Briefsendungen genehmigt. Der Kläger hat die Genehmigung der Entgelterhöhung von 0,62 € auf 0,70 € für die Beförderung von Briefen mit einem Gewicht von bis zu 1 000 Gramm bei einer Einlieferungsmenge von bis zu 50 Stück (Standardbriefe) angefochten. 3 Die genehmigten Entgelte beruhen auf Maßgrößen, die die Bundesnetzagentur durch den Beschluss vom 23. November 2015 aufgrund eines einheitlichen Verfahrens nach der Post-Entgeltregulierungsverordnung der Bundesregierung für die zu diesem Zweck zusammengefassten Briefdienstleistungen der Beigeladenen (Price-Cap-Verfahren) festgelegt hat. In den Gründen dieses Maßgrößenbeschlusses hat die Bundesnetzagentur, soweit hier entscheidungserheblich, ausgeführt: 4 Die Berechtigung der Entgelterhöhung für die Beförderung von Standardbriefen ergebe sich daraus, dass dem Ausgangsentgeltniveau der zusammengefassten Leistungen eine bis Ende 2018 zu erwartende negative Produktivitätsfortschrittsrate der Beigeladenen von -5,8 % bei einer gesamtwirtschaftlichen Preissteigerungsrate von 1,2 % gegenüberzustellen sei. Bei der Ermittlung der Maßgröße Produktivitätsfortschrittsrate sei der postgesetzliche Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung beachtet worden, der einen angemessenen Gewinnzuschlag einschließe. Die von der Beigeladenen geltend gemachten Kosten für die Leistungserbringung genügten dem Effizienzkostenmaßstab. Weitere kostensenkende Rationalisierungsmaßnahmen könnten wegen des flächendeckenden Versorgungsauftrags der Beigeladenen und des großen Anteils von Personalkosten nicht erwartet werden. 5 Aufgrund der Änderung der Post-Entgeltregulierungsverordnung im Jahr 2015 sei Maßstab für die Ermittlung des Gewinnzuschlags nicht mehr die Verzinsung des eingesetzten Betriebskapitals (Kapitalrendite). Vielmehr sei auf die Gewinnmargen abzustellen, die der Beigeladenen vergleichbare Unternehmen auf vergleichbaren Märkten in anderen europäischen Ländern erzielten. Aufgrund des einheitlichen unionsrechtlichen Regulierungsrahmens seien die Briefmärkte der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) sowie Norwegens und der Schweiz mit dem deutschen Briefmarkt vergleichbar. Als Vergleichsunternehmen seien die früheren Monopolunternehmen oder deren Nachfolger heranzuziehen. Auch diese Unternehmen hätten mit Umsatzanteilen zwischen 80 % und nahezu 100 % eine beherrschende Stellung auf ihrem nationalen Briefmarkt und nähmen die flächendeckende Versorgung mit grundlegenden Postdienstleistungen wahr. Daher seien sie ebenso wie die Beigeladene den Geschäftsrisiken ausgesetzt, die sich aus dem europaweit vergleichbaren Rückgang der Briefsendungsmengen infolge der fortschreitenden Nutzung elektronischer Kommunikationsangebote ergäben. Zur Ermittlung der Gewinnmarge seien die Umsatzrenditen dieser Unternehmen nach dem Sendungsaufkommen gewichtet worden. 6 Zusätzlich seien Kosten einbezogen worden, die die Beigeladene aufgrund rechtlicher Verpflichtungen ohne Rücksicht auf die Kosteneffizienz aufwenden müsse. Hierunter fielen die Kosten, die auf die normativen Anforderungen des Universaldienstes zurückgeführt werden könnten. Für deren Berücksichtigung gelte der Grundsatz der verursachungsgerechten Zuordnung allerdings nicht ausnahmslos. Kosten für die Erbringung von Postdienstleistungen in anderen Geschäftsbereichen seien einzubeziehen, um in Bezug auf diese Leistungen die Wettbewerbsfähigkeit der Beigeladenen zu gewährleisten. Das hierfür angewandte Tragfähigkeitsprinzip sei betriebswirtschaftlich allgemein anerkannt. 7 Mit der Klage will der Kläger die Aufhebung der Genehmigung des Entgelts für die Beförderung eines Standardbriefs von 0,70 € sowie die Feststellung erreichen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die aufgrund der rechtswidrigen Entgeltgenehmigung zu viel vereinnahmten Entgelte der Beigeladenen für Standardbriefe im Wege der Folgenbeseitigung abzuschöpfen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage aus im Wesentlichen folgenden Gründen abgewiesen: 8 Entgeltgenehmigungen für Postdienstleistungen beeinträchtigten die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Vertragsfreiheit. Dementsprechend sei der Kläger klagebefugt, weil er plausibel dargelegt habe, dass er zwischen 2016 und 2018 Standardbriefe durch die Beigeladene habe befördern lassen. Die angefochtene Entgeltgenehmigung verletze ihn jedoch nicht in seinen Rechten; insbesondere sei der zugrundeliegende Maßgrößenbeschluss vom 23. November 2015 rechtmäßig. Aus diesem Grund komme eine Entgeltabschöpfung nicht in Betracht. 9 Die Bundesnetzagentur habe den Gewinnzuschlag zu Recht aufgrund der Gewinnmargen, d.h. der Umsatzrenditen, ermittelt, die vergleichbare europäische Unternehmen erzielten. Die angewandte Regelung der Post-Entgeltregulierungsverordnung sei rechtswirksam, insbesondere mit dem Effizienzkostenmaßstab des Postgesetzes vereinbar. Der zuvor für die Gewinnermittlung geltende Maßstab der Kapitalrendite bilde das Geschäftsrisiko und den Investitionsbedarf der Beigeladenen nicht ab. Die Beigeladene sei aufgrund der normativen Anforderungen an die Qualität des Universaldienstes gehindert, den Einsatz von Infrastruktur, Technik und Personal an die kontinuierlich sinkenden Umsätze im Briefgeschäft anzupassen. Die Änderung des Maßstabs für die Gewinnermittlung verschaffe ihr die Einnahmen, um notwendige Investitionen zu finanzieren. 10 Die Berücksichtigung der Kosten, die die Beigeladene aufgrund rechtlicher Verpflichtungen unabhängig von Effizienzgesichtspunkten aufbringen müsse, sei gerechtfertigt, um Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Hierzu gehörten diejenigen Kosten, die zur Erfüllung des Auftrags der flächendeckenden Versorgung mit Briefdienstleistungen notwendig seien, aber nicht dem Effizienzkostenmaßstab genügten. Auch sei nicht zu beanstanden, dass die Bundesnetzagentur Kosten der Beigeladenen, die den entgeltregulierten Briefdienstleistungen nicht verursachungsgerecht zugeordnet werden könnten, zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in anderen Geschäftsbereichen nach dem Tragfähigkeitsprinzip einbezogen habe. Dadurch werde die Erschwinglichkeit der Briefdienstleistungen für die gesamte Bevölkerung nicht in Frage gestellt. Den Gefahren einer Quersubventionierung von Postdienstleistungen außerhalb des Briefgeschäfts könne durch die Missbrauchsaufsicht begegnet werden. 11 Unionsrecht stehe weder der Ermittlung des Gewinnzuschlags nach den Umsatzrenditen europäischer Vergleichsunternehmen im Briefgeschäft noch der Berücksichtigung nicht effizienter Kosten entgegen. Der unionsrechtliche Grundsatz der Kostenorientierung von Universaldienstleistungen gebe den Effizienzkostenmaßstab nicht zwingend vor. Vielmehr bleibe es den Mitgliedstaaten überlassen, diesen Grundsatz in einen angemessenen Ausgleich mit den unionsrechtlichen Anforderungen an den Universaldienst zu setzen. Auch könnten die Mitgliedstaaten die Finanzierung des Universaldienstes unionsrechtskonform nach ihren Vorstellungen regeln; die Finanzierungsmodelle der europäischen Postrichtlinie seien nicht abschließend. Die Finanzierung des Universaldienstes durch nicht kosteneffiziente Entgelte stelle keine genehmigungspflichtige Beihilfe im Sinne des Unionsrechts dar. 12 Mit der Sprungrevision trägt der Kläger, soweit nachfolgend entscheidungserheblich, vor: Die angefochtene Entgeltgenehmigung verletze ihn in seiner Rechtsstellung aus Art. 2 Abs. 1 GG, weil der zugrundeliegende Maßgrößenbeschluss in vielfacher Hinsicht rechtswidrig sei. Die Bundesnetzagentur habe den Gewinnzuschlag rechtsfehlerhaft ermittelt. Die angewandte Regelung der Post-Entgeltregulierungsverordnung verstoße gegen den postgesetzlichen Effizienzkostenmaßstab. Die für maßgebend erklärten Umsatzrenditen marktbeherrschender europäischer Postunternehmen zielten nicht auf die Ermittlung eines Gewinns ab, der in einem funktionierenden Wettbewerbsmarkt erzielt werden könne. Nur der Maßstab der Kapitalrendite sei geeignet, das Risiko des regulierten Unternehmens unter Wettbewerbsbedingungen abzubilden. Auch die europäische Postrichtlinie fordere Entgelte, die auf einem funktionierenden Wettbewerbsmarkt durchgesetzt werden könnten. Die Berücksichtigung von Kosten, die nach dem Verursachungsprinzip anderen Geschäftsbereichen zuzuordnen seien, sei mit dem Gebot der Kosteneffizienz unvereinbar. Sie führe zu einer wettbewerbswidrigen Quersubventionierung des dem Wettbewerb ausgesetzten Geschäfts der Beigeladenen durch die Entgelte für Briefdienstleistungen. 13 Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen das erstinstanzliche Urteil: Die Ermittlung des Gewinnzuschlags aufgrund der Umsatzrenditen vergleichbarer europäischer Unternehmen weise einen Bezug zum unternehmerischen Risiko der Beigeladenen auf. Dieser Maßstab bestimme das Risiko auf der Grundlage der tatsächlichen Marktverhältnisse, die durch stetige Umsatzrückgänge in vergleichbaren Größenordnungen auf allen europäischen Briefmärkten gekennzeichnet seien. Das Postgesetz relativiere den Maßstab der Kosteneffizienz, um die verfassungs- und unionsrechtlich geforderte flächendeckende Versorgung mit Briefdienstleistungen zu gewährleisten. Diesem Zweck diene die Berücksichtigung der dadurch anfallenden nichteffizienten Kosten. Weder das Postgesetz noch die europäische Postrichtlinie bestimmten, nach welcher Methode Kosten einzelnen Postdienstleistungen zuzuordnen seien. II 14 Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einlegung dieses Rechtsmittels liegen vor: Das Verwaltungsgericht hat die Sprungrevision im Urteil zugelassen. Die Beklagte hat der Einlegung der Sprungrevision schriftlich zugestimmt (§ 134 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat die Zustimmungserklärung seiner Revisionsschrift beigefügt (§ 134 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Die Zustimmung der Beigeladenen ist nicht erforderlich gewesen (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS-OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369). Der Kläger hat die Sprungrevision form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§ 139 Abs. 1 und 3 VwGO). 15 Die Sprungrevision des Klägers ist teilweise, nämlich hinsichtlich des Aufhebungsantrags, nicht aber hinsichtlich des Feststellungsantrags begründet. Das angefochtene Urteil verletzt, soweit das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage abgewiesen hat, Bundesrecht, nämlich die Regelungen des Postgesetzes über die Höhe genehmigungsbedürftiger Entgelte, deren Einhaltung der Kläger vermittelt durch Art. 2 Abs. 1 GG zur gerichtlichen Prüfung stellen kann. Auf diese Klage ist der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 4. Dezember 2015 mit Rechtswirkungen für die Beteiligten (""inter partes"") insoweit aufzuheben, als die Bundesnetzagentur der Beigeladenen für den Zeitraum von 2016 bis 2018 ein Entgelt von 0,70 € für die Beförderung eines Standardbriefs genehmigt hat (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dagegen steht das angefochtene Urteil im Ergebnis mit dem revisiblen Recht in Einklang, soweit das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen hat festzustellen, dass die Beklagte zur Abschöpfung zu viel vereinnahmter Entgelte der Beigeladenen verpflichtet ist. 16 Die Genehmigung des Entgelts für eine Postdienstleistung auf der Grundlage der Maßgrößen für mehrere, zur Entgeltbestimmung in einem Korb zusammengefasster Dienstleistungen, ist selbständig anfechtbar (1.). Postkunden sind befugt, die Entgeltgenehmigung für eine Postdienstleistung anzufechten, wenn sie diese Leistung in Anspruch nehmen (2.). Auch Postdienstleistungen des Universaldienstes wie die Beförderung von Standardbriefen unterliegen der Entgeltregulierung nach dem Postgesetz (3.). Bei der Ermittlung der Maßgrößen in einem Price-Cap-Verfahren ist der erweiterte Effizienzkostenmaßstab des Postgesetzes zu beachten (4.). Die Bundesnetzagentur hat die Maßgröße der Produktivitätsfortschrittsrate der Beigeladenen rechtswidrig ermittelt, weil die angewandte Bestimmung der Post-Entgeltregulierungsverordnung für die Ermittlung des Gewinnzuschlags mit dem postgesetzlichen Effizienzkostenmaßstab unvereinbar und aus diesem Grund unwirksam war (5.). Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob die Berücksichtigung von Kosten, die der entgeltregulierten Postdienstleistung nicht verursachungsgerecht zugeordnet werden können, bei der Entgeltbildung mit dem Postgesetz vereinbar ist (6.). Das Postgesetz bietet keine Handhabe für die Abschöpfung zu viel vereinnahmter Entgelte. Kunden können die Rückerstattung von Entgelten nicht im Wege der öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigung verlangen (7.). 17 1. Die Entgeltgenehmigung für eine bestimmte Postdienstleistung, im vorliegenden Fall die Genehmigung eines Entgelts von 0,70 € für die Beförderung eines Standardbriefs, ist auch dann selbständig anfechtbar, wenn sie auf Maßgrößen beruht, die die Bundesnetzagentur in einem Price-Cap-Verfahren für die durchschnittlichen Änderungsraten der Entgelte mehrerer in einem Korb zusammengefasster Dienstleistungen ermittelt hat (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 Satz 3 des Postgesetzes vom 22. Dezember 1997 - PostG - ; §§ 4 und 5 der Post-Entgeltregulierungsverordnung vom 22. November 1999 - PEntgV - ). 18 a) Aufgrund der Bedeutung der Maßgrößen für die Bestimmung der Entgelte der zusammengefassten Dienstleistungen kann die Rechtswidrigkeit einer Maßgröße die Rechtswidrigkeit aller auf deren Grundlage genehmigten Entgelte nach sich ziehen (vgl. unter 4. b)). Dessen ungeachtet handelt es sich bei jeder Genehmigung des Entgelts einer Dienstleistung des Korbes um eine eigenständig anfechtbare Regelung. Jede Genehmigung legt ein gesondertes Entgelt für die Inanspruchnahme einer bestimmten standardisierten Dienstleistung des Korbes fest. Dieser Regelungsgehalt wird durch § 19 Satz 1 PostG vorgegeben, der die Genehmigungspflicht für Entgelte anordnet, die ein den betreffenden Markt beherrschender Lizenznehmer auf einem Markt für lizenzpflichtige Postdienstleistungen erhebt. Diese Genehmigungspflicht erstreckt sich auf die einzelne Dienstleistung eines insoweit marktbeherrschenden Unternehmens. Es bestimmt die Leistungsmerkmale nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten; ein maßgebendes Merkmal ist das Entgelt. Eine Dienstleistung wird dadurch gekennzeichnet und von anderen Leistungsangeboten abgegrenzt, dass das Unternehmen hierfür ein gesondertes Entgelt erhebt (Sedemund, in: PostG, 2. Aufl. 2004, § 21 Rn. 13). Daher legt der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 4. Dezember 2015 Entgelte für verschiedene Arten von Briefdienstleistungen, die die Beigeladene anbietet, in unterschiedlicher Höhe fest. 19 Dem entspricht, dass sich die privatrechtsgestaltende Wirkung einer Entgeltgenehmigung auf alle Verträge erstreckt, mit denen sich das Unternehmen verpflichtet, eine bestimmte standardisierte Dienstleistung zu erbringen. Die Genehmigung legt das hierfür zu entrichtende Entgelt für die Dauer ihrer Geltung rechtsverbindlich fest. Weder kann das Unternehmen ein Entgelt in einer Höhe verlangen, die es auf dem Markt durchsetzen könnte, noch sind abweichende Vereinbarungen mit Kunden über die Entgelthöhe möglich (§ 23 Abs. 1 und 2 Satz 1 PostG). 20 b) Die Anfechtung einer Entgeltgenehmigung mit dem Ziel ihrer Aufhebung nach § 42 Abs. 1 VwGO ist auch nach Ablauf ihrer Geltungsdauer möglich. Dadurch tritt keine Erledigung nach § 43 Abs. 2 VwVfG ein. Zwar verliert die Entgeltgenehmigung ihre rechtsgestaltende Wirkung für die Zukunft. Jedoch entfaltet sie diese Wirkung nach wie vor für diejenigen Verträge, die das Unternehmen während ihrer Geltungsdauer abgeschlossen hat. 21 2. a) Dritte sind nach § 42 Abs. 2 VwGO berechtigt, die Genehmigung des Entgelts für eine bestimmte Postdienstleistung gerichtlich anzufechten, wenn sie diese Dienstleistung während der Geltungsdauer der Genehmigung in Anspruch genommen haben. Unter dieser Voraussetzung greift die Entgeltgenehmigung in die Vertragsfreiheit als Ausprägung des Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG ein. Hierauf können sich nach Art. 19 Abs. 3 GG auch juristischen Personen wie der Kläger berufen. Der Grundrechtsschutz umfasst das Recht, den Inhalt vertraglicher Vereinbarungen mit der Gegenseite frei von staatlichen Bindungen auszuhandeln. Diese Vertragsfreiheit wird durch die rechtsgestaltende Wirkung der Entgeltgenehmigung nach § 23 Abs. 1 und 2 Satz 1 PostG beeinträchtigt, weil weder das regulierte Unternehmen noch seine Kunden Einfluss auf die Höhe des Entgelts nehmen können (BVerwG, Urteil vom 5. August 2015 - 6 C 8.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​050815U6C8.14.0] - BVerwGE 152, 355 Rn. 12 ff.). Die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Vertragsfreiheit ist verletzt, wenn die Entgeltgenehmigung gegen materiell-rechtliche Vorschriften verstößt, die die Entgelthöhe regeln. Diese Prüfung umfasst die rechtmäßige Anwendung dieser Vorschriften (BVerwG, Urteil vom 5. August 2015 - 6 C 8.14 - BVerwGE 152, 355 Rn. 21 f.). 22 Danach kann der Kläger die durch den Beschluss vom 4. Dezember 2015 erteilte Entgeltgenehmigung für die Beförderung von Standardbriefen anfechten. Denn das Verwaltungsgericht hat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellt, dass er solche Briefsendungen im Regulierungszeitraum von 2016 bis 2018 von der Beigeladenen hat befördern lassen. 23 b) Wird eine Entgeltgenehmigung auf die Anfechtungsklage durch Gerichtsurteil aufgehoben, ist die Wirkung dieses Urteils nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf die Verträge des Klägers mit dem Unternehmen beschränkt. Die Entgeltgenehmigung behält ihre rechtsgestaltende Wirkung für Verträge anderer Kunden, die während ihrer Geltungsdauer abgeschlossen wurden; diese Verträge gelten mit dem genehmigten Entgelt fort (Inter-partes-Wirkung; vgl. BVerwG, Urteile vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2013:​250913U6C13.12.0] - BVerwGE 148, 48 Rn. 65 ff. und vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​170816U6C50.15.0] - BVerwGE 156, 75 Rn. 10). 24 3. Auch Postdienstleistungen des Universaldienstes wie die Beförderung von Standardbriefen unterliegen nach Maßgabe des § 19 PostG der Entgeltregulierung gemäß §§ 20 ff. PostG. Dies hat zur Folge, dass die Entgelte für Universaldienstleistungen sowohl dem erweiterten Effizienzkostenmaßstab nach § 20 Abs. 1 und 2 Satz 2 PostG als auch dem Maßstab der Erschwinglichkeit nach § 11 Abs. 1 Satz 1 PostG genügen müssen. 25 a) Der Universaldienst ist dadurch gekennzeichnet, dass die dazu gehörenden, als unabdingbar angesehenen Postdienstleistungen flächendeckend, d.h. im gesamten Bundesgebiet, einheitlich in einer bestimmten Qualität und zu einem erschwinglichen Preis erbracht werden (§ 11 Abs. 1 Satz 1 bis 3 PostG). Die Bundesregierung hat Inhalt und Umfang des Universaldienstes aufgrund der Ermächtigung des § 11 Abs. 2 Satz 1 PostG in der Post-Universaldienstleistungsverordnung vom 15. Dezember 1999 - PUDLV - (BGBl. I S. 2418), zuletzt geändert durch Artikel 3 Absatz 26 des Gesetzes vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970) festgelegt. Die Aufrechterhaltung des Universaldienstes mit bestimmten Postdienstleistungen und einem bestimmten Leistungsstandard ist durch Verfassungs- und Unionsrecht gewährleistet. 26 Die verfassungsrechtlichen Vorgaben ergeben sich aus Art. 87f Abs. 1 GG. Danach gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation nach Maßgabe eines Bundesgesetzes flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen. Nach Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG werden diese Dienstleistungen als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen, d.h. im Bereich des Postwesens durch die Beigeladene und durch andere private Anbieter erbracht. Aus Art. 87f Abs. 1 GG folgt zum einen ein Regelungsauftrag für den Bundesgesetzgeber, der die Anforderungen an den Universaldienst unter Beachtung des durch Art. 87f Abs. 1 GG gewährleisteten Standards inhaltlich konkretisieren muss. Zum anderen muss der Bund nach der Privatisierung des Postwesens die ihm auferlegte Gewährleistungspflicht für die Durchführung des bundesgesetzlich näher bestimmten Universaldienstes dadurch erfüllen, dass er dessen Wahrnehmung durch private Unternehmen dauerhaft sicherstellt (BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 1 BvR 1712/01 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2003:​rs20031007.1bvr171201] - BVerfGE 108, 370 <392 ff.>; zum Ganzen Gersdorf, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 87f Rn. 30). 27 Diese Anforderungen folgen unionsrechtlich aus der Richtlinie 2008/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG im Hinblick auf die Vollendung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft vom 20. Februar 2008 - PostRL - (ABl. 52 S. 3). Nach deren Art. 3 Abs. 1 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass ständig flächendeckend ein Angebot von Postdienstleistungen einer bestimmten Qualität zu tragbaren Preisen für alle Nutzer zur Verfügung steht (Universaldienst). Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 PostRL stellt jeder Mitgliedstaat sicher, dass die Erbringung des Universaldienstes gewährleistet ist. Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 PostRL benennen die Mitgliedstaaten ein oder mehrere Unternehmen als Universaldienstanbieter, sodass das gesamte Hoheitsgebiet abgedeckt werden kann. 28 Die Leistungen des Universaldienstes sollen der gesamten Bevölkerung Zugang zu den als unabdingbar geltenden Postdienstleistungen ermöglichen. Daher steht der verfassungs- und unionsrechtliche Auftrag, den Universaldienst zu ausreichenden und angemessenen Bedingungen sicherzustellen, unabhängig neben dem Ziel, die Privatisierung des Postwesens durch die weitere Öffnung der Postmärkte zu fördern (vgl. unter 3. b) und c)). Das Ziel, einen funktionierenden Wettbewerbsmarkt zu schaffen, kann Einschränkungen des Universaldienstes jedenfalls dann nicht rechtfertigen, wenn die verfassungs- und unionsrechtlich flächendeckend vorgegebenen Anforderungen unterschritten werden. Folgerichtig ist Maßstab für die Entgelte von Universaldienstleistungen deren Erschwinglichkeit bzw. Tragbarkeit (§ 11 Abs. 1 Satz 1 PostG; Art. 3 Abs. 1 PostRL). Die Entgelte müssen so bemessen sein, dass sie flächendeckend für alle Schichten der Bevölkerung bezahlbar sind (vgl. von Danwitz, in: PostG, 2. Aufl. 2004, § 11 Rn. 44; Sedemund, a.a.O., § 20 Rn. 141). 29 b) Demgegenüber zielt die Regulierung der Entgelte für Postdienstleistungen nach §§ 19 ff. PostG darauf ab, entsprechend dem Privatisierungsauftrag des Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG die Entwicklung der Postmärkte hin zu funktionierenden Wettbewerbsmärkten zu fördern. Zu diesem Zweck sollen der Beigeladenen, soweit sie eine marktbeherrschende Stellung innehat, rechtsverbindlich Entgelte für diese Leistungen in einer Höhe vorgeschrieben werden, die sie auf einem Wettbewerbsmarkt erzielen könnte (""Als-ob-Wettbewerbspreis""). Dem entspricht die Festsetzung von Entgelten, die vorrangig an den Kosten ausgerichtet sind, die die Beigeladene unter Marktbedingungen aufwenden würde, um eine Postdienstleistung zu erbringen (vgl. unter 4. c)). 30 c) Die Geltung der Entgeltregulierung nach §§ 19 ff. PostG für Postdienstleistungen des Universaldienstes folgt aus § 20 Abs. 3 PostG. Danach bleiben die Regelungen des Universaldienstes durch § 11 Abs. 1 PostG und die Post-Universaldienstleistungsverordnung unberührt. Nach den Materialien zum Postgesetz soll diese Bestimmung klarstellen, dass die Entgelte für Grundversorgungsleistungen nicht nach diesem Verfahren, d.h. nach §§ 20 ff. PostG, sondern durch die Festlegung erschwinglicher Preise bestimmt werden (BT-Drs. 13/7774 S. 24/25). Allerdings kommt dieser Bemerkung keine entscheidende Bedeutung zu, weil sie keinen Niederschlag im Postgesetz gefunden hat (von Danwitz, in: PostG, 2. Aufl. 2004, § 6 PUDLV Rn. 25; Sedemund, a.a.O., § 20 Rn. 141). Nach dem Wortsinn der gesetzlichen Formulierung, dass die Regelungen des Universaldienstes ""unberührt bleiben"", gelten diese zusätzlich neben denjenigen der §§ 19 ff. PostG fort. 31 Deren Anwendbarkeit auf Leistungen des Universaldienstes entspricht dem Zweck der §§ 19 ff. PostG. Durch die Entgeltregulierung will der Bundesgesetzgeber die von Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG geforderte Privatisierung des Postwesens voranbringen. Der verfassungsrechtliche Privatisierungsauftrag erstreckt sich auf das gesamte Postwesen, d.h. auf Postdienstleistungen, die die Deutsche Bundespost zu Zeiten des Postmonopols erbracht hat. Hierzu gehören insbesondere die Leistungen des Universaldienstes. Auch insoweit soll nach der Marktöffnung an die Stelle des Postmonopols ein chancengleicher Wettbewerb privater Unternehmen für die Erbringung von Postdienstleistungen treten (BVerwG, Urteile vom 25. April 2001 - 6 C 6.00 - BVerwGE 114, 160 <168 ff.> und vom 21. Januar 2004 - 6 C 1.03 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2004:​210104U6C1.03.0] - BVerwGE 120, 54 <80>). Es dient der Förderung eines solchen Wettbewerbs, der Beigeladenen als Gesamtrechtsnachfolgerin der Deutschen Bundespost die unter Marktbedingungen erzielbaren Entgelte für Postdienstleistungen rechtsverbindlich vorzugeben, soweit sie eine marktbeherrschende Stellung innehat. Dies ist gerade im Bereich des Universaldienstes der Fall (zum Ganzen Gersdorf, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 87f Rn. 61; Herdegen, in: PostG, 2. Aufl. 2004, Verfassungsrechtliche Grundlagen Rn. 23 f. und 48). 32 d) Für den Begriff der marktbeherrschenden Stellung im Sinne von § 19 Satz 1 PostG als Voraussetzung der Genehmigungspflicht verweist § 4 Nr. 6 PostG auf § 18 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB - i.d.F. der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245). Danach kommt es insbesondere auf die Höhe des Marktanteils des Unternehmens, die Stärke des tatsächlichen oder potentiellen Wettbewerbs und das Fehlen von Ausweichmöglichkeiten der Nachfrager an. 33 Diese Voraussetzungen der Entgeltgenehmigungspflicht haben für die Beförderung von Standardbriefen durch die Beigeladene im Regulierungszeitraum vorgelegen. Diese Dienstleistung ist nach § 5 Abs. 1 PostG lizenzpflichtig. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, das insoweit die Feststellungen der Bundesnetzagentur bestätigt hat, hat die Beigeladene im Regulierungszeitraum über eine beherrschende Stellung auf dem Markt für Briefdienstleistungen verfügt. Die Beigeladene hat auf diesem Markt einen Anteil von mehr als 80 %. Sie ist das einzige Unternehmen, das Standardbriefdienstleistungen flächendeckend im gesamten Bundesgebiet erbringt. Insoweit besteht Wettbewerb allenfalls in Großstädten und Ballungsräumen sowie im Geschäftskundenmarkt. Diese Feststellungen binden den Senat (§ 137 Abs. 2, § 134 Abs. 4 VwGO). 34 4. Die Bundesnetzagentur hat das Entgelt für die Beförderung von Standardbriefen zu Recht auf der Grundlage der in einem Price-Cap-Verfahren ermittelten Maßgrößen nach § 4 PEntgV festgelegt. Dabei ist sie sich grundsätzlich bewusst gewesen, dass bei der Auslegung der verordnungsrechtlichen Begriffe und deren Anwendung der erweiterte Effizienzkostenmaßstab nach § 20 Abs. 1 und 2 PostG Geltung beansprucht. 35 a) Das Postgesetz stellt alternativ zwei Verfahrensarten für die Ermittlung des genehmigungsfähigen Entgelts für Postdienstleistungen zur Verfügung: Zum einen das Verfahren für die Genehmigung des Entgelts einer einzelnen Dienstleistung auf der Grundlage der auf diese Dienstleistung entfallenden Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PostG). Zum anderen das Price-Cap-Verfahren auf der Grundlage der Maßgrößen für die durchschnittlichen Änderungsraten der Entgelte für die in einem Korb zusammengefassten Dienstleistungen (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PostG). Aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 21 Abs. 4 Satz 1 PostG hat die Bundesregierung das Price-Cap-Verfahren in § 1 Abs. 1 PEntgV als Regelverfahren bestimmt. Nach § 1 Abs. 2 PEntgV ist es für die Entgeltregulierung von Dienstleistungen anzuwenden, die in einem Korb zusammengefasst werden können, weil sich die erwartete Stärke des Wettbewerbs nicht wesentlich unterscheidet. Die Bundesnetzagentur hat in dem Maßgrößenbeschluss vom 23. November 2015 dargelegt, dass dies in Bezug auf die einbezogenen Briefdienstleistungen der Fall gewesen ist; das Verwaltungsgericht hat diese Annahme stillschweigend gebilligt. 36 b) Aufgrund der Verordnungsermächtigungen nach § 21 Abs. 4 Satz 1 bis 3 PostG hat die Bundesregierung den Ablauf des Price-Cap-Verfahrens und die für die Entgeltbestimmung entscheidenden Maßgrößen in §§ 4 und 5 PEntgV geregelt. Danach ist zunächst das Ausgangsentgeltniveau der im Korb zusammengefassten Dienstleistungen festzustellen (§ 4 Abs. 1 PEntgV; vgl. unter 4. d)). Hierfür sind die Entgelte für diese Dienstleistungen nach den Umsatzanteilen zu gewichten (Price-Cap-Index). Grundlage sind die zu Beginn des Regulierungszeitraums genehmigten Entgelte, deren Rechtmäßigkeit nicht mehr geprüft wird. Ein rechtswidrig überhöhtes Entgelt wirkt sich nach § 4 Abs. 3 PEntgV im neuen Regulierungszeitraum nicht entgelterhöhend aus (BVerwG, Urteil vom 5. August 2015 - 6 C 8.14 - BVerwGE 152, 355 Rn. 35). 37 Als Maßgrößen hat die Bundesregierung die gesamtwirtschaftliche Preissteigerungsrate, die zu erwartende Produktivitätsfortschrittsrate des regulierten Unternehmens sowie die Nebenbedingungen festgelegt, die geeignet und erforderlich sind, um die Einhaltung der Anforderungen nach § 20 Abs. 2 PostG zu gewährleisten (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 PEntgV). Bei der Vorgabe der Maßgrößen, insbesondere bei der Festlegung der Produktivitätsfortschrittsrate, ist das Verhältnis des Ausgangsentgeltniveaus zu den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 3 PEntgV). Die zulässigen Änderungsraten für die Entgelte der im Korb zusammengefassten Dienstleistungen ergeben sich aus dem Price-Cap-Index abzüglich der Produktivitätsfortschrittsrate unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Preissteigerungsrate (Sedemund, in: PostG, 2. Aufl. 2004, § 21 Rn. 38). 38 c) Aufgrund des Vorrangs des Gesetzes sind auch im Price-Cap-Verfahren die Entgeltmaßstäbe des Postgesetzes zu beachten. Dies betrifft die Bestimmung des Bedeutungsgehalts der in § 4 Abs. 2 PEntgV festgelegten Maßgrößen und deren Anwendung in einem konkreten Price-Cap-Verfahren. 39 Nach § 20 Abs. 1 PostG haben sich die Entgelte an den Kosten einer effizienten Leistungsbereitstellung zu orientieren. Ungeachtet dieses Wortlauts besteht kein Spielraum für die Anwendung dieses Entgeltmaßstabs. Das genehmigte Entgelt muss diejenigen Kosten abbilden, die ein kosteneffizient handelndes Unternehmen für die Leistungserbringung aufwenden würde. Nach diesem Maßstab hat die Bundesnetzagentur zu prüfen, ob die tatsächlichen Kosten der Leistungserbringung (""Ist-Kosten"") bis zum Ende des Regulierungszeitraums vernünftigerweise durch Innovations- und Rationalisierungsmaßnahmen gesenkt werden können. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass das genehmigte Entgelt den Preis simuliert, den das regulierte Unternehmen in einem funktionierenden Wettbewerb unter Marktbedingungen für seine Dienstleistung verlangen könnte (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2013 - 6 C 10.11 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2013:​290513U6C10.11.0] - BVerwGE 146, 325 Rn. 28). Bei der Ermittlung dieses ""Als-ob-Wettbewerbspreises"" ist der Gewinn, den ein Unternehmen in einem funktionierenden Wettbewerbsmarkt voraussichtlich erwirtschaften könnte, als Bestandteil der Effizienzkosten einzubeziehen (vgl. unter 5.). 40 Der Effizienzkostenmaßstab wird durch § 20 Abs. 2 PostG erweitert. Nach dessen Satz 2 sind die Kosten für die Einhaltung der wesentlichen Arbeitsbedingungen, die im lizenzierten Bereich üblich sind, sowie die Kosten einer flächendeckenden Versorgung mit Postdienstleistungen und die Kosten aus der Übernahme von Versorgungslasten für die Beschäftigten, die aus der Rechtsnachfolge der Deutschen Bundespost entstanden sind, angemessen zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich um Kosten, die nach § 20 Abs. 1 PostG bei der Entgeltbildung außer Betracht blieben. Das regulierte Unternehmen hätte diese Kosten als Verlust hinzunehmen, weil sie anfallen, um rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen, und aus diesem Grunde nicht durch kosteneffizientes Handeln eingespart werden können (vgl. Hölscher, in: Scheurle/Mayen, TKG, 3. Aufl. 2018, § 32 Rn. 54). Infolge der gesetzlichen Erweiterung sind Kosten nach § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG berücksichtigungsfähig, die ein Unternehmen unter Gesichtspunkten der Kosteneffizienz nicht eingehen würde, aber aufwenden muss, um die normativen Anforderungen des Universaldienstes zu erfüllen (vgl. unter 3. a)). 41 Der erweiterte Effizienzkostenmaßstab nach § 20 Abs. 1 und 2 PostG stellt auch im Maßgrößenverfahren nicht lediglich eine Orientierungsgröße für die Entgeltfestsetzung dar, sondern bildet die Obergrenze des genehmigungsfähigen Entgelts. Dem ist durch die Auslegung des Begriffs der zu erwartenden Produktivitätsfortschrittsrate des regulierten Unternehmens nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 PEntgV und durch die Anwendung dieser Maßgröße bei der Entgeltregulierung Rechnung zu tragen (BVerwG, Urteil vom 5. August 2015 - 6 C 8.14 - BVerwGE 152, 355 Rn. 43). 42 d) Davon ausgehend hat die Bundesnetzagentur nach der Feststellung des Ausgangsentgeltniveaus auf der Grundlage der Kostenunterlagen der Beigeladenen angenommen, von dieser könnten im Regulierungszeitraum keine weiteren kostensenkenden Rationalisierungsmaßnahmen erwartet werden. Auch hat die Bundesnetzagentur ermittelt, welche unter Effizienzgesichtspunkten nicht zu rechtfertigende Kosten die Beigeladene für die Beförderung von Standardbriefsendungen aufwendet, um die normativen Anforderungen des Universaldienstes, vor allem die Verpflichtung zur bundesweit einheitlichen Zustellung an sechs Wochentagen, zu erfüllen. 43 5. Die angefochtene Genehmigung des Entgelts für die Beförderung eines Standardbriefs in Höhe von 0,70 € verletzt den Kläger in seiner Rechtsstellung aus Art. 2 Abs. 1 GG, weil die Bundesnetzagentur in dem Maßgrößenbeschluss vom 23. November 2015 die bis zum Ende des Regulierungszeitraums zu erwartende Produktivitätsfortschrittsrate der Beigeladenen rechtswidrig bestimmt hat. Die Bundesnetzagentur hat den zu erwartenden Gewinn der Beigeladenen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 der Post-Entgeltregulierungsverordnung i.d.F. vom 29. Mai 2015 (BGBl. I S. 892) - PEntgV 2015 - aufgrund der Gewinnmargen, d.h. der Umsatzrenditen, vergleichbarer europäischer Postunternehmen ermittelt. Diese Veränderung des durch § 20 Abs. 1 PostG vorgegebenen Effizienzkostenmaßstabs ist unwirksam, weil sie nicht von einer Verordnungsermächtigung des Postgesetzes gedeckt ist. 44 Die rechtswidrige Bestimmung einer Produktivitätsfortschrittsrate von -5,8 % durch den Maßgrößenbeschluss vom 23. November 2015 zieht die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entgeltgenehmigung vom 4. Dezember 2015 nach sich, weil das genehmigte Entgelt von 0,70 € auf dieser Produktivitätsfortschrittsrate beruht. Der Maßgrößenbeschluss ist aufgrund seiner Vorwirkungen im Rahmen der Anfechtungsklage eines Vertragspartners des regulierten Unternehmens gegen die Entgeltgenehmigung inzident auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen (BVerwG, Urteil vom 5. August 2015 - 6 C 8.14 - BVerwGE 152, 355 Rn. 32). Die inzidente Rechtmäßigkeitskontrolle des Maßgrößenbeschlusses beschränkt sich jedoch auf die für die angefochtene Entgeltgenehmigung entscheidungserheblichen Maßgrößen im Sinne von § 4 Abs. 2 PEntgV. Sie erfasst nicht die in dem Beschluss ebenfalls enthaltenen Bestimmungen, unter welchen Voraussetzungen Dienstleistungen in einen bestehenden Korb aufgenommen oder aus einem Korb herausgenommen werden (vgl. § 4 Abs. 5 PEntgV). 45 a) In Übereinstimmung mit § 20 Abs. 1 PostG bestimmt § 3 Abs. 2 Satz 1 PEntgV 2015, dass zu den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung ein angemessener Gewinnzuschlag gehört. Nach Satz 2 waren bei der Ermittlung des Gewinnzuschlags insbesondere die Gewinnmargen solcher Unternehmen als Vergleich heranzuziehen, die in anderen europäischen Ländern auf den mit dem lizenzierten Bereich vergleichbaren Märkten tätig sind. Die Bestimmungen des § 3 Abs. 2 PEntgV gelten nach § 4 Abs. 3 PEntgV auch für das Price-Cap-Verfahren. Dementsprechend hat die Bundesnetzagentur den Gewinnzuschlag und damit die Produktivitätsfortschrittsrate der Beigeladenen für den Regulierungszeitraum von 2016 bis 2018 nach § 3 Abs. 2 Satz 2 PEntgV 2015 aufgrund eines Vergleichs der Gewinnmargen aller europäischen Postunternehmen ermittelt, deren nationaler Markt dem Regulierungsrahmen der europäischen Postrichtlinie 2008/6/EG unterliegt, die auf diesem Markt wie die Beigeladene flächendeckend Leistungen des Universaldienstes erbringen und mit Umsatzanteilen zwischen 80 % und nahezu 100 % eine marktbeherrschende Stellung für die Beförderung von Briefsendungen innehaben. Nach Ablauf des vorliegend maßgebenden Regulierungszeitraums hat die Bundesregierung die Vorgaben für die Vergleichsbetrachtung der Umsatzrenditen erneut geändert (§ 3 Abs. 2 Satz 2 PEntgV i.d.F. vom 14. März 2019 ). 46 Demgegenüber war nach der Vorgängerregelung des § 3 Abs. 2 PEntgV i.d.F. vom 22. November 1999 (BGBl. I S. 2386) ein dem unternehmerischen Risiko angemessener Gewinnzuschlag Bestandteil der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung. Maßstab für die Bestimmung dieses Risikos war die angemessene Verzinsung des Kapitals, das das regulierte Unternehmen für die Leistungserbringung eingesetzt hat. 47 Mit der Änderung des verordnungsrechtlichen Maßstabs für die Gewinnermittlung in § 3 Abs. 2 Satz 2 PEntgV 2015 hat die Bundesregierung als Verordnungsgeber der Beigeladenen eine höhere Umsatzrendite und damit höhere Entgelte für Briefdienstleistungen zugebilligt. Damit hat sie darauf reagiert, dass die Sendungsmengen in dem von der Beigeladenen sichergestellten Universaldienst kontinuierlich zurückgehen und die fixen Personalkosten einen erheblichen Anteil der Kosten der Leistungserbringung ausmachen. Die Beigeladene sollte die Mittel für erforderliche Investitionen im Briefgeschäft zur Verfügung haben (Amtliche Begründung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ). 48 b) Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG ist Verordnungsrecht der Exekutive abgeleitetes Recht. Der Verordnungsgeber kann nur tätig werden, wenn ihn der parlamentarische Gesetzgeber zur Rechtsetzung ermächtigt. Dabei muss der Gesetzgeber die Ermächtigung nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG durch die gesetzliche Vorgabe von Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung inhaltlich konkretisieren. Er muss das zu erlassende Verordnungsrecht nach Tendenz und Programm so genau umreißen, dass sich die Grenzen des Zulässigen schon aus der gesetzlichen Ermächtigung erkennen und vorhersehen lassen. Die Grenzen dieser Vorgaben lassen sich nicht allgemein bestimmen. Sie richten sich nach den Besonderheiten der Regelungsmaterie, ihrer allgemeinen Bedeutung sowie der Eingriffsintensität der Maßnahmen, die dem Verordnungsgeber überantwortet werden (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. Oktober 1981 - 1 BvR 640/80 - BVerfGE 58, 257 <277> und vom 8. Juni 1988 - 2 BvL 9/85 und 3/86 - BVerfGE 78, 249 <273>). 49 Dies bedeutet, dass der Verordnungsgeber weder die Sachmaterien, in denen er Recht setzt, noch dessen Inhalte autonom bestimmen kann. Vielmehr ist er darauf beschränkt, Regelungsaufträge des Gesetzgebers auszuführen. Dementsprechend ist es dem Verordnungsgeber verwehrt, originären politischen Gestaltungswillen zu entwickeln. Auch darf er gesetzliche Regelungen nicht durch Verordnungsrecht autonom ergänzen oder erweitern, wenn er Handlungsbedarf sieht. Dadurch überschreitet er seine begrenzten, vom parlamentarischen Gesetzgeber abgeleiteten Regelungsbefugnisse. Im Übrigen muss das Verordnungsrecht dem Vorrang des Gesetzes genügen. Das nicht von einer gesetzlichen Ermächtigung gedeckte oder dem Vorrang des Gesetzes nicht genügende Verordnungsrecht ist unwirksam (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. Oktober 1981 und vom 8. Juni 1988, a.a.O.). 50 c) Danach war der durch § 3 Abs. 2 Satz 2 PEntgV 2015 eingeführte Maßstab der Umsatzrendite für die Ermittlung des zu erwartenden Gewinns des regulierten Unternehmens nicht von den Regelungsbefugnissen gedeckt, die der Bundesregierung als Verordnungsgeber durch § 21 Abs. 4 Satz 1 bis 3 PostG eingeräumt sind. Die Sätze 1 und 2 des § 21 Abs. 4 PostG betreffen das Verhältnis, den Ablauf und die Gestaltung der Entgeltgenehmigungsverfahren nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 und 2 PostG. In Satz 1 des § 21 Abs. 4 PostG ermächtigt der Gesetzgeber die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über die in Absatz 1 genannten Verfahrensarten zu erlassen. In Satz 2 wird die Ermächtigung ausgesprochen, Einzelheiten des Verfahrens zu regeln. 51 Durch § 21 Abs. 4 Satz 3 PostG wird die Bundesregierung ermächtigt, den Inhalt der Maßgrößen nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 PostG zu bestimmen. Dadurch hat der Gesetzgeber die Bundesregierung beauftragt, durch Rechtsverordnung die für die Entgeltbestimmung maßgebenden Kriterien und ihr Verhältnis zueinander festzulegen, durch deren Anwendung im konkreten Price-Cap-Verfahren die Bundesnetzagentur die durchschnittlichen Änderungsraten der Entgelte der im Korb zusammengefassten Dienstleistungen zu ermitteln hat. 52 Diese weitreichende Ermächtigung genügt den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, weil die Bundesregierung als Verordnungsgeber bei der Festlegung der Maßgrößen den erweiterten Effizienzkostenmaßstab nach § 20 Abs. 1 und 2 PostG beachten muss (vgl. unter 4. c)). Die Bundesregierung darf diesen gesetzlichen Maßstab nicht durch Verordnungsrecht inhaltlich verändern. Die Bestimmung der Maßgrößen nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 PEntgV, insbesondere der Maßgröße der zu erwartenden Produktivitätsfortschrittsrate des regulierten Unternehmens, muss den sich aus § 20 Abs. 1 und 2 PostG ergebenden Vorgaben Rechnung tragen. Der Bundesnetzagentur muss es möglich sein, die Maßgrößen im konkreten Price-Cap-Verfahren gesetzeskonform anzuwenden. 53 d) Danach war die Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 2 PEntgV 2015 unwirksam, weil sie den Rahmen überschritt, den die Verordnungsermächtigung des § 21 Abs. 4 Satz 3 PostG für die Bestimmung des Inhalts von Maßgrößen eröffnet. Die angeordnete Ermittlung des Gewinnzuschlags aufgrund der Gewinnmargen europäischer Vergleichsunternehmen stellte eine Änderung des Effizienzkostenmaßstabs nach § 20 Abs. 1 PostG dar, zu der der Bundesgesetzgeber die Bundesregierung nicht ermächtigt. Da die Bundesnetzagentur den zu erwartenden Gewinn der Beigeladenen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 PEntgV 2015 ermittelt und bei der Bestimmung der Produktivitätsfortschrittsrate nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 PEntgV berücksichtigt hat, hat sie diese Maßgröße rechtswidrig bestimmt und auf dieser Grundlage ein rechtswidriges Entgelt genehmigt. 54 Der Effizienzkostenbegriff des § 20 Abs. 1 PostG umfasst einen Gewinnzuschlag, der die zu erwartende Kapitalrendite des regulierten Unternehmens abbildet. Es ist die angemessene Verzinsung des Kapitals zu ermitteln, das das regulierte Unternehmen einsetzt, um die Postdienstleistung zu erbringen. Dieses Verständnis folgt aus der Gesetzessystematik und dem Normzweck des § 20 Abs. 1 PostG. 55 Das Postgesetz erläutert den Entgeltmaßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung im Sinne von § 20 Abs. 1 PostG nicht näher. Der Umstand, dass diese Regelung seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. Januar 1998 unverändert geblieben ist, lässt darauf schließen, dass sie nach wie vor den damals geltenden Effizienzkostenbegriff normiert. Maßgebend ist derjenige Begriffsinhalt, der damals allgemein anerkannt war. Auch das Telekommunikationsgesetz (TKG) hat den Begriff in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 25. Juli 1996 (BGBl. I S. 1120) nicht näher konkretisiert. Die Begriffsbestimmung findet sich in § 3 Abs. 2 der Telekommunikations-Entgeltregulierungsverordnung vom 1. Oktober 1996 - TEntgV - (BGBl. I S. 1492). Danach ergeben sich die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung aus den langfristigen zusätzlichen Kosten der Leistungsbereitstellung und einem angemessenen Zuschlag für leistungsmengenneutrale Gemeinkosten, jeweils einschließlich einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Diese Regelung hat der Bundesgesetzgeber im Jahr 2004 wortgleich in das Telekommunikationsgesetz übernommen und unverändert beibehalten (§ 31 Abs. 2 Satz 1 TKG i.d.F. vom 22. Juni 2004 , § 32 Abs. 1 Satz 1 TKG i.d.F. vom 3. Mai 2012 ). Danach ergibt sich der zu erwartende Gewinn aus der angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Es gibt keinen Anhaltspunkt, der darauf hindeutet, dass der Bundesgesetzgeber im Jahr 1997 in § 20 Abs. 1 PostG einen davon abweichenden eigenständigen Effizienzkostenbegriff einführen, insbesondere für den Gewinnzuschlag nicht auf die Kapitalrendite, sondern auf die Umsatzrendite von Unternehmen in anderen europäischen Ländern abstellen wollte. 56 Für die Maßgeblichkeit der Kapitalrendite für die Effizienzkosten nach § 20 Abs. 1 PostG spricht auch, dass das Postgesetz diesen Maßstab in einem anderen Regelungszusammenhang, nämlich für die Berechnung eines Ausgleichsanspruchs des Universaldienstleisters, enthält. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 PostG kann ein Lizenznehmer für eine ihm auferlegte Universaldienstverpflichtung einen Ausgleich von der Regulierungsbehörde verlangen, wenn er nachweist, dass die langfristigen zusätzlichen Kosten der effizienten Bereitstellung der von ihm geforderten Dienstleistung einschließlich einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals die Erträge der Dienstleistung übersteigen. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 PostG bestimmt sich die Höhe des Ausgleichs nach den durch die Erbringung der Dienstleistung entstehenden Kosten einschließlich einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals abzüglich der mit der Dienstleistung erzielten Erträge. 57 Dieses Verständnis des Effizienzkostenbegriffs nach § 20 Abs. 1 PostG in Bezug auf den Gewinnzuschlag entspricht auch dem Zweck der Entgeltregulierung nach §§ 20 ff. PostG. Wie unter 3. c) und 4. c) dargelegt, soll dadurch der Wettbewerb auf den Postmärkten gestärkt werden. Die Entgelte des marktbeherrschenden Unternehmens sollen die Höhe nicht übersteigen, die das Unternehmen in einem funktionierenden Wettbewerbsmarkt unter Marktbedingungen verlangen könnte. Zur Bestimmung dieser Entgelte sind die tatsächlichen Kosten, die das Unternehmen für die Leistungserbringung aufwendet, daraufhin zu prüfen, ob aus der Sicht eines kosteneffizient handelnden Unternehmens Einsparmöglichkeiten bestehen (stRspr, vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 10. Dezember 2014 - 6 C 18.13 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2014:​101214B6C18.13.0] - BVerwGE 151, 56 Rn. 46 f.). Diese Prüfung setzt eine unternehmensspezifische Betrachtung voraus. Maßgebend sind die Verhältnisse des regulierten Unternehmens, insbesondere seiner betrieblichen Strukturen und Produktionsprozesse. 58 Dieser Betrachtungsweise entspricht ein Maßstab für die Ermittlung des unternehmerischen Gewinns, der das Risiko des regulierten Unternehmens im Wettbewerb zum Ausdruck bringt. Es gilt festzustellen, welchen Gewinn das Unternehmen in einem chancengleichen Wettbewerb ohne marktbeherrschende Stellung erwirtschaften könnte. Diese Gewinnerwartung wird durch die angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals, d.h. durch eine kapitalmarkt- und branchenübliche Rendite abgebildet (Hölscher, in: Scheurle/Mayen, TKG, 3. Aufl. 2018, § 32 Rn. 46). Diese Rendite hängt von der konkreten Struktur der Kapitalkosten des Unternehmens und deren Verzinsung ab, für die wiederum der auf einem echten Wettbewerbsmarkt zu erwartende Erfolg maßgebend ist. Für das eingesetzte Eigenkapital ist eine marktübliche Verzinsung anzusetzen. Die Rendite ist nach einer anerkannten Methode des Kapitalkosteneinsatzes zu ermitteln (zu den Berechnungsmethoden: Fetzer, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, 2. Aufl. 2015, § 32 Rn. 22 ff.). Dementsprechend sah § 3 Abs. 2 PEntgV 1999 (BGBl. I S. 2386) vor, den Gewinnzuschlag nach dem Risiko des regulierten Unternehmens zu ermitteln. 59 e) Darüber hinaus bietet das Postgesetz keine Handhabe für eine Entgeltregulierung von Postdienstleistungen aufgrund einer Vergleichsmarktbetrachtung. Tritt eine solche Betrachtung an die Stelle der Ermittlung der Effizienzkosten aufgrund der Kostensituation des regulierten Unternehmens, gilt der ermittelte Vergleichspreis als der ""Als-Ob-Wettbewerbspreis"". Eine unternehmensspezifische Überprüfung dieses Preises findet nicht statt (vgl. für die isolierte Vergleichsmarktbetrachtung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 TKG: BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 23; Vorlagebeschluss vom 25. Februar 2015 - 6 C 33.13 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​250215B6C33.13.0] - Buchholz 442.066 § 35 TKG Nr. 8 Rn. 22 f.). Entsprechendes gilt, wenn - wie in § 3 Abs. 2 Satz 2 PEntgV 2015 vorgesehen - die Höhe des Gewinnzuschlags anhand einer Vergleichsmarktbetrachtung ermittelt werden soll. 60 Aufgrund dieser grundlegenden Verschiedenheit der Methoden zur Ermittlung des genehmigungsfähigen Entgelts bedarf es einer den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügenden und dem Vorrang des § 20 Abs. 1 PostG wahrenden gesetzlichen Ermächtigung, um dem Verordnungsgeber die Einführung von Elementen einer Vergleichsmarktbetrachtung anstelle einer Effizienzkostenprüfung zu ermöglichen. Der Bundesgesetzgeber muss jedenfalls den durch den Vergleich zu ermittelnden Faktor, hier die Gewinnmarge, sowie Kriterien für die Auswahl der Vergleichsmärkte und der Vergleichsunternehmen vorgeben. So kann der Gesetzgeber die Einbeziehung von funktionierenden Wettbewerbsmärkten, aber auch von Märkten mit einem marktbeherrschenden Unternehmen anordnen (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 - 6 C 36.08 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2010:​230610U6C36.08.0] - Buchholz 442.066 § 38 TKG Nr. 2 Rn. 24 ff.). Dementsprechend hat der Bundesgesetzgeber im Telekommunikationsgesetz im Jahr 2004 die Vergleichsmarktbetrachtung als weitere Methode der Entgeltregulierung neben der Effizienzkostenprüfung gesetzlich verankert (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 TKG). Auch diese Entwicklung hat der Gesetzgeber im Postgesetz nicht nachvollzogen; dieses enthält keinen Hinweis auf eine Vergleichsmarkbetrachtung. 61 6. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Entscheidung der Bundesnetzagentur, für die Bestimmung der Maßgröße Produktivitätsfortschrittsrate (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 PEntgV) nach dem Tragfähigkeitsprinzip Kosten der Beigeladenen zu berücksichtigen, die den im Korb zusammengefassten Briefdienstleistungen nicht verursachungsgerecht zugeordnet werden können, nicht von der Erweiterung des Effizienzkostenmaßstabs nach § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG gedeckt erscheint. Danach dürfte die Einbeziehung von Kosten, die verursachungsgerecht der Leistungserbringung in anderen Geschäftsbereichen zuzuordnen sind, nicht möglich sein. Der Grundsatz der verursachungsgerechten Kostenzuordnung muss dem Normzweck des § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG Rechnung tragen; er kommt dadurch in der gesetzlichen Formulierung zum Ausdruck, dass Kosten nach § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG ""angemessen"" zu berücksichtigen sind. 62 Die Entgeltbestimmung nach dem erweiterten Effizienzkostenmaßstab des § 20 Abs. 1 und 2 PostG bezieht sich nach § 19 Satz 1 PostG auf bestimmte Postdienstleistungen (vgl. unter 1. a)). Dies legt die Annahme nahe, dass diejenigen Kosten zugrunde zu legen sind, die das Unternehmen aufwendet, um diese Dienstleistungen zu erbringen. Nach diesem Ansatz sind als Kosten einer flächendeckenden Versorgung mit Postdienstleistungen nach § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG nur diejenigen nichteffizienten Kosten berücksichtigungsfähig, die dadurch verursacht werden, dass die Beigeladene die normativen Anforderungen des Universaldienstes erfüllt. Danach bietet die Erweiterung des Effizienzkostenmaßstabs durch § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG keine Handhabe, um Kosten aus anderen Geschäftsbereichen der Beigeladenen, die in keinem Ursachen- oder Zurechnungszusammenhang mit den Dienstleistungen des Price-Cap-Verfahrens stehen, entgelterhöhend in dieses Verfahren einzubeziehen. Es spricht viel dafür, dass es der Bundesnetzagentur verwehrt ist, ohne gesetzliche Grundlage autonom Kriterien für Abweichungen vom Gebot der verursachungsgerechten Zuordnung zu entwickeln und anzuwenden. 63 7. Hinsichtlich des zweiten Klageantrags ist die Sprungrevision des Klägers unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, Entgelte für die Beförderung von Standardbriefen, die die Beigeladene aufgrund der Entgeltgenehmigung vom 4.  Dezember 2015 vereinnahmt hat, im Wege der Folgenbeseitigung abzuschöpfen (§ 144 Abs. 4 VwGO). Insoweit stellt sich das angefochtene Urteil aus anderen als den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen als richtig dar. 64 a) Eine Verpflichtung der Beklagten zur Abschöpfung rechtswidrig vereinnahmter Entgelte für Postdienstleistungen besteht nicht, weil sie gesetzlich nicht vorgesehen ist. Die Bundesnetzagentur ist nur im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten als Regulierungsbehörde berechtigt und verpflichtet, Entscheidungen im Bereich der Entgeltregulierung nach §§ 19 ff. PostG zu treffen. Solche Befugnisse bestehen nach § 22 Abs. 2 und 3 PostG für Entscheidungen über Anträge auf Erteilung von Entgeltgenehmigungen sowie nach § 23 Abs. 3 PostG für die Untersagung eines Vertrags, der ein anderes als das genehmigte Entgelt enthält oder unwirksam ist, weil die erforderliche Entgeltgenehmigung fehlt. Die vom Kläger angestrebte Entgeltabschöpfung ist im Postgesetz nicht vorgesehen. 65 b) Im Übrigen umfasst die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Vertragsfreiheit des Klägers als Kunden der Beigeladenen keinen Anspruch auf die angestrebte Entgeltabschöpfung. Es liegt auf der Hand, dass ein Kunde nicht die Abschöpfung von Entgelten verlangen kann, die andere Kunden an die Beigeladene bezahlt haben. Seine Anfechtungsmöglichkeit beschränkt sich auf diejenigen entgeltregulierten Postdienstleistungen, die er in Anspruch genommen hat. Dementsprechend wird die Entgeltgenehmigung aufgrund einer erfolgreichen Anfechtungsklage nur insoweit aufgehoben, als die Vertragsbeziehungen des Klägers mit der Beigeladenen betroffen sind. Ansonsten bleiben die Entgeltgenehmigung und damit die von ihr gestalteten Verträge wirksam, sodass eine Rückerstattung von Entgelten nicht in Betracht kommt (vgl. unter 2. b)). Dessen ungeachtet eröffnet die Rechtsstellung nach Art. 2 Abs. 1 GG einem Kunden der Beigeladenen nicht die Möglichkeit, als Sachwalter anderer Kunden aufzutreten. 66 c) Aus der gerichtlichen Aufhebung einer Entgeltgenehmigung folgt kein öffentlich-rechtlicher Anspruch des erfolgreichen Klägers auf Rückerstattung von Entgelten unter dem Gesichtspunkt der Folgenbeseitigung. Ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch setzt voraus, dass eine subjektive Rechtsposition unmittelbar durch öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln verletzt und dadurch ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist, der andauert. Der Anspruch ist auf die Beseitigung dieses rechtswidrigen Zustandes und auf Wiederherstellung des früheren Zustandes gerichtet. Er umfasst alle noch andauernden Folgen des rechtswidrigen Vorgehens, die der handelnden Behörde zuzurechnen sind. Die Beseitigung der Vollziehungsfolgen eines vom Gericht aufgehobenen Verwaltungsakts kann prozessual durch einen Antrag nach § 113 Abs. 1 Satz 2 und 3 VwGO geltend gemacht werden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Juli 1984 - 3 C 81.82 - BVerwGE 69, 366 <368 ff.> und vom 23. Mai 1989 - 7 C 2.87 - BVerwGE 82, 76 <95>; Beschluss vom 2. Dezember 2015 - 6 B 33.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​021215B6B33.15.0] - Buchholz 402.02 PAuswG Nr. 10 Rn. 10). 67 Die gerichtliche Aufhebung einer Entgeltgenehmigung für Postdienstleistungen lässt keinen auf Entgeltrückerstattung gerichteten öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch entstehen, weil die Rechtsfolgen der Aufhebung auf dem Gebiet des Zivilrechts eintreten. Die Aufhebung der Entgeltgenehmigung führt dazu, dass die von ihr gestalteten Verträge zwischen dem erfolgreichen Kläger und der Beigeladenen unwirksam sind (§ 23 Abs. 2 Satz 2 PostG). Die Rückabwicklung richtet sich nach dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB ). Es ist Sache des Klägers zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er die bereicherungsrechtliche Rückerstattung der von ihm bezahlten Entgelte geltend macht. Für eine Zahlungsklage sind nach § 13 GVG die ordentlichen Gerichte zuständig. 68 8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1, § 154 Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO und § 100 Abs. 1 ZPO. Der Beigeladenen können nach § 154 Abs. 3 VwGO Kosten aufgegeben werden, weil sie im Revisionsverfahren einen Sachantrag gestellt hat. Da sie ein Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es nach § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten dem Kläger aufzuerlegen, soweit sie obsiegt hat. Ausgehend von einer wirtschaftlich gleichen Bedeutung beider Klageanträge obsiegen und verlieren der Kläger auf der einen Seite, die Beklagte und die Beigeladene auf der anderen Seite jeweils zur Hälfte." bverwg_2020-27,04.06.2020,"Pressemitteilung Nr. 27/2020 vom 04.06.2020 EN Klagen gegen die Elbvertiefung abgewiesen Die Planfeststellungsbeschlüsse zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe sind nach ihrer erneuten Änderung von Rechts wegen nicht mehr zu beanstanden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden und die Klagen zweier Umweltverbände abgewiesen. In einem vorherigen Klageverfahren gegen die Elbvertiefung hatte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 9. Februar 2017 festgestellt, dass die Planfeststellungsbeschlüsse in ihrer damaligen Fassung wegen Mängeln der habitatrechtlichen Prüfung rechtswidrig und nicht vollziehbar waren. Im Übrigen hatte das Bundesverwaltungsgericht die Planungen nicht beanstandet. Die gerichtliche Überprüfung im jetzigen Klageverfahren hat ergeben, dass die bezeichneten Rechtsfehler mit den nach einem ergänzenden Verfahren erlassenen Planergänzungsbeschlüssen beseitigt worden sind. Das Ausmaß einer vorhabenbedingten Beeinträchtigung des besonders geschützten Schierlings-Wasserfenchels haben die Beklagten zutreffend bestimmt. Die neu planfestgestellte Maßnahme „Tideanschluss Billwerder Insel“, mit der neue Wuchsorte für den allein an der Tideelbe heimischen Schierlings-Wasserfenchel geschaffen werden sollen, ist geeignet, diese Beeinträchtigungen auszugleichen. Bei den auf niedersächsischem Gebiet vorgesehenen weiteren Kohärenzsicherungsmaßnahmen haben die Beklagten jetzt nachvollziehbar dargelegt, dass es sich dabei nicht um sogenannte Standardmaßnahmen des Gebietsmanagements handelt. Auch im Übrigen sind die Planergänzungsbeschlüsse nicht zu beanstanden. Insbesondere verstößt das geänderte Vorhaben nicht gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot. BVerwG 7 A 1.18 - Urteil vom 04. Juni 2020","Urteil vom 04.06.2020 - BVerwG 7 A 1.18ECLI:DE:BVerwG:2020:040620U7A1.18.0 EN Planergänzung zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe Leitsätze: 1. Werden durch eine Planergänzung Kohärenzsicherungsmaßnahmen im Sinne von § 34 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG für ein Vorhaben ausgewechselt, das unbenannte Ausnahmegründe nach § 34 Abs. 4 Satz 2 BNatSchG in Anspruch nimmt, ist die Europäische Kommission nochmals zu beteiligen und deren Stellungnahme einzuholen. 2. Die Rechtskraft einer mit dem Feststellungsurteil nach § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG verbundenen negativen Feststellung, dass der angefochtene Planfeststellungsbeschluss nicht an anderen als den im Urteil ausdrücklich benannten - heilbaren - Fehlern leidet, bezieht sich auf solche Teile des Planfeststellungsbeschlusses, die im Sinne einzelner Klagegründe einer gesonderten Entscheidung zugänglich sind. Die so bezeichneten abtrennbaren rechtlichen Anforderungen an die Zulassungsentscheidung betreffen in erster Linie die Bewertung der durch spezielle verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Vorgaben geprägten Problemkreise und Sachbereiche aus dem oftmals umfangreichen Prüfprogramm, dem der Planfeststellungsbeschluss genügen muss. Darüber hinaus können nach den Umständen des Einzelfalles auch vom Gericht nicht beanstandete rechtliche Erwägungen und Begründungselemente, die der Überprüfung eines in den Urteilsgründen markierten Rechtsfehlers zuzuordnen sind, von der Rechtskraftwirkung erfasst sein. 3. Ob ein Vorhaben gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot verstößt, beurteilt sich nach dem allgemeinen ordnungsrechtlichen Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (Bestätigung von BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 480). 4. Eine Verschlechterung des chemischen Zustands eines Grundwasserkörpers liegt vor, sobald mindestens eine Umweltqualitätsnorm für einen Parameter vorhabenbedingt überschritten wird. Für Schadstoffe, die den maßgeblichen Schwellenwert bereits im Ist-Zustand überschreiten, stellt jede weitere Konzentrationserhöhung eine Verschlechterung dar (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 [ECLI:EU:C:2020:391], Land NRW - Rn. 119). 5. Bei der Feststellung der Erhöhung der Konzentration von Schadstoffen in der Wasserphase kommt es auf deren Messbarkeit auf der Grundlage sachgerechter Analysemethoden an; eine nur rechnerisch ableitbare, gegebenenfalls minimale Erhöhung ist unbeachtlich. Rechtsquellen BNatSchG § 34 Abs. 3, 4 und 5, § 44 WHG § 27 Abs. 1 und 2, § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG § 75 Abs. 1a Satz 2 UmwRG § 6 AEUV Art. 191 Abs. 2 Satz 2 FFH-RL Art. 6 Abs. 3 und 4 WRRL Art. 4 Abs. 1 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 04.06.2020 - 7 A 1.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:040620U7A1.18.0] Urteil BVerwG 7 A 1.18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2020 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Schemmer, Dr. Günther und Dr. Löffelbein am 4. Juni 2020 für Recht erkannt: Die Klagen werden abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Gründe I 1 Die Kläger, zwei Umwelt- und Naturschutzvereinigungen, wenden sich gegen die (zuletzt) nach einem ergänzenden Verfahren geänderten Planfeststellungsbeschlüsse der Beklagten zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe. 2 Mit Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - (BVerwGE 158, 1) hat das Bundesverwaltungsgericht auf die Klagen der Kläger die jeweils am 23. April 2012 erlassenen Planfeststellungsbeschlüsse der Beklagten zu 1 für die (Hamburger) Delegationsstrecke und der Beklagten zu 2 für die Bundesstrecke in der Fassung der bis zu diesem Zeitpunkt ergangenen Änderungen für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt und die Klagen im Übrigen abgewiesen. Die festgestellten Mängel betrafen die habitatrechtliche Verträglichkeitsprüfung, nämlich die Verneinung der Beeinträchtigung des Schierlings-Wasserfenchels durch einen vorhabenbedingten Anstieg des Salzgehalts der Elbe im Bereich Elbe-km 660 bis 670, die Abgrenzung der Kohärenzsicherungsmaßnahmen von Standardmaßnahmen auf niedersächsischem Gebiet sowie den Kohärenzausgleich durch den Wegfall der nicht als Kohärenzsicherungsmaßnahme für den Schierlings-Wasserfenchel und den Lebensraumtyp (LRT) 1130 (Ästuarien) anerkannten Maßnahme ""Spadenlander Busch/Kreetsand"". 3 Im Anschluss an ein ergänzendes Verfahren erließen die Beklagten unter dem 23. August 2018 jeweils einen 3. Planergänzungsbeschluss. Darin wird zum einen die FFH-Verträglichkeit im beanstandeten Umfang einer nochmaligen Überprüfung unterzogen und als deren Ergebnis die Bewertung in den Planfeststellungsbeschlüssen (in Gestalt der vorherigen Änderungen) bestätigt. Zum anderen wird mit dem Tideanschluss ""Billwerder Insel"" eine neue Kohärenzsicherungsmaßnahme planfestgestellt. Zu diesem Zweck sollen zwei ehemalige Absetzbecken des seit 25 Jahren stillgelegten Elbwasserfiltrierwerks Kaltehofe über den Entleerungsgraben und den Holzhafengraben mit dem Holzhafen und der Billwerder Bucht verbunden und damit dem Tideeinfluss ausgesetzt werden. Die Geländemorphologie der Beckensohle soll an die Wuchsbedingungen des Schierlings-Wasserfenchels angepasst werden. Zwischen den Einfassungen der Becken sollen tidebeeinflusste Bereiche mit Flusswatt, einem verästelten Prielsystem mit Gehölzinseln und Tide-Weiden-Auwald sowie Weiden-Feuchtgebüsch entstehen. Schließlich wird in Bezug auf die in Niedersachsen vorgesehenen Kohärenzsicherungsmaßnahmen dargelegt, inwieweit diese Planungen über zwingend vorgeschriebene Standardmaßnahmen hinausgehen. Die 3. Planergänzungsbeschlüsse wurden den Klägern jeweils am 27. August 2018 zugestellt. 4 Am 26. September 2018 haben die Kläger gegen die beiden Beschlüsse jeweils Klage erhoben. 5 Die Kläger machen geltend, dass die Heilung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigten Mängel wegen formeller und materieller Fehler der Planergänzungsbeschlüsse nicht gelungen sei und die Beschlüsse an weiteren Rechtsfehlern, so insbesondere in Bezug auf die wasserrechtliche Prüfung, litten. 6 Die Kläger beantragen jeweils, die Planfeststellungsbeschlüsse der Beklagten vom 23. April 2012, zuletzt geändert durch die 3. Planergänzungsbeschlüsse vom 23. August 2018, aufzuheben, hilfsweise, die Planfeststellungsbeschlüsse der Beklagten vom 23. April 2012, zuletzt geändert durch die 3. Planergänzungsbeschlüsse vom 23. August 2018, für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären. 7 Die Beklagten beantragen jeweils, die Klagen abzuweisen. II 8 Die Klagen sind zulässig, aber nicht begründet. 9 A. Dem geltend gemachten Aufhebungsanspruch steht nicht die Rechtskraft des die Klagen gegen die Planfeststellungsbeschlüsse insoweit abweisenden Urteils des Senats vom 9. Februar 2017 entgegen. Ob dies bereits deswegen anzunehmen ist, weil Gegenstand des Klageverfahrens nunmehr zwei jeweils durch die Verschmelzung mit den 3. Planergänzungsbeschlüssen (PEB) neue (geänderte) Planfeststellungsbeschlüsse sind (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 19 m.w.N.), erscheint zweifelhaft, kann aber dahinstehen. Denn die Abweisung des mit dem Hauptantrag verfolgten Aufhebungsbegehrens setzt immer voraus, dass nach § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG, der den Vorrang der Planerhaltung begründet und damit den in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorausgesetzten ungeschriebenen materiell-rechtlichen Aufhebungsanspruch ausschließt (siehe BVerwG, Urteil vom 21. Mai 1976 - 4 C 80.74 - BVerwGE 51, 15 <24>; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 10 ff.; Baumeister, Der Beseitigungsanspruch als Fehlerfolge des rechtswidrigen Verwaltungsakts, 2006, S. 6 ff., 9 f., 412 f.; a.A. Sonderverwaltungsprozessrecht: Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 75 Rn. 45 und Gaentzsch, UPR 2001, 201 <206>), die Heilung der festgestellten Rechtsfehler in einem ergänzenden Verfahren auch tatsächlich möglich erscheint (Neumann/Külpmann, a.a.O. Rn. 53c). Es ist aber jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass an dieser Einschätzung nach einem - unterstellt - erfolglosen Heilungsversuch aufgrund neuer rechtlicher oder tatsächlicher Entwicklungen und Erkenntnisse nicht mehr festgehalten werden kann. 10 B. Unter Berücksichtigung des fristgerecht vorgebrachten Klagevorbringens (1.) erweist sich die Klage sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag als unbegründet. Weder die gerügten Verfahrensmängel (2.) noch die geltend gemachten materiellen Fehler (3. bis 8.) liegen vor. 11 1. Entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung in den 3. Planergänzungsbeschlüssen, die auf die sechswöchige Klagebegründungsfrist nach § 14e Abs. 5 WaStrG a.F. verweist, gilt für die Kläger die zehnwöchige Klagebegründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG. Diese Regelung ging nach der damaligen Rechtslage der genannten fachgesetzlichen Klagebegründungsfrist vor. Denn der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Einfügung des § 6 UmwRG eine einheitliche und abschließende Regelung für alle Rechtsbehelfe im Geltungsbereich dieses Gesetzes (BVerwG, Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 14). Erst mit der Änderung der fachplanungsrechtlichen Vorschriften durch das Gesetz zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2237) hat der Gesetzgeber - wenn auch in Orientierung an der generellen Bestimmung des § 6 UmwRG - wieder eine für alle Klagen gegen wasserstraßenrechtliche Planfeststellungsbeschlüsse vorrangige fachgesetzliche Spezialregelung zur Klagebegründungsfrist geschaffen (vgl. BT-Drs. 19/4459 S. 50 zu § 14e Abs. 5 WaStrG n.F.). 12 Innerhalb der durch die Klageerhebung in Lauf gesetzten 10-Wochen-Frist haben die Kläger ihre Klagen begründet und durch die nach § 6 Satz 1 UmwRG gebotene Angabe von Tatsachen und Beweismitteln den Prozessstoff grundsätzlich festgelegt. Nach Ablauf dieser Frist kann der Tatsachenvortrag vertieft, der Prozessstoff als solcher jedoch nur unter den Voraussetzungen des § 6 Satz 2 und 3 UmwRG erweitert werden. 13 2. Die 3. Planergänzungsbeschlüsse leiden nicht an den geltend gemachten Verfahrensfehlern. 14 a) Die Europäische Kommission (Kommission) ist im ergänzenden Verfahren ordnungsgemäß beteiligt worden. Die angesichts der geänderten Planungen zur Kohärenzsicherung nach § 34 Abs. 4 Satz 2 BNatSchG erforderliche Stellungnahme der Kommission liegt vor. 15 aa) Nach Ansicht der Beklagten ist eine Stellungnahme der Kommission nach § 34 Abs. 4 Satz 2 BNatSchG (Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen - FFH-RL, ABl. L 206 S. 7) nur in Bezug auf geltend gemachte sonstige zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses einzuholen; hinsichtlich der dann erforderlichen Kohärenzsicherung sei - wie immer - nach § 34 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG (Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 2 FFH-RL) lediglich eine Unterrichtung der Kommission erforderlich. Durch die neuen Planungen aufgrund der 3. Planergänzungsbeschlüsse habe sich an den für das Vorhaben sprechenden zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses nichts geändert, so dass eine Unterrichtung ausreichend gewesen und nur vorsorglich eine Stellungnahme eingeholt worden sei. 16 Dieser Auffassung, die die sonstigen zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses und die Ausgleichsmaßnahmen in Bezug auf die Beteiligung der Kommission strikt trennt, ist nicht zu folgen. Spricht für ein Vorhaben, das mit einer Beeinträchtigung prioritärer Lebensraumtypen und Arten einhergeht, keines der in § 34 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG, Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 FFH-RL erwähnten zwingenden öffentlichen Interessen (benannte Abweichungsgründe), soll die Kommission eine Bewertung der möglicherweise beeinträchtigten ökologischen Werte vornehmen können; sie ist deswegen umfassend zu unterrichten (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 8 und vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 87). Dies bezieht sich zum einen auf die Grundlagen der Ermittlung des überwiegenden öffentlichen Interesses, was die Gegenüberstellung der mit dem Vorhaben verfolgten öffentlichen Interessen und dem betroffenen Integritätsinteresse der beeinträchtigten prioritären Arten bzw. Lebensraumtypen voraussetzt. Schon danach liegt es nahe, dass es einer erneuten Stellungnahme der Kommission bedurfte. Denn aufgrund der Beanstandungen im Urteil vom 9. Februar 2017 stand auch eine neue Prüfung des Ausmaßes der Beeinträchtigung des Schierlings-Wasserfenchels in Rede, und nur in Kenntnis von deren Ergebnissen kann das Gewicht des Integritätsinteresses bemessen und können im Anschluss daran Art und Umfang etwaiger Ausgleichsmaßnahmen bestimmt werden (EuGH, Urteile vom 15. Mai 2014 - C-521/12 [ECLI:​EU:​C:​2014:​330], Briels - Rn. 36, vom 14. Januar 2016 - C-399/14 [ECLI:​EU:​C:​2016:​10], Grüne Liga Sachsen - Rn. 56 f. und vom 29. Juli 2019 - C-411/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​622], Inter-Environnement Wallonie - Rn. 150). Zum anderen muss die Beteiligung so erfolgen, dass die Kommission auch die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen (Kohärenzsicherungsmaßnahmen - KSM) beurteilen kann (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 36, 461 unter Verweis auf den Auslegungsleitfaden der Kommission vom Januar 2007 zu Art. 6 Abs. 4 der ""Habitat-Richtlinie"" 92/43/EWG, S. 27; bestätigt durch die Neufassung vom 21. November 2018, ABl. 2019 C 33 S. 1, Nr. 5.8.3.; siehe auch das einheitliche Formblatt für die Übermittlung von Informationen nach Art. 6 Abs. 4 an die Kommission , wonach bei der Übermittlung von Unterlagen zur Stellungnahme neben den Alternativlösungen und den zwingenden Gründen des überwiegenden Interesses auch die Ausgleichsmaßnahmen zu benennen sind). Werden die Kohärenzmaßnahmen für ein Vorhaben ausgewechselt, das die unbenannten Ausnahmegründe in Anspruch nimmt, ist die Kommission demnach zwingend zu beteiligen und deren Stellungnahme einzuholen. 17 bb) Die erforderliche Stellungnahme liegt hier mit dem Schreiben der Kommission vom 25. April 2018 vor. Sie hat zwar nicht die äußere Form und den Umfang der im Planfeststellungsverfahren eingeholten Stellungnahme vom 6. Dezember 2011. Das ist jedoch unbeachtlich. Wenn das Schreiben sich nach Form und Inhalt zurücknimmt, erklärt sich das daraus, dass die Kommission - wie im Betreff ausdrücklich angegeben - ergänzende Informationen zu der ursprünglichen Stellungnahme zur Kenntnis nimmt und darauf in der Sache reagiert. Sie bestätigt ihre (erste) Stellungnahme und schreibt sie fort, indem sie auch die Kohärenzsicherungsmaßnahme Tideanschluss Billwerder Insel den in diesem Schreiben formulierten Bedingungen unterwirft. Der Einwand, dass die Beklagten ihrer Verpflichtung zur umfassenden Unterrichtung der Kommission nicht nachgekommen seien und diese folglich auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage entschieden habe, geht fehl. Die rechtliche Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts zur (Un-)Tauglichkeit der in den Planfeststellungsbeschlüssen ausgewiesenen KSM Spadenlander Busch/Kreetsand haben die Beklagten unmissverständlich übermittelt. Dass sie zugleich darauf hinweisen, an der Umsetzung dieser - nahezu fertiggestellten - Maßnahme festzuhalten, ist unschädlich. Denn es wird gleichwohl ausgeführt, dass das Kohärenzziel auch ohne diese Maßnahme erreicht werde. Damit standen der Kommission - auch mit dem Hinweis auf die ergänzenden Planunterlagen - alle Informationen für eine Prüfung, ob an der positiven Stellungnahme festgehalten werden kann, zur Verfügung. Eines Hinweises auf den wechselhaften Erfolg der verschiedenen darüber hinaus ergriffenen Maßnahmen bedurfte es nicht. 18 b) Die in Bezug auf die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) geltend gemachten Mängel liegen ebenfalls nicht vor. Mit dem Vorbringen der Kläger werden allerdings nicht nur Verfahrensmängel gerügt, die der Regelung des § 4 UmwRG unterfallen. 19 Die UVP dient der Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der erheblichen Auswirkungen eines Vorhabens auf die Schutzgüter; sie strukturiert das Verfahren im Vorfeld der Sachentscheidung durch die Phasen der Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung und vollzieht sich in verschiedenen Verfahrensschritten. Von der so normierten äußeren Ordnung des Verfahrens sind diejenigen Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung der Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterscheiden, die von den materiell-rechtlichen Maßstäben der jeweils einschlägigen Fachgesetze geprägt werden und folglich nicht von § 4 UmwRG erfasst werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 - BVerwGE 161, 17 Rn. 29 ff.) 20 aa) Die behauptete defizitäre Dokumentation der artenschutzrechtlichen Bestandsaufnahme bezeichnet danach keinen Verfahrensmangel. Sie betrifft nicht die äußere Ordnung des Verfahrens. Die Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung werden vielmehr durch das materielle Recht bestimmt (siehe nachfolgend unter 7.). 21 bb) Die Rüge, die UVP verkenne den Projektbegriff, weil sie nur auf die Auswirkungen der neu geplanten Kohärenzsicherungsmaßnahme, nicht aber auf diejenigen des damit geänderten Gesamtvorhabens der Fahrrinnenanpassung abstelle, bezieht sich ebenso wenig auf einen Verfahrensfehler. Denn es geht nicht um die verfahrensbezogene Grundentscheidung und Weichenstellung, ob die Entscheidung über die Zulassung eines bestimmten Vorhabens gemäß § 5 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) die Durchführung einer UVP voraussetzt, sondern um die Bewertung der Auswirkungen eines UVP-pflichtigen Vorhabens. 22 Der somit auf das materielle Recht bezogene Einwand der Kläger greift indessen nicht durch. Zwar handeln die 3. Planergänzungsbeschlüsse die UVP unter Abschnitt B.I.1. und somit bei der Planfeststellung der ergänzenden Kohärenzsicherungsmaßnahme ab. Bei der Entgegnung auf die Einwendungen der Kläger wird auf Seite 26 aber unter Bezugnahme auf die Untersuchungen der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) im Fachbeitrag Hydrologie und Morphologie (PEU III 1.3, S. 8, 55) darauf verwiesen, dass das zusätzliche Tidevolumen durch den Anschluss der Absetzbecken derart klein sei, dass es keine Auswirkungen auf das Gesamtvorhaben habe; folglich habe es lediglich einer ergänzenden Untersuchung von Hydrologie und Morphologie im Bereich der Kohärenzsicherungsmaßnahme und ihrem Umfeld bedurft. Aufgrund der Größenordnung der morphologischen Veränderungen durch die gesamte Elbvertiefung ist diese Einschätzung ohne Weiteres plausibel und nachvollziehbar. Sie wird durch die Darstellung der minimalen ausbaubedingten Veränderungen der Tidekennwerte belegt (PEU III 1.3, S. 12 ff., Bild 8 , Bild 9 , Bild 10 , Bild 11 ). Insoweit sind die tatsächlichen Verhältnisse mit denen der sogenannten Vermeidungslösung im Verfahren zum Ausbau der Weser nicht vergleichbar. Denn dort waren die Wechselwirkungen zwischen den im Wege einer Planänderung einbezogenen Schutzvorkehrungen als integrale Bestandteile des Vorhabens und dem Vorhaben im Übrigen gerade nicht geprüft worden (BVerwG, Urteil vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 46 f.). 23 cc) Der Einwand, in der UVP seien die Auswirkungen und Betroffenheiten des Vorhabens in Bezug auf den Klimawandel nur unvollständig untersucht worden, betrifft hingegen einen Verfahrensfehler. Insoweit wird geltend gemacht, ein vorgeschriebener Verfahrensschritt sei nur unvollständig abgearbeitet bzw. gänzlich übergangen worden. Mit ihrer Rüge dringen die Kläger allerdings nicht durch. 24 (1) Das Gesamtvorhaben war nicht anhand der Vorgaben des § 16 Abs. 3 UVPG i.V.m. Anlage 4 Ziffer 4 Buchst. b und insbesondere Ziffer 4 Buchst. c Doppelbuchst. hh auf eine Anfälligkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels einer neuen Prüfung zu unterziehen. Zur Verdeutlichung der Notwendigkeit einer solchen Überprüfung verweisen die Kläger auf den Anstieg des Meeresspiegels und damit einhergehende höhere Überflutungswahrscheinlichkeiten auf den Vordeichflächen, wodurch die dort vorkommenden Brutvogelarten stärker beeinträchtigt würden. 25 Eine Neubewertung des Gesamtvorhabens im Anschluss an die Änderung des Vorhabens durch die neue Kohärenzsicherungsmaßnahme wäre nur dann erforderlich gewesen, wenn diese Ergänzung und - räumlich auf einen Randbereich beschränkte - Erweiterung des planfestgestellten Vorhabens beachtliche Auswirkungen auf das im Übrigen von dieser Änderung nicht unmittelbar betroffene Gesamtvorhaben gehabt hätte. Nur unter dieser Voraussetzung wäre die Rechtskraft des Urteils des Senats vom 9. Februar 2017, das in dieser Hinsicht Rechtsfehler nicht festgestellt hat, nicht mehr zu beachten. Solche tatsächlichen Auswirkungen der KSM Tideanschluss Billwerder Insel haben die 3. Planergänzungsbeschlüsse - wie bereits oben dargelegt - unter Bezugnahme auf den Fachbeitrag der BAW (PEU III 1.3) aber nachvollziehbar verneint. 26 (2) Auswirkungen der Kohärenzsicherungsmaßnahme als solcher auf das klein- und großräumige Klima hat die UVP geprüft. Sie ist anlagebedingt aufgrund der Erhöhung der für die Kaltluftentstehungsgebiete bedeutsamen Durchgrünungsanteile von unerheblich vorteilhaften Auswirkungen auf das lokale (Klein-)Klima ausgegangen und hat Auswirkungen auf das großräumige Klima verneint (PEU III 1.4, S. 113). Die UVP hat schließlich auch verneint, dass die Kohärenzsicherungsmaßnahme besonders anfällig gegenüber den Folgen des Klimawandels ist (PEU III 1.4, S. 53). Dies gilt aufgrund ihrer Lage im Einflussbereich eines (geregelten) Tidegeschehens nicht nur für veränderte Niederschlagsereignisse und Hitzeperioden, sondern auch für mögliche Veränderungen des Sturmflutgeschehens. Vor letzterem ist die Kohärenzsicherungsmaßnahme durch das Sperrwerk Billwerder Bucht geschützt. 27 3. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung für den Schierlings-Wasserfenchel begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Dies gilt sowohl für den Rückgriff auf bereits vorhandene Gutachten als auch für die Modalitäten von deren Anwendung. 28 a) Die 3. Planergänzungsbeschlüsse haben bei der erneuten Durchführung der im Urteil vom 9. Februar 2017 als fehlerhaft beanstandeten Verträglichkeitsprüfung in Bezug auf durch die Verschiebung der Brackwasserzone gefährdete Wuchsorte des Schierlings-Wasserfenchels an der Elbe unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Wesentlichen an den bereits im Zeitpunkt der ursprünglichen Planfeststellung gegebenen Erkenntnisstand angeknüpft. Die Kläger vertreten demgegenüber die Auffassung, die Beklagten hätten insbesondere die im Planfeststellungsverfahren erstellten hydromorphologischen Grundlagengutachten nicht zugrunde legen dürfen. Vielmehr sei deren Überarbeitung aufgrund von Veränderungen der Morphologie der Elbe und Fortschritten bei den Möglichkeiten einer längerfristigen Modellierung erforderlich gewesen. 29 aa) Diesem Einwand der Kläger steht nicht schon die Rechtskraft des Urteils vom 9. Februar 2017 (§ 121 VwGO) entgegen. 30 Die FFH-Verträglichkeitsprüfung wurde in Bezug auf den Schierlings-Wasserfenchel bereits im Verfahren zum Erlass der 2. Planergänzungsbeschlüsse vom 24. März 2016 überarbeitet. Damals wurde die Bestandsaufnahme aktualisiert, während die BAW-Gutachten aus dem ursprünglichen Planfeststellungsverfahren zur Bewertung der Beeinträchtigungen über die verschiedenen Wirkpfade herangezogen wurden. Dieses Vorgehen hat der Senat im Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - (BVerwGE 158, 1 Rn. 140 f.) nicht beanstandet. Die dem zugrundeliegende rechtliche Bewertung erwächst aber nicht in Rechtskraft. 31 Im Anwendungsbereich des § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG bezieht sich die Rechtskraft eines klageabweisenden Urteils zum einen auf den mit der Anfechtungsklage im Hauptantrag geltend gemachten Aufhebungsanspruch; danach steht fest, dass der Planfeststellungsbeschluss nicht an solchen Fehlern leidet, die nach Maßgabe des § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG nicht behoben werden können und folglich zu dessen Aufhebung führen müssen. Zum anderen ist mit der Rechtskraft des stattgebenden Feststellungsurteils, wonach der Planfeststellungsbeschluss - nach Maßgabe der Urteilsgründe - rechtswidrig und nicht vollziehbar ist, zugleich eine negative Feststellung des Inhalts verbunden, dass der Planfeststellungsbeschluss nicht an anderen als den im Urteil ausdrücklich benannten - heilbaren - Fehlern leidet. Der Kläger kann demnach im nachfolgenden Klageverfahren gegen den im ergänzenden Verfahren insgesamt bestätigten oder auch teilweise geänderten Planfeststellungsbeschluss nicht geltend machen, dass dieser über die Beanstandung des Gerichts hinaus wegen weiterer Mängel rechtswidrig ist (BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - BVerwGE 149, 31 Rn. 28; Beschlüsse vom 20. März 2018 - 9 B 43.16 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 16 Rn. 65 und zuletzt vom 17. März 2020 - 3 VR 1.19 - NVwZ 2020, 1051 Rn. 18). 32 Einer nochmaligen gerichtlichen Überprüfung entzogen sind solche Teile des Planfeststellungsbeschlusses, die - ungeachtet eines nach den allgemeinen prozessrechtlichen Kategorien einheitlichen Streitgegenstandes - als prozessuale Besonderheit und Folgerung aus dem Gebot der Planerhaltung im Sinne einzelner Klagegründe einer gesonderten Entscheidung zugänglich sind. Diese Klagegründe bezeichnen abtrennbare rechtliche Anforderungen an die Zulassungsentscheidung. Sie betreffen in erster Linie die Bewertung der durch spezielle verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Vorgaben geprägten Problemkreise und Sachbereiche aus dem oftmals umfangreichen Prüfprogramm, dem der Planfeststellungsbeschluss nicht zuletzt als Folge seiner Konzentrationswirkung genügen muss. Inwieweit vom Gericht nicht beanstandete rechtliche Erwägungen und Begründungselemente, die der Überprüfung eines in den Urteilsgründen markierten Rechtsfehlers zuzuordnen sind, in dem Sinne eigenständig zu betrachten sind, dass dieser Ausschnitt der rechtlichen Würdigung als rechtsbeständig anzusehen ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Von Gewicht ist dabei insbesondere die Bedeutung dieser Erwägungen für das gesamte Verfahren, worauf nicht zuletzt der argumentative Aufwand der Beteiligten sowie Begründungsumfang und -tiefe bei der gerichtlichen Bewältigung der aufgeworfenen Rechtsfragen hindeuten können; daraus kann sich insbesondere auch die Absicht und der Anspruch des Gerichts ergeben, diese Fragen jedenfalls im gegebenen Prozessrechtsverhältnis einer abschließenden Klärung zuzuführen. Davon sind Ausführungen des Gerichts zu unterscheiden, die zwar ebenfalls die rechtlichen Erwägungen und Vorgehensweisen der Behörden billigen, die aber nicht von diesem Gewicht und somit als bloße Vorfragen einzustufen sind und folglich nicht in Rechtskraft erwachsen (siehe hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 4 A 7.16 - juris Rn. 7 ff., 9). Um eine solche Vorfrage handelt es sich bei der Frage, welche Gutachten nach Maßgabe allgemeiner Grundsätze eine verlässliche Entscheidungsgrundlage abgeben. 33 bb) Die Beklagten haben die vom Bundesverwaltungsgericht zum maßgeblichen Zeitpunkt bei ergänzenden Verfahren entwickelten Grundsätze zutreffend angewandt; diese bedürfen keiner Ergänzung. 34 Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses kommt es grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage bei dessen Erlass an. Wird danach ein ergänzendes Verfahren durchgeführt mit der Folge, dass der festgestellte Plan und die nachträglichen Änderungen zu einem einzigen Plan in der durch den Änderungsbeschluss erreichten Gestalt verschmelzen, bedarf es einer differenzierenden Betrachtungsweise. Der Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit hängt maßgeblich von der Zielrichtung des Verfahrens ab. Beschränkt es sich darauf, einen punktuellen Fehler der früheren Entscheidung zu heilen, so bleibt der Zeitpunkt des (ersten) Planfeststellungsbeschlusses maßgeblich. Abweichendes gilt dann, wenn die Planfeststellungsbehörde ihre Entscheidung im ergänzenden Verfahren auf veränderte tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse stützt und auf der Grundlage einer Aktualisierung der Beurteilungsgrundlagen eine Neubewertung etwa der Verträglichkeitsuntersuchung vornimmt; dann ist insoweit der Zeitpunkt der Aktualisierung maßgeblich. Letzteres gilt bei der Prüfung des FFH-Rechts insbesondere auch dann, wenn das ergänzende Verfahren zu einem Zeitpunkt durchgeführt wird, zu dem das rechtswidrig zugelassene Vorhaben bereits errichtet ist. In dieser Situation kann eine realitätsnahe Prüfung der Auswirkungen nicht auf eine gegebenenfalls von den tatsächlichen Gegebenheiten überholte prognostische Einschätzung gestützt werden (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 21 und vom 27. Juni 2019 - 7 C 22.17 - NuR 2019, 846 Rn. 14 m.w.N.). 35 Nach diesen Maßstäben durften die Beklagten die im Zeitpunkt des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses vorliegenden Gutachten der BAW für die Prüfung der Änderung des Salzgehalts durch die Verlagerung der Brackwasserzone im betreffenden Abschnitt der Elbe heranziehen. Der inhaltlichen Verwertbarkeit dieser Gutachten stehen Hinderungsgründe nicht entgegen. Dabei spricht zwar viel dafür, dass die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zu diesen Gutachten, die es als Ergebnis einer umfangreichen und vertieften Prüfung als hinreichend aktuell und methodisch korrekt erarbeitet eingestuft hat (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 39 ff.), nach den oben dargelegten Grundsätzen an der Rechtskraftwirkung des Urteils teilhaben. Das kann aber letztlich dahinstehen. Denn der Senat hat jedenfalls keine Veranlassung, von dieser Einschätzung, gegen die substantiiert nichts vorgetragen wird, abzurücken. 36 Die Zielrichtung des in Rede stehenden Teils des ergänzenden Verfahrens ist - wie bereits bei den insoweit im Anschluss an den Hinweisbeschluss des Senats vom 2. Oktober 2014 - 7 A 14.12 - (DVBl 2015, 95 Rn. 38 f., 43 ff.) erlassenen 2. Planergänzungsbeschlüssen - eindeutig: Es sollte insoweit nur ein Ausschnitt aus der FFH-Verträglichkeitsprüfung - in den 3. Planergänzungsbeschlüssen eng beschränkt auf den Wirkpfad Salinität in einem Uferabschnitt der Elbe - neu erstellt werden, die aber weiterhin in ein im Wesentlichen unverändertes Gesamtvorhaben eingebettet war. In dieser Situation war die Verschiebung des maßgeblichen Zeitpunkts nicht deswegen geboten, weil die Beklagten für die 3. Planergänzungsbeschlüsse - wie bereits zuvor für die 2. Planergänzungsbeschlüsse - die Bestandserfassung aktueller und potentieller Wuchsorte des Schierlings-Wasserfenchels aufgrund neuer Erkenntnisse überprüft haben (PEU III, S. 9 Abb. 4-1). Eine solche lediglich partielle Öffnung des Zeithorizonts in Bezug auf relativ einfach festzustellende tatsächliche Verhältnisse dient dem Interesse einer möglichst vorsorglichen und realitätsnahen Beurteilungsgrundlage. Dies nötigt die Behörde aber nicht dazu, die aufwendigen und komplexen Grundlagengutachten insoweit einer Aktualisierung zu unterziehen. Denn auf diesen beruht die Bewertung des ganzen Vorhabens. Eine neuerliche auf einen Teilaspekt der FFH-Verträglichkeitsprüfung beschränkte rechtliche Bewertung fügt sich nur dann als Mosaikstein in das Gesamtbild ein, wenn sie ebenfalls hierauf aufbaut. Auf die von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vorgelegten graphischen Darstellungen von Interpolationen des Salzgehalts auf der Grundlage des Ergebnisses der Modellkalibrierung der BAW mit der Topographie 2016 (Stellungnahme vom 17. Mai 2019) kommt es folglich nicht an. 37 Dieses Vorgehen steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Grundlagengutachten auch für das im ergänzenden Verfahren geänderte Vorhaben weiterhin aussagekräftig sind. Davon durften die Beklagten auf der Grundlage der Einschätzung der BAW, wonach sich die relativ geringfügige Vergrößerung des Tidevolumens durch die Schaffung der neuen KSM Tideanschluss Billwerder Insel nicht auf die hydromorphologischen Verhältnisse in Unter- und Außenelbe auswirke, indessen ausgehen (3. PEB, S. 26; siehe oben unter B. 2. b) aa)). 38 Auch der Hinweis der Kläger auf die zwischen dem Erlass der Planfeststellungsbeschlüsse und dem Erlass der 3. Planergänzungsbeschlüsse verstrichene Zeit von über fünf Jahren und die Besonderheiten eines dynamischen Systems, in dem sich insbesondere die Morphologie des Gewässers ständig ändere, gibt keinen Anlass, vom Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des Erlasses der Planfeststellungsbeschlüsse abzurücken. Zwar können tatsächliche Entwicklungen zur Folge haben, dass bestimmte Erkenntnisse als überholt anzusehen sind und als verlässliche Grundlage für weitere Prüfungen und rechtliche Bewertungen nicht mehr taugen. Eine strikte 5-Jahres-Regel ist aber auch bei der Bestandserfassung für die UVP nicht anerkannt (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 149 f.). Vielmehr sind die besonderen Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen. Dabei fällt hier maßgeblich ins Gewicht, dass die prognostischen Aussagen in den Gutachten der BAW bereits auf einen längerfristigen Zeithorizont ausgerichtet sind und gerade die auf Rechenmodelle aufsetzende wasserbauliche Systemanalyse Änderungen der Rahmenbedingungen in diesem dynamischen System berücksichtigt. 39 b) Die Überprüfung, ob aktuelle und potentielle Wuchsorte des Schierlings-Wasserfenchels durch eine ausbaubedingte Erhöhung des maximalen Salzgehalts als beeinträchtigt zu gelten haben, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Sie geht insbesondere von hinreichend vorsorglichen Annahmen aus. 40 Zu Unrecht meinen die Kläger, die Heranziehung der Unterlagen zur Planänderung III sei nicht in ausreichendem Maße von den gebotenen worst-case-Annahmen geprägt. Die vom Senat im Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - (BVerwGE 158, 1 Rn. 246) wegen des dort eingestellten Oberwassers von 350 m³/s beanstandete Bewertung auf der Grundlage der PEU II 5.1 (S. 17) legte die Prognosen des Gutachtens H.1a (siehe S. 49 zu den für die Simulation verwendeten Randwerten) zugrunde. Damals waren die Nebenflüsse noch nicht in die Modellierung eingestellt worden, was als solches ebenfalls zur Überschätzung der Ausbaufolgen beigetragen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 a.a.O. Rn. 59). In den überarbeiteten Gutachten zur Planänderung III sind die Nebenflüsse stromauf der Störmündung und der Wischhafener Nebenelbe in die Modellierung einbezogen worden (PÄ III, Teil 10 S. 2). Allerdings ist neben einem - eher selten auftretenden - Oberwasser von 180 m³/s, von dem nach den Vorgaben des Urteils vom 9. Februar 2017 auszugehen ist, auch ein konstanter seeseitiger Salzgehalt von 32 PSU anstelle von lediglich 30 PSU eingestellt worden (PÄ III, Teil 10 S. 5; PEU III 2, S. 3 Tabelle 3-1). Die im Hinblick auf die Behandlung der Nebenflüsse geringere Vorsorglichkeit ist insoweit jedenfalls teilweise kompensiert worden. An weiteren - hier ganz entscheidenden - vorsorglichen Kriterien ist festgehalten worden. So geht die Prüfung insbesondere von einem vollständigen Ausfall der aktuellen und potentiellen Standorte bei einem Anstieg des Salzgehalts über den Wert von 2 PSU aus; dabei wird dort jeweils eine Besiedlung mit einer großzügig bemessenen Anzahl von Pflanzen unterstellt (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 a.a.O. Rn. 236, 238). Schließlich spricht auch nichts dagegen, anstatt einer pauschalierenden Herangehensweise, die den gesamten 10 km langen Abschnitt nach den dort bei Elbe-km 670 zu verzeichnenden Werten betrachtet, innerhalb des Abschnitts im Anschluss an das vorhandene Datenmaterial zu differenzieren, das das Vordringen einer Salzzunge im tieferen Fahrwasser verdeutlicht (siehe etwa auch Gutachten H.1a, Anlage 4, S. 106 Bild 102, S. 112 Bild 108; sowie stromab für das Teilgebiet West S. 51 Bild 49, S. 52 Bild 50). Dies drängt sich insbesondere deswegen auf, weil der Salzgehalt mit jedem Stromkilometer stromauf geringer wird und darüber hinaus die zu betrachtenden Standorte sich nur im Bereich von Elbe-km 660 bis ca. km 665 finden (PEU III 2, S. 9 Abb. 4-1; PEU II 5.1, S. 11 Abb. 3-1). Eine Betrachtungsweise, die sich nur am Maximalwert am seeseitig gelegenen Ende des Abschnitts ausrichtet, ersetzt die Vorsorglichkeit durch gänzlich realitätsfremde Annahmen. 41 4. Die Kohärenzeignung der Maßnahme Tideanschluss Billwerder Insel ist von den Beklagten zutreffend bejaht worden. 42 a) aa) Die Kläger wenden sich gegen die Tauglichkeit der Maßnahme in erster Linie mit der grundsätzlichen Argumentation, wonach die Kohärenzsicherung immer die Beibehaltung des natürlichen Verbreitungsgebiets der betroffenen Art voraussetze. Hier werde dieses Verbreitungsgebiet um mindestens 10 Fluss-km (Elbe-km 660 bis km 670; richtig: 670 bis 680) verkleinert. Mit der Maßnahme sei keine lokale Vergrößerung des Verbreitungsgebiets (""in die 'Breite'"") verbunden, denn die Billwerder Insel sei ursprünglich eine tidebeeinflusste Auenlandschaft gewesen. Folglich werde nicht das Verbreitungsgebiet, sondern lediglich die besiedlungsfähigen Standorte erweitert. Wegen des Verlusts von Habitatinseln und Trittsteinbiotopen in dem von der Erhöhung des Salzgehalts betroffenen Abschnitt steige das Aussterberisiko für den Schierlings-Wasserfenchel; die Konzentration auf einen Schwerpunktraum sei nicht dienlich; es komme zu einer Fragmentierung des Lebensraums und einer Isolation der Standorte an der Stör. Die im betreffenden Bereich vorhandenen Diasporen gingen als Reserven verloren. Letztlich sei der Schutz aller Wuchsorte zur Erhaltung der Metapopulation geboten. 43 Mit diesen Einwänden können die Kläger nicht durchdringen. Sie bringen letztlich vor, dass der Schierlings-Wasserfenchel in seinen Lebensbedingungen und die Population als solche durch den Verlust der nunmehr auszugleichenden Wuchsorte unwiederbringlich geschädigt werde. Denn diese Argumentation führte - wie auch die vom Senat im Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - (BVerwGE 158, 1 Rn. 248 und 461) zurückgewiesene Argumentation zur Verkleinerung des ""Weltareals"", das wegen seiner Abhängigkeit von der tidebeeinflussten Elbe vorbehaltlich einer Beseitigung des Wehrs Geesthacht letztlich niemals vergrößert werden kann - dazu, dass das Vorhaben von vornherein wegen einer nicht ausgleichbaren Beeinträchtigung einer prioritären Art am Zulassungshindernis des § 34 Abs. 5 BNatSchG scheitern müsste. Träfe dies zu, hätte der Klage schon damals im Hauptantrag stattgegeben werden müssen. Die Rechtskraft der Abweisung der Klage im Hauptantrag steht folglich der Berücksichtigung dieses Vortrags entgegen. Auf die hierzu von den Klägern aufgeworfene, mit der Anregung einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union verbundene unionsrechtliche Frage, die insbesondere die Zulässigkeit einer Verkleinerung des Verbreitungsgebiets bezweifelt, kommt es folglich nicht mehr an. 44 bb) Auch im Übrigen zeigen die Kläger nicht auf, dass die Maßnahme von ihrer Gestaltung und ihrer Einbettung in die Umgebung her die ihr zugedachte Aufgabe als dauerhafter Standort für den Schierlings-Wasserfenchel nicht erfüllen kann. 45 Dabei kann dahinstehen, ob das im Laufe des Klageverfahrens durch gutachterliche Stellungnahmen unterfütterte Vorbringen der Kläger insbesondere zur Gefahr einer baldigen Verschlickung der neugestalteten Absetzbecken nach § 6 UmwRG überhaupt Ansatzpunkt für eine der Klage stattgebende Entscheidung hätte sein können. In den fristgerecht eingereichten Klagebegründungen war dieser Vortrag nicht angelegt. Dies gilt - ungeachtet der dortigen Ausführungen zum Sedimenttransport - auch für die Verschlickungsproblematik in der Billwerder Bucht. In den Klagebegründungen war dieses Vorbringen allein auf die Grundlagen der neuen FFH-Verträglichkeitsprüfung bezogen. Auch die Forderung nach Vorlage von Datensätzen der BAW bezog sich nur auf die neue Modellierung mit der Topographie 2016. Erstmals im Schriftsatz vom 20. Januar 2020 haben die Kläger den Wunsch nach einem Einblick in die dem Fachbeitrag der BAW (PEU III 1.3) zugrundeliegenden Datensätze und Berechnungen geäußert. Unabhängig hiervon hat das Vorbringen der Kläger jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. 46 (1) Die Absetzbecken werden im Einklang mit den allgemein anerkannten Erkenntnissen über die Standortanforderungen des Schierlings-Wasserfenchels so modelliert, dass große flach geneigte Flächen in der Höhenlage im Bereich von - 0,20 m bis -1,30 m unter MThw (entspricht 2,02 bis 0,92 NHN) entstehen. 47 Ohne Erfolg wenden die Kläger gestützt auf die gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. Jensen ein, der als solcher zutreffende Hinweis auf einen mittleren Tidehub von 3,71 m (beim nächstgelegenen Pegel Schöpfstelle, siehe HPA, Gewässerkundliche Information, Gewässerkundliches Jahr 2019, Pegel im Hafengebiet, 5-Jahresreihe 2011-2015) sei irreführend bis falsch, weil im Gebiet der Kohärenzsicherungsmaßnahme allein ein sehr geringer ""wirksamer Tide(n)hub von 60-120 cm"" eingestellt sei. Es versteht sich von selbst, dass je nach Höhe des Tidehubs der Wuchsort des Schierlings-Wasserfenchels nur im oberen Teil der Tidekurve - und somit nur während eines beschränkten Zeitabschnitts der Tide - von Wasser bedeckt ist. Wäre die Prielsohle tiefer als 0,80 NHN geplant, so dass die Flut schon früher in die Becken einströmt, änderte sich an den Standortbedingungen des Schierlings-Wasserfenchels nichts. Auch am Rande einer Flachwasserzone - so etwa bei der Flachwasserbucht Kreetsand -, wo der Tidehub in seiner gesamten Höhe zu beobachten ist, kommt es nur auf die Verhältnisse am konkreten Standort an. Dass der Schierlings-Wasserfenchel mit der gegebenen Überflutungsdauer auskommt, zeigen die Vorkommen z.B. in Heuckenlock/Schweenssand, wo mit einem mittleren Tidehub von 3,79 m ein vergleichbarer Tidehub zu verzeichnen ist (siehe die Angaben zum Pegel Hamburg-Harburg bei HPA, Gewässerkundliche Information, Gewässerkundliches Jahr 2019). 48 (2) Der dauerhaften Eignung und Wirksamkeit der Kohärenzsicherungsmaßnahme steht auch nicht entgegen, dass durch das Sperrwerk Billwerder Bucht große und Extremtiden von > 3,5 NHN (> ca. 1,3 m über MThw) ferngehalten werden. 49 Nach den Ausführungen in PEU III 1.5, Anhang (Planula, G. Obst, Grundlagen für die Planung der Wuchsbereiche des Schierlings-Wasserfenchels im Maßnahmengebiet ""Tideanschluss Billwerder Insel"", S. 2) haben höhere Wasserstände keinen positiven Effekt auf die Habitateigenschaften des Schierlings-Wasserfenchels; auf Störstellen durch abfließendes Hochwasser, Treibholz oder Eisschur zielt die Gestaltung der Wuchsflächen nicht ab. Diese sachverständige Einschätzung, die auf langjährigen Erfahrungen des Gutachters mit einschlägigen Erkundungs- und Entwicklungs-Vorhaben und Monitorings beruht (a.a.O., S. 1), wird durch das Vorbringen der Kläger nicht erschüttert. 50 Der Schierlings-Wasserfenchel wächst bevorzugt an Prielen oder im ausreichend tidebeeinflussten Bereich. Dabei sind zwei unterschiedliche Standorttypen zu unterscheiden, zum einen der Röhricht-/Hochstaudengürtel, zum anderen der Halbschatten von Weidengebüsch/Baumweiden (siehe Bundesamt für Naturschutz und Bund-Länder-Arbeitskreis FFH-Monitoring und Berichtspflicht, Bewertungsschemata für die Bewertung des Erhaltungsgrades von Arten und Lebensraumtypen als Grundlage für ein bundesweites FFH-Monitoring, Teil I, BfN-Skripten 48o, 2017, S. 65). Im erstgenannten Bereich ist der Schierlings-Wasserfenchel als Pionierpflanze im Bereich des Biotops der Pioniervegetation (Schlammuferfluren) der starken Konkurrenz insbesondere des Schilfröhrichts ausgesetzt und wird im Wege der Sukzession verdrängt, wenn dieser eine dichte Vegetationsdecke bildet (siehe hierzu etwa Neubecker, PLAN, Der Schierlings-Wasserfenchel, Monitoring und fachliche Begleitung der Vermessung von Maßnahmenflächen in Hamburg, Jahr 2018, 14. November 2019, S. 36, 45; FHH BUE, Brandt, Rückdeichung der Billwerder Insel/Holzhafen, Monitoring der Maßnahmen, Bericht 2017, 14. Mai 2018, im Folgenden: Brandt, Monitoring-Bericht, S. 42, 45). Um dort wieder auf geeigneten Offenflächen wachsen zu können, ist der Schierlings-Wasserfenchel neben dem durchlichteten Rand des Bewuchses auf Störstellen im Schilfröhricht als eines zeitlichen Pionierstadiums angewiesen. Diese Störstellen entstehen durch die oben genannten Störungseinflüsse; von Bedeutung sind allerdings auch die Stauzeiten länger anhaltender Hochwasser (vgl. Neubecker, a.a.O., S. 60), die ungeachtet des Schließwasserstands des Sperrwerks Billwerder Bucht auch im Maßnahmengebiet auftreten können. Im Gegensatz dazu stehen Wuchsorte, an denen sich der Schierlings-Wasserfenchel langfristig im Endstadium der natürlichen Sukzession der tidebeeinflussten Flächen halten kann. Auf die Herausbildung solcher Standorte im Halbschatten von Baum- und Strauchweiden (siehe dazu auch Neubecker, a.a.O., S. 46) ist die Kohärenzsicherungsmaßnahme ausgerichtet, wie der Sachbeistand des Beklagten zu 1, Dipl.-Geogr. Kindermann, in der mündlichen Verhandlung erläutert hat. Aufgrund der Beschattung sollen lichtbedürftige Konkurrenzpflanzen wie der Schilfröhricht nicht oder nur lückig wachsen; Störungseinflüsse wie im Falle von für den Schilfröhricht optimalen Wuchsbedingungen sind deshalb entbehrlich. Sie sind schließlich auch nicht erforderlich, um einen lichten Tide-Auwald hervorzubringen. Denn die Wuchsflächen für den Schierlings-Wasserfenchel sollen gerade am Gehölz-/Waldsaum, d.h. an den offenen Rändern und Übergängen zu benachbarten Biotopen, entstehen (siehe auch Brandt, Monitoring-Bericht, S. 53), während ausgedehnte Waldgebiete aufgrund der Modellierung der Becken nicht vorgesehen sind. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass Laub und Detritus sich in einem Ausmaß ansammeln werden, dass die Räumkraft der vom Schließwasserstand des Sperrwerks in ihrem Ausmaß begrenzten Hochwasser unzureichend ist. 51 (3) Es ist des Weiteren nicht davon auszugehen, dass entgegen der Einschätzung der BAW (PEU III 1.3, S. 42 f., 54 f.) die unterschiedlichen Höhenlagen in den neugestalteten Becken wegen starker Verschlickung schnell nivelliert und die Flächen insgesamt für den Schierlings-Wasserfenchel ungeeignet werden. 52 (3.1) Ohne Erfolg berufen sich die Kläger auf eine in der mündlichen Verhandlung weiter erläuterte gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. Zanke. 53 Die darin vorgebrachten Einwände gegen die den Einschätzungen der BAW zugrundeliegenden Modellierungen greifen nicht durch. Sie beziehen sich auf eine zur zweiwöchigen Simulation ergänzend herangezogene Simulation über einen Zeitraum von zwei Jahren. 54 Soweit die Kläger die Ergebnisse dieser Langzeitsimulation wegen aus ihrer Sicht nicht plausibler und folglich fragwürdiger Ergebnisse und Entwicklungen bezweifeln, ist dem nicht zu folgen. Was den in der Simulation auftretenden Sedimentverlust im Elbmündungsgebiet in Höhe von 7,5 Mio. m³ in zwei Jahren angeht, verweisen die Beklagten auf die im Rahmen der Gewässerunterhaltung umgelagerten Baggermengen von ca. 20 Mio. m³ Sediment pro Jahr, die in der Simulation nicht berücksichtigt werden. In der Präsentation in der mündlichen Verhandlung ist der Gutachter der Kläger auf diesen Einwand dann auch nicht mehr zurückgekommen. 55 Die Kläger rügen des Weiteren ""erratische Änderungsstrukturen"" in der Darstellung der Entwicklung der Sohlhöhen, die nur als ""verfahrensabhängige Artefakte"" einzustufen seien und auf ein fehlerhaftes Transportschema schließen ließen. Bereits die vom Gutachter hierzu vorgelegte graphische Darstellung, die im Maßstab eine vielfache Überhöhung abbildet (Stellungnahme von Prof. Dr. Zanke von Mai 2020, S. 23 Abb. 11; in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Folie 10), kann indessen zu Missverständnissen Anlass geben. Denn die in der Modellierung der BAW angegebenen Änderungen beziehen sich auf Erosion und Sedimentation ausgehend von gegebenen Sohlhöhen. Diese führen bezogen auf die natürlichen Größenverhältnisse, wie von der BAW nachvollziehbar erläutert, auf eine Sohlstruktur mit langen Wellen, die als solche nicht unplausibel ist. 56 Auch der Einwand, das Modell verwende bei der Erfassung der Breite der Norderelbe eine extrem grobe Auflösung mit zu wenigen Rechenpunkten, so dass der durchströmte Querschnitt zu ungenau bestimmt werde, um Durchfluss- und Suspensionscharakteristika einigermaßen zutreffend zu erfassen, greift nicht durch. Die hierzu in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Folien 6 und 7 mit der beispielhaften Wiedergabe eines Querschnitts belegen indessen, dass der gepeilte Querschnitt und der dem Modell zugrunde gelegte - wie auch der Gutachter einräumt - eine große Ähnlichkeit aufweisen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die geringe prozentuale Abweichung der Querschnittsfläche der Verwertbarkeit im Rahmen einer modellhaften Berechnung, die zudem im Wege der wasserbaulichen Systemanalyse zu bewerten ist, entgegenstehen könnte. 57 Schließlich sind die Angaben zu den Änderungen des Tidehubs am Pegel Hamburg-St. Pauli, an denen der Gutachter vor dem Hintergrund der Prognosen im Planfeststellungsverfahren Anstoß genommen und daraus auf einen verfälschten morphologischen Nachlauf geschlossen hat, durch die Erläuterungen der Vertreter der BAW in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erklärt worden. Der Planfeststellungsbeschluss geht von einer ausbaubedingten Änderung des mittleren Tidehubs von +0,05 m aus (PFB, S. 234; Gutachten H.1a, S. 76 und Anlage 2, S. 40 Bild 34, Anlage 4, S. 174 Bild 166 , sowie Anlage 7, S. 174 Bild 166 ). Demgegenüber weisen die Daten in der zweijährigen Simulation, wie von den Vertretern der BAW in der mündlichen Verhandlung dem Grunde nach bestätigt, aufgrund eines deutlichen Anstiegs des Tideniedrigwassers eine Abnahme des Tidehubs um ca. 0,5 - 0,6 m aus (Stellungnahme von Prof. Dr. Zanke von Mai 2020, S. 30 Abb. 19, S. 31 Abb. 20; in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Folie 12). Diese Abweichung ist nach den Angaben der BAW darauf zurückzuführen, dass in der Simulation die Unterhaltungsbaggerungen nicht berücksichtigt worden sind. Vielmehr sollen so die natürlichen Tiden der Jahre 2010 und 2011 und die mittleren Tidehochwasser abgebildet werden, die in ihrer Bandbreite das Sedimentationsgeschehen abbilden; die Unterhaltungsbaggerungen können wegen deren unregelmäßiger Praxis in eine solche Simulation nicht einfließen. Dass diese Vorgehensweise der Verwertbarkeit der Ergebnisse der Studie entgegenstehen könnte, ist schon deswegen nicht ersichtlich, weil die Modellierung von maximalen Schwebstoffgehalten ausgeht. 58 (3.2) Der Abgleich mit den tatsächlichen Verhältnissen und Entwicklungen im Bereich der Billwerder Bucht führt ebenfalls nicht zu dem Ergebnis, dass die Prognosen der BAW zu den nur geringen Sedimentationsraten in der Kohärenzsicherungsmaßnahme als nicht tragfähig anzusehen wären. 59 Im nördlichen Bereich der Billwerder Bucht, d.h. nahe an der Verbindung zur Norderelbe, geht die BAW von maximalen Schwebstoffgehalten im Mittelwert von 0,05 kg/m³ bei Variationen in der gleichen Größenordnung aus (PEU III 1.3, S. 26, S. 33 Bild 27, S. 34 Bild 28). Dies entspricht im Wesentlichen den vom Gutachter Prof. Dr. Jensen herangezogenen Messwerten der Messstelle Bunthausspitze mit Maximalwerten von 0,045 bis 0,075 kg/m³. Ohne Aussagekraft ist indessen der Hinweis auf - auch bei korrekter Umrechnung der Maßeinheiten - deutlich höhere Schwebstoffgehalte bei Butzeck et al. (Sediment Deposition and Accretion Rates in Tidal Marshes Are Highly Variable Along Estuarine Salinity and Flooding Gradients, in: Butzeck, Tidal marshes of the Elbe Estuary - spatial and temporal dynamics of sedimentation and vegetation, 2014, S. 39 ff.). Denn diese Werte beziehen sich auf die Haseldorfer Marsch (S. 43) im Bereich von Elbe-km 650 (siehe dazu BAW-Gutachten H.1c, Anlage 1, S. 246 Bild 202, S. 258 Bild 212) und sind mit den Verhältnissen weiter stromauf nicht gleichzusetzen. Ohne Bedeutung ist auch die von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Messreihe aus dem Wassergütemessnetz, die die Trübung an der Messstelle Seemannshöft aus dem Jahre 2017 wiedergibt. Die in der Einheit FNU durch Streulichtmessung bestimmte Trübung hat zwar eine Korrelation zum Schwebstoffgehalt. Aus diesen Daten kann demnach geschlossen werden, dass der Schwebstoffgehalt am 21. März 2017, auf den der Fachbeitrag beispielhaft Bezug nimmt (PEU III 1.3, S. 25 Fn. 2), nicht dem Maximalwert des Jahres entspricht. Das ist jedoch unerheblich, weil der Fachbeitrag ohnehin nicht den zum damaligen Zeitpunkt gemessenen, sondern einen höheren maximalen Mittelwert in die Modellierung einstellt. 60 Ausgehend von den demnach nachvollziehbar zugrunde gelegten Angaben zu den Schwebstoffgehalten erklärt der Fachbeitrag die niedrigen Sedimentationsraten im Gebiet der KSM Tideanschluss Billwerder Insel damit, dass die Schwebstoffe, die eine höhere Sinkgeschwindigkeit aufweisen, bereits im nördlichen Teil der Billwerder Bucht sedimentieren. Nur die Schwebstofffraktionen mit sehr kleinen Sinkgeschwindigkeiten erreichen die Becken, sodass auch die entsprechenden Sedimentationsraten nur sehr gering sind. Zudem strömt in der ersten Flutstromphase noch kein Wasser in den Holzhafengraben und die neu angeschlossenen Becken. Dadurch sind die Menge des sedimentationsfähigen Materials und der Zeitraum, in dem eine Sedimentation stattfinden kann, begrenzt (PEU III 1.3, S. 55). Diese in der mündlichen Verhandlung noch weiter vertieften Darlegungen werden durch die Entwicklungen der letzten Jahre in Teilbereichen der im Jahr 2008 erfolgten Rückdeichung Billwerder Insel/Holzhafen im Südwesten der Billwerder Bucht nicht infrage gestellt. 61 Dort sind zwar Verschlickungstendenzen zu verzeichnen (siehe Brandt, Monitoring-Bericht, S. 11 f. ; sowie Neubecker, Ergebnisse zum FFH-Monitoring des Schierlings-Wasserfenchel in Hamburg 2017, Vortrag für Stiftung Lebensraum Elbe, 27. März 2018, Bl. 16;), doch verbietet sich aufgrund der unterschiedlichen örtlichen Verhältnisse eine undifferenzierte Übertragung der dortigen Beobachtungen und die Annahme, dass die neugestalteten Becken binnen kurzer Zeit ihre Eignung als Habitat für den Schierlings-Wasserfenchel verlieren. 62 Aus dem Monitoring-Bericht (Brandt, Monitoring-Bericht, S. 35 f. mit Abb. 27, 28) ergibt sich vielmehr, dass lediglich die Priele im Süden des Untersuchungsgebiets weiter aufgeschlickt worden sind; sie erreichen mittlerweile das Niveau des umgebenden Geländes und sind als Priele nur noch wegen der fehlenden Vegetation erkennbar. Die Verlandung wird darauf zurückgeführt, dass in diesem Bereich das abfließende Wasser keine erosive Wirkung entfaltet, weil die künstlich angelegten Priele bezogen auf die natürliche Gewässerdynamik überdimensioniert waren. Anders stellt sich jedoch die Situation in der Mitte des Rückdeichungsgebiets dar, wo eine Insel angelegt worden ist. Dort sind die Prielabschnitte - wenn auch gegenüber der Ausgangssituation schmaler - noch vorhanden, haben oft sandiges Substrat und zeigen entlang der Uferböschungen leichte Erosionserscheinungen. Mit den so charakterisierten Verhältnissen im mittleren Bereich der Rückdeichung ist die Geländemodellierung in den Absatzbecken mit dem verästelten Prielsystem und den Gehölzinseln aber vergleichbar. Dieses Relief führt zusammen mit dem relativ schmalen Holzhafengraben als der Verbindung der Tidebecken zur Billwerder Bucht, auf die die BAW in der mündlichen Verhandlung insbesondere hingewiesen hat, dazu, dass das Wasser in den Becken meist in Bewegung ist. Lange Stauwasserzeiten, die die Sedimentation feiner Schwebstoffe begünstigen, werden so im Unterschied zum südlichen Teil des Rückdeichungsgebiets vermieden. Die im Fachbeitrag angenommenen geringen Sedimentationsraten haben sich nach Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung mittlerweile nach Durchführung der Arbeiten bei einer Messung des Schwebstoffgehalts bestätigt: Der Unterschied zwischen Einlauf und Auslauf ist mit 34 mg/l zu 30,5 mg/l relativ klein. 63 cc) Den Klägern ist allerdings zuzugeben, dass die Lage der Kohärenzsicherungsmaßnahme wegen der relativ großen Entfernung vom Hauptstrom unter dem Aspekt der Verbindung zu anderen Populationen des Schierlings-Wasserfenchels nicht optimal ist. Eine Konnektivität durch die Möglichkeit der Verdriftung der Samen ist im Idealzustand, wie die Kläger zutreffend betonen, bei einer Entfernung von höchstens 3 km gegeben. Gleichwohl kann festgestellt werden, dass die Kohärenzsicherungsmaßnahme geeignet ist, die Funktionseinbußen durch den Verlust der Wuchsorte des Schierlings-Wasserfenchels zu kompensieren, indem sie zur Ausbildung einer Metapopulation beiträgt. 64 Zum einen ist festzuhalten, dass die Diasporen eine durchaus größere Reichweite haben. Denn sie können innerhalb von zwei Tiden bis zu 8 km zurücklegen (vgl. PEU III 1.5, S. 48). Darüber hinaus bleiben die Diasporen, auch nachdem sie an einer ungeeigneten Stelle abgesunken sind, noch viele Jahre keimfähig. Wenn sie remobilisiert werden, besteht die Möglichkeit, dass sie auch nach längerer Zeit an einen geeigneten Wuchsort gelangen (3. PEB, S. 85). Zum anderen ist jedenfalls eine Verbindung zu Beständen bzw. (potentiellen) Wuchsorten im Holzhafen und insbesondere im Bereich der Rückdeichung gegeben. Darauf kann abgestellt werden, obwohl der Bestand des Schierlings-Wasserfenchels dort seit dem im Jahre 2013 erreichten Höchststand aufgrund natürlicher Prozesse, insbesondere auch der Entwicklung der sonstigen Vegetation, stark zurückgegangen ist. Denn aufgrund der dort gegebenen günstigen Entwicklungsbedingungen ist angesichts der natürlichen Sukzession nicht zuletzt wegen des vorhandenen Diasporenreservoirs perspektivisch nicht von einem Erlöschen dieser Population, sondern von einer erneuten Zunahme auszugehen (siehe Brandt, Monitoring-Bericht, S. 24 ff., 42). Darüber hinaus ist das von den Beklagten erwähnte spontane Auftreten des Schierlings-Wasserfenchels im Holzhafen infolge des Autobahnausbaus (vgl. Brandt, Monitoring-Bericht, S. 24) zwar kein zwingender Beleg für eine Samenverdriftung aus der Elbe; eine gewisse Wahrscheinlichkeit ist damit aber dargetan. Ein Austausch mit den Vorkommen an der Spadenländer Spitze oder in der neu angelegten Maßnahme Kreetsand liegt folglich durchaus im Bereich des Möglichen (vgl. auch Neubecker, PLAN, Der Schierlings-Wasserfenchel, Monitoring und fachliche Begleitung der Vermessung von Maßnahmenflächen in Hamburg, Jahr 2018, 14. November 2019, S. 44 zum Vorkommen Heuckenlock/Schweenssand als Quellpopulation für Funde an der Spadenländer Spitze). Von einem bloßen naturfernen ""botanischen Garten"" kann folglich ungeachtet der konkreten Lage und einer weiterhin vorhandenen deutlichen äußeren Begrenzung der Tidebecken ohne sanften Übergang zur Umgebung nicht die Rede sein. 65 b) Zu Unrecht rügen die Kläger, dass die Anordnungen in den Planfeststellungsbeschlüssen unter A.II.3.4 (Kompensationsmaßnahmen) zur zeitlichen Umsetzung der Kohärenzsicherungsmaßnahmen (siehe BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 459) nicht auf die Festsetzungen in den 3. Planergänzungsbeschlüssen übertragen worden seien. Einer solchen ausdrücklichen Regelung für die KSM Tideanschluss Billwerder Insel bedurfte es nicht. Denn die 3. Planergänzungsbeschlüsse verschmelzen mit den Planfeststellungsbeschlüssen zu einer einheitlichen Entscheidung (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 a.a.O. Rn. 19), sodass die dort getroffenen Anordnungen zur Umsetzung von Kohärenzsicherungsmaßnahmen auch für die nunmehr festgesetzte Maßnahme gelten. 66 c) Auf den Vortrag der Kläger zur eingeschränkten Eignung der Maßnahme zur Kohärenzsicherung für den LRT 1130 kommt es im Ergebnis nicht an. Selbst wenn der in der Kohärenzsicherungsbilanz für den LRT Ästuarien (3. PEB, S. 112 f.) für den Tideanschluss Billwerder Insel angesetzte anrechenbare Kohärenzumfang in Höhe von 5,87 ha entfiele, verblieben in der Summe weiterhin 349,12 ha, womit das Kohärenzziel von (lediglich) 321 ha immer noch deutlich übertroffen wird. 67 5. Ohne Erfolg bemängeln die Kläger die Einstufung der in Niedersachsen vorgesehenen Maßnahmen als taugliche Kohärenzsicherungsmaßnahmen. 68 Der Senat hat in seinem Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - (BVerwGE 158, 1 Rn. 426 ff.) bemängelt, dass die Planfeststellungsbeschlüsse in der Fassung der 2. Planergänzungsbeschlüsse bei der gebotenen Abgrenzung von ohnehin zu ergreifenden Standardmaßnahmen einerseits und Kohärenzsicherungsmaßnahmen andererseits zwar auf die im Bewirtschaftungsplan nach zutreffenden rechtlichen Maßstäben aufgeführten kohärenzgeeigneten Maßnahmentypen Bezug nehmen, es jedoch einzelfallbezogen an der nachvollziehbaren Darlegung fehlt, dass die konkrete Maßnahme gerade nicht - ungeachtet des Fehlen eines Managementplans - bereits im Rahmen des Gebietsmanagements nach Art. 6 Abs. 1 und 2 FFH-RL (§ 32 Abs. 3 BNatSchG) zu ergreifen, sondern vielmehr ""überschießend"" waren. Er hat darauf hingewiesen, dass es einer solchen Abgrenzung insbesondere dann bedarf, wenn der Erhaltungszustand des Gebiets bei der Meldung ungünstig war und es weiterhin auch ist. Denn die Ausweisung eines Schutzgebiets dient ausweislich des weiten Begriffs der Erhaltung in Art. 1 Buchst. a FFH-RL auch der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands, sodass sich die Standardmaßnahmen nicht auf die Erhaltung eines Status quo beschränken können. Allerdings sind nicht alle Maßnahmen, die der Verbesserung eines Lebensraumes dienen, der sich in einem ungünstigen Erhaltungszustand befindet, durch Art. 6 Abs. 1 oder 2 FFH-RL geboten. 69 Auf der Grundlage des vom Senat bereits bestätigten Kohärenzsicherungskonzepts (siehe BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 442) bewältigen die 3. Planergänzungsbeschlüsse diese Schwierigkeit durch eine differenzierende Betrachtung des FFH-Gebiets ""Unterelbe"" als Ganzes einerseits und der Teilgebiete, in denen die Maßnahmen vorgesehen sind, andererseits. Sie stellen im Anschluss an das Gutachten PEU III 3 (S. 11) zunächst fest, dass für die Einstufung des Erhaltungszustands des LRT 1130 im Gesamtgebiet mit ""C"" angesichts der anthropogenen Überformung des Sublitorals durch die prägende Nutzung als Bundeswasserstraße hauptsächlich die Defizite im aquatischen Bereich verantwortlich seien. Demgegenüber könne schon aufgrund des flächenmäßigen Verhältnisses die Bewertung im (semi-)terrestrischen Bereich für die Gesamtschau nicht maßgeblich sein. Zur Beseitigung bzw. Minderung der Defizite im aquatischen Bereich gebe es (nur) mittel- und langfristig wirkende Konzepte, die als Standardmaßnahmen geeignet seien, um dort großflächig Verbesserungen zu bewirken. In den Teilgebieten, in denen die Kohärenzsicherungsmaßnahmen umgesetzt werden sollten, sei der aktuelle Erhaltungszustand aufgrund der in den Naturschutzgebieten durchgeführten großflächigen Naturschutzmaßnahmen und natürlichen Prozesse mittlerweile als günstig (""B"") zu bewerten. In diesen Teilbereichen erfolgt sodann eine Priorisierung weiterer Aufwertungsmaßnahmen; dabei werden angesichts der dort bereits erreichten deutlichen Verbesserungen Standardmaßnahmen im Rahmen des Gebietsmanagements in erster Linie für die Erhaltung des Status quo sowie zur Vermeidung von Verschlechterungen und Störungen als erforderlich angesehen. 70 Dieses Vorgehen ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auf eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative können sich die Beklagten dabei allerdings nicht berufen (so aber noch BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 421). Abgesehen davon, dass diese Argumentationsfigur durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überholt ist (BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 1 BvR 2523/13 u.a. - BVerfGE 149, 407 Rn. 18 ff., 23), stellt sich insoweit auch nicht die Frage der Grenzen der tatbestandsbezogenen Erkenntnis- und Sachaufklärungsmöglichkeiten des Gerichts angesichts eines strukturellen Erkenntnisdefizits, sondern eine Rechtsfrage, deren Kontrolle immer dem Gericht obliegt. 71 Zutreffend gehen die Beklagten im Anschluss an den Fachbeitrag davon aus, dass das FFH-Gebiet ""Unterelbe"" nur bei einer auf Teilgebiete bezogenen Betrachtungsweise angemessen erfasst und bewertet werden kann (PEU III 3, S. 4). Das folgt zum einen aus der Eigenart des prägenden LRT 1130, der als Komplexlebensraum aus zahlreichen Biotoptypen bestehen und weitere Lebensraumtypen umfassen kann (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 250, 262; BfN, Natura 2000, Lebensraumtypen, 1130, Kartierungshinweise). Zum anderen fordert auch die schiere Größe und räumliche Ausdehnung dieses Gebiets eine Aufspaltung in Teilräume, womit allein eine realitätsgerechte Betrachtung der Qualitätsunterschiede ermöglicht wird. Als mögliche Kriterien für die Abgrenzung der Teilräume werden Salinitätsstufen, Differenzierung in Sublitoral/Eulitoral/Supralitoral, Haupt- und Nebenflüsse bzw. -arme, Buchten, Inseln sowie Art der landwirtschaftlichen Nutzung benannt (siehe NLWKN, Hinweise zur Definition und Kartierung der Lebensraumtypen von Anhang I der FFH-Richtlinie in Niedersachsen, Stand Februar 2014, S. 10). Wenn hiernach auf der einen Seite das Sublitoral im Hauptstrom mit der Fahrrinne, auf der anderen Seite Lebensräume in den Nebenelben und (semi-)terrestrischen Gebieten gesondert erfasst werden, wird das den Besonderheiten dieses FFH-Gebiets ersichtlich gerecht. Das Sublitoral im Hauptstrom wird in besonderer Weise durch die Nutzung der Elbe als Bundeswasserstraße geprägt. Die daraus folgenden Anforderungen stehen in deutlichem Gegensatz zu den mit der Ausweisung als FFH-Gebiet verfolgten Zielen. Eine realitätsnahe Betrachtung muss in Rechnung stellen, dass insoweit - und nachfolgend auch für das gesamte FFH-Gebiet - die Erreichung eines bzw. die Annäherung an einen günstigen Erhaltungszustand(s) nur mit langfristigen und großflächig wirkenden und auch gebietsübergreifenden Maßnahmen anzustreben ist. Solche Standardmaßnahmen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 FFH-RL bleiben nicht bloß hypothetisch, sondern werden in Gestalt von Anforderungen an die Umsetzung des Strombau- und Sedimentmanagementkonzepts sowie der Integration der Natura 2000-Belange in die laufende Unterhaltung der Elbe (3. PEB, S. 95; PEU III 3, S. 18, Tabelle 4-1) auch konkret benannt. 72 Die Teilräume, in denen die Kohärenzsicherungsmaßnahmen vorgesehen sind, sind demgegenüber von diesem flächenmäßig dominierenden und deswegen das Gesamtgebiet prägenden Ausschnitt deutlich zu unterscheiden. Das gilt nicht nur für die terrestrischen Gebiete NI 3 (Allwördener Außendeich-Mitte) und NI 4 (Allwördener Außendeich-Süd) sowie NI 5 (Insel Schwarztonnensand Nord und Süd), sondern in gleicher Weise für die Gebiete NI 1 (Schwarztonnensander Nebenelbe mit Ufer Asseler Sand) sowie NI 2 (Barnkruger Loch). Diese werden allerdings nicht ohne Weiteres von der - jedenfalls in der Klageerwiderung - tragenden Argumentation der Beklagten erfasst. Denn sie stellen bei der rechtlichen Bewertung der Kohärenzsicherungsmaßnahmen darauf ab, dass sie dem (semi-)terrestrischen Teil des LRT 1130 zuzuordnen seien, und (nur) deswegen einer gesonderten Betrachtung neben dem nachhaltig beeinträchtigten Sublitoral zuzuführen sind. Gemäß den Ausführungen in der Planunterlage PÄ I 4, S. 195 handelt es sich bei der Maßnahme NI 1 um eine ""aquatische Ausgleichsmaßnahme"" (siehe dort auch Tabelle 7-1 und 7-2 sowie PEU III 3, S. 25: KSM NI 1 und NI 2 beziehen sich überwiegend auf eu- und sublitorale Bereiche). Jedoch unterscheidet sich das Teilgebiet der Nebenelbe deutlich von dem durch die Nutzung der Elbe als Bundeswasserstraße degradierten Sublitoral, sodass die Maßnahme zur partiellen Verbesserung des Sublitorals durch die Vergrößerung von Flachwasserbereichen nicht wegen dieses Bezugs zwingend den Standardmaßnahmen zuzuordnen ist. 73 6. Schließlich gehen die Einwände gegen die Alternativenprüfung fehl. 74 Die Beklagten haben im Rahmen der fachplanerischen Abwägung zur ergänzenden Kohärenzsicherungsmaßnahme dargelegt, dass es einen vorzugswürdigen alternativen Standort, an dem Lebensraum für den Schierlings-Wasserfenchel im erforderlichen Umfang ohne andere unzulässige Eingriffe in Natur und Umwelt zügig geschaffen werden könnte, nicht gegeben habe; auch eine Optimierung anderer Standorte sei nicht vorzugswürdig, weil die Kohärenzsicherung nur unzureichend bzw. in kleinem Umfang erreicht werden könnte (3. PEB, S. 79 f.). Dies ist nicht zu beanstanden. 75 a) Die Alternativenprüfung ist Teil des aus dem Wesen einer rechtsstaatlichen Planung folgenden Abwägungsgebots. Es verlangt, dass die von einer Planung berührten öffentlichen und privaten Interessen gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen werden. Dabei müssen auch sich ernsthaft anbietende Alternativlösungen bei der Zusammenstellung des abwägungserheblichen Materials berücksichtigt werden und mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange Eingang finden (BVerwG, Urteil vom 18. März 2009 - 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 131). 76 Die Prüfung, ob insoweit dem Abwägungsgebot bei der Planung der KSM Tideanschluss Billwerder Insel Rechnung getragen worden ist, eröffnet entgegen der Auffassung der Kläger nicht den (erneuten) Zugriff auf die Rechtmäßigkeit der Gesamtplanung. Die hierauf bezogene habitatrechtliche Alternativenprüfung (§ 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG; siehe dazu BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 409 ff.) und das Ergebnis der FFH-Verträglichkeitsprüfung, die den Vorrang von Schadensminderungsmaßnahmen beachten muss, sind Grundlage der Überlegungen zur Planung einer Kohärenzsicherungsmaßnahme. 77 b) Vor dem Hintergrund des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und insbesondere des Gebots der Eingriffsminimierung hat die auf die Kohärenzsicherungsmaßnahme bezogene Alternativenprüfung jedenfalls zum Gegenstand, ob es für eine taugliche Kohärenzsicherungsmaßnahme im gewählten, durch die Kohärenzsicherungsbilanz erforderlichen Umfang überhaupt andere Standorte gibt und diese wegen eines geringeren Ausmaßes der damit verbundenen negativen Wirkungen auf die von ihr betroffenen Rechtsgüter vorzugswürdig sind. Ist diese Eingriffswirkung am in erster Linie ins Auge gefassten Standort letztlich unerheblich, weil entgegenstehende private Interessen nicht bestehen und öffentliche Interessen an der Erhaltung des gegenwärtigen Zustands nur als geringwertig einzustufen sind, verliert die Alternativenprüfung an Gewicht. Die hierauf ausgerichtete Alternativenprüfung führt nicht auf Gründe, die gegen die gewählte Kohärenzsicherungsmaßnahme sprechen. Insbesondere stellen die 3. Planergänzungsbeschlüsse (S. 80) nachvollziehbar auf ein geringes ökologisches Konfliktpotential bei der Umgestaltung der Absetzbecken ab. 78 c) Nach Ansicht der Kläger ist im Rahmen der Alternativenprüfung - und den vorstehenden Überlegungen vorgelagert - auch die Optimierung des Kohärenzsicherungspotentials der Maßnahme anzustreben. Ob diese Rechtsauffassung mit dem Wortlaut der unionsrechtlichen Vorgaben in Einklang steht, wo in Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 1 FFH-RL von ""notwendigen Ausgleichsmaßnahmen"" zur Sicherstellung des Schutzes der globalen Kohärenz von Natura 2000 die Rede ist, kann dahinstehen. Auch kann offenbleiben, wie die Aussage im Vermerk der Kommission vom 21. November 2018 (Natura 2000 - Gebietsmanagement - Die Vorgaben des Artikels 6 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG, ABl. 2019 C 33 S. 1) zu verstehen ist, wonach ""bei der Entscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten des Ausgleichs (...) die Maßnahmen mit der größten Wirksamkeit und den höchsten Erfolgsaussichten auszuwählen (sind)"" (Ziffer 5.5.2: Wirksamer Ausgleich). Denn auch solchen Anforderungen wird die Entscheidung der Beklagten für die Errichtung einer Kohärenzsicherungsmaßnahme am gewählten Ort gerecht. Einer von den Klägern angeregten Vorlage zum Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es daher nicht. 79 Die Beklagten haben hinreichend dargetan, dass eine praktikable Alternative für eine Kohärenzsicherungsmaßnahme im gebotenen Umfang nicht zur Verfügung stand. Dabei ist auch die Möglichkeit einer zügigen Umsetzbarkeit einzustellen, weil die Kohärenzsicherungsmaßnahme auf ein Vorhaben bezogen ist, an dessen Realisierung ein öffentliches Interesse besteht. Deswegen waren die Beklagten nicht gehalten, z.B. eine Mehrzahl kleinerer Projekte - etwa als Trittsteinbiotope - ins Auge zu fassen; dabei kann hier offenbleiben, ob solche in einem ausreichenden Gesamtumfang angesichts schon in Planung bzw. Ausführung befindlicher Maßnahmen in absehbarer Zeit überhaupt zur Verfügung stehen könnten (siehe zu solchen Maßnahmen und Überlegungen etwa FHH BUE, Michalczyk, Maßnahmen und Planungen für den Schierlings-Wasserfenchel in Hamburg, Erfahrungsaustausch Schierlings-Wasserfenchel, 28. März 2018). Insbesondere mussten die Beklagten nicht ein ersichtlich aufwändiges Verfahren im Zusammenhang mit der Rückverlegung des Moorwerder Hauptdeichs im Bereich Ellerholz in Erwägung ziehen. Im Übrigen spricht aber nichts dagegen, auch in diesem Gebiet weitere Wuchsorte für den Schierlings-Wasserfenchel zu schaffen. Entsprechendes gilt etwa für eine Rückdeichung im Gebiet Spadenlander Busch oder den Hinweis in der mündlichen Verhandlung auf Vorschläge im Integrierten Bewirtschaftungsplan (IBP) für das Elbeästuar (2012), wo unter den wichtigen Maßnahmen für den Schierlings-Wasserfenchel u.a. die Reaktivierung von früheren Vorkommensschwerpunkten in der Haseldorfer Marsch und durch Wiederanbindung der Alten Süderelbe genannt werden (A. 5.2.2, S. 62). Auf solche ausdrücklich als ""Visionsprojekte"" bezeichneten Vorstellungen mussten sich die Beklagten in der gegebenen Situation nicht näher einlassen. Der von den Klägern als fehlend gerügten ausdrücklichen Dokumentation bedurfte es bei dieser Sachlage nicht. 80 7. Die 3. Planergänzungsbeschlüsse verstoßen nicht gegen zwingende Vorschriften des Artenschutzrechts. Entgegen der Auffassung der Kläger ist nicht davon auszugehen, dass die artenschutzrechtliche Beurteilung des Vorhabens auf einer nicht methodengerechten Bestandserfassung beruht und somit schon deswegen keine verlässliche Aussage über einen Verstoß gegen die Verbotstatbestände des § 44 BNatSchG erlaubte. 81 Die gebotenen artenschutzrechtlichen Untersuchungen setzen eine ausreichende Ermittlung und Bestandsaufnahme der im Vorhabensbereich vorhandenen Pflanzen- und Tierarten sowie von deren Lebensräumen voraus. Dabei ist kein lückenloses Arteninventar zu erstellen. Die Untersuchung hängt vielmehr von den naturräumlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab. Die hierbei anzuwendenden Methoden sind normativ nicht vorgegeben, sondern ergeben sich aus außerrechtlichen Maßstäben. Regelmäßig liegt der Ermittlung artenschutzrechtlicher Betroffenheiten neben einer Auswertung bereits vorhandener Erkenntnisse und Fachliteratur eine - unter Zuhilfenahme einschlägiger, im Interesse einer Standardisierung erarbeiteter Leitfäden und Arbeitshilfen vorgenommene - Bestandserfassung an Ort und Stelle zugrunde (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 54, 59 und vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 128 f.). Bei dieser muss sich der Gutachter an den - soweit vorhanden - allgemein anerkannten fachwissenschaftlichen Standards orientieren; fehlen diese, ist die gerichtliche Überprüfung insoweit auf eine bloße Vertretbarkeitskontrolle beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 1 BvR 2523/13 - BVerfGE 149, 407 Rn. 26 ff.). 82 Die Kläger bringen nicht vor, dass die Gutachter bei der Bestandserfassung selbst der Sache nach nicht methodengerecht vorgegangen seien mit der Folge, dass ihre Erkenntnisse schon deswegen unzureichend seien. Sie rügen vielmehr die Verwertbarkeit der Gutachten unter Verweis darauf, dass die Vorgehensweise unzureichend dokumentiert sei. Zum fachlichen Standard gehöre nämlich, für jede Begehung Datum, Beginn und Ende sowie die Witterungsbedingungen schriftlich festzuhalten (so BVerwG, Urteil vom 9. November 2017 - 3 A 4.15 - BVerwGE 160, 263 Rn. 46, 57; offengelassen in BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - NVwZ 2020, 788 Rn. 139). 83 Der Senat kann offenlassen, ob eine solche generelle Dokumentationspflicht einem allgemein anerkannten fachlichen Standard entspricht. Denn jedenfalls führt ein Dokumentationsmangel nicht zwingend zur Unverwertbarkeit der Ergebnisse der Bestandsaufnahme. Vielmehr kommt es darauf an, ob sich für die jeweiligen Untersuchungsergebnisse trotz dieses Fehlers die Überzeugung gewinnen lässt, dass die Daten in der Sache methodengerecht gewonnen wurden, was sich nur artspezifisch beurteilen lässt (BVerwG, Urteil vom 9. November 2017 - 3 A 4.15 - BVerwGE 160, 263 Rn. 46). Davon ist hier auszugehen. 84 Die von den Klägern genannten Formalitäten - Vermerk von Uhrzeit und Witterungsbedingungen - haben keinen Selbstzweck. Sie bringen die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, dass die erwähnten Randbedingungen für die Bestandserfassung und die Kartierung von Bedeutung sein können. Es ist jedoch, wie auch die Beklagten einwenden, eine differenzierende Betrachtung angezeigt. 85 So ist - soweit ersichtlich - bei der Flora die Tageszeit nur insoweit von Bedeutung, als die Bestandsaufnahme bei Tageslicht erfolgen sollte, damit die Möglichkeit besteht, die Pflanzen wahrzunehmen und zu erkennen. Bei Blütenpflanzen, die ihre Blüten nur bei Sonnenschein bzw. nur zu bestimmten Tageszeiten öffnen, erleichtert die Beachtung dieser Rahmenbedingung das Auffinden und die taxonomische Einordnung der Pflanze. Die sonstigen Witterungsbedingungen sind gegebenenfalls bei solchen Pflanzen von Bedeutung, die ihre Blüten bei (Dauer-)Regen schließen. Ansonsten sind die äußeren Bedingungen - von der Jahreszeit mit ihren Auswirkungen auf die Phänologie abgesehen - für das Kartieren von Pflanzen unerheblich, da sie ortsfest sind und sich nicht verbergen können. Die Kläger zeigen nicht auf, dass die Ergebnisse aufgrund des Fehlens der von ihnen vermissten Angaben ohne Aussagewert seien. Vielmehr zeichnet schon die Planergänzungsunterlage III 1.4 unter Ziffer 9.3 sowie die Planergänzungsunterlage III 1.6 unter Ziffer 5 auf der Grundlage der Biotopkartierung und der vorhabenbezogenen Bestandserfassungen ein sehr differenziertes Bild und weist eine Vielzahl von Arten in verschiedenen Biotopen nach. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dabei Pflanzen nicht beachtet worden seien, die gegebenenfalls als prioritäre Art nach Anhang II/IV der FFH-Richtlinie für die FFH-Verträglichkeitsprüfung von Bedeutung hätten sein können. 86 Bei der Erfassung der Fauna, deren Vertreter mobil sind, haben die äußeren Umstände tendenziell ein größeres Gewicht. Die besonderen Lebensgewohnheiten der verschiedenen Arten können Einfluss auf die Anwesenheit bzw. die Erkennbarkeit und somit auf den Nachweis der Tiere haben. Den daraus folgenden Anforderungen sind die Gutachter bei der Bestandserfassung ausweislich des Fachbeitrags Flora und Fauna (LEGUAN Planungsbüro, PEU III 1.4, Anlage 1), auf den sich der Artenschutzfachbeitrag (PEU III 1.6, S. 16) stützt, nachgekommen. Darin wird die Methodik der Erfassung des Makrozoobenthos und der artenschutzrechtlich relevanten Arten (Zierliche Tellerschnecke, Scharlachkäfer, Fische, Amphibien, Brutvögel, Rastvögel, Fledermäuse, Haselmaus, Biber, Fischotter) erläutert. Hieraus lässt sich mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass die Bestandserfassung nicht zu beanstanden ist. Einer schematischen Angabe von Uhrzeit und Wetterbedingungen bedurfte es nicht. Vielmehr ist ungeachtet der insoweit lückenhaften Angaben davon auszugehen, dass ein jeweils artenspezifisch angemessenes Vorgehen gewählt und auch hinreichend dokumentiert worden ist. So ist insbesondere der nachtaktiven Lebensweise bestimmter Tierarten Rechnung getragen worden. Bei den Fledermäusen fanden neben einer Begehung am Tage zur Feststellung von Gehölz- und Gebäudestrukturen 12 nächtliche Begehungen von jeweils 4 bis 5 Stunden Dauer statt (PEU III 1.4, Anlage 1, S. 17), wobei die Feststellung der Fledermausarten in Anhang Tabelle 7-2 (PEU III 1.4) nach Uhrzeit und Flugverhalten (Jagd- oder Richtungsflug) dokumentiert wurden. Diese Begehungen wurden zugleich zur Verhörung nachtaktiver, rufender Amphibien (PEU III 1.4, Anlage 1, S. 13) und nachtaktiver Vogelarten (PEU III 1.4, Anlage 1, S. 14) genutzt. Bei den Brutvögeln wird darauf verwiesen, dass die Bestandserfassung im Wege des Verhörens und der Sichtbeobachtung ""bei geeigneter Witterung und artspezifisch günstigen Erfassungszeitpunkten"" (PEU III 1.4, Anlage 1, S. 13) stattgefunden habe; es wird ausdrücklich erwähnt, dass die Beobachtung der Eulen nachts erfolgt sei. Bei den Rastvögeln ist in Anhang Tabelle 7-1 (PEU III 1.4) eine Gesamtliste der Rastvogelarten nach Fundorten und Datum vorhanden, wobei hier von Mitte September 2016 bis Mitte April 2017 alle 14 Tage eine Überprüfung stattfand. Warum angesichts dieser Ermittlungsbemühungen und Ermittlungstiefe die Angabe der von den Klägern vermissten Randbedingungen von Bedeutung sein könnte, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Für den Nachweis der Haselmaus wurden 55 Tubes und 12 Kästen installiert, und danach wurde die dort aufgefundene Losung analysiert (PEU III 1.4, Anlage 1, S. 17; Anhang Tabelle 7-3). Es erschließt sich nicht, dass es zu diesem Zweck auf die Witterungsbedingungen und die Uhrzeit bei der Kontrolle ankommen könnte. Der Nachweis des Fischotters wird anhand von Trittsiegeln, Spuren und Losung geführt, was in der vegetationsarmen Zeit leichter fällt (PEU III 1.4, Anlage 1, S. 20); auch hier trägt die Tageszeit ersichtlich nichts zum Erfolg der Suche nach solchen Hinweisen bei. Soweit schließlich das Makrozoobenthos bei Niedrigwasser untersucht wurde, ist auch das eine ausreichende Angabe. 87 8. Die 3. Planergänzungsbeschlüsse sind auch in wasserrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. 88 Einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot nach § 27 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 und § 47 Abs. 1 Nr. 1 WHG sowie Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 über die Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 327 S. 1) - Wasserrahmenrichtlinie - WRRL - haben die Beklagten zutreffend verneint. Das gilt sowohl für den durch den Bau und die fortlaufende Anbindung der Kohärenzsicherungsmaßnahme unmittelbar betroffenen Oberflächenwasserkörper (OWK) Elbe-Hafen und die übrigen OWK des Gesamtvorhabens als auch für den betroffenen Grundwasserkörper (GWK). 89 a) Eine Verschlechterung des ökologischen Potentials und des chemischen Zustands des erheblich veränderten OWK Elbe-Hafen liegt nicht vor. 90 aa) Eine Verschlechterung des ökologischen Potentials eines OWK im Sinne von § 27 Abs. 2 WHG, Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziffer i WRRL liegt vor, sobald sich das Potential mindestens einer Qualitätskomponente (QK) des Anhangs V WRRL um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des OWK insgesamt führt. Ist die betreffende QK bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser Komponente eine Verschlechterung des Potentials des OWK dar (EuGH, Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​433], BUND - Rn. 70; BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 479, 482 ff.). 91 (1) Die Prüfung einer Verschlechterung nach diesem Maßstab, die alle vorhabenbedingten Wirkpfade umfassen muss, setzt eine ordnungsgemäße Ermittlung des Ist-Zustands voraus (BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 2014 - 7 A 14.12 - DVBl 2015, 95 Rn. 12 und vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1426 Rn. 47, 51). Bei fehlender Einstufung des Wasserkörpers oder lückenhafter, unzureichender oder veralteter Datenlage sind gegebenenfalls weitere Untersuchungen erforderlich (BVerwG, Urteile vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 489, vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 27 und vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - NVwZ 2020, 788 Rn. 158 ff.). 92 (1.1) Die Einstufung des Wasserkörpers erfolgt nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Oberflächengewässerverordnung (OGewV) sowie nach Maßgabe von Anlage 4, Tabelle 1 und 6 (WRRL, Anhang V, Tabelle 1.2 und 1.2 .5) grundsätzlich in ein System von fünf Klassen (höchstes, gutes, mäßiges, unbefriedigendes oder schlechtes Potential). Dabei sind gemäß § 5 Abs. 3 OGewV die in Anlage 5 aufgeführten Verfahren und Werte heranzuziehen. Dort sind unter Ziffer 1 für Fließgewässer für biologische QK (Makrophyten/Phythobenthos, benthische wirbellose Fauna, Fischfauna) bestimmte Bewertungsverfahren vorgeschrieben und nach Maßgabe der Einordnung des Gewässers in verschiedene Typen ökologische Qualitätsquotienten (Ecological Quality Ratio - EQR) als Grenzwerte für die Abgrenzung des sehr guten/höchsten vom guten und des guten vom mäßigen Zustand bzw. Potential anzugeben (WRRL, Anhang V Nr. 1.4.1 Ziffer ii, iii). Die Verwendung von EQR wird in der Wasserrahmenrichtlinie, Anhang V Nr. 1.4.1 Ziffer ii vorgegeben (EuGH, Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 - Rn. 57 f.). 93 Der Bewirtschaftungsplan (BWP) der Flussgebietsgemeinschaft Elbe vom 12. November 2015 für den Zeitraum von 2016 bis 2021, auf den sich die 3. Planergänzungsbeschlüsse im Anschluss an den Fachbeitrag für die Einstufung zulässigerweise stützen (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 488 ff.), weicht von der Vorgabe einer Einstufung in fünf Potentialklassen zwar insoweit ab, als die beiden obersten Klassen zu einer Klasse ""gut und besser"" verbunden werden (S. 73). Dieses Vorgehen beruht wohl auf zumindest missverständlichen Ausführungen im CIS-Guidance Document Nr. 13 (Overall Approach to the Classification of Ecological Status and Ecological Potential, 2003) Seite 5. Dort wird - anders als noch auf Seite 3 - nicht klar zwischen der Einstufung bzw. Bewertung in fünf Klassen einerseits, der Darstellung zum Zweck der Berichterstattung und in einer Karte gemäß Wasserrahmenrichtlinie, Anhang V Nr. 1.4.2 (§ 12 Abs. 1 Satz 1 OGewV i.V.m. Anlage 12 Nr. 1.2) andererseits unterschieden. Das ist insbesondere nach den Maßstäben für die Prüfung der Verschlechterung von Bedeutung, wo es auch auf - als einem allerdings eher hypothetischen Fall - einen Klassenwechsel vom höchsten zum guten ökologischen Potential ankommen kann. 94 Dieser fehlerhafte Ansatz bei der Bewertung des ökologischen Potentials wirkt sich hier aber nicht aus, denn der BWP weist für den OWK Elbe-Hafen bei der Gesamtbewertung ein mäßiges ökologisches Potential auf; gleiches gilt auch für alle biologischen QK, während die Umweltqualitätsnormen (UQN) bei den spezifischen Schadstoffen nicht eingehalten werden (siehe Fachbeitrag, PEU III 1.8, S. 20, Tabelle 6-3; BWP, S. 78, Abb. 4-3 Übersicht; siehe dort im einzelnen Anhang 5.2, S. 60 1. Zeile und Karten KOR Tideelbe 4.2, sowie 4.2.1 ; 4.2.2 ; 4.2.3 ; 4.2.4 ). 95 (1.2) Ökologische Qualitätsquotienten für die biologischen QK werden im Fachbeitrag entgegen der rechtlichen Vorgaben nicht ausgewiesen. In den veröffentlichten Teilen des BWP sind sie ebenfalls nicht angegeben, was aufgrund der Vielzahl der einzustufenden OWK nachvollziehbar ist (siehe schon BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 495). Weitere Angaben finden sich aber im Fachbeitrag Wasserrecht für die 2. Planergänzung (PEU II.1). Ein EQR ist allerdings auch dort lediglich für die QK Fischfauna nachgewiesen mit einem EQR von 0,409, ""an der Grenze zu unbefriedigend"" (PEU II.1, S. 84, Tabelle 6.4-15). Die QK benthische wirbellose Fauna wurde nach expert judgement eingestuft, wobei das Potential der QK wiederum ""mäßig an der Grenze zu unbefriedigend"" ist (PEU II.1, S. 78, Tabelle 6.4-11). Zur QK Makrophythen fehlen auch dort nähere Angaben, weil durch das (Gesamt-)Vorhaben keine veränderten Habitatbedingungen zu erwarten seien, die insoweit zu einem Abweichen vom Status quo führen könnten (PEU II.1, S. 40). 96 Die hiernach jedenfalls teilweise fehlende präzise Einordnung der QK in die Bandbreite der Potentialklasse ""mäßig"" ist für die Prüfung einer Verschlechterung hier aber unerheblich, weil die 3. Planergänzungsbeschlüsse auf der Grundlage des Fachbeitrags feststellen, dass mögliche Veränderungen der unterstützend heranzuziehenden QK, die - wenn überhaupt - nur eng begrenzte lokale Auswirkungen hätten, keine negativen Auswirkungen auf die biologischen QK haben könnten (PEU III 1.8, S. 25 f.). Folglich seien insgesamt keine belastbaren Wirkpfade und davon ausgehend Veränderungen erkennbar, die zu einer Verschlechterung der biologischen QK im OWK Elbe-Hafen führen könnten (PEU III 1.8, S. 27). Damit setzen sich die Kläger nicht auseinander. 97 (2) Ohne Erfolg machen die Kläger geltend, die Reichweite der Bedeutung der unterstützend heranzuziehenden chemischen, physikalisch-chemischen und hydromorphologischen QK (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 496 ff.) sei verkannt worden. Das folgt weder daraus, dass der Fachbeitrag (PEU III 1.8) auf Seite 4 f. zunächst auch erläutert, unter welchen Voraussetzungen diese QK einen unmittelbaren Einfluss auf die Einstufung des ökologischen Potentials haben (siehe etwa § 5 Abs. 5 Satz 1 OGewV), noch aus der Tabelle 6-3 (PEU III 1.8, S. 20), die diejenigen QK aufführt, die für die Einstufung im Ist-Zustand maßgeblich sind. Demgegenüber werden die von den Wirkpfaden möglicherweise betroffenen unterstützenden QK auf Seite 21 ff. ausführlich abgehandelt. Deren Einstufung findet sich in PEU II.1 (S. 41, Tabelle 6.3-4). Wenn die Kläger insoweit - wie bereits im Verfahren BVerwG 7 A 2.15 - eine normativ vorgegebene Querverbindung zwischen der Veränderung einer unterstützenden QK und den Auswirkungen auf die biologischen QK vermissen sollten, gilt das bereits im Urteil des Senats vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - (BVerwGE 158, 1 Rn. 500) Ausgeführte. Im Übrigen setzen sich die Kläger mit den Ausführungen zu den unterstützenden QK nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf die chemische QK (flussgebietsspezifische Schadstoffe; OGewV, Anlage 3 Nr. 3.1, Anlage 6), auseinander. 98 (3) Bei den flussgebietsspezifischen Schadstoffen sind ausweislich des Fachbeitrags (PEU III 1.8, S. 20, Tabelle 6-3,) die UQN bei sieben Stoffen nicht eingehalten. Die Kläger sind der Auffassung, dass der Wirkpfad einer Freisetzung von (Schad-)Stoffen über den Wasserpfad nicht nachvollziehbar geprüft worden sei, sodass eine weitere Überschreitung der UQN für die benannten Stoffe im Raume stehe bzw. nicht auszuschließen sei. 99 Bei der chemischen QK der flussgebietsspezifischen Schadstoffe erfolgt keine Bewertung in einem fünfstufigen System, sondern lediglich die Feststellung, dass die UQN eingehalten sind oder nicht. Ob sich das Verschlechterungsverbot hier entsprechend den Maßstäben beim chemischen Zustand bestimmt und jegliche zusätzliche Überschreitung bei einer nicht eingehaltenen UQN zur Verschlechterung des ökologischen Potentials im Rechtssinne führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 578), bedarf keiner Entscheidung. Denn die 3. Planergänzungsbeschlüsse haben auf der Grundlage des Fachbeitrags und der darin in Bezug genommenen ""Begutachtung bodenkundlich-hydrologischer Gegebenheiten"" durch das Institut für Bodenkunde der Universität Hamburg (IfB; PEU III 1.2, Anlage 4) eine weitere vorhabenbedingte Überschreitung der UQN aufgrund der gesonderten Betrachtung des abzuleitenden Beckenwassers, möglicher Belastungen durch die zur Modellierung genutzten Materialien der Beckensohle sowie durch die verwendeten Abdeckschichten aus Sand verneint. 100 Bei diesen Untersuchungen sind drei Stoffe mit Überschreitungen im Ist-Zustand (Silber , Imidacloprid, Nicosulforon) nicht weiter, insbesondere in der Wasserbeschaffenheitsanalyse, betrachtet worden. Im Fachbeitrag (PEU III 1.8, S. 47, Anhangstabelle 9-3) wird das nachvollziehbar damit begründet, dass das Vorhandensein solcher Stoffe wegen deren Herkunfts-/Anwendungsbereichen insbesondere in der Landwirtschaft ausgeschlossen werden kann. 101 (3.1) Bei den folglich relevanten vier Kongeneren von Polychlorierten Biphenylen (PCB) weist das Gutachten IfB (S. 6, Tabelle 1) eine Konzentration in der Summe im Beckenwasser als nicht nachweisbar aus. Dabei stützt es sich auf die im Fachbeitrag (PEU III 1.8, S. 46, Anhangstabelle 9-1) wiedergegebene Wasserbeschaffenheitsanalyse des Analytikunternehmens GBA - Gesellschaft für Bioanalytik. Dort wird vermerkt, dass die Konzentration von PCB in beiden Becken jeweils unter der Bestimmungsgrenze liege. Diese wird mit 0,01 µg/l angegeben. Letzteres steht allerdings im Widerspruch zu den Vorgaben der OGewV, Anlage 6. Die Jahresdurchschnitts-UQN in Wasser, die nur von Relevanz ist, soweit die Erhebung von Schwebstoff- oder Sedimentdaten nicht möglich ist, beläuft sich auf 0,0005 µg/l. Daraus folgt die Möglichkeit, dass im Beckenwasser eine Konzentration vorliegt, die fast das Zwanzigfache der UQN erreicht. Das ist im Ergebnis jedoch unerheblich. Denn maßgeblich ist immer eine auf den gesamten OWK bezogene Betrachtung, wobei es auf die repräsentative Messstelle ankommt (OGewV, Anlage 6 Nr. 2, Anlage 10 Nr. 2.2; BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 506). Demnach ist, da es um die Entleerung der Becken in mehreren Stufen in den OWK Elbe-Hafen geht, die damit verbundene Vermischung des Beckenwassers mit dem Elbwasser zu berücksichtigen. Solche Erwägungen sind dem Wasserrecht auch in vergleichbaren Regelungszusammenhängen nicht fremd. So sieht Art. 4 Abs. 1 der (nach Art. 16 Abs. 7 WRRL erlassenen ""Tochter""-) Richtlinie 2008/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 348 S. 84) bei der Einleitung von Schadstoffen in Gewässern die Ausweisung von sogenannten Durchmischungsbereichen vor. Dort können die Konzentrationen eines Schadstoffs die jeweiligen UQN überschreiten, wenn sie die Einhaltung dieser UQN für den restlichen OWK nicht beeinträchtigen. Die Vermischung des Wassers führt vorliegend wegen der Mengenverhältnisse ausweislich der Darstellung im Fachbeitrag (PEU III 1.8, S. 47, Anhangstabelle 9-2) zu einem großen Verdünnungseffekt und folglich zu einem geringen vorhabenbedingten Beitrag zur Stoffkonzentration in der Wasserphase. Die Einleitungsmenge aus den Becken macht 0,05 % bzw. 0,11 % der mittleren Abflussmenge aus. Auch wenn man diese Zahlen zunächst angesichts der unzutreffenden Angaben zur Bestimmungsgrenze um den Faktor 20 erhöht und sodann wegen eines - im Vergleich zur Modellierung - niedrigeren Oberwasserzuflusses nochmals verdoppelt, kommt man lediglich auf einen geringen Anteil von 2 % bzw. 4,4 %, sodass die zutreffend ausgewiesene Bestimmungsgrenze letztlich nicht erreicht wird. Darüber hinaus ist zu beachten, dass gemäß OGewV, Anlage 6 Nr. 3 die Einhaltung der UQN anhand eines Jahresdurchschnittswerts nach Maßgabe von Anlage 9 Nr. 3.2.2 zu überprüfen ist; danach ist das arithmetische Mittel zu unterschiedlichen Zeiten in einem Jahr maßgeblich. 102 (3.2) Bei der Prüfung einer Schadstofffreisetzung durch die Verwendung der Beckensohle stellt das Gutachten IfB (S. 12, Tabelle 4) wiederum darauf ab, dass eine Konzentration von PCB (Summe) im Material nicht nachweisbar sei. Anders als bei der Wasserphase ist beim Feststoff, wie die Angaben zur Schadstoffkonzentration in den potentiell einsetzbaren Sanden belegen (Gutachten IfB, S. 17, Tabelle 5: Konzentration im Sandgerinne Ellerholz < 0,018 mg/kg; UQN 0,02 mg/kg), davon auszugehen, dass die Bestimmungsgrenze zutreffend angesetzt worden ist. Ergänzend spricht gegen eine vorhabenbedingte Erhöhung der UQN an der maßgeblichen Messstelle wiederum der Verdünnungseffekt, denn der Anteil des Sickerwassers aus dem in den Becken zu errichtenden Inselbereichen am tidebedingten Ausstrom liegt bei 0,3 bis 0,35 % (Gutachten IfB, S. 15). 103 (3.3) Wegen einer Schadstofffreisetzung durch die für die Abdeckschichten potentiell einsetzbaren Sande stellt das Gutachten IfB (S. 17, Tabelle 5) lediglich für den Feststoff des Sandgerinnes Ellerholz eine mit dem Wert von < 0,018 mg/kg nachweisbare, allerdings unter der UQN von 0,02 mg/kg liegende Belastung mit PCB (Summe) fest. Darüber hinaus führt das Gutachten aus, dass der Vergleich der Feststoffgehalte und der Eluatanalysen zeige, dass die in einem Teil der potentiell verwendbaren Sande nachgewiesenen Schadstoffe, unter anderem organische Schadstoffe, nur sehr gering löslich seien und sich daher nicht auf das Sickerwasser auswirkten (Gutachten IfB, S. 19). Nach diesen Darlegungen spricht nichts für eine Erhöhung der UQN durch die untersuchten Wirkpfade. 104 (4) Mit der Bewertung der im Gutachten zugleich abgehandelten Parameter nach OGewV, Anlage 7, die den allgemeinen physikalisch-chemischen QK im Sinne der OGewV, Anlage 3 Nr. 3.2 zuzurechnen sind, setzen sich die Kläger nicht auseinander. 105 bb) Auch eine Verschlechterung des chemischen Zustands des OWK Elbe-Hafen haben die Beklagten in den 3. Planergänzungsbeschlüssen ohne Rechtsverstoß verneint. 106 Eine Verschlechterung des chemischen Zustands eines OWK liegt vor, sobald mindestens eine UQN für einen Parameter vorhabenbedingt überschritten wird. Für Schadstoffe, die den maßgeblichen Schwellenwert bereits im Ist-Zustand überschreiten, stellt jede weitere (messbare) Erhöhung der Konzentration eine Verschlechterung dar (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 578; und - insoweit vergleichbar - für das Grundwasser EuGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 [ECLI:​EU:​C:​2020:​391], Land NRW - Rn. 119 sowie BVerwG, Vorlagebeschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1418 Rn. 49 und Urteile vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 50 und vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - NVwZ 2020, 788 Rn. 196). 107 Wie bereits bei den flussgebietsspezifischen Schadstoffen, sind auch hier bei mehreren - allesamt als prioritär, und größtenteils auch als gefährlich eingestuften - Stoffen der OGewV, Anlage 8, Tabelle 1 die UQN im Ist-Zustand überschritten. Drei der Stoffe bedürfen wiederum keiner näheren Betrachtung, weil deren Vorhandensein wegen deren Herkunfts-/Anwendungsbereichen - hier ausschließlich in der Landwirtschaft - ausgeschlossen werden kann (PEU III 1.8, S. 48, Anhangstabelle 9-3). 108 Bei den verbleibenden Stoffen ist nach der Wasserbeschaffenheitsanalyse die Konzentration im Beckenwasser jeweils unterhalb der Bestimmungsgrenze. Dies gilt auch für Quecksilber, wobei allerdings die angegebene Bestimmungsgrenze von 0,2 µg/l über der zulässigen Höchstkonzentration von 0,07 µg/l liegt. Hier ist aber wiederum auf die Verdünnung zu verweisen (PEU III 1.8, S. 47). Im Material der Beckensohle und in den potentiell einsetzbaren Sanden ist Benzo(a)pyren in geringer Konzentration nachweisbar. Hier stellt das Gutachten fest, dass es nicht zu Auswaschungen kommen wird und der Anteil des Sickerwassers am tidebedingten Ausstrom minimal ist (Gutachten IfB, S. 14 f.). Bei den Abdeckschichten wird darauf verwiesen, dass die organischen Schadstoffe nur sehr gering löslich sind und sich nicht auf das Sickerwasser auswirken (Gutachten IfB, S. 19). Für eine Verschlechterung des chemischen Zustands ist demnach nichts dargetan. 109 cc) Dieser Bewertung steht weder der Umstand, dass jeweils an messbare Veränderungen angeknüpft wird, noch der von den 3. Planergänzungsbeschlüssen zugrunde gelegte Wahrscheinlichkeitsmaßstab entgegen. 110 (1) Das Verschlechterungsverbot ist zwar auf Rechtsfolgen bezogen, knüpft aber gleichwohl an eine nachteilige Veränderung tatsächlicher Verhältnisse an; das gilt auch für die Erhöhung der Konzentration von Schadstoffen in der Wasserphase. Auf eine nur rechnerisch ableitbare, gegebenenfalls minimale Erhöhung kann es dann nicht ankommen (BVerwG, Urteile vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 533, vom 12. Juni 2019 - 9 A 2.18 - juris Rn. 144 und vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - NVwZ 2020, 788 Rn. 225; vgl. auch zum Abschneidewert bei Stickstoffeinträgen BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2019 - 7 C 27.17 - BVerwGE 165, 340 Rn. 35 f.). Mit diesem Erfordernis, dass nachweisbare Vorgänge nur dann rechtlich beachtlich sind, wenn sie im Tatsächlichen einen Niederschlag finden, werden keine auf einer Interessenabwägung beruhenden Erheblichkeitsschwellen angewandt, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zulässig sind (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 - Rn. 68). Vielmehr wird durch den Bezug auf die Messbarkeit den durch die verfügbaren naturwissenschaftlichen Methoden bedingten Grenzen der empirischen Erkennbarkeit einer Veränderung Rechnung getragen. Von solchen Grenzen geht ersichtlich auch der Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 - (Rn. 119) aus. Darin stellt er ohne weitere Erläuterung bei der Frage der Verschlechterung auf eine Konzentrationserhöhung bei Schadstoffen ab und sieht damit - ungeachtet der ausdrücklichen Erwähnung einer (messbaren) Erhöhung der Konzentration im Vorlagebeschluss - ebenso wie der Generalanwalt (Schlussanträge vom 12. November 2019 - C-535/18 [ECLI:​EU:​C:​2019:​957] - Rn. 44 ff., 66 ff.) keinen Anlass, ein als selbstverständlich vorausgesetztes Tatbestandsmerkmal näher zu problematisieren (a.A. Durner, W+B 2020, 99 <101>). 111 Allerdings versteht sich von selbst, dass sich die Anforderungen an die Analysemethoden an den normativ festgelegten UQN/Grenzwerten ausrichten müssen. Sie müssen folglich in der Lage sein, solche Grenzwerte verlässlich abzubilden; die Bestimmungsgrenze (Quantifizierungsgrenze) darf demnach grundsätzlich nicht über dem Grenzwert liegen. Dies ist wiederum durch normative Vorgaben zur Messanalytik zu gewährleisten. Diese finden sich für OWK in der Anlage 9 Ziffer 1 zur OGewV. Dort ist unter Ziffer 1.3 festgelegt, dass die Bestimmungsgrenze der Analysemethoden höchstens 30 % der jeweiligen UQN betragen darf; fehlt es für einen Parameter an solchen Analysemethoden, ist gemäß Ziffer 1.4 die beste verfügbare Technik heranzuziehen, die keine übermäßigen Kosten verursacht. Werden die den Behörden für die wasserrechtliche Prüfung zur Verfügung stehenden Beschaffenheitsanalysen diesen Anforderungen nicht gerecht, ist dies - soweit in der gegebenen Konstellation überhaupt möglich - durch rechnerische Überschätzungen auszugleichen. 112 (2) Auch der im Fachbeitrag im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats zugrunde gelegte Wahrscheinlichkeitsmaßstab bei der Prüfung einer Verschlechterung bedarf keiner Korrektur. 113 Ob ein Vorhaben eine Verschlechterung des Zustands eines OWK bewirken kann, beurteilt sich nach dem allgemeinen ordnungsrechtlichen Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Eine Verschlechterung muss daher nicht ausgeschlossen, aber auch nicht sicher zu erwarten sein (BVerwG, Urteile vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 480 und vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - NVwZ 2020, 788 Rn. 154, allerdings mit Hilfserwägungen Rn. 155; offen gelassen im Beschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1426 Rn. 52). Demgegenüber vertreten die Kläger unter Berufung auf den Vorsorgegrundsatz die Ansicht, dass sich die Prüfung nach dem für das Habitatrecht geltenden besonders strengen Maßstab richten müsse. 114 Aus dem umweltrechtlichen Vorsorgeprinzip, das nach Art. 191 Abs. 2 Satz 2 AEUV auch für das Unionsrecht Geltung beansprucht, lassen sich solche Folgerungen aber nicht ableiten. Der Verweis auf die allgemeine Bezugnahme auf den primärrechtlichen Rahmen in Erwägungsgrund 11 der Wasserrahmenrichtlinie ist insoweit ohne Aussagekraft, denn der Vorsorgegrundsatz hat aufgrund seiner Weite und Offenheit als solcher keine unmittelbare Wirkung für das Verständnis einzelner unionsrechtlicher Bestimmungen. Vielmehr bedarf er der Umsetzung in den jeweiligen sekundärrechtlichen Normen (siehe etwa Epiney, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Umweltverfassungsrecht, Stand September 2019, Art. 191 AEUV Rn. 27). Folglich ist zu prüfen, inwieweit er in diesen Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat; erst danach kann gegebenenfalls von einer Vergleichbarkeit der Normen ausgegangen werden. 115 Die Regelungen in Art. 6 Abs. 3 FFH-RL über die habitatrechtliche Verträglichkeitsprüfung sind Ausdruck des Vorsorgegrundsatzes. Das ist in der Rechtsprechung anerkannt (EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - C-127/02 [ECLI:​EU:​C:​2004:​482], Waddenvereniging - Rn. 44, 58; BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2019 - 7 C 27.17 - BVerwGE 165, 340 Rn. 36). 116 Dies gilt nicht nur - allein hierauf verweisen allerdings die Kläger - für die in Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL als 1. Phase geregelten Voraussetzungen für die Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung (siehe hierzu EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - C-127/02 - Ls. 2, Rn. 44), sondern schließt gerade auch das in Art. 6 Abs. 3 Satz 2 FFH-RL als 2. Phase geregelte strenge Genehmigungskriterium der Verträglichkeitsprüfung mit ein (siehe EuGH, Urteile vom 7. September 2004 - C-127/02 - Rn. 58 sowie vom 11. April 2013 - C-258/11 [ECLI:​EU:​C:​2013:​220], Sweetman - Ls. 1, Rn. 41, vom 15. Mai 2014 - C-521/12 - Rn. 26 und zuletzt vom 26. April 2017 - C-142/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​301], Kommission/Deutschland - Rn. 40). Danach darf ein Plan oder Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL nur unter der Voraussetzung genehmigt werden, dass die zuständige Behörde nach Ermittlung sämtlicher Gesichtspunkte des betreffenden Plans oder Projekts, die für sich oder in Verbindung mit anderen Plänen oder Projekten die für das betroffene Gebiet festgelegten Erhaltungsziele beeinträchtigen können, und unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse Gewissheit darüber erlangt hat, dass sich der Plan oder das Projekt nicht dauerhaft negativ auf das betreffende Gebiet als solches auswirkt. Dies ist dann der Fall, wenn aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass es keine solchen Auswirkungen gibt. Die Behörde muss die Genehmigung des Plans oder des Projekts versagen, wenn Unsicherheit darüber besteht, ob keine nachteiligen Auswirkungen auf das Gebiet als solches auftreten (siehe etwa EuGH, Urteil vom 11. April 2013 - C-258/11 - Rn. 40 f.). 117 Solche besonderen verfahrensrechtlichen Vorkehrungen oder in dieser Weise gesteigerte materiell-rechtliche Anforderungen finden sich bei der Prüfung, ob wasserrechtliche Bestimmungen einer Vorhabenzulassung entgegenstehen, nicht. Entsprechende konkrete normative Vorgaben können nicht durch den bloßen Verweis auf den allgemeinen Vorsorgegrundsatz ersetzt werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 56 zu unterschiedlichen Anforderungen im Habitat- und Artenschutzrecht). 118 Dem Vorsorgegrundsatz kann auf unterschiedliche Weise Geltung verschafft werden. So verweist die Wasserrahmenrichtlinie in den Erwägungsgründen 40 ff. unter anderem darauf, dass zur Vermeidung und Verminderung der Verschmutzung die gemeinschaftliche Wasserpolitik auf einem kombinierten Konzept beruhen sollte, d.h. sowohl Begrenzung der Verschmutzung an der Quelle durch die Vorgabe von Emissionsgrenzwerten als auch Festlegung von UQN. Für bestimmte Schadstoffgruppen oder -familien sollten gemeinsame UQN und Emissionsgrenzwerte als Mindestanforderung festgelegt werden. Es wird betont, dass die Bestimmung prioritärer gefährlicher Stoffe dem Grundsatz der Vorsorge Rechnung tragen und sich insbesondere auf die Bestimmung von potentiell negativen Auswirkungen des Erzeugnisses und auf eine wissenschaftliche Bewertung des Risikos stützen sollte. Hieraus folgt, dass das Vorsorgeprinzip insbesondere auch schon bei der Festlegung von UQN verwirklicht werden soll (vgl. Köck, ZUR 2020, 131 <135>). Dann ist in Ermangelung sonstiger normativer Vorgaben bei der Frage, wann von deren Verletzung auszugehen ist, der normale ordnungsrechtliche Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzulegen. 119 b) Zu Unrecht rügen die Kläger, dass die Auswirkungen der KSM Tideanschluss Billwerder Insel auf die übrigen vom Gesamtvorhaben betroffenen OWK (Elbe-Ost, Elbe-West, Elbe-Übergangsgewässer, Außenelbe-Nord) nicht geprüft worden seien. 120 Im Anschluss an die Ausführungen im Fachbeitrag (PEU III I.8, S. 31 ff.) prüfen die 3. Planergänzungsbeschlüsse (S. 77) auch Auswirkungen des wegen Ergänzung um die Kohärenzsicherungsmaßnahme veränderten Gesamtvorhabens. Wenn sich der Fachbeitrag zunächst auf die Auswirkungen auf den OWK Elbe-Hafen konzentriert, ist das zwangsläufige Folge aus der Tatsache, dass die Kohärenzsicherungsmaßnahme zu einer geringfügigen Vergrößerung dieses OWK durch die Herstellung einer hydraulischen Verbindung führt. Das Ausmaß möglicher Auswirkungen an diesem Ort ist bereits ein Indiz für Veränderungen in den übrigen OWK. Der Fachbeitrag (PEU III I.8, S. 34) nimmt auch Bezug auf die Untersuchungen der BAW im Fachbeitrag Hydrologie und Morphologie (PEU III 1.3, S. 8, 55), wonach die Prognose zu den ausbaubedingten Wirkungen der geplanten Fahrrinnenanpassung durch die Kohärenzsicherungsmaßnahme nicht beeinflusst wird; denn diese führt nur zu einer vergleichsweise sehr geringen Vergrößerung des Tidevolumens. Auf dieser ohne Weiteres nachvollziehbaren Grundlage erübrigt sich eine Aktualisierung der Ausgangsprognose. Die Ergänzung des Gesamtvorhabens, die nicht zu einer relevanten Änderung insbesondere der hydromorphologischen Verhältnisse führt, kann entgegen der Auffassung der Kläger nicht Anlass für eine Korrektur vermeintlicher Fehler und Unzulänglichkeiten in der gerichtlichen Überprüfung des Gesamtvorhabens sein; dies stünde im Widerspruch zur Bindungswirkung des Urteils vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - (BVerwGE 158, 1). 121 c) Ein Verstoß gegen die Bewirtschaftungsziele in Bezug auf den GWK El12 Bille Marsch/Niederung Geesthacht, in dessen Bereich die Kohärenzsicherungsmaßnahme liegt, haben die 3. Planergänzungsbeschlüsse ebenfalls zutreffend verneint. Insoweit ist insbesondere von einem Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 WHG nicht auszugehen. 122 aa) Die 3. Planergänzungsbeschlüsse legen bei dieser Prüfung den zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 - Rn. 119; so bereits BVerwG, Urteile vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 50 und vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - NVwZ 2020, 788 Rn. 196 sowie für den chemischen Zustand eines OWK, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 578) liegt eine Verschlechterung des chemischen Zustands eines GWK vor, sobald mindestens eine UQN für einen Parameter vorhabenbedingt überschritten wird. Für Schadstoffe, die den maßgeblichen Schwellenwert bereits im Ist-Zustand überschreiten, stellt jede weitere Konzentrationserhöhung eine Verschlechterung dar. 123 bb) Der GWK El12 befindet sich in einem schlechten mengenmäßigen und schlechten chemischen Zustand (siehe BWP, Karten KOR Tideelbe 4.6 und 4.7 ). Beides ist auf Salzwasserintrusionen zurückzuführen, die zur Erfüllung des Tatbestands des § 4 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d GrwV und zu einer Überschreitung des Schwellenwertes nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GrwV, Anlage 2 für Chlorid führen (vgl. BWP, S. 64, 86; Karten KOR Tideelbe 4.6.1 , 4.6.2 und 4.6.3 ). 124 Eine weitere Beeinträchtigung des chemischen Zustands des GWK ist auf der Grundlage der Ausführungen in den 3. Planergänzungsbeschlüssen und im Fachbeitrag, mit dem sich die Kläger nicht substantiiert auseinandersetzen, nicht zu besorgen. Der Fachbeitrag (PEU III 1.8, S. 37) stellt unter Bezugnahme auf weitere Untersuchungen darauf ab, dass das Grundwasser des GWK durch eine nahezu undurchlässige Kleischicht geschützt ist, so dass Stoffaustauschprozesse in Richtung auf das unterhalb dieser organischen Weichschicht gespannt anstehende Grundwasser wegen der geringen Wasserleitfähigkeit und der niedrigen hydraulischen Gradienten sehr begrenzt ist (PEU III 1.4 , S. 108; Gutachten IfB, S. 14; Burmann, Mandel + Partner, Baugrund- und Gründungsbeurteilung, PEU III 1.2, Anlage 1, S. 18). Diese Ausführungen stehen nicht im Widerspruch zu Aussagen in der PEU III 1.5. Wenn dort mit Blick auf die Beseitigung der Beckensohle die ""hydraulische Anbindung [...] mit dem GWK in Kontakt stehenden OWK"" als positive Auswirkung erwähnt wird (S. 89), handelt es sich nur um eine ersichtlich generalisierende Einschätzung, die die speziellen geologischen Verhältnisse gerade nicht in den Blick nimmt. 125 Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass - ungeachtet der in den 3. Planergänzungsbeschlüssen (S. 29 f.) und im Fachbeitrag (PEU III 1.8, S. 27) aufgeführten möglichen (theoretischen) Wirkpfade - eine nachteilige Einwirkung auf den chemischen Zustand des GWK verneint wird. Soweit die Kläger sich darauf berufen, dass in den 3. Planergänzungsbeschlüssen bei der Umweltverträglichkeitsprüfung unter den anlagebedingten Wirkungen des Vorhabens unter anderem auch ""veränderte Stoffaustauschprozesse in Richtung des Grundwassers"" angeführt werden (S. 30), ist mit den Beklagten darauf zu verweisen, dass solche Wirkungen schon in der PEU III 1.4 im Rahmen der Relevanzprüfung ausgeschlossen werden (S. xii, 48, 50). 126 Schließlich wird mit dem Hinweis der Kläger auf die in den 3. Planergänzungsbeschlüssen (S. 30) ebenfalls angeführte Möglichkeit eines ""Absenkens des niederschlagsgespeisten Grundwassers (Stauwasser)"" im Bereich der Becken keine auf den GWK El12 und dessen Zustand bezogene Frage aufgeworfen. Das oberhalb der Kleischicht in der Sättigungszone im Boden anstehende Wasser ist zwar Grundwasser im Sinne von § 3 Nr. 3 WHG, nicht aber Teil eines GWK im Sinne von § 3 Nr. 6 WHG, denn es bewegt sich nicht in einem Grundwasserleiter. Negative Auswirkungen auf grundwasserabhängige Landökosysteme (siehe auch § 4 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c GrwV) in den Kleingewässern, Tümpeln und Sumpfbereichen neben den Becken werden vom Fachbeitrag (PEU III 1.8, S. 37) ebenfalls ausgeschlossen. Ein dauerhaftes Absenken des Stauwasserspiegels durch Zusickern in die Becken ist nicht zu erwarten. Die mittlere jährliche Niederschlagsmenge ist nämlich größer als das Porenvolumen des anstehenden Bodens und die durch die Maßnahme zu erwartende abfließende Menge an Stauwasser, die in die Becken fließt (PEU III 1.4, S. 50). In Abhängigkeit von den Niederschlagsereignissen wird die Umgebung weiterhin durch Vernässungen geprägt sein (Gutachten Burmann u.a., PEU III 1.2, Anlage 1, S. 33 ff.). 127 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO." bverwg_2020-28,08.06.2020,"Pressemitteilung Nr. 28/2020 vom 08.06.2020 EN Keine Widerlegung der Nachteilsvermutung bei überlangem Gerichtsverfahren allein durch vorangegangenes rechtswidriges Verhalten Ein wegen der Überlänge des gerichtlichen Verfahrens gesetzlich vermuteter immaterieller Nachteil wird nicht allein dadurch widerlegt, dass sich der Kläger während des gerichtlichen Verfahrens einen tatsächlichen Vorteil rechtswidrig verschafft hat, dessen Legalisierung er im gerichtlichen Verfahren zu erreichen sucht. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Der Kläger beantragte die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung eines Wochenendhauses in dem Gartengelände seines großflächigen Besitzes. Diesen Antrag lehnte die zuständige Behörde im Jahr 2010 ab, weil der geplante Standort im Außenbereich liege. Hiergegen klagte der Kläger vor dem Verwaltungsgericht, errichtete aber noch vor Ergehen des Urteils ein solches Haus an einer anderen Stelle seines Grundstücks ohne die erforderliche Baugenehmigung. Nachdem das Verwaltungsgericht die Klage auf Erteilung des Bauvorbescheides abgewiesen hatte, beantragte der Kläger Anfang 2012 die Zulassung der Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht. Ende 2015 rügte er die Verzögerung dieses Verfahrens. Im November 2016 hat das Oberverwaltungsgericht entschieden und den Zulassungsantrag abgelehnt. Bereits zuvor hatte der Kläger gerichtlich einen Entschädigungsanspruch wegen immaterieller Nachteile, die er infolge einer Überlänge des Berufungszulassungsverfahrens erlitten habe, geltend gemacht. Diesen Anspruch wies das Oberverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Urteil zurück. Die gesetzliche Vermutung eines immateriellen Nachteils (§ 198 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG) sei widerlegt, weil der Kläger bereits vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils rechtswidrig ein Wochenendhaus auf seinem Grundstück errichtet habe. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Der der angefochtenen Entscheidung zu entnehmende Satz, die gesetzliche Vermutung eines immateriellen Nachteils infolge eines überlangen Gerichtsverfahrens sei allein durch das rechtswidrige Vorgehen des Klägers widerlegt, ist mit dem Gesetz (§ 198 Abs. 2 Satz 1 GVG) nicht vereinbar. Die Widerlegung der Vermutung erfordert immer eine Gesamtbewertung aller in Rede stehenden Umstände, die aus der Überlänge des Verfahrens folgen. Zu prüfen ist, ob die damit verbundenen nachteiligen immateriellen Wirkungen im Einzelfall erheblich vermindert bzw. weggefallen sind oder ob sie durch Vorteile, die durch die Verzögerung des Verfahrens erlangt werden, kompensiert werden. Dies ließ sich auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Tatsachen nicht bejahen. Der Kläger hat im gerichtlichen Ausgangsverfahren in zulässiger Weise erstrebt, ein bauliches Vorhaben auf seinem Grundstück zu legalisieren. Weil das Oberverwaltungsgericht zu den übrigen Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs keine Feststellungen getroffen hat, war die Sache an dieses zurückzuverweisen. BVerwG 5 C 3.19 D - Urteil vom 05. Juni 2020 Vorinstanz: OVG Greifswald, 2 P-EK 466/16 - Urteil vom 21. September 2018 -","Urteil vom 05.06.2020 - BVerwG 5 C 3.19 DECLI:DE:BVerwG:2020:050620U5C3.19D0 EN Zur Widerlegung der Vermutung eines immateriellen Nachteils nach § 198 Abs. 2 GVG Leitsatz: Die im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren stehende rechtswidrige Verschaffung eines Vorteils schließt jedenfalls dann nicht notwendig einen immateriellen Nachteil im Sinne von § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG aus, wenn das Gerichtsverfahren, dessen Überlänge gerügt ist, sich dahingehend auswirken kann, den erlangten Vorteil für die Zukunft zu legalisieren. Rechtsquellen GVG § 198 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO § 292 Satz 1 Instanzenzug OVG Greifswald - 21.11.2018 - AZ: OVG 2 P-EK 466/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 05.06.2020 - 5 C 3.19 D - [ECLI:DE:BVerwG:2020:050620U5C3.19D0] Urteil BVerwG 5 C 3.19 D OVG Greifswald - 21.11.2018 - AZ: OVG 2 P-EK 466/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 5. Juni 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 21. November 2018 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens. 2 Gegenstand des Verfahrens, dessen Überlänge der Kläger rügt, war die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung eines Wochenendhauses auf dem Grundstück des Klägers. Die zuständige Behörde hatte seinen Antrag unter Hinweis darauf abgelehnt, dass der geplante Standort des Bauvorhabens im Außenbereich liege. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Verpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht ab. Hiergegen beantragte der Kläger am 27. Januar 2012 die Zulassung der Berufung. Am 29. Dezember 2015 erhob er Verzögerungsrüge. Mit Beschluss vom 22. November 2016 lehnte das Oberverwaltungsgericht den Zulassungsantrag ab. 3 Mit seiner Entschädigungsklage hat der Kläger die Überlänge des Berufungszulassungsverfahrens geltend gemacht und Ausgleich für dadurch bedingte immaterielle Nachteile begehrt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Entschädigungsklage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Ob die Dauer des Berufungszulassungsverfahrens unangemessen gewesen sei, müsse nicht entschieden werden. Denn der Kläger habe auch bei unterstellter Überlänge die gesetzliche Nachteilsvermutung selbst widerlegt. Er habe in der mündlichen Verhandlung seine Angaben dahingehend präzisiert, dass er bereits vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils ohne die erforderliche Baugenehmigung ein Wochenendhaus auf seinem Grundstück errichtet habe. Deshalb habe die Dauer des Berufungszulassungsverfahrens nicht zu einem Nachteil geführt. 4 Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Entschädigungsbegehren weiter. Er rügt eine Verletzung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG und vertritt die Ansicht, ein formell baurechtswidriges Verhalten, das wegen der anderen örtlichen Lage des Vorhabens nicht zum Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens zu rechnen sei, könne die gesetzliche Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG nicht widerlegen. 5 Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 21. November 2018 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung in einer Höhe zu zahlen, die in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, jedoch mindestens 3 600,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins seit Zustellung der Klage beträgt. 6 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 7 Er verteidigt das angegriffene Urteil und macht über die Urteilsgründe hinaus unter anderem geltend, die Nachteile des Klägers aus einer unterstellten unangemessen langen Dauer des Berufungszulassungsverfahrens seien insofern als kompensiert anzusehen, als er das von ihm illegal errichtete Wochenendhaus habe nutzen können und deshalb mehr erreicht habe, als er bei einem erfolgreichen Verfahrensausgang mit einem Bauvorbescheid hätte erreichen können. Zudem könne von dem Kläger als Rechtsanwalt und Organ der Rechtspflege ein besonderes Maß an Rechtstreue verlangt werden. II 8 Die Revision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 173 Satz 2 VwGO i.V.m. § 201 Abs. 2 GVG, §§ 141, 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht nicht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es verletzt § 198 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2633). 9 Anspruchsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Entschädigungsanspruch wegen Nichtvermögensnachteilen als Folge eines überlangen Gerichtsverfahrens ist die Regelung des § 198 Abs. 1 und 2 GVG. Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG kann eine Entschädigung wegen einer überlangen Verfahrensdauer nur erhalten, wer einen Nachteil erleidet. Nach § 198 Abs. 2 GVG fallen hierunter auch Nachteile, die nicht Vermögensnachteile sind (immaterielle Nachteile). Der Gesetzgeber hat damit in erster Linie die nachteiligen psychologischen Wirkungen wie Besorgnisse, Ärgernisse und Ungewissheiten gemeint, die sich aus der überlangen Verfahrensdauer über die übliche Belastung durch Prozessrisiken hinaus ergeben (vgl. BT-Drs. 17/3802, 19). Ein solcher immaterieller Nachteil wird nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. 10 Das Oberverwaltungsgericht ist auf der Grundlage der von ihm festgestellten Tatsachen zu Unrecht davon ausgegangen, dass die gesetzliche Vermutung eines Nichtvermögensnachteils nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG im vorliegenden Fall als widerlegt anzusehen ist. Dabei steht bereits der vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegte Prüfungsmaßstab nicht mit § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG im Einklang (1.). Seine Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (2.). Weil der Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (3.). 11 1. Die angefochtene Entscheidung erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil der ihr zu entnehmende und als Prüfungsmaßstab zugrunde gelegte Satz, die gesetzliche Vermutung eines immateriellen Nachteils infolge eines überlangen Gerichtsverfahrens sei allein dadurch widerlegt, dass sich der Kläger vor oder während des gerichtlichen Verfahrens einen tatsächlichen Vorteil rechtswidrig verschafft hat, mit § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG nicht vereinbar ist. 12 Bei der in dieser Vorschrift normierten gesetzlichen Vermutungsregelung handelt es sich um eine widerlegliche gesetzliche Tatsachenvermutung im Sinne von § 292 Satz 1 ZPO, die dem Betroffenen die Geltendmachung eines immateriellen Nachteils erleichtern soll, weil in diesem Bereich ein Beweis oft nur schwierig oder gar nicht zu führen ist (BGH, Urteile vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14 - BGHZ 204, 184 Rn. 40 m.w.N. und vom 13. April 2017 - III ZR 277/16 - NJW 2017, 2478 Rn. 21). Diese Vermutungsregel, die sich sowohl auf das Vorliegen eines Nichtvermögensnachteils als auch auf die haftungsausfüllende Kausalität erstreckt, entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der eine starke, aber widerlegbare Vermutung dafür annimmt, dass die überlange Verfahrensdauer einen Nichtvermögensschaden verursacht (EGMR, Urteil vom 29. März 2006 - 36813/97, Scordino/Italien - NJW 2007, 1259 Rn. 204; vgl. ferner - eine ""starke Vermutung"" für einen Nachteil i.S.v. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG annehmend - etwa auch BSG, Urteil vom 12. Dezember 2019 - B 10 ÜG 3/19 R - SGb 2020, 235 <236>). Bei einer gesetzlichen Vermutung des Vorliegens einer Tatsache ist nach der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 173 Satz 1 VwGO entsprechend anzuwendenden Regel des § 292 Satz 1 ZPO in Ermangelung einer anderweitigen gesetzlichen Anordnung der Beweis des Gegenteils zulässig, d.h. der Beweis, dass die vom Gesetz vermutete Tatsache in Wirklichkeit nicht gegeben ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1994 - 8 C 4.93 - Buchholz 310 § 111 VwGO Nr. 1 S. 11 f. m.w.N.). Um die Vermutung im Sinne einer Widerlegung zu entkräften, genügt es aber nicht, sie lediglich zu erschüttern; es muss vielmehr der volle Beweis des Nichtbestehens der vermuteten Tatsache erbracht werden (BVerwG, Urteile vom 24. August 1990 - 8 C 65.89 - BVerwGE 85, 314 <321> und vom 8. Juli 1994 - 8 C 4.93 - Buchholz 310 § 111 VwGO Nr. 1 S. 12 jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 4. Februar 2002 - II ZR 37/00 - WM 2002, 755). 13 In Anbetracht dessen ist im Fall des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG die Vermutung eines auf der Verfahrensdauer beruhenden immateriellen Nachteils nur dann widerlegt, wenn das Entschädigungsgericht unter Berücksichtigung der vom Kläger gegebenenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen nach einer Gesamtbewertung der Folgen, die die Verfahrensdauer mit sich gebracht hat, die Überzeugung gewinnt, dass die (unangemessene) Verfahrensdauer nicht zu einem Nachteil geführt hat (BGH, Urteile vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14 - BGHZ 204, 184 Rn. 41 und vom 13. April 2017 - III ZR 277/16 - NJW 2017, 2478 Rn. 21). Dies kann der Fall sein, wenn bei einer Gesamtbewertung der Schluss gerechtfertigt ist, dass die unangemessene Verfahrensdauer entweder als solche nicht nachteilig (oder sogar vorteilhaft) gewesen ist oder es an einem Kausalzusammenhang zwischen Verfahrensdauer und Nachteil fehlt (vgl. BFH, Urteil vom 20. November 2013 - X K 2/12 - BFHE 243, 151 Rn. 26 ff.; BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14 - BGHZ 204, 184 Rn. 41). 14 In Abweichung von diesem Maßstab ist das Oberverwaltungsgericht, das bereits eine derartige Gesamtbewertung nicht ansatzweise vorgenommen hat, von einem rechtsfehlerhaften Prüfungsansatz ausgegangen. Mit § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG steht es nicht in Einklang, die Versagung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile der Sache nach als Sanktion für ein rechtswidriges Verhalten zu verstehen und allein aus einer mit dem Gerichtsverfahren im Zusammenhang stehenden rechtswidrigen Erlangung tatsächlicher Vorteile auf die Widerlegung der Nachteilsvermutung zu schließen. Das ergibt sich nicht nur aus der obigen Herleitung des Erfordernisses einer Gesamtbewertung der Folgen, sondern erschließt sich im Wege einer systematischen Betrachtung auch schon daraus, dass § 198 GVG selbst dann Rechtsfolgen an die Überlänge eines Gerichtsverfahrens knüpft, wenn - wie etwa in Strafverfahren (vgl. § 199 GVG) oder in gerichtlichen Verfahren zu Disziplinarsachen (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 - 2 WA 1.17 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 8) - ein rechtswidriges Verhalten gerade Auslöser und Gegenstand des Verfahrens ist. Die Sanktionierung rechtswidrigen Verhaltens findet grundsätzlich auf anderem Wege als der Entziehung des Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG statt. Sie ist etwa im Falle der bereits formell illegalen Errichtung baulicher Anlagen gegebenenfalls einem gesonderten Ordnungswidrigkeitsverfahren sowie insbesondere dem der Herstellung rechtmäßiger baurechtlicher Zustände dienenden Bauordnungsverfahren vorbehalten. Auch der Sinn und Zweck der in die Entschädigungsregelung aufgenommenen Nachteilvermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG geht nicht dahin, einen Entschädigungsanspruch wegen der Überlänge eines Gerichtsverfahrens notwendig auszuschließen, wenn ein zu einem tatsächlichen Vorteil führendes rechtswidriges Verhalten des Betroffenen mit diesem Verfahren im Zusammenhang steht. Denn auch bei einem solchen Vorverhalten dürfen das Interesse des Betroffenen an einem zeitgerechten Verfahrensabschluss als Schutzgut des § 198 GVG und damit auch die Intensität der Beeinträchtigung durch überlanges Warten auf eine klärende gerichtliche Entscheidung nicht schlechthin ausgeblendet werden. Soweit sich ein Kläger - wie hier durch die (schon formell) baurechtswidrige Errichtung eines Wochenendhauses - auf rechtswidrige Weise einen Vorteil verschafft, schließt dies daher jedenfalls dann nicht notwendig einen immateriellen Nachteil aus, wenn das Gerichtsverfahren, dessen Überlänge er rügt, dazu dienen soll, den erlangten Vorteil für die Zukunft zu legalisieren. 15 2. Auf dem vorgenannten Rechtsfehler des Oberverwaltungsgerichts beruht die angefochtene Entscheidung. Sie stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG ist auf der Grundlage der für den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auch bei Zugrundelegung des oben dargelegten zutreffenden rechtlichen Maßstabs nicht widerlegt. 16 Eine Widerlegung der Vermutung, dass durch die Überlänge des gerichtlichen Verfahrens immaterielle Nachteile im Sinne von § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG eingetreten sind, kann zwar dann anzunehmen sein, wenn im Einzelfall derartige Nachteile schon von vornherein oder im Verfahrensverlauf in ihrem Gewicht bzw. ihrer Wirkung als erheblich vermindert oder als weggefallen zu bewerten sind (vgl. zu solchen Konstellationen BGH, Urteile vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14 - BGHZ 204, 184 Rn. 43 und vom 13. April 2017 - III ZR 277/16 - NJW 2017, 2478 Rn. 24). Eine Widerlegung der Nachteilsvermutung kann auch dann in Betracht kommen, wenn im Rahmen der Gesamtbewertung die immateriellen Nachteile durch sonstige Folgen des überlangen Verfahrens kompensiert werden, beispielsweise weil die Verfahrensdauer für den betreffenden Verfahrensbeteiligten erhebliche Vorteile mit sich gebracht hat, welche die nachteiligen Wirkungen weitestgehend oder vollständig in den Hintergrund treten lassen (vgl. dazu BFH, Urteil vom 20. November 2013 - X K 2/12 - BFHE 243, 151 Rn. 27 ff.). Genügende Umstände, die eine solche Folgenbewertung tragen könnten, ergeben sich auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Tatsachen jedoch nicht. 17 a) Die Durchführung des Berufungszulassungsverfahrens und dessen zeitgerechter Abschluss waren für den Kläger nicht allein deshalb (von vornherein) ohne Bedeutung, weil er schon zuvor ohne Genehmigung ein vergleichbares Vorhaben auf demselben Grundstück errichtet und mit diesem rechtswidrigen Vorgehen dem Ausgang des gerichtlichen Verfahrens zu seinen Gunsten vorgegriffen hatte. Der Kläger hat im gerichtlichen Ausgangsverfahren in zulässiger Weise erstrebt, die Rechtmäßigkeit eines baulichen Vorhabens auf seinem Grundstück in planungsrechtlicher Hinsicht zu klären. Dieses Ziel hatte er mit der Errichtung eines bereits formell illegalen und daher in rechtlicher Hinsicht gerade nicht dauerhaft gesicherten Gebäudes aber nicht erreicht, das darüber hinaus schon wegen seines abweichenden Standorts auch ein baurechtlich anderes Vorhaben darstellt als dasjenige, das Gegenstand des Bauvorbescheidverfahrens war. Die rechtswidrige Vorteilserlangung ändert daher grundsätzlich nichts an dem Interesse des Klägers, im hier in Rede stehenden gerichtlichen Verfahren die planungsrechtliche Lage bezogen auf den in der Bauvoranfrage bezeichneten Standort in seinem Sinne zu klären. Auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Tatsachen ergeben sich auch keine hinreichenden Anhaltspunkte oder gar Belege dafür, dass die illegale Errichtung des Wochenendhauses Ausdruck eines Umdenkens des Klägers in dem Sinne gewesen sein könnte, er habe den als überlang gerügten Rechtsstreit als faktisch erledigt bzw. durch die spätere Stellung eines Bauantrags für das tatsächlich errichtete Gebäude als überholt oder sinnlos angesehen und das Interesse an einer Entscheidung des streitgegenständlichen Verfahrens verloren. 18 Eine zur Widerlegung der Nachteilsvermutung führende Gesamtbewertung der Folgen ergibt sich hier entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht daraus, dass dem Kläger als Rechtsanwalt und Organ der Rechtspflege ein besonderes Maß an Rechtstreue abverlangt werden könne. Es ist nicht erkennbar, dass das in Rede stehende Verhalten des Klägers, nämlich die Errichtung eines Wochenendhauses ohne Baugenehmigung, einen Zusammenhang mit seiner beruflichen Stellung als Rechtsanwalt oder den daraus resultierenden Pflichten aufweist. Deshalb kann auch nicht angenommen werden, dem Kläger könnten wegen der Verletzung solcher Pflichten anerkennenswerte immaterielle Nachteile schon von vornherein nicht entstanden sein. Ihm sind als Organ der Rechtspflege im Übrigen Nachteile infolge der Überlänge eines von ihm als Partei geführten Gerichtsverfahrens jedenfalls auch deshalb nicht leichter zuzumuten, weil und soweit dieses Verfahren - wie hier der Ausgangsrechtsstreit - als solches keinen unmittelbaren Bezug zu seinen beruflichen Pflichten hat. 19 b) Die nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG gesetzlich vermuteten immateriellen Nachteile des Klägers aus der (vom Oberverwaltungsgericht unterstellten) unangemessen langen Dauer des Berufungszulassungsverfahrens sind auch nicht in der Weise als kompensiert anzusehen, dass diese Nachteile von ihrem Gewicht her gegenüber den für den Betroffenen günstigen Folgen weitestgehend in den Hintergrund treten. Soweit der Beklagte im Revisionsverfahren vorträgt, eine solche Kompensation sei anzunehmen, weil der Kläger während der Laufzeit des Berufungszulassungsverfahrens das von ihm illegal errichtete Wochenendhaus habe nutzen können und deshalb mehr erreicht habe, als er bei einem erfolgreichen Verfahrensausgang mit einem Bauvorbescheid erreicht hätte, vermag er damit nicht durchzudringen. Zunächst fehlt es schon an entsprechenden tatsächlichen Feststellungen und Würdigungen des Oberverwaltungsgerichts. Dieses hat etwa keine Feststellungen dazu getroffen, ob und inwieweit der Kläger das Gebäude überhaupt während der Laufzeit des Verfahrens genutzt hat. Selbst wenn von einer solchen Nutzung auszugehen wäre, ließe sich die Frage, ob Nachteile einer überlangen Verfahrensdauer durch derartige Umstände als kompensiert angesehen werden können, regelmäßig nicht unabhängig von der (hier erst noch zu ermittelnden) Dauer der Überlänge des Verfahrens beantworten. Jedenfalls schließt allein die rechtswidrige Verschaffung eines tatsächlichen (Nutzungs-)Vorteils einen immateriellen Nachteil nicht notwendig aus, wenn - wie hier - das als überlang gerügte Gerichtsverfahren sich erkennbar dahingehend auswirken könnte, diesen Vorteil für die Zukunft zu legalisieren. 20 3. Die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ermöglichen dem Senat keine abschließende Beurteilung, ob und in welchem Umfang der geltend gemachte Entschädigungsanspruch besteht. Insbesondere hat das Oberverwaltungsgericht, weil es nach seiner Rechtsansicht nicht darauf ankam, zum haftungsbegründenden Tatbestand der unangemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 GVG keine hinreichenden Feststellungen getroffen und dazu erforderliche Tatsachenwürdigungen vorgenommen. Die Sache ist deshalb an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 21 4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten." bverwg_2020-29,16.06.2020,"Pressemitteilung Nr. 29/2020 vom 16.06.2020 EN Entfernung eines Justizvollzugsbeamten aus dem Beamtenverhältnis wegen des Besitzes kinderpornografischer Bild- und Videodateien Bei einer Disziplinarklage gegen einen Justizvollzugsbeamten wegen des Besitzes kinderpornografischen Bildmaterials reicht der Orientierungsrahmen für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der beklagte Beamte ist Justizvollzugsbeamter des klagenden Landes. Im August 2013 wurde u.a. auf einem privaten Computer des Beklagten eine Vielzahl kinderpornografischer Bilder und Videos entdeckt. Durch Strafbefehl wurde gegen den Beamten wegen öffentlichen Zugänglichmachens von kinderpornografischem Material gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. eine Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten festgesetzt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit seiner daraufhin erhobenen Disziplinarklage strebt das klagende Land die disziplinargerichtliche Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis an. Das Verwaltungsgericht ist nach eigener Sachaufklärung und abweichend von dem Strafbefehl lediglich vom Besitz kinderpornografischen Materials gemäß § 184b Abs. 4 StGB a.F. ausgegangen und hat auf eine Zurückstufung des Beamten in das nächstniedrigere Amt erkannt. Die dagegen gerichtete Berufung des Landes hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und den Beamten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatte der Beamte über 1 000 Bilddateien mit kinderpornografischem Material auf verschiedenen privaten Medien gespeichert. Damit hat er gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten verstoßen. Dieses Fehlverhalten, obwohl außerdienstlich begangen, ist disziplinarwürdig, weil es zum Tatzeitpunkt strafrechtlich mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet werden konnte. Bei einem Strafdelikt mit dieser Strafandrohung reicht der Orientierungsrahmen für die disziplinargerichtliche Ahnung im Allgemeinen nur bis zu einer Zurückstufung in ein niedrigeres Amt. Dagegen gilt ein weiter reichender Orientierungsrahmen bis hin zur Entfernung aus dem Dienst, wenn der Besitz des kinderpornografischen Materials einen hinreichenden Bezug zu dem Statusamt des Beamten aufweist. Letzteres hat das Bundesverwaltungsgericht bislang zum einen bei Lehrern (v.a. wegen ihrer Obhutspflicht für die ihnen anvertrauten Kinder) und zum anderen bei Polizeivollzugsbeamten (weil diese Straftaten zu verhindern haben) bejaht. Dieser weiter reichende Orientierungsrahmen gilt auch für Justizvollzugsbeamte. Dies beruht u.a. auf der Erwägung, dass - würde ihr Fehlverhalten bekannt - dies zu einem Achtungs- und Autoritätsverlust führte, der es ausschließt, sie statusamtsgemäß zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in einer Justizvollzugsanstalt einzusetzen. Bei einem möglichen, ebenfalls status­amtsgemäßen Einsatz in einer Jugendstrafvollzugsanstalt können sogar Jugendliche ab 14 Jahren in ihrer Obhut sein. BVerwG 2 C 12.19 - Urteil vom 16. Juni 2020 Vorinstanzen: OVG Münster, 3d A 2378/15.O - Urteil vom 27. Juni 2018 - VG Münster, 13 K 156/15.O - Urteil vom 15. September 2015 -","Urteil vom 16.06.2020 - BVerwG 2 C 12.19ECLI:DE:BVerwG:2020:160620U2C12.19.0 EN Disziplinare Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Bild- und Videodateien bei einem Justizvollzugsbeamten Leitsätze: 1. Beim außerdienstlichen Besitz von kinderpornographischen Bild- und Videodateien durch einen Justizvollzugsbeamten ist der Orientierungsrahmen für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme bis zur Höchstmaßnahme eröffnet, weil ein hinreichender Bezug zwischen dem Fehlverhalten und den mit dem Statusamt eines Justizvollzugsbeamten verbundenen Dienstpflichten besteht. 2. Der außerdienstliche Besitz von kinderpornographischen Bild- und Videodateien führt dazu, dass ein Justizvollzugsbeamter wegen der Möglichkeit seiner Verwendung auch im Jugendstrafvollzug (mit den dort seiner Obhut und Gewalt unterstellten Jugendlichen) sowie wegen des mit seinem Fehlverhalten verbundenen Achtungs- und Autoritätsverlusts in erheblicher Weise in der Erfüllung seiner Dienstpflicht beeinträchtigt ist, Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt zu gewährleisten. 3. Ein ähnlicher hinreichender Bezug zum Statusamt eines Justizvollzugsbeamten mit der Folge derselben Erweiterung des Orientierungsrahmens ist z.B. bei außerdienstlichen Straftaten gegeben, die mit Gewaltanwendung verbunden sind, oder bei Betäubungsmitteldelikten. 4. Ob und in welcher Weise dem Dienstherrn eine Verwendung des Beamten auf einem Dienstposten möglich ist, auf dem der mit dem Dienstvergehen verbundene Achtungs- und Vertrauensverlust nicht eintritt, ist sowohl bei der Frage des hinreichenden Bezugs zum Statusamt des Beamten als auch im Rahmen der Maßnahmebemessung nicht von Bedeutung. 5. Ob und in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit verloren hat, ist von einem objektiven Standpunkt aus zu bestimmen. Ob das Fehlverhalten im dienstlichen Umfeld des Beamten tatsächlich bereits bekannt geworden ist oder wie dies vermieden werden kann, ist für die Maßnahmebemessung unerheblich. Rechtsquellen BeamtStG § 34 Satz 3, § 47 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. § 184b StVollzG § 2 Satz 1, § 4 Abs. 2, § 82 Abs. 1 und 2, §§ 94 ff., § 155 Abs. 1 Satz 1 BtMG §§ 29 ff. LDG NRW § 13 Abs. 2 und 3 Instanzenzug VG Münster - 15.09.2015 - AZ: VG 13 K 156/15.O OVG Münster - 27.06.2018 - AZ: OVG 3d A 2378/15.O Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 16.06.2020 - 2 C 12.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:160620U2C12.19.0] Urteil BVerwG 2 C 12.19 VG Münster - 15.09.2015 - AZ: VG 13 K 156/15.O OVG Münster - 27.06.2018 - AZ: OVG 3d A 2378/15.O In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung, Dollinger und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel für Recht erkannt: Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Juni 2018 und des Verwaltungsgerichts Münster vom 15. September 2015 werden aufgehoben. Der Beklagte wird aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen. Gründe I 1 Der 1973 geborene Beklagte, ein gelernter Tischler, steht seit dem Jahr 2000 im Justizvollzugsdienst des klagenden Landes, zuletzt im Amt eines Justizvollzugshauptsekretärs (Besoldungsgruppe A 8). Er war bis zu seiner im April 2014 aus Anlass der streitgegenständlichen Vorwürfe verfügten vorläufigen Suspendierung in der Justizvollzugsanstalt D. tätig. 2 Im August 2013 wurden anlässlich einer von einer Privatfirma durchgeführten Reparatur eines privaten Computers (Laptops) des Beklagten auf dem Rechner eine Vielzahl kinderpornographischer Bilder und Videos entdeckt. Bei einer daraufhin durchgeführten Hausdurchsuchung bei dem Beklagten wurden ein weiterer PC, eine externe Festplatte, CD's und DVD's beschlagnahmt. 3 Mit im März 2014 rechtskräftig gewordenem Strafbefehl vom 24. Februar 2014 wurde gegen den Beklagten wegen öffentlichen Zugänglichmachens und Besitzes kinderpornographischer Schriften von 1 057 Bild- und Videodateien mit kinderpornographischem Inhalt gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 4 und 6 sowie § 76 StGB a.F. eine Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten (mit Einsatzstrafen von acht und sechs Monaten) festgesetzt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. In dem Strafbefehl heißt es zum streitgegenständlichen Vorwurf des Verfahrens: ""Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Sie, am 21.08.2013 und in nicht rechtsverjährter Zeit zuvor in B. durch zwei selbstständige Handlungen kinderpornografische Schriften öffentlich zugänglich gemacht und kinderpornografische Schriften, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, besessen zu haben. Ihnen wird Folgendes zur Last gelegt: Über die Fileshare-Programme ""Frostwire"" und ""Limewire"" stellten Sie anderen Benutzern 77 kinderpornografische Videodateien zum Download zur Verfügung. Anlässlich einer von Polizeibeamten am 21.08.2013 vorgenommenen Durchsuchung Ihrer Wohnung befanden Sie sich im Besitz von 1057 Bilddateien, die auf Ihrem Rechner gespeichert sind und die zur sexuellen Stimulierung des entsprechend veranlagten Betrachters unbekleidete Personen - vorwiegend männlichen Geschlechts und ersichtlich jünger als vierzehn - in von außen veranlasster anreißerischer (richtigerweise wohl: aufreißerischer), ausschließlich auf die Geschlechtsregion reduzierter Pose zeigen. Die Kinder manipulieren auf diesen Bildern am eigenen Körper, aber auch am Geschlechtsteil anderer Kinder oder erwachsener Personen - auch mit dem Mund - und lassen entsprechende Manipulationen aber auch oralen Geschlechtsverkehr über sich ergehen."" 4 Mit Bewährungsbeschluss vom 24. Februar 2014 wurden dem Beklagten die Zahlung eines Geldbetrags i.H.v. 1 800 € an eine gemeinnützige Einrichtung und die (Weiterführung der) Teilnahme an einer im Januar 2014 bereits eigeninitiativ begonnenen und inzwischen beendeten Therapie auferlegt (Abschlussbescheinigung vom 1. August 2014). 5 Mit der vorliegenden, im Januar 2015 erhobenen Disziplinarklage warf das klagende Land dem Beklagten unter Bezugnahme auf den Inhalt des Strafbefehls vor, ein Dienstvergehen begangen zu haben. Der Eigenkonsum der zahlreichen kinderpornographischen Dateien sowie der Umstand, dass der Beklagte diese mit anderen Nutzern getauscht habe, erschüttere in besonderer Weise das Vertrauensverhältnis zu einem Justizvollzugsbeamten, der täglich mit Gefangenen arbeite, die u.a. ebenfalls wegen des Konsums kinderpornographischen Materials verurteilt worden seien und denen er als Vorbild dienen solle. In der Justizvollzugsanstalt D. befänden sich in nicht unerheblichem Umfang (ca. 20 - 25 %) Gefangene, denen Sexualdelikte an Kindern vorgeworfen würden. Das Dienstvergehen des Beklagten beeinträchtige dessen Autorität und Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den Gefangenen. Nicht zuletzt aufgrund der vorläufigen Dienstenthebung werde sich die Tat sowohl bei den Gefangenen als auch bei den Bediensteten herumsprechen. Auch bestehe die Gefahr der Erpressbarkeit des Beklagten, weil auch Strafgefangene der Justizvollzugsanstalten D. und B. in derselben Therapie-Einrichtung (gewesen) seien wie der Beklagte. 6 Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung eines sachverständigen Polizeibeamten zu der Frage, ob und in welcher Weise der Beklagte anderen Nutzern 77 kinderpornographische Videodateien zum Download zur Verfügung gestellt hat. Wesentliches Ergebnis dieser Beweisaufnahme war, dass der Beklagte (nacheinander) verschiedene Filesharing-Programme benutzt hat (""Limewire"", ""Frostwire"", ""Frostwire 5""); die streitgegenständlichen Dateien wurden während der Nutzung des als zweites installierten Programms ""Frostwire"" gespeichert. In diesem Programm hatte der Beklagte die vorhandene Grundeinstellung manuell abgeändert und ein Uploadverbot eingestellt. Während der Nutzung des Nachfolgeprogramms ""Frostwire 5"" war eine solche Abänderung der Grundeinstellung nicht vorgenommen worden. Der Beklagte, der sich als in PC-Fragen nicht besonders versiert bezeichnet hat, gab hierzu an, er sei davon ausgegangen, dass die von ihm im Vorgängerprogramm vorgenommene Abänderung der Grundeinstellung auch bei dem Nachfolgeprogramm weitergegolten habe. 7 Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten daraufhin in das Amt eines Justizvollzugsobersekretärs (Besoldungsgruppe A 7) zurückgestuft. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Es ist in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass der Beklagte sich 1 057 Bild- und Videodateien mit kinderpornographischem Inhalt verschafft und sie besessen habe. Demgegenüber könne ihm nicht nachgewiesen werden, dass er - wie im Strafbefehl angenommen - 77 Videodateien auch vorsätzlich zum Download öffentlich zugänglich gemacht habe. Der Strafbefehl, der auf das Vorliegen eines Tatvorsatzes nicht eingehe, entfalte insoweit keine Bindungswirkung, weil der Beklagte dem mit substantiiertem Bestreiten entgegengetreten sei. Seine Einlassung, dass er nach der von ihm vorgenommenen und vom Sachverständigen bestätigten Abänderung der voreingestellten Weiterverbreitungsfunktion in einer Vorgängerversion geglaubt habe, dass diese Einstellung auch bei der Folgeversion des Filesharing-Programms weiter gegolten habe, könne ihm nicht widerlegt werden. 8 Damit habe der Beklagte gegen seine Wohlverhaltenspflicht verstoßen. Dieses außerdienstliche Fehlverhalten sei auch disziplinarwürdig, weil es mit einer Strafandrohung von bis zu zwei Jahren bedroht sei. Angesichts der zum Tatzeitpunkt geltenden Strafandrohung reiche der disziplinare Orientierungsrahmen (nur) bis zu einer Zurückstufung des Beamten. Eine Ausweitung des Orientierungsrahmens wie bei Lehrern oder Polizeibeamten komme nicht in Betracht. Es fehle an einem dafür erforderlichen engen Bezug zu seinem Statusamt. Bei Justizvollzugsbeamten liege keine vergleichbare Vertrauens- und Garantenstellung vor, die es rechtfertige, sie mit den genannten Fallgruppen gleichzustellen. Insbesondere könne sie nicht mit einer Vorbildfunktion von Justizvollzugsbeamten im Strafvollzug und ihrer Pflicht zu einer entsprechenden eigenen Lebensführung begründet werden. Hierbei handele es sich nur um einen Aspekt von verschiedenen Möglichkeiten, positiv auf Strafgefangene einzuwirken, und um keine Kernpflicht eines Justizvollzugsbeamten. Eine Gesamtbetrachtung aller be- und entlastenden einzelfallbezogenen Gesichtspunkte rechtfertige und erfordere keine andere (höhere) Disziplinarmaßnahme als eine Zurückstufung. 9 Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision beantragt der Kläger, die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Juni 2018 und des Verwaltungsgerichts Münster vom 15. September 2015 aufzuheben und den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. 10 Der Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 11 Die Revision des Klägers ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 3 Abs. 1 und § 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 137 Abs. 1 und § 191 Abs. 2 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Zu dem nach diesen Vorschriften revisiblen Recht gehört auch das Landesbeamtendisziplinarrecht (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Dezember 2017 - 2 C 12.17 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 53 Rn. 10 und vom 23. April 2020 - 2 C 21.19 - juris Rn. 13 ). 12 Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Beklagte ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen hat und dass dieses disziplinarwürdig ist (1.). Ein Verstoß gegen revisibles Recht, nämlich gegen § 13 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 des Landesdisziplinargesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - LDG NRW - vom 16. November 2004 (GV. NRW. S. 624), liegt aber in der Annahme des Berufungsgerichts, der Orientierungsrahmen für die disziplinare Maßnahmebemessung reiche im Streitfall (nur) bis zu einer Zurückstufung, weil es an einem hinreichenden Bezug zwischen dem außerdienstlichen Dienstvergehen des Beklagten und seinem Statusamt fehle (2.). Darüber hinaus leidet die Maßnahmebemessung des Berufungsgerichts gemäß § 13 LDG NRW an weiteren Rechtsfehlern (3.). Die eigene Maßnahmebemessung des erkennenden Senats führt zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis (4.). 13 1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Beklagte ein außerdienstliches Dienstvergehen i.S.v. § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen hat. 14 a) Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts besaß der Beklagte im August 2013 auf ihm gehörenden Speichermedien 1 057 kinderpornographische Dateien (624 Bilddateien und 433 Videodateien). Auf diesen waren unbekleidete Kinder vorwiegend männlichen Geschlechts - neben bloß ""posierenden"" Haltungen - u.a. aktiv oder passiv bei manipulierenden Handlungen am eigenen Körper, am Geschlechtsteil anderer Kinder oder Erwachsener und bei vaginalem, analem und oralem Geschlechtsverkehr abgebildet. Damit hat der Beklagte gegen seine Pflicht gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen, wonach sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordert (sog. Wohlverhaltenspflicht). 15 b) Das Dienstvergehen des Beklagten erfüllt auch die qualifizierenden Voraussetzungen, die § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG an die Disziplinarwürdigkeit eines Fehlverhaltens außerhalb des Dienstes stellt. 16 Das Fehlverhalten des Beklagten, der Besitz des auf privaten Medien abgespeicherten kinderpornographischen Bild- und Videomaterials, lag außerhalb des Dienstes, weil es weder formell in das Amt des Beklagten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 10). Allerdings erwartet der Gesetzgeber außerhalb des Dienstes von Beamten kein wesentlich anders Sozialverhalten als von jedem anderen Bürger (vgl. BT-Drs. 16/7076, S. 117 zum BBG sowie BT-Drs. 16/4027, S. 34 zum BeamtStG). Disziplinarwürdig ist ein außerdienstliches Fehlverhalten gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG deshalb nur dann, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maß geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt des Beamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dies zu bejahen, wenn das Fehlverhalten strafrechtlich mit einer Strafandrohung von mindestens zwei Jahren belegt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 17 f.). Dies ist im Streitfall erfüllt. Gemäß § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB in der zum Tatzeitpunkt (August 2013) geltenden Fassung vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007 <3009>) war der Besitz kinderpornographischer Schriften, wozu definitionsgemäß (§ 11 Abs. 3 StGB) auch Bild- und Videodateien gehören, mit einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bedroht. 17 Daneben kann die Disziplinarwürdigkeit eines Fehlverhaltens auch bei einem hinreichenden Bezug zwischen der Dienstpflichtverletzung und dem Statusamt des Beamten zu bejahen sein (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 15 ff. und vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 11 ff. ). Da das Berufungsgericht die Disziplinarwürdigkeit des Fehlverhaltens des Beklagten zu Recht bereits unter dem erstgenannten Aspekt bejaht hat, ist es unschädlich, dass es den zweitgenannten, auch für die Bestimmung des Orientierungsrahmens relevanten Aspekt - unzutreffender Weise - verneint hat (dazu sogleich). 18 2. Nicht mit revisiblem Recht vereinbar ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Orientierungsrahmen für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme (§ 13 Abs. 2 und 3 LDG NRW) sei im Streitfall (nur) bis zur Verhängung der Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung (§ 9 LDG NRW) eröffnet. 19 Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW sowie den inhaltlich entsprechenden Parallelvorschriften des Bundes und der anderen Länder ist die Disziplinarmaßnahme insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen, das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen, ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt worden ist. Bei einem endgültigen Vertrauensverlust ist der Beamte gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (vgl. erstmals grundlegend zu den parallelen Kriterien gemäß § 13 BDG: BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.>). Die Schwere des Dienstvergehens ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch die disziplinare Maßnahmebemessung steuern (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 f.). 20 a) Ein wesentlicher normativer Anhaltspunkt bei der Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens ist, ob und in welcher Weise der Gesetzgeber das Fehlverhalten des Beamten strafrechtlich bewertet. Schwerwiegende, vorsätzlich begangene Straftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der - unabhängig vom jeweiligen Amt - dazu führt, dass der Betroffene für eine Weiterverwendung als Beamter untragbar geworden ist. Demgemäß hat die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG); für bestimmte näher festgelegte Straftaten gilt dies bereits bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten (vgl. die jeweilige Folgeziffer der genannten Vorschriften). Hier hat der Gesetzgeber aus der Höhe der verhängten Strafe unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen. Darüber hinaus können schwerwiegende Straftaten auch deliktsbezogen - ohne Bezug zum Statusamt des Betroffenen - identifiziert werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 29 und vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 25). Dies hat der Senat insbesondere für den (außerdienstlichen) sexuellen Missbrauch von Kindern und Schutzbefohlenen bejaht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 18; Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 B 44.09 - IÖD 2010, 189 <190>). 21 Ist bei dem in Rede stehenden strafbaren Fehlverhalten - etwa wegen der Vielfalt der denkbaren Begehungsformen - eine eindeutige Zuordnung zur disziplinaren Höchstmaßnahme nicht möglich, ist der zum Tatzeitpunkt geltende Strafrahmen der entscheidende normative Anhaltspunkt für die Maßnahmebemessung. Denn mit der gesetzlichen Strafandrohung hat der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlusts am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlichen Straftaten und verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene (sei es strengere, sei es mildere) Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen. Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 31 und vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 28, jeweils m.w.N.). 22 Angesichts des Umstands, dass das Strafgesetzbuch das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafen mit fünfzehn Jahren bestimmt (§ 38 Abs. 2 StGB), ordnet das Bundesverwaltungsgericht eine mit einer Strafandrohung von zwei Jahren bewehrte Straftat als mittelschwere Straftat ein. Hiervon ausgehend hat das Bundesverwaltungsgericht aus dem für die Zeit von 2004 bis 2015 geltenden Strafrahmen des § 184b StGB i.d.F. des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die disziplinare Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften grundsätzlich ein Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung (§ 9 LDG NRW) eröffnet ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 17 f. und zuletzt vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 29). Die erst später beschlossene Anhebung der Strafandrohung für den (bloßen) Besitz kinderpornographischer Schriften auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren durch § 184b Abs. 3 StGB i.d.F. des Gesetzes vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10), bei der der disziplinare Orientierungsrahmen folglich bis zur Höchstmaßnahme reicht, ist erst nach dem für die Beurteilung des Streitfalls maßgeblichen Tatzeitraum in Kraft getreten und kann daher nicht berücksichtigt werden. 23 b) Weist ein außerdienstliches Dienstvergehen allerdings einen hinreichenden Bezug zu dem Statusamt des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme auch bei mittelschweren Straftaten mit einer Strafandrohung von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 24, vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 33 und vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 30 m.w.N.). Dies hat das Bundesverwaltungsgericht beim außerdienstlichen Besitz von kinderpornographischem Bild- und Videomaterial bislang für zwei Fallgruppen bejaht, nämlich zum einen bei beamteten Lehrern, zum anderen bei Polizeivollzugsbeamten. Bei beiden Gruppen von Beamten besteht beim außerdienstlichen Besitz von kinderpornographischem Bild- und Videomaterial aufgrund der mit ihrem jeweiligen Amt verbundenen Aufgaben- und Vertrauensstellung ein spezifischer Bezug zu ihrem Statusamt, der zu einem gravierenden, die Höchstmaßnahme rechtfertigenden Vertrauensverlust führt. 24 aa) Bei Lehrern ist dies ihre Obhuts-, Erziehungs- und Vorbildfunktion gegenüber den ihnen anvertrauten Kindern, also gerade gegenüber derjenigen schutzbedürftigen Personengruppe, die Objekt des pornographischen Bild- und Videomaterials ist, das sich der betreffende Beamte verschafft hat. Eine Verfehlung wie der Besitz kinderpornographischen Bildmaterials ist daher mit der Aufgaben- und Vertrauensstellung eines Lehrers, wie sie sich aus dem Bildungsauftrag der Schule (aus Art. 7 Abs. 1 GG und den Landesschulgesetzen) ergibt, unvereinbar und berührt in besonderem Maße sein Amt und seine Dienstausübung. Dies gilt bereits dann, wenn zu befürchten ist, dass der betreffende Lehrer wegen dieser Verfehlungen auf Vorbehalte der Eltern der von ihm unterrichteten Kinder stößt und deswegen nicht mehr die Autorität und das Vertrauen der Allgemeinheit genießt, auf die er für die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben zwingend angewiesen ist. Insoweit genügt schon die bloße Eignung für den Vertrauensverlust, ohne dass dieser konkret eingetreten sein muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 24, Beschluss vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 11 und zuletzt Urteil vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 32). 25 bb) Bei Polizeibeamten beruht der hinreichende Amtsbezug auf der ihrem Amt innewohnenden besonderen Aufgabenstellung zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung, insbesondere zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten und zur Verfolgung von Straftaten. Zwar ist ihnen - anders als Erziehern und Lehrern - keine spezifische Dienstpflicht zum Schutz und zur Obhut gerade von Kindern auferlegt. Polizeibeamte haben indes Straftaten zu verhindern, aufzuklären und zu verfolgen (vgl. etwa § 1 Abs. 2 PolG NRW und § 161 Abs. 1 Satz 2, § 163 StPO). Sie genießen daher in der Öffentlichkeit, insbesondere für schutzbedürftige Personen, eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung (vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Mai 2001 - 1 D 20.00 - BVerwGE 114, 212 <219>, vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 20 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 22). 26 cc) Auch bei Justizvollzugsbeamten kann ein außerdienstliches Fehlverhalten in bestimmten Fallkonstellationen einen vergleichbaren hinreichenden Bezug zu ihrem Statusamt aufweisen mit der Folge, dass auch in diesen Fällen der disziplinare Orientierungsrahmen bis zur Höchstmaßnahme reicht. Dazu gehört zum einen der außerdienstliche Besitz von kinderpornographischem Bild- und Videomaterial (1). Zum anderen ist der erforderliche Amtsbezug beispielsweise bei außerdienstlichen Straftaten, die mit einer Form von Gewaltanwendung verbunden sind, sowie bei Betäubungsmitteldelikten gegeben (2). 27 (1) Entgegen der Annahme des Oberverwaltungsgerichts ist beim außerdienstlichen Besitz von kinderpornographischem Bild- und Videomaterial ein hinreichender Bezug zum Statusamt eines Strafvollzugsbeamten gegeben. 28 Das Berufungsgericht hat einen solchen Amtsbezug deshalb verneint, weil die mit dem Statusamt eines Justizvollzugsbeamten verbundenen Pflichten weder mit denen eines Lehrers noch mit denen eines Polizeibeamten vergleichbar seien. Mit dieser vergleichenden, vor allem negativ abgrenzenden Betrachtung hat es sich den Blick dafür verstellt, die für einen Amtsbezug sprechenden, in der besonderen Pflichtenstellung dieser Gruppe von Beamten liegenden Gründe zu erkennen. Ein zur Anhebung des disziplinaren Orientierungsrahmens führender Amtsbezug kann sich je nach Personengruppe aus ihrer jeweils eigenen Amtsstellung ergeben und unterschiedliche Gründe haben. Auch bei den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits anerkannten Personengruppen ist der hinreichende Amtsbezug - wie dargestellt - kein einheitlicher: Die Schutz- und Obhutsstellung eines Lehrers ist anders und nicht vergleichbar mit der Vertrauens- und Garantenstellung eines Polizeibeamten. Im Übrigen mag es zutreffen, dass Justizvollzugsbeamte in der allgemeinen Anschauung der Bevölkerung nicht dasselbe - herausragende - Ansehen und dieselbe Vertrauensstellung genießen wie Polizeibeamte; doch werden auch sie, z.B. bei der Begleitung und Vorführung von Strafgefangenen in einer Gerichtsverhandlung, von der Bevölkerung sehr wohl als Justizvollzugsorgan wahrgenommen, das der Durchsetzung des Justizgewährleistungsanspruchs eines jeden Bürgers (Art. 20 Abs. 3 GG) dient. 29 Bei Strafvollzugsbeamten ergibt sich der erforderliche hinreichende Amtsbezug aus der ihrem Statusamt eigenen Pflicht, Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt nach innen und außen zu gewährleisten. Zur Durchsetzung der Anstaltsordnung sind sie befugt, den Strafgefangenen Beschränkungen aufzuerlegen (§ 4 Abs. 2 StVollzG) und Anordnungen zu erteilen, die diese zu befolgen haben (§ 82 Abs. 1 und 2 StVollzG). Unter gesetzlich festgelegten Voraussetzungen können ihre Anordnungen mit unmittelbarem Zwang, also mit legaler Gewaltanwendung, durchgesetzt werden (§§ 94 ff. StVollzG). Zu Recht weist das klagende Land darauf hin, dass der Beklagte im Rahmen seiner statusamtsgemäßen Aufgaben auch im Jugendstrafvollzug eingesetzt werden kann. Dort unterliegen auch Jugendliche seiner Obhut und Gewalt, also eine Personengruppe, deren sexualisierte Darstellung in pornographischem Bild- und Videomaterial ebenso strafbewehrt ist wie der dem Beklagten zu Last gelegte Besitz vergleichbaren Materials von Kindern unter 14 Jahren. Dieser Bezug zum Statusamt des Beklagten kann nicht mit der - auch vom Berufungsgericht im Rahmen seiner Maßnahmebemessung angestellten - Erwägung in Abrede gestellt werden, dass der Beklagte auch in anderen Bereichen des Strafvollzugs eingesetzt werden könne. Ein Beamter muss auf allen seinem Statusamt gemäßen Dienstposten einsetzbar sein. Es kann dem Dienstherrn nicht angesonnen werden, einen Beamten nur noch eingeschränkt auf solchen Dienstposten zu verwenden, auf denen dies mit Rücksicht auf dessen straf- oder disziplinarrechtlich geahndetes Fehlverhalten möglich ist. Die Organisationshoheit und Dispositionsbefugnis des Dienstherrn betreffend die Verwendung seiner Beamten steht dem entgegen. 30 Hinzu kommt, dass die vorstehend beschriebene Aufgaben- und Pflichtenstellung nach dem Strafvollzugsgesetz in der Person jedes einzelnen Justizvollzugsbeamten einen - gerade in seiner Amtsstellung begründeten - Achtungs- und Autoritätsanspruch bedingt, der unverzichtbare Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erfüllung der Dienstpflichten eines Justizvollzugsbeamten ist. Wird unter den Insassen der Justizvollzugsanstalt oder unter den anderen dort tätigen Bediensteten bekannt, dass einem Justizvollzugsbeamten der Besitz kinder- oder jugendpornographischen Bild- oder Videomaterials vorgeworfen wird oder er deswegen (straf- oder disziplinarrechtlich) belangt worden ist, hat dies schwerwiegende Folgen für dessen Achtungs- und Autoritätsanspruch und damit für seine Verwendbarkeit im Strafvollzug. 31 Dabei ist auf einen objektiven Maßstab abzustellen. Unerheblich sind insbesondere Zufälligkeiten wie der Umstand, ob das Dienstvergehen - etwa durch die Presse oder aufgrund von Indiskretionen - bereits in die Öffentlichkeit getragen wurde oder im bisherigen dienstlichen Umfeld des Beamten bereits bekannt geworden ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <260> und vom 28. Februar 2013 - 2 C 62.11 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 19 Rn. 56 m.w.N.; zuletzt Beschluss vom 29. Juli 2019 - 2 B 19.18 - Buchholz 232.01 § 33 BeamtStG Nr. 3 Rn. 16 und 18). Unabhängig davon ist im Streitfall auch ganz konkret davon auszugehen, dass das Fehlverhalten des Beklagten in seiner bisherigen Dienststelle bekannt geworden ist, weil nach dem nicht bestrittenen Vortrag des klagenden Landes auch Strafgefangene aus der bisherigen Justizvollzugsanstalt des Beklagten mit ihm in derselben Therapie-Einrichtung gewesen sind. 32 Hiervon ausgehend ist das hier in Rede stehende Dienstvergehen mit einem derartigen Ansehens- und Achtungsverlust - auch unter den Strafgefangenen - verbunden, dass der betreffende Justizvollzugsbeamte seine Aufgaben nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen kann. Hinzu kommt die Gefahr der Erpressbarkeit des Beamten, etwa durch die Drohung eines Strafgefangenen, das Fehlverhalten des Beklagten in dessen privatem Umfeld weiter zu verbreiten, wenn der Beamte nicht zu pflichtwidrigen ""Gefälligkeiten"" zugunsten des Strafgefangenen und anderen Verstößen gegen die Anstaltsordnung bereit sein sollte. 33 Schließlich wäre der Beamte auch in der ihm gesetzlich als Aufgabe (§ 155 Abs. 1 Satz 1 StVollzG) und damit als Dienstpflicht (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) übertragenen Mitwirkung am Vollzugsziel des Strafvollzugs beeinträchtigt. Dieses Vollzugsziel besteht darin, den Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (§ 2 Satz 1 StVollzG). 34 (2) Jenseits des streitgegenständlichen Besitzes kinder- (und jugend-)pornographischen Bild- und Videomaterials können weitere Fallkonstellationen außerdienstlicher Straftaten identifiziert werden, in denen ein hinreichender Amtsbezug zu den statusamtsgemäßen Dienstpflichten eines Strafvollzugsbeamten zu bejahen sein kann und damit ebenfalls eine Erweiterung des Orientierungsrahmens bis zur Höchstmaßnahme in Betracht kommt. 35 Dies sind zum einen außerdienstliche Betäubungsmitteldelikte, also Verstöße gegen die §§ 29 ff. des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) und damit im Zusammenhang stehende Straftaten. Dies ergibt sich normativ nicht zuletzt daraus, dass eine Besonderheit des Betäubungsmittelstrafrechts darin besteht, dass die Vollstreckung auch einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe ausgesetzt wird, wenn die Freiheitsstrafe unter zwei Jahren beträgt, der Verurteilte eine Therapie in einer Entziehungseinrichtung macht und sich wegen seiner Drogenabhängigkeit behandeln lässt (vgl. § 61 Nr. 2, § 67 ff. StGB; § 35 Abs. 1 BtMG). Zum anderen sind dies sämtliche außerdienstlich begangenen Straftatbestände, die mit einer Form von Gewaltanwendung verbunden sind (für unerlaubte Gewaltanwendung im Dienst versteht sich das Disziplinarbedürfnis von selbst). Wie der Senat bereits entschieden hat, ist das Statusamt eines Justizvollzugsbeamten dadurch geprägt, dass der Beamte in einem Zweig der Staatsverwaltung tätig ist, die sich durch eine besondere Form der staatlichen Gewaltausübung auszeichnet: In diesem Bereich ist es dem Staat ausnahmsweise und in besonders gravierender Weise gestattet, Menschen mit den Mitteln staatlicher, legaler Macht festzuhalten und in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken. Dies begründet zugleich eine Schutzpflicht des Staates gegenüber den in seinem Gewahrsam befindlichen Gefangenen und schließt es aus, dass (Aufsichts-)Personen mit einer Bereitschaft oder Neigung zu Gewaltanwendung in einem Bereich eingesetzt werden, in denen ihnen legale Gewaltausübung möglich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2019 - 2 B 19.18 - Buchholz 232.01 § 33 BeamtStG Nr. 3 Leitsatz 2 und Rn. 19, dort zu Gewalt- und Tötungsphantasien). 36 3. Ebenfalls nicht frei von revisiblen Rechtsfehlern sind ferner einige der Überlegungen, die das Berufungsgericht im Rahmen seiner Maßnahmebemessung angestellt hat. Auch insoweit liegt ein Verstoß gegen § 13 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 LDG NRW vor. 37 Das Berufungsgericht hat in seinen Erwägungen zur Maßnahmebemessung u.a. ausgeführt, dass das Dienstvergehen des Beklagten nicht zwingend in seiner (bisherigen) Justizvollzugsanstalt bekannt werden müsse (UA S. 37 Mitte), dass der Beklagte auch in einer anderen Justizvollzugsanstalt eingesetzt werden könne, in der seine Suspendierung und seine Dienstpflichtverletzung nicht bereits bekannt seien (UA S. 36, 1. Abs.) und dass er ggfs. auf einem Dienstposten eingesetzt werden könne, der ""mit geringerem Kontakt zu den Gefangenen verbunden"" sei (UA S. 36, 2. Abs.). Schließlich müsse seine Dienstpflichtverletzung nicht unbedingt mit einem Autoritätsverlust gegenüber den Strafgefangenen einhergehen, weil der Beklagte etwaigen Anfeindungen mit dem Hinweis begegnen könne, dass er die Problematik umfassend aufgearbeitet habe (UA S. 37 unten), womit seine therapeutische Behandlung gemeint ist. 38 Diese Erwägungen sind mit der - bereits oben (s. Rn. 31) angeführten - Rechtsprechung des Senats nicht zu vereinbaren, wonach die für die Maßnahmebemessung maßgebliche Frage, ob das Dienstvergehen zu einer Beeinträchtigung oder zum endgültigen Verlust des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit geführt hat (§ 13 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 1 BDG; § 13 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 1 LDG NRW), von einem objektiven Standpunkt aus zu bestimmen ist. Das Bekanntwerden des Dienstvergehens ist zu unterstellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <260> und vom 28. Februar 2013 - 2 C 62.11 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 19 Rn. 56 m.w.N.). Grundgedanke dieses Abstellens auf einen objektiven Maßstab ist, dass die disziplinare Bewertung nicht von Zufälligkeiten abhängen soll, ob das Dienstvergehen - etwa von der Presse oder durch Indiskretionen, z.B. aus Anlass einer vorläufigen Suspendierung - in die Öffentlichkeit getragen wurde oder wie es nach der subjektiven Einschätzung eines einzelnen mit der Disziplinarsache befassten Amtswalters oder einer - wie auch immer zusammengesetzten, für oder gegen den Beamten ""Partei ergreifenden"" - Teilmenge der ""Allgemeinheit"" bewertet wird. Damit ist auch die - bereits oben aus anderem Grund beanstandete - Erwägung des Berufungsgerichts zurückzuweisen, der Dienstherr könne einen Justizvollzugsbeamten ggf. auch dort einsetzen, wo er ""geringeren Kontakt"" mit Strafgefangenen hätte (wo auch immer dies in einer solchen Anstalt möglich sein soll). Der fehlerhafte Ansatz des Berufungsgerichts erfasst schließlich auch dessen Erwägung, der Beamte könne Strafgefangenen bei etwaigen Anfeindungen mit dem Hinweis begegnen, er habe seine sexuelle ""Problematik umfassend aufgearbeitet"". Im Übrigen erscheint die Annahme fraglich, wenn nicht gar lebensfremd, ein Justizvollzugsbeamter könne mit einer solchen Einlassung gegenüber einem Strafgefangenen den für seine Dienstausübung erforderlichen Achtungs- und Autoritätsanspruch zurückgewinnen oder den Strafgefangenen auch nur zu einer differenzierteren wohlwollenden Betrachtung bewegen. 39 4. Angesichts des Verstoßes gegen revisibles Recht sowie gemäß § 3 Abs. 1 und § 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO und der entsprechenden Geltung der Vorschriften des disziplinargerichtlichen Berufungsverfahrens auch für das Revisionsverfahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2018 - 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 38) kann der Senat eine eigenständige Entscheidung über die Bemessung der Disziplinarmaßnahme treffen. Voraussetzung dafür ist, dass sämtliche für die Bemessungsentscheidung relevanten be- und entlastenden Umstände festgestellt sind und die Beteiligten hierzu vorher gehört wurden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 26 f., vom 28. Februar 2013 - 2 C 62.11 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 19 Rn. 72, vom 15. November 2018 - 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 39, vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 43 und zuletzt vom 23. April 2020 - 2 C 21.19 - juris Rn. 43 ). Dies ist im Streitfall gegeben. 40 Bei der Beurteilung der nach den Kriterien des § 13 Abs. 2 LDG NRW insbesondere zu berücksichtigenden Schwere der Tat ist zunächst festzuhalten, dass dem im Strafbefehl gegen den Beklagten verhängten konkreten Strafmaß keine für das Disziplinarverfahren indizielle Bedeutung zukommt, weil Straf- und Disziplinarverfahren unterschiedliche Zwecke verfolgen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 34); im Übrigen ist der Strafbefehl noch auf der unzutreffenden tatsächlichen Annahme ergangen, dass der Beklagte kinderpornographisches Material auch zugänglich gemacht (weiterverbreitet) habe. 41 Im Hinblick auf mögliche entlastende Gesichtspunkte ist dem Umstand, dass der Beklagte weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet ist und seine dienstlichen Leistungen zuletzt mit ""vollbefriedigend"" bewertet wurden, keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen; denn eine straffreie außerdienstliche Lebensführung und ordnungsgemäße Erfüllung der Dienstpflichten darf der Dienstherr von jedem Beamten erwarten (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 43; Beschluss vom 28. August 2018 - 2 B 4.18 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 59 Rn. 48 f., jeweils m.w.N.). Dass der Beklagte - nach Aufdeckung der Tat - geständig war und die Tat nicht verharmlost hat, stellt - zumal angesichts der klaren Beweislage - ebenfalls keinen gewichtigen disziplinaren Milderungsgrund dar. Da der Beklagte mehrfach und über einen längeren Zeitraum Kinderpornographie konsumiert hat, handelt es sich auch nicht um eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat, die zu einer milderen Bewertung führen könnte (vgl. dazu etwa BVerwG, Beschlüsse vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 21 Rn. 6 und vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 26 Rn. 28 f., jeweils m.w.N.). 42 Hiernach bleibt als berücksichtigungsfähiger entlastender Umstand von Gewicht einzig, dass der Beklagte sich eigeninitiativ einer Therapie unterzogen hat (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 29 f.; Beschluss vom 29. August 2017 - 2 B 76.16 - Buchholz 235.1 § 57 BDG Nr. 9 Rn. 21 ff. und Urteil vom 5. Juli 2018 - 2 WD 10.18 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2020 Nr. 57 Rn. 35 ). Allerdings ist insoweit - ohne dass es darauf im Ergebnis entscheidend ankäme - anzumerken, dass der hierzu vorgelegten Abschlussbescheinigung vom 1. August 2014 zum einen (nach ihrem Wortlaut) nicht zu entnehmen ist, dass die Therapie ""erfolgreich"" war (so aber die Formulierung des Berufungsgerichts), wie auch immer dieser ""Erfolg"" zu definieren wäre. Zum anderen dürfte dieser Bescheinigung in fachärztlicher Hinsicht schwerlich eine disziplinarrechtlich erhebliche Bedeutung beizumessen sein, da der Unterzeichner ausweislich des seinem Namen beigefügten Zusatzes ""Psychotherapie HPG"" lediglich eine Ausbildung zum Heilpraktiker absolviert hat und dementsprechend nur über eine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz verfügt (vgl. Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung vom 17. Februar 1939, RGBl. I S. 251, BGBl. III 2122-2 - HPG -, zuletzt geändert durch Art. 17e des Gesetzes vom 23. Dezember 2016, BGBl. I S. 3191). 43 Auf der anderen Seite sind als erheblich belastende Umstände die große Anzahl (von über 1 000 Bild- und Videodateien) und der Inhalt des kinderpornographischen Materials zu berücksichtigen, dessen Herstellung für die abgebildeten Kinder - mindestens teilweise - eine besondere physische und für ihr weiteres Leben möglicherweise dauerhafte psychische Belastung bedeuten muss. Dies gilt insbesondere für den in den Videodateien festgehaltenen erheblichen vaginalen, oralen und analen Missbrauch von Kindern. Angesichts der sich hieraus ergebenden Schwere des Dienstvergehens kommt dem Milderungsaspekt des ""erfolgreichen"" Besuchs der Therapieeinrichtung keine die Maßnahmebemessung entscheidend beeinflussende Bedeutung zu. Hiernach ist die Höchstmaßnahme und damit die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 LDG NRW) die angezeigte, angemessene Disziplinarmaßnahme i.S.v. § 13 LDG NRW. 44 5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Da für das Gerichtsverfahren eine Festgebühr erhoben wird (§ 75 LDG NRW i.V.m. dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu diesem Gesetz), bedarf es keiner gerichtlichen Streitwertfestsetzung." bverwg_2020-31,17.06.2020,"Pressemitteilung Nr. 31/2020 vom 17.06.2020 EN Fahrpersonalgesetz regelt keine Auskunftspflicht von Paketdienstleistern, die selbst keine Transporte durchführen Paketdienstleister, die den Transport und die Zustellung von Sendungen durch Subunternehmer ausführen lassen, können nicht zur Erteilung von Auskünften auf der Grundlage des Fahrpersonalgesetzes (FPersG) verpflichtet werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin ist ein international tätiges Unternehmen, das Dienstleistungen im Bereich des Paketversands durch beauftragte Subunternehmer erbringen lässt. Mit dem angefochtenen Bescheid forderte der beklagte Freistaat Bayern die Klägerin zur Vorlage einer listenmäßigen Aufstellung aller Subunternehmer auf, die für ein bestimmtes Depot der Klägerin Paket- und Kurierdienste durchführen. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin mit der Begründung zurückgewiesen, die angegriffene Verfügung finde ihre Rechtsgrundlage in § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG. Danach sind Unternehmer, Fahrzeughalter und Mitglieder des Fahrpersonals zur Erteilung von bestimmten, in der Vorschrift näher bezeichneten Auskünften verpflichtet. Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht die Urteile der Vor­instanzen geändert und den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Er kann nicht auf § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG gestützt werden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist die Klägerin keine Unternehmerin im Sinne dieser Vorschrift. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Klägerin selbst Fahrpersonal beschäftigen oder Güter- oder Personentransporte durchführen würde. Dieses Begriffsverständnis folgt insbesondere aus der Systematik der fahrpersonalrechtlichen Vorschriften und aus der Gesetzgebungsgeschichte. Zwar verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, den Aufsichtsbehörden eine möglichst umfassende Überwachung aller Unternehmen zu ermöglichen, die „in der Beförderungskette“ mit dem Transport von Gütern und Personen befasst sind. Im Hinblick auf Paketdienstleister wie die Klägerin, die selbst weder Fahrpersonal beschäftigen noch Transporte durchführen, hat der Gesetzgeber diese Absicht indessen nicht umgesetzt. BVerwG 8 C 2.19 - Urteil vom 17. Juni 2020 Vorinstanzen: VGH München, 22 B 17.1382 - Urteil vom 25. Oktober 2018 - VG München, 16 K 16.1813 - Urteil vom 21. Februar 2017 -","Urteil vom 17.06.2020 - BVerwG 8 C 2.19ECLI:DE:BVerwG:2020:170620U8C2.19.0 EN Begriff des Unternehmers im Fahrpersonalgesetz Leitsatz: Unternehmer im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG ist nur, wer Fahrpersonal beschäftigt oder selbst Güter oder Personen befördert. Rechtsquellen FPersG § 4 Abs. 1a, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Instanzenzug VG München - 21.02.2017 - AZ: VG M 16 K 16.1813 VGH München - 25.10.2018 - AZ: VGH 22 B 17.1382 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 17.06.2020 - 8 C 2.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:170620U8C2.19.0] Urteil BVerwG 8 C 2.19 VG München - 21.02.2017 - AZ: VG M 16 K 16.1813 VGH München - 25.10.2018 - AZ: VGH 22 B 17.1382 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Oktober 2018 und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Februar 2017 werden geändert. Der Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 7. März 2016 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen. Gründe I 1 Die international tätige Klägerin erbringt Dienstleistungen im Bereich des Paketversands. Sie führt den Transport und die Zustellung der Sendungen nicht selbst durch, sondern beauftragt hiermit Subunternehmen. 2 Mit dem angegriffenen Bescheid forderte die Regierung von Oberbayern die Klägerin zur Vorlage einer listenmäßigen Aufstellung aller Subunternehmer auf, die für ein bestimmtes Depot der Klägerin Paket- und Kurierdienste durchführen. Zur Begründung wurde auf § 4 Abs. 1a Fahrpersonalgesetz (FPersG) verwiesen. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die angegriffene Verfügung finde ihre Rechtsgrundlage allerdings nicht in § 4 Abs. 1a FPersG, sondern in § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG. Die Klägerin sei Unternehmerin im Sinne dieser Vorschrift, obwohl sie selbst weder Transportleistungen erbringe noch Fahrpersonal beschäftige. Dies ergebe sich aus einem systematischen Verständnis der Norm, das mit Verfassungs- und Unionsrecht im Einklang stehe. Das Auskunftsverlangen entspreche auch im Übrigen den Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG. 3 Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend: Der Begriff des Unternehmers in § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG setze ebenso wie in den Sätzen 2 bis 12 dieser Vorschrift die Beschäftigung von Arbeitnehmern voraus. Anderes lasse sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Die erweiternde Auslegung des Begriffs durch den Verwaltungsgerichtshof sei mit den Grundrechten der betroffenen Unternehmen, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Unionsrecht nicht vereinbar. 4 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Oktober 2018 und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Februar 2017 zu ändern und den Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 7. März 2016 aufzuheben. 5 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 6 Er verteidigt das angefochtene Urteil. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich an dem Verfahren beteiligt und ausgeführt: Ein Paketdienstleister, der Subunternehmer mit der Durchführung von Güterbeförderungen beauftrage, sei Unternehmer im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG. Das ergebe sich aus dem Ziel des europäischen und des nationalen Normgebers, auch solche Unternehmen in die Verantwortung zu nehmen, die Beförderungsleistungen nicht selbst oder mit eigenem Fahrpersonal erbrächten. II 8 Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat den Begriff des Unternehmers in § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über das Fahrpersonal von Kraftfahrzeugen und Straßenbahnen - Fahrpersonalgesetz (FPersG) i.d.F. vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 640) zuletzt geändert durch Art. 138 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) zu weit ausgelegt (1.). Das angegriffene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (2.). Vielmehr ist der angefochtene Bescheid aufzuheben (3.). 9 Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG ist der Unternehmer verpflichtet, der zuständigen Behörde innerhalb einer von ihr festzusetzenden Frist die Auskünfte, die zur Ausführung der in § 4 Abs. 1 FPersG genannten Vorschriften erforderlich sind, wahrheitsgemäß und vollständig zu erteilen. Ein Paketdienstleister wie die Klägerin, der kein Fahrpersonal beschäftigt und selbst keine Güter oder Personen befördert, ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs kein Unternehmer im Sinne dieser Norm. Bei ihrer Auslegung ist zu berücksichtigen, dass eine Vorschrift nur dann rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht, wenn und soweit sich aus ihr mit ausreichender Bestimmbarkeit ermitteln lässt, wer von der Norm betroffen ist und was von den pflichtigen Personen verlangt wird. Normen müssen daher so genau gefasst sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Notwendigkeit der Auslegung einer Begriffsbestimmung nimmt der Norm noch nicht die Bestimmtheit. Doch ist es erforderlich, dass die Betroffenen die Rechtslage anhand objektiver Kriterien erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2013 - 8 CN 1.12 - BVerwGE 148, 133 Rn. 21 m.w.N.). 10 Besondere Anforderungen sind gemäß Art. 103 Abs. 2 GG an die Bestimmtheit der Regelung bußgeld- oder strafbewehrter Pflichten zu stellen, zu denen § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d FPersG gehört. Bei Ordnungswidrigkeiten- oder Straftatbeständen müssen die Adressaten im Regelfall bereits anhand des Wortlauts voraussehen können, ob ein Verhalten darunter fällt oder nicht. Ist der Tatbestand weiter gefasst, kann sich die erforderliche Bestimmtheit aus einer Auslegung unter Rückgriff auf weitere Normen ergeben (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08, 105/09, 491/09 - BVerfGE 126, 170 <195 ff.>). 11 Bei einer an diesen Vorgaben orientierten Auslegung des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG anhand der anerkannten Methoden kann der Begriff des Unternehmers nicht auf Dienstleister wie die Klägerin erstreckt werden. Ein anderes Verständnis würde der Vorschrift einen Gehalt beimessen, der mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot und Art. 103 Abs. 2 GG nicht mehr zu vereinbaren wäre. Im Einzelnen folgt dies aus der Systematik der fahrpersonalrechtlichen Vorschriften (a), aus ihrer unionsrechtlichen Prägung (b) und aus der Gesetzgebungsgeschichte (c); etwaige weitergehende Zielsetzungen des Gesetzgebers haben in der Norm keinen hinreichenden Niederschlag gefunden (d). 12 a) Der Wortlaut lässt für sich genommen eine Interpretation im Sinne des Berufungsgerichts zu. Die Gesetzessystematik spricht indessen für ein Begriffsverständnis, das Dienstleister wie die Klägerin nicht umfasst. 13 Das folgt zunächst aus dem unmittelbaren Regelungszusammenhang des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG. Satz 2 bis 12 dieser Norm richten sich nur an solche Unternehmer, die Fahrpersonal beschäftigen und selbst Transporte durchführen. Natürliche und juristische Personen, bei denen diese Voraussetzungen nicht vorliegen, sind daher weder von § 4 Abs. 3 Satz 2 bis 12 FPersG erfasst noch sind sie auskunftspflichtige Unternehmer nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG. Ein hinreichender Anhaltspunkt für die Annahme, dass dem Begriff des Unternehmers in § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG ein wesentlich weiterer Anwendungsbereich als in Satz 2 bis 12 zukommen könnte, und damit für ein unterschiedliches Begriffsverständnis innerhalb eines einzelnen Absatzes dieser Norm findet sich weder in § 4 Abs. 3 FPersG noch in einer anderen Vorschrift. Vielmehr liegt § 4 Abs. 3 FPersG ein einheitlicher Begriff des Unternehmers zugrunde, dessen Pflichtenbeziehungen in den jeweiligen Einzelregelungen in verschiedener Hinsicht - zum einen gegenüber der Aufsichtsbehörde, zum anderen gegenüber den Beschäftigten - ausgestaltet werden. 14 Die in § 4 Abs. 5 Satz 5 FPersG angeordneten Duldungspflichten für Überwachungsmaßnahmen, auf die der Verwaltungsgerichtshof Bezug nimmt, führen nicht auf ein abweichendes Ergebnis. Dass in dieser Vorschrift von den ""zu überwachenden Unternehmen"" die Rede ist, beantwortet nicht die Frage, für welche Unternehmer § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG Pflichten begründet, deren Einhaltung gegebenenfalls der Überwachung bedarf. Zudem ist in § 4 Abs. 5 Satz 5 FPersG von den Angestellten der zu überwachenden Unternehmen ""einschließlich der Fahrer"" die Rede; letztere beschäftigt ein Dienstleister wie die Klägerin nicht. 15 Nichts Anderes lässt sich aus § 20a Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Fahrpersonalgesetzes - Fahrpersonalverordnung (FPersV) i.d.F. vom 27. Juni 2005 (BGBl. I S. 1882) zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 8. August 2017 (BGBl. I S. 3158) herleiten. Das in Satz 2 dieser Vorschrift enthaltene Zusammenarbeits- und Abstimmungsgebot richtet sich zwar an die an der Beförderungskette beteiligten Unternehmen, zu denen auch Paketdienstleister zählen können. Doch lassen sich dieser untergesetzlichen Norm keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Begriff des Unternehmers in § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG entgegen der Gesetzessystematik erweitert werden soll. Auch die Materialien zur Fahrpersonalverordnung rechtfertigen keinen Schluss auf eine derartige Auslegung des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG. Danach soll § 20a Abs. 2 FPersV die Mitverantwortlichkeit der an der Beförderungskette Beteiligten für die Einhaltung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr hervorheben (vgl. BR-Drs. 604/07 S. 69, BR-Drs. 653/14 S. 2). Aus dieser Zielsetzung ergibt sich indessen nicht, dass der Verordnungsgeber von der Annahme geleitet gewesen wäre, auch § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG begründe trotz seiner von § 20a FPersV abweichenden Formulierung Pflichten für sämtliche an der Beförderungskette Beteiligten. 16 b) Gegen die dem Berufungsurteil zugrundeliegende Auslegung des Unternehmerbegriffs sprechen ferner die unionsrechtlichen Regelungen des Fahrpersonalrechts in der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates (ABl. L 102 S. 1). Nach Art. 4 Buchst. p dieser Verordnung ist ein Verkehrsunternehmen nur eine Person oder Stelle, die Beförderungen im Straßenverkehr gewerblich oder im Werkverkehr vornimmt und damit selbst Transportleistungen erbringt. Im gleichen Sinne verwendet die Verordnung den Begriff des Unternehmens, der mit demjenigen des Verkehrsunternehmens in Art. 10 Abs. 3 der VO Nr. 561/2006 synonym gebraucht wird. Angesichts der gemeinschafts- und unionsrechtlichen Prägung, die das Fahrpersonalgesetz seit seinem Erlass kennzeichnet (vgl. BT-Drs. 6/1060 Vorblatt und S. 5; BT-Drs. 7/4336 S. 8), liegt es nahe, die Begriffe dieses Gesetzes in dem Sinne zu verstehen, den ihnen auch das Unionsrecht beilegt, sofern kein Anhaltspunkt für einen abweichenden Regelungswillen des nationalen Gesetzgebers vorliegt. Dies entspricht dem im Interesse der Europäischen Union liegenden Ziel einer einheitlichen Auslegung von unionsrechtlichen und nationalen Regelungen des Fahrpersonalrechts (vgl. EuGH, Urteil vom 21. November 2019 - C-203/18 und C-374/18 [ECLI:​EU:​C:​2019:​999], Deutsche Post u.a. und UPS u.a. - Rn. 36 f.). Ein Verkehrsunternehmen im unionsrechtlichen Sinne erbringt selbst Beförderungsleistungen. Will der nationale Gesetzgeber dem fahrpersonalrechtlichen Begriff des Unternehmers einen weiteren Anwendungsbereich beimessen, so bedarf es hierfür einer hinreichend deutlichen Regelung, die der deutsche Gesetzgeber bislang nicht erlassen hat. 17 c) Nichts Anderes ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte. Der Begriff des Unternehmers wird in § 4 Abs. 3 FPersG und in der Vorgängervorschrift seit jeher verwendet (vgl. bereits BT-Drs. 6/1060 S. 5). Die Norm wurde mehrfach geändert; soweit sich der Gesetzgeber dabei mit dem Begriff des Unternehmers befasste, ging er erkennbar davon aus, dass § 4 Abs. 3 FPersG Regelungen nur für Unternehmer trifft, die selbst Fahrpersonal beschäftigen oder Transporte durchführen. So wurde durch Art. 1 Nr. 4 Buchst. c des Gesetzes zur Änderung fahrpersonalrechtlicher Vorschriften vom 18. August 1997 (BGBl. I S. 2075) der Fahrzeughalter in den Kreis der Auskunftspflichtigen aufgenommen, weil festgestellt wurde, dass wegen der zunehmenden Leasing-Praxis Unternehmer und Fahrzeughalter nicht immer identisch sind (vgl. BT-Drs. 13/6629 S. 10). Dem Gesetzgeber kam es seinerzeit mithin ersichtlich auf die Überwachung derjenigen an, die für den Güter- und Personentransport durch Fahrer unmittelbar verantwortlich sind. Ebenso lag den Änderungen des § 4 Abs. 3 Satz 3 FPersG durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. c des Kontrollgerätbegleitgesetzes vom 15. Mai 2004 (BGBl. I S. 954) die Absicht zugrunde, dem Unternehmer dadurch die Erfüllung seiner Pflichten aus Satz 1 der Vorschrift zu ermöglichen, dass er zur Speicherung und zum Kopieren bestimmter Daten verpflichtet wird (vgl. BT-Drs. 15/2538 S. 10). Diese Regelungen und die ihr zugrundeliegende gesetzgeberische Intention betreffen, auch soweit sie die Auskunftspflicht im Blick haben, keine Paketdienstleister wie die Klägerin, die mangels eigener Beschäftigung von Fahrern auf derartige Daten keinen Zugriff haben. 18 Die Gesetzgebungsmaterialien zu der Änderung des § 4 Abs. 1a FPersG durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung des Fahrpersonalgesetzes und des Straßenverkehrsgesetzes vom 2. März 2015 (BGBl. I S. 186) stützen dieses Verständnis. In dem vorangegangenen Gesetzgebungsverfahren war darauf hingewiesen worden, dass § 4 FPersG insgesamt keine Anordnungsbefugnis gegenüber Unternehmen enthalte, die kein eigenes Fahrpersonal beschäftigten (vgl. BR-Drs. 435/14 S. 1). Gleichwohl nahm der Gesetzgeber diese Rechtslage nur zum Anlass, § 4 Abs. 1a FPersG zu ändern, ließ aber Absatz 3 der Vorschrift unberührt. Zudem sollten keine neuen materiellen Pflichten mit der Änderung verbunden sein; sie zielte vielmehr auf eine bessere Kontrollierbarkeit der bereits bestehenden Verpflichtungen ab (BT-Drs. 18/3586 S. 7). Dies lässt es nicht zu, mit dem Berufungsurteil aus der Änderung des § 4 Abs. 1a FPersG ein erweitertes Verständnis des Begriffs des Unternehmers in § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG und damit entgegen dem erklärten Willen des Gesetzgebers eine neue materielle Pflicht der davon Betroffenen herzuleiten. 19 d) Vor diesem Hintergrund können auch Erwägungen zum Ziel des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG nicht zu einem anderen Verständnis führen. Zwar bestehen - namentlich in den Materialien zu der erwähnten Änderung des § 4 Abs. 1a FPersG durch das Gesetz vom 2. März 2015 - einige Anhaltspunkte für den gesetzgeberischen Willen, den Aufsichtsbehörden eine möglichst umfassende, die Auskunftspflicht einschließende Überwachung aller Unternehmen in der Beförderungskette zu ermöglichen. Soweit sich diese Absicht auch auf Paketdienstleister wie die Klägerin bezogen haben sollte, hat der Gesetzgeber sie indessen nicht umgesetzt. Dies hätte für die Betroffenen die Begründung einer neuen materiellen Pflicht bedeutet, die der Gesetzgeber gerade nicht einführen wollte. Ein etwaiger Regelungswillen, auch solche Dienstleister der Auskunftspflicht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG zu unterwerfen, hat damit im Gesetz keinen für eine Eingriffsermächtigung und bußgeldbewehrte Verhaltenspflicht ausreichenden, dem rechtsstaatlichen Gebot hinreichender Bestimmtheit von Normen genügenden Niederschlag gefunden. 20 2. Das Berufungsurteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der angefochtene Bescheid lässt sich nicht auf § 4 Abs. 1a FPersG stützen. Diese Vorschrift ermöglicht Anordnungen der Aufsichtsbehörden zur Erfüllung der sich aus dem Fahrpersonalgesetz und den auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten und setzt damit das Vorliegen solcher Pflichten voraus, begründet aber selbst keine Auskunftspflicht eines Dienstleisters wie der Klägerin. Eine solche Pflicht wird auch sonst weder im Fahrpersonalgesetz noch in anderen Vorschriften geregelt. 21 3. Da die Klägerin nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs kein Fahrpersonal beschäftigt und selbst keine Güter- oder Personentransporte durchführt, ist sie keine Unternehmerin im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FPersG. Weitere Tatsachenfeststellungen sind nicht erforderlich. Der Senat konnte daher nach § 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO in der Sache selbst entscheiden und den angefochtenen Bescheid aufheben. 22 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2020-32,17.06.2020,"Pressemitteilung Nr. 32/2020 vom 17.06.2020 EN Tarife für die Nutzung von Urheberrechten nur auf Grundlage der wahrgenommenen Rechte Eine Verwertungsgesellschaft, die Urheber- und Leistungsschutzrechte wahrnimmt, ist verpflichtet, Tarife über die Vergütung für die Nutzung dieser Rechte nach dem Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte festzusetzen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft, die für private Sendeunternehmen (TV und Hörfunk) Urheber- und Leistungsschutzrechte wahrnimmt. Für die Lizenzierung dieser Rechte an Nutzer erhält sie eine Vergütung, die sie an die Inhaber der Rechte verteilt. Die Höhe der Vergütung, welche die Klägerin von Nutzern erzielt, richtet sich nach von ihr festgesetzten Tarifen. Am 12. April 2013 veröffentlichte die Klägerin im Bundesanzeiger einen Tarif für die Wiedergabe von Funksendungen, der für die öffentliche Wahrnehmbarmachung urheberrechtlich geschützter Werke in Funksendungen galt. Mit Bescheid vom 20. März 2015 stellte das Deutsche Patent- und Markenamt als Aufsichtsbehörde fest, dass dieser Tarif unangemessen sei, und gab der Klägerin unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, den Tarif zurückzunehmen. Den Widerspruch der Klägerin wies die Behörde zurück. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise geändert und die Klage gegen die Rücknahmeanordnung abgewiesen, weil die Klägerin den Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte nicht ausreichend ermittelt habe. Die Aufhebung der Feststellung, der Tarif sei unangemessen, hat es nicht beanstandet. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil im Ergebnis bestätigt. Die angefochtene Rücknahmeanordnung konnte auf § 19 Abs. 2 Satz 2 des hier noch anwendbaren Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes gestützt werden. Danach kann die Aufsichtsbehörde alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Verwertungsgesellschaft die ihr obliegenden Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt. Dies schließt die Befugnis ein zu überprüfen, ob die von der Verwertungsgesellschaft veröffentlichten Tarife entsprechend den dafür geltenden Rechtsvorschriften aufgestellt wurden. Das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz verpflichtet die Verwertungsgesellschaft, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte angemessene Tarife festzusetzen. Die Gesellschaft ist deshalb verpflichtet, ihre Tarife nach dem Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte zu bemessen. Außerdem muss die Höhe des Tarifs im Verhältnis zum Umfang dieser Rechte angemessen sein. Der von der Klägerin festgesetzte Tarif erfüllt schon die erste Anforderung nicht. Die vorgelegten Unterlagen waren nicht geeignet zu belegen, dass sie über die dem Tarif zugrunde gelegten Rechte verfügte. Die von der Behörde weiterhin getroffene Feststellung, der von der Klägerin veröffentlichte Tarif sei unangemessen, ist dagegen rechtswidrig. Ein Missverhältnis der Höhe des Tarifs zum Umfang der wahrgenommenen Rechte lässt sich ohne Erkenntnisse zu diesem Umfang nicht feststellen. BVerwG 8 C 7.19 - Urteil vom 17. Juni 2020 Vorinstanzen: VGH München, 22 B 17.1219 - Urteil vom 25. Februar 2019 - VG München, M 16 K 15.5333 - Urteil vom 25. Oktober 2016 -","Urteil vom 17.06.2020 - BVerwG 8 C 7.19ECLI:DE:BVerwG:2020:170620U8C7.19.0 EN Festsetzung von Tarifen für die Nutzung von Urheberrechten nur auf der Grundlage der wahrgenommenen Rechte Leitsätze: 1. Eine Verwertungsgesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 und 4 Satz 1 UrhWahrnG ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 UrhWahrnG verpflichtet, Vergütungstarife auf der Grundlage des Bestands der ihr zur Wahrnehmung anvertrauten Rechte und Ansprüche (§ 2 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 UrhWahrnG) in angemessener Höhe festzusetzen. 2. § 19 Abs. 2 Satz 2 UrhWahrnG ermächtigt die Aufsichtsbehörde zu überprüfen, ob die von der Verwertungsgesellschaft veröffentlichten Tarife entsprechend den dafür geltenden Rechtsvorschriften aufgestellt wurden. Das schließt die Überprüfung der Angemessenheit der Tarife ein. Rechtsquellen GG Art. 103 Abs. 1 VwGO § 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3 VwVfG § 2 Abs. 2 Nr. 3, § 29 Abs. 1 Satz 1 UrhWahrnG § 11 Abs. 1, § 13 Abs. 1 und 3, §§ 14, 16, 19 Abs. 2 Satz 2 Instanzenzug VG München - 25.10.2016 - AZ: VG M 16 K 15.5333 VGH München - 25.02.2019 - AZ: VGH 22 B 17.1219 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 17.06.2020 - 8 C 7.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:170620U8C7.19.0] Urteil BVerwG 8 C 7.19 VG München - 25.10.2016 - AZ: VG M 16 K 15.5333 VGH München - 25.02.2019 - AZ: VGH 22 B 17.1219 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision und die Anschlussrevision werden zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10. Gründe I 1 Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft. Sie nimmt für private Sendeunternehmen aus den Bereichen Fernsehen und Hörfunk Urheber- und Leistungsschutzrechte wahr. Dazu lizenziert sie die Rechte an Nutzer, nimmt von diesen die dafür zu entrichtende Vergütung ein und verteilt sie anschließend unter den Inhabern der Rechte. Die von den Nutzern zu zahlende Vergütung richtet sich nach den von der Klägerin festgelegten Tarifen. 2 Zur Vorbereitung der Aufstellung eines Tarifs ""Wiedergabe von Funksendungen"" führte die Klägerin unter den Wahrnehmungsberechtigten Umfragen durch. Die Mehrzahl beantwortete die in einer ersten Umfrage im Dezember 2012 gestellten Fragen nur teilweise oder gar nicht. Auf die Frage, ob und in welchem Umfang Angestellte und freie Mitarbeiter eigene Wahrnehmungsverträge mit anderen Verwertungsgesellschaften abgeschlossen haben, machten nur 8 von 65 Hörfunksendern und 6 von 46 Fernsehsendern Angaben. 3 Am 12. April 2013 veröffentlichte die Klägerin im Bundesanzeiger den Tarif ""Wiedergabe von Funksendungen"", der die öffentliche Wahrnehmbarmachung urheberrechtlich geschützter Werke in Funksendungen betraf. Mit Bescheid vom 20. März 2015 stellte das Deutsche Patent- und Markenamt (nachfolgend: DPMA) als Aufsichtsbehörde fest, dass der Tarif unangemessen sei, und gab der Klägerin unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, ihn zurückzunehmen. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, bei der Aufstellung des Tarifs zu ermitteln, in welchem Umfang sie Rechte anbieten könne. Diese Pflicht habe sie nicht erfüllt. Eine Verwertungsgesellschaft, die den Umfang ihres Rechterepertoires nicht hinreichend kenne, könne keine angemessene Tarifhöhe festlegen. Den Widerspruch der Klägerin wies die Behörde zurück. 4 Am 27. März 2015 wurde im Bundesanzeiger ein geänderter Tarif ""Wiedergabe von Funksendungen"" der Klägerin veröffentlicht, der den am 12. April 2013 veröffentlichten Tarif der Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 2015 ersetzte. 5 Im November 2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Im März 2016 führte sie bei den Hörfunk- und Fernsehsendern, deren Rechte sie wahrnimmt, eine weitere Umfrage durch. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 25. Februar 2019 das erstinstanzliche Urteil teilweise geändert, die Klage gegen die Rücknahmeanordnung abgewiesen und die Berufung gegen die Aufhebung der Feststellung, der Tarif sei unangemessen, zurückgewiesen. Die Rücknahmeanordnung sei rechtmäßig. Die Klägerin habe den Umfang der ihr zustehenden Rechte nur unzureichend ermittelt und damit gegen eine gesetzliche Verpflichtung verstoßen. Diese ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der Normen über die Tarifaufstellung. Danach sei die Klägerin zur Aufstellung angemessener Tarife verpflichtet und müsse Nutzern auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einräumen. Das setze voraus, dass die Klägerin den Umfang ihrer Rechte, einschließlich der Priorität der Rechteeinräumung, hinreichend ermittle. Die Beklagte sei hingegen nicht berechtigt gewesen, die Unangemessenheit des Tarifs festzustellen. Sie habe nicht nachgewiesen, dass der Tarif unangemessen sei; hierfür spreche auch keine Vermutung. 6 Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wendet sich die Klägerin gegen das Berufungsurteil, soweit es die Klage abgewiesen hat. Sie macht geltend, das Berufungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es über die Berufung entschieden habe, ohne zuvor ihren Antrag auf Akteneinsicht vom 12. April 2018 zu bescheiden. Das stelle einen absoluten Revisionsgrund im Sinne des § 138 Nr. 3 VwGO dar und führe zudem zur formellen Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verfügung. Die Kontrollbefugnis der Aufsichtsbehörde erstrecke sich nicht auf die Angemessenheit der Tarife. Deren Überprüfung obliege allein der beim DPMA eingerichteten Schiedsstelle, die insoweit über besondere Sachkunde verfüge. Die Annahme des Berufungsurteils, eine Verwertungsgesellschaft sei vor der Aufstellung eines Tarifs verpflichtet, den Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte einschließlich der Priorität der Rechteabtretung zu ermitteln, sei in den Vorschriften über die Tarifaufstellung weder ausdrücklich geregelt noch aus deren Sinn und Zweck herzuleiten. Die vom Berufungsgericht geforderten Ermittlungsmaßnahmen fänden in der Praxis generell nicht statt. Unabhängig davon sei der Rechtebestand mit den durchgeführten Umfragen hinreichend ermittelt. Die Rücknahmeanordnung sei unverhältnismäßig. Sie verstoße zudem gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil die Behörde nicht auch gegen die Tarife anderer Verwertungsgesellschaften vorgehe. 7 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Februar 2019 zu ändern und die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 25. Oktober 2016 insgesamt zurückzuweisen sowie die Anschlussrevision der Beklagten zurückzuweisen. 8 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Februar 2019, soweit es die Berufung zurückgewiesen hat, und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 25. Oktober 2016 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen sowie die Revision der Klägerin zurückzuweisen. 9 Sie macht geltend, die Feststellung der Unangemessenheit des Tarifs sei rechtmäßig. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts beruhe auf einem Verstoß gegen Denkgesetze. Es sei widersprüchlich, die Rücknahmeanordnung für rechtmäßig, den Feststellungsausspruch aber für rechtswidrig zu halten. II 10 Revision und Anschlussrevision haben keinen Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt zwar Bundesrecht, soweit es annimmt, die Klägerin treffe eine selbstständige Verfahrenspflicht zur Ermittlung ihres Rechterepertoires. Es erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). 11 I. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. 12 1. Das Berufungsgericht hat die Anfechtungsklage zu Recht für zulässig gehalten. Die mit Bescheid vom 20. März 2015 unter Androhung eines Zwangsgeldes angeordnete Rücknahme des am 12. April 2013 von der Klägerin veröffentlichten Tarifs hat sich durch die nachfolgende Festsetzung des Tarifs vom 27. März 2015 nicht erledigt. Dieser ersetzte zwar mit Wirkung vom 1. Januar 2015 den von der angefochtenen Aufsichtsverfügung betroffenen Tarif. Im Hinblick auf etwaige künftige zivilrechtliche Ansprüche ist jedoch davon auszugehen, dass der Tarif vom 12. April 2013 weiterhin rechtliche Wirkung entfaltet. 13 2. Das Berufungsurteil leidet nicht unter einem Verfahrensmangel im Sinne des § 138 Nr. 3 VwGO. Soweit die Klägerin geltend macht, das Berufungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es über die Berufung entschieden habe, ohne zuvor ihren Akteneinsichtsantrag vom 12. April 2018 zu bescheiden, hat sie ein etwaiges Rügerecht nach § 173 VwGO i.V.m. §§ 556, 295 ZPO verloren. Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 VwGO können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Ob das Übergehen eines Antrags auf Akteneinsicht das Recht des betroffenen Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzt, ist aufgrund einer umfassenden Prüfung anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 9 B 23.11 - juris Rn. 4; Urteil vom 3. November 1987 - 9 C 235.86 - Buchholz 310 § 100 VwGO Nr. 5 S. 4 f.). So sind die Beteiligten gehalten, rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung Akteneinsicht zu nehmen und alle sich hierzu bietenden zumutbaren Möglichkeiten zu nutzen. Erkennt ein anwaltlich vertretener Prozessbeteiligter, dass das Gericht seinen Antrag auf Akteneinsicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung unberücksichtigt lässt, darf er nicht untätig bleiben. Vielmehr muss er das Übergehen seines Antrags rügen und dem Gericht Gelegenheit geben, zu dem Versäumnis Stellung zu nehmen und den Antrag zu bescheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. April 2010 - 1 BvR 3515/08 - NVwZ 2010, 954 Rn. 45). Andernfalls kann eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG, auf dessen Einhaltung die Beteiligten gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 295 Abs. 2 ZPO verzichten können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. April 1983 - 9 B 1610.81 - Buchholz 310 § 55 VwGO Nr. 6 S. 2), nicht mehr gerügt werden. 14 So liegt es hier. Die Klägerin hat weder im Verlauf des Berufungsverfahrens noch in der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2019 darauf hingewirkt, dass das Berufungsgericht vor einer abschließenden Sachentscheidung über ihren Akteneinsichtsantrag vom 12. April 2018 befindet. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat die anwaltlich vertretene Klägerin einen Sachantrag gestellt, ohne die unterbliebene Bescheidung ihres Akteneinsichtsantrags zu rügen. Nach Antragstellung in der mündlichen Verhandlung musste die Klägerin mit einer Sachentscheidung des Berufungsgerichts rechnen. 15 Sollte das Vorbringen der Klägerin, das Berufungsgericht habe ihren Akteneinsichtsantrag verfahrensfehlerhaft übergangen, auch als Aufklärungsrüge dahin zu verstehen sein, dass das Berufungsgericht nicht die vollständigen Akten beigezogen habe, fehlte es an der erforderlichen Substantiierung eines Aufklärungsmangels. 16 3. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die angefochtene Rücknahmeanordnung ihre Rechtsgrundlage in § 19 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (Urheberrechtswahrnehmungsgesetz - UrhWahrnG) vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1294), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3728), findet. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 26. Oktober 2015 bestimmte sich die Rechtslage nach dem bis zum 31. Mai 2016 geltenden Urheberrechtswahrnehmungsgesetz. Nach dessen § 19 Abs. 2 Satz 2 kann die Aufsichtsbehörde alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Verwertungsgesellschaft die sonstigen ihr obliegenden Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt. 17 a) Entgegen der Auffassung der Klägerin erweist sich der auf diese Vorschrift gestützte Bescheid als formell rechtmäßig. Die Aufsichtsbehörde hat die auf das DPMA im Hinblick auf § 2 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG analog anzuwendende Vorschrift des § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht verletzt. Danach hat die Behörde den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten. Das mit Einlegung des Widerspruchs geltend gemachte Akteneinsichtsbegehren der Klägerin vom 14. April 2015 war bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 26. Oktober 2015 bereits erledigt, soweit es das Vorverfahren betraf. Das folgt aus dem Schreiben der Klägerin vom 3. Juli 2015, in dem diese sich für die Gelegenheit zur Akteneinsicht bedankte und ihren Widerspruch ausführlich begründete, ohne auf die Frage weiterer Akteneinsicht zurückzukommen. Damit gab sie zu erkennen, dass sie ihr Akteneinsichtsbegehren im Rahmen des Widerspruchsverfahrens als erledigt betrachtete, keiner weiteren Akteneinsicht bedurfte, um ihren Widerspruch zu begründen, und das Verwaltungsverfahren auf dieser Grundlage zum Abschluss gebracht werden konnte. 18 b) Im Einklang mit Bundesrecht hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich die Befugnis der Aufsichtsbehörde nach § 19 Abs. 2 Satz 2 UrhWahrnG auch auf die Überprüfung der Angemessenheit der von der Verwertungsgesellschaft aufgestellten Tarife erstreckt. Die Vorschrift ermächtigt die Aufsichtsbehörde zu überprüfen, ob die von der Verwertungsgesellschaft veröffentlichten Tarife entsprechend den dafür geltenden Rechtsvorschriften aufgestellt wurden. Das schließt die Überprüfung der Angemessenheit der Tarife ein. Entgegen der Auffassung der Klägerin beschränkt sich die Befugnis der Aufsichtsbehörde nicht auf eine Evidenzkontrolle der Tarife. Eine solche Einschränkung lässt sich weder der gesetzlichen Regelung entnehmen, noch ergibt sie sich aus der Zuständigkeit der in § 14 UrhWahrnG vorgesehenen Schiedsstelle. 19 Der Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 UrhWahrnG ist offen formuliert und bietet keine Anhaltspunkte für eine Beschränkung der als Rechtsaufsicht konzipierten Befugnisse der Aufsichtsbehörde. Die Entstehungsgeschichte des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes lässt erkennen, dass sich die Befugnis der Aufsichtsbehörde auch auf die Überprüfung der Angemessenheit der Tarife erstreckt. Bereits in der ursprünglichen Fassung des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1294) war der Dualismus von Staatsaufsicht einerseits (§§ 18 ff.) und Schiedsstelle andererseits (§ 14) angelegt. Mit der Einrichtung der Staatsaufsicht wollte der Gesetzgeber schon damals der Gefahr begegnen, dass die Verwertungsgesellschaft ihre Monopolstellung ausnutzen und den Verwertern urheberrechtlich geschützter Werke für die Einräumung der erforderlichen Rechte unangemessen hohe Vergütungen abfordern oder in sonstiger Weise unbillige Bedingungen stellen könnte (vgl. BT-Drs. IV/271 S. 9 f.). Mit dem Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Urheberrechts vom 24. Juni 1985 (BGBl. I S. 1137 <1140>) wurde die Zuständigkeit der Schiedsstelle erweitert und jedem Beteiligten die Möglichkeit eröffnet, sie bei Streitfällen anzurufen, an denen eine Verwertungsgesellschaft beteiligt ist und die die Nutzung von Werken oder Leistungen betreffen. Dabei ging der Gesetzgeber ausdrücklich davon aus, dass das DPMA als Aufsichtsbehörde schon nach geltendem Recht unangemessene Tarife beanstanden könne (BT-Drs. 10/837 S. 12). Im Zuge des Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10. September 2003 (BGBl. I S. 1774 <1783>) wurde schließlich § 19 Abs. 2 UrhWahrnG in das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz eingefügt. Der Gesetzgeber hat dies aber ausdrücklich nur als Klarstellung verstanden (BT-Drs. 15/837 S. 36). 20 Systematische Überlegungen sprechen ebenfalls für die Annahme, dass sich die Befugnisse der Aufsichtsbehörde auf die Überprüfung aller Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit der Tarifaufstellung einschließlich der Angemessenheit der Tarife erstrecken. So sind die Verwertungsgesellschaften nach § 20 Satz 2 Nr. 2 UrhWahrnG verpflichtet, der Aufsichtsbehörde unverzüglich die Tarife und jede Tarifänderung zu übermitteln. Diese Unterrichtungspflicht legt nahe, dass die übermittelten Informationen für die Wahrnehmung der Aufsichtsbefugnisse erforderlich sind, die Aufstellung der Tarife und ihre Änderungen mithin uneingeschränkt der rechtlichen Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde unterliegen. Auch § 16 UrhWahrnG lässt sich keine Begrenzung der Aufsichtsbefugnisse entnehmen. Insbesondere kann auf diese Vorschrift keine ausschließliche Zuständigkeit der Schiedsstelle (§ 14 UrhWahrnG) für die Überprüfung der Angemessenheit der Tarife gestützt werden. § 16 UrhWahrnG setzt die Anrufung der Schiedsstelle vor einer gerichtlichen Geltendmachung voraus, wenn bei einer Streitigkeit zwischen Nutzer und Verwertungsgesellschaft die Anwendbarkeit oder Angemessenheit eines Tarifs im Streit steht. Damit wollte der Gesetzgeber durch Inanspruchnahme der besonderen Sachkunde der Schiedsstelle sicherstellen, dass in solchen Streitigkeiten ein begründeter Einigungsvorschlag der Schiedsstelle vorliegt, den die Beteiligten annehmen können oder der zumindest den Zivilgerichten bei ihrer Entscheidungsfindung als Grundlage dienen kann (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 - I ZR 175/10 - Bochumer Weihnachtsmarkt, juris Rn. 23). Entgegen der Auffassung der Klägerin rechtfertigt dies nicht den Schluss, allein die Schiedsstelle - und nicht auch die Aufsichtsbehörden oder Gerichte - hätten die Angemessenheit von Vergütungstarifen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 UrhWahrnG zu beurteilen. Vielmehr bleibt es bei dem in den Gesetzesmaterialien erläuterten Dualismus von Privatrechtsschutz und Staatsaufsicht. Entscheidungen der Schiedsstelle und des ordentlichen Gerichts dienen dem jeweiligen Individualinteresse; sie entfalten allein Wirkung gegenüber den beteiligten Parteien. Demgegenüber erfolgen Aufsichtsmaßnahmen im öffentlichen Interesse. Sie beruhen auf einer objektiv-rechtlichen Prüfung der Aufsichtsbehörde und entfalten im Falle der Beanstandung eines Tarifs Rechtswirkungen zugunsten aller in dessen Anwendungsbereich fallenden Nutzer. Das Berufungsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Funktion der Schiedsstelle und die Tätigkeit der Aufsichtsbehörde einander ergänzen. Da die Entscheidungen der Schiedsstelle und solche der Aufsichtsbehörde unterschiedliche Gegenstände betreffen, besteht die von der Klägerin behauptete Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen nicht. 21 Die Richtlinie 2014/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt (ABl. L 84 S. 72) rechtfertigt keine andere Auslegung des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes. Erwägungsgrund 50 der Richtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, geeignete Verfahren zur Überwachung der Einhaltung der Richtlinie durch Organisationen der kollektiven Rechtewahrnehmung vorzusehen. Art. 36 der Richtlinie bestimmt, welche Vorkehrungen die Mitgliedstaaten treffen sollen, um die Einhaltung der Richtlinie sicherzustellen. Nach Absatz 3 der Vorschrift sollen die für die Überwachung zuständigen Behörden befugt sein, geeignete Sanktionen zu verhängen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die jeweils wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen. Unabhängig davon, ob die Richtlinie für die Auslegung des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes überhaupt herangezogen werden könnte, lässt sich aus den vorgenannten Bestimmungen keine Einschränkung der aufsichtsbehördlichen Rechtmäßigkeitskontrolle nach § 19 Abs. 2 UrhWahrnG ableiten. 22 c) Das Berufungsurteil geht im Ergebnis zutreffend davon aus, dass die Klägerin mit dem verfahrensgegenständlichen Tarif ihrer Verpflichtung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 UrhWahrnG, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte einen angemessenen Vergütungstarif aufzustellen, nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist. Allerdings liegt der Pflichtverstoß nicht in einer vom Berufungsgericht angenommenen Verletzung von Ermittlungspflichten im Sinne selbstständiger Verfahrenspflichten. Solche Verfahrenspflichten der Verwertungsgesellschaft finden in der gesetzlichen Regelung keine Grundlage. Der beanstandete Tarif widerspricht aber deren materiell-rechtlichen Anforderungen, weil er nicht auf der Grundlage der von der Klägerin wahrgenommenen Rechte und Ansprüche aufgestellt wurde. 23 § 11 Abs. 1 UrhWahrnG verpflichtet die Verwertungsgesellschaft, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 UrhWahrnG hat die Verwertungsgesellschaft Tarife aufzustellen über die Vergütung, die sie aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte und Ansprüche fordert. Berechnungsgrundlage für die Tarife sollen in der Regel die geldwerten Vorteile sein, die durch die Verwertung erzielt werden. Bei der Tarifgestaltung ist auf den Anteil der Werknutzung am Gesamtumfang des Verwertungsvorgangs angemessen Rücksicht zu nehmen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 und 3 UrhWahrnG). Zu den wahrgenommenen Rechten und Ansprüchen zählen nicht alle, bezüglich deren sich die Verwertungsgesellschaft - zu Recht oder Unrecht - einer Wahrnehmungsbefugnis berühmt, sondern nur diejenigen, die ihr im Sinne des § 2 Satz 2 Nr. 3 UrhWahrnG zur Wahrnehmung anvertraut wurden. § 13 Abs. 1 Satz 1 UrhWahrnG verpflichtet die Verwertungsgesellschaft daher, ihre Vergütungstarife - ausschließlich - auf der Grundlage des Bestands der ihr zur Wahrnehmung anvertrauten Rechte und Ansprüche festzusetzen. Andere oder weitere Rechte und Ansprüche dürfen der Tariffestsetzung nicht zugrunde gelegt werden. Bei derivativen Rechten setzt die Wahrnehmungsbefugnis der Verwertungsgesellschaft neben der Existenz des Rechts auch einen wirksamen Rechtserwerb desjenigen voraus, für den sie das Recht wahrnimmt. Denn eine Verwertungsgesellschaft muss gegenüber den Nutzern als ihren Vertragspartnern sicherstellen, dass die von ihr geltend gemachten Rechte auch tatsächlich bestehen. Das gilt nicht nur für die Wahrnehmung von Rechten nach außen, sondern ebenso im Verhältnis zu anderen Rechteinhabern bei Verteilung der Erlöse (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2002 - I ZR 1/00 - BGHZ 151, 92 Rn. 38). 24 Die gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 UrhWahrnG aufgrund des Rechtebestands festzusetzenden Vergütungstarife müssen auch der Höhe nach angemessen sein. Schon der Wortlaut der Vorschrift setzt die Vergütung in Beziehung zu den wahrgenommenen Rechten. Das Erfordernis der Angemessenheit folgt aus dem systematischen Zusammenhang mit der Verpflichtung aus § 11 Abs. 1 UrhWahrnG, jedermann die Nutzung der von ihr wahrgenommenen Rechte zu angemessenen Bedingungen zu ermöglichen. 25 d) Der beanstandete Tarif war schon deswegen rechtswidrig, weil er nicht auf der Grundlage der der Klägerin zur Wahrnehmung anvertrauten Rechte und Ansprüche festgesetzt wurde. Das ergibt sich aus den Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts. Sie sind gemäß § 137 Abs. 2 VwGO für die revisionsrechtliche Beurteilung bindend, weil sie nicht mit Verfahrensrügen angegriffen wurden. 26 Welche Anforderungen an den Nachweis des Bestands der wahrgenommenen Rechte und Ansprüche zu stellen sind, bedarf hier keiner abschließenden Klärung. Jedenfalls muss der Bestand so genau abgegrenzt werden, dass die Angemessenheit des Tarifs im Verhältnis zum Umfang der wahrgenommenen Rechte und dem aus ihrer Verwertung zu ziehenden Nutzen beurteilt werden kann. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, genügen nicht repräsentative Umfragen unter den Rechteinhabern dazu ebenso wenig wie Umfragen, die erst nach der Veröffentlichung des Tarifs durchgeführt werden. Wegen der Möglichkeit nachträglicher Bestandsänderungen können sie keinen hinreichend verlässlichen Aufschluss über den Rechtebestand im maßgeblichen Zeitpunkt der Aufstellung des Tarifs geben. 27 In Anwendung dieser Grundsätze hat die Vorinstanz revisionsrechtlich fehlerfrei angenommen, die von der Klägerin durchgeführten Umfragen seien nicht geeignet, den Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte zu belegen. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts war die Umfrage im Dezember 2012 nicht repräsentativ, weil nur 8 von 65 Hörfunksendern und 6 von 46 Fernsehsendern Angaben zur Frage machten, ob und in welchem Umfang Angestellte und freie Mitarbeiter eigene Wahrnehmungsverträge mit anderen Verwertungsgesellschaften abgeschlossen hatten. Die Ergebnisse der im Jahr 2016 durchgeführten Umfrage sind ebenfalls nicht verwertbar, weil sie erst nach Aufstellung des am 12. April 2013 veröffentlichten Tarifs gewonnen wurden. 28 Zu einer abweichenden Beurteilung war das Berufungsgericht auch nicht wegen des Vortrags der Klägerin verpflichtet, sie habe bei den von ihr vertretenen Sendeunternehmen die Verwendung von Total-Buy-Out-Klauseln abgefragt. Das genügt nicht zur Feststellung des Umfangs der von ihr wahrgenommenen Rechte, weil die Verwendung dieser Klauseln keinen Rückschluss auf die Priorität der Rechteabtretung zulässt. Das gilt auch im Verhältnis zur VG Wort und den an diese Verwertungsgesellschaft abgetretenen Rechten. Das Berufungsgericht hat hierzu festgestellt, dass die VG Wort im Jahr 2012 eine Ausschüttung an insgesamt 3 499 Autoren aus dem Bereich Fernsehen und Hörfunk vorgenommen hat und diese Autorenzahl im Verhältnis zur Zahl von 9 935 Mitarbeitern der Vertragspartner der Klägerin erheblich ist. Diese weitgehende Überschneidung wäre für den Nachweis des Rechtebestands der Klägerin nur irrelevant, wenn die zu den Mitarbeitern ihrer Vertragspartner zählenden Autoren die von der Klägerin wahrgenommenen Rechte nicht bereits zuvor an die VG Wort abgetreten hatten. Davon kann nach den revisionsrechtlich fehlerfreien Feststellungen des Berufungsurteils jedoch nicht ausgegangen werden. Unabhängig von der Frage, ob insoweit eine substantiierte Verfahrensrüge vorliegt, ist die tatsächliche Annahme des Berufungsgerichts, nicht alle von der Klägerin vertretenen Autoren hätten ihre Rechte zuerst an diese abgetreten, weder denklogisch ausgeschlossen noch willkürlich oder sonst verfahrensfehlerhaft. Entgegen der Auffassung der Klägerin unterstellt sie den von der VG Wort vertretenen Mitarbeitern auch kein rechtswidriges Verhalten. Diese können die Total-Buy-Out-Klausel dahin verstanden haben, dass sie nur die ihnen noch zustehenden, nicht bereits vorabgetretenen Rechte erfasste. 29 Das Berufungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Rücknahmeanordnung sich als verhältnismäßig erweist. Sie ist geeignet, den rechtswidrig festgesetzten Tarif zum Schutz der Nutzer zu beseitigen. Die von der Klägerin alternativ vorgeschlagenen Maßnahmen wie die Auflage, den Umfang des Rechtebestands in bestimmter Weise zu ermitteln, sind nicht gleichermaßen geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Danach kann offen bleiben, ob sie ein milderes Mittel darstellen, obwohl sie in die Geschäftsführung der Klägerin eingegriffen hätten. Das Berufungsgericht musste die Rücknahmeanordnung schließlich nicht wegen der Möglichkeit, den Rechtebestand von Amts wegen zu ermitteln, für unverhältnismäßig halten. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin vernachlässigt deren Mitwirkungspflicht, die durch den Amtsermittlungsgrundsatz nicht aufgehoben wird. Der Rechtebestand einer Verwertungsgesellschaft ergibt sich regelmäßig aus Unterlagen, die in ihrem Geschäftsbetrieb angefallen sind. Daher obliegt es ihr, solche Nachweise bei Bedarf vorzulegen. Dem entspricht auch die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. 30 Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG hat das Berufungsgericht zutreffend verneint. Der Einwand der Klägerin, die Aufsichtsbehörde beanstande keine Tarife anderer Verwertungsgesellschaften wegen einer unzureichenden Ermittlung des Rechteumfangs, greift nicht durch. Eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung läge darin nur, wenn das DPMA bei anderen Verwertungsgesellschaften trotz vergleichbarer Mängel der Tarifaufstellung untätig bliebe. Das hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt. Es hat angenommen, wegen der langjährig praktizierten und von den Nutzern akzeptierten Gesamtverträge anderer Verwertungsgesellschaften habe das DPMA dort nicht von vergleichbaren Mängeln ausgehen und keinen Anlass für aufsichtsbehördliches Einschreiten sehen müssen. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern (zur Indizwirkung von Gesamtverträgen vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 152/15 - juris Rn. 38). 31 Gegen die Zwangsgeldandrohung in Höhe von 50 000 € bestehen revisionsrechtlich keine Bedenken. 32 II. Die Anschlussrevision der Beklagten ist ebenfalls unbegründet. 33 Das Berufungsgericht hat die in der angefochtenen Verfügung getroffene Feststellung, der von der Klägerin aufgestellte Tarif sei unangemessen, zutreffend für rechtswidrig gehalten. Dabei muss nicht entschieden werden, ob § 19 Abs. 2 Satz 2 UrhWahrnG die Aufsichtsbehörde zum Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts der vorliegenden Art befugt. Unabhängig davon ist das Berufungsgericht revisionsrechtlich fehlerfrei davon ausgegangen, dass die Feststellung, eine Tarifhöhe sei unangemessen, nur bei einem Missverhältnis der Höhe des Tarifs zum Umfang der wahrgenommenen Rechte getroffen werden kann. Ohne Kenntnis des Umfangs der wahrgenommenen Rechte konnte das DPMA nicht beurteilen, ob ein solches Missverhältnis vorlag. In dieser Aussage liegt kein Verstoß gegen Denkgesetze. Sie erklärt sich daraus, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Angemessenheit des Tarifs bei der Klägerin, die für die Unangemessenheit aber bei der Beklagten liegt. 34 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO." bverwg_2020-34,18.06.2020,"Pressemitteilung Nr. 34/2020 vom 18.06.2020 EN Zeitlicher Beginn einer jagdrechtlichen „Befriedung“ Die jagdrechtliche Befriedung - also das Ruhen der Jagd - aus ethischen Gründen kann der Grundstückseigentümer zum Ende des bei Antragstellung laufenden Jagdpachtvertrags verlangen. Entscheidet die Behörde erst in der Laufzeit eines neuen Jagdpachtvertrags, ist die Befriedung zum Ende des Jagdjahres anzuordnen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist Tierarzt; er betreibt mit seiner Ehefrau einen „Gnadenhof“, in dem über Tierschutzorganisationen vermittelte oder aus seiner Praxis stammende Pferde, Hunde und Katzen aufgenommen werden. Er lehnt die Jagdausübung aus ethischen Gründen ab. Im Februar 2015 beantragte er die Befriedung einer zwar in seinem Eigentum stehenden, aber zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehörenden Grundfläche. Die Jagdgenossenschaft hatte die Ausübung des Jagdrechts an einen Dritten verpachtet; der Pachtvertrag endete zum 31. März 2015. Noch bevor die Jagdbehörde den Befriedungsantrag an die Jagdgenossenschaft und den Jagdpächter  übersandt hatte, verlängerten diese den Pachtvertrag um weitere neun Jahre. Den Befriedungsantrag lehnte der Kreis Olpe im Oktober 2015 ab. Der Kläger habe ethische Gründe für die Ablehnung der Jagdausübung nicht glaubhaft gemacht; im Übrigen stünden einer Befriedung der betroffenen Grundfläche öffentliche Belange entgegen. Im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren ist der beklagte Kreis verpflichtet worden, die Grundfläche mit Wirkung vom 1. April 2024, dem Ende des verlängerten Jagdpachtvertrags, zu einem befriedeten Bezirk zu erklären. Das vom Gesetzgeber als Regelfall angeordnete Abwarten des Ablaufs des Jagdpachtvertrags sei dem Kläger zumutbar. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht das Berufungsurteil geändert und den beklagten Kreis verpflichtet, die Fläche mit sofortiger Wirkung zu befrieden. Nach dem Bundesjagdgesetz soll die Befriedung mit Wirkung zum Ende des Jagdpachtvertrags angeordnet werden; unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen kann die Behörde einen früheren Zeitpunkt bestimmen, der jedoch nicht vor dem Ende des Jagdjahres liegt (§ 6a Abs. 2 Satz 1 und 2 BJagdG). Das Jagdjahr beginnt am 1. April und endet am 31. März. Maßgeblicher Bezugspunkt für das Wirksamwerden der Befriedung ist nicht der im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung, sondern der im Zeitpunkt der Antragstellung laufende Pachtvertrag. Entscheidet die Behörde erst während des Laufs des neuen Pachtvertrags über den Antrag, ist die Befriedung mit Wirkung ab Beendigung des laufenden Jagdjahres anzuordnen. Der Kreis Olpe hätte daher die Fläche bereits mit Wirkung ab 1. April 2016 befrieden müssen. Im Hinblick hierauf ist er nunmehr zu verpflichten, die Fläche mit sofortiger Wirkung zu befrieden. BVerwG 3 C 1.19 - Urteil vom 18. Juni 2020 Vorinstanzen: OVG Münster, 16 A 1834/16 - Urteil vom 13. Dezember 2018 - VG Arnsberg, 8 K 3730/15 - Urteil vom 08. August 2016 -","Urteil vom 18.06.2020 - BVerwG 3 C 1.19ECLI:DE:BVerwG:2020:180620U3C1.19.0 EN Zeitlicher Beginn einer jagdrechtlichen Befriedung Leitsatz: Die jagdrechtliche Befriedung - also das Ruhen der Jagd - aus ethischen Gründen kann der Grundeigentümer zum Ende des bei Antragstellung laufenden Jagdpachtvertrags verlangen. Entscheidet die Behörde erst in der Laufzeit eines neuen Jagdpachtvertrags, ist die Befriedung zum Ende des Jagdjahres anzuordnen. Rechtsquellen GG Art. 4 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 BJagdG § 6a Abs. 2, § 11 Abs. 4, § 12 Instanzenzug VG Arnsberg - 08.08.2016 - AZ: VG 8 K 3730/15 OVG Münster - 13.12.2018 - AZ: OVG 16 A 1834/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 18.06.2020 - 3 C 1.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:180620U3C1.19.0] Urteil BVerwG 3 C 1.19 VG Arnsberg - 08.08.2016 - AZ: VG 8 K 3730/15 OVG Münster - 13.12.2018 - AZ: OVG 16 A 1834/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. habil. Wysk, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Kenntner für Recht erkannt: Die Urteile des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 8. August 2016 und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Dezember 2018 werden geändert, soweit sie das Grundstück Gemarkung ..., Flur ..., Flurstück ... betreffen. Der Bescheid des Kreises Olpe vom 30. Oktober 2015 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, das Grundstück Gemarkung ..., Flur ..., Flurstück ... zum befriedeten Bezirk zu erklären. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Gründe I 1 Der Rechtsstreit betrifft die jagdrechtliche Befriedung - also das Ruhen der Jagd - auf einer im Eigentum des Klägers stehenden, aber zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehörenden Grundfläche aus ethischen Gründen. 2 Der Kläger ist Alleineigentümer des vom Streitgegenstand des Revisionsverfahrens noch betroffenen Grundstücks der Gemarkung ..., Flur ..., Flurstück ... Das Flurstück ist überwiegend bewaldet und hat eine Fläche von etwa 2,75 ha. Es liegt im gemeinschaftlichen Jagdbezirk einer Jagdgenossenschaft, der Beigeladenen zu 1., der eine Gesamtgröße von etwa 310 ha aufweist. Die Ausübung des Jagdrechts ist an den Beigeladenen zu 2. verpachtet. 3 Der Kläger ist Tierarzt; er betreibt nach eigenen Angaben mit seiner Ehefrau einen ""Gnadenhof"", in dem über Tierschutzorganisationen vermittelte oder aus seiner Praxis stammende Pferde, Hunde und Katzen aufgenommen werden. Mit Schreiben vom 7. Januar 2014 - und damit unmittelbar nach Inkrafttreten der in § 6a BJagdG enthaltenen Neuregelung zur Befriedung - teilte er dem Beigeladenen zu 2. mit, dass er von den Möglichkeiten des neuen Jagdrechts Gebrauch machen wolle, und bat ihn, jegliche Jagd auf seinen Grundstücken einzustellen sowie die aufgestellten jagdlichen Einrichtungen zu entfernen. Nachdem der Beigeladene zu 2. dieses Schreiben dem beklagten Kreis - der nach Landesrecht zuständigen Jagdbehörde - zugeleitet hatte, teilte dieser dem Kläger mit Schriftsatz vom 20. Januar 2014 mit, für sein Begehren reiche eine Erklärung gegenüber dem Jagdpächter nicht aus. Erforderlich sei vielmehr ein Antrag an die untere Jagdbehörde, in dem die ethischen Gründe, aus denen die Jagd abgelehnt werde, aufgeführt werden müssten. Die Entscheidung treffe die untere Jagdbehörde nach Prüfung des Antrags und Anhörung der weiteren Beteiligten. Bis dahin verblieben die betroffenen Grundflächen weiter im gemeinschaftlichen Jagdbezirk und könnten vom Jagdpächter bejagt werden. 4 Einen derartigen Antrag stellte der Kläger zunächst nicht, sondern erst rund ein Jahr später; er ging dem Beklagten am 10. Februar 2015 per Telefax zu. Darin beantragte der Kläger, seine näher bezeichneten Grundstücke zum 1. April 2015 zu einem jagdrechtlich befriedeten Bezirk zu erklären. Zu seinen Motiven teilte der Kläger mit, er lehne die Jagd aus tiefster Überzeugung ab. Das Leben sei so einzigartig und wertvoll, dass es nicht sinnlos beendet werden solle. Dieser Gedanke habe ihn dazu bewogen, Tierarzt zu werden und damit dazu beizutragen, Tiere vor Leid zu bewahren. Gerade die Jagd bringe Tiere aber in große und vermeidbare Nöte. Diesen Zustand könne er auf seinen Grundstücken nicht mehr ertragen und hinnehmen. Für eine Gefährdung der in § 6a Abs. 1 BJagdG normierten Allgemeinbelange sei nichts ersichtlich, eine solche müsse im Übrigen die Behörde im Einzelfall nachweisen. Ein Zuwarten über das Ende des gegenwärtigen Jagdjahres hinaus sei ihm unzumutbar, was sich bereits aus dem schweren Gewissenskonflikt ergebe. Der Antrag sei rechtzeitig vor Ablauf des Jagdjahres gestellt. Vertragliche Gesichtspunkte zwischen dem Jagdpächter und der Jagdgenossenschaft könnten nicht dazu führen, dass die Ausübung eines Menschenrechts suspendiert werde. 5 In diesem Zwischenzeitraum zeigte die Beigeladene zu 1. beim Beklagten mit Schriftsatz vom 3. Oktober 2014 den Abschluss eines neuen Jagdpachtvertrags mit dem Beigeladenen zu 2. an und bat um Bestätigung. Der beigefügte Vertrag sah im Anschluss an das Ende der Laufzeit des bestehenden Vertrags zum 31. März 2015 eine neunjährige Pachtdauer ab dem 1. April 2015 vor. Der Beklagte teilte der Beigeladenen zu 1. durch Schreiben vom 30. Januar 2015 mit, eine Bestätigung sei nicht möglich, weil der Vertrag nicht alle erforderlichen Unterschriften des Vorstands der Jagdgenossenschaft trage. Daraufhin übersandte diese einen geänderten, am 14. Februar 2015 unterzeichneten Vertrag. Unter dem 21. März 2015 bestätigte der Beklagte, dass Beanstandungen gegen den angezeigten Jagdpachtvertrag nicht erhoben würden. 6 Mit Bescheid vom 30. Oktober 2015 lehnte der Beklagte den Befriedungsantrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe nicht glaubhaft machen können, dass sein Antrag auf ethischen Gründen beruhe. Vielmehr ergebe sich aus den schriftlichen Stellungnahmen, dass primäres Interesse nicht die allgemeine Ablehnung der Jagdausübung, sondern die Vermeidung einer Störung der von ihm in einem Offenlaufstall gehaltenen Pferde sei. Unabhängig hiervon müsse die beantragte Befriedung versagt werden, weil ein Ruhen der Jagd auf den betroffenen Flächen zu einer Gefährdung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege im gesamten Jagdbezirk führe. 7 Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Arnsberg den Ablehnungsbescheid durch Urteil vom 8. August 2016 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, im Einzelnen bezeichnete Grundstücke zu befriedeten Bezirken zu erklären. Im Übrigen - und damit auch in Bezug auf das Flurstück ... - hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger habe zumindest eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein ethischer Motive nachvollziehbar gemacht; ein etwaiges Mitschwingen weiterer Erwägungen, wie etwa der Schutz eigener Tiere, ändere hieran nichts. Eine Befriedung des Flurstücks ... begründe durch den damit entstehenden Rückzugsraum jedoch die konkrete Gefahr, dass es zu einer Beeinträchtigung der revierübergreifenden Schwarzwildjagd und damit zu übermäßigen Wildschäden kommen werde. 8 Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung mit Urteil vom 13. Dezember 2018 geändert und den Beklagten u.a. verpflichtet, das Flurstück ... mit Wirkung vom 1. April 2024 zu einem befriedeten Bezirk zu erklären; hinsichtlich des weitergehenden Antrags, die Befriedung ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung anzuordnen, hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger habe gemessen an den von der Rechtsprechung zur Kriegsdienstverweigerung entwickelten Maßstäben eine Gewissensentscheidung gegen die Jagdausübung glaubhaft gemacht. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stünden der Befriedigung des Flurstücks ... auch keine öffentlichen Belange entgegen. Zwar werde die Jagdausübung im Jagdbezirk im Falle einer Befriedung dieser Grundflächen erschwert. Nach den nachvollziehbaren und plausiblen Erläuterungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen lägen die hierdurch zu erwartenden Wildschäden aber unterhalb der maßgeblichen Übermäßigkeitsschwelle. Die Befriedung sei, dem gesetzlichen Regelmodell entsprechend, mit Wirkung zum Ende des Jagdpachtvertrags anzuordnen. Anhaltspunkte für ein besonders gewichtiges Interesse an einer vorzeitigen Befriedung lägen nicht vor. Dies gelte auch in Ansehung des an den Jagdpächter gerichteten Schreibens vom 7. Januar 2014. Die nicht an die zuständige Behörde adressierte Bitte habe nicht als Verlangen nach einer jagdrechtlichen Befriedung verstanden werden können und der Kläger nicht davon ausgehen dürfen, hiermit alles seinerseits Erforderliche getan zu haben. Auch die noch verbleibende Laufzeit des Jagdpachtvertrags von etwas mehr als fünf Jahren entspreche den typischen und damit hinzunehmenden Folgen der gesetzlichen Regelung. Demgegenüber sei das Interesse der Beigeladenen an einer vollständigen Erfüllung des Jagdpachtvertrags nicht unerheblich. Der Abschluss längerfristiger vertraglicher Bindungen sei grundsätzlich nicht zu beanstanden; überdies werde die Bejagbarkeit des gesamten Jagdbezirks durch die Befriedung dieses Flurstücks nicht nur unwesentlich beeinträchtigt. 9 Mit der vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Annahme, dem Kläger könne der Ablauf des Jagdpachtvertrags zugemutet werden, verkenne Bedeutung und Tragweite der Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Der Jagdpachtvertrag betreffe zwar das Grundstück des Klägers, sei aber nicht von ihm geschlossen worden. Vielmehr sei er durch den zwangsweisen Anschluss an die Jagdgenossenschaft zur Duldung verpflichtet. Allein die weitere Laufzeit eines nicht freiwillig geschlossenen Vertrags und die damit verbundenen wirtschaftlichen Interessen seien nicht geeignet, einen fortdauernden Grundrechtseingriff zu tragen. Dies gelte umso mehr, als den Beigeladenen mit einer Befriedung die Bejagung des gesamten Jagdbezirks nicht unmöglich gemacht werde. 10 Der Beklagte tritt der Revision entgegen. § 6a Abs. 2 Satz 1 BJagdG sei die Wertentscheidung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass auch im Falle ethischer Gründe dem Grundeigentümer das Abwarten bis zum Ende des Jagdpachtvertrags grundsätzlich zuzumuten ist. Dies sei mit Blick auf den Schutz der anderen Grundeigentümer der Jagdgenossenschaft und öffentlicher Belange grundsätzlich gerechtfertigt. Der Eingriff in einen laufenden Vertrag setze daher atypische Umstände von derartigem Gewicht voraus, dass ein Abwarten der regulären Vertragslaufzeit nicht mehr hingenommen werden könne. Die hierfür erforderlichen konkreten Umstände habe das Berufungsgericht zutreffend verneint. 11 Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert. 12 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt, die Ermessensregelung des § 6a Abs. 2 Satz 2 BJagdG knüpfe vorrangig an das Allgemeininteresse an einer grundstücksübergreifenden geordneten Jagdausübung und an den Schutz des Vertrauens in die Erfüllung des Jagdpachtvertrags an. II 13 Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einem Fehlverständnis des § 6a Abs. 2 BJagdG und damit auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Maßgeblicher Bezugspunkt für das Wirksamwerden der Befriedung ist nicht der im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung, sondern der im Zeitpunkt der Antragstellung laufende Jagdpachtvertrag (1.). Entscheidet die Behörde erst während des Laufs eines neuen Pachtvertrags über den Antrag, ist die Befriedung zum Ende des laufenden Jagdjahres anzuordnen (2.). Die Urteile der Vorinstanzen sind daher zu ändern; der Beklagte ist zu verpflichten, die Befriedung mit sofortiger Wirkung anzuordnen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 14 1. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 des Bundesjagdgesetzes in der für das Verpflichtungsbegehren des Klägers maßgeblichen aktuellen Fassung vom 14. November 2018 (BGBl. I S. 1850) sind Grundflächen, die zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehören, auf Antrag des Grundeigentümers zu befriedeten Bezirken zu erklären, wenn der Grundeigentümer glaubhaft macht, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt. 15 a) Die Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Eigentümer nach dem in Deutschland geltenden Reviersystem über die Ausübung der Jagd auf seinem Grundstück nicht frei verfügen kann. Nach den Bestimmungen des Bundesjagdgesetzes (§§ 8 und 9 BJagdG) gehören Grundstücke mit einer Fläche von weniger als 75 ha kraft Gesetzes einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk und ihre Eigentümer einer Jagdgenossenschaft an, der die Ausübung des Jagdrechts zusteht (§ 8 Abs. 5 BJagdG). Der Eigentümer muss die Bejagung seiner Flächen daher dulden (vgl. BT-Drs. 17/12046 S. 7). Die in § 6a BJagdG vorgesehene Befreiungsmöglichkeit des Grundeigentümers ergänzt die aus seiner Zwangsmitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft folgende Einschränkung der Verfügungsbefugnis um eine Ausnahmeregelung. 16 b) Die Befriedung soll gemäß § 6a Abs. 2 Satz 1 BJagdG mit Wirkung zum Ende des Jagdpachtvertrags erfolgen. 17 Der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung des Jagdpachtvertrags, dessen Ende gemäß § 6a Abs. 2 Satz 1 BJagdG für das Wirksamwerden der Befriedung grundsätzlich ausschlaggebend sein soll, ist im Gesetz nicht ausdrücklich festgelegt. Wortlaut, Systematik und Interessenlage sprechen dafür, auf den bei Antragstellung laufenden Jagdpachtvertrag abzustellen (ebenso Meyer-Ravenstein, AUR 2014, 124 <132 zu Ziff. 53>; Munte, in: Schuck , Bundesjagdgesetz, 3. Aufl. 2019, § 6a Rn. 81). 18 Bezugspunkt der in § 6a Abs. 2 BJagdG getroffenen Regelung ist der Befriedungsantrag des Grundeigentümers. Nur hierauf hat der Berechtigte Einfluss; wann die Jagdbehörde über seinen Antrag oder das Gericht über eine etwaige Klage entscheidet, kann er hingegen nicht bestimmen. Der Jagdpachtvertrag, dessen Ende der Grundeigentümer nach § 6a Abs. 2 Satz 1 BJagdG abwarten soll, kann daher nur derjenige sein, der im Zeitpunkt der Antragstellung läuft. Warum die Beteiligten eines erst später wirksam werdenden Vertrags in den Genuss des gesetzlich angeordneten Vertrauensschutzes kommen sollten, ist nach Sinn und Zweck der Vorschriften nicht ersichtlich. Es wäre kein ""angemessener Ausgleich"" zwischen den Erfordernissen des Allgemeininteresses und den Anforderungen an den Schutz der Rechte des Einzelnen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Urteil vom 26. Juni 2012 - Nr. 9300/07 - Rn. 574), wenn der Eigentümer die Jagd auf seinem Grundstück grundsätzlich auch noch für die Laufzeit eines erst während des Verwaltungsverfahrens oder eines sich hieran anschließenden Gerichtsverfahrens wirksam werdenden Jagdpachtvertrags dulden müsste. 19 Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses - der vorliegend im Übrigen nach der Antragstellung des Klägers liegt - für den Beginn der Befriedung nicht relevant. Auch hierauf hat der Grundeigentümer keinen Einfluss. Warum ein ggf. bereits weit im Voraus geschlossener Jagdpachtvertrag die Rechte des Grundeigentümers beschränken können sollte, ist nicht ersichtlich. Dass der zufällige Zeitpunkt des Vertragsschlusses für einen erst nach Antragstellung wirksam werdenden Jagdpachtvertrag Auswirkungen auf die Rechte des Grundeigentümers entfalten sollte, kann den gesetzlichen Bestimmungen nicht entnommen werden. Aus § 12 BJagdG folgt nichts anderes. Da sich das Beanstandungsrecht des Beklagten aus § 12 Abs. 1 Satz 2 BJagdG nicht auf das Vorliegen eines Befriedungsantrags erstreckt, kommt der Nicht-Beanstandung insoweit auch keine Regelungswirkung zu. 20 Im Übrigen hätte der Beklagte die Beigeladenen über den Befriedungsantrag des Klägers zeitnah informieren müssen (vgl. § 6a Abs. 1 Satz 5 BJagdG). Sie hätten so die aus einer denkbaren, hier sogar naheliegenden Befriedung für sie eintretenden Konsequenzen bei der Gestaltung des Verlängerungsvertrags berücksichtigen können (vgl. zum Missbrauchseinwand bei einer gleichwohl im Voraus vereinbarten Vertragsverlängerung Munte, in: Schuck , Bundesjagdgesetz, 3. Aufl. 2019, § 6a Rn. 81). 21 Der am 10. Februar 2015 gestellte Befriedungsantrag des Klägers war daher auf die Laufzeit des am 31. März 2015 endenden Jagdpachtvertrags bezogen. Demgemäß hatte der Kläger auch eine Befriedung ab dem 1. April 2015 beantragt. Der für den Zeitraum ab April 2015 geschlossene Vertrag ist für die Anwendung des § 6a Abs. 2 Satz 1 BJagdG nicht von Belang. 22 c) Aus dem maßgeblichen Bezugspunkt der Antragstellung folgt zugleich, dass das Berufungsgericht auch im Rahmen der Entscheidung über das Vorliegen einer Ausnahmesituation im Sinne des § 6a Abs. 2 Satz 2 BJagdG auf die ab Antragstellung noch verbleibende Restlaufzeit des Jagdpachtvertrags hätte abstellen müssen (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 12. April 2018 - 5 Bf 51/16 - juris Rn. 101). Warum der durch die Dauer des gerichtlichen Verfahrens bereits verstrichene Zeitraum nicht berücksichtigungsfähig sein sollte, ist nicht ersichtlich. 23 2. Entscheidet die Behörde über den Antrag - wie hier - erst während des Laufs eines neuen Jagdpachtvertrags, ist die Befriedung mit Wirkung ab Beendigung des laufenden Jagdjahres anzuordnen. 24 a) Nach § 6a Abs. 2 Satz 2 BJagdG kann die zuständige Behörde die Befriedung mit Wirkung zu einem früheren Zeitpunkt als dem Ende des Jagdpachtvertrags anordnen, der jedoch nicht vor Ende des Jagdjahres liegt. Die Regelung ist für die vorliegende Fallgestaltung nicht unmittelbar anwendbar. Denn der nach § 6a Abs. 2 Satz 1 BJagdG maßgebliche Jagdpachtvertrag, der im Zeitpunkt der Antragstellung lief, war mit Ablauf des 31. März 2015 beendet. Es geht vorliegend daher nicht um eine Verkürzung des in § 6a Abs. 2 Satz 1 BJagdG - als gesetzlicher Regelfall - vorgesehenen Zeitraums. 25 b) § 6a Abs. 2 Satz 2 BJagdG muss in der vorliegenden Fallgestaltung aber entsprechend angewendet werden. 26 aa) Die Bescheidung des Befriedungsantrags macht eine Prüfung der geltend gemachten Gründe - ggf. für alle antragstellenden Miteigentümer - und der in § 6a Abs. 1 Satz 2 BJagdG benannten Versagungsgründe erforderlich. Ihr hat gemäß § 6a Abs. 1 Satz 5 BJagdG neben der Anhörung des Antragstellers eine Anhörung der Jagdgenossenschaft, des Jagdpächters, angrenzender Grundeigentümer, des Jagdbeirats sowie der Träger öffentlicher Belange vorauszugehen. Die hierzu erforderliche Bearbeitungsdauer kann dazu führen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung bereits ein neuer Jagdpachtvertrag läuft. 27 Ein nach dem Zeitpunkt der Antragstellung beginnender Jagdpachtvertrag löst zwar den in § 6a Abs. 2 Satz 1 BJagdG vorgesehenen Vertrauensschutz nicht aus. § 6a Abs. 2 Satz 2 BJagdG ist aber die Wertung zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Befriedung der zu einer Jagdgenossenschaft gehörenden Grundfläche nicht im laufenden Jagdjahr zulassen wollte. Ein unmittelbares Wirksamwerden der Befriedung erschien dem Gesetzgeber angesichts der Auswirkungen, die die Befriedung auf die praktische Jagdausübung haben kann, nicht sachgerecht (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 17/12046 S. 9). 28 bb) Diese Bezugnahme auf das Ende des Jagdjahres - also den Ablauf des 31. März des jeweiligen Jahres (vgl. § 11 Abs. 4 Satz 5 BJagdG) - ist sachgerecht und auch im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht zu beanstanden. 29 Die Einhaltung des Jagdjahres dient nicht nur dem Interesse der Parteien des Jagdpachtvertrags. Sie gewährleistet ein effizientes Wildmanagement und trägt damit auch öffentlichen Belangen Rechnung, insbesondere der Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildbestands und dem Schutz vor Tierseuchen, dem Schutz der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft vor übermäßigen Wildschäden sowie dem Naturschutz und der Landschaftspflege (vgl. § 6a Abs. 1 Satz 2 BJagdG). Die Anknüpfung an das Jagdjahr durchzieht das Jagdrecht; Beginn und Ende einer Jagdpacht sollen mit Beginn und Ende des Jagdjahres zusammenfallen (vgl. § 11 Abs. 4 Satz 5 BJagdG). Die ordnungsgemäße Hege des Wildbestands setzt ein planmäßiges, die Wildfolge, Belange des Arten- und Naturschutzes sowie spezifische Tierverhaltensweisen berücksichtigendes Wildmanagement für den gesamten Jagdbezirk voraus (vgl. BT-Drs. 17/12046 S. 7; EGMR, Urteil vom 29. April 1999 - Nr. 25088/94 u.a. - NJW 1999, 3695 ). Dieses am Jagdjahr orientierte Vorgehen würde durch eine unterjährige Befriedung beeinträchtigt. 30 Durch die Schaffung von Rückzugsräumen innerhalb des Jagdbezirks können sich überdies neue Umstände ergeben, die eine grundsätzliche Umsteuerung der Jagdplanung auf der verbleibenden Jagdbezirksfläche erforderlich machen (vgl. Guber, NuR 2014, 752 <758>). Die öffentlichen Belange im Sinne des § 6a Abs. 1 Satz 2 BJagdG rechtfertigen es daher, eine Befriedung grundsätzlich erst mit Ende des laufenden Jagdjahres in Vollzug zu setzen. 31 cc) Das Ende des laufenden Jagdjahres muss daher auch dann berücksichtigt werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über den Befriedungsantrag bereits ein neuer Jagdpachtvertrag wirksam geworden ist (vgl. Meyer-Ravenstein, AUR 2014, 124 <132 zu Ziff. 53>). Die Regelung ist für diesen, vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich geregelten Fall entsprechend anzuwenden. 32 c) Der Beklagte hätte die Befriedung des im Revisionsverfahren noch streitgegenständlichen Flurstücks folglich mit Wirkung zum 1. April 2016 anordnen müssen. 33 Da eine rückwirkende Befriedung weder tatsächlich möglich ist noch vom Kläger beantragt wurde, hat der Beklagte die Grundfläche unverzüglich zu einem befriedeten Bezirk zu erklären (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2019 - 6 C 1.18 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​270219U6C1.18.0] - NVwZ 2020, 387 Rn. 20 zum Folgenbeseitigungsanspruch). Eine weitergehende analoge Anwendung des § 6a Abs. 2 Satz 2 BJagdG - mit der Konsequenz einer Befriedung erst zum Ende des im Zeitpunkt der (jeweils letzten) gerichtlichen Entscheidung laufenden Jagdjahres - kommt nicht in Betracht. Für die damit verbundene weitere Verkürzung des Befriedungsanspruchs des Klägers bieten weder das materielle noch das Prozessrecht eine Grundlage. Der Beklagte und die Beigeladenen müssen sich vielmehr während eines Prozesses darauf einstellen, dass der Antrag sich als begründet herausstellt und die zum materiell richtigen Zeitpunkt nicht mehr mögliche Befriedung unverzüglich nach Rechtskraft des Urteils zu verfügen ist. Sollten sich hieraus konkrete Gefahren für die in § 6a Abs. 1 Satz 2 BJagdG genannten Schutzgüter oder sonstige Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ergeben, steht dem Beklagten die Möglichkeit einer Anordnung gemäß § 6a Abs. 5 Satz 1 BJagdG zur Verfügung. 34 Die Kostenentscheidung folgt - unter Einbeziehung der berufungsgerichtlichen Kostenentscheidung - aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3, § 161 Abs. 2 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2020-35,22.06.2020,"Pressemitteilung Nr. 35/2020 vom 22.06.2020 EN Das Tattagprinzip des Fahreignungs-Bewertungssystems wird durch das Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG überlagert und begrenzt Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass das Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG das für die Berechnung des Punktestandes maßgebliche Tattagprinzip des Fahreignungs-Bewertungssystems (§ 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG) überlagert und begrenzt. Die Löschung einer Eintragung im Fahreignungsregister, die ein Jahr nach Tilgungsreife erfolgt (sog. Überliegefrist), hat auch in den Fällen, in denen der Zeitpunkt der Löschung zwar nach dem maßgeblichen Tattag, aber vor dem der Ergreifen einer Maßnahme liegt, zur Folge, dass diese Eintragung nicht mehr zum Nachteil des Betroffenen verwertet werden darf. Der Kläger wandte sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis auf der Grundlage des Fahreignungs-Bewertungssystems (§ 4 StVG). Mit der Begehung einer weiteren rechtskräftig geahndeten Verkehrsordnungswidrigkeit am 19. Juli 2015 hatte er einen Stand von acht Punkten im Fahreignungsregister erreicht. Bei einem solchen Punktestand gilt der Betroffene gemäß § § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Daraufhin entzog ihm die Beklagte mit Bescheid vom 24. November 2016 die Fahrerlaubnis. Seine Klage hat das Verwaltungsgericht München abgewiesen. Die Fahrerlaubnisentziehung sei nicht deshalb rechtswidrig, weil die Eintragungen zu mit insgesamt vier Punkten zu bewertenden Ordnungswidrigkeiten zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses bereits zu löschen gewesen seien. Nach § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG sei für den Punktestand auf den maßgeblichen Tattag abzustellen; das sei hier der 19. Juli 2015. Zu diesem Zeitpunkt seien diese Eintragungen noch nicht zu tilgen gewesen. Auf die Berufung des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich der Fahrerlaubnisentziehung geändert und den Bescheid insoweit aufgehoben. Die Beklagte habe beim Erlass des Bescheides Ordnungswidrigkeiten berücksichtigt, die dem Kläger gemäß § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG zu diesem Zeitpunkt wegen ihrer Löschung nicht mehr zur Beurteilung seiner Fahreignung hätten vorgehalten und zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil bestätigt. Das Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG greift auch bei Eintragungen zu punktebewehrten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr, die im Fahreignungsregister zwar nicht bis zu dem nach § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG maßgeblichen Tattag, aber vor dem Ergreifen der nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem vorgesehenen Maßnahme zu löschen sind. Nach § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG hat die Löschung einer Eintragung, die gemäß § 29 Abs. 6 Satz 2 StVG nach Ablauf der Überliegefrist von einem Jahr nach Eintritt der Tilgungsreife erfolgt, ein absolutes Verwertungsverbot zur Folge. Dieses Verwertungsverbot überlagert und begrenzt das für die Berechnung des Punktestandes nach § 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG maßgebliche Tattagprinzip. Die entsprechenden Punkte müssen daher unberücksichtigt bleiben. BVerwG 3 C 14.19 - Urteil vom 18. Juni 2020 Vorinstanzen: VGH München, 11 BV 18.778 - Urteil vom 18. Juni 2019 - VG München, M 6 K 16.5922 - Urteil vom 28. Februar 2017 -","Urteil vom 18.06.2020 - BVerwG 3 C 14.19ECLI:DE:BVerwG:2020:180620U3C14.19.0 EN Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG begrenzt das Tattagprinzip nach § 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG Leitsatz: Das absolute Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG überlagert und begrenzt das Tattagprinzip nach § 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG. Rechtsquellen StVG § 4 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Satz 5 bis 7, § 29 Abs. 7 Satz 1, § 65 Abs. 3 Instanzenzug VG München - 28.02.2018 - AZ: VG M 6 K 16.5922 VGH München - 18.06.2019 - AZ: VGH 11 BV 18.778 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 18.06.2020 - 3 C 14.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:180620U3C14.19.0] Urteil BVerwG 3 C 14.19 VG München - 28.02.2018 - AZ: VG M 6 K 16.5922 VGH München - 18.06.2019 - AZ: VGH 11 BV 18.778 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 18. Juni 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Kenntner ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Juni 2019 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis auf der Grundlage des Fahreignungs-Bewertungssystems. 2 Mit Schreiben vom 7. November 2013 wurde der Kläger wegen des Erreichens von neun Punkten im Verkehrszentralregister gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG in der vor dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung (a.F.) verwarnt. Aufgrund der Einführung des Fahreignungs-Bewertungssystems zum 1. Mai 2014 wurden die neun Punkte des Klägers im Verkehrszentralregister auf vier Punkte im Fahreignungsregister umgestellt. Nach der Eintragung einer weiteren mit zwei Punkten bewerteten Ordnungswidrigkeit des Klägers im Fahreignungsregister verwarnte ihn die Beklagte mit Schreiben vom 30. Juli 2015 gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG n.F. wegen des Erreichens von sechs Punkten. Der Kläger beging in der Folge zwei weitere mit jeweils einem Punkt bewertete Verkehrsordnungswidrigkeiten, die rechtskräftig geahndet und in das Fahreignungsregister eingetragen wurden; der letzte Tattag war der 19. Juli 2015. 3 Nach einer Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes über den aktuellen Punktestand entzog die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 24. November 2016 gestützt auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG seine Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgeldes zur Abgabe des Führerscheins bei der Fahrerlaubnisbehörde innerhalb einer Woche nach Zugang des Bescheids. Der Kläger sei wegen der von ihm begangenen Verkehrsverstöße, für die im Fahreignungsregister acht Punkte eingetragen seien, nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet. Eine Tilgung nach dem Erreichen dieses Punktestandes sei für die Rechtmäßigkeit einer auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG gestützten Fahrerlaubnisentziehung ohne Bedeutung. Der Führerschein des Klägers ging am 2. Dezember 2016 bei der Beklagten ein. 4 Seine Klage hat das Verwaltungsgericht München abgewiesen. Zur Begründung heißt es: Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte Ordnungswidrigkeiten berücksichtigt habe, die dem Kläger gemäß § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr hätten vorgehalten werden dürfen. Nach § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG sei auf den Tattag abzustellen; gemäß § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG blieben spätere Verringerungen des Punktestandes aufgrund von Tilgungen unberücksichtigt. 5 Auf die Berufung des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil teilweise geändert und den Bescheid der Beklagten mit Ausnahme der Zwangsgeldandrohung aufgehoben. Zur Begründung wird ausgeführt: Für eine Klage gegen die Zwangsgeldandrohung, die sich durch die Vorlage des Führerscheins erledigt habe, fehle dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis. Ansonsten sei der Bescheid rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Voraussetzungen für eine Fahrerlaubnisentziehung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG hätten nicht vorgelegen. Zwar habe die Fahrerlaubnisbehörde zuvor die im Stufensystem des § 4 Abs. 5 StVG vorgesehenen Maßnahmen ergriffen, doch habe der Kläger zu dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt, der Entziehung der Fahrerlaubnis, keine acht Punkte mehr im Fahreignungs-Bewertungssystem gehabt. Die Beklagte habe Ordnungswidrigkeiten berücksichtigt, die ihm gemäß § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Beurteilung seiner Fahreignung hätten vorgehalten und zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen. Die Regelungen zur Berechnung des Punktestandes (§ 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG) seien im Rahmen der Rechtsfolgenregelung einer Löschung im Fahreignungsregister (§ 29 Abs. 7 Satz 1 StVG) nicht anzuwenden. Es sei kein durch Gesetzesauslegung auszuräumender Wertungswiderspruch, sondern eine vom Gesetzgeber beabsichtigte Begrenzung des für die Berechnung des Punktestandes maßgeblichen Tattagprinzips, wenn § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG tatbestandlich an die Tilgung bzw. Tilgungsreife anknüpfe und § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG an die Löschung einer Eintragung nach Tilgungsreife und Ablauf einer einjährigen Überliegefrist. § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG sei keine das Verwertungsverbot durchbrechende Spezialvorschrift; die Bestimmung sei auch nicht analog anzuwenden. Weder den Gesetzgebungsmaterialien noch dem Regelungszusammenhang oder den der Regelung zugrundeliegenden Wertungen ließen sich Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Durchbrechung des Verwertungsverbots entnehmen. Die Gesetzesbegründung zeige, dass der Gesetzgeber die einjährige Überliegefrist als ausreichend angesehen habe, um das Risiko taktisch motivierter Rechtsmittel zu begrenzen. Nach seiner Auffassung sollte die Löschung einer Eintragung nach Ablauf der Überliegefrist ein absolutes Verwertungsverbot nach sich ziehen und das für die Berechnung des Punktestandes maßgebliche Tattagprinzip hierdurch begrenzen. 6 Mit ihrer - vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen - Revision macht die Beklagte geltend: Die Annahmen des Berufungsgerichts zur Reichweite von § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG verletzten das Tattagprinzip nach § 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG. Sie habe auch die seit dem 25. September 2015 tilgungsreifen und seit dem 25. September 2016 im Fahreignungsregister gelöschten Eintragungen berücksichtigen dürfen; diese Eintragungen seien am 19. Juli 2015, dem hier maßgeblichen Tattag, weder tilgungsreif noch gelöscht gewesen. Für die Punkteberechnung sei gemäß § 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG ausschließlich auf den Tattag der letzten relevanten Zuwiderhandlung abzustellen. Daran habe auch die Änderung von § 29 StVG zum 1. Mai 2014 nichts geändert. 7 Der Kläger tritt der Revision entgegen. 8 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur der Auffassung, dass § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG das Tattagprinzip einschränke und das Berufungsurteil daher zutreffend sei. II 9 Die Revision der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist unbegründet. Das Berufungsurteil steht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Fahrerlaubnisentziehung war rechtswidrig, weil die Beklagte bei ihrer Entscheidung Ordnungswidrigkeiten berücksichtigt hat, die dem Kläger gemäß § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG nicht mehr zum Zwecke der Beurteilung seiner Fahreignung vorgehalten und zu seinem Nachteil verwertet werden durften. Das absolute Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG überlagert und begrenzt das in § 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG geregelte Tattagprinzip des Fahreignungs-Bewertungssystems. 10 1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Fahrerlaubnisentziehung auf der Grundlage des Fahreignungs-Bewertungssystems ist nicht anders als bei sonstigen Fahrerlaubnisentziehungen die Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urteile vom 23. Oktober 2014 - 3 C 3.13 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2014:​231014U3C3.13.0] - Buchholz 442.10 § 3 StVG Nr. 16 Rn. 13 und vom 28. April 2010 - 3 C 2.10 - BVerwGE 137, 10 Rn. 11, jeweils m.w.N.); danach ist hier auf den Erlass des Bescheides vom 24. November 2016 abzustellen. 11 Zugrunde zu legen ist daher das Straßenverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, ber. S. 919), zum maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz zur Anpassung der Zuständigkeiten von Bundesbehörden an die Neuordnung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV-Zuständigkeitsanpassungsgesetz - WSVZuAnpG) vom 24. Mai 2016 (BGBl. I S. 1217). Anzuwenden sind die Regelungen zum Fahreignungs-Bewertungssystems, die durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3313) eingeführt wurden, einschließlich der dort in § 65 StVG getroffenen Übergangsbestimmungen zu ""Alttaten"" (Speicherung der Eintragung im Verkehrszentralregister vor Ablauf des 30. April 2014). 12 2. Die Fahrerlaubnisentziehung ist - wie das Berufungsgericht ohne Bundesrechtsverstoß annimmt - nicht deshalb rechtswidrig, weil die ihr gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG vorgelagerten Stufen der Ermahnung (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG) und Verwarnung (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG) beim Kläger nicht ordnungsgemäß durchlaufen worden wären. Er war mit Schreiben vom 7. November 2013 beim Erreichen von neun Punkten (alt) gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG a.F. verwarnt worden. Die fehlerhafte Ersatzzustellung wurde nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gemäß Art. 9 BayVwZG durch Kenntnisnahme geheilt. Die Verwarnung nach altem Recht entspricht der Ermahnung nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem; eine (erneute) Ermahnung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG n.F. war nicht erforderlich (vgl. § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG). Mit Schreiben der Beklagten vom 30. Juli 2015 war der Kläger beim Erreichen von sechs Punkten (neu) gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG auch ordnungsgemäß verwarnt worden. 13 3. Auch hinsichtlich der Anwendung von § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG verstößt das Berufungsurteil nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die rechtlichen Voraussetzungen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG für die mit Bescheid vom 24. November 2016 verfügte Fahrerlaubnisentziehung waren zwar zu dem nach § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG maßgeblichen Tattag, hier dem 19. Juli 2015, erfüllt (a). Dem Kläger durften jedoch gemäß § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG die zum Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung bereits gelöschten Eintragungen nicht mehr vorgehalten und zu seinem Nachteil verwertet werden; dementsprechend ergaben sich nicht mehr, wie § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG voraussetzt, acht oder mehr, sondern nur noch vier Punkte (b). 14 a) Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist ihm zu entziehen, sobald sich in der Summe acht oder mehr Punkte ergeben. Punkte ergeben sich mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird (§ 4 Abs. 2 Satz 3 StVG). 15 Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG hat die nach Landesrecht zuständige Behörde für das Ergreifen der Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Bei der Berechnung des Punktestandes werden nach Satz 6 Zuwiderhandlungen (1.) unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind, (2.) nur dann berücksichtigt, wenn deren Tilgungsfrist zu dem in Satz 5 genannten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war. Nach § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG bleiben spätere Verringerungen des Punktestandes auf Grund von Tilgungen unberücksichtigt. 16 Maßgeblicher Tattag im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG ist hier der 19. Juli 2015. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger acht Punkte im Fahreignungsregister erreicht, da bis dahin auch seine in den Jahren von 2010 bis 2013 begangenen Verkehrsverstöße und die dazu bis zum Ablauf des 30. April 2014 im Verkehrszentralregister gespeicherten Entscheidungen weder getilgt noch gelöscht waren; diese ""Alttaten"" waren zum maßgeblichen Tattag mit vier Punkten zu berücksichtigen. 17 Die Tilgung und Löschung von bis zum Ablauf des 30. April 2014 im Verkehrszentralregister gespeicherten Verkehrsverstößen und der dazu ergangenen Entscheidungen richten sich nach der Übergangsbestimmung des § 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG. Danach werden Entscheidungen, die nach § 28 Absatz 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden und - wie hier - nicht von Nummer 1 erfasst sind, bis zum Ablauf des 30. April 2019 nach den Bestimmungen des § 29 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung (im Folgenden: a.F.) getilgt und gelöscht. 18 Die Tilgungsfrist beträgt bei den von der Übergangsregelung erfassten Ordnungswidrigkeiten des Klägers gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVG a.F. zwei Jahre. Sie beginnt gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG a.F. bei gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Bußgeldentscheidungen mit dem Tag der Rechtskraft oder Unanfechtbarkeit der beschwerenden Entscheidung. Sind - wie hier - mehrere Entscheidungen nach § 28 Abs. 3 Nr. 1 bis 9 StVG im Verkehrszentralregister eingetragen, greift die Tilgungshemmung nach § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG a.F.; danach ist die Tilgung einer Eintragung vorbehaltlich der Regelungen in den Sätzen 2 bis 6 erst zulässig, wenn für alle betreffenden Eintragungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen. Die Ahndung des vom Kläger am 15. Mai 2013 begangenen Verkehrsverstoßes wurde am 25. September 2013 rechtskräftig. Die Tilgungsreife dieser Eintragung - und aufgrund der Tilgungshemmung nach § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG a.F. auch jene der weiteren im Verkehrszentralregister gespeicherten Eintragungen - ist erst zwei Jahre später, hier also zum 25. September 2015, eingetreten. Durch Entscheidungen, die erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert wurden, wird gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 StVG eine weitere Ablaufhemmung nicht ausgelöst. 19 Damit waren die Eintragungen zu diesen Verkehrsverstößen und den dazu ergangenen Entscheidungen zu dem hier nach § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG maßgeblichen Tattag, dem 19. Juli 2015, noch nicht tilgungsreif. Sie waren deshalb gemäß § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 2 StVG anrechenbar. Erst recht waren diese Eintragungen zum maßgeblichen Tattag noch nicht gelöscht. Deren Löschung hatte gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG i.V.m. § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG a.F. erst ein Jahr nach Eintritt der Tilgungsreife zu erfolgen, hier also am 25. September 2016. 20 b) Doch wird das Tattagprinzip nach § 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG durch das absolute Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG überlagert und begrenzt; nach dieser Bestimmung dürfen die Tat und die Entscheidung dem Betroffenen für die Zwecke des § 28 Absatz 2 nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwendet werden, wenn eine Eintragung im Fahreignungsregister gelöscht ist. Zu den Zwecken des § 28 Abs. 2 StVG gehört nach dessen Nummer 1 die Beurteilung der Eignung und der Befähigung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen. § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG ist auch auf Eintragungen anzuwenden, die gemäß § 28 StVG a.F. im Verkehrszentralregister erfolgt sind, da § 65 StVG hierzu keine Übergangsbestimmung enthält (so auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Februar 2017 - 12 ME 240/16 [ECLI:​DE:​OVGNI:​2017:​0222.12ME240.16.0A] - juris Rn. 6). 21 aa) Dem Wortlaut von § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG ist in Verbindung mit der vom Gesetzgeber vorgenommenen Neuregelung der Rechtsfolgen der Tilgung und der Löschung von Eintragungen in § 29 Abs. 6 und 7 StVG zu entnehmen, dass das nach § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG nun bei der Löschung einer Eintragung eintretende absolute Verwertungsverbot das Tattagprinzip nach § 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG modifiziert (wie das Berufungsgericht auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Februar 2017 - 12 ME 240/16 - juris Rn. 6 ff.; zustimmend: Hillebrand, ZfS 2019, 550 <552 f.>) und nicht umgekehrt durch § 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG kraft Spezialität verdrängt wird (so OVG Bautzen, Beschluss vom 29. November 2017 - 3 B 274/17 [ECLI:​DE:​OVGSN:​2017:​1129.3B274.17.00] - juris). 22 Mit der Einführung des Fahreignungs-Bewertungssystems und des Fahreignungsregisters, das an die Stelle des bisherigen Verkehrszentralregisters getreten ist, durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3313) hat der Gesetzgeber unter anderem auch die Rechtsfolgen einer Tilgung und Löschung von Eintragungen im Register neu geregelt. 23 Vor der Neuregelung nach § 29 Abs. 8 Satz 1 StVG a.F. führte die Tilgung und nicht die Löschung einer Eintragung, die auch nach dem alten Recht erst nach einer Überliegefrist von einem Jahr erfolgte (vgl. § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG a.F.), zu einem strikten Verwertungsverbot. § 29 Abs. 8 Satz 1 StVG a.F. sah vor, dass, wenn eine Eintragung im Verkehrszentralregister getilgt ist, die Tat und die Entscheidung dem Betroffenen für die Zwecke des § 28 Abs. 2 - und damit gemäß Nummer 3 für die Ahndung von Verstößen, von Personen, die wiederholt im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehende Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen haben - nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen. 24 In dem neuen § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG sieht der Gesetzgeber ein solches absolutes Verwertungsverbot nun ab der Löschung einer Eintragung vor, also nach Ablauf der einjährigen Überliegefrist. Bis zur Löschung einer Eintragung lässt der Gesetzgeber deren Verwertung noch zu. Gemäß § 29 Abs. 6 Satz 3 StVG darf der Inhalt der Eintragung während der Überliegefrist zu bestimmten Zwecken übermittelt, genutzt oder über ihn eine Auskunft erteilt werden; dazu gehört nach der Nummer 2 dieser Regelung die Übermittlung an die nach Landesrecht zuständige Behörde zur Ergreifung von Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem nach § 4 Absatz 5. In der Gesetzesbegründung heißt es zu dieser Änderung von § 29 StVG, dass im Gegensatz zum bisherigen Wortlaut nun während der Überliegefrist die für die Praxis sinnvolle Übermittlung und Verwertung u.a. für die Zwecke des Fahreignungs-Bewertungssystems zugelassen werde (BT-Drs. 17/12636 S. 47). 25 Unterscheidet der Gesetzgeber aber bei der Neufassung von § 29 Abs. 6 und 7 StVG zwischen der Tilgungsreife und Tilgung einer Eintragung auf der einen und der Löschung einer Eintragung auf der anderen Seite und ordnet er Tilgung und Löschung unterschiedliche Rechtsfolgen zu, muss aus dem Umstand, dass er in § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG bei der im selben Änderungsgesetz erfolgten Regelung des Tattagprinzips lediglich vorsieht, dass spätere Verringerungen des Punktestandes aufgrund von Tilgungen unberücksichtigt bleiben, geschlossen werden, dass bei der Löschung einer Eintragung anderes gilt; dass also jedenfalls mit der Löschung einer Eintragung nach Ablauf eines weiteren Jahres dann das in § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG einer Löschung beigelegte absolute Verwertungsverbot durchgreift. 26 bb) Dem entspricht, dass der Gesetzgeber das Risiko taktisch motivierter Rechtsmittel, das mit einem an den Ablauf von Tilgungs- und Überliegefristen anknüpfenden Verwertungsverbot einhergeht, durchaus gesehen hat. Er hält es jedoch für hinnehmbar, da rein taktisch motivierte Rechtsmittel die einjährige Überliegefrist überwinden müssten (BT-Drs. 17/12636 S. 20). Auch hier stellt der Gesetzgeber also, was die Nichtberücksichtigung älterer Eintragungen für das Ergreifen einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem angeht, auf die Löschung einer Eintragung ab. 27 cc) Dafür, dass § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG den Regelungen zum Tattagprinzip in § 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG vorgeht, streitet schließlich der Umstand, dass es sich bei der Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG und der damit verbundenen ""Festschreibung"" des Punktestandes gegenüber einer nachträglich erfolgenden Tilgung um eine den Betroffenen belastende Regelung handelt. Hätte nach dem Konzept des Gesetzgebers entgegen dem Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG nicht nur die spätere Tilgung, sondern auch die spätere Löschung einer Eintragung für das Ergreifen der im Fahreignungs-Bewertungssystem vorgesehenen Maßnahme irrelevant sein sollen, hätte es das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit verlangt, dass er dies in § 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG eindeutig zum Ausdruck bringt (vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer , Straßenverkehrsrecht, 49. Aufl. 2019, § 4 StVG Rn. 83a). 28 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2020-38,25.06.2020,"Pressemitteilung Nr. 38/2020 vom 25.06.2020 EN Entscheidungen über die Vergabe von Frequenzen für 5 G im Wege der Versteigerung sind rechtmäßig Die Entscheidungen der Bundesnetzagentur über die Vergabe der für den Ausbau von 5 G-Infrastrukturen besonders geeigneten Frequenzen bei 2 GHz und 3,6 GHz im Wege der Versteigerung sind rechtmäßig. Die Klage einer Mobilfunknetzbetreiberin gegen den Beschluss der Präsidentenkammer der Regulierungsbehörde vom 14. Mai 2018, der diese Entscheidungen für die genannten Frequenzen umfasst, hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig abgewiesen. Sollen knappe Frequenzen im Wege eines Vergabeverfahrens vergeben werden, muss die Bundesnetzagentur auf der Grundlage von § 55 Abs. 10 sowie § 61 Abs. 1 bis 5 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) durch ihre hierfür zuständige Präsidentenkammer vier Entscheidungen treffen: Die Anordnung eines Vergabeverfahrens (Entscheidung I), die Auswahl des Versteigerungsverfahrens oder des Ausschreibungsverfahrens als Verfahrensart (Entscheidung II), die Ausgestaltung der Vergabebedingungen (Entscheidung III) sowie die Ausgestaltung der Versteigerungs- bzw. Ausschreibungsregeln (Entscheidung IV). Der Beschluss vom 14. Mai 2018 enthält die Entscheidungen I und II für das 2 GHz-Band und das 3,6 GHz-Band. Die Knappheit von Frequenzen, die nach § 55 Abs. 10 TKG Voraussetzung für die Anordnung eines Vergabeverfahrens ist, kann sich daraus ergeben, dass die Bundesnetzagentur auf der Grundlage eines von ihr festgestellten Bedarfs an bestimmten Frequenzen einen zukünftigen Überhang von Zuteilungsanträgen prognostiziert. Die Knappheitsfeststellung setzt regelmäßig eine regulatorische Entscheidung darüber voraus, welche Frequenzen zu gegebener Zeit für einen näher konkretisierten Nutzungszweck bereitgestellt werden. Diese Bereitstellungsentscheidung kann sich auf § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG stützen und hängt deshalb von der Vereinbarkeit der Nutzung mit den Regelungszielen des § 2 Abs. 2 TKG ab. Der Bundesnetzagentur steht dabei ein Beurteilungsspielraum zu, der durch eine Abwägung auszufüllen ist. Als Vorfrage ihrer Vergabeanordnung hat die Präsidentenkammer entschieden, dass die Frequenzen des 2 GHz-Bandes und aus dem 3,6 GHz-Band die Frequenzen im Bereich von 3400 bis 3700 MHz für den drahtlosen Netzzugang im Wege bundesweiter Zuteilungen bereitgestellt werden. Demgegenüber hat die Präsidentenkammer den Bereich von 3700 bis 3800 MHz regionalen und lokalen Zuteilungen vorbehalten. Die Bereitstellungsentscheidung ist nicht deshalb als abwägungsfehlerhaft zu beanstanden, weil sie im Bereich von 2 GHz neben den bereits Ende 2020 freiwerdenden Frequenzen auch diejenigen Frequenzen einbezieht, die noch bis Ende 2025 mit Nutzungsrechten - unter anderem solchen der Klägerin - belegt sind. Auch die Aufteilung des 3,6 GHz-Bandes leidet nicht an einem Abwägungsfehler. Die Anordnung des Vergabeverfahrens für die für bundesweite Zuteilungen bereitgestellten Frequenzen ist rechtmäßig, weil insoweit nach der von der Bundesnetzagentur durchgeführten Bedarfsabfrage und der auf deren Grundlage angestellten Prognose eine Frequenzknappheit besteht. Die Wahl des Versteigerungsverfahren als Vergabeverfahren ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Das Versteigerungsverfahren ist das gesetzlich vorgesehene Regelverfahren für die Vergabe knapper Frequenzen. Nicht zum Streitstoff des von dem Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Verfahrens gehörten die Entscheidungen über die Ausgestaltung der Vergabebedingungen und der Versteigerungsregeln (Entscheidungen III und IV). Diese hat die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur mit Beschluss vom 18. November 2018 getroffen. Die hiergegen gerichteten Klagen sind noch nicht rechtskräftig entschieden. BVerwG 6 C 3.19 - Urteil vom 24. Juni 2020 Vorinstanz: VG Köln, 9 K 4396/18 - Urteil vom 18. Februar 2019 -","Urteil vom 24.06.2020 - BVerwG 6 C 3.19ECLI:DE:BVerwG:2020:240620U6C3.19.0 EN Durchführung eines Vergabeverfahrens in der Form eines Versteigerungsverfahrens für Frequenzen zum Aufbau von 5G-Infrastrukturen Leitsätze: 1. Die Bundesnetzagentur kann, gestützt auf § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG, im Vorfeld konkreter Verfahren zur Vergabe und Zuteilung von Frequenzen regulatorische Entscheidungen des Inhalts treffen, dass zu gegebener Zeit bestimmte Frequenzen zu konkretisierten Nutzungszwecken bereitgestellt werden. Eine Vergabeanordnung nach § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG setzt eine solche Bereitstellung voraus. 2. Die regulatorischen Bereitstellungsentscheidungen ergehen verwaltungsintern, beziehen sich auf Vorfragen von Entscheidungen mit Außenwirkung und werden im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle dieser Entscheidungen inzident überprüft. Rechtsquellen TKG § 2 Abs. 2, §§ 52, 53, 55, 61, 132, 135 VwGO § 42 Abs. 2, § 44a Rahmenrichtlinie Art. 8, Art. 9 Genehmigungsrichtlinie Art. 5, Art. 7 Instanzenzug VG Köln - 18.02.2019 - AZ: VG 9 K 4396/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 24.06.2020 - 6 C 3.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:240620U6C3.19.0] Urteil BVerwG 6 C 3.19 VG Köln - 18.02.2019 - AZ: VG 9 K 4396/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Steiner für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 18. Februar 2019 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin ist eine Mobilfunknetzbetreiberin. Sie wendet sich gegen den Beschluss der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 14. Mai 2018 über die Durchführung eines Vergabeverfahrens in der Form eines Versteigerungsverfahrens für Frequenzen in den Bereichen von 2 GHz und 3,6 GHz. 2 Mit Blick unter anderem auf das Auslaufen der Nutzungsrechte an dem größten Teil der (ursprünglich) in der sogenannten UMTS-Auktion des Jahres 2000 vergebenen Frequenzen im Bereich von 2 GHz zum Ende des Jahres 2020 veröffentlichte die Bundesnetzagentur unter dem 15. Juli 2016 einen ""Frequenzkompass"". Dieser sollte den Rahmen für eine erste Diskussion der interessierten Kreise über das Vorgehen bei dem weiteren Ausbau digitaler Funkinfrastrukturen bilden, insbesondere im Hinblick auf den in der Entwicklung begriffenen 5G-Standard für Mobiltelefonie und mobiles Internet mitsamt den darauf aufbauenden Anwendungen in Gestalt der Vernetzung von Maschinen und Geräten. Unter Berücksichtigung der zu dem Frequenzkompass abgegebenen Stellungnahmen entwickelte die Regulierungsbehörde mit Datum vom 20. Dezember 2016 ""Orientierungspunkte zur Bereitstellung von Frequenzen für den Ausbau digitaler Infrastrukturen"" (Orientierungspunkte) und stellte diese zur öffentlichen Anhörung. Die eingegangenen Kommentierungen bildeten die Grundlage für die von der Behörde erarbeiteten und unter der Einräumung einer weiteren Möglichkeit zu Stellungnahmen veröffentlichten ""Eckpunkte für den Ausbau digitaler Infrastrukturen"" vom 27. Juni 2017 (Eckpunkte). In den Dokumenten wurden sukzessive nicht nur die bis Ende 2020 zugeteilten Frequenzen des 2 GHz-Bandes im Umfang von (aufgerundet) 2 x 40 MHz, sondern auch die noch bis Ende 2025 - überwiegend an die Klägerin - zugeteilten Frequenzen dieses Bandes im Ausmaß von (aufgerundet) 2 x 20 MHz und darüber hinaus die in der Mehrzahl bis Ende 2021 bzw. bis Ende 2022 mit Nutzungsrechten belegten Frequenzen im Bereich von 3 400 bis 3 800 MHz als das Spektrum identifiziert, das nach einer Bereitstellung für den drahtlosen Netzzugang als erste Ressource für Anwendungen nach dem 5G-Standard in Frage komme. Im Ergebnis wurde ins Auge gefasst, die 2 GHz-Frequenzen und die Frequenzen im Bereich von 3 400 bis 3 700 MHz für bundesweite Zuteilungen sowie die Frequenzen im Bereich von 3 700 bis 3 800 MHz für regionale und lokale Zuteilungen bereitzustellen. In den Eckpunkten rief die Bundesnetzagentur die interessierten Unternehmen dazu auf, ihren prognostizierten Bedarf an den für bundesweite Zuteilungen vorgesehenen Frequenzen in den Bereichen von 2 GHz und 3 400 bis 3 700 MHz bis zum 30. September 2017 anzumelden. Nach Ablauf dieser Frist stellte die Behörde fest, dass die Summe der - unter anderem von der Klägerin - angemeldeten Bedarfe den Umfang des in den genannten Bereichen verfügbaren Frequenzspektrums übersteige. 3 Nach zusätzlicher Durchführung eines Konsultationsverfahrens erließ die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur den angegriffenen Beschluss vom 14. Mai 2018 über die ""Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang; Entscheidung gemäß §§ 55 Abs. 4, Abs. 5 und Abs. 10, 61 Abs. 1 und Abs. 2, 132 Abs. 1 und Abs. 3 TKG"". Sie ordnete gemäß § 55 Abs. 10 TKG an, dass der Zuteilung der Frequenzen für den drahtlosen Netzzugang in den Bereichen von 1 920 MHz bis 1 980 MHz (Unterband) und von 2 110 MHz bis 2 170 MHz (Oberband) sowie von 3 400 MHz bis 3 700 MHz ein Vergabeverfahren nach § 61 TKG voranzugehen habe (Entscheidung I). Sie bestimmte ferner, dass das Verfahren nach § 61 Abs. 1 TKG als Versteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 2 TKG durchgeführt werde (Entscheidung II). 4 Die Präsidentenkammer führte zur Begründung der Entscheidung I aus, im Bereich von 2 GHz würden nicht nur die Frequenzen im Umfang von 2 x 40 MHz, die ab dem 1. Januar 2021 im Sinne von § 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 TKG verfügbar seien, sondern auch diejenigen im Umfang von 2 x 20 MHz, die noch bis zum 31. Dezember 2025 mit Nutzungsrechten belegt seien, bereitgestellt. Hierdurch erlangten alle Netzbetreiber frühzeitig Planungs- und Investitionssicherheit, um die gegenwärtige Nutzung der Frequenzen mit UMTS-Technik auf eine solche mit LTE- bzw. 5G-Systemen umzustellen. Damit werde den Regulierungszielen der Wahrung der Nutzer- und Verbraucherinteressen, der Förderung nachhaltig wettbewerbsorientierter Märkte der Telekommunikation, der Beschleunigung des Ausbaus hochleistungsfähiger öffentlicher Telekommunikationsnetze der nächsten Generation sowie der effizienten Frequenznutzung Rechnung getragen. Diesen Zielen diene die frühzeitige gemeinsame Bereitstellung aller 2-GHz-Frequenzen auch deshalb, weil auf diese Weise eine Neuallokation des Bandes erreicht und den Unternehmen der Erwerb eines zusammenhängenden Spektrums sowie wettbewerbsfähiger Frequenzausstattungen ermöglicht werde. Ferner könnten durch die genannte Vorgehensweise alle 2-GHz-Frequenzen in 5-MHz-Blöcken vergeben werden, wodurch das Band im Ganzen der Weiterentwicklung der Technik angepasst und eine effiziente Frequenznutzung gefördert werde. Die Nutzungsrechte an den noch bis Ende 2025 zugeteilten Frequenzen blieben bis zum Ende der Frist aufrechterhalten. Der frühzeitigen Bindung von Investitionsmitteln bei einem Erwerb dieser Frequenzen und allgemein den unterschiedlichen Laufzeiten der derzeitigen Frequenznutzungsrechte sei im Rahmen der noch zu erlassenden Vergabebedingungen bzw. Versteigerungsregeln Rechnung zu tragen. In dem 3,6-GHz-Band seien grundsätzlich alle Frequenzen von 3 400 bis 3 800 MHz zeitnah verfügbar. Im Bereich von 3 400 bis 3 700 MHz bestünden noch bis zum 31. Dezember 2021 befristete faktische bundesweite Zuteilungen sowie ca. 80 regionale und lokale Zuteilungen mit einer Befristung bis längstens zum 31. Dezember 2022. Es sei beabsichtigt, die Verfügbarkeit für neue Zuteilungen vorzeitig ab dem Jahr 2019 herzustellen. Darüber hinaus vorhandene 32 unbefristete regionale Zuteilungen seien in den Bereich von 3 700 bis 3 800 MHz zu verlagern. Der überwiegende Teil des Spektrums im 3,6 GHz-Band im Umfang von 300 MHz - das heißt von 3 400 bis 3 700 MHz - werde für bundesweite Zuteilungen, insbesondere zur Realisierung der Geschäftsmodelle bundesweit tätiger Mobilfunknetzbetreiber bereitgestellt. Der Rest des Spektrums im Umfang von bis zu 100 MHz - im Bereich von 3 700 bis 3 800 MHz - könne zur Realisierung regionaler und lokaler Geschäftsmodelle bereitgestellt werden. Etwa erforderliche Schutzabstände in Bezug auf die benachbarten bundesweiten Nutzungen seien von den regionalen und lokalen Zuteilungsinhabern einzuhalten. Diese Aufteilung entspreche den bereits genannten Regulierungszielen des Telekommunikationsgesetzes. Die Bereitstellung des größeren Teils des Spektrums für bundesweite Zuteilungen gewährleiste wegen der damit verbundenen Vereinheitlichung und Planungssicherheit sowie der Möglichkeit, größere zusammenhängende Frequenzblöcke zu nutzen, die schnellstmögliche und störungsfreie bundesweite Einführung des 5G-Standards. In dem verbleibenden Spektrumsteil von bis zu 100 MHz könnten regionale oder lokale Anwendungen - auch sich erst noch entwickelnde - von Seiten der Industrie, der Verbände sowie kleinerer und mittlerer Unternehmen realisiert werden. Darüber hinaus werde zur Versorgung dünn besiedelter Räume beigetragen. Die Aufteilung des Frequenzbereichs sei das Ergebnis einer Abwägung der vorgetragenen bundesweiten bzw. regionalen und lokalen Bedarfe und werde von der Präsidentenkammer für sachgerecht erachtet. Ihr komme in dieser Hinsicht eine Einschätzungsprärogative zu. Die Bundesnetzagentur entwickele für die regionalen und lokalen Zuteilungen ein Antragsverfahren. In Bezug auf die für bundesweite Zuteilungen bereitgestellten Frequenzen bestehe eine Knappheit im Sinne des § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG. Sowohl für den Bereich von 2 GHz als auch für denjenigen von 3 400 bis 3 700 MHz überstiegen die Bedarfsanmeldungen den Umfang des bereitstehenden Spektrums. Schon auf dieser Grundlage sei die Prognose gerechtfertigt, dass für Zuteilungen kein geeignetes Spektrum vorhanden sei, das im Umfang ausreiche. Diese Prognose könne zudem auf weitere Tatsachen, nämlich das wettbewerbliche Umfeld, die Erwartung steigender Frequenznutzung sowie die technische Entwicklung gestützt werden. Das bei der Anwendung des § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG bestehende Ermessen sei im Sinne des Erlasses einer Vergabeanordnung vorgeprägt und werde mangels durchgreifender Gründe für eine Abweichung entsprechend ausgeübt. Die von ihr getroffene Entscheidung II sah die Präsidentenkammer durch das nach § 61 Abs. 2 Satz 1 TKG anzunehmende Regel-Ausnahme-Verhältnis zu Gunsten des Versteigerungsverfahrens und die unabhängig davon bestehende Eignung dieses Verfahrens zur Sicherstellung der hier relevanten Regulierungsziele gerechtfertigt. 5 Das Verwaltungsgericht hat die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage gegen den Beschluss der Präsidentenkammer abgewiesen. Die Klage sei zulässig, insbesondere fehle es der Klägerin als der derzeitigen Zuteilungsinhaberin und der potentiell Begünstigten einer nicht auszuschließenden Verlängerung von in den Beschluss einbezogenen Frequenzen nicht an der erforderlichen Klagebefugnis. 6 Die Klage sei jedoch unbegründet. Die Anordnung des Vergabeverfahrens - die Entscheidung I - finde ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG. Es bestehe eine Frequenzknappheit im Sinne der ersten Alternative der Vorschrift. Die Bundesnetzagentur habe auf der Grundlage einer nicht zu beanstandenden Ermittlung des Frequenzbedarfs unter fehlerfreier Ausübung des ihr nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insoweit zustehenden Beurteilungsspielraums die Prognose getroffen, dass im Zuteilungszeitpunkt eine das verfügbare Frequenzspektrum übersteigende Anzahl von Zuteilungsanträgen gestellt sein werde, und sodann das Vergabeverfahren ermessensfehlerfrei angeordnet. Das von der Bundesnetzagentur durchgeführte Bedarfsermittlungsverfahren sei nicht deshalb fehlerbehaftet, weil die Behörde in dieses Verfahren auch Frequenzen einbezogen habe, die derzeit noch für einen längeren Zeitraum -insbesondere der Klägerin - zugeteilt und deshalb nicht verfügbar im Sinne des § 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 TKG seien. Die Verfügbarkeit müsse nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht bereits im Zeitpunkt der Anordnung eines Vergabeverfahrens nach § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG, sondern erst vor der Zuteilung der Frequenzen gemäß § 55 TKG gegeben sein. Es lasse sich nicht normativ herleiten, dass zwischen einer Bedarfsmeldung im Rahmen eines förmlichen Bedarfsermittlungsverfahrens bzw. der Anordnung eines Vergabeverfahrens und der Zuteilung hiervon betroffener Frequenzen lediglich ein bestimmter Zeitabstand liegen dürfe. Insbesondere beträfen die in § 55 Abs. 4 Satz 4 TKG und § 61 Abs. 7 Satz 1 TKG vorgesehenen Fristen, ohne diesbezüglich in Widerspruch zu den zu Grunde liegenden unionsrechtlichen Bestimmungen zu geraten, allein die Entscheidung über Anträge auf Zuteilung von Frequenzen. Die Präsidentenkammer habe ferner die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums im Hinblick auf die Prognose eines Überhangs von Frequenzzuteilungsanträgen zum maßgeblichen Zuteilungszeitpunkt eingehalten. Sie habe in Bezug auf ihre Entscheidung, noch mit Nutzungsrechten belegte Frequenzen zum Gegenstand der Anordnung eines Vergabeverfahrens zu machen, weder den Sachverhalt unvollständig oder unzutreffend ermittelt noch das Willkürverbot verletzt. Ebenso wenig sei es beurteilungsfehlerhaft gewesen, die Frequenzen im Bereich von 3 700 bis 3 800 MHz nicht in die Vergabeanordnung einzubeziehen. Insoweit handele es sich der Sache nach um eine Entscheidung über den von der Anordnung eines Vergabeverfahrens erfassten Frequenzumfang. Eine derartige Entscheidung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Bestandteil der Prognose einer mangelnden Verfügbarkeit von Frequenzen nach § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG, die die Bewertung einschließe, dass der betreffende Frequenzumfang zur Erbringung von Leistungen in einem wettbewerblichen Umfeld ausreichend sei. Die Annahme eines Beurteilungsfehlers verbiete sich vor allem deswegen, weil sich der angegriffene Beschluss zu dem Bereich von 3 700 bis 3 800 MHz nicht mit regelnder Wirkung verhalte. Die Präsidentenkammer habe auch das Ermessen, das ihr § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG in Bezug auf die Vergabeanordnung einräume und im Sinne des Erlasses einer solchen Anordnung vorpräge, fehlerfrei ausgeübt. Insbesondere sei eine Verwaltungspraxis der Bundesnetzagentur, noch für mehrere Jahre zugeteilte Frequenzen nicht in ein Vergabeverfahren einzubeziehen, nicht erkennbar. Jedenfalls liege ein sachlicher Grund für eine Modifizierung darin, dass die gemeinsame Vergabe aller Frequenzen namentlich im Bereich von 2 GHz der Planungs- und Investitionssicherheit diene. Es entspreche ferner nicht der Praxis der Bundesnetzagentur, die Zuteilung von Frequenzen zu verlängern, anstatt ein Vergabeverfahren durchzuführen. Das Diskriminierungsverbot sei nicht verletzt. Die unterschiedliche Restzuteilungsdauer der in das Vergabeverfahren einbezogenen Frequenzen betreffe deren Verfügbarkeit und sei wie diese für die Vergabeanordnung grundsätzlich ohne Belang. Die Erwartung der Klägerin, für die Dauer der Zuteilung von Frequenzen nicht erneut mit Investitionskosten belastet zu werden, sei nicht schutzwürdig, so dass in ihrer Enttäuschung keine Verletzung des Diskriminierungsverbots liege. 7 Ebenfalls rechtmäßig, weil von § 61 Abs. 1 Satz 1 TKG getragen, sei die von der Präsidentenkammer als Entscheidung II getroffene Bestimmung, das Vergabeverfahren als Versteigerungsverfahren und nicht als Ausschreibungsverfahren durchzuführen. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass ein Fallbeispiel des § 61 Abs. 2 Satz 2 TKG vorliege oder das Versteigerungsverfahren aus sonstigen Gründen für die Sicherstellung der Regulierungsziele des § 2 TKG nicht geeignet sei. 8 Die Klägerin verfolgt mit ihrer von dem Verwaltungsgericht zugelassenen Revision ihr Begehren auf Aufhebung des Beschlusses der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 14. Mai 2018 weiter. Sie macht im Wesentlichen mit drei Sachrügen eine Verletzung des revisiblen Telekommunikationsrechts geltend. 9 Erstens habe es das Verwaltungsgericht fälschlich für rechtmäßig erachtet, dass die Präsidentenkammer auch diejenigen Frequenzen im Bereich von 2 GHz in das Vergabeverfahren einbezogen habe, die noch bis zum 31. Dezember 2025 - überwiegend der Klägerin - zur Nutzung zugeteilt seien. Das Vergabeverfahren sei nicht objektiv, wie es § 55 Abs. 1 Satz 3 TKG und Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 2 der Genehmigungsrichtlinie verlangten, und genüge nicht den Anforderungen der Rechtsschutzgarantie des Art. 4 der Rahmenrichtlinie, wenn die Präsidentenkammer - abgesehen von dem seitens des Verwaltungsgerichts herangezogenen Maßstab der evidenten Willkür - keinen nachprüfbaren rechtlichen Bindungen im Hinblick darauf unterliege, wann bzw. wie weit im Voraus sie ein Vergabeverfahren anordnen dürfe. Es müsse ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Anordnung bzw. Durchführung des Vergabeverfahrens und der anschließenden Zuteilung einer vergebenen Frequenz unter der Voraussetzung der Verfügbarkeit nach § 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 TKG bestehen. Insoweit könne für den Regelfall die Frist von acht Monaten, auf die nach § 61 Abs. 7 Satz 1 TKG die sechswöchige Zuteilungsfrist des § 55 Abs. 4 Satz 4 TKG längstens verlängert werden könne, herangezogen werden. Alternativ könnten die Fristen in den Blick genommen werden, die in § 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 TKG, Art. 49 Abs. 2 Unterabs. 6 der bis Ende 2020 umzusetzenden Richtlinie (EU) 2018/1972 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation bzw. § 46 Abs. 3 Satz 1 EnWG ausgeworfen seien. 10 Zweitens habe das Verwaltungsgericht nicht erkannt, dass die Präsidentenkammer nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor dem Hintergrund des § 55 Abs. 10 TKG eine Entscheidung zu treffen gehabt hätte, die den gesamten, funktionell zusammengehörigen Bereich der absehbar verfügbaren Frequenzen von 3 400 bis 3 800 MHz umfasst hätte. Die Kammer habe jedoch eine Entscheidung nur für den Bereich von 3 400 bis 3 700 MHz für bundesweite Nutzungen getroffen und wolle die Frequenzen von 3 700 bis 3 800 MHz ohne Bedarfsermittlung und ohne eine vorherige Präsidentenkammerentscheidung nicht nach Maßgabe eines Vergabeverfahrens, sondern auf bloße Anträge hin für regionale und lokale Nutzungen zuteilen lassen. 11 Drittens habe das Verwaltungsgericht der Präsidentenkammer im Ergebnis ein Letztentscheidungsrecht im Hinblick auf die Frage zugebilligt, in welchem Umfang bei erwarteter Frequenzknappheit prinzipiell verfügbare Frequenzen in das Vergabeverfahren einbezogen würden bzw. ob bestimmte Frequenzen überhaupt im Sinne des § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG verfügbar seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei jedoch die Feststellung des verfügbaren Frequenzspektrums als Teil der Bedarfsfeststellung gerichtlich voll überprüfbar. Ein regulierungsbehördlicher Spielraum bestehe nur im Rahmen der Prognose des Umfangs, wie viele Anträge auf Frequenzzuteilung zum maßgeblichen Zuteilungszeitpunkt gestellt werden würden. Auch das behördliche Verfahrensermessen nach § 22 VwVfG stütze die Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht. Es betreffe allein die Frage, ob und wann ein Verwaltungsverfahren eingeleitet werde. Es verschaffe der Präsidentenkammer keinen Entscheidungsspielraum darüber, in welchem Umfang sie Frequenzen in ein Vergabeverfahren einbeziehe. 12 Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. II 13 Die zulässige Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage gegen den Beschluss der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 14. Mai 2018 im Einklang mit Bundesrecht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO für zulässig erachtet (1.). In der Sache hat das Verwaltungsgericht gegen die Entscheidung I des Beschlusses, die auf § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190) in seiner hier maßgeblichen Fassung durch das Gesetz vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618) gestützte Anordnung eines Vergabeverfahrens, zu Recht keine formell-rechtlichen Bedenken erhoben. In materiell-rechtlicher Hinsicht ergibt zwar die Begründung, mit der das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung bejaht hat, eine Verletzung von Bundesrecht; das Urteil stellt sich insoweit aber aus anderen Gründen als richtig dar. Die Revision ist deshalb diesbezüglich nach § 144 Abs. 4 VwGO zurückzuweisen (2.). Die auf der Grundlage von § 61 Abs. 1 und 2 TKG erlassene Entscheidung II des Beschlusses, die Auswahl des Versteigerungsverfahrens als Verfahrensart, hat das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit Bundesrecht unbeanstandet gelassen. Dies hat insoweit die Zurückweisung der Revision nach § 144 Abs. 2 VwGO zur Folge (3.). 14 1. Die von der Klägerin gegen den Beschluss der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 14. Mai 2018 erhobene Anfechtungsklage ist statthaft (a.). Die Klägerin ist nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt (b.). 15 a. Die Klägerin greift die Entscheidungen I und II des Beschlusses in statthafter Weise mit der Anfechtungsklage an. Diese gehören von ihrer Art her zu den vier Entscheidungen, die die Bundesnetzagentur, wenn knappe Frequenzen im Wege eines Vergabeverfahrens vergeben werden sollen, auf der Grundlage von § 55 Abs. 10 sowie § 61 TKG durch ihre hierfür nach § 132 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 TKG zuständige Präsidentenkammer treffen muss: Die Anordnung eines Vergabeverfahrens (Entscheidung I), die Wahl des Versteigerungsverfahrens oder des Ausschreibungsverfahrens als Verfahrensart (Entscheidung II), die Ausgestaltung der Vergabebedingungen (Entscheidung III) sowie die Ausgestaltung der Versteigerungs- bzw. Ausschreibungsregeln (Entscheidung IV). Bei allen diesen Entscheidungen handelt es sich nicht um bloße Verfahrenshandlungen, die nach § 44a Satz 1 VwGO nur gleichzeitig mit der Frequenzzuteilung als abschließender Sachentscheidung angreifbar wären, sondern um selbständig anfechtbare Verwaltungsakte in der Gestalt von Allgemeinverfügungen. Das Telekommunikationsgesetz folgt in diesem Zusammenhang nicht dem Modell der Rechtsschutzkonzentration, wie es § 44a Satz 1 VwGO zu Grunde liegt, sondern dem Modell des gestuften Verfahrens, in welchem das zu bewältigende Gesamtproblem phasenweise abgearbeitet und konkretisiert wird, wobei die jeweils vorangegangenen, je für sich anfechtbaren und der selbständigen Bestandskraft fähigen Stufen das sachliche Fundament für die nachfolgenden Verfahrensschritte bilden (grundlegend: BVerwG, Urteil vom 1. September 2009 - 6 C 4.09 - BVerwGE 134, 368 Rn. 20 ff.). 16 b. Der Klägerin fehlt es für die Anfechtung der Entscheidungen I und II des Beschlusses nicht an der nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis. Der Senat hat in seiner Rechtsprechung eine Klagebefugnis in Bezug auf eine Vergabeanordnung wie auch eine Entscheidung über die Auswahl des Versteigerungsverfahrens für Unternehmen bejaht, die bereits vor Erlass dieser Entscheidungen einen noch nicht bestandskräftig abgelehnten Antrag auf eine Zuteilung bzw. Zuteilungsverlängerung der betroffenen Frequenzen gestellt hatten. Er hat dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass sich zunächst ein Anspruch auf Zuteilung einer Frequenz aus § 55 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 TKG mit Erlass einer Vergabeanordnung nach § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG in einen bloßen Anspruch auf chancengleiche Teilnahme an dem Vergabeverfahren umwandelt und sodann die Wahl des Versteigerungsverfahrens nach § 61 Abs. 1 und 2 TKG die aus diesem Anspruch sowie aus dem Diskriminierungsverbot des § 55 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 61 Abs. 7 Satz 1 TKG folgende materielle Rechtsposition weiter dadurch berührt, dass der Frequenzzugang auf einen Erwerb im Wege des Höchstgebots verengt wird (BVerwG, Urteile vom 1. September 2009 - 6 C 4.09 - BVerwGE 134, 368 Rn. 15 ff., 18 f., vom 23. März 2011 - 6 C 6.10 - BVerwGE 139, 226 Rn. 13, vom 22. Juni 2011 - 6 C 3.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 6 Rn. 14 und vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 19). 17 Das Verwaltungsgericht hat erkannt, dass ein noch im Raum stehender Zuteilungs- oder Verlängerungsantrag zwar eine hinreichende, aber keine notwendige Voraussetzung für die Annahme einer aus den genannten Vorschriften abgeleiteten Klagebefugnis darstellt. Dies liegt in einer Konstellation wie der vorliegenden, in der ein Vergabeverfahren angeordnet und als Verfahrensart das Versteigerungsverfahren ausgewählt worden ist, bevor für die betroffenen Frequenzen Zuteilungs- oder Verlängerungsanträge gestellt worden sind, auf der Hand. Dabei ist der Ansatz des Verwaltungsgerichts, das auf eine mögliche Verlängerung bisher zugeteilter, von der Vergabeanordnung erfasster Frequenzen abgestellt hat, zu erweitern. Es ist generell als ausreichend zu erachten, dass ein Unternehmen seine Absicht zur Nutzung der zu vergebenden Frequenzen plausibel dargelegt hat, die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Entscheidungen nach seinem Klagevortrag möglich erscheint und eine Frequenzzuteilung nicht aus anderen Gründen offensichtlich ausgeschlossen ist. Auch anhand dieser Voraussetzungen lassen sich diejenigen Fälle sicher ausscheiden, in denen es den jeweiligen Klägern nicht um die Zuteilung der zur Vergabe stehenden Frequenzen zur eigenen Nutzung, sondern um andere Ziele wie die Verhinderung von Störungen durch die Nutzung der Frequenzen nach deren Zuteilung geht (zur Verneinung der Klagebefugnis in diesen Fällen: BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 19). Dass die besagten Voraussetzungen im Fall der Klägerin erfüllt sind, unterliegt keinem Zweifel. 18 2. Die Regelungswirkung der Entscheidung I des Beschlusses der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 14. Mai 2018 beschränkt sich auf die Anordnung eines Vergabeverfahrens in Bezug auf die Frequenzen in den Bereichen von 2 GHz und von 3 400 bis 3 700 MHz. Über die Bereitstellung von konturierten Frequenzbereichen für differenzierte Nutzungszwecke im Rahmen des drahtlosen Netzzugangs hat die Präsidentenkammer als Vorfrage ohne Rechtswirkung nach außen entschieden (a.). Die Vergabeanordnung wird von § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG getragen. Sie ist formell rechtmäßig (b.) und steht - auch im Hinblick auf die ihr zu Grunde liegende interne und inzident zu überprüfende regulatorische Bereitstellungsentscheidung - im Einklang mit materiellem Telekommunikationsrecht (c.). 19 a. Die Präsidentenkammer hat in der Entscheidung I des angegriffenen Beschlusses mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen allein ein Vergabeverfahren für die in dem Entscheidungstenor genannten Frequenzen in den Bereichen von 2 GHz und von 3 400 bis 3 700 MHz angeordnet, nicht aber die Bereitstellung dieser Frequenzen - bei 2 GHz sowohl der bis Ende 2020 als auch der bis Ende 2025 mit Nutzungsrechten belegten - für bundesweite Zuteilungen oder der Frequenzen im Bereich von 3 700 bis 3 800 MHz für regionale und lokale Zuteilungen im Rahmen des drahtlosen Netzzugangs mit bindender Außenwirkung geregelt. 20 Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist entsprechend § 133 und § 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Bei der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen, insbesondere auch die Begründung des Verwaltungsakts. Die Begründung hat einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Regelungsgehalt. Sie ist die Erläuterung der Behörde, warum sie den verfügenden Teil - den Tenor - ihres Verwaltungsakts so und nicht anders erlassen hat. Die Begründung bestimmt damit den Inhalt der getroffenen Regelung mit, so dass sie in aller Regel unverzichtbares Auslegungskriterium ist (stRspr, BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2013 - 8 C 21.12 - BVerwGE 148, 146 Rn. 14 m.w.N.). Indes verbietet es sich ebenso regelmäßig, bei einem keinen Auslegungsspielraum eröffnenden Erklärungsinhalt des Tenors eines Verwaltungsakts dessen Begründung einen weitergehenden, mit einer Anfechtungslast verbundenen Regelungsgehalt zu entnehmen (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 27). 21 Nach diesen Maßstäben beschränkt sich der Regelungsgehalt der Entscheidung I des angegriffenen Beschlusses auf die in dem Entscheidungstenor getroffene Vergabeanordnung für die Frequenzen in den Bereichen von 2 GHz und von 3 400 bis 3 700 MHz. Der Tenor geht hierüber nach seinem eindeutigen Erklärungsgehalt nicht hinaus. Schon der in ihm enthaltene Bezug auf den drahtlosen Netzzugang als generellem Nutzungszweck der bezeichneten Frequenzen hat einen bloßen Hinweischarakter und nimmt am Regelungsgehalt der Anordnung nicht teil (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Juni 2011 - 6 C 3.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 6 Rn. 39 f. und vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 23). Erst recht ausgeschlossen ist eine Auslegung der Entscheidung I in dem Sinne, dass die Präsidentenkammer in Konkretisierung des Hinweises auf den generellen Frequenznutzungszweck des drahtlosen Netzzugangs neben der Vergabeanordnung eine in dem Entscheidungstenor in keiner Weise aufscheinende eigenständige Regelung mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen über die differenzierte Bereitstellung von konturierten Frequenzbereichen einerseits für bundesweite, andererseits für regionale und lokale Zuteilungen getroffen hätte. Obwohl die Erwägungen zur Bereitstellung sowohl der bis Ende 2020 als auch der bis Ende 2025 zugeteilten Frequenzen im Bereich von 2 GHz und der Frequenzen im Bereich von 3 400 bis 3 700 MHz für bundesweite Zuteilungen sowie der Frequenzen im Bereich von 3 700 bis 3 800 MHz für regionale und lokale Zuteilungen den größten Teil der auf die Entscheidung I bezogenen Begründung des Beschlusses vom 14. Mai 2018 einnehmen, können sie nur als Ausführungen zur Klärung der Vorfrage verstanden werden, auf welche Frequenzen sich im vorliegenden Fall die Feststellung einer Frequenzknappheit als Voraussetzung der getroffenen Vergabeanordnung bezieht. Die Präsidentenkammer hat diese Klärung durch ihre inzidente Bereitstellungsentscheidung dahingehend vorgenommen, dass der Bezugspunkt der Knappheitsfeststellung durch - sämtliche - Frequenzen im Bereich von 2 GHz und die Frequenzen im Bereich von 3 400 bis 3 700 MHz für bundesweite Zuteilungen im Rahmen des drahtlosen Netzzugangs gebildet wird, in Abgrenzung vor allem von den für regionale und lokale Zuteilungen bereitgestellten Frequenzen im Bereich von 3 700 bis 3 800 MHz. 22 b. Die dergestalt als Entscheidung I des angegriffenen Beschlusses auf der Grundlage von § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG ergangene Vergabeanordnung ist formell rechtmäßig. Insbesondere konnte sie die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur, die gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 TKG für ihren Erlass zuständig war, ohne vorherige Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung treffen. Zwar bestimmt § 135 Abs. 3 Satz 1 TKG, dass die Beschlusskammern der Bundesnetzagentur - vorbehaltlich eines hier nicht ersichtlichen Verzichts der Beteiligten - auf Grund einer solchen Verhandlung entscheiden. Jedoch wird § 135 Abs. 3 Satz 1 TKG im Zusammenhang mit dem Erlass einer Vergabeanordnung durch die speziellere Norm des § 55 Abs. 10 Satz 2 TKG verdrängt, die vorschreibt, dass vor der Entscheidung die betroffenen Kreise anzuhören sind. Diese Anhörungspflicht dient - anders als die Konsultationspflicht gegenüber der interessierten Fachöffentlichkeit gemäß Art. 6 der Richtlinie 2002/21/EG - Rahmenrichtlinie und § 12 Abs. 1 TKG - vorrangig dem Schutz individueller Interessen und trifft sich deshalb mit dem Schutzzweck des § 135 Abs. 3 Satz 1 TKG (in diesem Sinn bereits: BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 6 C 3.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 6 Rn. 23; vgl. im Übrigen etwa: Fademrecht/Fetzer, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich , TKG, 2. Aufl. 2015, § 135 Rn. 7). Sie ist hier dadurch erfüllt worden, dass die Bundesnetzagentur vor Erlass des Beschlusses vom 14. Mai 2018 den Frequenzkompass vom 15. Juli 2016, die Orientierungspunkte vom 20. Dezember 2016 sowie die Eckpunkte vom 27. Juni 2017 zur Anhörung gestellt hat. 23 c. In materiell-rechtlicher Hinsicht kann bei der Anwendung der Frequenzordnung nach §§ 52 ff. TKG (aa.) mit Blick auf die Wahrung der Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 TKG das Bedürfnis entstehen, dass die Bundesnetzagentur in Ergänzung der Frequenzplanung im engeren Sinne und im Vorfeld konkreter Verfahren zur Vergabe und Zuteilung von Frequenzen eine regulatorische Entscheidung trifft, derzufolge zu gegebener Zeit ein bestimmtes Frequenzspektrum für einen näher konkretisierten Nutzungszweck bereitgestellt wird. Vor einer Vergabeanordnung, die - wie im vorliegenden Fall - auf § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG gestützt ist, ist eine solche Bereitstellungsentscheidung stets notwendig. Das Unionsrecht setzt die Zulässigkeit derartiger regulatorischer Bereitstellungsentscheidungen voraus (bb.). Diese Bereitstellungsentscheidungen haben keine eigenständige Regelungswirkung nach außen. Sie beziehen sich auf Vorfragen von Entscheidungen mit Außenwirkung und werden im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle dieser Entscheidungen inzident überprüft. Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts gilt für die Bereitstellung konkreter Frequenzen im Zusammenhang mit einem Vergabeverfahren nichts Anderes (cc.). Die Rechtsgrundlage für die regulatorischen Bereitstellungsentscheidungen kann im Rahmen der Frequenzordnung nach §§ 52 ff. TKG nur in der Vorschrift des § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG gefunden werden. Durch diese wird den zuständigen Entscheidungsträgern der Bundesnetzagentur ein Beurteilungsspielraum eingeräumt (dd.). An diesen Maßstäben gemessen, weist im vorliegenden Fall die Entscheidung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur, im Rahmen des drahtlosen Netzzugangs sämtliche Frequenzen im Bereich von 2 GHz und im Bereich von 3,6 GHz die Frequenzen von 3 400 bis 3 700 MHz für bundesweite Zuteilungen in Abgrenzung zu den Frequenzen von 3 700 bis 3 800 MHz für regionale und lokale Zuteilungen bereitzustellen, keine Rechtsfehler auf und führt deshalb als solche nicht zur Rechtswidrigkeit der Vergabeanordnung, die sich auf die für bundesweite Zuteilungen bereitgestellten Frequenzen bezieht (ee.). Die Präsidentenkammer hat ferner für die für bundesweite Zuteilungen bereitgestellten Frequenzen in nicht zu beanstandender Weise eine Knappheitssituation nach Maßgabe des § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG festgestellt (ff.). Sie hat das Ermessen, das ihr durch diese Vorschrift eingeräumt wird, mit dem Erlass der angefochtenen Vergabeanordnung fehlerfrei ausgeübt (gg.). 24 aa. Die Nutzung von Frequenzen als einer knappen Ressource wird in der Frequenzordnung nach §§ 52 ff. TKG einer Regulierung sowie einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterworfen (BT-Drs. 15/2316 S. 77). Die Vorschriften setzen unter anderem die die Frequenznutzung betreffenden unionsrechtlichen Vorgaben um, die insbesondere in der Richtlinie 2002/20/EG - Genehmigungsrichtlinie enthalten sind (BT-Drs. 15/2316 S. 55). Nach dem normativen Ansatz der durch § 52 Abs. 1 TKG vorgenommenen Aufgabenzuweisung lassen sich im Grundsatz eine Planungsebene sowie eine Zuteilungsebene unterscheiden (Hahn/Hartl/Dorsch, in: Scheurle/Mayen , TKG, 3. Aufl. 2018, § 52 Rn. 7, § 53 Rn. 1). Auf der Planungsebene werden in der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 53 Abs. 1 Satz 1 TKG von der Bundesregierung erlassenen Frequenzverordnung vom 27. August 2013 (BGBl. I S. 3326), vor dem angegriffenen Beschluss vom 14. Mai 2018 zuletzt geändert durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Frequenzverordnung vom 6. November 2017 (BGBl. I S. 3733), Frequenzbereiche einzelnen Funkdiensten und anderen Anwendungen elektromagnetischer Wellen zugewiesen. Dies geschieht gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 TKG unter Berücksichtigung der internationalen Übereinkünfte einschließlich der Vollzugsordnung für den Funkdienst, der europäischen Harmonisierung sowie der technischen Entwicklung. Des Weiteren erstellt nach § 54 Abs. 1 Satz 1 TKG die Bundesnetzagentur auf der Grundlage der Frequenzverordnung den Frequenzplan. In diesem Plan werden die Frequenzbereiche und die ihnen zugeordneten Frequenznutzungen konkretisiert und untergliedert sowie darauf bezogene Nutzungsbestimmungen umschrieben. Gemäß § 54 Abs. 2 TKG sind Frequenzen für den drahtlosen Netzzugang zu Telekommunikationsdiensten grundsätzlich so auszuweisen, dass alle hierfür vorgesehenen Technologien verwendet werden dürfen und alle Arten von Telekommunikationsdiensten zulässig sind. 25 Auf der Zuteilungsebene bestimmt § 55 Abs. 1 Satz 1 TKG, dass grundsätzlich jede Frequenznutzung der vorherigen Frequenzzuteilung bedarf. Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 3 TKG erfolgt die Frequenzzuteilung zweckgebunden nach Maßgabe des Frequenzplans und diskriminierungsfrei auf der Grundlage nachvollziehbarer und objektiver Verfahren. Sie wird durch Verwaltungsakt vorgenommen, nach der Bestimmung des § 55 Abs. 2 TKG in der Regel von Amts wegen in der Form der Allgemeinzuteilung und, soweit dies nicht möglich ist, nach § 55 Abs. 3 TKG auf Antrag durch Einzelzuteilung. Die Voraussetzungen für die Einzelzuteilung einer Frequenz bestehen gemäß § 55 Abs. 5 Satz 1 TKG in der Vereinbarkeit der vorgesehenen Nutzung mit dem Frequenzplan, der Verfügbarkeit der Frequenz, der Verträglichkeit der vorgesehenen Nutzung mit anderen Nutzungen sowie der Sicherstellung einer effizienten und störungsfreien Nutzung. Nach § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG kann eine Frequenzzuteilung ganz oder teilweise versagt werden, wenn die vom Antragsteller beabsichtigte Nutzung mit den Regulierungszielen nach § 2 (Abs. 2) TKG nicht vereinbar ist. Sind die Voraussetzungen nach § 55 Abs. 5 Satz 1 TKG erfüllt und stehen Hinderungsgründe im Sinne des § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG nicht entgegen, besteht ein Anspruch auf (Einzel-) Zuteilung einer Frequenz (BT-Drs. 15/2316 S. 77 f.; Göddel, in: Geppert/Schütz , Beck'scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 55 Rn. 25, 30). 26 Für den Fall der Knappheit von Frequenzen ist deren Zuteilung gemäß § 55 Abs. 10 TKG und nach Maßgabe der oben genannten vier Entscheidungen ein Vergabeverfahren im Sinne des § 61 TKG vorzuschalten. Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 3 TKG ist die Frequenzzuteilung nach § 55 TKG nach der Durchführung dieses Verfahrens vorzunehmen. Die Frequenzknappheit, die in § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG für die Anordnung eines Vergabeverfahrens vorausgesetzt wird, kann sich entweder - nach der zweiten Alternative der Vorschrift - aus der bereits feststehenden Tatsache eines Zuteilungsantragsüberhangs oder - nach der von der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur im vorliegenden Fall herangezogenen ersten Alternative der Norm - aus der Prognose eines Mangels an für Zuteilungen verfügbaren Frequenzen ergeben. Die gemäß § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG anzustellende Prognose bezieht sich unter Berücksichtigung des Gesetzeswortlauts wie auch des systematischen Zusammenhangs der beiden Fallvarianten der Vorschrift darauf, dass im Zuteilungszeitpunkt eine das verfügbare Frequenzspektrum übersteigende Anzahl von Zuteilungsanträgen gestellt sein wird. Grundlage dieser Prognose ist die Feststellung eines überschießenden Frequenzbedarfs. Bei dieser Feststellung als solcher steht der Präsidentenkammer ein Beurteilungsspielraum nicht zu. Anders als bei der Prognose selbst, die die Bewertung eines ausreichenden Frequenzumfangs zur Erbringung von Leistungen in einem wettbewerblichen Umfeld einschließt, zählt die Bedarfsfeststellung als solche zu der entscheidungserheblichen Tatsachengrundlage, die wirklich gegeben und nicht nur vertretbar angenommen worden sein muss (BVerwG, Urteile vom 23. März 2011 - 6 C 6.10 - BVerwGE 139, 226 Rn. 19 ff. und vom 22. Juni 2011 - 6 C 3.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 6 Rn. 26 ff., Beschluss vom 9. Juni 2015 - 6 B 59.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​090615B6B59.14.0] - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 11 Rn. 12). Das Rechtsfolgeermessen, das § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG der Präsidentenkammer in Bezug auf die Anordnung eines Vergabeverfahrens bei bestehender Frequenzknappheit einräumt, hat einen nur eingeschränkten Umfang. Es ist regelmäßig im Sinne des Erlasses einer Vergabeanordnung vorgeprägt. Dementsprechend darf nur ausnahmsweise unter Berücksichtigung der Regulierungsziele von dem Erlass einer Vergabeanordnung abgesehen werden (BVerwG, Urteile vom 26. Januar 2011 - 6 C 2.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 3 Rn. 25, vom 23. März 2011 - 6 C 6.10 - BVerwGE 139, 226 Rn. 23, vom 22. Juni 2011 - 6 C 3.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 6 Rn. 35 und vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 36). 27 bb. Der Senat hat in seiner Rechtsprechung hervorgehoben, dass nach der Aufgabenzuweisung des § 52 Abs. 1 TKG nicht nur die Frequenzplanung im Rahmen der auf der Grundlage des § 53 TKG erlassenen Frequenzverordnung und des nach Maßgabe des § 54 TKG ergangenen Frequenzplans, sondern auch die einzelnen Frequenzzuteilungen dem Zweck dienen, eine effiziente und störungsfreie Frequenznutzung sicherzustellen sowie die in § 2 (Abs. 2) TKG genannten weiteren Regulierungsziele zu erreichen (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2011 - 6 C 2.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 3 Rn. 26). Der Senat hat hierdurch verdeutlicht, dass vorausschauendes regulatorisches Handeln schon wegen der Weite und Flexibilität der planerischen Vorgaben für die Art der Frequenznutzung, die im Zusammenhang auch mit der durch § 53 Abs. 2 TKG allgemein (BT-Drs. 17/5707 S. 71) und durch § 54 Abs. 2 TKG speziell für den drahtlosen Netzzugang vorgegebenen Technologie- und Diensteneutralität stehen (dazu: Marwinski, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich , TKG, 2. Aufl. 2015, § 54 Rn. 17), nicht auf die Planungsebene der Frequenzordnung beschränkt bleiben kann. Hinzu kommt, dass es auf dieser Ebene keinerlei Vorgaben für die Nutzung von Frequenzen in zeitlicher Hinsicht gibt. 28 Die durch den Mangel an planerischen Vorgaben bedingten Unsicherheiten für die Verwirklichung der Regulierungsziele können indes nicht stets dadurch ausgeglichen werden, dass die Bundesnetzagentur im Sinne des genannten, von dem Senat umschriebenen Grundsatzes im Einzelfall einen die Voraussetzungen des § 55 Abs. 5 Satz 1 TKG erfüllenden Antrag auf Zuteilung einer Frequenz gemäß § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG unter Verweis auf die Unvereinbarkeit der beabsichtigten Nutzung mit den Regulierungszielen ganz oder teilweise abschlägig bescheiden kann. Vor diesem Hintergrund ist in der praxisorientierten Literatur anerkannt, dass es, um gleichsam reflexartige Zuteilungen verfügbarer Frequenzen und insbesondere eine Verschwendung wertvoller Ressourcen zu vermeiden, gegebenenfalls einer Steuerung von Frequenzzuteilungen unter Berücksichtigung der Regulierungsziele in einer über die Grenzen des konkreten Falles hinausweisenden Zusammenschau bedarf (Hahn/Hartl/Dorsch, in: Scheurle/Mayen , TKG, 3. Aufl. 2018, § 55 Rn. 40, 99; vgl. auch: Marwinski, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich , TKG, 2. Aufl. 2015, § 55 Rn. 27b; kritisch: Ruthig, ebendort, § 61 Rn. 9). Das Mittel hierfür sind regulatorische Entscheidungen der Bundesnetzagentur mit dem Inhalt, dass bestimmte Frequenzen zu gegebener Zeit für einen die weiten planerischen Vorgaben konkretisierenden Nutzungszweck bereitgestellt werden. Der Senat hat einer solchen Steuerung ungeachtet vereinzelter, in eine andere Richtung deutender Äußerungen (BVerwG, Urteile vom 22. Juni 2011 - 6 C 3.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 6 Rn. 39 und vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 41) keine Absage erteilt. Vielmehr hat er anerkannt, dass die Bundesnetzagentur dafür Sorge tragen muss, dass der einzelne Frequenzzuteilungsempfänger ein ausreichend großes und auch sonst geeignetes Frequenzspektrum erhält, um es auch tatsächlich in einem wirtschaftlich sinnvollen Rahmen nutzen zu können, und dass sie zuteilungsreife Frequenzen zurückhalten darf, bis ein ausreichend vergabefähiges Frequenzspektrum verfügbar ist (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2011 - 6 C 2.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 3 Rn. 26, 29). 29 Stets notwendig ist eine Bereitstellungsentscheidung der hier in Rede stehenden Art, wenn die Frage einer Knappheit der jeweiligen Frequenzen und damit der Erlass einer Vergabeanordnung im Raum steht und eine solche Anordnung, falls erforderlich, auf der Grundlage von § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG ergehen soll. Die Knappheitsprüfung hinge ohne eine Definition ihres Bezugspunktes in der Luft. In diesem Zusammenhang hat der Senat die Bundesnetzagentur für befugt erachtet, ein bestimmtes Frequenzspektrum gezielt zahlenmäßig zu beschränken und damit eine künstliche Knappheit hervorzurufen (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2011 - 6 C 2.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 3 Rn. 26; ebenso: Göddel, in: Geppert/Schütz , Beck'scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 55 Rn. 17; Marwinski, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich , TKG, 2. Aufl. 2015, § 55 Rn. 47). 30 Der Senat hat die zuletzt genannte Berechtigung aus dem der Frequenzordnung der §§ 52 ff. TKG zu Grunde liegenden Unionsrecht hergeleitet (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2011 - 6 C 2.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 3). Hieran kann festgehalten und ergänzt werden, dass das Unionsrecht generell die Befugnis der Regulierungsbehörden voraussetzt, im Vorfeld bestimmter Verfahren zur Vergabe und Zuteilung von Frequenzen unter Abwägung der Regulierungsziele festzulegen, welche Frequenzen in einem bestimmten zeitlichen Zusammenhang für konkrete Nutzungszwecke bereitstehen. Denn der Gerichtshof der Europäischen Union hat in einer späteren Entscheidung festgestellt, dass Art. 7 Abs. 3 der Genehmigungsrichtlinie i.V.m. deren elftem Erwägungsgrund sowie Art. 8 und Art. 9 der Rahmenrichtlinie es grundsätzlich erlauben, auf Grund eines begrenzten Frequenzspektrums und zur Gewährleistung einer effizienten Verwaltung der Frequenzen die Zahl der zu vergebenden Frequenznutzungsrechte zu beschränken, sofern die Beschränkung notwendig und verhältnismäßig ist, den Zielen nach Art. 8 der Rahmenrichtlinie nicht zuwiderläuft und die Vergabe der Nutzungsrechte nach objektiven, transparenten, nicht diskriminierenden und verhältnismäßigen Auswahlkriterien erfolgt (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-560/15 [ECLI:​EU:​C:​2017:​593], Europa Way u.a. - Rn. 72 f.). Nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. b der Rahmenrichtlinie fördern die nationalen Regulierungsbehörden den Wettbewerb bei der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste, indem sie unter anderem für eine effiziente Nutzung der Funkfrequenzen sorgen und deren effiziente Verwaltung sicherstellen. Das Ziel der Sicherstellung einer effizienten Frequenznutzung und -verwaltung wäre nicht erreichbar, wenn die Regulierungsbehörden die Nutzung nicht auch bereits in einem frühen Stadium steuern, sondern erst in einem konkreten Zuteilungsverfahren auf Fehlentwicklungen reagieren könnten. 31 cc. Den regulatorischen Bereitstellungsentscheidungen der Bundesnetzagentur kommt als solchen eine eigenständige Regelungswirkung nach außen nicht zu. Ergehen sie, ohne dass der Erlass einer Vergabeanordnung im Raum steht, allein zur Konkretisierung von Nutzungszwecken und -zeiten innerhalb der Rahmenbedingungen der Frequenzverordnung und des Frequenzplans, geschieht dies regelmäßig in der Gestalt von Verwaltungsvorschriften (vgl. etwa: Verwaltungsvorschrift lokales Breitband, Stand 19. November 2019 S. 3 sowie allgemein: Göddel, in: Geppert/Schütz , Beck'scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 55 Rn. 26). Beantragen die Unternehmen die Zuteilung von Frequenzen nach den Vorgaben dieser Bestimmungen, haben die in ihnen enthaltenen Bereitstellungsentscheidungen ihren Steuerungszweck erreicht. Einer gerichtlichen Überprüfung kann der Inhalt dieser Entscheidungen zum Beispiel dann zugeführt werden, wenn er in die Begründung von auf § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG gestützten Ablehnungen von Frequenzzuteilungsanträgen eingeht und die betroffenen Unternehmen Verpflichtungsklagen auf Zuteilung der jeweiligen Frequenzen erheben. 32 Auch die regulatorischen Bereitstellungsentscheidungen, die die Bundesnetzagentur im Zusammenhang mit im Raum stehenden Vergabeanordnungen - in der Konstellation des § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG notwendigerweise - durch die für den Erlass der Vergabeanordnungen zuständige Präsidentenkammer zu treffen hat, haben ebenfalls einen rein internen Charakter und äußern als solche keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen. Dies hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich der auf § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG gestützten Entscheidung I des Beschlusses vom 14. Mai 2018 verkannt. Es hat die Bestimmung des Frequenzspektrums, auf das sich die Vergabeanordnung bezieht, als einen Teil der Regelungswirkung der Vergabeanordnung begriffen. Es hat diese Bestimmung in erster Linie von dem Beurteilungsspielraum umfasst gesehen, der der Präsidentenkammer nach der Rechtsprechung des Senats im Rahmen der nach § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG anzustellenden Prognose und der in dieser eingeschlossenen Bewertung eines ausreichenden Frequenzumfangs zur Erbringung von Leistungen in einem wettbewerblichen Umfeld zukommt. Es hat unabhängig hiervon den Umfang des betroffenen Frequenzspektrums zusätzlich im Rahmen der Überprüfung des der Präsidentenkammer nach § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG zustehenden, in Richtung auf den Erlass einer Vergabeanordnung vorgeprägten Rechtsfolgeermessens behandelt. Dieser Ansatz verstößt gegen Bundesrecht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, denn er ist, wie die Klägerin der Sache nach zutreffend geltend macht, mit dem Regelungsgehalt des § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG in seiner Auslegung durch den Senat nicht vereinbar. Danach setzt der prognostische, auf einen Überhang von Zuteilungsanträgen zum Zeitpunkt der Verfügbarkeit der Frequenzen bezogene und einen Beurteilungsspielraum umfassende Teil des Tatbestands der Vorschrift auf der Feststellung eines Bedarfsüberhangs als dem gerichtlich vollständig überprüfbaren Tatbestandsteil auf. Ob ein Bedarfsüberhang besteht, kann nicht abstrakt, sondern nur in Bezug auf ein konkretes Frequenzspektrum festgestellt werden. Die Bestimmung desselben kann mithin nicht dem an die Feststellung eines Bedarfsüberhangs anknüpfenden, prognostischen Tatbestandsteil und erst recht nicht dem auf der Rechtsfolgeseite der Norm verorteten Ermessen zugeordnet werden. Sie ist vielmehr der Feststellung eines Bedarfsüberhangs vorgelagert. Bezugspunkt ist dasjenige Spektrum, das die Präsidentenkammer durch eine der Vergabeanordnung vorausgehende interne regulatorische Entscheidung zu einer bestimmten Zeit für einen konkretisierten Nutzungszweck bereitgestellt hat. Diese Entscheidung ist im Rahmen einer gegen die Vergabeanordnung gerichteten Anfechtungsklage als Vorfrage für deren Rechtmäßigkeit inzident zu überprüfen. Da die Bereitstellungsentscheidung, die die Präsidentenkammer im vorliegenden Fall getroffen hat, nach Maßgabe der folgenden Darlegungen nicht zu beanstanden ist, erweist sich allerdings das vorinstanzliche Urteil insoweit im Sinne des § 144 Abs. 4 VwGO als im Ergebnis richtig. 33 dd. Die Frage, auf welche Rechtsgrundlage die regulatorischen Bedürfnissen bzw. - in der Konstellation des § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG - Notwendigkeiten geschuldeten internen Bereitstellungsentscheidungen innerhalb der Frequenzordnung der §§ 52 ff. TKG gestützt werden können, ist in der bisherigen Rechtsprechung des Senats offengeblieben. Die Rechtsgrundlage kann nur in § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG gefunden werden. Diese Vorschrift ist zwar normstrukturell als Grundlage für die Versagung der Zuteilung einer Frequenz im Einzelfall aus Gründen der Unvereinbarkeit der beabsichtigten Nutzung mit den Regulierungszielen nach § 2 (Abs. 2) TKG ausgestaltet. Es spricht jedoch nichts dagegen, sie als materielle Grundlage auch für die hier in Rede stehenden, über den Einzelfall hinausweisenden regulatorischen Bereitstellungsentscheidungen heranzuziehen, die die Bundesnetzagentur im Vorfeld von Entscheidungen mit Außenwirkung trifft. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der unionsrechtlich vorausgesetzten Zulässigkeit dieser Entscheidungen. Der Senat hat zudem bereits in anderem Zusammenhang in vergleichbarer Weise ein Vorziehen der Frequenzzuteilungsvoraussetzung des § 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 TKG auf eine dem Einzelfall übergeordnete Regelungsebene - im konkreten Fall diejenige der Bedingungen für ein Vergabeverfahren - für zulässig erachtet (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 6 C 40.10 - Buchholz 442.066 § 61 TKG Nr. 1 Rn. 20; zustimmend: BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. April 2014 - 1 BvR 2160/11 - NVwZ 2014, 1226 Rn. 25). 34 Für die auf der materiellen Grundlage des § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG zu treffenden, gegebenenfalls als Vorfrage von gerichtlich angreifbaren Entscheidungen inzident zu überprüfenden regulatorischen Bereitstellungsentscheidungen steht den zuständigen Entscheidungsträgern der Bundesnetzagentur ein Beurteilungsspielraum zu. Die Voraussetzungen, die vor dem Hintergrund der Garantie effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG für die Annahme eines solchen behördlichen Letztentscheidungsrechts bestehen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​170816U6C50.15.0] - BVerwGE 156, 75 Rn. 32 m.w.N., im Ergebnis auch im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie), sind erfüllt. Indem die Vorschrift auf ihrer Tatbestandsseite den behördlichen Entscheidungsträgern eine Abwägung der Regulierungsziele aufgibt, räumt sie diesen zugleich einen entsprechenden Entscheidungsspielraum ein (zur Herleitung eines Beurteilungsspielraums aus einer normativen Bezugnahme auf die Regulierungsziele: BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2018 - 6 C 4.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​300518U6C4.17.0] - BVerwGE 162, 202 Rn. 48). Hinter diesen tritt das nach dem Normwortlaut zusätzlich bestehende Rechtsfolgeermessen weitgehend zurück (Hahn/Hartl/Dorsch, in: Scheurle/Mayen , TKG, 3. Aufl. 2018, § 55 Rn. 40 f.). Für diesen tatbestandlichen Entscheidungsspielraum besteht ein tragfähiger Sachgrund. Denn die nach § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG zuständigen behördlichen Entscheidungsträger müssen in den von der Frequenzverordnung und dem Frequenzplan nur vage umrissenen Grenzen im Rahmen einer umfassenden Abwägung der Regulierungsziele durch eine selbständige Festlegung der relevanten Parameter eine ressourcenschonende, eine Zerstückelung zusammenhängender Frequenzspektren vermeidende, technische Innovationen ermöglichende und Konflikte zwischen unterschiedlichen Interessen auflösende Frequenznutzung sicherstellen sowie für die Befriedigung zukünftig auftretender Frequenzbedarfe vorsorgen. Die dafür erforderlichen Einschätzungen, Prognosen und planerischen Gestaltungsentscheidungen lassen sich nicht allein durch die Kategorien von falsch und richtig erfassen. Durch den derart gerechtfertigten Entscheidungsspielraum wird in Anbetracht der nach der Rechtsprechung des Senats gebotenen gerichtlichen Überprüfung regulierungsbehördlicher Beurteilungsspielräume die Möglichkeit einer substantiellen - inzidenten - gerichtlichen Kontrolle nicht in Frage gestellt. Diese Kontrolle umfasst, wenn wie im vorliegenden Fall das Erfordernis einer Abwägung widerstreitender Ziele und sonstiger Belange der Regulierung besteht, über die für behördliche Letztentscheidungsrechte allgemein geltenden Maßgaben - das heißt die Einhaltung der gültigen Verfahrensbestimmungen, die vollständige und zutreffende Sachverhaltsermittlung, das richtige Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs und die Beachtung allgemeingültiger Wertungsmaßstäbe - hinausgehend, eine Prüfung auf Abwägungsfehler nach dem Maßstab einer plausiblen und erschöpfenden Argumentation in der Begründung der regulierungsbehördlichen Entscheidung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 29. März 2017 - 6 C 1.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​290317U6C1.16.0] - BVerwGE 158, 301 Rn. 32 m.w.N.). 35 ee. Die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur hat sich in der Überschrift des Beschlusses vom 14. Mai 2018 neben § 55 Abs. 10 TKG unter anderem auf § 55 Abs. 5 TKG und damit auch auf Satz 2 dieser Vorschrift berufen. Sie hat in der Begründung der Entscheidung I des Beschlusses für die als Vorfrage der Vergabeanordnung getroffene Entscheidung über die Bereitstellung der für differenzierte Nutzungszwecke konturierten Frequenzbereiche von 2 GHz und 3,6 GHz implizit und teilweise auch ausdrücklich - in Randnummer 152 des Beschlusses unter dem Begriff der Einschätzungsprärogative - den ihr insoweit zustehenden Beurteilungsspielraum in Anspruch genommen. Die regulatorische Bereitstellungsentscheidung, die als Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vergabeanordnung für die Frequenzen in den Bereichen von 2 GHz und 3 400 bis 3 700 MHz inzident zu überprüfen ist, weist keine Beurteilungsfehler auf. Solche Fehler sind weder in einer die bereitgestellten Frequenzbereiche übergreifenden Hinsicht ersichtlich (aaa.), noch in Bezug auf den Umstand, dass die Präsidentenkammer für bundesweite Zuteilungen im Rahmen des drahtlosen Netzzugangs sämtliche Frequenzen im Bereich von 2 GHz (bbb.) sowie die Frequenzen von 3 400 bis 3 700 MHz - in Abgrenzung von den für regionale und lokale Zuteilungen vorgesehenen Frequenzen von 3 700 bis 3 800 MHz (ccc.) - bereitgestellt hat. 36 aaa. Die Präsidentenkammer war, wie bereits dargelegt, nach § 132 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 TKG für den Erlass der auf § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG gestützten Vergabeanordnung zuständig. Sie hatte als Vorfrage dieser Anordnung auf der Grundlage des § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG über die Bereitstellung konkreter Frequenzen als Bezugspunkt der zu prüfenden Frequenzknappheit zu entscheiden. Ein Verstoß gegen Verfahrensbestimmungen ist gleichfalls nicht ersichtlich. Durch die Verfahrensschritte, die die Bundesnetzagentur in Vorbereitung des Beschlusses ihrer Präsidentenkammer durchgeführt hat und die zur Erarbeitung des Frequenzkompasses, der Orientierungspunkte und der Eckpunkte geführt haben, ist der für die Bereitstellungsentscheidung erhebliche Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden. Ferner ist schon im Ansatz nichts dafür ersichtlich, dass die Präsidentenkammer mit ihrer Bereitstellungsentscheidung gegen allgemeingültige Wertungsmaßstäbe - insbesondere das Willkürverbot - verstoßen haben könnte. Schließlich ist die Kammer, was die für alle bereitgestellten Frequenzen gleichermaßen geltenden Gesichtspunkte anbetrifft, von einem richtigen Verständnis des Gesetzesbegriffs nach § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG und des normativen Rahmens dieser Vorschrift ausgegangen. Sie hat der Sache nach für alle betroffenen Frequenzen eine Allgemeinzuteilung im Sinne des § 55 Abs. 2 TKG zutreffend schon deshalb gemäß § 55 Abs. 3 Satz 1 TKG als nicht möglich erachtet, weil dies zur Sicherung einer effizienten und störungsfreien Frequenznutzung notwendig ist. Des Weiteren halten sich die von der Präsidentenkammer vorgenommenen Konkretisierungen der Frequenznutzungszwecke, nämlich das Abstellen auf bundesweite bzw. regionale und lokale Zuteilungen im Rahmen des drahtlosen Netzzugangs, in dem weitgesteckten Rahmen des Frequenzplanungsrechts. So sind die betroffenen Frequenzbereiche in Teil A der Anlage zu der auf der Grundlage von § 53 TKG erlassenen Frequenzverordnung unter anderem dem Mobilfunkdienst als primärem Funkdienst zugewiesen. Der von der Bundesnetzagentur nach Vorgabe des § 54 TKG erstellte und gemäß § 55 Abs. 1 Satz 3 TKG für die Frequenzzuteilung maßgebliche Frequenzplan sieht als Nutzung der mit der besagten Zuweisung versehenen Frequenzbereiche den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von Telekommunikationsleistungen vor. 37 bbb. Den für Entscheidungen nach § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG maßgeblichen Gesetzesbegriff hat die Präsidentenkammer auch durch die Bereitstellung speziell der Frequenzen im Bereich von 2 GHz für bundesweite Zuteilungen im Rahmen des drahtlosen Netzzugangs nicht verkannt. Dass die Kammer überhaupt Frequenzen des 2 GHz-Bands zu dem derart konkretisierten Nutzungszweck bereitgestellt hat, hat sie schlüssig unter Verweis darauf begründet, die entsprechenden Frequenzen würden derzeit im Mobilfunk für UMTS- und LTE-Systeme intensiv genutzt und dort auch für Anwendungen des Nachfolgestandards 5G benötigt. 38 Ebenso wenig liegt eine Verkennung des Gesetzesbegriffs darin, dass die Kammer nicht nur die mit dem Ende des Jahres 2020 freiwerdenden, sondern auch die noch bis Ende 2025, also noch bis über sieben Jahre nach Erlass des Beschlusses vom 14. Mai 2018 mit Nutzungsrechten - insbesondere solchen der Klägerin - belegten Frequenzen des 2 GHz-Bandes bereitgestellt hat. Die mit beachtlichem zeitlichen Vorlauf vorgenommene Bereitstellung des letztgenannten Spektrums steht nicht in Widerspruch zu den Maßgaben, die sich generell bzw. im Hinblick auf den vorliegenden Fall aus der Frequenzzuteilungsvoraussetzung der Verfügbarkeit nach § 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 TKG (1), der Regelung von Fristen, insbesondere in § 61 Abs. 7 Satz 1 TKG (2), den Verfahrensgrundsätzen des § 55 Abs. 1 Satz 3 TKG (3), der Notwendigkeit einer Prognose eines künftigen Zuteilungsantragsüberhangs und damit einer Frequenzknappheit als Voraussetzung einer Vergabeanordnung nach § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG (4) oder dem Erfordernis einer plausiblen und erschöpfenden Argumentation im Hinblick auf die in § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG angelegte Abwägung der Regulierungsziele (5) ergeben. 39 (1) Die Verfügbarkeit einer Frequenz ist, wie bereits erwähnt, gemäß § 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 TKG eine der Voraussetzungen für deren Zuteilung. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Verfügbarkeit besteht, wenn die Frequenz nicht bereits einem anderen Nutzer wirksam zugeteilt ist, und dass sie erst zum Zeitpunkt der Zuteilung der Frequenz nach § 55 Abs. 3 und 5 TKG gegeben sein muss. Eine Vorverlegung des für die Voraussetzung der Verfügbarkeit maßgeblichen Zeitpunkts - etwa auf denjenigen der gegebenenfalls vorhergehenden Anordnung eines Vergabeverfahrens gemäß § 55 Abs. 10 TKG - lässt sich nicht mit dem Schutz der Nutzungsrechte Dritter begründen und findet bereits im Wortlaut des § 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 TKG keine Stütze (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 20). Dem Wortlaut der Norm lassen sich auch sonst keinerlei Vorgaben in zeitlicher Hinsicht entnehmen. Die Klägerin geht hiernach fehl, wenn sie (im Anschluss an Fetzer, NVwZ 2018, 190 <191 f.>) meint, mit Hilfe dieser Vorschrift das Erfordernis eines näheren zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Anordnung bzw. dem Abschluss eines Vergabeverfahrens - und damit auch der der Vergabeanordnung vorgelagerten regulatorischen Bereitstellungsentscheidung - sowie der anschließenden Zuteilung einer in das Vergabeverfahren einbezogenen Frequenz begründen zu können. 40 (2) Eine generelle Begrenzung des Zeitraums zwischen einerseits dem Verfahren zur Vergabe einer Frequenz - und damit auch deren Bereitstellung -, andererseits der Frequenzzuteilung kann entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus § 61 Abs. 7 Satz 1 TKG hergeleitet werden. Nach dieser Bestimmung kann die in § 55 Abs. 4 Satz 4 TKG normierte Höchstfrist von sechs Wochen für die Entscheidung über einen Antrag auf Zuteilung einer Frequenz im Fall der Durchführung eines Vergabeverfahrens um längstens acht Monate verlängert werden. Der Senat hat bereits entschieden, dass die genannten Fristenregelungen nicht an den Erlass einer Vergabeanordnung, sondern an einen Antrag auf Frequenzzuteilung anknüpfen (BVerwG, Beschluss vom 8. April 2010 - 6 VR 2.10 - juris Rn. 6). Danach sind diese Regelungen für die von der Klägerin befürwortete zeitliche Begrenzung von vornherein unergiebig, wenn - wie regelmäßig in der Konstellation des § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG und so auch im vorliegenden Fall - vor Durchführung eines Vergabeverfahrens keine Frequenzzuteilungsanträge gestellt worden sind. Aber auch in den Fällen, in denen - wie insbesondere in der Konstellation des § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 2 TKG - bei der Anordnung eines Vergabeverfahrens bereits Frequenzzuteilungsanträge vorliegen, ist die in Rede stehende zeitliche Begrenzung nach der Rechtsprechung des Senats ausgeschlossen. Wie bereits dargelegt, wandelt sich der mit einem Zuteilungsantrag geltend gemachte Anspruch auf Zuteilung einer Frequenz bei Anordnung eines Vergabeverfahrens in einen Anspruch auf chancengleiche Teilnahme an diesem Verfahren um. Dieser Anspruch wandelt sich nur unter der Voraussetzung und erst dann in einen Anspruch auf Zuteilung zurück, wenn sich der betreffende Zuteilungsbewerber in dem Vergabeverfahren gegen seine Mitbewerber durchgesetzt hat. Er ist nicht dadurch auflösend bedingt, dass es die Bundesnetzagentur versäumt, über den Zuteilungsantrag rechtzeitig im Sinne von § 55 Abs. 4 Satz 4 und § 61 Abs. 7 Satz 1 TKG zu entscheiden (BVerwG, Urteile vom 1. September 2009 - 6 C 4.09 - BVerwGE 134, 368 Rn. 16 und vom 22. Juni 2011 - 6 C 3.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 6 Rn. 33, 36, Beschluss vom 7. Februar 2017 - 6 B 30.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​070217B6B30.16.0] - juris Rn. 31). Zudem besteht die Sperrwirkung einer bestandskräftigen Vergabeanordnung gegenüber einem Anspruch des im Vergabeverfahren nicht erfolgreichen Bewerbers auf Zuteilung einer Frequenz auch nach Ablauf der in § 55 Abs. 4 Satz 4 und § 61 Abs. 7 Satz 1 TKG bestimmten Fristen fort (BVerwG, Urteil vom 1. September 2009 - 6 C 4.09 - BVerwGE 134, 368 Rn. 28; Beschluss vom 7. Februar 2017 - 6 B 30.16 - juris Rn. 29, 31). Das den Fristbestimmungen in § 55 Abs. 4 Satz 4 und § 61 Abs. 7 TKG zu Grunde liegende Unionsrecht in Gestalt von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 der Genehmigungsrichtlinie hat keinen weitergehenden Bedeutungsgehalt, denn es knüpft wie diese an den ""Erhalt des vollständigen Antrags"" für die ""Gewährung von Nutzungsrechten"" an. 41 Kann die Klägerin schon aus den frequenzrechtlichen Fristenregelungen in § 55 Abs. 4 Satz 4 und § 61 Abs. 7 Satz 1 TKG nichts für ihren Rechtsstandpunkt herleiten, gilt dies erst recht für ihren Versuch entsprechender Anleihen bei Fristvorgaben, die in anderen rechtlichen Zusammenhängen bestehen. Auf Vorschriften in der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (ABl. L 321 S. 36) kann sich die Klägerin nicht berufen, weil diese Richtlinie erst nach Erlass des Beschlusses vom 14. Mai 2018 in Kraft getreten ist. 42 (3) Ebenso wenig findet die Forderung nach einer allgemeinen Begrenzung des zeitlichen Abstands zwischen der Bereitstellung und der Zuteilung einer Frequenz in den Verfahrensgrundsätzen des § 55 Abs. 1 Satz 3 TKG - bzw. des Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 2 der Genehmigungsrichtlinie als unionsrechtlicher Grundlage dieser Norm - eine Stütze. Der unter Verweis auf den Grundsatz der Objektivität des Verfahrens erhobenen Forderung der Klägerin nach rechtlich kontrollierbaren Maßstäben für die Bestimmung des Zeitpunkts der Einbeziehung von noch mit Nutzungsrechten belegten Frequenzen in ein Vergabeverfahren ist bereits dadurch Genüge getan, dass die auf § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG rückführbare regulatorische Bereitstellungsentscheidung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur die - gerichtlich inzident nachprüfbaren - Grenzen regulierungsbehördlicher Beurteilungsspielräume einhalten und dabei dem Gebot einer fehlerfreien Abwägung der Regulierungsziele auch im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bereitstellung gerecht werden muss. Dies ist, wie sogleich darzulegen sein wird, im vorliegenden Fall gegeben. 43 Die von der Klägerin erstinstanzlich erhobenen, im Revisionsverfahren nicht mehr wiederholten Rügen konkreter Verstöße gegen den Verfahrensgrundsatz der Diskriminierungsfreiheit greifen nicht durch. Dies gilt insbesondere für den Einwand eines die Klägerin treffenden diskriminierenden Zwangs zur Frühfinanzierung bei einem (Wieder-) Erwerb der noch bis Ende 2025 - überwiegend an die Klägerin - zugeteilten Frequenzen des 2 GHz-Bandes. Die Präsidentenkammer hat insoweit auf kompensierende Regelungen im Rahmen der zeitlich nachfolgenden Vergabebedingungen und Versteigerungsregeln verwiesen. Etwaige hierdurch nicht erfasste, nur bestimmte Bewerber treffende Nachteile hat sie in nicht zu beanstandender Weise einem Ausgleich durch die Allokationsfunktion des Versteigerungsverfahrens überlassen. 44 (4) Durch die hier vorgenommene Bereitstellung auch der erst im Jahr 2026 wieder verfügbaren Frequenzen im Bereich von 2 GHz ist entgegen einer in der Literatur vertretenen Einschätzung (Fetzer, NVwZ 2018, 190 <192 ff.>) nicht die Grundlage für eine zutreffende Prognose einer aus einem künftigen Zuteilungsantragsüberhang resultierenden Frequenzknappheit als Voraussetzung für die auf § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG gestützte Vergabeanordnung der Präsidentenkammer bzw. die entsprechende Prognose selbst in Frage gestellt worden. Zwar bezogen sich die Bedarfsanmeldungen, die die Unternehmen - unter ihnen die Klägerin - in dem von der Bundesnetzagentur vor Erlass der Vergabeanordnung durchgeführten Bedarfsermittlungsverfahren mit Blick auf die in Rede stehenden Frequenzen abgegeben haben, auf die von ihnen für die Zukunft - das heißt erst nach Ablauf von über sieben Jahren - ins Auge gefassten Zuteilungsanträge. Es handelt sich jedoch bei den in einem Bedarfsermittlungsverfahren gemeldeten Bedarfen generell um subjektive, von den Unternehmen eigenverantwortlich festgelegte und von der Bundesnetzagentur grundsätzlich nicht in Frage zu stellende Größen (BVerwG, Beschlüsse vom 9. Juni 2015 - 6 B 59.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​090615B6B59.14.0] - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 11 Rn. 25, 40 und vom 20. Februar 2017 - 6 B 36.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​200217B6B36.16.0] - juris Rn. 14 f.). Den hieraus stets resultierenden Unsicherheiten hat die Präsidentenkammer im Rahmen ihrer auf der Bedarfsfeststellung aufsetzenden Prognose eines zu erwartenden Zuteilungsantragsüberhangs und des Beurteilungsspielraums, der ihr - wie bereits dargelegt - nach der Rechtsprechung des Senats in diesem Zusammenhang zukommt, Rechnung zu tragen. Für Unsicherheiten, die sich speziell aus dem zeitlichen Abstand zwischen der Bedarfsermittlung und der Verfügbarkeit der Frequenzen ergeben mögen, gilt insoweit grundsätzlich nichts Anderes. Dieser Abstand war hier zwar beachtlich, jedoch in Anbetracht der bisherigen und der zu erwartenden Nutzung des 2 GHz-Bandes nicht so groß, dass er die Unbrauchbarkeit der konkreten Bedarfsanmeldungen zur Folge gehabt hätte. 45 (5) Die Präsidentenkammer hat schließlich bei der konkreten Bereitstellung auch der noch bis Ende 2025 zugeteilten Frequenzen im Bereich von 2 GHz die ihr durch § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG aufgegebene Abwägung der Regulierungsziele des § 2 (Abs. 2) TKG im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums fehlerfrei vorgenommen. Der Beschluss vom 14. Mai 2018 enthält hierzu eine plausible und erschöpfende Argumentation. 46 Die Kammer hat erkannt, dass die Bereitstellung der Frequenzen mit dem in Rede stehenden beachtlichen zeitlichen Vorlauf der regulatorischen Rechtfertigung bedurfte. Sie hat als in diesem Zusammenhang relevante Regulierungsziele zutreffend die Wahrung der Nutzer- und Verbraucherinteressen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG), die Förderung nachhaltig wettbewerbsorientierter Märkte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG), die Beschleunigung des Ausbaus hochleistungsfähiger öffentlicher Telekommunikationsnetze der nächsten Generation (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG) sowie die Sicherstellung einer effizienten und störungsfreien Frequenznutzung (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG) benannt. Die Präsidentenkammer hat im Wesentlichen drei Zwecke definiert, denen die Bereitstellung des noch bis 2025 zugeteilten, kleineren Teils der Frequenzen im Bereich von 2 GHz - zusammen mit dem größeren, nur noch bis 2020 zugeteilten Teil - im Hinblick auf die bestmögliche Verwirklichung der genannten Regulierungsziele dienen sollte. Erstens sollte für alle in dem 2 GHz-Band engagierten Netzbetreiber Planungs- und Investitionssicherheit für eine Umstellung der gegenwärtigen Nutzung der Frequenzen mit UMTS-Technik auf eine solche mit LTE-Technik und vor allem mit dem künftigen 5G-Standard geschaffen werden. Zweitens sollte eine Neuallokation des 2 GHz-Bandes durch Vergabe zusammenhängender Frequenzblöcke erreicht werden. Drittens sollte das 2 GHz-Band durch ein einheitliches 5 MHz-Raster an die Weiterentwicklung der Technik - insbesondere für den 5G-Standard - angepasst werden. Die Interessen derjenigen Unternehmen, die noch bis Ende 2025 über Zuteilungen von Frequenzen aus dem Bereich von 2 GHz verfügen, hat die Kammer erkannt. Sie hat sie im Ergebnis aber unter Hinweis darauf, dass die bestehenden Zuteilungen nicht berührt, die damit verbundenen Nutzungsrechte nicht entwertet und die unterschiedlichen Laufzeiten der Zuteilungen im Rahmen der noch zu erlassenden Vergabebedingungen und Versteigerungsregeln berücksichtigt würden, im Rahmen der Abwägung geringer gewichtet. Dies ist von dem Entscheidungsspielraum der Präsidentenkammer umfasst. 47 ccc. Der Entscheidung der Präsidentenkammer über die Bereitstellung der Frequenzen des 3,6 GHz-Bandes liegt gleichfalls kein unzutreffendes Verständnis des nach § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG anzuwendenden Gesetzesbegriffs zu Grunde. Die Kammer hat in naheliegender Weise die Frequenzen dieses Bandes neben denjenigen aus dem Bereich von 2 GHz insbesondere deshalb in den Blick genommen, weil es seitens der Europäischen Union als Pionierband für Anwendungen nach dem 5G-Standard identifiziert worden ist (vgl. die Nachweise im Vorspann des Beschlusses vom 14. Mai 2018 S. 2). Eine Verkennung des maßgeblichen Gesetzesbegriffs tritt ferner nicht dadurch zu Tage, dass die Kammer in einem zweiten Schritt im Rahmen des drahtlosen Netzzugangs die Frequenzen im Bereich von 3 400 bis 3 700 MHz für bundesweite Zuteilungen bereitgestellt, den Bereich von 3 700 bis 3 800 MHz demgegenüber regionalen und lokalen Zuteilungen vorbehalten hat. Dem Beschluss vom 14. Mai 2018 liegen diesbezüglich keine Abwägungsfehler zu Grunde. 48 Entgegen dem Einwand der Klägerin hat sich die Präsidentenkammer nicht nur mit den Frequenzen des in die Vergabeanordnung einbezogenen Bereichs von 3 400 bis 3 700 MHz befasst, sondern als Vorfrage der Vergabeanordnung die Bereitstellung der Frequenzen des gesamten 3,6 GHz-Bandes für konkretisierte Nutzungszwecke in plausibler und erschöpfender Argumentation abgewogen. Sie hat sich im Ausgangspunkt unbedenklich auf die Erwägung gestützt, dass von dem eng begrenzten, für Anwendungen nach dem 5G-Standard besonders geeigneten Frequenzband einerseits die bundesweit tätigen Mobilfunknetzbetreiber, andererseits aber auch kleine und mittlere Unternehmen mit ihren zumeist regionalen und lokalen Geschäftsmodellen profitieren sollen. Die Kammer hat sich hiervon unterschiedliche, je für sich positive und nicht zu vernachlässigende Auswirkungen auf die oben genannten Regulierungsziele versprochen. Sie hat zu Gunsten der bundesweiten Zuteilungen insbesondere das Interesse an einer flächendeckenden, schnellen und störungsfreien Einführung von Telekommunikationsnetzen nach dem 5G-Standard berücksichtigt. Sie wollte jedoch auch den Unternehmen mit regionalen und lokalen Geschäftsmodellen eine von den Mobilfunknetzbetreibern unabhängige Nutzung eines Teilbereichs des in Rede stehenden Frequenzspektrums ermöglichen, um so die nötige Flexibilität für eine Berücksichtigung örtlich begrenzter, für die genannten Regulierungsziele gleichfalls wichtiger 5G-Anwendungen - auch sich erst entwickelnder - sicherzustellen. Die Kammer hat dabei durchaus gesehen, dass es für bundesweite Mobilfunknetzbetreiber technische Vorteile mit sich bringt, für 5G-Anwendungen Frequenzblöcke von bis zu 100 MHz einsetzen zu können, mit der Konsequenz eines 300 MHz übersteigenden Bedarfs an bundesweiten Zuteilungen. Sie hat jedoch darauf verwiesen, dass als Folge ihrer regulatorischen Entscheidung erstmals ein bisher nicht vorhandener Raum für bundesweite Zuteilungen zusammenhängender größerer Frequenzblöcke im Bereich von 3 400 bis 3 700 MHz unter anderem dadurch geschaffen werden könne, dass dort bestehende regionale Nutzungsrechte in den Bereich von 3 700 bis 3 800 MHz verlagert würden. Auch sollten etwa erforderliche Schutzabstände zwischen den Nutzungen bundesweiter sowie regionaler und lokaler Zuteilungsinhaber stets von Letzteren eingehalten werden. Ferner ist die Kammer im Verfahren erhobenen Forderungen nach einer Ausweitung des für regionale und lokale Zuteilungen vorgesehenen Frequenzspektrums nicht nachgekommen. Insgesamt hat sie einen angemessenen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen an der Nutzung des 3,6 GHz-Bandes erreicht. 49 Infolge dieses Ausgleichs sind die internen regulatorischen Entscheidungen der Präsidentenkammer über die Bereitstellung einerseits der Frequenzen von 3 400 bis 3 700 MHz für bundesweite Zuteilungen, andererseits der Frequenzen von 3 700 bis 3 800 MHz für regionale und lokale Zuteilungen im Rahmen des drahtlosen Netzzugangs eng miteinander verknüpft. Diese Verknüpfung findet indes in der Vergabeanordnung, die sich, was das 3,6 GHz-Band anbelangt, nur auf den für bundesweite Zuteilungen bereitgestellten Bereich von 3 400 bis 3 700 MHz bezieht, keine Entsprechung. Damit sich in dieser Konstellation die Bereitstellung der Frequenzen von 3 400 bis 3 700 MHz für bundesweite Zuteilungen nicht als regulatorisch-planerischer Torso und bloße Absichtserklärung darstellt, muss auch die Bereitstellung der Frequenzen von 3 700 bis 3 800 MHz für regionale und lokale Zuteilungen in ihrem Bestand hinreichend gesichert sein. Eine solche hinreichende Sicherung kann hier angenommen werden, obwohl den Bereitstellungsentscheidungen der Bundesnetzagentur eine Bindungswirkung nach außen nicht zukommt. Es reicht insoweit aus, dass sich die Bundesnetzagentur durch die Entscheidung ihrer Präsidentenkammer jedenfalls intern selbst gebunden hat und es selbst in der Hand hält, diese Bindung im Rahmen zukünftiger Zuteilungs- bzw. Vergabeverfahren nach außen hin umzusetzen (zu einem vergleichbaren Ansatz in Bezug auf das Gebot der Konfliktbewältigung im Rahmen des Regulierungsermessens: BVerwG, Urteile vom 21. September 2018 - 6 C 50.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​210918U6C50.16.0] - BVerwGE 163, 136 Rn. 73, 78 und - 6 C 8.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​210918U6C8.17.0] - BVerwGE 163, 181 Rn. 116, 120). 50 ff. Für die Frequenzen in den Bereichen von 2 GHz und von 3 400 bis 3 700 MHz, die die Präsidentenkammer rechtsfehlerfrei für bundesweite Zuteilungen im Rahmen des drahtlosen Netzzugangs bereitgestellt hat, besteht die nach dem Tatbestand des § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG erforderliche Knappheitssituation. 51 Die Präsidentenkammer hat auf Grund des von der Bundesnetzagentur zeitnah vor dem Erlass der Vergabeanordnung durchgeführten Bedarfsermittlungsverfahrens sowie unter ergänzender Berücksichtigung des wettbewerblichen Umfelds, der Erwartung zunehmender Frequenznutzungen und der technischen Entwicklung für beide Frequenzbereiche einen Bedarfsüberhang festgestellt. Das Verwaltungsgericht hat die Feststellung der Präsidentenkammer bestätigt. Hieran ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da die Klägerin insoweit keine Verfahrensrügen erhoben hat. 52 Auf der Basis der feststehenden Tatsache eines überschießenden Bedarfs an den bereitgestellten Frequenzen hat die Präsidentenkammer prognostiziert, dass im Zuteilungszeitpunkt eine das verfügbare Frequenzspektrum übersteigende Zahl von Zuteilungsanträgen gestellt sein wird. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Prognose fehlerbehaftet sein könnte. Insbesondere besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Kammer den Beurteilungsspielraum, der ihr nach der Rechtsprechung des Senats in diesem Zusammenhang zusteht, in angreifbarer Weise ausgefüllt haben könnte. Die Kammer hat insbesondere konsistente Erwägungen zu der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung mobiler Datendienste und den daraus folgenden Auswirkungen auf die Werthaltigkeit des bereitgestellten, für Anwendungen nach dem 5G-Standard geeigneten Frequenzspektrums angestellt. Diese Erwägungen erweisen sich auch in Bezug auf die erst im Jahr 2026 wieder verfügbaren Frequenzen des 2 GHz-Bandes und die insoweit mit einem beachtlichen zeitlichen Vorlauf abgegebenen Bedarfsanmeldungen der Unternehmen als tragfähig. 53 gg. Die Präsidentenkammer hat schließlich das Ermessen, das ihr auf der Rechtsfolgenseite des § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG eingeräumt wird, fehlerfrei ausgeübt. Die Kammer hat erkannt, dass dieses Ermessen im Sinne des Erlasses einer Vergabeanordnung vorgeprägt ist, und Gründe für die Annahme eines Ausnahmefalls, dem etwa durch eine bloße Verlängerung bestehender Frequenznutzungsrechte Rechnung zu tragen wäre, nicht vorliegen. 54 3. Die Entscheidung II des Beschlusses der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 14. Mai 2018, derzufolge das in der Entscheidung I des Beschlusses angeordnete Vergabeverfahren als Versteigerungsverfahren durchgeführt wird, findet ihre Rechtsgrundlage in § 61 Abs. 1 und 2 TKG. 55 Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 TKG kann die Bundesnetzagentur ein gemäß § 55 Abs. 10 TKG angeordnetes Vergabeverfahren nach Anhörung der betroffenen Kreise als Versteigerungsverfahren oder als Ausschreibungsverfahren durchführen. Gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 TKG ist grundsätzlich das Versteigerungsverfahren durchzuführen, es sei denn, dieses Verfahren ist nicht geeignet, die Regulierungsziele des § 2 (Abs. 2) TKG sicherzustellen. Letzteres kann nach § 61 Abs. 2 Satz 2 TKG insbesondere der Fall sein, wenn für die Frequenznutzung, für die die Funkfrequenzen unter Beachtung des Frequenzplanes verwendet werden dürfen, bereits Frequenzen ohne Versteigerungsverfahren zugeteilt wurden, oder wenn ein Antragsteller für die zuzuteilenden Frequenzen eine gesetzlich begründete Präferenz geltend machen kann. 56 Die Entscheidung II leidet nicht an formell-rechtlichen Fehlern. Die nach § 132 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 TKG zuständige Präsidentenkammer musste vor ihrem Erlass keine öffentliche mündliche Verhandlung durchführen, weil § 61 Abs. 1 Satz 1 TKG mit der dort vorgesehenen - und im vorliegenden Fall erfüllten - Anhörungspflicht die gegenüber § 135 Abs. 3 Satz 1 TKG speziellere Norm darstellt (so zu Recht entsprechend dem bereits behandelten Verhältnis zu § 55 Abs. 10 Satz 2 TKG: Hahn/Hartl/Dorsch, in: Scheurle/Mayen , TKG, 3. Aufl. 2018, § 61 Rn. 11). 57 Die Entscheidung II ist auch materiell rechtmäßig. Die Präsidentenkammer hat die Regelungsstruktur, die § 61 Abs. 1 und 2 TKG nach der Rechtsprechung des Senats zu Grunde liegt, erkannt. Danach steht der Kammer mit Blick auf die für die Verfahrensauswahl erforderliche Abwägung der Regulierungsziele des § 2 (Abs. 2) TKG ein Beurteilungsspielraum zu, der gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 TKG in Richtung auf ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zu Gunsten eines Versteigerungsverfahrens eingeschränkt ist, der jedoch wegen einer Limitierung dieser Einschränkung in Orientierung an den Fallbeispielen des § 61 Abs. 2 Satz 2 TKG wieder an Weite gewinnen kann (vgl. im Einzelnen: BVerwG, Urteile vom 23. März 2011 - 6 C 6.10 - BVerwGE 139, 226 Rn. 27 f., 33, vom 22. Juni 2011 - 6 C 5.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 7 Rn. 12 ff., 21 f. und vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 37). Diesen Beurteilungsspielraum hat die Kammer fehlerfrei ausgefüllt. Ihre Feststellung, dass die in § 61 Abs. 2 Satz 2 TKG genannten Fallbeispiele nicht erfüllt sind, hat das Verwaltungsgericht bestätigt. Die Klägerin hat dem nicht widersprochen. Die Kammer hat unabhängig hiervon mit Blick auf die Geeignetheit des Versteigerungsverfahrens zur Sicherstellung der Regulierungsziele plausibel und erschöpfend dargelegt, dass und auf welche Weise sich die Allokationsfunktion dieses Verfahrens positiv auf die in § 2 Abs. 2 Nr. 1, 2, 5 und 7 TKG genannten Ziele auswirkt. 58 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2020-39,26.06.2020,"Pressemitteilung Nr. 39/2020 vom 26.06.2020 EN Beihilfefähigkeit ärztlich verordneter empfängnisverhütender Mittel (Kontrazeptiva) zur Behandlung einer Krankheit Kontrazeptiva, deren arzneimittelrechtliche Zulassung auf die Empfängnisverhütung beschränkt ist, können nach der Sächsischen Beihilfeverordnung beihilfefähig sein, wenn sie aus Anlass einer Krankheit verordnet werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die 1964 geborene Klägerin leidet an einem Uterusmyom mit Hypermenorrhoe, das mit Empfängnisverhütungsmitteln behandelt wurde, die den Wirkstoff Desogestrel enthalten. Unter der Therapie konnten das Myomwachstum gehemmt, die Blutungen auf ein Minimum reduziert und eine alternativ in Betracht zu ziehende Entfernung der Gebärmutter vermieden werden. Der beklagte Freistaat gewährte zunächst Beihilfe, lehnte dies aber 2014 für das neu verordnete Präparat ""Jubrele"" mit der Begründung ab, das Arzneimittel sei zwar zur Empfängnisverhütung zugelassen, nicht aber zur Therapie der Krankheit der Klägerin. Kontrazeptiva würden außerdem auch von Gesunden verwendet und seien daher der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen. Die Klage der Klägerin hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen. Entgegen der Ansicht des Beklagten scheitert der Beihilfeanspruch nicht daran, dass nach der Sächsischen Beihilfeverordnung Aufwendungen für ärztlich verordnete Arzneimittel nur beihilfefähig sind, wenn diese bestimmt sind, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper der Heilung oder Linderung einer Erkrankung zu dienen. Diese Zweckbestimmung kann im Einzelfall auch der verordnende Arzt auf der Grundlage seiner fachlichen Bewertung unabhängig von der arzneimittelrechtlichen Zulassung treffen. Kontrazeptiva sind außerdem nicht deshalb von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, weil sie entsprechend einem beihilferechtlichen Ausschlussgrund der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sind. Nach einer diesem Ausschlussgrund vorgehenden Sonderregelung in der Sächsischen Beihilfeverordnung können empfängnisverhütende Arzneimittel unabhängig vom Alter der Beihilfeberechtigten beihilfefähig sein, wenn sie aus Anlass einer Krankheit verordnet werden. Auch die nach der Beihilfeverordnung weiterhin erforderliche medizinische Notwendigkeit der Behandlung mit dem Arzneimittel ""Jubrele"" war nach den das Bundesverwaltungsgericht bindenden Feststellungen der Vorinstanz gegeben. Diese hat unter Hinweis auf tatsächliche Ausführungen des Verwaltungsgerichts festgestellt, dass die Wirkungsweise und der Einsatz des Arzneimittels zu der konkreten Krankheitsbehandlung wissenschaftlichen Erkenntnissen entspreche und damit der therapeutische Nutzen erwiesen sei. BVerwG 5 C 4.19 - Urteil vom 26. Juni 2020 Vorinstanzen: OVG Bautzen, 2 A 361/17 - Urteil vom 15. Januar 2019 - VG Leipzig, 3 K 2219/14 - Urteil vom 27. Oktober 2016 -","Urteil vom 26.06.2020 - BVerwG 5 C 4.19ECLI:DE:BVerwG:2020:260620U5C4.19.0 EN Beihilfefähigkeit von aus Anlass einer Krankheit verordneten Empfängnisverhütungsmitteln Leitsatz: Kontrazeptiva, deren arzneimittelrechtliche Zulassung auf die Empfängnisverhütung beschränkt ist, können nach der Sächsischen Beihilfeverordnung beihilfefähig sein, wenn sie aus Anlass einer Krankheit verordnet werden. Rechtsquellen VwGO § 130b Satz 2, § 137 Abs. 2, § 154 Abs. 2, § 191 Abs. 2 BRRG § 127 Nr. 2 BeamtStG § 63 Abs. 3 Satz 2 SächsBhVO § 1 Abs. 2 und 6, § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1, § 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und 3 und Abs. 3 Nr. 2, § 44 Abs. 3 Satz 2 AMG § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3a und 4, § 21 GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5 Instanzenzug VG Leipzig - 27.10.2016 - AZ: VG 3 K 2219/14 OVG Bautzen - 15.01.2019 - AZ: OVG 2 A 361/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 26.06.2020 - 5 C 4.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:260620U5C4.19.0] Urteil BVerwG 5 C 4.19 VG Leipzig - 27.10.2016 - AZ: VG 3 K 2219/14 OVG Bautzen - 15.01.2019 - AZ: OVG 2 A 361/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und Dr. Wittkopp, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner für Recht erkannt: Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Januar 2019 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Beihilfe zu Aufwendungen für ein aus Anlass einer Krankheit verordnetes Empfängnisverhütungsmittel. 2 Die [...] geborene Klägerin ist Beamtin im Dienst des Beklagten. Sie leidet an einem Uterusmyom mit Hypermenorrhoe, das seit 2011 mit Empfängnisverhütungsmitteln behandelt wurde. Unter der Therapie konnten das Myomwachstum gehemmt und die Blutungen auf ein Minimum reduziert sowie eine Entfernung der Gebärmutter vermieden werden. Der beklagte Freistaat gewährte zunächst Beihilfe zu den Aufwendungen für das Kontrazeptivum, lehnte dies aber mit Bescheid vom 12. Mai 2014 für ein neu verordnetes Präparat ab. 3 Die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, es komme entgegen den Ausführungen in den ablehnenden Bescheiden für die in § 21 Abs. 2 Satz 1 SächsBhVO vorausgesetzte ""Bestimmung zur Krankheitsbehandlung"" auf die Bestimmung durch den verordnenden Arzt und nicht auf die arzneimittelrechtliche Zulassung an. Die Verordnung des Kontrazeptivums sei auch medizinisch notwendig und die Behandlung der Krankheit der Klägerin damit entspreche wissenschaftlichen Erkenntnissen. Aufwendungen für Kontrazeptiva seien von der Beihilfegewährung nicht ausgeschlossen, weil sie der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen seien, wenn sie aus Anlass einer Krankheit verordnet würden. 4 Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er macht sinngemäß insbesondere geltend, das verordnete Präparat sei ausschließlich zur Empfängnisverhütung zugelassen, was maßgeblich für die Zweckbestimmung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 SächsBhVO sei. Das Sächsische Beamtengesetz unterscheide zwischen ""Erkrankungen"" und ""Empfängnisverhütung"", eine mit der Therapiehoheit des Arztes begründete zulassungsüberschreitende Anwendung eines Arzneimittels (Off-Label-Use) sei allenfalls innerhalb einer dieser Kategorien möglich. Der Beihilfegewährung stehe ferner entgegen, dass Kontrazeptiva der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen seien. 5 Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung. II 6 Die Revision ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit revisiblem Landesrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG; vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 5 C 32.12 - BVerwGE 148, 106 Rn. 8) in Einklang. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin Beihilfe zu den Aufwendungen für ein Kontrazeptivum beanspruchen kann, dessen arzneimittelrechtliche Zulassung auf die Empfängnisverhütung beschränkt ist, wenn es ihr aus Anlass einer Krankheit verordnet wurde. 7 Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen über die Gewährung von Beihilfe in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und sonstigen Fällen (Sächsische Beihilfeverordnung - SächsBhVO) vom 16. November 2012 (SächsGVBl. S. 626) in der - hier maßgeblichen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 8. November 2012 - 5 C 4.12 - Buchholz 270.1 § 22 BBhV Nr. 1 Rn. 12) - Fassung der Verordnung vom 30. Oktober 2013 (SächsGVBl. S. 851) sind Aufwendungen für von einem Arzt, Zahnarzt oder Heilpraktiker aus Anlass einer Krankheit schriftlich verordnete Arzneimittel beihilfefähig, wenn diese bestimmt sind, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper der Heilung oder Linderung einer Erkrankung oder der Erkennung eines Krankheitsbildes zu dienen. 8 Die Klägerin hat danach einen Anspruch auf die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für das ihr verordnete Empfängnisverhütungsmittel. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass es sich bei dem Präparat um ein Arzneimittel im Sinne des § 21 Abs. 1 SächsBhVO handelt, das der Klägerin von einem Arzt aus Anlass einer Krankheit verordnet wurde. Nach den den Senat bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts erfolgte die Verordnung ""ausschließlich zur Behandlung einer Krankheit"" (UA S. 12). Streitig ist allein, ob das Präparat, das arzneimittelrechtlich nur zur Empfängnisverhütung zugelassen ist, im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 SächsBhVO dazu bestimmt ist, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper der Heilung oder Linderung einer Erkrankung oder der Erkennung eines Krankheitsbildes zu dienen (1.), ob es als der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnendes Arzneimittel nach § 21 Abs. 3 Nr. 2 SächsBhVO von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen ist (2.) und ob es nach § 4 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 SächsBhVO medizinisch notwendig ist (3.). 9 1. Das der Klägerin verordnete Kontrazeptivum ist im Sinne von § 21 Abs. 2 Satz 1 SächsBhVO dazu bestimmt, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper der Heilung oder Linderung einer Erkrankung oder der Erkennung eines Krankheitsbildes zu dienen. Voraussetzung dafür ist nicht, dass das Arzneimittel zu diesem Zweck arzneimittelrechtlich zugelassen ist. Die Bestimmung kann auch von dem verordnenden Arzt vorgenommen werden. 10 Der Wortlaut der Vorschrift enthält keine Aussage dazu, wer die erforderliche Zweckbestimmung vorzunehmen hat und ist insoweit offen. Binnensystematisch spricht das Verhältnis von Abs. 2 Satz 1 zu Abs. 1 des § 21 SächsBhVO dafür, dass es maßgeblich auf die ärztliche Zweckbestimmung ankommt. § 21 Abs. 1 SächsBhVO verweist für den Arzneimittelbegriff auf die entsprechende Begriffsbestimmung des Arzneimittelgesetzes und dabei neben § 2 Abs. 4 AMG ausdrücklich auch auf § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1, Abs. 3a AMG. Diesen Bestimmungen liegt ein weiter Arzneimittelbegriff zu Grunde, der eine arzneimittelrechtliche Zulassung nicht voraussetzt. Diese Bezugnahme auf einen weiten Arzneimittelbegriff würde durch das Erfordernis einer ausschließlich durch die arzneimittelrechtliche Zulassung festgelegten Zweckbestimmung gleichsam konterkariert, weil darin zugleich eine Beschränkung der Beihilfefähigkeit allein auf arzneimittelrechtlich zugelassene Arzneimittel läge. Eine solche Beschränkung wäre im Übrigen nicht mit der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn (Art. 33 Abs. 5 GG) zu vereinbaren, weil sie sowohl Fertigarzneimittel, die keiner arzneimittelrechtlichen Zulassung bedürfen, als auch individuell zubereitete Arzneimittel generell von der Beihilfegewährung ausschlösse. Die Anforderungen an die Vornahme der Zweckbestimmung lassen sich auch nicht danach differenzieren, ob ein Arzneimittel einer arzneimittelrechtlichen Zulassung bedarf oder nicht, weil es dafür an einem normativen Anknüpfungspunkt fehlt. Gesamtsystematisch wird dieses Verständnis dadurch bestätigt, dass der Verordnungsgeber bei Verweisungen stets sehr präzise auf bestimmte Normen (vgl. etwa die Verweisungen in § 1 Abs. 2 und 6, § 2 Abs. 1 SächsBhVO) und so auch auf das Arzneimittelgesetz (vgl. § 21 Abs. 1 und § 22 Abs. 1 SächsBhVO) Bezug nimmt. Wenn er die Beihilfefähigkeit auf zugelassene Arzneimittel hätte beschränken wollen, hätte er - seinem Normsetzungskonzept folgend - nur auf § 2 Abs. 4 AMG, der ausschließlich arzneimittelrechtlich zugelassene Arzneimittel betrifft, oder die in § 21 AMG geregelte Zulassungspflicht verwiesen. 11 Dass es für die verlangte Zweckbestimmung nicht auf die arzneimittelrechtliche Zulassung ankommt, sondern diese von dem behandelnden Arzt im Einzelfall vorgenommen werden kann, ist ferner mit großer Deutlichkeit aus der von dem Beklagten vorgelegten Verordnungsbegründung (S. 19) und dem sich daraus ergebenden Sinn und Zweck des § 21 Abs. 2 Satz 1 SächsBhVO zu entnehmen. Dort heißt es zu § 21 Abs. 2 SächsBhVO: ""Es wird die Beihilfefähigkeit der Arzneimittel geregelt. [...] Die Beihilfefähigkeit setzt die Bestimmung des Arzneimittels zur Krankheitsbehandlung voraus. Nicht erforderlich ist demgegenüber die arzneimittelrechtliche Zulassung des Arzneimittels zur Behandlung der diagnostizierten Krankheit. Aufgrund der in den Vordergrund zu stellenden Therapiehoheit des Arztes, Zahnarztes oder Heilpraktikers sollen damit auch Arzneimittel im sogenannten 'Off-Label-Use' (zulassungsüberschreitende Anwendung) erstattungsfähig sein. [...]"". 12 Damit wird die Möglichkeit einer zulassungsüberschreitenden Anwendung eines Arzneimittels vom Verordnungsgeber beihilferechtlich anerkannt. Ausdrücklich ist dies zwar nur für den Fall angesprochen, dass das Arzneimittel nicht zur Behandlung der ""diagnostizierten"" Krankheit zugelassen ist. Soweit der Beklagte geltend macht, dass sich aus der arzneimittelrechtlichen Zulassung zumindest eine Bestimmung zu (irgendeiner) Krankheitsbehandlung (und nicht nur zur Empfängnisverhütung) ergeben müsse, findet sich aber in Wortlaut, Systematik und Begründung der Verordnung kein Hinweis auf ein solches Erfordernis. Sein weiterer Einwand, ohne arzneimittelrechtliche Zulassung zur Krankheitsbehandlung fehle der Nachweis des therapeutischen Nutzens, betrifft nicht die Frage der Zweckbestimmung, sondern des Vorliegens der allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe, nämlich der medizinischen Notwendigkeit nach § 4 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 SächsBhVO. 13 2. Kontrazeptiva, die zur Behandlung einer Krankheit verordnet werden, sind nicht nach § 21 Abs. 3 SächsBhVO von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Danach sind Aufwendungen für Arzneimittel, die der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sind, nicht beihilfefähig (Nr. 2 Satz 1). Das ist der Fall, wenn das Arzneimittel nach seiner objektiven Zweckbestimmung üblicherweise auch von Gesunden benutzt wird (Nr. 2 Satz 2). 14 Der Wortlaut des § 21 Abs. 3 Nr. 2 SächsBhVO erfasst zwar Empfängnisverhütungsmittel, weil diese üblicherweise auch von Gesunden benutzt werden. Die Regelung ist aber auf Kontrazeptiva, die aus Anlass einer Krankheit verordnet werden, nicht anwendbar. Denn die Beihilfefähigkeit von Empfängnisverhütungsmitteln, die zur Behandlung einer Krankheit verordnet werden, folgt aus § 21 Abs. 2 Satz 3 und § 44 Abs. 3 Satz 2 SächsBhVO, die dem § 21 Abs. 3 Nr. 2 SächsBhVO als lex specialis vorgehen. Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 3 SächsBhVO richtet sich die Beihilfefähigkeit für empfängnisverhütende Arzneimittel, die nicht aus Anlass einer Krankheit verordnet werden, ausschließlich nach § 44 Abs. 3 Satz 2 SächsBhVO. Danach sind Aufwendungen für von einem Arzt schriftlich verordnete hormonelle Kontrazeptiva und Intrauterinpessare bei Personen bis zum vollendeten zwanzigsten Lebensjahr auch dann beihilfefähig, wenn die Verordnung nicht aus Anlass einer Krankheit erfolgt. Beide Regelungen setzen die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für aus Anlass einer Krankheit verordnete Kontrazeptiva voraus. Aus ihnen ergibt sich daher ohne Weiteres im Umkehrschluss, dass Aufwendungen für aus Anlass einer Krankheit verordnete Kontrazeptiva beihilfefähig sein sollen, unabhängig davon, ob dies vor oder nach Vollendung des 20. Lebensjahres geschieht. Überdies wäre es fraglich, ob im Hinblick auf Kontrazeptiva, die aus Anlass einer Krankheit verordnet werden, eine Altersdifferenzierung vor dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könnte. 15 Wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht ergänzend anmerkt, wäre es jedenfalls nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn Aufwendungen für Empfängnisverhütungsmittel, die zur Behandlung einer Krankheit eingesetzt werden, generell von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen würden. Die Gründe, die den Beihilfeausschluss der Aufwendungen für Kontrazeptiva rechtfertigen, die ausschließlich zur Empfängnisverhütung verordnet wurden, sind nicht geeignet, einen darüber hinausgehenden Ausschluss bei der Verordnung dieser Mittel für die Behandlung von Krankheiten zu tragen. Der Beihilfeausschluss kann in diesen Fällen auch nicht mit dem Gesichtspunkt der Missbrauchsgefahr begründet werden, weil die Beihilfestellen Täuschungsversuchen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln der Sachaufklärung wirkungsvoll begegnen können, ohne dass dies mit einem unzumutbar hohen Verwaltungsaufwand verbunden wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 2009 - 2 C 23.08 - Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 18 Rn. 16 ff.). 16 3. Die Verordnung des Kontrazeptivums zur Behandlung des Uterusmyoms der Klägerin genügt auch den Anforderungen des § 4 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 SächsBhVO. Danach sind nur Aufwendungen für medizinisch notwendige und wirtschaftlich angemessene Maßnahmen nach Maßgabe der Verordnung beihilfefähig, deren Wirksamkeit und therapeutischer Nutzen nachgewiesen sind und für die die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (§ 4 Abs. 3 Satz 1 SächsBhVO). Die Notwendigkeit von Aufwendungen für Untersuchungen und Behandlungen, einschließlich der hierbei verordneten Arzneimittel und Medizinprodukte, setzt außerdem voraus, dass diese nach einer wissenschaftlich allgemein anerkannten Methode vorgenommen werden (§ 4 Abs. 4 Satz 1 SächsBhVO). 17 Die medizinische Notwendigkeit als Voraussetzung für die Beihilfegewährung ist ein der gerichtlichen Überprüfung voll zugänglicher unbestimmter Rechtsbegriff. Aufwendungen in Krankheitsfällen sind danach dem Grunde nach notwendig, wenn sie für eine medizinisch gebotene Behandlung entstanden sind, die der Wiedererlangung der Gesundheit, der Besserung oder Linderung von Leiden, der Beseitigung oder dem Ausgleich körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen dient (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. August 2018 - 5 B 3.18 - ZBR 2019, 202 Rn. 9 m.w.N.). Eine Behandlungsmethode ist wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen wird (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 29. Juni 1995 - 2 C 15.94 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 15 S. 6 ff. und vom 18. Juni 1998 - 2 C 24.97 - Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 10 S. 4 f.; Beschluss vom 15. Juli 2008 - 2 B 44.08 - juris Rn. 4, jeweils m.w.N.). Ob eine bestimmte Methode zur Behandlung von Krankheiten von der jedenfalls überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft als wirksam und geeignet angesehen wird, betrifft den Bereich der Tatsachen, nicht die rechtliche Würdigung (BVerwG, Beschluss vom 24. November 2004 - 2 B 65.04 - juris Rn. 7). 18 Nach den den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts war die Verordnung des Kontrazeptivums hier zur Behandlung des Uterusmyoms der Klägerin medizinisch geboten und daher notwendig. Bei der Behandlung eines Uterusmyoms mit Empfängnisverhütungsmitteln der hier verordneten Art handelt es sich nach seinen weiteren Feststellungen, die insoweit gemäß § 130b Satz 2 VwGO auf die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug nehmen, außerdem um eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode. Im Revisionsverfahren sind keine Gesichtspunkte zu Tage getreten, die die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 SächsBhVO seien erfüllt, in revisionsrechtlich erheblicher Weise in Frage stellen. 19 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2020-4,23.01.2020,"Pressemitteilung Nr. 4/2020 vom 23.01.2020 EN Regelmäßig kein Anspruch eines vom Dienst ganz freigestellten Personalratsmitglieds auf leistungsbezogene Besoldung Ein ganz vom Dienst freigestelltes Personalratsmitglied hat in aller Regel keinen Anspruch auf Einbeziehung in die Entscheidung des Dienstherrn über die Gewährung leistungsbezogener Besoldungselemente. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist Polizeihauptkommissar im Dienst der Bundespolizei und wegen seiner Tätigkeit als Personalrat ganz von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellt. Er begehrt, bei der leistungsbezogenen Besoldung während seiner Freistellung berücksichtigt zu werden. Leistungsbezogene Besoldung kann in Form der Leistungsstufe als befristete Vorwegnahme der nächsthöheren Grundgehaltsstufe, in Form der Leistungsprämie als Einmalzahlung oder in Form der Leistungszulage als monatliche Zahlung längstens für einen zusammenhängenden Zeitraum von einem Jahr gewährt werden. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, über die Vergabe einer leistungsbezogenen Besoldung an den Kläger unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Revision des Beklagten stattgegeben, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen. Ein ganz vom Dienst freigestelltes Personalratsmitglied hat in aller Regel keinen Anspruch auf Einbeziehung in die Ermessensentscheidung über die Gewährung leistungsbezogener Besoldungselemente, weil dies voraussetzt, dass der betroffene Beamte - wäre er nicht freigestellt - eine herausragende besondere Leistung (persönlich oder als Teammitglied) erbracht hätte. Für diese Annahme bedarf es einer belastbaren Tatsachengrundlage. Eine solche erscheint bei ganz vom Dienst freigestellten Personalratsmitgliedern nahezu ausgeschlossen. Anerkannte fiktionale beamtenrechtliche Instrumente können sie nicht ersetzen. Das personalvertretungsrechtliche Benachteiligungsverbot findet hier seine Grenze. Anderes kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn der Beamte in der Zeit vor seiner Freistellung wiederholt herausragende besondere Leistungen erbracht hat und diese mit einer Form der Leistungsbesoldung honoriert wurden. BVerwG 2 C 22.18 - Urteil vom 23. Januar 2020 Vorinstanzen: OVG Saarlouis, 1 A 727/16 - Urteil vom 05. Juni 2018 - VG Saarlouis, 2 K 812/15 - Urteil vom 22. November 2016 -","Urteil vom 23.01.2020 - BVerwG 2 C 22.18ECLI:DE:BVerwG:2020:230120U2C22.18.0 EN Regelmäßig kein Anspruch eines ganz vom Dienst freigestellten Personalratsmitglieds auf leistungsbezogene Besoldung Leitsätze: 1. Das Lohnausfallprinzip des § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG erfasst die durch Verwaltungsentscheidung zuerkannten und damit zahlbar gemachten leistungsbezogenen Besoldungsinstrumente. 2. Das Beeinträchtigungsverbot des § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG schützt das berufliche Fortkommen des freigestellten Beamten in der Laufbahn und die damit in Zusammenhang stehenden Personalentscheidungen. Dazu gehört nicht die Bewilligung einer der verschiedenen Formen der Leistungsbesoldung und damit auch nicht das Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihre Vergabe. 3. Ein ganz vom Dienst freigestelltes Personalratsmitglied hat auf der Grundlage des allgemeinen Benachteiligungsverbots in aller Regel keinen Anspruch darauf, in die Ermessensentscheidung des Dienstherrn über die Gewährung leistungsbezogener Besoldungsinstrumente einbezogen zu werden. Der Anspruch setzt voraus, dass der betroffene Beamte - wäre er nicht freigestellt - eine individuelle herausragende Leistung erbracht hätte. Eine solche prognostische Annahme aufgrund einer belastbaren Tatsachengrundlage ist bei einem ganz vom Dienst freigestellten Personalratsmitglied nahezu ausgeschlossen. 4. Die in der Rechtsprechung anerkannten Rechtsinstitute der fiktiven Fortschreibung dienstlicher Beurteilungen und der Referenzgruppenbildung sind ebenso wenig wie andere fiktionale Vergleichsgruppenbetrachtungen geeignet, die erforderliche belastbare Tatsachengrundlage für die Annahme einer individuellen herausragenden Leistung zu ersetzen. 5. Ausnahmsweise kommt ein Anspruch des gänzlich freigestellten Personalratsmitglieds auf Einbeziehung in die Ermessensentscheidung über die Gewährung leistungsbezogener Besoldungsinstrumente in Betracht, wenn der Beamte in der Zeit vor seiner Freistellung wiederholt eine Form der Leistungsbesoldung (persönlich oder als Teammitglied) für herausragende besondere Leistungen erhalten hat. In diesem eng begrenzten Ausnahmefall ist es allenfalls denkbar, zu der durch Tatsachen fundierten Annahme zu gelangen, dass der betreffende Beamte ohne Freistellung - erneut - persönlich oder im Team eine herausragende besondere dienstliche Leistung erbracht hätte. Rechtsquellen GG Art. 33 Abs. 2 BBesG § 1 Abs. 2, § 27 Abs. 7, § 42a BPersVG §§ 8, 46 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 6 BLBV §§ 3, 4, 5, 9 BLV § 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Instanzenzug VG Saarlouis - 22.11.2016 - AZ: VG 2 K 812/15 OVG Saarlouis - 05.06.2018 - AZ: OVG 1 A 727/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 23.01.2020 - 2 C 22.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:230120U2C22.18.0] Urteil BVerwG 2 C 22.18 VG Saarlouis - 22.11.2016 - AZ: VG 2 K 812/15 OVG Saarlouis - 05.06.2018 - AZ: OVG 1 A 727/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung und Dollinger sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 5. Juni 2018 und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 22. November 2016 werden aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen. Gründe I 1 Der Kläger begehrt, bei der Entscheidung der Beklagten über die Gewährung leistungsbezogener Besoldung auch als freigestelltes Personalratsmitglied ab dem Jahr 2013 berücksichtigt zu werden. 2 Der Kläger steht seit 1990 im Dienst der Beklagten und ist bei der Bundespolizei beschäftigt. Er wurde im Amt eines Polizeihauptmeisters (Besoldungsgruppe A 9 BBesO) im Jahr 1996 wegen seiner Tätigkeit im Gesamtpersonalrat von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellt. Nachdem er mit Unterbrechungen ganz oder teilweise freigestellt war, ist er seit Dezember 2009 förmlich zu 75 v.H. und seit 2016 förmlich zu 100 v.H. von seinen dienstlichen Verpflichtungen freigestellt. Während dieser Zeit ist der Kläger zum begrenzten Praxisaufstieg in die Laufbahn des gehobenen Polizeivollzugsdienstes zugelassen und dort bis in das Amt eines Polizeihauptkommissars (Besoldungsgruppe A 11 BBesO) befördert worden. 3 Im November 2013 beantragte der Kläger die Gewährung eines der leistungsbezogenen Besoldungsinstrumente nach der Bundesleistungsbesoldungsverordnung. Den Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid wies die Beklagte zurück. 4 Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, über die Vergabe leistungsbezogener Besoldung nach der Bundesleistungsbesoldungsverordnung an den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: 5 Der Kläger könne bereits auf der Grundlage des personalvertretungsrechtlichen Lohnausfallprinzips beanspruchen, in die Ermessensentscheidung über die Vergabe leistungsbezogener Besoldung einbezogen zu werden. Das Lohnausfallprinzip erfasse auch den ""bloßen"" Anspruch auf Einbeziehung in die ermessensfehlerfreie Entscheidung des Dienstherrn. Die Feststellung, ob das freigestellte Personalratsmitglied ohne die Freistellung herausragende Leistungen bei der dienstlichen Tätigkeit erbracht hätte, sei dem Dienstherrn im Wege der fiktiven Nachzeichnung der Laufbahn möglich. Die für die fiktive Fortschreibung vergangener Beurteilungen erforderliche belastbare Tatsachengrundlage sei auch im Fall des Klägers gegeben, der im Hinblick auf seine weitere Tätigkeit im örtlichen Personalrat seit dem Jahr 2013 faktisch ganz vom Dienst freigestellt sei. Denn seine Freistellung als Personalratsmitglied sei von Mai 1999 bis August 2000 und von Januar bis Oktober 2004 unterbrochen worden. Im Übrigen sei ungeachtet dessen nicht ersichtlich, dass dem Dienstherrn eine leistungsbesoldungsbezogene Nachzeichnung ausgehend von den Gegebenheiten vor dem Jahr 1996, gegebenenfalls besoldungsgruppenübergreifend, tatsächlich unmöglich sei. Es könne etwa die Häufigkeit gewährter Leistungsbesoldung bei im beruflichen Werdegang sowie im Leistungsstand vergleichbaren Kollegen ermittelt und auf diese zurückgegriffen werden. Der Anspruch des Klägers auf Einbeziehung in die Vergabeentscheidung folge auch aus dem Verbot, den beruflichen Werdegang des Personalratsmitglieds zu beeinträchtigen. 6 Hiergegen richtet sich die bereits vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 5. Juni 2018 und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 22. November 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen. 7 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision der Beklagten. II 9 Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger als ganz vom Dienst freigestelltes Personalratsmitglied auf der Grundlage des Lohnausfallprinzips des § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG und des Beeinträchtigungsverbots des § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG ohne weitere Voraussetzungen beanspruchen kann, bei der Entscheidung der Beklagten über die Vergabe leistungsbezogener Besoldungsinstrumente in den Kreis der möglichen Empfänger aufgenommen zu werden, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Urteil des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Ein ganz vom Dienst freigestelltes Personalratsmitglied hat auch auf der Grundlage des allgemeinen Benachteiligungsverbots des § 8 BPersVG in aller Regel keinen Anspruch auf Einbeziehung in die Ermessensentscheidung des Dienstherrn über die Gewährung leistungsbezogener Besoldungsinstrumente. Anderes kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn der Beamte in der Zeit vor seiner Freistellung wiederholt herausragende besondere Leistungen erbracht hat und diese mit einer Form der Leistungsbesoldung honoriert wurden. Für Letzteres bestehen nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. 10 1. Rechtsgrundlage für die Gewährung leistungsbezogener Besoldungsinstrumente ist für den Zeitraum vom November 2013 bis zum 31. Dezember 2015 § 27 Abs. 7 und § 42a des Bundesbesoldungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Juni 2009 (BGBl. I S. 1434, BBesG a.F.), redaktionell geändert durch Art. 1 Nr. 14 des Professorenbesoldungsneuregelungsgesetzes vom 11. Juni 2013 (BGBl. I S. 1514), jeweils in Verbindung mit der Verordnung des Bundes über leistungsbezogene Besoldungsinstrumente (Bundesleistungsbesoldungsverordnung - BLBV) vom 23. Juli 2009 (BGBl. I S. 2170), und seither - inhaltlich unverändert - § 27 Abs. 6 und § 42a des Bundesbesoldungsgesetzes in der Fassung des Art. 1 Nr. 4d), Nr. 12 des Siebten Besoldungsänderungsgesetzes (7. BesÄndG) vom 3. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2163, BBesG), jeweils in Verbindung mit der Bundesleistungsbesoldungsverordnung in der Fassung des Art. 4 des 7. BesÄndG. 11 Gemäß § 27 Abs. 7 Satz 1 BBesG a.F. und § 27 Abs. 6 Satz 1 BBesG i.V.m. § 3 BLBV kann bei dauerhaft herausragenden Leistungen Beamten und Soldaten der Bundesbesoldungsordnung A für den Zeitraum bis zum Erreichen der nächsten Stufe das Grundgehalt der nächsthöheren Stufe als Leistungsstufe gezahlt werden. Dabei darf nach § 27 Abs. 7 Satz 2 BBesG a.F. und § 27 Abs. 6 Satz 2 BBesG die Zahl der in einem Kalenderjahr bei einem Dienstherrn vergebenen Leistungsstufen grundsätzlich 15 v.H. der Zahl der bei dem Dienstherrn vorhandenen Beamten und Soldaten der Bundesbesoldungsordnung A, die das Endgrundgehalt noch nicht erreicht haben, nicht übersteigen. 12 Weiter können zur Abgeltung von herausragenden besonderen Leistungen gemäß § 42a Abs. 1 BBesG i.V.m. § 4 BLBV Leistungsprämien als Einmalzahlungen bis zur Höhe des Anfangsgrundgehalts der Besoldungsgruppe des Besoldungsempfängers (vgl. § 42a Abs. 2 Satz 6 Halbs. 1 BBesG) oder gemäß § 42a Abs. 1 BBesG i.V.m. § 5 BLBV befristete monatliche Leistungszulagen bis zur Höhe von 7 v.H. des Anfangsgrundgehalts (vgl. § 42a Abs. 2 Satz 6 Halbs. 2 BBesG) gewährt werden. Dabei darf nach § 42a Abs. 2 Satz 1 BBesG die Gesamtzahl der in einem Kalenderjahr bei einem Dienstherrn vergebenen nicht ruhegehaltfähigen (vgl. § 42a Abs. 2 Satz 4 BBesG) Leistungsprämien und Leistungszulagen grundsätzlich 15 v.H. der Zahl der bei dem Dienstherrn vorhandenen Besoldungsempfänger nach § 42a Abs. 1 Satz 1 BBesG nicht übersteigen. 13 Ein gänzlich freigestelltes Personalratsmitglied erbringt keine dienstlichen Leistungen im Sinne dieser besoldungsrechtlichen Vorschriften. Die Personalratstätigkeit selbst kann nicht mit einem der leistungsbezogenen Besoldungsinstrumente honoriert werden. Das Gesetz verbietet die Gewährung eines Entgelts oder jede sonstige Zuwendung eines geldwerten Vorteils für die personalvertretungsrechtliche Tätigkeit. Nach § 46 Abs. 1 BPersVG führen die Mitglieder des Personalrats ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Das Ehrenamtsprinzip dient dazu, die innere Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Personalratsmitglieds bei der Ausübung seines Amtes zu wahren (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 21. September 2006 - 2 C 13.05 - BVerwGE 126, 333 Rn. 13; s. a. BAG, Urteil vom 4. Juni 2003 - 7 AZR 159/02 - BAGE 106, 238 <241 f.> m.w.N.). Die Tätigkeit eines Personalratsmitglieds entzieht sich zudem jeder Bewertung durch den Dienstherrn. Nach dem das Personalvertretungsrecht beherrschenden Partnerschaftsgrundsatz ist der Dienstherr gehindert, vom Dienst freigestellte Personalratsmitglieder für die Zeit der Freistellung dienstlich zu beurteilen. Für den Bereich, für den eine Personalvertretung gewählt ist, stehen sich der Dienststellenleiter und die Personalvertretung, zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit verbunden, gegenüber; der Personalrat ist als eigenständiges Interessenvertretungsorgan nicht der Dienststellenleitung zugeordnet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. November 1991 - 1 WB 160.90 - BVerwGE 93, 188 <192> und Urteil vom 21. September 2006 - 2 C 13.05 - BVerwGE 126, 333 Rn. 17). 14 2. Der Kläger kann auf der Grundlage des Lohnausfallprinzips des § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG nicht beanspruchen, in die gemäß § 27 Abs. 7 Satz 1 BBesG a.F. und § 27 Abs. 6 Satz 1 BBesG i.V.m. § 3 BLBV und gemäß § 42a Abs. 1 BBesG i.V.m. §§ 4 und 5 BLBV zu treffende Ermessensentscheidung der Beklagten einbezogen zu werden. 15 Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG hat Versäumnis von Arbeitszeit, die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Personalratsaufgaben erforderlich ist, keine Minderung der Dienstbezüge oder des Arbeitsentgeltes zur Folge. Es gilt das ""Lohnausfallprinzip"". Die Ansprüche des freigestellten Personalratsmitglieds auf Dienstbezüge bleiben unverändert bestehen. Er erhält diejenigen Dienstbezüge, die der Dienstherr zu zahlen hätte, hätte der Beamte in seinem bisherigen Aufgabenbereich weiter Dienst geleistet (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. September 1985 - 2 C 15.84 - Buchholz 238.3a § 107 BPersVG Nr. 3 S. 3 und vom 13. September 2001 - 2 C 34.00 - Buchholz 251.6 § 39 NdsPersVG Nr. 1 S. 2; Beschlüsse vom 27. Januar 2004 - 6 P 9.03 - Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 33 S. 16 und vom 30. Januar 2013 - 6 P 5.12 - BVerwGE 145, 368 Rn. 17, 24; s. a. etwa BAG, Urteile vom 7. November 2007 - 7 AZR 820/06 - BAGE 124, 356 <362> und vom 16. November 2011 - 7 AZR 458/10 - PersR 2012, 176 <177>). 16 Der Begriff der Dienstbezüge im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG erfasst nur die durch Verwaltungsentscheidung zuerkannten und damit zahlbar gemachten leistungsbezogenen Besoldungsinstrumente, nicht dagegen den Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Dienstherrn über ihre Vergabe. 17 § 1 Abs. 2 BBesG bestimmt den Begriff der Dienstbezüge nicht abschließend und auch nicht umfassend für sämtliche beamtenrechtlichen Vorschriften. Der Begriff ""Dienstbezüge"" wird innerhalb des öffentlichen Dienstrechts je nach Sinngehalt und Zusammenhang der jeweils einschlägigen Vorschrift mit unterschiedlicher Bedeutung verwendet (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. August 1974 - 2 C 38.73 - BVerwGE 47, 23 <25>, vom 24. März 1977 - 2 C 3.75 - Buchholz 232 § 154 BBG Nr. 1 S. 5 f., vom 29. August 1991 - 2 C 35.89 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 6 S. 17, vom 10. März 1994 - 2 C 11.93 - BVerwGE 95, 208 <210 f.> und vom 13. Juli 2000 - 2 C 30.99 - BVerwGE 111, 313 <314>). Der in § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG verwendete Begriff der Dienstbezüge ist danach im weiten Sinn zu verstehen. Er erfasst nicht nur die finanziellen Leistungen des Dienstherrn, die im Hinblick auf den Beamtenstatus als solche gewährt werden und die die den Bezügen eines aktiven Beamten ""entsprechende Alimentation"" darstellen, sondern auch solche finanziellen Leistungen, die von konkreten Dienstleistungen abhängig sind. Das in § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG normierte Lohnausfallprinzip soll sicherstellen, dass dem Beamten das Einkommen garantiert bleibt, das ihm vor seiner Freistellung gewährt wurde und auf das er seine Lebensverhältnisse ausgerichtet hat. Der Beamte soll während der Ausübung des Personalratsamtes keine finanziellen Einbußen erleiden. Deshalb rechtfertigt die Tatsache, dass eine bestimmte Tätigkeit von dem freigestellten Personalratsmitglied tatsächlich nicht mehr ausgeübt wird, nicht den Wegfall der mit der Tätigkeit verbundenen finanziellen Leistungen (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. September 1984 - 2 C 58.81 - Buchholz 238.37 § 42 PersVG NW Nr. 5 S. 5, vom 18. September 1985 - 2 C 15.84 - Buchholz 238.3a § 107 BPersVG Nr. 3 S. 3 und vom 13. September 2001 - 2 C 34.00 - Buchholz 251.6 § 39 NdsPersVG Nr. 1 S. 2 zu Schmutzzulagen und Erschwerniszulagen). Änderungen der Sach- und Rechtslage sind dabei in ihren Auswirkungen auf die Besoldung und damit auch auf eine fortbestehende Zulagenberechtigung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. September 2001 - 2 C 34.00 - Buchholz 251.6 § 39 NdsPersVG Nr. 1 S. 3). 18 Finanzielle Leistungen in diesem Sinne sind die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verwaltungsentscheidung bewilligten und damit zahlbaren Besoldungsleistungen. Der ""bloße"" Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Dienstherrn über die Gewährung leistungsbezogener Besoldungsinstrumente gehört nicht dazu. § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG verbietet, dass sich die Dienstbezüge infolge der Übernahme des Personalratsamtes vermindern. Eine ""Minderung"" der Dienstbezüge liegt aber nur vor, wenn sie sich betragsmäßig reduzieren. Nach dem Lohnausfallprinzip sollen die Bezüge des freigestellten Personalrats betragsmäßig nicht hinter denjenigen zurückbleiben, die ohne die Freistellung vom Dienst zu zahlen wären. Danach unterfällt dem Begriff der Dienstbezüge im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG die durch Bewilligungsentscheidung zuerkannte Leistungsbezahlung in Form der Leistungsstufe (§ 27 Abs. 7 Satz 1 BBesG a.F. bzw. § 27 Abs. 6 Satz 1 BBesG i.V.m. § 3 BLBV) und der Leistungszulage (§ 42a BBesG i.V.m. § 5 BLBV). Ist die Leistungsstufe dem Personalratsmitglied vor Beginn seiner Freistellung gewährt worden, so ist die Bezahlung aus der höheren Stufe nach Beginn der Freistellung bis zu demjenigen Zeitpunkt fortzugewähren, in welchem das Personalratsmitglied diese Stufe regulär erreicht. Ist dem Personalratsmitglied vor Beginn der Freistellung eine Leistungszulage für einen zusammenhängenden Zeitraum zuerkannt worden (vgl. § 42a Abs. 2 Satz 5 BBesG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 3 BLBV), der erst nach dem Beginn der Freistellung endet, so ist sie weiter zu zahlen (BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 2013 - 6 P 5.12 - BVerwGE 145, 368 Rn. 24). 19 Weitergehende Ansprüche des vollständig freigestellten Personalratsmitglieds im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Elemente der Leistungsbesoldung ergeben sich aus dem Lohnausfallprinzip des § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG nicht. 20 3. Der Kläger hat auch auf der Grundlage des personalvertretungsrechtlichen Beeinträchtigungsverbots des § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG keinen Anspruch, in die Ermessensentscheidung der Beklagten über die Gewährung leistungsbezogener Besoldungsinstrumente einbezogen zu werden. Gemäß § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG darf die Freistellung eines Personalratsmitglieds vom Dienst nicht zur Beeinträchtigung des beruflichen Werdegangs führen. Das Verbot erfasst den geltend gemachten Anspruch nicht. 21 Der in § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG nicht definierte Begriff des ""beruflichen Werdegangs"" ist nach seiner Wortbedeutung und dem Sinn und Zweck der Vorschrift im dienstrechtlichen Sinne zu verstehen. Er meint das berufliche Fortkommen des Beamten in der Laufbahn und die damit im Zusammenhang stehenden Personalentscheidungen. Dem Wortverständnis nach ist darunter die berufliche Karriere, der Berufsweg, die Biographie oder der Ablauf des beruflichen Werdens zu fassen. All diese Begriffe bezeichnen gemeinhin einen beruflichen Aufstieg verbunden mit der Veränderung der beruflichen Stellung (""den Weg nach oben""). Übertragen auf den Status des Beamten findet der berufliche Aufstieg in der Laufbahn statt. Diesem Begriffsverständnis entspricht der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG, der in der Rechtsprechung des Senats geklärt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2006 - 2 C 13.05 - BVerwGE 126, 333 Rn. 13 und Beschluss vom 30. Juni 2014 - 2 B 11.14 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 76 Rn. 11 f.). Die Schutznorm soll gewährleisten, dass die Personalratsmitglieder ihr Ehrenamt unbeeinflusst von der Furcht vor beruflichen Benachteiligungen wahrnehmen. Es soll vermieden werden, dass qualifizierte Bedienstete von einer Mitarbeit in den personalvertretungsrechtlichen Organen Abstand nehmen, weil sie Sorge haben, aus Anlass der ehrenamtlichen Tätigkeit ihre beruflichen Perspektiven zurückstellen zu müssen. Es stellt eine verbotene Benachteiligung dar, wenn das berufliche Fortkommen eines Personalratsmitglieds davon abhängig gemacht wird, dass er seine Freistellung aufgibt (BVerwG, Urteil vom 21. September 2006 - 2 C 13.05 - BVerwGE 126, 333 Rn. 13 und Beschluss vom 30. Juni 2014 - 2 B 11.14 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 76 Rn. 12; s. a. etwa BAG, Urteile vom 31. Oktober 1985 - 6 AZR 129/83 - PersV 1988, 406 <406 f.>, vom 29. Oktober 1998 - 7 AZR 676/96 - BAGE 90, 106 <109> und vom 27. Juni 2001 - 7 AZR 496/99 - BAGE 98, 164 <168 f.>). Das Beeinträchtigungsverbot des § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG schützt damit das einzelne Personalratsmitglied in seiner dienstrechtlichen Stellung (BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 1977 - 7 P 17.76 - Buchholz 238.3a BPersVG Nr. 7 S. 13). Die dienstrechtliche Stellung des Beamten ist durch das in der Bundesbesoldungsordnung festgesetzte Amt im statusrechtlichen Sinne nach Amtsbezeichnung, Besoldungsgruppe und Laufbahn gekennzeichnet. Die Veränderung des Beamten in seiner dienstrechtlichen Stellung folgt dem Laufbahnprinzip, das die lebenszeitige Übertragung aller einer Laufbahn zugeordneten Ämter vorsieht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 1985 - 2 BvL 16.82 - BVerfGE 70, 251 <267>; BVerwG, Urteil vom 28. April 2011 - 2 C 30.09 - BVerwGE 139, 368 Rn. 15). Dem entspricht das berechtigte Anliegen des Beamten, in seiner Laufbahn entsprechend seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung voranzukommen. 22 Der berufliche Werdegang in dem so verstandenen dienstrechtlichen Sinn umfasst in erster Linie Beförderungen, aber auch Entscheidungen des Dienstherrn, die Einfluss auf das weitere berufliche Fortkommen in der Laufbahn haben. Dazu zählen etwa Personalentscheidungen, wie die Übertragung von Beförderungsdienstposten, die eine höherwertige Tätigkeit beinhalten und eine spätere Beförderung ermöglichen, aber auch solche, die die Verwendungsbreite des Beamten erhöhen oder der weiteren fachlichen Qualifikation dienen. Zu diesen Entscheidungen gehört dagegen nicht die Bewilligung einer der verschiedenen Formen der Leistungsbesoldung und damit auch nicht das Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihre Vergabe, um das es hier allein geht. Die dienstrechtliche Stellung des Beamten wird durch die Leistungsbesoldung nicht berührt. Sie betrifft weder das statusrechtliche Amt noch sonst das Fortkommen des Beamten in der Laufbahn in irgendeiner Weise. 23 4. Der Kläger hat ebenso wenig auf der Grundlage des allgemeinen Benachteiligungsverbots des § 8 BPersVG einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Gewährung leistungsbezogener Besoldungsinstrumente. 24 a) Gemäß § 8 BPersVG dürfen Personen, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz wahrnehmen, darin nicht behindert und wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung. Das allgemeine Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot untersagt jede nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der geschützten Personen gegenüber anderen vergleichbaren Beschäftigten. Benachteiligung ist jede Zurücksetzung oder Schlechterstellung, Begünstigung ist jede Besserstellung oder Vorteilsgewährung. Die Benachteiligung oder Begünstigung ist verboten, wenn sie im ursächlichen Zusammenhang mit der Wahrnehmung personalvertretungsrechtlicher Aufgaben und Befugnisse steht und nicht aus sachlichen Gründen erfolgt. Personalratsmitglieder dürfen nicht besser oder schlechter behandelt werden als vergleichbare Beschäftigte ohne Personalratsamt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Januar 2004 - 6 P 9.03 - Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 33 S. 14, vom 25. November 2004 - 6 P 6.04 - Buchholz 251.7 § 40 NWPersVG Nr. 3 S. 7, vom 21. Mai 2007 - 6 P 5.06 - Buchholz 251.5 § 42 HePersVG Nr. 1 Rn. 25 und vom 1. Februar 2010 - 6 PB 36.09 - Buchholz 251.92 § 8 SAPersVG Nr. 1 Rn. 4; s. a. etwa BAG, Urteile vom 7. November 2007 - 7 AZR 820/06 - BAGE 124, 356 <368> und vom 16. November 2011 - 7 AZR 458/10 - PersR 2012, 176 <177>). 25 Auf welche Weise der Dienstherr es sicherstellt, diese gesetzliche Verpflichtung zu erfüllen, ist grundsätzlich ihm überlassen. Der Dienstherr hat einen Einschätzungsspielraum hinsichtlich der Wahl der Methode und des Verfahrens. Die gewählte Verfahrensweise muss geeignet sein, eine unzulässige Benachteiligung, aber auch eine unzulässige Begünstigung zu vermeiden. Dies setzt eine belastbare Tatsachengrundlage voraus, die eine aussagefähige Prognose erlaubt, wie das Personalratsmitglied ohne Freistellung seinen Dienst ausgeübt hätte. Aus diesem Erfordernis ergeben sich zugleich die Grenzen der Prognosemöglichkeit. Lässt sich eine belastbare Prognose nicht treffen, liegt in dem gleichwohl gewährten Anspruch oder in der zugunsten des Personalratsmitglieds gleichwohl getroffenen Maßnahme eine unzulässige Bevorzugung (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2010 - 2 C 11.09 - Buchholz 232.1 § 33 BLV Nr. 3 Rn. 9 f.; Beschlüsse vom 6. Juni 2014 - 2 B 75.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 73 Rn. 9 und vom 30. Juni 2014 - 2 B 11.14 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 76 Rn. 13). 26 Ausgehend davon hat ein ganz vom Dienst freigestelltes Personalratsmitglied in aller Regel keinen Anspruch darauf, in die Ermessensentscheidung über die Gewährung leistungsbezogener Besoldungsinstrumente einbezogen zu werden. Der Anspruch setzt voraus, dass der betroffene Beamte - wäre er nicht freigestellt - eine individuelle herausragende Leistung erbracht hätte. Es ist nahezu ausgeschlossen, dass bei einem vollständig vom Dienst freigestellten Personalratsmitglied eine solche prognostische Annahme aufgrund einer belastbaren Tatsachengrundlage möglich ist. Die in der Rechtsprechung anerkannten fiktionalen beamtenrechtlichen Instrumente der fiktiven Fortschreibung dienstlicher Beurteilungen und der Referenzgruppenbildung können die für eine solche Annahme erforderliche belastbare Tatsachengrundlage nicht ersetzen. Gleiches gilt für sonstige fiktive Vergleichsgruppenbetrachtungen. 27 Das - nunmehr in § 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BLV 2009 geregelte - Rechtsinstitut der fiktiven Fortschreibung dienstlicher Beurteilungen fingiert eine tatsächlich im Beurteilungszeitraum nicht erbrachte Dienstleistung und unterstellt eine Fortentwicklung der Leistungen des freigestellten Beamten entsprechend dem durchschnittlichen beruflichen Werdegang einer Gruppe vergleichbarer Beamter; einer zu erwartenden Leistungssteigerung ist angemessen Rechnung zu tragen. Damit wird prognostiziert, wie der Beamte voraussichtlich zu beurteilen wäre, wäre er im Beurteilungszeitraum nicht freigestellt und hätte er seine Leistungen wie vergleichbare Kollegen fortentwickelt (vgl. BVerwG, Urteile vom 10. April 1997 - 2 C 38.95 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 16 S. 35, vom 21. September 2006 - 2 C 13.05 - BVerwGE 126, 333 Rn. 17 und vom 16. Dezember 2010 - 2 C 11.09 - Buchholz 232.1 § 33 BLV Nr. 3 Rn. 9). Diese fiktive Betrachtung ist nicht geeignet, eine belastbare Prognose über die Gewährung leistungsbezogener Besoldungsinstrumente zu treffen. Die Bildung einer Vergleichsgruppe, die an die Beurteilungslage vergleichbarer Beamter anknüpft, ist kein taugliches Mittel, wenn es um die fiktive Feststellung einer individuellen herausragenden Leistung geht. 28 Bei der Gewährung der leistungsbezogenen Besoldung gemäß § 27 Abs. 7 Satz 1 BBesG a.F. bzw. § 27 Abs. 6 Satz 1 BBesG i.V.m. § 3 BLBV und gemäß § 42a Abs. 1 BBesG i.V.m. §§ 4 und 5 BLBV steht dem Dienstherrn ein weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum (hinsichtlich des ""ob"" und bei Prämien und Zulagen auch hinsichtlich der zu gewährenden Höhe) zu. Dabei ist der Entscheidungsberechtigte (vgl. § 9 BLBV) bei der Bewertung einer Leistung als herausragender Leistung und bei der Auswahl der konkret zu honorierenden herausragenden Leistung - sei es persönlich oder im Team - gerade nicht an die dienstliche Beurteilung gebunden. Die Vergabeentscheidung soll nach der Intention des Gesetzgebers dezentral, möglichst ohne Unterstützung der Personalverwaltung und grundsätzlich unabhängig von einer dienstlichen Beurteilung getroffen werden. Es sollen dauerhaft herausragende Leistungen und aktuelle oder situative herausragende besondere Einzelleistungen zeitnah gewürdigt werden, die auf individuelle, nur auf den betreffenden Beamten persönlich zugeschnittene Gründe zurückzuführen sind (vgl. BT-Drs. 13/3994 S. 30 und 42). Dabei können die zu honorierenden Leistungen unterschiedlichster Art sein (z.B. auch die Übernahme von Aufgaben von zwei Dienstposten über längere Zeit, die Erledigung von Sonderaufgaben neben den geschäftsplanmäßigen Aufgaben oder die Übernahme eines zeitgebundenen Projekts, ggf. auch im Team, vgl. Möller, in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand Juli 2019, § 42a BBesG Rn. 16; Schinkel/Seifert, GKÖD, Band III Teil 3, Kommentar BBesG, Stand April 2019, § 42a Rn. 28; vgl. auch Ziffern 1.1, 1.5, 4., 6.1 der Durchführungshinweise zur Bundesleistungsbesoldungsverordnung, Rundschreiben des BMI vom 3. August 2010 - Az. D 3 221 425/1 - Durchführungshinweise zur BLBV). Angesichts der Variationsbreite möglicher belohnbarer außergewöhnlicher Leistungen sind typische belastbare Rückschlüsse auf bestimmte - beurteilungsrelevante - Eigenschaften, Verhaltensweisen, Befähigungen oder Fachkenntnisse nicht möglich. Es fehlt gerade an einer regelmäßig spiegelbildlichen Übereinstimmung mit den Merkmalen einer dienstlichen Beurteilung. Dementsprechend sollen Eigenschaften, Verhaltensweisen, Befähigungen oder Fachkenntnisse, die keinen Bezug zu einer erbrachten Leistung haben, nicht maßgeblich sein (vgl. Ziffer 1.3 der Durchführungshinweise zur BLBV). Abgesehen davon ist die fiktive Fortschreibung der dienstlichen Beurteilung als Prognosegrundlage ungeeignet, weil sie auf die durchschnittliche Entwicklung der Gruppe vergleichbarer Beamter unter Berücksichtigung einer angemessenen Leistungssteigerung abstellt, die den Schluss auf eine auf individuellen Gründen beruhende (Einzel-)Leistung nicht zulässt. 29 Ebenso wenig lässt sich auf der Grundlage des Modells der Referenzgruppe eine belastbare Prognose über eine voraussichtlich herausragende besondere Leistung eines freigestellten Beamten treffen. Bei diesem Modell handelt es sich ebenfalls um eine gruppenbezogene Vergleichsbetrachtung, die an die dienstliche Beurteilung anknüpft. Ausgehend von der letzten, aufgrund tatsächlicher dienstlicher Tätigkeit erstellten dienstlichen Beurteilung wird eine Vergleichsgruppe für das freigestellte Personalratsmitglied gebildet und ihm darin ein Rangplatz zugeteilt; auf diese Weise wird die vom innegehaltenen Rangplatz abhängige, sich erst später realisierende Auswahl vorweggenommen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. Juni 2014 - 2 B 75.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 73 Rn. 9 und vom 25. Juni 2014 - 2 B 1.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 74 Rn. 27). 30 Die Bildung einer Vergleichsgruppe, wie auch immer ausgestaltet, ist kein geeignetes Mittel, wenn es - wie hier - um die Würdigung einer individuellen herausragenden Leistung geht. Aus diesem Grund kommt auch das vom Berufungsgericht erwogene Modell nicht in Betracht, das die im Zeitpunkt der Freistellung im Leistungsstand vergleichbaren Beamten - gegebenenfalls besoldungsgruppenübergreifend - als Vergleichsgruppe in den Blick nimmt und auf die Häufigkeit der seither gewährten Leistungsbesoldung als Prognosemaßstab zurückgreift. Im Übrigen würde eine solche Betrachtung, die allein auf die aus der Häufigkeit angenommene Wahrscheinlichkeit abstellt, eine unzulässige Begünstigung des freigestellten Personalratsmitglieds gegenüber im Dienst befindlichen Beamten nicht vermeiden, die im Leistungsstand vergleichbar sind, denen aber bislang keine Leistungsbesoldung zuerkannt worden ist; in einem solchen Fall wäre der freigestellte Beamte allein wegen seiner Personalratstätigkeit bevorteilt. Entsprechendes gilt für eine hypothetische Betrachtung, die auf die Leistungen einer vom Dienstherrn zu bestimmenden Referenzperson - vom Kläger als sog. Eckmann bezeichnet - abstellt. 31 Im Hinblick auf den weiten Beurteilungsspielraum des Dienstherrn bei der Würdigung einer individuellen herausragenden Leistung als Voraussetzung für die Gewährung der Leistungsbesoldung fehlt es in aller Regel an einer belastbaren Tatsachengrundlage, aufgrund derer eine solche Leistung des Personalratsmitglieds fingiert werden könnte. Das personalvertretungsrechtliche Benachteiligungsverbot findet hier seine Grenze im Leistungsprinzip (Art. 33 Abs. 2 GG) als verfassungsrechtlicher Grundlage der Gewährung leistungsbezogener Besoldungsinstrumente (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2004 - 2 BvL 16/02 - BVerfGE 110, 353 <366 ff.>; Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 Rn. 153 f.). Dem Leistungsprinzip sind auch Personalratsmitglieder unterworfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2006 - 2 C 13.05 - BVerwGE 126, 333 Rn. 20; Beschluss vom 25. Juni 2014 - 2 B 1.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 74 Rn. 17). Kann prognostisch nicht nachvollziehbar festgestellt werden, dass das Personalratsmitglied die darauf basierenden einfachgesetzlich normierten Anforderungen der Leistungsbesoldung ohne Freistellung erfüllt hätte, so verschafft ihm das Benachteiligungsverbot keinen Anspruch darauf, davon befreit zu werden. Eine Betrachtungsweise, die das Personalratsmitglied von jedweder Anbindung an fiktive Erwägungen löst, ist durch das Personalvertretungsrecht nicht geboten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. November 2015 - 2 B 26.15 - Buchholz 250 § 46 BPersVG Nr. 38 Rn. 12). Sie würde in eine unzulässige Begünstigung des Personalratsmitglieds umschlagen, die über das allgemeine Benachteiligungsverbot des § 8 BPersVG hinausginge (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. Juni 2014 - 2 B 75.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 73 Rn. 9 und vom 23. Dezember 2015 - 2 B 40.14 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 82 Rn. 25). 32 b) Anderes kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn der Beamte in der Zeit vor seiner Freistellung wiederholt eine Form der Leistungsbesoldung (persönlich oder als Teammitglied) für herausragende besondere Leistungen erhalten hat. Belastbare Tatsachen für die hypothetische Feststellung einer individuellen herausragenden besonderen Leistung können nur aus den bisherigen dienstlichen Leistungen dieses Beamten selbst abgeleitet werden, und zwar allein dann, wenn der Beamte in der Zeit vor seiner Freistellung mehrmalig eine herausragende besondere Leistung erbracht hat und für diese jeweils eines der leistungsbezogenen Besoldungsinstrumente gewährt wurde. In diesem eng begrenzten - wohl äußerst seltenen - Ausnahmefall ist es - allenfalls - denkbar, zu der durch Tatsachen fundierten Annahme zu gelangen, dass der betreffende Beamte ohne Freistellung - erneut - persönlich oder im Team eine herausragende besondere dienstliche Leistung erbracht hätte. 33 Der Anspruch des Personalratsmitglieds auf Einbeziehung in die Ermessensentscheidung besteht in diesem Ausnahmefall allerdings nicht auf Dauer; er ist zeitlich begrenzt. Die Verlässlichkeit der Prognose einer erneuten herausragenden besonderen Leistung ist von der Dauer des Zeitraums abhängig, in dem der Beamte vor seiner Freistellung tatsächlich Dienst geleistet und dabei solche mit der Leistungsbesoldung anerkannte Leistungen erbracht hat. Ab welcher Zeitspanne die bisherigen, vor der Freistellung erbrachten dienstlichen Leistungen die hypothetische Annahme erneuter herausragender besonderer Leistungen nicht mehr tragen können, ist eine Frage des Einzelfalls. Die aus den bisherigen Leistungen abgeleitete Prognose ist aber umso weniger belastbar, je länger der Zeitraum, in dem kein Dienst geleistet wird, im Vergleich zum Zeitraum tatsächlicher Dienstleistung andauert (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2010 - 2 C 11.09 - Buchholz 232.1 § 33 BLV Nr. 3 Rn. 11). 34 Der in dieser Sonderkonstellation bestehende Anspruch des Personalratsmitglieds auf Einbeziehung in die Ermessensentscheidung über die Gewährung leistungsbezogener Besoldungsinstrumente stellt sicher, dass Leistungsträger von der Wahrnehmung des Amtes eines von der dienstlichen Tätigkeit ganz freigestellten Mitglieds des Personalrats nicht abgehalten werden, weil sie Sorge haben, aus Anlass der ehrenamtlichen Tätigkeit benachteiligt zu werden. Denn damit würde auch die Personalvertretung als Institution insgesamt geschwächt. Die Beschäftigten der Dienststelle haben ein Recht darauf, dass die dafür am meisten geeigneten Personen ihre Interessen als freigestellte Personalratsmitglieder vertreten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. November 2012 - 6 P 3.12 - Buchholz 262 § 9 TGV Nr. 1 Rn. 18). 35 Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllt der Kläger diese Voraussetzungen nicht. In den Zeiträumen, in denen der Kläger dienstliche Leistungen erbracht hat, gibt es keine tatsächlichen Hinweise auf herausragende besondere tatsächliche Leistungen des Klägers, die den Schluss rechtfertigen könnten, dieser hätte auch in den Zeiträumen seiner gänzlichen Freistellung dienstliche Leistungen erbracht, die dem Dienstherrn Anlass gegeben hätten, ihn in den Kreis derjenigen Beamten einzubeziehen, die in den Genuss der leistungsbezogenen Besoldungsinstrumente kommen sollen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in dem Zeitraum vor der erstmaligen gänzlichen Freistellung im Jahr 1996 herausragende besondere dienstliche Leistungen erbracht hat oder dass er solche Leistungen in den Zeiträumen der tatsächlichen Dienstleistung von Mai 1999 bis August 2000 sowie von Januar bis Oktober 2004 gezeigt hat und diese von der Beklagten honoriert worden sind. 36 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2020-40,02.07.2020,"Pressemitteilung Nr. 40/2020 vom 02.07.2020 EN Letzte Klage gegen den Weiterbau der A 49 abgewiesen Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute auch die letzte bei ihm anhängige Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Verkehrsministeriums des Landes Hessen für den Neubau der Bundesautobahn A 49 zwischen Stadtallendorf und Gemünden/Felda abgewiesen. Der Planfeststellungsbeschluss für den südlichen Streckenabschnitt der geplanten A 49 mit dem Anschluss an die A 5 am Dreieck Ohmtal ist am 30. Mai 2012 erlassen und zuletzt im Januar 2019 geändert worden. Mit Urteilen vom 23. Juni 2020 hat das Bundesverwaltungsgericht zwei Klagen abgewiesen, die eine Außervollzugsetzung des Planfeststellungsbeschlusses zum Ziel hatten (Pressemitteilung Nr. 37/20 vom 23. Juni 2020). Auch die weitere Klage von drei Privatpersonen, über die ebenfalls am 23. Juni verhandelt wurde, ist ohne Erfolg geblieben. Die Kläger sind Eigentümer von Grundstücken, die zwar nicht durch Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses in Anspruch genommen werden sollen, aber im Gebiet der im Januar 2017 angeordneten Unternehmensflurbereinigung liegen. Deshalb müssen sie zugunsten des Vorhabens mit Landabzug rechnen. Sie haben ihre Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss allerdings erst im April 2019 erhoben. Jedenfalls so lange Zeit nach dem Flurbereinigungsbeschluss, in dem das von späteren Landabzügen betroffene Gebiet festgelegt wurde, konnten sich die Kläger nicht mehr zulässigerweise gegen den Planfeststellungsbeschluss wehren. Dass dieser noch im Januar 2019 geändert worden ist, ändert am Ergebnis nichts. Denn diese Änderung berührt die Kläger nicht in eigenen Rechten. BVerwG 9 A 8.19 - Urteil vom 02. Juli 2020","Urteil vom 02.07.2020 - BVerwG 9 A 8.19ECLI:DE:BVerwG:2020:020720U9A8.19.0 EN Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss wegen der Einbeziehung in ein Unternehmensflurbereinigungsverfahren Leitsätze: 1. Ein Eigentümer, dessen Grundstück zwar nicht durch das planfestgestellte Vorhaben selbst in Anspruch genommen werden soll, aber im Gebiet der aus Anlass des Vorhabens eingeleiteten Unternehmensflurbereinigung liegt, kann befugt sein, gegen den Planfeststellungsbeschluss zu klagen. 2. Zu Klagebefugnis und Klagefrist für die Klage eines Flurbereinigungsbetroffenen, wenn die Unternehmensflurbereinigung erst nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses angeordnet wird. Rechtsquellen GG Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1 VwGO § 42 Abs. 2, § 54 Abs. 1, § 58 Abs. 2, § 104 Abs. 3 Satz 2 VwVfG § 74 Abs. 3, Abs. 5 FlurbG § 87 FStrG § 19 Abs. 2 ZPO § 47 Abs. 1 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 02.07.2020 - 9 A 8.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:020720U9A8.19.0] Urteil BVerwG 9 A 8.19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini und Dr. Dieterich sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking am 2. Juli 2020 für Recht erkannt: Die Klagen werden abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens zu je 1/3. Gründe I 1 Die Klägerin zu 1. und ihr Sohn, der Kläger zu 2., wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der Bundesautobahn A 49 Kassel - A 5, Teilabschnitt zwischen Stadtallendorf und Gemünden/Felda (VKE 40) vom 30. Mai 2012 mit letzter Änderung vom 17. Januar 2019, ihr Ehemann bzw. Vater, der Kläger zu 3., nur gegen die letzte Planänderung. 2 Das streitgegenständliche Vorhaben ist Teil des Neubaus der A 49, die Kassel mit Gießen verbinden soll. Der nördliche Abschnitt bis Neuental ist bereits fertiggestellt und unter Verkehr, der daran anschließende Abschnitt befindet sich im Bau. Die beiden letzten Planungsabschnitte sollen im Rahmen eines ÖPP-Projekts (Öffentlich-private Partnerschaft) realisiert werden. Der streitgegenständliche Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 (PFB 2012) betrifft den südlichen Abschnitt mit dem Anschluss an die A 5. Dieser 17,45 km lange Streckenteil ist im aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als Teil des 4-streifigen Neubaus mit der Dringlichkeitsstufe ""laufend und fest disponiert"" aufgeführt. Er gehört als Teil der (geplanten) A 49 zum Gesamtnetz des transeuropäischen Verkehrsnetzes. 3 Im Planfeststellungsverfahren erhoben die Kläger (zusammen mit weiteren Familienmitgliedern) Einwendungen gegen die Planung, beantragten u.a. die Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens und machten insbesondere eine existentielle Gefährdung des als Familienbetrieb geführten landwirtschaftlichen Betriebes des Klägers zu 3. geltend. Am 27. September 2012 schloss der Kläger zu 3. mit der Vorhabenträgerin und dem Land Hessen eine notarielle Vereinbarung mit dem Ziel, eine Existenzgefährdung seines Landwirtschaftsbetriebes abzuwenden. Dabei ging es im Wesentlichen um Verkauf und Freigabe von Flächen für das Vorhaben und im Gegenzug den Verkauf von Ersatzland an den Kläger zu 3. Da die Vereinbarung nicht rechtzeitig umgesetzt werden konnte, war vorgesehen, dass der Kläger zu 3. fristwahrend gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 Klage erheben und diese später zurücknehmen sollte. Dementsprechend reichte er am 27. September 2012 Klage ein, die zum Aktenzeichen 9 A 24.12 geführt wurde. Das Klageverfahren wurde zunächst zum Ruhen gebracht und nach vereinbarungsgemäß erfolgter Rücknahme mit Beschluss vom 9. April 2013 eingestellt. 4 Mit Urteil vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - (BVerwGE 149, 289) wies das Bundesverwaltungsgericht die Klage zweier Umweltvereinigungen gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 als unbegründet ab. Eine weitere Klage von Privatpersonen wurde nach zwischenzeitlichem Ruhen im Dezember 2017 zurückgenommen. 5 Im Laufe des Klageverfahrens 9 A 25.12 wurden die planfestgestellten Unterlagen mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2013 ergänzt. Eine weitere Ergänzung erfolgte mit Bescheid vom 20. Januar 2017 hinsichtlich denkmalschutzrechtlicher Regelungen. 6 Mit Beschluss vom 20. Januar 2017 ordnete die Obere Flurbereinigungsbehörde das Unternehmensflurbereinigungsverfahren Homberg (Ohm) A 49 an, um den durch den Bau des Vorhabens und die Realisierung von landschaftspflegerischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen entstehenden Landverlust auf einen größeren Kreis von Eigentümern zu verteilen. Zugleich wurde die sofortige Vollziehung dieses Beschlusses angeordnet. Die Kläger, die zu den Teilnehmern des Flurbereinigungsverfahrens gehören, legten gegen den Flurbereinigungsbeschluss Widerspruch ein. Ihren Antrag, dessen aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, lehnte der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 9. November 2017 - 23 C 1257/17 - ab. Unter dem 26. April 2018 nahmen die Kläger ihre (Untätigkeits-)Klage gegen den Flurbereinigungsbeschluss zurück. 7 Mit Bescheid vom 17. Januar 2019 änderte der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss auf Antrag der Vorhabenträgerin in Bezug auf zwei landschaftsplanerische Begleitmaßnahmen, um zwei Vorbehaltsregelungen nach § 74 Abs. 3 VwVfG aufzulösen. Die Kläger zu 1. und 3. waren zwar zunächst am Planänderungsverfahren beteiligt worden, weil Grundstücke von ihnen für die Anlage von Blühstreifen vorgesehen waren. Nach einer Änderung der Planung wurden jedoch andere Grundstücke für die Umsetzung der Maßnahme in Anspruch genommen. Der Planänderungsbescheid wurde den Klägern zu 1. und 3. formlos zur Kenntnis übersandt und ging ihnen am 2. April 2019 zu. 8 Mit ihren Klagen vom 26. April 2019 wollen die Kläger zu 1. und 2. die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 30. Mai 2012 in der Fassung aller Änderungen bis zum 17. Januar 2019 und der Kläger zu 3. die Aufhebung des Planänderungsbescheids vom 17. Januar 2019 erreichen. 9 Die Kläger berufen sich auf ihr Eigentum bzw. Besitzrecht an landwirtschaftlichen Nutzflächen, die nicht vom Vorhaben in Anspruch genommen werden, aber im Gebiet des aus Anlass des Vorhabens angeordneten Unternehmensflurbereinigungsverfahrens liegen, und machen geltend: Die Einbeziehung der Flächen in das Unternehmensflurbereinigungsverfahren begründe ihre Klagebefugnis. Diese Betroffenheit sei erstmals durch den Planänderungsbescheid vom 17. Januar 2019 ausgelöst worden, denn dieser habe die Vorbehaltsregelung aus dem Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 ausgefüllt mit der Folge, dass dadurch das planfestgestellte Vorhaben naturschutzrechtlich genehmigt und zur Ausführung freigegeben worden sei. Ohne diese Freigabe müsste das Unternehmensflurbereinigungsverfahren eingestellt werden. Die Klagebefugnis der Kläger zu 1. und 2. erstrecke sich auf den Planfeststellungsbeschluss insgesamt. Ihnen könne die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses vom 30. Mai 2012 nicht entgegengehalten werden, weil dieser mit Ablauf der Rechtsmittelfrist im Jahr 2012 nur gegenüber den Betroffenen bestandskräftig geworden sei. Zu diesem Kreis hätten sie seinerzeit nicht gehört. Der Planfeststellungsbeschluss sei rechtswidrig, weil die Öffentlichkeitsbeteiligung fehlerhaft gewesen und eine ordnungsgemäße Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots nicht erfolgt sei, die Beteiligungsrechte der Jagdgenossenschaft M. verkürzt worden seien und das Vorhaben gegen naturschutzrechtliche Vorschriften verstoße. Das planfestgestellte Kompensationskonzept genüge nicht den Anforderungen der Kompensationsverordnung, das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens sei nicht berücksichtigt und die Alternativenprüfung fehlerhaft durchgeführt worden. Auch der Planänderungsbescheid vom 17. Januar 2019 sei rechtswidrig. Die Kläger seien nicht ordnungsgemäß angehört worden. Auf die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens habe im Hinblick auf die Betroffenheit der Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens nicht verzichtet werden dürfen. Der Bescheid genüge nicht dem Bestimmtheitsgebot und bewerte das naturschutzfachliche Aufwertungspotential falsch. Da die Vorhabenträgerin die Auflagen der Vorbehaltsregelung nicht fristgemäß erfüllt habe, habe sich die naturschutzrechtliche Eingriffszulassung durch Fristablauf erledigt, weshalb ein neues Planfeststellungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen. Jedenfalls sei die Vorbehaltsregelung weiterhin nicht erfüllt. Für das Grundstück Gemarkung M., Flur ..., Flurstück 27/2 sehe der Planfeststellungsbeschluss einen Vollentzug des Eigentums vor, obwohl eine dingliche Belastung ausreiche. Dies führe zu einem höheren Landabzug im Flurbereinigungsverfahren. Die Maßnahme VII.9 A auf diesem Grundstück sei naturschutzrechtlich entbehrlich, es fehle an dem erforderlichen artenschutzrechtlichen Aufwertungspotential. 10 Die Kläger zu 1. und 2. beantragen, den Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 in der Gestalt, die er durch die Planänderungsbeschlüsse vom 9. Oktober 2013, 20. Januar 2017 und vom 17. Januar 2019 erhalten hat, aufzuheben, hilfsweise, 1. den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss in der vorgenannten Fassung dahin zu ändern, dass - die planfestgestellten Unterlagen B 14.1, Blatt Nr. 11 (Grunderwerbsplan) und B 14.2 (Grunderwerbsverzeichnis) betreffend die Fläche Plan 11.073.02 nur eine auf 30 Jahre begrenzte dingliche Sicherung für die Zwecke der Umsetzung der Maßnahmen des landespflegerischen Begleitplans zulassen und - die als ""Vorgesehene Regelung"" im Maßnahmenblatt VII.9 A der planfestgestellten Unterlage B 12 (Maßnahmenblätter) getroffenen Festsetzungen betreffend die auf dem Grundstück Gemarkung M., Flur ..., Flurstück 27 (nunmehr: Flurstück 27/2) gemäß planfestgestellter Unterlage B 12.2 (Maßnahmenplan) Blatt 11 festgesetzten Maßnahmenflächen VII.9 A allein eine Nutzungsänderung/-beschränkung zulassen, die vom angestammten Eigentümer hinzunehmen und zukünftig zu unterhalten ist, 2. den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss in der vorgenannten Fassung dahin zu ändern, dass die mit dem Maßnahmenblatt VII.9 A der planfestgestellten Unterlage B 12 (Maßnahmenblätter) auf dem Grundstück Gemarkung M., Flur ..., Flurstück 27 (nunmehr: Flurstück 27/2) gemäß planfestgestellter Unterlage B 12.2 (Maßnahmenplan) Blatt 11 festgesetzten Maßnahmenflächen VII.9 A entfallen, soweit eine CEF-Maßnahme für den Gelbspötter und eine artenschutzrechtliche Vermeidungsmaßnahme für den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling und den Kuckuck festgesetzt werden, 3. den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss in der vorgenannten Fassung dahin zu ändern, dass die mit dem Maßnahmenblatt VII.12.1 A der planfestgestellten Unterlage B 12 (Maßnahmenblätter) auf den Grundstücken Gemarkung A., Flur ..., Flurstücke 24 bis 30 gemäß Unterlage B 12.2 (Maßnahmenplan) Blatt 10 festgesetzten Maßnahmenflächen VII.12.1 A als artenschutzrechtliche Vermeidungsmaßnahme für den Kuckuck festgesetzt werden, 4. den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 in der Gestalt, die er durch die Planänderungsbeschlüsse vom 9. Oktober 2013, 20. Januar 2017 und vom 17. Januar 2019 erhalten hat, dahin zu ändern, dass die mit den Maßnahmenblättern XI.12.1 A, XI.12.2 A, XIII.11 A, XIII.12.1 A und XIII.12.1 A (FFH) der planfestgestellten Unterlage B 12 (Maßnahmenblätter) festgesetzten Maßnahmen als artenschutzrechtliche Vermeidungsmaßnahmen für den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling festgesetzt werden, äußerst hilfsweise, festzustellen, dass der angefochtene Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 in der Gestalt, die er durch die Planänderungsbeschlüsse vom 9. Oktober 2013, 20. Januar 2017 und vom 17. Januar 2019 erhalten hat, rechtswidrig und nicht vollziehbar ist. 11 Der Kläger zu 3. beantragt, den Planänderungsbescheid des Beklagten vom 17. Januar 2019 aufzuheben, hilfsweise, festzustellen, dass der Planänderungsbescheid rechtswidrig und nicht vollziehbar ist. 12 Der Beklagte beantragt, die Klagen abzuweisen. 13 Er hält die Klagen für unzulässig, weil den Klägern die Klagebefugnis fehle und die Klage rechtsmissbräuchlich sei. Der Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 sei gegenüber allen Klägern bestandskräftig geworden. Gegenstand des ergänzenden Bescheids vom 17. Januar 2019 sei nur die erforderliche Flächenauswahl für zwei landschaftspflegerische Maßnahmen gewesen. Grundeigentum der Kläger sei dabei nicht Anspruch genommen und das Grundgerüst der Abwägung nicht berührt worden, weshalb eine Rechtsverletzung der Kläger ausscheide. Diese lasse sich auch nicht aus dem Flurbereinigungsverfahren ableiten. Einem erst nachträglich erstmals von der Flurbereinigung betroffenen Grundstückseigentümer wachse nicht rückwirkend ein Klagerecht gegen den Planfeststellungsbeschluss zu. Ob die Grundstücksinanspruchnahme zulässig sei, sei eine Frage der Abgrenzung des Flurbereinigungsgebiets. Diese sei gegenüber den Klägern bestandskräftig erfolgt. Jedenfalls seien die Klagen unbegründet. Der Planänderungsbescheid vom 17. Januar 2019 sei rechtmäßig; die Maßnahmen seien in Abstimmung mit der zuständigen Naturschutzbehörde erfolgt. II 14 Die Klagen, über die der Senat entscheiden konnte, ohne zuvor erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten (C), haben keinen Erfolg. Sie sind bereits unzulässig (A, B). 15 A. Der Kläger zu 3. wendet sich nur gegen den Planänderungsbescheid vom 17. Januar 2019, weil der Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 ihm gegenüber nach Rücknahme seiner damaligen Klage bestandskräftig geworden ist. Die fristgemäß gegen den Planänderungsbescheid erhobene Klage ist allerdings hinsichtlich des Haupt- wie des Hilfsantrags unzulässig, weil der Kläger zu 3. insoweit nicht klagebefugt ist. Er kann nicht geltend machen, vom Regelungsgehalt des Bescheids in seinen Rechten verletzt zu sein. 16 Auch wenn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Änderungsbeschlüsse dem ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss mit der Folge anwachsen, dass der festgestellte Plan und die nachträglichen Änderungen zu einem einzigen Plan in der durch den Änderungsbeschluss erreichten Gestalt verschmelzen (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2014 - 9 A 1.13 - BVerwGE 150, 92 Rn. 14 m.w.N.), so ist der Änderungsbeschluss grundsätzlich nur in dem Umfang angreifbar, in dem er eine eigene Regelung enthält (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2007 - 9 A 22.06 - BVerwGE 130, 138 Rn. 20; Beschlüsse vom 17. September 2004 - 9 VR 3.04 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 13 S. 4 und vom 4. Juli 2012 - 9 VR 6.12 - Buchholz 407.4 § 17e FStrG Nr. 14 Rn. 12). Im Übrigen bleibt die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses unberührt. 17 Der Regelungsgehalt des Planänderungsbescheids vom 17. Januar 2019 führt unter keinem denkbaren Gesichtspunkt, weder in seinem verfügenden Teil noch durch rechtserhebliche Erwägungen in der Begründung (vgl. zum Begriff des ergänzenden Regelungsgehalts BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2014 - 7 B 22.13 - UPR 2015, 34 Rn. 6), zu einer möglichen Rechtsbetroffenheit des Klägers zu 3. 18 Gegenstand der Planänderung ist die konkrete, parzellenscharfe Festlegung und dingliche Sicherung von Flächen für zwei naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen zur Ausfüllung von zwei Vorbehalten im Sinne des § 74 Abs. 3 VwVfG. Die naturschutzrechtliche Zulassung des mit dem Vorhaben verbundenen Eingriffs in Natur und Landschaft war im Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 in zwei Punkten unter dem Vorbehalt erteilt worden, hierzu eine ergänzende bzw. konkretisierende Maßnahmenplanung vorzulegen (Entscheidung A.III.1, PFB 2012 S. 18, Begründung S. 400 ff.). Dies betraf zum einen die konkrete Bestimmung der Flächen für die Anlage von Blühstreifen innerhalb von festgelegten Feldlerchensuchräumen (Maßnahmenblätter VIII.13 A und XI.13.2 A) und zum anderen die Anlage einer Waldwiese (als Teil der Maßnahme IX.4.4 A) auf einer anderen Fläche der öffentlichen Hand. Die für die Anlegung der Blühstreifen benötigten landwirtschaftlichen Flächen sollten von den örtlichen Landwirten auf freiwilliger Basis gegen Entgelt zur Verfügung gestellt werden. 19 Die im Planänderungsbescheid getroffene Regelung betrifft somit zwei planfestgestellte naturschutzfachliche Kompensationsmaßnahmen, über die hinsichtlich Inhalt und Umfang bereits abschließend im Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 entschieden worden ist, und beschränkt sich auf deren finale räumliche Zuordnung. Dies berührt keine Rechte des Klägers zu 3. Seine Eigentums- oder Pachtflächen werden nicht in Anspruch genommen. Soweit Grundstücke von ihm ursprünglich in das Verfahren einbezogen worden waren, hat der Beklagte hiervon aufgrund der Einwendungen des Klägers zu 3. Abstand genommen. Die festgestellten Maßnahmen haben auch keinen Einfluss auf das Unternehmensflurbereinigungsverfahren, in das der Kläger zu 3. einbezogen worden ist. Denn die ausgewählten Flächen liegen nicht im Flurbereinigungsgebiet. Da die Inanspruchnahme dieser Flächen ausschließlich auf freiwilliger Basis erfolgt, wird damit auch kein enteignungsrechtlich zu bewertender erhöhter Landabzug begründet. 20 Soweit der Kläger zu 3. geltend macht, erst der Änderungsbescheid führe durch die Erfüllung des Vorbehalts zur naturschutzfachlichen Genehmigung des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses, ohne die das Vorhaben nicht verwirklicht werden könnte und das Unternehmensflurbereinigungsverfahren eingestellt werden müsste, stellt auch dies nicht den erforderlichen Zusammenhang zwischen dem Inhalt des Bescheids und der rechtlichen Betroffenheit des Klägers zu 3. her. Die Frage der naturschutzfachlichen Genehmigung des Vorhabens betrifft den Planfeststellungsbeschluss in seiner Fassung vom 30. Mai 2012. Der Umstand, dass diese Genehmigung nach § 74 Abs. 3 VwVfG unter einem Vorbehalt erteilt worden ist, hinderte es nicht, diese Genehmigung bereits im Rahmen einer Klage gegen den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen. Dass mit der Ausfüllung des Vorbehalts nunmehr eine rechtliche Hürde für die Verwirklichung des Vorhabens beseitigt wird, führt nicht dazu, dass allein dadurch alle bereits durch den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss ausgelösten Betroffenheiten erneut begründet oder intensiviert würden und deshalb (nochmals) zur Klage berechtigten. 21 Da der Regelungsinhalt des Planänderungsbescheids Rechte des Klägers zu 3. nicht betrifft, kommt es auf die Frage, ob der Vorbehalt objektiv rechtmäßig ausgefüllt worden ist, und die dagegen erhobenen Einwendungen des Klägers nicht an. 22 B. Die Klagen der Klägerin zu 1. und des Klägers zu 2., die sich (mit Hauptantrag und allen Hilfsanträgen) gegen den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 mit allen Änderungen richten, sind ebenfalls insgesamt unzulässig. 23 1. Entgegen ihrer Auffassung können die Kläger zu 1. und 2. nicht geltend machen, dass sie gegen den gesamten Planfeststellungsbeschluss vorgehen könnten, weil der Planänderungsbescheid vom 17. Januar 2019 ihnen als erstmals Betroffene insoweit eine Klagebefugnis eröffnet habe (a) oder die festgestellte Planung in ihrer Grundkonzeption berühre (b). Sie sind in Bezug auf den Änderungsbescheid nicht klagebefugt. 24 a) Zutreffend ist, dass einem durch eine Planänderung oder -ergänzung Betroffenen, der gegen den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss mangels damaliger rechtlicher Betroffenheit nicht vorgehen konnte, zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes die Möglichkeit zugestanden wird, Einwendungen nicht nur gegen die Planergänzung, sondern gegen die Planung insgesamt vorzubringen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2010 - 9 A 25.09 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 19 Rn. 24, 30; Beschluss vom 4. Juli 2012 - 9 VR 6.12 - Buchholz 407.4 § 17e FStrG Nr. 14 Rn. 14; Deutsch, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 75 Rn. 140). Dies setzt allerdings voraus, dass durch die Planänderung oder -ergänzung überhaupt eine rechtliche Betroffenheit ausgelöst wird. Besteht in Bezug auf den Änderungsbescheid eine Klagebefugnis, soll im Rahmen dieser Klage unter den genannten Voraussetzungen eine Überprüfung des gesamten Planinhalts möglich sein. Dieser Fall liegt hier jedoch nicht vor, weil der Planänderungsbescheid vom 17. Januar 2019 keine Rechte der Klägerin zu 1. oder des Klägers zu 2. beeinträchtigen kann. Auch ihr Grundeigentum wird durch die im Bescheid geregelten naturschutzfachlichen Maßnahmen nicht in Anspruch genommen. Ihnen fehlt in Bezug auf diesen Bescheid aus den gleichen Gründen wie dem Kläger zu 3. eine Klagebefugnis. 25 b) Ohne Erfolg berufen sich die Kläger zu 1. und 2. in diesem Zusammenhang darauf, dass durch die Planänderung die festgestellte Planung in ihrer Grundkonzeption berührt werde. Sie nehmen dabei Bezug auf Überlegungen in der Rechtsprechung, wonach es in besonderen Fallgestaltungen aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes geboten sein kann, die Anfechtbarkeit über den Regelungsgehalt eines Änderungsplanfeststellungsbeschlusses hinaus ausnahmsweise auf die Regelungen der Planfeststellung im Übrigen auszudehnen, wenn die Änderung die festgestellte Planung in ihrer Grundkonzeption berührt (BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2012 - 9 VR 6.12 - Buchholz 407.4 § 17e FStrG Nr. 14 Rn. 14). 26 Mit dieser Erwägung lässt sich die Zulässigkeit der Klage nicht begründen. Denn abgesehen davon, dass die genannte Rechtsprechung wiederum von einer - hier fehlenden - zulässigen Anfechtung der Planänderung ausgeht, die auf die gesamte Planfeststellung ausgedehnt wird, ist sie vorliegend auch deshalb nicht einschlägig, weil der Planänderungsbescheid den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss nicht in seiner Grundkonzeption berührt. Die in Rede stehenden Maßnahmen betreffen nur einen kleinen Ausschnitt des umfangreichen Maßnahme- und Kompensationskonzepts, das dem Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 zugrunde liegt. Die maßgeblichen Grundentscheidungen für die Anlegung von Blühflächen als Kompensationsmaßnahme für den Eingriff in Brut- und Nahrungshabitate der Feldlerche sowie als artenschutzrechtliche CEF-Maßnahme Feldlerche sind bereits im Planfeststellungsbeschluss getroffen und abgewogen worden. Dies betrifft etwa die Identifizierung der Suchräume, innerhalb derer die konkret beschriebenen Maßnahmen umgesetzt werden sollten, und die Festlegung der ungefähren Größe der Maßnahmenfläche (mindestens 7,4 und maximal 24,6 ha), wobei die endgültige Größe unter Zugrundelegung der im Planfeststellungsbeschluss genau bezeichneten Vorgaben von der fachlichen Eignung der ausgewählten Flächen abhängen sollte (vgl. insbesondere PFB 2012 S. 401 f.). 27 2. Die Zulässigkeit der Klage der Kläger zu 1. und 2. ergibt sich auch nicht daraus, dass sie Teilnehmer des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens Homberg (Ohm) A 49 sind, das aus Anlass des Vorhabens angeordnet worden ist. 28 a) Die Einbeziehung in ein Unternehmensflurbereinigungsverfahren ist allerdings grundsätzlich geeignet, eine Klagebefugnis zu begründen. 29 Es ist anerkannt, dass die Unternehmensflurbereinigung gegenüber allen Teilnehmern Eingriffsqualität hat (BVerwG, Urteile vom 6. Juli 1989 - 5 C 51.87 - BVerwGE 82, 205 <212> und vom 21. Oktober 2009 - 9 C 9.08 - BVerwGE 135, 110 Rn. 19). Ihre Einleitung entfaltet eine enteignungsrechtliche Vorwirkung, weil damit abschließend und für das weitere Verfahren verbindlich über die Verwirklichung des Vorhabens unter Inanspruchnahme fremden Eigentums entschieden wird (BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 - 1 BvR 1046/85 - BVerfGE 74, 264 <282> zur städtebaulichen Unternehmensflurbereinigung; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2017 - 9 C 4.16 - BVerwGE 159, 104 Rn. 21). Dabei geht es um eine fremdnützige Enteignung, denn der jeweilige Grundstückseigentümer muss - wenn auch nicht als einzelner Betroffener, sondern in einer Solidargemeinschaft mit anderen - den Zugriff auf sein Grundstück zur Verwirklichung eines Vorhabens dulden, das nicht in seinem oder dem Interesse der Solidargemeinschaft liegt (BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 - 1 BvR 1046/85 - BVerfGE 74, 264 <280>). Die Vorwirkung der Enteignung ist nicht auf die Eigentümer oder Pächter am Standort des geplanten Vorhabens beschränkt, sondern erstreckt sich auf das gesamte Flurbereinigungsgebiet, weil bei Einleitung der Unternehmensflurbereinigung jeder Eigentümer oder Pächter in diesem Gebiet mit dem Entzug von Flächen rechnen muss (BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2009 - 9 C 3.08 - BVerwGE 133, 118 Rn. 20, 23). Im Hinblick darauf wird demjenigen, dessen Grundstück zwar nicht durch das planfestgestellte Vorhaben selbst in Anspruch genommen werden soll, aber in die Unternehmensflurbereinigung einbezogen worden ist und der deshalb infolge des Planfeststellungsbeschlusses in seinem Eigentumsrecht betroffen wird, die (Klage-)Befugnis zugesprochen, Einwendungen gegen den Planfeststellungsbeschluss zu erheben und gegen diesen zu klagen (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2017 - 9 C 4.16 - BVerwGE 159, 104 Rn. 27; VGH Mannheim, Urteile vom 16. Juli 1980 - 5 S 1004/80 - DÖV 1981, 925 mit kritischer Anm. Forsthoff, vom 5. November 1985 - 5 S 1440/85 - UA S. 13 f., vom 3. Dezember 1986 - 5 S 2114/86 - VBlBW 1987, 225 <226> und vom 26. Februar 1991 - 5 S 1271/90 - juris Rn. 18; Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 87 Rn. 4 a.E.). 30 b) Die Klagebefugnis gegen einen Planfeststellungsbeschluss wegen der enteignungsrechtlichen Vorwirkungen der Einbeziehung in ein Unternehmensflurbereinigungsverfahren ist allerdings bisher nur in Fallkonstellationen bejaht worden, in denen der Planfeststellungsbeschluss nach seinem Erlass fristgerecht innerhalb der durch seine Zustellung ausgelösten Klagefrist angefochten worden ist. In den meisten der entschiedenen Verfahren war das Flurbereinigungsverfahren schon vor Erlass des Planfeststellungsverfahrens angeordnet worden; in einem Fall (Urteil des VGH Mannheim vom 5. November 1985 - 5 S 1440/85 -) wurde es erst während des gerichtlichen Verfahrens eingeleitet, die Klage war aber schon zuvor wegen anderer Betroffenheiten (Lärm) erhoben worden. Die bei den Klägern zu 1. und 2. vorliegende Konstellation einer erst lange nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses angeordneten Unternehmensflurbereinigung ist hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Klagebefugnis und die gegebenenfalls einzuhaltende Klagefrist bisher noch nicht rechtlich beurteilt worden. 31 Das Unternehmensflurbereinigungsverfahren wurde am 20. Januar 2017 zu einem Zeitpunkt angeordnet, zu dem der Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 gegenüber fast allen seinerzeit Betroffenen schon seit Jahren bestandskräftig war und die letzte der damals fristgemäß erhobenen Klagen kurz vor einer gütlichen Erledigung stand, so dass die Vorhabenträgerin mit einer Realisierung des Vorhabens rechnen konnte. Dies wirft die Frage auf, ob durch die nachträgliche Einleitung der Flurbereinigung eine neue Klagemöglichkeit gegen den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss für einen neuen Kreis von Betroffenen begründet werden konnte und - falls ja - innerhalb welcher Frist diese Klagen gegebenenfalls zu erheben waren. Die Problematik betrifft das Spannungsverhältnis zwischen dem Grundsatz des Art. 19 Abs. 4 GG, wonach effektiver Rechtsschutz zu gewähren und Rechtsschutzlücken zu vermeiden sind, und dem gerade im Planfeststellungsverfahren geltenden besonderen Bedürfnis nach Rechtsbeständigkeit und Planungssicherheit, das etwa in den Vorschriften zur erhöhten Bestandskraft (vgl. § 75 Abs. 2 VwVfG und den Ausschluss eines Wiederaufgreifens nach § 72 Abs. 1 Halbs. 2 VwVfG) und zur Planerhaltung (§ 75 Abs. 1a VwVfG) zum Ausdruck kommt. 32 Der Senat hat zur Auflösung dieses Spannungsverhältnisses verschiedene Ansätze erwogen. Er musste aber keine abschließende Entscheidung treffen, weil keine der in Frage kommenden Lösungen zur Zulässigkeit der Klagen führen würde. 33 aa) Der Senat hat in Betracht gezogen, dass bereits mit dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 30. Mai 2012 eine Betroffenheit auch der Kläger zu 1. und 2. ausgelöst worden sein könnte, weil sie potentiell Teilnehmer eines künftigen Unternehmensflurbereinigungsverfahrens werden konnten. Dies hätte zur Folge, dass sie sich schon zum damaligen Zeitpunkt gegen den Planfeststellungsbeschluss hätten wehren können und müssen, so dass ihrer erst im Jahr 2019 erhobenen Klage die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses entgegenstünde. Der Senat orientiert sich dabei an Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Anfechtung eines luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses im Hinblick auf die Flugroutenplanung (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2012 - 4 A 5000.10 - BVerwGE 144, 1 Rn. 46 ff.). 34 Der streitgegenständliche Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 ist durch öffentliche Bekanntmachung nach § 74 Abs. 5 VwVfG zugestellt worden (Bekanntmachung im Staatsanzeiger für das Land Hessen vom 6. August 2012 S. 876). Mit dem Ende der Auslegungsfrist am 28. August 2012 galt er gemäß § 74 Abs. 5 Satz 3 VwVfG den Betroffenen und denjenigen gegenüber, die Einwendungen erhoben hatten, als zugestellt und wurde mit Ablauf der Klagefrist diesen gegenüber bestandskräftig. Zu diesem Kreis gehörten die Kläger zu 1. und zu 2. damals nicht schon deshalb, weil sie sich im Planfeststellungsverfahren geäußert hatten. Sie haben in diesem Zusammenhang keine Einwendungen erhoben, über die im Planfeststellungsbeschluss entschieden wurde. Ihre frühere ""Beteiligung"" beschränkte sich im Wesentlichen auf die Geltendmachung einer Existenzgefährdung des landwirtschaftlichen Betriebes des Klägers zu 3., der als Beteiligter des Verfahrens geführt wurde und mit dessen Einwendungen sich der Planfeststellungsbeschluss befasst hat (PFB 2012 S. 525 ff.). 35 Die Kläger zu 1. und 2. könnten aber deswegen als ""Betroffene"" von der Anstoßwirkung der öffentlichen Bekanntmachung des Planfeststellungsbeschlusses erfasst worden sein, weil sie über Grundeigentum im weiteren Einwirkungsbereich des Vorhabens verfügten und die Anordnung einer Flurbereinigung unter Einbeziehung auch ihres Grundeigentums wegen der erheblichen Inanspruchnahme ländlicher Grundstücke durch das Vorhaben schon damals nahelag. Die Einleitung eines Flurbereinigungsverfahrens nach §§ 87 ff. FlurbG war bereits im Jahr 2010 beantragt worden (vgl. Flurbereinigungsbeschluss vom 20. Januar 2017 S. 4 f.); die Kläger selbst hatten im Laufe des Planfeststellungsverfahrens wiederholt auf die Möglichkeit eines solchen Verfahrens hingewiesen. 36 Konsequenz dieser Überlegungen wäre, dass die realistische Möglichkeit eines Flurbereinigungsverfahrens mit dem den Teilnehmern drohenden Landabzug und damit die mögliche Betroffenheit dieses Personenkreises zu den abwägungsrelevanten Belangen gehören würde, mit denen sich ein Planfeststellungsbeschluss auseinandersetzen müsste. Die potentiellen Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens hätten einen Anspruch auf fehlerfreie Abwägung dieses Belangs, der sie zur Beteiligung am Planfeststellungsverfahren und zur Klage gegen den erlassenen Planfeststellungsbeschluss berechtigte. Diese Klage müsste innerhalb der durch öffentliche Bekanntmachung ausgelösten allgemeinen Klagefrist erfolgen. Der Vorteil dieser Lösung läge darin, dass die förmliche Einleitung einer Unternehmensflurbereinigung nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses weder dessen Bestandskraftwirkung nachträglich wieder in Frage stellen noch zu späteren Rechtsschutzdefiziten für die Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens führen würde. Diese könnten vielmehr ihre Belange noch während des Planfeststellungsverfahrens einbringen (vgl. zur Problematik des Rechtsschutzes bei gestuften Verfahren etwa BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08 u.a. - BVerfGE 134, 242 Rn. 192 ff.). Der Nachteil liegt in der zeitlichen Vorverlagerung der rechtlichen Betroffenheit und der Schwierigkeit, den Kreis der potentiell (nur) durch die Flurbereinigung Betroffenen rechtssicher abzugrenzen. 37 bb) Als Gegenposition hat der Senat erwogen, eine Klagemöglichkeit aufgrund einer nachträglich eingeleiteten Flurbereinigung gänzlich auszuschließen. Der Rechtsschutz der Kläger zu 1. und 2. wäre dann auf die Anfechtung des Flurbereinigungsbeschlusses beschränkt und könnte sich nicht nachträglich auf einen Planfeststellungsbeschluss erstrecken, in dem ihre Belange - folgt man nicht der Ansicht unter aa) - im Rahmen der Abwägung mangels damaliger Betroffenheit nicht berücksichtigt werden konnten und mussten. 38 Bei dieser Betrachtungsweise wäre ein Planfeststellungsbeschluss nach Ablauf der durch die öffentliche Bekanntmachung ausgelösten Klagefrist als verbindliche Grundlage der Enteignung hinzunehmen. Hierfür könnten folgende Erwägungen sprechen: 39 Die enteignungsrechtlichen Vorwirkungen zu Lasten der Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens beruhen auf zwei Komponenten. Der Planfeststellungsbeschluss regelt die Zulässigkeit der Enteignung dem Grunde nach und bestimmt inhaltlich den Umfang der Flächeninanspruchnahme insgesamt, während das Flurbereinigungsverfahren den Landverlust auf einen größeren Kreis von Eigentümern verteilt. Mit dem bestandskräftigen straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss steht die Zulässigkeit der Enteignung bindend fest (§ 19 Abs. 2 FStrG). Die eigentumsrechtlichen Beeinträchtigungen als solche sind hinsichtlich Lage und Umfang der Inanspruchnahme im Planfeststellungsbeschluss abgewogen worden, die davon betroffenen Grundeigentümer konnten dagegen vorgehen und Einwendungen erheben. Diese durch den Planfeststellungsbeschluss geschaffene Situation liegt der nachträglich angeordneten Flurbereinigung zugrunde und prägt die eigentumsrechtliche Situation im gesamten Flurbereinigungsgebiet. Dies könnte bedeuten, dass die Teilnehmer der Flurbereinigung diese Situation hinnehmen müssen. Sie wären dann darauf beschränkt, ihre Einbeziehung in das Flurbereinigungsgebiet sowie später ihre konkrete Eigentumseinbuße durch den Flurbereinigungsplan mit den dafür vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten anzugreifen, ohne dabei die Grundentscheidung für die Enteignung als solche in Frage stellen zu können. Der Zugriff auch auf Grundstücke außerhalb des Vorhabenbereichs muss jedenfalls - gemessen an den Zielen der Flurbereinigung - verhältnismäßig sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2009 - 9 C 9.08 - BVerwGE 135, 110 Rn. 27). 40 Diese Lösung hat allerdings zur Folge, dass Grundstückseigentümer, die nur wegen der nachträglichen Einbeziehung in ein Flurbereinigungsverfahren betroffen sind, mit Einwendungen gegen den Planfeststellungsbeschluss selbst insgesamt ausgeschlossen sind. Das könnte eine nicht mehr hinnehmbare Rechtsschutzlücke darstellen. Denn Enteignungsbetroffene können grundsätzlich verlangen, dass die Enteignung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch die rechtsprechende Gewalt in vollem Umfang auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft wird, wobei eine individuelle Prüfung in Bezug auf den einzelnen Betroffenen vorzunehmen ist (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08 u.a. - BVerfGE 134, 242 Rn. 190). Dies darf durch die ""Aufspaltung"" in Planfeststellungsbeschluss (als bindende Entscheidung über die Zulässigkeit der Enteignung) und Unternehmensflurbereinigung nicht unzumutbar erschwert oder gar unmöglich gemacht werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 2007 - 1 BvR 300/06 u.a. - NVwZ 2007, 573 <574>). 41 cc) Die Klage der Kläger zu 1. und 2. wäre auch dann unzulässig, wenn man zu ihren Gunsten davon ausgeht, dass sie als Teilnehmer der Flurbereinigung in Bezug auf den Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 klagebefugt sind und diese Befugnis trotz anderweitiger Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses nachträglich begründet werden konnte. Denn auch dann wäre ihre Klage jedenfalls zu spät erhoben worden. 42 (1) Soll den (nur) von der Unternehmensflurbereinigung eigentumsrechtlich Betroffenen zur Gewährung wirksamen Grundrechtsschutzes die Möglichkeit eröffnet werden, nachträglich Einwendungen gegen den Planfeststellungsbeschluss selbst vorzubringen, muss dies zeitlich an den Auslöser ihrer Betroffenheit anknüpfen. Die Befugnis und damit auch die Obliegenheit, den Planfeststellungsbeschluss aus Anlass einer später eingeleiteten Unternehmensflurbereinigung nachträglich anzufechten, kann nicht zeitlich unbeschränkt bestehen. Dies wäre mit dem besonderen Interesse an einer rechtssicheren Planung und den erhöhten Bestandskraftwirkungen eines Planfeststellungsbeschlusses nicht zu vereinbaren. 43 Auslöser für die nachträgliche Klagebefugnis ist die Einbeziehung in das eingeleitete Flurbereinigungsverfahren durch den Flurbereinigungsbeschluss. Entgegen der Auffassung der Kläger kommt es dabei auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe, nicht auf die Unanfechtbarkeit des Flurbereinigungsbeschlusses an. Mit der Festlegung des Flurbereinigungsgebiets ist für die davon erfassten Teilnehmer erkennbar, dass ihnen eine Beeinträchtigung ihres Eigentumsrechts durch das im Flurbereinigungsbeschluss näher bezeichnete Vorhaben droht und sie mit einem Landabzug zu rechnen haben. Wollen sich Teilnehmer einer Flurbereinigung gegen ihre Einbeziehung mit Einwendungen zur Wehr setzen, die teils die Zulässigkeit der Enteignung an sich und damit den Planfeststellungsbeschluss und teils die Verteilung des Landabzugs auf die Solidargemeinschaft und damit die Flurbereinigung betreffen, ist es ihnen zuzumuten, beide Verwaltungsakte parallel anzufechten. Entgegen der Auffassung der Kläger wird ihnen damit keine in sich widersprüchliche Strategie abverlangt. Anders als etwa im Fall von Primär- und Sekundärrechtsschutz, bei dem das Erfordernis einer parallelen Klageerhebung den Betroffenen ohne sachliche Rechtfertigung mit erheblichen Entscheidungsschwierigkeiten, Finanzierungspflichten und Prozessrisiken auf unzumutbare Weise belasten kann (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. August 1999 - 1 BvR 75/90 - NVwZ 1999, 1329 <1330>), besteht hier zwischen den Anfechtungsmöglichkeiten kein Vorrangverhältnis. Sowohl das Planfeststellungs- als auch das Flurbereinigungsverfahren unterliegen dem Beschleunigungsgebot. Die angerufenen Gerichte können dabei jeweils unabhängig voneinander über die in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Rügen entscheiden, ohne dass das Ergebnis der anderen Klage hierfür vorgreiflich wäre. 44 Soweit sich die Kläger darauf berufen, die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts sei durch den Verwaltungsgerichtshof Mannheim bereits entschieden und aufgrund einheitlicher bundesweiter Rechtsprechung geklärt, überzeugt dies nicht. In den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim, die die Klagebefugnis von Flurbereinigungsbetroffenen behandeln, wird lediglich darauf verwiesen, dass die Betroffenen in das Flurbereinigungsverfahren ""einbezogen"" wurden, ohne dies näher zu konkretisieren (VGH Mannheim, Urteile vom 16. Juli 1980 - 5 S 1004/80 - DÖV 1981, 925, vom 3. Dezember 1986 - 5 S 2114/86 - VBlBW 1987, 225 <226> und vom 26. Februar 1991 - 5 S 1271/90 - juris Rn. 18). Das von den Klägern vorgelegte Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim vom 5. November 1985 - 5 S 1440/85 - erwähnt zwar die Unanfechtbarkeit des Flurbereinigungsbeschlusses (UA S. 14). Dies unterstützt jedoch nur das Argument einer drohenden Eigentumsbetroffenheit, ohne dass erkennbar wäre, dass der Unanfechtbarkeit des Flurbereinigungsbeschlusses dabei eine besondere, die Klagebefugnis erst begründende Bedeutung zukäme. Im Übrigen kann von einer ""einheitlichen bundesweiten Rechtsprechung"" bei einer vereinzelten, mehr als dreißig Jahre zurückliegenden, unveröffentlichten Entscheidung eines Obergerichts (eines anderen Bundeslandes) keine Rede sein. 45 (2) Die Klageerhebung im April 2019 wahrt nicht mehr den erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zur Bekanntgabe des Flurbereinigungsbeschlusses. Sie ist verspätet. 46 Der Flurbereinigungsbeschluss vom 20. Januar 2017 wurde den Klägern nach ihren Angaben durch die von ihnen vorgelegte Veröffentlichung im Ohmtal-Boten vom 15. Februar 2017 bekannt gegeben. Er wurde im Übrigen auch im Staatsanzeiger für das Land Hessen vom 6. März 2017 (S. 319) öffentlich bekannt gemacht. Damit wurde allerdings noch keine Klagefrist in Bezug auf die Anfechtung des Planfeststellungsbeschlusses in Gang gesetzt. Denn die Rechtsmittelbelehrung im Flurbereinigungsbeschluss bezieht sich nur auf dessen Anfechtung. 47 Zur Ermittlung der für die Kläger zu 1. und 2. geltenden Klagefrist hinsichtlich des Planfeststellungsbeschlusses vom 30. Mai 2012 kann auch nicht unmittelbar auf dessen öffentliche Bekanntmachung im August 2012 zurückgegriffen werden. Diese bewirkte zwar eine Zustellung an alle Betroffenen. Die Kläger zu 1. und 2. gehörten jedoch - ausgehend von der Prämisse, dass ihre Klagebefugnis erst durch die Bekanntgabe des Flurbereinigungsbeschlusses begründet wurde - damals noch nicht zu diesem Kreis. 48 Der Flurbereinigungsbeschluss benennt jedoch den öffentlich bekannt gemachten Planfeststellungsbeschluss mit genauer Bezeichnung und Datum (vgl. S. 4) und vermittelt damit eine gesicherte Kenntnis von dessen Existenz und eigentumsrechtlichen Auswirkungen. Insofern ersetzt er die ""Anstoßwirkung"", die die öffentliche Bekanntmachung des Planfeststellungsbeschlusses seinerzeit gegenüber den erst nachträglich durch die Flurbereinigung Betroffenen noch nicht entfalten konnte. Der konkrete Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses ist für diese nunmehr betroffenen Personen, sofern nicht ohnehin schon bekannt, anhand der öffentlichen Bekanntmachung unschwer zu ermitteln. Insofern stellt sich die Sachlage für sie nicht anders dar als für diejenigen, die durch die öffentliche Bekanntmachung des Planfeststellungsbeschlusses eine Betroffenheit erkennen können und deren genaues Ausmaß feststellen wollen. Unter diesen Umständen erscheint es treuwidrig, wenn sich nachträglich betroffene Personen trotz positiver Kenntnis vom Planfeststellungsbeschluss darauf berufen könnten, dass dieser gerade ihnen gegenüber nicht (erneut) förmlich mitgeteilt worden ist. 49 Der Senat lässt sich dabei von Überlegungen aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Baunachbarrecht leiten (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 - 4 C 2.72 - BVerwGE 44, 294 <298 ff.>; Beschluss vom 11. September 2018 - 4 B 34.18 - Buchholz 310 § 70 VwGO Nr. 28 Rn. 9). Auch der Planfeststellungsbeschluss ist ein Verwaltungsakt mit ""Doppelwirkung"", der Betroffenheiten auslöst und zugleich Begünstigungen und Belastungen begründet. Das Planfeststellungsverfahren ist geprägt von gegenseitiger Rücksichtnahme. Der Vorhabenträger hat bei seiner Planung alle betroffenen Belange zu berücksichtigen, kann aber seinerseits nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses auf dessen erhöhte Bestandskraft- und Duldungswirkungen und die Grundsätze der Planerhaltung vertrauen. 50 Vor diesem Hintergrund verstieße es gegen Treu und Glauben, wenn sich ein erstmals durch die Flurbereinigung Betroffener, der sichere Kenntnis von dem Planfeststellungsbeschluss und dem darin begründeten Ausmaß des auszugleichenden Landabzugs hat, darauf berufen könnte, ihm sei dieser Planfeststellungsbeschluss nie förmlich bekannt gemacht worden. Er muss sich vielmehr ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von allen maßgeblichen Umständen so behandeln lassen, als sei ihm der Planfeststellungsbeschluss zu diesem Zeitpunkt zugestellt worden. Für ihn gilt dann in Anlehnung an § 58 Abs. 2 VwGO eine Frist von einem Jahr ab Kenntniserlangung, um gegen den Planfeststellungsbeschluss vorzugehen. Diesen Zeitraum könnte die Planfeststellungsbehörde, wenn sie schneller Rechtssicherheit erlangen will, dadurch verkürzen, dass sie den Planfeststellungsbeschluss aus Anlass des Flurbereinigungsbeschlusses erneut öffentlich bekanntgibt. 51 Im Falle der Kläger zu 1. und 2. kommt zu diesen allgemeinen Erwägungen hinzu, dass sie den Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 schon bei seinem Erlass kannten. Sie hatten sich bereits zuvor während des gesamten Planfeststellungsverfahrens intensiv mit dessen Auswirkungen befasst und waren über dessen Inhalt genau informiert. Spätestens mit der Bekanntgabe des Flurbereinigungsbeschlusses musste ihnen dessen Relevanz für ihr Grundeigentum bewusst sein, so dass ihre erst mehr als zwei Jahre später erhobenen Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss verspätet und daher unzulässig sind. 52 (3) Die Kläger zu 1. und 2. konnten auch nicht aufgrund bestimmter Verhaltensweisen des Beklagten darauf vertrauen, dass sie vor Klageerhebung den Erlass des letzten Planänderungsbeschlusses abwarten durften. Zwar mag es sein, dass sie gegenüber dem Beklagten ihre Ansicht geäußert hatten, sie würden (erst) mit dem Erlass jener Planänderung, die sich entgegen dem ursprünglichen Zeitplan des Beklagten verzögerte, ""in eine Anfechtungsposition des gesamten Planes kommen"". Entscheidend ist aber, dass die Vertreter des Beklagten die Kläger in dieser Meinung nicht etwa bestärkt, sondern vielmehr - wie von ihnen selbst hervorgehoben (Schriftsatz vom 26. Juni 2020 S. 34) - eine nachträgliche Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss stets als unzulässig bezeichnet hatten. Einen Vertrauensschutz hinsichtlich des zeitlichen Rahmens einer rechtzeitigen Klageerhebung können die Kläger daraus nicht herleiten. 53 3. Die Unzulässigkeit der Klagen der Kläger zu 1. und 2. erfasst ihren Hauptantrag sowie sämtliche Hilfsanträge. 54 C. Der Senat konnte über die Klagen auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2020 entscheiden. Der Antrag der Kläger im nachgelassenen Schriftsatz vom 26. Juni 2020 (S. 70) gab keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. 55 Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO liegt im Ermessen des Gerichts. Eine Pflicht dazu besteht ausnahmsweise dann, wenn nur auf diese Weise das erforderliche rechtliche Gehör gewahrt oder die Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts erfüllt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 19 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. 56 1. Ein nachgelassener Schriftsatz erfordert dann eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, wenn das Gericht ihm wesentlich neues Vorbringen entnimmt, auf das es seine Entscheidung stützen will (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 19 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Der Schriftsatz der Kläger vom 26. Juni 2020 enthält keine neuen Gesichtspunkte, die für den Senat entscheidungserheblich wären und deshalb zum Gegenstand einer mündlichen Verhandlung gemacht werden müssen. 57 2. Ein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung war auch im Übrigen nicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs oder zur weiteren Sachaufklärung geboten. Den von den Klägern angeführten Gründen (insbesondere Schriftsatz vom 26. Juni 2020 S. 65 ff.) folgt der Senat nicht. 58 a) Soweit die Kläger vortragen, sie hätten der mündlichen Verhandlung wegen einer unzureichenden Mikrofonanlage und Lärmbelästigungen von außen akustisch nicht folgen können, ist dies für das Gericht nicht nachvollziehbar, zumal es bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu keinem Zeitpunkt von den Klägern oder ihrem Prozessbevollmächtigten gerügt worden ist. Zutreffend ist, dass es vereinzelt aufgrund der technischen Eigenschaften der Mikrofonanlage und der Akustik im Großen Sitzungssaal sowie - nur zu Beginn der mündlichen Verhandlung im Zusammenhang mit einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude - wegen Außenlärms zu Einschränkungen in der Verständlichkeit einzelner Wortbeiträge gekommen ist. In diesen Fällen haben die Richter nachgefragt und um Wiederholung der betroffenen Äußerungen gebeten, um die Verständnisschwierigkeiten auszuräumen. Die zur Vertretung der Beteiligten berufenen Prozessbevollmächtigten haben das Rechtsgespräch mit dem Senat geführt, ohne weitergehende akustische Beeinträchtigungen zu rügen. Dabei wurden alle aus Sicht des Senats wesentlichen Gesichtspunkte angesprochen. 59 b) Dass die Kläger keine Gelegenheit hatten, in der mündlichen Verhandlung zur Begründetheit ihrer Klage Stellung zu nehmen, verletzt ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht, weil es auf diesen Vortrag nach der Rechtsauffassung des Senats nicht ankam. Der Vorsitzende hat den Beteiligten am Schluss der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2020 mitgeteilt, dass für den Fall, dass der Senat in seiner Schlussberatung die Zulässigkeit der Klagen bejahen würde, eine weitere mündliche Verhandlung zur Erörterung der Begründetheit stattfinden werde. Dieser Fall ist jedoch nicht eingetreten. 60 c) Die den Klägern gewährte Schriftsatzfrist war nicht unverhältnismäßig kurz. Sie wurde den Klägern auf die Bitte ihres Prozessbevollmächtigten hin gewährt, nachdem das Gericht auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klagen, eine mögliche Verwirkung des Klagerechts und die Rechtsprechung im Baunachbarrecht zur Orientierung an der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO hingewiesen hatte. 61 Es bedarf keiner Entscheidung, ob es zur Gewährung des rechtlichen Gehörs überhaupt eines Schriftsatznachlasses bedurfte, denn jedenfalls war die gewährte Frist, die bis Sonntag, den 28. Juni 2020, lief und damit drei volle Werktage (sowie zusätzlich ein Wochenende) umfasste, nicht zu kurz bemessen. 62 Dass Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klagen bestehen könnten, kam für die Kläger nicht überraschend, sondern war wesentlicher Bestandteil der gesamten Argumentation des Beklagten. Dabei hat der Beklagte auch den Umstand der öffentlichen Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses vom 30. Mai 2012 und deren Bedeutung für die Bestandskraftwirkung des Beschlusses thematisiert und auf die positive Kenntnis aller Kläger vom ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss und ihre Stellungnahmen im Planfeststellungsverfahren verwiesen. Neu für die Kläger war der Hinweis des Senats auf eine etwaige Fristgebundenheit ihrer Klage und die Rechtsprechung zum Baunachbarrecht. Auch wenn der betreffende Gesichtspunkt in dem protokollierten Hinweis des Vorsitzenden (vgl. Sitzungsniederschrift vom 23. Juni 2020 S. 2) mit dem Begriff der ""Verwirkung"" verkürzt angesprochen wurde, ist jedenfalls die Parallele zum Baunachbarrecht mit der dort gebräuchlichen Orientierung an der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO ab Kenntnis von der möglichen Rechtsbeeinträchtigung deutlich zum Ausdruck gekommen. Die Kläger haben den Hinweis auch so verstanden (vgl. Schriftsatz vom 26. Juni 2020 S. 15). Um zu dem Gedankengang des Gerichts vertiefend Stellung zu nehmen, waren drei Werktage ohne Weiteres ausreichend. 63 Fragestellungen im Zusammenhang mit Nachbarklagen im Baurecht und ihren zeitlichen Grenzen betreffen eine Thematik, mit denen ein Rechtsanwalt, zumal ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht, im Allgemeinen vertraut ist und zu deren Verständnis keine besondere Einarbeitungszeit erforderlich ist. Die vom Senat aufgeworfene Frage, ob sich aus diesem Problemkreis Erwägungen zur Rechtzeitigkeit oder Verspätung einer Klage ableiten lassen, die auch für die vorliegende Fallkonstellation Anwendung finden könnten, zielte zwar auf neue, bisher - soweit ersichtlich - in der Rechtsprechung und Fachöffentlichkeit nicht thematisierte Überlegungen. Diese hielten sich aber in einem überschaubaren Rahmen und erforderten keine umfangreiche Sichtung und Auswertung von Literatur und Rechtsprechung, so dass eine Stellungnahme innerhalb von drei Werktagen zumutbar und erwartbar war. 64 d) Der Senat war nicht verpflichtet, zur Erforschung des Sachverhalts nach § 86 VwGO weitere Verwaltungsvorgänge, insbesondere die vollständigen Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren für den Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 beizuziehen und zur Grundlage der Verhandlung zu machen. Denn darauf kam es nach seiner Rechtsauffassung nicht an. In Bezug auf den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss fehlt den Klägern von vornherein die Klagebefugnis bzw. ist die Klage nicht rechtzeitig erhoben worden. Die Vorgänge, die dem Planänderungsbeschluss zugrunde liegen, sind vom Beklagten vollständig vorgelegt worden. 65 Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang auf ihren Antrag auf Akteneinsicht hinweisen, bezieht sich das Akteneinsichtsrecht nach § 100 VwGO nur auf die dem Gericht vorgelegten Akten. Diese hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger einsehen können. Ein Anspruch auf Erweiterung des gerichtlichen Aktenbestands lässt sich auch aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht herleiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 1983 - 2 BvR 864/81 - BVerfGE 63, 45 <60>). Bezüglich der Einsicht in weitere Vorgänge waren die Kläger daher an den Beklagten zu verweisen. Dieser war vom Vorsitzenden des Senats mit Verfügung vom 11. Juli 2019 ausdrücklich aufgefordert worden, dem Prozessbevollmächtigten der Kläger Akteneinsicht in dem von ihm begehrten Umfang zu gewähren. Nach Mitteilung ihres Prozessbevollmächtigten vom 26. November 2019 haben die Kläger mit dem Beklagten auch eine entsprechende Einsichtnahme vereinbart. 66 D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. 67 E. Der Senat konnte die Urteilsgründe abschließend niederlegen und unterschreiben, obwohl das nach Verkündung des Urteils gegen alle Senatsmitglieder gerichtete Ablehnungsgesuch vom 4. August 2020 noch nicht beschieden worden ist. Die Wartepflicht nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO, wonach ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen hat, die keinen Aufschub gestatten, erfasst nicht die schriftliche Abfassung und Unterzeichnung einer bereits vor Anbringung des Befangenheitsgesuchs getroffenen Entscheidung (BVerwG, Beschluss vom 7. März 2017 - 6 B 53.16 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 82 Rn. 22). Mit der Verkündung des Urteils am 2. Juli 2020 ist dieses für das Gericht bindend geworden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 318 ZPO), für einen Wechsel des Spruchkörpers oder einzelner Mitglieder ist prozessual kein Raum mehr. Vielmehr sind die Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, verpflichtet, die Urteilsgründe möglichst zeitnah abzufassen und zu unterzeichnen (vgl. § 117 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 VwGO)." bverwg_2020-41,02.07.2020,"Pressemitteilung Nr. 41/2020 vom 02.07.2020 EN Lückenschluss des Bremer Autobahnrings: Bundesverwaltungsgericht weist Klagen ab Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute mehrere Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss der Freien Hansestadt Bremen vom 24. Mai 2019 für den Neubau des letzten Teilstücks des sogenannten Bremer Autobahnrings abgewiesen. Es geht um den ca. 2 km langen Abschnitt zwischen Neuenlander Ring und Kattenturmer Heerstraße. Die A 281 soll künftig als durchgehende Autobahn fortgeführt und über den - bereits vorhandenen - Zubringer Arsten an die A 1 im Osten angebunden werden. Das Vorhaben ist im aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als vierstreifiger Neubau mit der Dringlichkeitsstufe „laufend und fest disponiert“ aufgeführt. Nicht Gegenstand der Planung ist der Neubau der B 6n, mit der später die A 281 im Süden auf niedersächsischer Seite an die A 1 (Anschlussstelle Bremen-Brinkum) angeschlossen werden soll. Hierfür ist ein eigenes Planfeststellungsverfahren vorgesehen. Erst in diesem Verfahren soll entschieden werden, ob die B 6n den an die A 281 unmittelbar angrenzenden Flughafen umfahren soll, wie es das Bundesverkehrsministerium aus Kostengründen favorisiert, oder ob der Flughafen untertunnelt wird (Bremische Vorzugsvariante). Der heute gerichtlich bestätigte Planfeststellungsbeschluss für die A 281 lässt die Trassenführung der B 6n ausdrücklich offen; es werde keine Variante „verbaut“. Das Bundesverwaltungsgericht hatte mit Urteil vom 24. November 2010 (BVerwG 9 A 14.09) eine frühere Planung für denselben Abschnitt beanstandet. Damals war der Planfeststellungsbeschluss  in Bezug auf die Autobahntrasse von der Darstellung im Flächennutzungsplan der Stadt Bremen erheblich abgewichen. Im Zusammenhang mit einer seinerzeit geplanten Querspange zur Kattenturmer Heerstraße waren zudem die Belange der betroffenen Grundstückseigentümer nicht fehlerfrei abgewogen worden. Der neue Planfeststellungsbeschluss, der keine Querspange mehr vorsieht, hielt nunmehr der gerichtlichen Kontrolle stand. Er stimmt insbesondere mit dem 2014 für ganz Bremen neu aufgestellten Flächennutzungsplan überein. Entgegen der Auffassung der Kläger war das Planfeststellungsverfahren auch nicht deshalb fehlerhaft, weil bestimmte Unterlagen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht ausgelegen hatten. Ebenso wenig musste die B 6n gemeinsam mit der A 281 geplant werden. Hiervon durfte vor allem aus Zeitgründen weiterhin Abstand genommen werden, obwohl die B 6n ihrerseits 2016 im Bundesverkehrswegeplan in den vordringlichen Bedarf aufgestuft worden ist. Auch die Variantenprüfung litt an keinem Fehler. Schließlich hat der - noch in der mündlichen Verhandlung des Gerichts ergänzte - Planfeststellungsbeschluss auch die individuellen Eigentums- und Lärmbetroffenheiten der Kläger fehlerfrei abgewogen. BVerwG 9 A 19.19 - Urteil vom 02. Juli 2020","Urteil vom 02.07.2020 - BVerwG 9 A 19.19ECLI:DE:BVerwG:2020:020720U9A19.19.0 EN Leitsätze: 1. In einem straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren müssen nicht sämtliche im Erläuterungsbericht erwähnten Gutachten und Abwägungsunterlagen vollständig ausgelegt werden, sondern nur diejenigen, die für die Anstoßwirkung erforderlich sind, sowie die wichtigsten entscheidungserheblichen Unterlagen, insbesondere über die Umweltauswirkungen des Vorhabens. 2. Die Planfeststellungsbehörde muss sich nicht sämtliche in den Antragsunterlagen des Vorhabenträgers erwähnten Dokumente vorlegen lassen. Vielmehr darf sie sich auf eine Plausibilitätskontrolle beschränken. Sie muss vor allem dann Nachermittlungen anstellen, wenn sie die Unterlagen für unvollständig hält oder bestimmte Annahmen als nicht ausreichend begründet ansieht. 3. Wird ein Flächennutzungsplan nach einem großen Zeitabstand neu aufgestellt (hier nach mehr als 30 Jahren), liegt dem regelmäßig eine völlig neue Abwägung zugrunde. Dies hat zur Folge, dass ein Widerspruch nach § 7 Satz 1 BauGB auch dann zulässig ist, wenn dieselbe Darstellung schon in der Vorgängerfassung enthalten war. 4. Ein Eigentümer kann sich nur dann gegen eine heranrückende, sein Grundstück noch nicht unmittelbar betreffende Planung zur Wehr setzen, wenn ein Zwangspunkt geschaffen wird, der im weiteren Planungsverlauf zwangsläufig zu seiner Betroffenheit führt (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2017 - 9 A 14.16 - BVerwGE 160, 78 Rn. 150). Rechtsquellen FStrG § 17a VwVfG §§ 24, 29, 73 Abs. 1 und 2 UmwRG § 6 Satz 1 und 2 UVPG (2010) § 6 Abs. 3 Nr. 5, § 9 Abs. 1 Satz 4, Abs. 1b Satz 1 und 2 BauGB § 7 Satz 1 BNatSchG § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 02.07.2020 - 9 A 19.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:020720U9A19.19.0] Urteil BVerwG 9 A 19.19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini und Dr. Dieterich sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking am 2. Juli 2020 für Recht erkannt: Die Klagen werden abgewiesen. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Kläger zu 1 bis 3 je 1/9 und die Klägerin zu 4 sowie die Klägerin zu 5 je 1/3. Die Kläger tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst. Gründe I 1 Die Klage betrifft den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 24. Mai 2019 für den Neubau der 2. Stufe des II. Bauabschnitts der Bundesautobahn A 281 im Abschnitt zwischen Neuenlander Ring und Kattenturmer Heerstraße (BA 2/2). Die geplante Trasse schließt im Westen an den bereits fertig gestellten Abschnitt BA 2/1 der A 281 an; der derzeitige provisorische Anschluss an die Neuenlander Straße wird überplant. Die A 281 soll künftig bis Bau-km 3+317 weiter in Hochlage geführt werden, um dann über eine Rampe bis Bau-km 3+400 in nahezu geländegleiches Niveau überzugehen. Der Bauabschnitt 2/2 verläuft dabei in einem schmalen Korridor zwischen dem Betriebsgelände der Firma AIRBUS und dem Flughafen Bremen im Süden sowie dem Gewerbegebiet Neuenlander Straße und privaten Flächen im Norden. Im Osten endet die geplante Trasse am Knotenpunkt Neuenlander Straße/Kattenturmer Heerstraße (Anschlussstelle Bremen-Kattenturm). Dort soll sie über den - bereits vorhandenen - Zubringer Arsten an die A 1 im Osten angebunden werden. Der Zubringer soll später zur Autobahn heraufgestuft werden. 2 Nicht Gegenstand der Planung ist der Neubau der B 6n, mit der später die A 281 im Süden auf niedersächsischer Seite an die A 1 (Anschlussstelle Bremen-Brinkum) angeschlossen werden soll. Hierfür ist ein eigenes Planfeststellungsverfahren vorgesehen. Der streitgegenständliche Planfeststellungsbeschluss geht insoweit ausdrücklich davon aus, dass noch keine Vorfestlegung auf eine bestimmte Variante erfolgt: Sowohl die im Bedarfsplan dargestellte und vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (künftig: Bundesverkehrsministerium) favorisierte Flughafen-Umfahrungsvariante als auch die Flughafen-Untertunnelungsvariante (Bremische Vorzugsvariante) könnten an den Bauabschnitt 2/2 angeschlossen werden; es werde keine Variante ""verbaut"" (Planfeststellungsbeschluss S. 43 f.). 3 Eine frühere Planung des streitgegenständlichen Abschnitts hatte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 24. November 2010 (9 A 14.09 ) für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Dies hatte es unter anderem mit einem Verstoß gegen die in § 7 BauGB normierte Bindung öffentlicher Planungsträger an den Flächennutzungsplan im Fall des unterlassenen Widerspruchs begründet. Hintergrund war der Umstand, dass der damals planfestgestellte Trassenverlauf von dem im Flächennutzungsplan 1983 dargestellten - und zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses (2009) weiterhin gültigen - Verlauf der A 281 auf der Neuenlander Straße abwich; die planfestgestellte Trasse verlief südlich davon. 4 Die Beklagte berief in der Folge einen Runden Tisch ein, dem sie die Aufgabe übertrug, ""einen anwohnerverträglichen, finanzierbaren, zügig umsetzbaren und rechtssicheren Vorschlag für die Umsetzung des Bauabschnitts 2/2 unter Würdigung von städtebaulichen und verkehrsentlastenden Aspekten"" zu erarbeiten. Der Runde Tisch entschied sich nach eingehenden Beratungen für die Variante 4 Süd, deren wesentliches Element ein etwa 440 m langes Tunnelbauwerk mit Anschluss an das bestehende Bauwerk vor Huckelriede war. Durch den Tunnel sollte die Trennwirkung der Neuenlander Straße vermindert werden; außerdem sollte er dem Lärmschutz dienen. In den folgenden Abstimmungen zwischen Bremen und dem Bundesverkehrsministerium wurde zur Kostenoptimierung vereinbart, die Variante des Runden Tisches als ""Variante 4 Süd modifiziert"" umzusetzen: Die Länge des geplanten Tunnelbauwerks wurde bei sonst gleicher Trassenführung auf etwa 170 m reduziert; durch ergänzende Lärmschutzeinrichtungen sollte ein vergleichbarer Lärmschutz wie bei der Variante 4 Süd erreicht werden. 5 Im Mai 2014 wurde durch die 19. Änderung Neustadt/Obervieland (ehemals 110. Änderung des Flächennutzungsplans Bremen 1983) der im Flächennutzungsplan dargestellte Trassenverlauf der A 281 an die neue Planung angepasst. Beibehalten wurde allerdings die zeichnerische Darstellung der B 6n als Tunnelvariante mit einem Verknüpfungspunkt auf dem ehemaligen Hornbachgelände. Im Rahmen des Trägeranhörungsverfahrens hatte die Oberste Landesstraßenbaubehörde unter dem 20. Februar 2014 zuvor zur geplanten Änderung wie folgt Stellung genommen: ""Aus Sicht der Bundesauftragsverwaltung lässt sich zum heutigen Zeitpunkt noch keine Aussage darüber treffen, an welcher genauen Stelle eine künftige Bundesstraße 6 (B 6n) an die geplante BAB 281 im Bauabschnitt 2/2 anknüpfen könnte, da keine Linienbestimmung für die B 6n vorliegt. Angesichts dieser Sachlage ist sicherzustellen, dass die beabsichtigte Änderung des zitierten Änderungsverfahrens keine Präjudizierung beinhaltet. (...)."" 6 Im Dezember 2014 wurde der Flächennutzungsplan für ganz Bremen neu aufgestellt. Die oben genannten Darstellungen (neuer Trassenverlauf der A 281; Flughafen-Untertunnelungsvariante der B 6n) wurden beibehalten. Die Oberste Landesstraßenbaubehörde beteiligte sich auch hier und erhob mit Schreiben vom 5. November 2014 ""vorsorglich Widerspruch (...) gegen die Festlegung der konkreten Trassierungslinie der künftigen B 6n"". 7 Der Vorhabenträger beantragte im Februar 2015 die Planfeststellung der ""Variante 4 Süd modifiziert"" unter Aufhebung des früheren Planfeststellungsbeschlusses vom 7. April 2009. Die Planunterlagen lagen erstmals in der Zeit vom 5. Mai bis 4. Juni 2015 aus. Nachdem das Bundesverkehrsministerium zwischenzeitlich den Komplettabriss des bestehenden Tunnelbauwerks vor Huckelriede gefordert hatte, fand eine Umplanung statt. Die überarbeiteten Unterlagen wurden in der Zeit vom 16. Dezember 2015 bis zum 15. Januar 2016 ausgelegt. Weitere Auslegungen erfolgten im Zusammenhang mit der Erstellung eines Fachbeitrags zur Wasserrahmenrichtlinie sowie einer Gesamtlärmuntersuchung. Auch das schalltechnische Gutachten wurde im Folgenden aktualisiert; die neue schalltechnische Ausbreitungsberechnung ergab emissionsseitig eine geringfügige Pegelzunahme. Hiervon wurden die Betroffenen informiert; eine erneute Offenlage erfolgte nicht. 8 Die Kläger haben am 28. Juni 2019 fristgerecht Klage erhoben. Die Kläger zu 1 bis 3 sind enteignungsbetroffen, während die Klägerin zu 4 nur lärmbetroffen ist. Die Klägerin zu 5 macht vor allem eine für sie negative Vorwirkung der Planung in Bezug auf den Trassenverlauf der künftigen B 6n geltend; sie befürchtet bei Realisierung der Flughafen-Umfahrungsvariante eine Enteignung, jedenfalls aber erhöhten Lärm. Die Kläger machen Verfahrensfehler geltend, stellen die Planrechtfertigung für das Verkehrsprojekt in Frage und halten die Abschnittsbildung, die Variantenprüfung sowie die artenschutzrechtliche Ausnahmeprüfung für die Teichfledermaus für fehlerhaft. 9 Die Kläger beantragen, den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 24. Mai 2019 für den Neubau der Bundesautobahn A 281 im Abschnitt zwischen Neuenlander Ring und Kattenturmer Heerstraße mit den in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2020 zu Protokoll erklärten Änderungen und Ergänzungen aufzuheben, hilfsweise: festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist. 10 Die Beklagte beantragt, die Klagen abzuweisen. 11 Sie verteidigt den Planfeststellungsbeschluss und tritt dem Vorbringen der Kläger im Einzelnen entgegen. II 12 Die Klagen der Kläger zu 1 bis 3 sowie der Klägerin zu 4 sind zulässig, aber unbegründet (A und B); die Klage der Klägerin zu 5 ist bereits unzulässig (C). 13 A. Die Klage der Kläger zu 1 bis 3 ist zulässig. Sie haben als Miteigentümer eines enteignungsbetroffenen Grundstücks einen Anspruch auf gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses auf seine objektive Rechtmäßigkeit (sogenannter Vollüberprüfungsanspruch), soweit der geltend gemachte Fehler für die Inanspruchnahme ihres Grundstücks kausal ist. 14 Die Klage ist aber unbegründet. Die Kläger können die Aufhebung oder die hilfsweise beantragte Außervollzugsetzung des Planfeststellungsbeschlusses weder wegen formeller Fehler (I) noch aus materiellen Gründen (II) beanspruchen. 15 I. Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an den geltend gemachten formellen Fehlern. 16 1. Der richtige Vorhabenträger lässt sich dem Planfeststellungsbeschluss ohne Weiteres im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) entnehmen. Er wird im Erläuterungsbericht, der zu den planfestgestellten Unterlagen gehört, zutreffend mit ""Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Oberste Landesstraßenbaubehörde der Freien Hansestadt Bremen (Land) - Senator für Umwelt, Bau und Verkehr"" bezeichnet; das Land Bremen hat die DEGES ""mit der Projektabwicklung (...) beauftragt"". 17 2. Soweit die Kläger als weitere Fehler rügen, es seien verschiedene Unterlagen zu Unrecht nicht öffentlich ausgelegt worden; auch seien einige Dokumente nicht von der Planfeststellungsbehörde beigezogen worden, gehen sie schon von unzutreffenden Maßstäben aus (a und b); im Ergebnis lässt sich insoweit kein Rechtsfehler feststellen (c). 18 a) Nach § 17a FStrG i.V.m. § 73 Abs. 1 und 2 VwVfG ist ""der Plan"" auszulegen; dieser wiederum besteht ""aus den Zeichnungen und Erläuterungen, die das Vorhaben, seinen Anlass und die von dem Vorhaben betroffenen Grundstücke und Anlagen erkennen lassen"". Die Auslegung muss dabei nicht alle Unterlagen umfassen, die möglicherweise zur vollständigen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Planung erforderlich sind. Sie kann sich vielmehr auf die Unterlagen beschränken, deren der Einzelne bedarf, um als Laie den Grad seiner Beeinträchtigung abschätzen und sich das Interesse, Einwendungen zu erheben, bewusst machen zu können (BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - juris Rn. 19, in BVerwGE 155, 91 insoweit nicht abgedruckt). Ob dazu auch Gutachten gehören, beurteilt sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalles. Sie sind grundsätzlich dann auszulegen, wenn sich erst aus ihnen abwägungserhebliche Auswirkungen auf die Belange potenziell Betroffener oder anerkannter Vereinigungen ergeben; ergänzt ein Gutachten dagegen nur ausgelegte Planunterlagen, muss es nicht mit ausgelegt werden (BVerwG, Urteil vom 3. April 2019 - 4 A 1.18 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 9 Rn. 16). 19 Handelt es sich - wie hier - um ein Vorhaben, für das die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht, ergeben sich weitere Anforderungen in Bezug auf die Auslegung von Unterlagen aus dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung. Das hier zu beurteilende Vorhaben war nach der Übergangsvorschrift des § 74 Abs. 2 UVPG in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808 - im Folgenden UVPG 2017) nach der vor dem 16. Mai 2017 geltenden Fassung dieses Gesetzes vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94 - im Folgenden UVPG 2010) fortzuführen. Denn der Antrag auf Einleitung des Planfeststellungsverfahrens wurde bereits mit Schreiben vom 25. Februar 2015 gestellt (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 311). 20 Nach § 9 Abs. 1b Satz 1 UVPG 2010 sind die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens (Unterlagen nach § 6 UVPG 2010) und diejenigen ""entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen ..., die der zuständigen Behörde zum Zeitpunkt des Beginns des Beteiligungsverfahrens vorgelegen haben"", zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen. Mit der Formulierung ""entscheidungserheblich"" wollte der Gesetzgeber Art. 6 Abs. 3 der UVP-Richtlinie (in der Fassung der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu den Gerichten - ABl. L 156 S. 17) umsetzen, wonach neben den Unterlagen der UVP-Prüfung die ""wichtigsten Berichte und Empfehlungen"" zugänglich gemacht werden (BVerwG, Urteil vom 15. Februar 2018 - 9 C 1.17 - BVerwGE 161, 180 Rn. 31 unter Hinweis auf BT-Drs. 16/2933 S. 2). Dem entspricht heute wortgleich § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UVPG 2017. Der Gesetzgeber hatte dabei im Blick, dass auch Fachgutachten zu den Unterlagen über die zu erwartenden Umweltauswirkungen des Vorhabens gehören können, empfiehlt aber, nur die wichtigsten Inhalte der Fachgutachten in den UVP-Bericht zu übernehmen und hinsichtlich der Einzelheiten auf das betreffende Gutachten zu verweisen, das ebenfalls auszulegen sei (so zum heutigen Recht BT-Drs. 18/11499 S. 88 f.). Vor diesem Hintergrund kann es an der Entscheidungserheblichkeit im Sinne des § 9 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UVPG 2010 (bzw. des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UVPG 2017) fehlen, wenn bestimmte Gutachten lediglich Detailfragen betreffen oder auf sie in anderen - ihrerseits ausgelegten - Gutachten Bezug genommen wird. Solche Gutachten gehören gegebenenfalls auch nicht zu den wichtigsten Berichten und Empfehlungen im Sinne von Art. 6 Abs. 3 UVP-Richtlinie (BVerwG, Urteil vom 15. Februar 2018 - 9 C 1.17 - BVerwGE 161, 180 Rn. 31). 21 Weitere Informationen, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn des Beteiligungsverfahrens vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach § 9 Abs. 1b Satz 2 UVPG 2010 bzw. nach § 19 Abs. 3 UVPG 2017 nach den Bestimmungen des Bundes und der Länder über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. 22 Ändert der Vorhabenträger die nach § 6 UVPG a.F. erforderlichen Unterlagen im Laufe des Verfahrens, kann nach § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG a.F. von einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung abgesehen werden, soweit keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Ein Absehen von einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung scheidet dabei jedoch aus, wenn eine nach Gegenstand, Systematik und Ermittlungstiefe neue oder über die bisherigen Untersuchungen wesentlich hinausgehende Prüfung der Umweltbetroffenheiten vorgenommen wird, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorhabens insgesamt erforderlich ist und ihren Niederschlag in einer neuen entscheidungserheblichen Unterlage über die Umweltauswirkungen des Vorhabens (§ 6 Abs. 1 Satz 1 UVPG 2010) findet (BVerwG, Urteile vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - BVerwGE 156, 215 Rn. 25 und vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 28). 23 Zusammengefasst mussten damit entgegen der Auffassung der Kläger nicht sämtliche im Erläuterungsbericht erwähnten Gutachten und Abwägungsunterlagen vollständig ausgelegt werden, sondern nur diejenigen, die für die Anstoßwirkung erforderlich waren, sowie die wichtigsten entscheidungserheblichen Unterlagen, insbesondere über die Umweltauswirkungen des Vorhabens. 24 Diese Beschränkung ist rechtlich - wie oben ausgeführt - vorgegeben. Sie ist nach Auffassung des Senats aber auch aus Praktikabilitätserwägungen geboten. Müssten, wie es die Kläger für richtig halten, auch Unterlagen zu früheren Planungen sowie sämtliche entscheidungserheblichen Unterlagen ausgelegt werden, würde eine solche Überfrachtung der Auslegung auch zu Unübersichtlichkeit und damit zu weniger und nicht mehr Transparenz für die Öffentlichkeit führen. Aus diesem Grund liegt in der Beschränkung auch kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör. Sind Betroffene der Auffassung, dass sie einzelne, nicht ausgelegte Unterlagen zur effektiven Rechtsverteidigung benötigen, können sie schon im Verwaltungsverfahren einen Antrag nach § 17 Abs. 1 Satz 3 FStrG i.V.m. § 72 Abs. 1 Satz 3 und § 29 VwVfG auf Akteneinsicht in die von der Planfeststellungsbehörde geführten oder beigezogenen Akten stellen. Daneben stehen die Informationszugangsrechte nach dem Umweltinformationsgesetz und den entsprechenden Landesgesetzen sowie nach den Informationsfreiheitsgesetzen, die - anders als das vorgenannte Einsichtsrecht nach § 29 VwVfG - nicht von einer behördlichen Ermessensentscheidung abhängig sind. Im gerichtlichen Verfahren kommt der Anspruch auf Akteneinsicht nach § 100 VwGO hinzu. 25 b) Von der Auslegungspflicht zu unterscheiden ist die Pflicht der Planfeststellungsbehörde zur Beiziehung von Unterlagen. Zwar ist sie aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes (§ 24 VwVfG) verpflichtet, die ihr vorgelegten Planunterlagen einer eigenständigen rechtlichen Prüfung zu unterziehen und gegebenenfalls eigene Ermittlungen anzustellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. März 2011 - 7 A 3.10 - Buchholz 406.400 § 19 BNatSchG 2002 Nr. 7 = juris Rn. 85 und vom 25. Juni 2014 - 9 A 1.13 - juris Rn. 12, in BVerwGE 150, 92 insoweit nicht abgedruckt). Entgegen der Auffassung der Kläger bedeutet dies aber nicht, dass sich die Planfeststellungsbehörde sämtliche in den Antragsunterlagen des Vorhabenträgers erwähnten Dokumente vorlegen lassen muss. Vielmehr darf sie sich auf eine Plausibilitätskontrolle beschränken und muss vor allem dann Nachermittlungen anstellen, wenn sie die Unterlagen für unvollständig hält oder bestimmte Annahmen als nicht ausreichend begründet ansieht. Auf die nähere Ermittlung zu bestimmten Umständen kann sie auch dann verzichten, wenn es darauf nach ihrer Rechtsauffassung nicht ankommt oder wenn sie diese im Einzelfall als gegeben unterstellen darf (Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 74 VwVfG Rn. 10). 26 c) Hiervon ausgehend lassen sich keine durchgreifenden Fehler hinsichtlich der von den Klägern genannten Unterlagen feststellen. 27 aa) Flächennutzungsplan 1983, Linienbestimmung 1984, Gutachten Schnüll, Haller & Partner SHP 2004, Pläne zum kurzen Tunnel und zur kurzen Troglänge sowie Vermerk zur Abstimmung mit dem Bundesverkehrsministerium vom 7. September 2011 28 Die genannten Unterlagen mussten schon deshalb nicht ausgelegt werden, weil es sich um überholte Dokumente handelte. Die ersten drei werden im Erläuterungsbericht zutreffend unter der Überschrift ""Vorgeschichte der Planung, vorausgegangene Untersuchungen und Verfahren"" erwähnt. Dass der Flächennutzungsplan aus dem Jahre 1983 überholt ist, wird anschließend erklärt (Erläuterungsbericht S. 5). Die Linienbestimmung aus dem Jahre 1984 ist weder eine formelle noch eine materielle Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der Planfeststellung, sondern hat den Charakter einer vorbereitenden Grundentscheidung mit allein verwaltungsinterner Bedeutung. Sie entbindet die Planfeststellungsbehörde nicht von der Prüfung, ob das Vorhaben den rechtlichen Anforderungen genügt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 62). Dementsprechend wird im Planfeststellungsbeschluss - wie schon im Erläuterungsbericht - lediglich darauf hingewiesen, dass das Bundesverkehrsministerium der Linienbestimmung im Jahr 1984 für den 1. bis 4. Bauabschnitt zugestimmt hat (S. 41). Das Gutachten Schnüll, Haller & Partner war zum Zeitpunkt der ersten Auslegung (5. Mai bis 4. Juni 2015) ebenfalls überholt. Zwar kommt ihm insoweit für den jetzigen Trassenverlauf Bedeutung zu, als darin die Südvariante in allen Zielfeldern als beste herausgearbeitet worden ist; diese Südvariante wiederum wurde dann später durch den Runden Tisch optimiert (vgl. hierzu die ausführliche Darstellung im Erläuterungsbericht S. 17 ff.). Durch die Neuaufstellung des Flächennutzungsplans im Dezember 2014 wurde dann aber die Südvariante festgeschrieben, ohne dass insoweit seitens der Obersten Landesstraßenbaubehörde Widerspruch erhoben wurde. Daran war der Vorhabenträger aufgrund seiner Anpassungspflicht nach § 7 Satz 1 BauGB gebunden; auf das Gutachten kam es nicht mehr entscheidungserheblich an. 29 Auch die früheren Unterlagen zu einem kürzeren Tunnel bzw. Trog und der hiermit zusammenhängende Vermerk vom 7. September 2011 waren zum Zeitpunkt der Auslegung überholt, nachdem man sich für ein längeres Trogbauwerk entschieden hatte. 30 bb) Entwicklungskonzept Neustadt (Masterplan) 31 Der Erläuterungsbericht erwähnt das Konzept lediglich beiläufig im Zusammenhang mit der beabsichtigten Entlastung der Neuenlander Straße vom Durchgangs- und Schwerlastverkehr von rd. 50 000 Kfz/24 h auf ca. 10 000 (vgl. S. 8 und 13). Das Konzept war weder für die Anstoßwirkung erforderlich noch war es für die Planfeststellungsbehörde entscheidungserheblich. Der Planfeststellungsbeschluss nimmt auf den Masterplan auch nicht in seiner Variantenabwägung Bezug. Vielmehr macht er bei der Auseinandersetzung mit Einwendungen gegen die Variantenwahl deutlich, dass das Kriterium der Masterplankompatibilität als eines von 49 Kriterien im Rahmen des Gutachtens Schnüll, Haller & Partner keinen maßgeblichen Einfluss auf die Auswahl der Südvariante gehabt habe (Planfeststellungsbeschluss S. 133). 32 cc) Gutachten A + S Consult 2009 und Pläne betreffend Anschlussmöglichkeiten einer B 6n 33 Dort geht es um die möglichen Varianten einer B 6n (zwei Tunnel- und zwei Umfahrungsvarianten) und damit nicht um den Regelungsgegenstand des hier angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses. Gleiches gilt für die beiden - in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen - Pläne zu etwaigen Anschlussmöglichkeiten einer B 6n. Für die Anstoßwirkung waren die Unterlagen nicht erforderlich. Es genügte, dass der Erläuterungsbericht darauf hinwies, dass verschiedene Anschlussmöglichkeiten einer B 6n offengehalten werden sollten (S. 2). Zwar hat die Planfeststellungsbehörde die beiden Pläne vom Vorhabenträger angefordert. Allein hierdurch gehörten sie aber nicht zu den wichtigsten entscheidungserheblichen Unterlagen, die nach § 9 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UVPG a.F. hätten ausgelegt werden müssen. Vielmehr diente die Anforderung lediglich dazu, die vom Vorhabenträger im Erläuterungsbericht aufgestellte These zu überprüfen. 34 dd) Institut für Geotechnik - 12. Bericht 2010 und 23. Bericht 2014 35 Für die Anstoßwirkung genügte, dass der Erläuterungsbericht die Unterlagen zitiert und die Ergebnisse wiedergibt (S. 53 f. und 90). Es handelt sich auch nicht um wichtige entscheidungserhebliche Unterlagen im oben beschriebenen Sinne; insbesondere kam ihnen im Zusammenhang mit dem späteren Anschluss der B 6n keine entscheidende Bedeutung zu, denn der Planfeststellungsbeschluss führt hierzu aus, dass im fraglichen Bereich zur Bodenstabilisierung eine Überschüttung und keine Tragsäulen angeordnet werden (vgl. S. 134). 36 ee) Nutzen-Kosten-Berechnung durch die Ingenieurgruppe Aachen (IVV) aus Dezember 2016 37 Das Dokument wurde der Planfeststellungsbehörde erst am 5. Mai 2017 übersandt (vgl. Protokoll des Erörterungstermins S. 10). Es war weder für die Anstoßwirkung erforderlich noch eine entscheidungserhebliche Unterlage. 38 ff) Verkehrsentwicklungsplan 39 Die Kläger beanstanden, dass die Beklagte sowohl im Planfeststellungsbeschluss als auch in der Klageerwiderung im Zusammenhang mit der Variante 8 auf Testszenarien aus dem Verkehrsentwicklungsplan abgestellt habe, ohne diese vorzulegen. Dies stellt jedoch keinen Verfahrensfehler dar, da die Variante 8 aus im Planfeststellungsbeschluss näher dargelegten anderen Gründen verworfen wurde. Der Hinweis auf den Verkehrsentwicklungsplan war daher lediglich ein weiteres ""Hilfsargument"". 40 3. Die ausgelegten Planunterlagen enthielten entgegen der Auffassung der Kläger eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Übersicht über die wichtigsten vom Vorhabenträger geprüften anderweitigen Lösungsmöglichkeiten. 41 Zu den entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens gehört nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 UVPG 2010 eine ""Übersicht über die wichtigsten, vom Träger des Vorhabens geprüften anderweitigen Lösungsmöglichkeiten"" sowie die ""Angabe der wesentlichen Auswahlgründe im Hinblick auf die Umweltauswirkungen des Vorhabens"". 42 Die Kläger vermissen eine vergleichende Untersuchung der Varianten nach dem Kriterium der Lärmbetroffenheit mit Angaben zur Anzahl der jeweils betroffenen Personen. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 UVPG 2010 stellt jedoch keine inhaltlichen Anforderungen an die Variantenuntersuchung; verlangt wird lediglich die Angabe, welche Umweltauswirkungen tatsächlich untersucht und wie sie bei der Auswahl der Vorzugstrasse berücksichtigt worden sind. Diesen Anforderungen genügt der Erläuterungsbericht. Er beschreibt zunächst die vor der Planfeststellungsvariante 2009 konzeptionell untersuchten vier Hauptvarianten (Nordvariante 1 und 2, Mittelvariante und Südvariante) und geht dann auf diejenigen untersuchten Varianten (4, 5 und 4 Süd) ein, die vom Runden Tisch zusammen mit der Nullvariante näher geprüft wurden (S. 26 ff.). Auch die wesentlichen Auswahlgründe im Hinblick auf die Umweltauswirkungen des Vorhabens werden benannt (S. 36 f.). Dabei wird betont, dass die Varianten mit Blick auf die Schutzgüter des § 2 Abs. 1 UVPG aufgrund ihrer Lage in einem vorbelasteten innerstädtischen Raum nur geringe Unterschiede aufwiesen. Die Auswirkungen im Zusammenhang mit Wohnbebauung, Naherholung und Erschließung seien in die Wahl der weiterzuverfolgenden Variante ebenso eingeflossen wie die Lärmimmissionen. Die Varianten 4 und 4 Süd modifiziert stellten insgesamt unter anderem wegen der Abstände zur Wohnbebauung nördlich der Neuenlander Straße und der Minimierung der Beanspruchung von Privatgrundstücken die vergleichsweise verträglichste Lösung dar (Erläuterungsbericht S. 36 f.). 43 II. Die Kläger können sich nicht mit Erfolg auf einen materiellen Fehler des Planfeststellungsbeschlusses berufen. 44 1. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen das Anpassungsgebot des § 7 Satz 1 BauGB. 45 Nach dieser Vorschrift haben öffentliche Planungsträger, die nach § 4 oder § 13 BauGB am Aufstellungsverfahren beteiligt worden sind, ihre Planungen dem Flächennutzungsplan insoweit anzupassen, als sie diesem Plan nicht widersprochen haben. Die Bindung der Fachplanung an den Flächennutzungsplan gilt - wie § 38 Satz 2 BauGB ausdrücklich klarstellt - auch für die nach § 38 Satz 1 Halbs. 1 BauGB gegenüber der Ortsplanung im Übrigen privilegierten Vorhaben (BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - 9 A 14.09 - juris Rn. 33). Nach Auffassung des Senats ist die Planung dem 2014 neu aufgestellten Flächennutzungsplan, auf den es hier maßgeblich ankommt (a), angepasst (b); unbeschadet dessen hat die Oberste Landesstraßenbaubehörde gegen den Flächennutzungsplan in Bezug auf den dargestellten Verlauf der B 6n aber auch wirksam Widerspruch eingelegt (c). 46 a) Für die Frage der Anpassung an den Flächennutzungsplan kommt es maßgeblich auf seine zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses (24. Mai 2019) geltende Fassung an. Dies ist hier der mit Beschluss vom 4. Dezember 2014 für ganz Bremen neu aufgestellte Flächennutzungsplan in der Fassung der 8. Änderung vom 26. Februar 2019. 47 Dass die Kläger den Flächennutzungsplan 1983 in der 19. Änderung für nicht ordnungsgemäß abgewogen halten, weil er nicht auf einer vollständigen Variantenprüfung beruhe und zu den Gebietsfestsetzungen in Widerspruch stehe, ist daher schon nicht entscheidungserheblich. Hiervon abgesehen vermag die Kritik aber auch in der Sache nicht zu überzeugen. Mit der 19. Änderung des Flächennutzungsplans 1983 wurde der Verlauf der Trasse der A 281 weiter nach Süden gerückt, um das Ergebnis des Runden Tisches nachzuvollziehen. Der Runde Tisch wiederum hat eine detaillierte Variantenuntersuchung und -bewertung vorgenommen (vgl. Begründung der 19. Änderung Neustadt/Obervieland, Stand April 2014, ohne Seiten, von der Beklagten als Anlage B 9 vorgelegt). Auch ein Widerspruch zu den Gebietsfestsetzungen ist nicht erkennbar. Durch die Planänderung sollte die Trasse ""nach Süden in den gewerblich genutzten Bereich und in den Bereich der bäuerlichen Restnutzungen verlagert werden"". Zwar erhöhe sich die Belastung punktuell, die Trasse halte aber von den südlich gelegenen Siedlungsbereichen immer noch einen größeren Abstand ein als zur Wohnbebauung in Huckelriede. Die Trasse sei auch geeignet, die Sanierungsziele des ausgewiesenen Sanierungsgebietes ""Huckelriede/Sielhof"" zu gewährleisten. Für die Anwohner im nordwestlichen Bereich der Kattenturmer Heerstraße und der Wolfskuhle könnten geeignete Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden (ebenda). Die genannten Erwägungen lassen einen Abwägungsfehler nicht erkennen. Auch das Festhalten an der Ausweisung von Kleingärten nördlich der Neuenlander Straße ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht widersprüchlich, denn die Südverschiebung der Trasse schützt derzeit die Kleingärten vor Lärm. Dabei ist eine spätere Umwandlung in Bau- oder Gewerbegebiete nicht ausgeschlossen. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass man sich dies perspektivisch offenhalte. 48 Das Vorstehende gilt in gleicher Weise für den Ende 2014 neu aufgestellten Flächennutzungsplan. Auch insoweit wird ausdrücklich auf die Ergebnisse des Runden Tisches Bezug genommen und auf ein frühestmögliches Abrücken der Trasse von der Neuenlander Straße sowie einen optimalen Lärmschutz für das Wohngebiet Huckelriede hingewiesen (vgl. Deputationsvorlage Nr. 18/(S) vom 20. November 2014 S. 3 sowie Begründung vom 4. Dezember 2014 S. 55). 49 b) Die Planung ist dem neu aufgestellten Flächennutzungsplan 2014 sowohl in Bezug auf die Darstellung des eigentlichen Trassenverlaufs der A 281 (aa) als auch hinsichtlich der Darstellung der B 6n (bb) angepasst. 50 aa) Der Trassenverlauf der A 281 selbst wurde bereits durch die 19. Änderung Neustadt/Obervieland (ehemals 110. Änderung des Flächennutzungsplans Bremen 1983) im Mai 2014 in Übereinstimmung mit der Fachplanung gebracht, woran später bei der Neuaufstellung des Flächennutzungsplans für ganz Bremen im Dezember 2014 festgehalten wurde. Die im Flächennutzungsplan dargestellte Trasse verläuft seither nicht mehr auf der Neuenlander Straße, sondern südlich abgerückt, so dass die planfestgestellte Trasse dem dargestellten Verlauf entspricht. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig. 51 bb) Die Planfeststellungsbehörde hat die Anpassungspflicht auch insoweit beachtet, als der Flächennutzungsplan die von der A 281 südlich abzweigende B 6n weiterhin als Flughafen-Untertunnelungsvariante mit einem Verknüpfungspunkt auf dem ehemaligen Hornbachgelände darstellt. 52 Die Anpassungspflicht geht über die aus dem Abwägungsgebot folgende Verpflichtung des öffentlichen Planungsträgers hinaus, die Belange des Städtebaus zu berücksichtigen. Unter den Voraussetzungen des § 7 BauGB werden die Darstellungen des Flächennutzungsplans zu bindenden Vorgaben, die es dem öffentlichen Planungsträger verbieten, sich in Gegensatz dazu zu setzen. Die Anpassungspflicht ist allerdings nicht im Sinne einer rechtssatzmäßigen Anwendung (""Vollzug""), sondern - entsprechend der inhaltlichen Bindung, die sich für Bebauungspläne aus § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB ergibt - als planerische Fortentwicklung der im Flächennutzungsplan dargestellten Grundkonzeption zu verstehen. Die Fachplanung ist so auszurichten, dass sie als aus dem Flächennutzungsplan entwickelt angesehen werden kann (BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 - 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 37, 39, vom 27. April 2017 - 9 A 30.15 - BVerwGE 159, 1 Rn. 15 sowie vom 6. September 2018 - 3 A 15.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 86 Rn. 22). 53 Dies ist hier der Fall. Zwar legt sich der Planfeststellungsbeschluss nicht ausschließlich auf die im Flächennutzungsplan dargestellte Flughafen-Untertunnelungsvariante fest, sondern hält daneben auch eine Flughafen-Umfahrungsvariante der B 6n offen. Dennoch kann er - in Bezug auf die hier allein in Rede stehende Trasse der A 281 - als aus dem Flächennutzungsplan entwickelt angesehen werden. Denn dessen gesamträumliches Konzept verlangt nicht, dass auch schon die Planung der A 281 ausschließlich auf den Tunnel hin hätte ausgerichtet werden müssen. Genau dies war mit der südlichen Trassenverschiebung der A 281 auch nicht bezweckt; vielmehr sollte die endgültige Festlegung des Trassenverlaufs der B 6n auf später verschoben werden. Dies ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten Begründung der 19. Änderung Neustadt/Obervieland aus Mai 2014, in der es heißt: ""Im Ergebnis erfolgte eine Verständigung auf die sogenannte Variante 4 Süd (...). Außerdem wird hier mit der Verknüpfung, die der Flächennutzungsplan nur symbolhaft darstellt, die Lage der Einbindung in das Stadtstraßennetz und das weitere Straßennetz vorgegeben. Der Anknüpfungspunkt für eine mögliche, den Flughafen querende Verbindung zwischen der A 281 und der A 1 verschiebt sich nach Süden und schließt an die Darstellungen im gültigen Flächennutzungsplan an."" An anderer Stelle heißt es: ""Die Südvariante bildet somit die Basis für im nachfolgenden Planfeststellungsverfahren zu leistende planerische und technische Konkretisierungen (z.B. ... Anschlüsse der B 6n)"" (Dokument ohne Seitenangaben, Hervorhebungen jeweils nicht im Original). 54 Die Änderungsplanung ist mit anderen Worten dahin auszulegen, dass sie eine bindende Darstellung des Trassenverlaufs der A 281 sowie eine bindende Darstellung der späteren B 6n als Flughafen-Untertunnelungsvariante enthält, zugleich aber zulässt, dass die Variantenentscheidung bezüglich der B 6n bei der Planung der A 281 noch offen bleibt. Daran hat der aktuelle Flächennutzungsplan festgehalten. 55 c) Unbeschadet dessen hält der Senat den mit Schreiben vom 5. November 2014 gegen die Festlegung der konkreten Trassierungslinie der künftigen B 6n ausdrücklich erklärten Widerspruch der Obersten Landesstraßenbaubehörde für wirksam. 56 Dem steht entgegen der Auffassung der Kläger nicht entgegen, dass die Darstellung der B 6n als Flughafen-Untertunnelungsvariante (einschließlich des Anschlusspunktes auf dem ehemaligen Hornbachgelände) schon in sämtlichen Fassungen des Flächennutzungsplans 1983 enthalten war, woraus die Kläger ableiten wollen, dass ein Widerspruch im Dezember 2014 nicht mehr zulässig gewesen sei. Denn der Widerspruch wurde im Zusammenhang mit der Neuaufstellung des Flächennutzungsplans für ganz Bremen erhoben. Diese Neuaufstellung erfolgte, um den Plan an die veränderten städtebaulichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Im Laufe der Zeit hatten sich ""aufgrund gesellschaftlicher und globaler Rahmenbedingungen, veränderter städtebaulicher Situationen, planerischer Erfordernisse und Ziele in nahezu allen Flächenkategorien Änderungsbedarfe und neue Anforderungen ergeben"" (vgl. Deputationsvorlage Nr. 18/(S) vom 20. November 2014 S. 1 sowie Begründung vom 4. Dezember 2014 S. 7 f.). Eine derartige Neuaufstellung wird nur in sehr großen Zeitabständen vorgenommen, in Bremen zuletzt in den Jahren 1967 und 1983 (ebd. S. 7). Da ihr regelmäßig - und so auch hier - eine völlig neue Abwägung zugrunde liegt, muss der Fachplanungsträger die Möglichkeit haben, Darstellungen auch dann zu widersprechen, wenn sie in derselben Weise auch schon in Vorgängerfassungen enthalten waren. Andernfalls würde eine Bindung über viele Jahrzehnte bestehen; auch käme es zu einem unübersichtlichen Durcheinander, weil man stets die Darstellungen in verschiedenen, unter Umständen lange zurückliegenden Fassungen vergleichen müsste (ähnlich Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB Kommentar, 14. Aufl. 2019, § 7 BauGB Rn. 24). 57 Soweit die Kläger gegen die Wirksamkeit des Widerspruchs anführen, auch die Deputation habe den Widerspruch für ""nicht hinreichend begründet gehalten"", missverstehen sie deren Stellungnahme. Die Deputation empfahl auf den Widerspruch, den Entwurf unverändert zu lassen, weil bereits in der 19. Änderung dargestellt sei, dass ""die dargestellte Variante nur der Ausgangspunkt für weitere Genehmigungsverfahren ist, in denen die genauere Konkretisierung erfolgt"". Sie ging folglich deshalb von einem unbegründeten Widerspruch aus, weil sie keinen Verstoß gegen das gesamträumliche Konzept des Flächennutzungsplans erkennen konnte (s. hierzu bereits oben unter a) bb)). 58 Schließlich kommt es nicht darauf an, dass der Widerspruch weder im Erläuterungsbericht noch im Planfeststellungsbeschluss erwähnt wurde. Denn bei der Bindung an den Flächennutzungsplan geht es nicht um eine Frage der fachplanerischen Abwägung bzw. der subjektiven Kenntnis der Planfeststellungsbehörde, sondern um eine Frage des objektiven Rechts. 59 2. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben ist gegeben. Sie folgt aus der gesetzlichen Bedarfsfeststellung. Diese ist für die Planfeststellung und das gerichtliche Verfahren verbindlich und schließt grundsätzlich die Nachprüfung aus, ob für die geplante Autobahn ein Verkehrsbedarf vorhanden ist (§ 1 Abs. 2 Satz 2 FStrAbG; stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - NVwZ 2020, 788 Rn. 47). 60 Das Vorhaben ist im aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als vierstreifiger Neubau mit der Dringlichkeitsstufe ""laufend und fest disponiert"" aufgeführt. Zu dieser Kategorie gehören auch ""Streckenabschnitte, die für die Netzwirkung unverzichtbar sind (im Wesentlichen Lückenschlüsse)"" (vgl. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes vom 5. September 2016, BT-Drs. 18/9523 S. 66; vgl. zur Planrechtfertigung für einen Lückenschluss bereits BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1985 - 4 C 59.82 - BVerwGE 72, 282 <288>). Um einen solchen handelt es sich hier: Im Westen schließt die Trasse an den fertiggestellten Bauabschnitt 2/1 und im Osten an den Autobahnzubringer Arsten an. 61 3. Die Abschnittsbildung ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte musste die Anschlüsse der bestehenden A 281 nach Süden (Brinkum) und Osten (Arsten) nicht zusammen oder gar mit Vorrang in Richtung Brinkum planen. Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei dem planfestgestellten Bau der A 281 und dem der B 6n um zwei Abschnitte eines einzigen Projekts, wie die Kläger meinen, oder um zwei verschiedene Projekte handelt, auf die die Grundsätze zur Abschnittsbildung möglicherweise gar nicht anwendbar sind, wovon die Beklagte wohl inzwischen ausgeht (a). Denn selbst bei Annahme eines einheitlichen Gesamtprojekts ist die Abschnittsbildung im Rahmen des der Behörde insoweit eröffneten Ermessens nicht zu beanstanden (b). 62 a) Die Kläger nehmen unter Hinweis auf die frühere Planung einer ""Eckverbindung"" zwischen der nordöstlich verlaufenden A 27 und der südlich verlaufenden A 1 mit der Bundesstraße B 6n (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - 9 A 13.09 - juris Rn. 3, insoweit in BVerwGE 138, 226 nicht abgedruckt), sowie unter Hinweis auf das besondere Abhängigkeitsverhältnis der beiden Verkehrswege voneinander an, dass es sich beim Bau der B 6n (weiterhin) um einen Abschnitt des Gesamtprojekts ""Eckverbindung"" handelt. Auch der Planfeststellungsbeschluss geht von den Grundsätzen der Abschnittsbildung aus (vgl. etwa S. 37, 45 und 189). Demgegenüber betont die Beklagte inzwischen die Selbständigkeit der beiden Projekte, die sich aus dem aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ergebe, und stellt die Anwendbarkeit der Voraussetzungen der Abschnittsbildung in Frage. Im Bedarfsplan, der dem Fernstraßenausbaugesetz in der Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3354) - FStrAbG - als Anlage beigefügt ist (§ 1 Abs. 1 Satz 2 FStrAbG), wird die A 281 unter der laufenden Nr. 498 mit der Bezeichnung von Kattenturm bis AS Bremen/Airport-Stadt als vierstreifiger Neubau mit der Dringlichkeitsstufe ""laufend und fest disponiert"" und daneben als weiteres Projekt die B 6n unter der laufenden Nr. 499 mit der Bezeichnung von A 281 bis Bremen/Brinkum mit der Dringlichkeitsstufe ""Vordringlicher Bedarf"", ebenfalls als vierstreifiges Neubauprojekt, aufgeführt. 63 b) Die Frage, ob hier zwei Abschnitte eines Gesamtprojekts oder aber zwei selbständige Projekte vorliegen, kann indes offen bleiben. Denn selbst wenn man von einer Abschnittsbildung innerhalb eines einheitlichen Projekts ausgeht, liegen deren Voraussetzungen vor. 64 Die Zulässigkeit einer planungsrechtlichen Abschnittsbildung ist grundsätzlich anerkannt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass ein planerisches Gesamtkonzept angesichts vielfältiger Schwierigkeiten, die mit einer detaillierten Streckenplanung verbunden sind, häufig nur in Teilabschnitten verwirklicht werden kann. Die Planfeststellungsbehörde verfügt dabei über ein planerisches Ermessen, in das sie unter anderem Gesichtspunkte einer zweckmäßigen Verfahrensgestaltung einbeziehen kann. Dieses Ermessen wird allerdings durch das materielle Planungsrecht, insbesondere die Ziele des jeweiligen Fachplanungsgesetzes und das Abwägungsgebot, begrenzt. Insbesondere kann eine Teilplanung nicht so weit verselbständigt werden, dass durch die Gesamtplanung geschaffene Probleme unbewältigt bleiben. Auch muss zwischen den Vorteilen, die in der alsbaldigen Verwirklichung eines Teilbereichs liegen, und eventuell damit verbundenen Nachteilen wie etwa höheren Kosten oder der Durchführung von sich später als überflüssig herausstellenden Baumaßnahmen, eine sachgerechte Abwägung getroffen werden (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 11. Oktober 2017 - 9 A 14.16 - BVerwGE 160, 78 Rn. 164 und vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 17 m.w.N.). 65 Dies zugrunde gelegt, ist die Abschnittsbildung hier nicht zu beanstanden. Die Beklagte durfte - wie geschehen - von einer Mitplanung der B 6n vor allem aus Zeitgründen Abstand nehmen und sich stattdessen für ein Offenhalten der späteren Anschlussmöglichkeiten der B 6n entscheiden (aa); darin liegt weder eine unzulässige Vorfestlegung zulasten der Kläger noch eine unzulässige Konfliktverlagerung (bb). 66 aa) Die Beklagte hat erkannt, dass sie seit der 2016 erfolgten Hochstufung der B 6n in den vordringlichen Bedarf (s. oben) eine gemeinsame Planung für beide Verkehrswege hätte vornehmen können. Dies hat sie aber mit der Begründung verworfen, eine Neuplanung sei ohne zusätzlichen großen Zeitaufwand nicht möglich. So gebe es nicht nur den - oben bereits im Zusammenhang mit der Flächennutzungsplanung erwähnten - Dissens zwischen Bremen und dem Bundesverkehrsministerium in Bezug auf die Untertunnelung oder Umfahrung des Flughafens, der auch in verschiedenen Beschlüssen der Bürgerschaft sowie im Flächennutzungsplan zum Ausdruck gekommen sei. Vielmehr handele es sich bei der B 6n auch um ein länderübergreifendes Vorhaben, bei dem noch Abstimmungsbedarf mit Niedersachsen bzw. mit den konkret betroffenen Gemeinden bestehe. Die noch fehlende Linienbestimmung gestalte sich wegen unterschiedlicher Vorstellungen über den Trassenverlauf schwierig; selbst die Frage, ob eine Linienbestimmung wirklich erforderlich sei, sei mit Blick auf § 16 Abs. 1 Satz 2 und 3 FStrG (kein Erfordernis einer Linienbestimmung für den Neubau von Ortsumgehungen) noch nicht abschließend geklärt. Die Anschlussstelle Brinkum sei zudem nicht ausreichend leistungsfähig; eine neue müsse in der Örtlichkeit bestimmt und vom Bundesverkehrsministerium genehmigt werden. Aus alldem folge, dass eine Neuplanung unter Einschluss der B 6n zu einer Verzögerung von etwa fünf bis sechs Jahren führen würde; angesichts begrenzter personeller Kapazitäten sei eine schnellere Planung nicht möglich. 67 Diese nachvollziehbare Begründung lässt keine Fehler bei der Ausübung des planerischen Ermessens erkennen. Zwar weisen die Kläger zutreffend darauf hin, dass der ""Übergabepunkt"" zwischen Bremen und Niedersachsen bereits vereinbart wurde. Auch mag es weitere Klärungen, etwa in Bezug auf die prinzipielle Verlegung der Anschlussstelle Brinkum nach Westen oder hinsichtlich der Flächennutzungsplanung in Niedersachsen geben. Das ändert aber nichts daran, dass hinsichtlich der konkreten Trassenführung der B 6n sowie der genauen Ausgestaltung der Anschlussstelle noch erheblicher - zeitintensiver - Abstimmungsbedarf besteht. 68 bb) Der Planfeststellungsbeschluss geht des Weiteren davon aus, dass die gewählte Lösung - Offenhalten beider in Betracht kommenden Anschlussmöglichkeiten - zu keinen Vorfestlegungen und zu keinen unüberwindlichen Hindernissen im Folgeabschnitt der B 6n führen wird (S. 45). 69 Auch insoweit vermag der Senat keinen Rechtsfehler festzustellen. Die Beklagte hat stets betont, dass mit dem Offenhalten der Anschlussmöglichkeiten noch keine Vorfestlegung auf eine bestimmte Anschlussvariante verbunden sei. Sowohl die im Bedarfsplan dargestellte Flughafen-Umfahrungsvariante als auch die Flughafen-Untertunnelungsvariante (Bremische Vorzugsvariante) könnten technisch und richtlinienkonform an den Bauabschnitt 2/2 angeschlossen werden. Eine verfeinerte Planung mit weiteren Untervarianten (sowohl in Bezug auf die Lage als auch höhenmäßig) erfolge erst im Planungsprozess der B 6n (Planfeststellungsbeschluss S. 44). Daran ist sie festzuhalten. Damit übereinstimmend hat sie in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Kläger aus den beiden vorgelegten Plänen zu etwaigen Anschlussmöglichkeiten der B 6n nicht ableiten könnten, dass sie im Falle einer Untertunnelungsvariante erneut für die Anlegung eines Anschlussohres in Anspruch genommen würden. Vielmehr stehe - im Gegenteil - bereits jetzt fest, dass dies nicht erforderlich sein werde, da die benachbarte Fläche durch die öffentliche Hand erworben worden sei. Auch daran ist die Planfeststellungsbehörde später gebunden. 70 Die Kläger haben gegen die Planung zudem eingewandt, das Trogbauwerk sei verlängert worden, um die Umfahrungsvariante offenzuhalten. Dies wiederum führe zu einer erhöhten, für die Verwirklichung des Bauabschnitts 2/2 nicht erforderlichen Inanspruchnahme ihres Grundstücks, weil ohne diese Verlängerung sowohl die Einfädelungsspuren als auch die Nothaltebuchten nach Osten hätten verlegt werden können. Diese Annahme, die im Widerspruch zum Planfeststellungsbeschluss stünde, der jegliche Vorfestlegung auf eine der beiden Trassenvarianten der B 6n verneint, hat sich nicht bestätigt. Zwar sollte das Trogbauwerk tatsächlich zunächst von 190 m auf 270 m verlängert werden, um einen Anschluss der B 6n als Flughafenumfahrung in diesem Bereich nicht auszuschließen. Das ergibt sich aus den schriftlich vorliegenden Antworten auf die Fragen zur Sondersitzung des Runden Tisches am 16. Juli 2012 (vgl. Anlage K 26, Antwort zu Frage Nr. 3.) und wird im Übrigen auch von der Beklagten nicht bestritten. Zur Überzeugung des Senats steht aber fest, dass die spätere Festlegung der Troglänge letztlich völlig unabhängig von einer künftigen B 6n erfolgte. Die endgültige, planfestgestellte Länge war vielmehr im Hinblick auf den (hohen) Grundwasserstand und eine den RAA (Richtlinie für die Anlage von Autobahnen) entsprechende Gradientenneigung erforderlich. Dies hat der Entwurfsplaner, Prof. R., in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärt und im Einzelnen nachvollziehbar anhand eines Schaubildes erläutert. Der Senat hat keinen Zweifel an der Richtigkeit dieser Ausführungen; sie werden zudem durch die Tischvorlage für die Sitzung des Bremischen Senats am 26. November 2013 zur ""Steigerung der Baukosten der Variante 4 Süd"" (von den Klägern als Anlage K 34 überreicht) untermauert, in der ebenfalls von ""konstruktiv bedingten Änderungen"", wie ""Anpassung des Tunnel- und Trogbauwerks an die Grundwasserstände"" und einer damit verbundenen ""deutliche(n) Verlängerung des Trogbauwerks"" die Rede ist. 71 Nach den Ausführungen von Prof. R. beruhten die anfänglichen Planungen im Jahr 2012 zunächst auf bloßen Konzeptplanungen; erst später erkannte man aufgrund der bereits vorliegenden und danach wiederholt aktualisierten Baugrundgutachten, dass der Straßenaufbau vollständig oberhalb des hoch anstehenden Grundwassers vorgesehen werden musste. Es galt, einen Abstand von mindestens 1,5 m unter Fahrbahnoberkante grundwasserfrei zu halten (vgl. Institut für Geotechnik, 12. Bericht: Baugrundbeurteilung und Gründungsberatung für die Strecke vom 30. September 2010, S. 59; von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überreicht). Nachdem feststand, dass das komplette Tunnelbauwerk (BW 710) sowie die ersten beiden östlichen Trogsegmente abgerissen und neugebaut werden mussten, konnte man mittels einer leichten Achsverlagerung des Tunneltrogbauwerks die Kurvenradien strecken und damit hinsichtlich der Haltesichtweiten verkehrssicherer machen (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 49). Die getroffenen Maßnahmen - einschließlich der Tieferlegung - waren erforderlich, weil man auf diese Weise den verschiedenen Belangen (Berücksichtigung der Höhenbeschränkung durch An- und Abflugtrichter der Start- und Landebahn, Grundwasserstand, optimale Gestaltung des Knotenpunktes Kattenturmer Heerstraße, Einhaltung der Trassierungsparameter nach dem Regelwerk der RAA) Rechnung tragen konnte. 72 Dies zugrunde gelegt, war der von den Klägern gestellte Antrag, zum Beweis der Tatsache, dass die Verlängerung des Troges auf einer planerischen Tieferlegung der Autobahn beruht, der Beklagten aufzugeben, die Lagepläne und Höhenpläne der Autobahn von dem Zeitpunkt an vorzulegen, als die Troglänge mit 190 m angegeben war, abzulehnen, weil es auf die Beweistatsache nach dem Vorstehenden nicht ankommt. Die Beklagte bestreitet nicht, dass es anfänglich andere Pläne zu einem kürzeren Trogbauwerk gegeben hat und dass man sich später planerisch zur Tieferlegung der Autobahn entschlossen hat. Entscheidungserheblich kommt es nur auf die Beweggründe an, die zur Tieferlegung bzw. Verlängerung des Troges geführt haben. Hierfür bedarf es nicht der Vorlage etwaiger alter Lage- und Höhenpläne. 73 Unüberwindliche Hindernisse sind im Folgeabschnitt der B 6n nicht zu befürchten. Zwar liegt auf der Hand, dass bei der späteren Planung - je nach Trassenverlauf der B 6n in unterschiedlichem Maße - neben Grundstücksbetroffenheiten vor allem Lärm- und Flughafenbelange abgewogen werden müssen. Die hiermit verbundenen Konflikte lassen sich aber - etwa durch eine Voll- oder Teiluntertunnelung bzw. durch andere Lärmschutzmaßnahmen - bewältigen. 74 4. Auch die Variantenprüfung weist keine Fehler auf. 75 Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials müssen einerseits alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingestellt werden. Eine Planfeststellungsbehörde handelt andererseits nicht schon dann abwägungsfehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Alternative ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Vielmehr sind die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit erst dann überschritten, wenn sich eine andere als die gewählte Lösung unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere, hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planfeststellungsbehörde in Folge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist. Die Planfeststellungsbehörde ist dabei nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offenzuhalten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen oder von dritter Seite vorgeschlagenen Alternativen gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Sie braucht den Sachverhalt nur so weit zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist; Alternativen, die ihr aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheinen, darf sie schon in einem frühen Verfahrensstadium ausscheiden. Ergibt sich dagegen nicht bereits bei einer Grobanalyse des Abwägungsmaterials die Vorzugswürdigkeit einer Trasse, so muss die Behörde die dann noch ernsthaft in Betracht kommenden Trassenalternativen im weiteren Planungsverfahren detaillierter untersuchen und vergleichen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteile vom 22. November 2016 - 9 A 25.15 - Buchholz 406.403 § 15 BNatSchG 2010 Nr. 6 Rn. 39, 42 m.w.N. und vom 11. Juli 2019 - 9 A 14.18 - NVwZ 2020, 719 Rn. 78). 76 Dies zugrunde gelegt, ist die Variantenprüfung nicht abwägungsfehlerhaft. Die Variante 8 durfte ebenso wie die Nullvariante bzw. die Null-Plus-Variante bereits im Wege der Grobprüfung verworfen werden (a und b), einer Nordvariante stand schon der Flächennutzungsplan entgegen (c); der Planfeststellungsbehörde ist auch bei der Ermittlung und Bewertung einzelner Belange kein rechtserheblicher Fehler unterlaufen (d). 77 a) Die Variante 8, die die Kläger für vorzugswürdig halten, durfte bereits im Rahmen einer Grobanalyse ausgeschieden werden, obwohl sie auf der gesamten Strecke abseits von Wohn- und Siedlungsräumen verliefe und in der Bewertung des Runden Tisches bei Betrachtung der städtebaulichen, verkehrlichen und umweltbezogenen Auswirkungen geringfügig besser als die übrigen Varianten bewertet wurde. Denn sie stellt ein anderes Projekt dar. 78 Wie oben bereits ausgeführt wurde, sieht der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen einen vierstreifigen Ausbau der A 281 zwischen Kattenturm und der Anschlussstelle Bremen/Airport-Stadt vor und dient damit der Realisierung dieses letzten Teilstücks des Autobahnrings um Bremen. Zwar erfolgt nach der Vorbemerkung zum Bedarfsplan durch die Bezeichnung der Projekte keine Festlegung auf eine bestimmte Realisierungsvariante. Der Bedarfsplan konkretisiert aber die Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG, indem er ein bestimmtes, wenn auch grobmaschiges zusammenhängendes Verkehrsnetz für einen weiträumigen Verkehr darstellt, das dem prognostizierten Bedarf gerecht wird. Demgemäß gehört die Netzverknüpfung zum Regelungsgehalt des Bedarfsplans; von der Bindungswirkung erfasst sind außerdem die als Bauziel angegebenen Anzahlen der Spuren, die die dem festgestellten Bedarf entsprechende Kapazität der Trasse konkretisieren (BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - BVerwGE 149, 31 Rn. 32). 79 Dies zugrunde gelegt scheidet die Variante 8, die die A 281 nur bis zum Knoten Hornbach fortsetzt, über den eine Verknüpfung mit der Neuenlander Straße erfolgt, und von dort als B 6n bis zur Anschlussstelle Brinkum der A 1 verläuft, von vornherein als Alternative aus, weil sie die beschriebene Netzverknüpfung (Lückenschluss) nicht gewährleisten kann. Auf die im Erörterungstermin sowie in der mündlichen Verhandlung diskutierten verkehrlichen Auswirkungen der Variante 8 kommt es damit nicht an. 80 b) Auch die Nullvariante bzw. die Null-Plus-Variante durften verworfen werden. 81 Die Aufnahme in den Bedarfsplan steht der Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde nicht entgegen, bei ihrer Abwägung der Belange Eingriffe in die Rechte Dritter nach Möglichkeit zu vermeiden und in diesem Rahmen alternative Planungen auf ihre jeweilige Eingriffsintensität bei gleicher planerischer Zielsetzung zu prüfen und gegebenenfalls auch offen zu sein für eine Nullvariante (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 - 9 A 14.09 - juris Rn. 59 und vom 3. Mai 2013 - 9 A 16.12 - BVerwGE 146, 254 Rn. 20). 82 Die Nullvariante ist aber von vornherein deutlich weniger geeignet, zu einem leistungsfähigen Fernverkehrsanschluss der Häfen, des Güterverkehrszentrums und des Flughafens sowie zu einer leistungsfähigen Eckverbindung zwischen der A 27 und der A 1 beizutragen. Auch die Null-Plus-Variante mit einem vierstreifigen Ausbau der Rampe am östlichen Ende des Bauabschnitts 2/1 drängt sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange nicht eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere Variante auf (vgl. zu beiden Varianten Planfeststellungsbeschluss S. 48 f. und 132 f.). Denn der gesamte Verkehr von rd. 50 000 Kfz/24 h flösse weiterhin auf der Neuenlander Straße. Die angestrebte Trennung des lokalen Verkehrs vom Durchgangs- und Schwerverkehr fände ebenso wenig statt wie eine Verbesserung der Verkehrssicherheit. So existierten weiterhin Einmündungen wie etwa die Zufahrt vom Grundstück der Kläger zu 1 bis 3 oder der Märchenlandweg. Schließlich bliebe es bei der aus der Verkehrsstärke und dem hohen Schwerverkehrsanteil resultierenden Lärmbelastung nicht nur der Grundstücke der Kläger W., der früheren Kläger P. (9 A 13.09 ) sowie der Kleingärten, sondern auch des Wohngebietes des Valckenburghquartiers, das im Nordosten des Bauabschnitts an die Neuenlander Straße angrenzt. Eine Umwidmung in eine Autobahn ist nicht möglich, da die Mindestanforderungen nicht erfüllt werden; die dafür erforderlichen Umbaumaßnahmen wurden - nachvollziehbar - wegen erheblicher Eingriffe in angrenzende Privatgrundstücke verworfen. 83 c) Einem Verlauf der A 281 auf der Neuenlander Straße oder nördlich davon (Nordvariante) steht seit 2014 der geänderte Flächennutzungsplan entgegen (s. oben). 84 d) Der Planfeststellungsbehörde ist im Rahmen der Variantenprüfung weder bei der Ermittlung und Bewertung der Lärmbelange (aa) noch beim Fledermausschutz (bb) ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen. 85 aa) Die Kläger beanstanden zu Unrecht, der Planfeststellungsbeschluss habe den Antrag, die Gesamtlärmbelastung verschiedener Varianten darzustellen und sie bei der Variantenprüfung zu berücksichtigen, abwägungsfehlerhaft abgelehnt. 86 Der Lärmschutz stellte bei der Untersuchung der verschiedenen Varianten nur einen Aspekt unter mehreren dar. Daneben ging es um die verkehrliche Wirkung, den Erhalt von Grundstücken, finanzielle und zeitliche Auswirkungen, die Verzahnung mit der B 6n sowie um städtebauliche Belange (teilweiser Erhalt der Allee an der Neuenlander Straße; Wegfall der Querspange). Die Null- bzw. Null-Plus-Variante sowie die Variante 8 durften - wie ausgeführt - schon im Wege der Grobprüfung vorab ausgeschieden werden; von daher musste für diese Varianten keine Gesamtlärmbetrachtung angestellt werden (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 295). Im Übrigen liegt es auf der Hand, dass diese Varianten auch unter dem Gesichtspunkt der Gesamtlärmbelastung nicht vorzugswürdig wären. Denn die für die planfestgestellte Trasse durchgeführte Gesamtlärmuntersuchung hat ergeben, dass die Lärmbelastung der Einwohner im Mittel deutlich abnimmt. In den Wohngebieten an der Neuenlander Straße betragen die Pegelminderungen 8 bis 10 dB(A). Dem stehen nur wenige Gebäude gegenüber, bei denen nach Inbetriebnahme des Bauabschnitts 2/2 Gesamtlärmpegel von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts erreicht werden (Planfeststellungsbeschluss S. 106). Eine derartige Gesamtpegelminderung könnten auf der Neuenlander Straße verlaufende Varianten kaum erreichen. 87 bb) Schließlich ziehen die Kläger die Variantenprüfung mit der Begründung in Zweifel, die Erkenntnisse zum signifikant erhöhten Kollisionsrisiko für die Teichfledermaus seien in den dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Alternativenprüfungen nicht berücksichtigt worden, weil die Auswahl der Trasse erfolgt sei, bevor die Erkenntnisse aus dem Artenschutzbeitrag aus den Jahren 2014 und 2015 vorgelegen hätten. Auch dies überzeugt nicht. Die Beklagte hat sich im Planfeststellungsbeschluss im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Ausnahme vom artenschutzrechtlichen Tötungsverbot gerade unter artenschutzrechtlichen Aspekten erneut mit der Trassenwahl befasst und in Kenntnis der neuen Ergebnisse zur Teichfledermaus daran festgehalten. Dies genügt für eine abwägungsfehlerfreie Variantenwahl. 88 5. Die Kläger beanstanden zu Unrecht die Erteilung einer artenschutzrechtlichen Ausnahme für die Teichfledermaus. 89 Der Planfeststellungsbeschluss geht davon aus, dass für Teichfledermäuse, für die in Trassennähe ein Wochenquartier mit 18 Individuen vorhanden ist und für die Flugaktivitäten im künftigen Trassenbereich festgestellt worden sind, ein signifikantes Kollisions- und Tötungsrisiko besteht, und erteilt deshalb eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG (Planfeststellungsbeschluss S. 2 f. und 307 ff.). 90 Nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG kann die zuständige Behörde im Einzelfall eine Ausnahme vom Tötungsverbot aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art zulassen. Die Ausnahme darf nach § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert. Beide Voraussetzungen wurden von der Planfeststellungsbehörde fehlerfrei angenommen. Als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses wird auf die wesentliche Verbesserung der Verkehrssicherheit und die Verringerung der Immissionen von Lärm und Abgasen im Bereich der Wohnbebauung und der Kleingärten abgestellt (Planfeststellungsbeschluss S. 308 sowie Artenschutzbeitrag S. 24 ff.); das ist nicht zu beanstanden. Auch zumutbare Alternativen im Sinne von § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG sind nicht gegeben. Ein Vorhabenträger braucht sich auf eine Alternativlösung nicht verweisen zu lassen, wenn sich die artenschutzrechtlichen Schutzvorschriften am Alternativstandort als ebenso wirksame Zulassungssperre erweisen wie an dem von ihm gewählten Standort. Außerdem darf eine Alternativlösung auch verworfen werden, wenn sie sich aus naturschutzexternen Gründen als unverhältnismäßiges Mittel erweist (BVerwG, Urteil vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 120). So liegt der Fall hier. Andere Trassenalternativen durfte die Beklagte schon deshalb verwerfen, weil damit keine grundsätzlich bessere Lösung des unvermeidbaren Konflikts verbunden wäre. Denn das festgestellte Quartier der Fledermäuse befindet sich nördlich des Bauabschnitts 2/2 in Wesernähe. Teichfledermäuse aus diesem Quartier müssen, wenn sie sich - wie nachgewiesen - im vorgesehenen Trassenbereich aufhalten, zwangsläufig auch die nördlich gelegene Neuenlander Straße queren. Sie wären also bei Wahl der von den Klägern vorgeschlagenen Alternativen (Nord- oder Nullvarianten ohne oder in Kombination mit einer B 6n als Flughafenunterquerung) ebenfalls einem Kollisionsrisiko ausgesetzt. Eine zusätzliche Tieferlegung des betreffenden Bereichs durfte die Beklagte wegen der damit verbundenen extrem hohen und damit unzumutbaren Kosten in Höhe von über 30 Mio. € ablehnen. 91 B. Die Klage der Klägerin zu 4 ist ebenfalls zulässig, aber unbegründet. 92 Die Klägerin zu 4 kann als Lärmbetroffene nur die Verletzung gerade sie schützender Normen des materiellen und des Verfahrensrechts sowie eine nicht ordnungsgemäße Abwägung ihrer geschützten Privatbelange rügen, nicht aber eine insgesamt fehlerfreie Abwägung und Planung verlangen. Die Rügebefugnis umfasst wegen der insoweit bestehenden Wechselbeziehung auch eine Überprüfung der den Privatbelangen gegenübergestellten, für das Vorhaben streitenden öffentlichen Belange, insbesondere die Planrechtfertigung. Ob allerdings andere gegen das Vorhaben sprechende Belange ordnungsgemäß berücksichtigt worden sind, können mittelbar Betroffene ebenso wenig geltend machen wie die Frage, ob Rechtsnormen beachtet wurden, die nicht ihrem Schutz zu dienen bestimmt sind (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 2015 - 9 B 1.15 - juris Rn. 5 m.w.N.). 93 Die Lärmbelange der Klägerin zu 4 wurden ordnungsgemäß abgewogen. Sie wird durch eine erhebliche vorhabenbedingte Verkehrs- und Lärmzunahme im nachgeordneten Straßennetz betroffen. Denn das Vorhaben führt für ihr Wohnhaus durch die Überlagerung von Straßen-, Schienen- und Flugverkehrslärm zu einer noch weiteren Erhöhung der schon jetzt dem grundrechtsrelevanten Bereich zuzurechnenden Lärmwerte von über 70 dB(A) am Tag und 60 dB(A) in der Nacht (vgl. zur Herleitung der grundrechtsrelevanten Werte BVerwG, Hinweisbeschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1426 = juris Rn. 86 f.). Dem begegnet der Planfeststellungsbeschluss abwägungsfehlerfrei mit der Zuerkennung von passivem Schallschutz dem Grunde nach. 94 Der Planfeststellungsbeschluss enthält die Auflage, dass die Gesamtlärmbetrachtung auf Grundlage der Daten der für das Jahr 2030 fortgeschriebenen Verkehrsprognose zu aktualisieren ist (S. 22). Diese aktualisierte Gesamtlärmuntersuchung liegt inzwischen vor. Danach haben sich für die Klägerin zu 4 im Vergleich zu den errechneten Werten nur geringfügige Veränderungen im Nachkommabereich sowohl nach unten als auch nach oben ergeben (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 18. Juni 2020). 95 Soweit die Klägerin zu 4 eine optimierte Nullvariante oder eine Nordvariante in Verbindung mit einer Flughafenunterquerung der B 6n, etwa als Variante 8, begehrt, die sie in Bezug auf ihre Lärmbelastung jeweils für wesentlich günstiger hält, kann auf die obigen Ausführungen zur Variantenprüfung verwiesen werden. 96 C. Die Klage der Klägerin zu 5 ist mangels Klagebefugnis unzulässig. 97 Die Klägerin zu 5 wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss zur A 281, weil sie darin eine Vorfestlegung in technischer, planerischer und finanzieller Hinsicht für den künftigen Verlauf der B 6n sieht. Der Planfeststellungsbeschluss halte den späteren Verlauf - entgegen seiner Aussage - nicht offen, sondern lege sich bereits auf die Flughafenumfahrung fest. Werde später diese Variante realisiert, sei zu erwarten, dass die Trasse über ihr Grundstück geführt werde, jedenfalls werde sie aber durch unzulässig hohen Lärm belastet. Damit ist eine Klagebefugnis nicht dargetan. 98 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich ein Eigentümer gegen eine heranrückende, sein Grundstück noch nicht unmittelbar betreffende Planung zur Wehr setzen, wenn ein Zwangspunkt geschaffen wird, der im weiteren Planungsverlauf zwangsläufig zu seiner Betroffenheit führt. Dadurch soll der künftig notwendig Rechtsbetroffene zur Sicherung seines effektiven Rechtsschutzes vor der Schaffung vollendeter Tatsachen bewahrt werden. Eine solche vorbeugende Klagemöglichkeit ist auch demjenigen eröffnet, der geltend machen kann, es hätte eine andere Trasse gewählt werden müssen, weil sein im Folgeabschnitt liegendes und nicht durch das Vorhaben selbst in Anspruch genommenes Grundstück jedenfalls unvermeidbar und in rechtswidriger Weise durch von der Straße ausgehende Verkehrsimmissionen belastet werde (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteile vom 25. Januar 2012 - 9 A 6.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 34 Rn. 21 und vom 11. Oktober 2017 - 9 A 14.16 - BVerwGE 160, 78 Rn. 150). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Der Kreis der klagebefugten Kläger wäre sonst uferlos weit. 99 Die genannten Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Zum jetzigen Zeitpunkt steht weder eine unvermeidbare Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks noch eine unvermeidbare Immissionsbelastung fest. Der künftige Verlauf einer B 6n ist nicht Gegenstand des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses. Dieser geht vielmehr ausdrücklich davon aus, dass sowohl die Flughafen-Umfahrungsvariante als auch die Flughafen-Untertunnelungsvariante an den Bauabschnitt 2/2 angeschlossen werden könnten; es werde keine Variante ""verbaut"". An dieser ausdrücklichen Festlegung muss sich die Beklagte bei der späteren Variantenplanung zur B 6n festhalten lassen. Sie darf insbesondere nicht geltend machen, die Umfahrungsvariante sei finanziell deshalb günstiger, weil beim Bau der A 281 bereits technische oder planerische Vorfestlegungen erfolgt seien; insbesondere kann sie sich nicht auf bereits getätigte Investitionen in Höhe von 3,8 Mio. € für einen längeren Trog berufen. Denn hierzu hat sie in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärt, dass der Trog völlig unabhängig von einer künftigen B 6n die Länge aufweisen müsse wie geplant (s. dazu oben). 100 Bei dieser Ausgangslage besteht keine Notwendigkeit, der Klägerin zu 5 vorbeugenden Rechtsschutz schon gegen die Planung der A 281 zu gewähren. Sie kann ihre Rechte in vollem Umfang dann geltend machen, wenn später tatsächlich eine Flughafen-Umfahrungsvariante realisiert werden sollte. 101 Auch auf eine schon durch das Vorhaben der A 281 hervorgerufene Lärmerhöhung kann die Klägerin zu 5 ihre Klagebefugnis nicht stützen. Zwar ist auch der Belang, von vorhabenbezogenem Verkehrslärm unterhalb der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV verschont zu bleiben, abwägungserheblich. Dann muss er aber die Schwelle der Geringfügigkeit überschreiten (BVerwG, Beschlüsse vom 31. Januar 2011 - 7 B 55.10 - Buchholz 445.4 § 68 WHG Nr. 1 Rn. 6 und vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1426 = juris Rn. 83). Dies ist bei der hier prognostizierten vorhabenbedingten Erhöhung des Beurteilungspegels um bis zu 0,2 dB(A) am Tag und bis zu 0,4 dB(A) in der Nacht nicht der Fall. 102 D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2020-42,08.07.2020,"Pressemitteilung Nr. 42/2020 vom 08.07.2020 EN Die Beseitigung von abgelagertem Klärschlamm unterfällt dem Abfallrecht Nicht deponiefähiger Klärschlamm unterliegt den allgemeinen Vorschriften des Abfallrechts. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin ist der Wasserverband für das oberirdische Einzugsgebiet der Emscher. Von 1965 bis 1999 betrieb sie auf dem Gebiet der beklagten Stadt Duisburg eine Kläranlage; bis 1984 leitete sie das schlammhaltige Abwasser zum Zwecke der Entwässerung auf sogenannte Schlammplätze. Im März 2011 ordnete die Beklagte an, den in den Schlammplätzen unter einer Bodenschicht als pastöse Masse gelagerten Klärschlamm auszuheben und einer ordnungsgemäßen Entsorgung in einer Abfallentsorgungsanlage zuzuführen. Die Klage vor dem Verwaltungsgericht blieb ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht wies die Berufung zurück. Die Ordnungsverfügung habe ihre Rechtsgrundlage im Abfallrecht. Der Klärschlamm sei nicht mehr Gegenstand der Abwasserbeseitigung. Die Ablagerung des Klärschlamms verstoße gegen die Pflicht der Klägerin, Abfälle ordnungsgemäß und schadlos zu verwerten oder sie gemeinwohlverträglich zu beseitigen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Wasserrechtliche Bestimmungen sind auf den Klärschlamm nicht mehr anzuwenden, weil die Kläranlage stillgelegt worden war. Als bewegliche Sache, die nicht mit dem umgebenden Erdreich verwachsen ist, unterliegt er dem Abfallrecht. Da der Klärschlamm nicht deponiefähig ist, sind die Vorschriften über die Stilllegung einer Deponie und das Bodenschutzrecht nicht einschlägig. Die abfallrechtliche Beseitigungsverfügung ist nicht zu beanstanden. BVerwG 7 C 19.18 - Urteil vom 08. Juli 2020 Vorinstanzen: OVG Münster, 20 A 601/14 - Urteil vom 13. September 2017 - VG Düsseldorf, 17 K 2868/11 - Urteil vom 24. Januar 2014 -","Urteil vom 08.07.2020 - BVerwG 7 C 19.18ECLI:DE:BVerwG:2020:080720U7C19.18.0 EN Leitsätze: 1. Für in Abwasseranlagen eingeleitete Stoffe wird das Abfallrecht wieder anwendbar, wenn die Abwasserbeseitigung abgeschlossen ist. Hierzu bedarf es keiner räumlich-örtlichen Entfernung des Stoffs aus der Abwasserbeseitigungsanlage. 2. Die Anwendung des § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG setzt voraus, dass Abfälle im Sinne der Deponieverordnung deponiefähig sind. 3. Bei der Beurteilung der Frage, ob Klärschlämme einen wesentlichen Bestandteil eines Grundstücks im Sinne der §§ 93 f. BGB bilden, ist eine abfallrechtliche Verkehrsanschauung maßgeblich. Rechtsquellen KrW-/AbfG § 2 Abs. 2 Nr. 6, § 3 Abs. 1 Satz 1, §§ 21, 27 Abs. 1 und 2, § 36 Abs. 1 und 2 BBodSchG § 13 Abs. 5 BGB §§ 93, 94, 133, 157 KrWG § 2 Abs. 2 Nr. 10 Instanzenzug VG Düsseldorf - 24.01.2014 - AZ: VG 17 K 2868/11 OVG Münster - 13.09.2017 - AZ: OVG 20 A 601/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 08.07.2020 - 7 C 19.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:080720U7C19.18.0] Urteil BVerwG 7 C 19.18 VG Düsseldorf - 24.01.2014 - AZ: VG 17 K 2868/11 OVG Münster - 13.09.2017 - AZ: OVG 20 A 601/14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 2020 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Schemmer, Dr. Günther und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. September 2017 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin wendet sich gegen eine abfallrechtliche Verfügung zur Entsorgung von Klärschlamm. 2 Sie ist ein Wasserverband für das oberirdische Einzugsgebiet der Emscher. Zu ihren Aufgaben gehört die Abwasserbeseitigung. Seit dem Jahr 1965 betrieb die Klägerin die Kläranlage D. Zur Austrocknung des Klärschlamms legte sie auf dem Gelände der Kläranlage sechs genehmigte Schlammplätze an. 3 1984 nahm die Klägerin eine ministeriell genehmigte Schlammdruckrohrleitung in Betrieb; der in der Kläranlage anfallende Klärschlamm wurde seitdem nicht mehr auf die Schlammplätze geleitet. Ende Juni 1999 legte die Klägerin die Kläranlage still. Daraufhin hob die Bezirksregierung Düsseldorf die für die Einleitung des in der Kläranlage gereinigten Abwassers in die K. erteilte wasserrechtliche Erlaubnis auf. Die Schlammplätze blieben in der Folgezeit im Wesentlichen unverändert. Im Oktober 2006 stellte die Klägerin der Beklagten ein Projekt zur Sanierung der Schlammplätze vor. Aus dem Klärschlamm der Schlammplätze 1, 2 und 6 soll danach im Bereich der Schlammplätze 3, 4 und 5 mit dem dort vorhandenen Klärschlamm ein Landschaftsbauwerk mit Oberflächenabdichtung errichtet werden. 4 Die Beklagte stufte den Klärschlamm in den Schlammplätzen 2 bis 6 als Abfall ein, der von der Klägerin grundsätzlich zu beseitigen sei, und hielt das Bodenschutzrecht bezogen auf den Schlammplatz 1 für anwendbar. 5 Mit Bescheid vom 29. März 2011 ordnete die Beklagte an, den in den Schlammplätzen 2 bis 6 gelagerten Klärschlamm bis zur Sohle auszuheben und einer ordnungsgemäßen Entsorgung in einer dafür zugelassenen Abfallentsorgungsanlage zuzuführen. Hiergegen erhob die Klägerin Klage. 6 Im März 2013 beantragte die Klägerin die Zulassung der Errichtung des Landschaftsbauwerks. Die Beklagte beschied diesen Antrag nicht. Daraufhin erweiterte die Klägerin die Klage um dieses Begehren. 7 Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Rechtsgrundlage des Bescheids sei die abfallrechtliche Generalklausel gemäß § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG. Ihr stehe nicht die Ausschlussklausel des § 2 Abs. 2 Nr. 6 KrW-/AbfG entgegen. Danach gelte das Abfallrecht nicht für Stoffe, sobald diese in Gewässer oder Abwasseranlagen eingeleitet oder eingebracht würden. Diese Voraussetzungen seien in Bezug auf den Klärschlamm nicht erfüllt. Unterliege der Stoff wie hier nicht mehr den wasserrechtlichen Bestimmungen für die Abwasserbeseitigung, beurteile sich seine Entsorgung nach Abfallrecht. 8 Die Klägerin habe die Pflicht, den Klärschlamm ordnungsgemäß und schadlos zu verwerten oder ihn gemeinwohlverträglich zu beseitigen. Er sei eine bewegliche Sache im Sinne des Abfallrechts. Eine Verwachsung des Klärschlamms mit dem Erdreich sei nicht eingetreten. Die Klägerin wolle sich des Klärschlamms auch entledigen. Er stelle für sie eine wirtschaftlich wertlose Last dar. 9 Die Beklagte habe von ihrem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht. Die Entsorgung in einer zugelassenen Abfallentsorgungsanlage belasse der Klägerin die Möglichkeit, alle abfallrechtlich zulässigen Methoden zur Verwertung oder Beseitigung des Klärschlamms zu nutzen. Die Klägerin könne sich nicht auf Bestandsschutz berufen. Bei den Schlammplätzen handele es sich nicht um eine von abfallrechtlichen Zulassungserfordernissen freigestellte Altdeponie. Die ministeriellen Genehmigungen deckten das Liegenlassen des Klärschlamms in den Schlammplätzen nicht ab. 10 Die Klägerin begründet die vom Senat zugelassene Revision wie folgt: Das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht Abfallrecht und nicht Wasserrecht für anwendbar gehalten. Das Abfallrecht sei erst nach einer Entfernung der eingeleiteten bzw. eingebrachten Stoffe einschlägig. Der Klärschlamm sei keine bewegliche Sache im Sinne des Abfallrechts. Für eine feste Verbindung könne eine nur auf der Schwerkraft beruhende Verbindung genügen. Bei einer Ablagerung von Abfällen in einer illegalen Deponie komme gemäß § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG als Ermächtigungsgrundlage allein das Bodenschutzrecht in Betracht. Für das Vorliegen einer Altlast komme es nicht darauf an, ob etwas dauerhaft oder nur vorübergehend in den Boden auf- oder eingebracht worden sei. Die Anordnung der Beklagten sei insbesondere wegen der Kosten in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags für Ausbaggerung und Transport unverhältnismäßig. 11 Die Klägerin beantragt, 1. das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. September 2017 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 24. Januar 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. März 2011 in der Gestalt des Schriftsatzes der Beklagten vom 11. Juli 2011 im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf 17 L 968/11 und der weiteren Abänderung in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2014 aufzuheben, 2. für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag die Beklagte zu verpflichten, über ihren Antrag auf Errichtung eines Landschaftsbauwerks auf dem Gelände der Kläranlage D. vom 11. März 2013 zu entscheiden. 12 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 13 Sie verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts. II 14 Die zulässige Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts ohne Bundesrechtsverstoß zurückgewiesen (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. 15 1. Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Entsorgungsanordnung vom 29. März 2011 auf § 21 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) gestützt werden kann. Danach kann die zuständige Behörde im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen treffen. 16 Anwendbar ist vorliegend das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz in der Fassung von Art. 8 des Gesetzes zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie auf dem Gebiet des Umweltrechts sowie zur Änderung umweltrechtlicher Vorschriften vom 11. August 2010 (BGBl. I S. 1163), das zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der Entsorgungsanordnung galt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. November 2018 - 7 C 18.18 - juris Rn. 15). Soweit das Oberverwaltungsgericht auf Absatz 1 der Vorschrift abgehoben hat, hat es übersehen, dass die Absätze 2 und 3 bereits durch Art. 2 Nr. 4 Buchst. a und b des Gesetzes vom 21. Juni 2005 (BGBl. I S. 1666) mit Wirkung vom 1. Juli 2005 aufgehoben worden sind und der frühere Absatz 1 der einzige Inhalt der Vorschrift geworden ist. 17 a) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass § 21 KrW-/AbfG nicht durch eine vorrangige oder seine Anwendbarkeit ausschließende Bestimmung verdrängt wird. 18 aa) § 2 Abs. 2 Nr. 6 KrW-/AbfG steht der Anwendbarkeit des Abfallrechts nicht entgegen. Danach gelten die Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes nicht für Stoffe, sobald diese in Gewässer oder Abwasseranlagen eingeleitet oder eingebracht werden. § 2 Abs. 2 Nr. 6 KrW-/AbfG regelt lediglich den Zeitpunkt des Übergangs vom Abfall- zum Wasserrecht. Zur Wiedereröffnung des Anwendungsbereichs des Abfallrechts bedarf es entgegen der Auffassung der Revision nicht einer räumlich-örtlichen Entfernung des Stoffs aus einer Abwasserbeseitigungsanlage. Dass der Normgeber die Konjunktion ""sobald"" und nicht ""solange"" verwendet hat, steht dem nicht entgegen. Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 54 Abs. 2 Satz 1 WHG ergibt sich mit der gebotenen Klarheit, dass das Regelungsregime des Wasserrechts endet und das Abfallrecht wieder anwendbar wird, wenn die Abwasserbeseitigung abgeschlossen ist. § 54 Abs. 2 Satz 1 WHG rechnet im Interesse einer erleichterten Grenzziehung zwischen Abwasserbeseitigung und Abfallrecht das Entwässern von Klärschlamm zur Abwasserbeseitigung, sofern es im Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung steht. Die Klärschlammentwässerung kann daher nur unter qualifizierten Umständen zur Abwasserbeseitigung gerechnet werden. Erforderlich ist ein - wie auch immer gearteter - funktionaler Zusammenhang von Entwässerung des Klärschlamms und Abwasserbeseitigung. Der notwendige Zusammenhang besteht, wenn die Klärschlammentwässerung Teil des Abwasserbeseitigungsprozesses ist. Dieser umfasst jeden Vorgang, der dazu dient, die Schädlichkeit des Abwassers zu vermindern oder zu beseitigen, namentlich die Schadstofffracht im Abwasser zu reduzieren (vgl. Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 54 Rn. 23, 26; vgl. auch § 2 Abs. 3 AbwAG sowie Zöllner, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, Wasserhaushaltsgesetz, Stand August 2019, § 54 Rn. 35; Ganske, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Februar 2020, § 54 WHG Rn. 49). Die Klärschlammentwässerung steht dann mit einem zielgerichteten Entwässerungsvorgang in Zusammenhang; Eine zufällige und ungeplante Entwässerung allein aufgrund der andauernden Lagerung voranschreitende Austrocknung des Klärschlamms fällt aus dem Begriff der Abwasserbeseitigung heraus. 19 Diese Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht nicht verkannt. Es hebt im Kern auf einen funktionalen Bezug zur Abwasserbeseitigung ab (OVG Münster, Urteil vom 13. September 2017 - 20 A 601/14 - juris Rn. 76, 79 und 86). Nach seinen Feststellungen fehlt es an einem plan- und zielgerichteten Entwässerungsvorgang für die Zeit nach der Stilllegung der Kläranlage im Jahr 1999, sodass ein funktionaler Zusammenhang mit einer Abwasserbehandlung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht mehr bestand. Das für die Kläranlage genannte Ziel, den Wassergehalt des Klärschlamms auf 45 % herabzusetzen, hat die Klägerin aufgegeben. Das Schlammwasser wird nicht mehr aufgefangen und einer weiteren Bearbeitung zugeleitet (OVG Münster, Urteil vom 13. September 2017 - 20 A 601/14 - juris Rn. 3 und 80). Dass der Klärschlamm bei der Abwasserbeseitigung in der Kläranlage angefallen und in die zu seiner Austrocknung angelegten Schlammplätze eingespült wurde, ändert daran nichts. Der Klärschlamm wird nur noch gelagert und er entwässert aufgrund seines Eigengewichts, ohne dass ein Entwässerungsziel verfolgt wird. 20 Soweit die Revision geltend macht, die Stilllegung von Abwasseranlagen sei als Teil deren Betriebs im Sinne von § 6o WHG anzusehen, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind im Rahmen der Stilllegung der Kläranlage keine Vorkehrungen zur Fortsetzung und zum Abschluss der Entwässerung des Klärschlamms getroffen worden. Dass Genehmigungen für Kläranlagen nach § 6o Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 WHG auch die Stilllegung mitregeln müssen, spricht im Übrigen dafür, von einer fortdauernden Abwasserbeseitigung nur dann auszugehen, wenn Vorgaben für den Stilllegungsfall in der Genehmigung zu finden sind. 21 bb) Auch der von der Revision angeführte, im Berufungsverfahren nicht thematisierte und vom Oberverwaltungsgericht nicht geprüfte § 36 KrW-/AbfG sperrt die Anwendung der abfallrechtlichen Generalklausel nicht. 22 (1) § 36 KrW-/AbfG regelt die grundlegenden materiell- und verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Stilllegung von Deponien und die sich daran anschließende Nachsorgephase bis hin zu deren Abschluss (Klages, in Giesberts/Reinhardt, Umweltrecht, Stand Januar 2012, § 36 KrW-/AbfG vor Rn. 1). Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG ist der Betreiber einer Deponie verpflichtet, die beabsichtigte Stilllegung anzuzeigen und die dafür erforderlichen Unterlagen einzureichen. § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG verpflichtet die zuständige Behörde, alle erforderlichen Anordnungen zur Rekultivierung der Deponie und sonstigen Vorkehrungen zum Schutz des Wohls der Allgemeinheit zu treffen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beziehen sich die Anzeigepflicht in Absatz 1 und die Anordnungsermächtigung in Absatz 2 Satz 1 auch und gerade auf illegale Anlagen gleichgültig, ob sie von den Behörden geduldet wurden oder dies nicht der Fall war. Denn bei diesen Anlagen besteht in besonderem Maße Anlass für die Befürchtung, dass es in der Nachbetriebsphase zu einer Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit kommen könnte (BVerwG, Urteil vom 31. August 2006 - 7 C 3.06 - BVerwGE 126, 326 Rn. 10, Beschlüsse vom 2. Mai 1995 - 7 B 270.94 - Buchholz 451.22 § 10 AbfG Nr. 1 und vom 26. Juli 2016 - 7 B 28.15 - AbfallR 2016, 252 <256>). Der Senat hat darüber hinaus klargestellt, dass Abstriche von dem Regelungsprogramm dieser Vorschrift bei illegalen Deponien nur insoweit in Betracht kommen, als es um Normbestandteile geht, die allein bei dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Regelfall sinnvoll angewendet werden können. Hiernach kann bei der illegalen Deponie ein Verzicht auf die in § 36 Abs. 1 KrW-/AbfG vorgesehene Anzeige der beabsichtigten Stilllegung in Betracht kommen. Demgegenüber findet die Anordnungsbefugnis des § 36 Abs. 2 Satz 1 KrWG ohne Weiteres auf eine illegale Deponie Anwendung. Denn gerade hier gilt es in besonderem Maße, Gefahren zu beseitigen und deren Entstehung entgegenzutreten (BVerwG, Urteil vom 31. August 2006 - 7 C 3.06 - BVerwGE 126, 326 Rn. 9). Auch § 36 Abs. 2 Satz 2 KrWG, der im Fall des Altlastenverdachts für die Erfassung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung die Anwendung der Vorschriften des Bundes-Bodenschutzgesetzes anordnet, ist in gleicher Weise auf legale wie auf illegale Deponien anwendbar (so BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2016 - 7 B 28.15 - AbfallR 2016, 252 <256> zu § 40 Abs. 2 KrWG). Nach diesen Maßstäben wird die abfallrechtliche Generalklausel des § 21 KrW-/AbfG hier nicht verdrängt. 23 Es spricht vieles dafür, dass die von der angefochtenen Verfügung erfassten Klärschlammplätze den den Anwendungsbereich des § 36 KrW-/AbfG eröffnenden Deponiebegriff erfüllen. Deponien sind gemäß § 3 Abs. 10 Satz 1 KrW-/AbfG Beseitigungsanlagen zur Ablagerung von Abfällen oberhalb oder unterhalb der Erdoberfläche. Ablagerung ist die zielgerichtete und dauerhafte Entledigung an einem bestimmten Ort (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 1973 - IV C 44.69 - Buchholz 445.4 § 3 WHG Nr. 3). Es kommt nicht darauf an, ob diese Zweckrichtung bereits zum Zeitpunkt der Deponierung vorlag. Es genügt, dass sich aus einem zeitlich begrenzten Lagern ein dauerhaftes Ablagern ergibt (vgl. Spoerr, in: Jarass/Petersen/Weidemann, Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Stand 1. September 2011, § 27 Rn. 26; ders., in: Jarass/Petersen, KrWG, 1. Aufl. 2014, § 28 Rn. 31; Delfs, in: Schmehl/Klement, GK-KrWG, 2. Aufl. 2019, § 28 Rn. 12). 24 Das Oberverwaltungsgericht hat eine Absicht der Klägerin, den Klärschlamm auf Dauer liegen zu lassen, nicht eindeutig festgestellt (OVG Münster, Urteil vom 13. September 2017 - 20 A 601/14 - juris Rn. 82, 168 ff.). Seine Ausführungen bezogen sich allerdings auf den Stichtag 11. Juni 1972 und haben die Tatsache unberücksichtigt gelassen, dass die Klägerin den Klärschlamm seit Errichtung der Schlammdruckrohrleitung im Jahr 1984 und über die Stilllegung der Kläranlage im Jahr 1999 hinaus auf den Schlammplätzen abgelagert hat, ohne das Ziel einer Abwasserbeseitigung damit zu verfolgen. Auch der Plan der Klägerin aus dem Jahr 2006 zur Errichtung eines Landschaftsbauwerks lässt eine dauerhafte Ablagerungsabsicht erkennen. Einer abschließenden Klärung bedarf es jedoch letztendlich nicht. Dies gilt ebenso für die Frage, ob § 36 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG eine (hier nicht ergangene) vorherige behördliche Feststellung der Stilllegung vorausgesetzt hat, wie sie nunmehr gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 KrWG erforderlich ist, oder ob eine faktische Stilllegung ausreichte (nicht entschieden in BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2016 - 7 B 27.15 - juris Rn. 8). 25 (2) Der Anwendung des § 36 KrW-/AbfG steht jedenfalls die fehlende Deponiefähigkeit des Klärschlamms entgegen. Das gilt sowohl für die in Absatz 2 Nummern 1 und 2 aufgeführten Anordnungsermächtigungen als auch für die Regelung über die Anwendbarkeit des Bundes-Bodenschutzgesetzes in Absatz 2 Satz 2. Der vom Gesetzgeber in § 36 KrW-/AbfG vorgesehene Normalfall geht von einer nach dem Inkrafttreten des Abfallgesetzes 1972 errichteten und rechtmäßig betriebenen, insbesondere nach den einschlägigen umweltrechtlichen Vorschriften geprüften und planfestgestellten oder in sonstiger Weise zugelassenen Deponie aus. Daraus folgt insbesondere, dass die deponierechtlichen Anforderungen an den Standort erfüllt sein müssen und nur solche Abfälle angenommen und abgelagert werden dürfen, die den Zuordnungskriterien der jeweiligen Deponieklasse entsprechen. Die Grundpflicht, Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu entsorgen (§ 10 Abs. 1 KrW-/AbfG), ist bei Deponien erst erfüllt, wenn eine gemeinwohlverträgliche Endablagerung auf Dauer gesichert ist. § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG dient der Durchsetzung dieser Nachsorgepflicht (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Januar 1989 - 7 C 82.87 - NJW 1989, 1295 und vom 29. November 1991 - 7 C 6.91 - BVerwGE 89, 215 <218>; Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019 § 40 Rn. 2). 26 Hieraus wird deutlich, dass § 36 KrW-/AbfG den tatsächlichen Fortbestand und das rechtliche Fortbestehenkönnen der stillgelegten Deponie voraussetzt. Von seinem Regelungsprogramm nicht erfasst werden Fallgestaltungen, bei denen nicht nur vereinzelte nicht deponiefähige Abfälle entfernt werden müssen, sondern die Deponie als solche beseitigt werden muss, weil sie nicht nur vereinzelt nicht den Zuordnungskriterien entsprechende Abfälle enthält, sondern ganz oder überwiegend aus Abfällen besteht, die nach den einschlägigen deponie- und sonstigen abfallrechtlichen Vorgaben - etwa wegen unzureichender Untergrundbeschaffenheit - an diesem Standort nicht abgelagert werden dürfen. Ein weiteres Ablagern von Abfällen und damit die Anwendung des § 36 KrW-/AbfG kommt daher bei illegalen Deponien nur in Betracht, wenn die Deponie im Nachhinein als Abfallbeseitigungsanlage genehmigt werden kann. Das ist hier nicht der Fall. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher den Senat bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts scheidet eine Deponierung des Klärschlamms wegen seines hohen organischen Gehalts und der bezogen auf organische Substanzen beim Ablagern von Abfall auf Deponien einzuhaltenden Zuordnungskriterien aus. Die Einhaltung der Zuordnungskriterien ist nur möglich, wenn der Klärschlamm vor seiner Deponierung vorbehandelt wird (OVG Münster, Urteil vom 13. September 2017 - 20 A 601/14 - juris Rn. 146). Der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt, dass eine den deponierechtlichen Bestimmungen entsprechende Ablagerung an dem Standort der Schlammplätze auch mit dem Landschaftsbauwerk nicht beabsichtigt sei. 27 Die Nichtanwendung des § 36 KrW-/AbfG im vorliegenden Fall steht entgegen der vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung nicht im Widerspruch zum Beschluss des Senats vom 26. Juli 2016 - 7 B 28.15 - (AbfallR 2016, 252). In dieser Entscheidung konnte das Vorliegen einer illegalen Deponie offenbleiben, da das Abfallrecht wegen seiner auf bewegliche Sachen beschränkten Geltung nicht für Böden ""in situ"" Anwendung findet und deshalb die aus Gründen des Umweltschutzes gebotene Abwehr der durch die Ab- und Einlagerung schädlicher Stoffe und Gegenstände im Boden (als wesentliche Bestandteile) hervorgerufenen Gefahren die Aufgabe anderer Regelungen außerhalb des Abfallrechts ist. 28 b) Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 21 KrW-/AbfG für den Erlass der Abfallbeseitigungsanordnung bejaht. Der Klärschlamm ist Abfall im Sinne der Vorschrift. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG sind Abfälle im Sinne dieses Gesetzes alle beweglichen Sachen, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. 29 aa) Zu Recht hat das Berufungsgericht den Klärschlamm als bewegliche Sache angesehen. Es geht zutreffend davon aus, dass es im Ausgangspunkt auf die zivilrechtlichen Maßstäbe der §§ 93 ff. BGB ankommt. 30 Bewegliche Sachen sind alle Sachen, die nicht Grundstücke, den Grundstücken gleichgestellt oder Grundstücksbestandteile (§§ 93 bis 95 BGB; § 12 ErbbauRG) sind (vgl. Stresemann, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg, Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, § 90 Rn. 13). Der in § 93 BGB definierte Begriff des wesentlichen Bestandteils umfasst Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird. Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. Das Vorliegen einer festen Verbindung mit Grund und Boden ist nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Breuer, in: Jarass/Petersen/Weidemann, Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Stand 1. September 2011, § 3 Rn. 34; Schmidt, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 94 Rn. 3; Stieper, in: Staudinger BGB, Neubearbeitung 2017, § 94 Rn. 7). 31 Im Unterschied zum zivilrechtlichen Verständnis, das den Normzweck der §§ 93 ff. BGB in der Erhaltung der wirtschaftlichen Einheit und des wirtschaftlichen Werts einer Sachgesamtheit sieht (vgl. Stresemann a.a.O. § 94 Rn. 1 i.V.m. § 93 Rn. 1), ist im abfallrechtlichen Zusammenhang der Begriff der beweglichen Sache nach Maßgabe einer abfallrechtlichen Verkehrsanschauung zu bestimmen. Diese bietet hinreichend Spielraum, um abfallrechtlichen Besonderheiten gerecht zu werden (vgl. Breuer a.a.O. § 3 Rn. 34). Die abfallrechtliche Verkehrsanschauung hat bei der Frage, wann ein ursprünglich Abfall darstellender Stoff die Eigenschaft als bewegliche Sache wegen einer nachfolgenden festen Verbindung mit Grund und Boden verlieren kann, die für Abfall bestehende Pflicht zur Entsorgung zu berücksichtigen. Die Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen nach § 1 KrW-/AbfG gehört zum wesentlichen Gesetzeszweck. Dabei geht es, anders als die Revision mit ihrer Rüge eines Verstoßes des Oberverwaltungsgerichts gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO wegen eines Zirkelschlusses geltend macht, nicht um die Frage einer erstmaligen Begründung der Abfalleigenschaft, sondern darum, wann ein Stoff wegen des Verlusts der Eigenschaft einer beweglichen Sache aufhört, Abfall zu sein. 32 Das Oberverwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit diesen Kriterien den Klärschlamm als bewegliche Sache eingeordnet. Dabei durfte es berücksichtigen, dass der Klärschlamm seine Eigenschaft als bewegliche Sache nicht aufgrund Verwachsung mit dem Boden verloren hat (OVG Münster, Urteil vom 13. September 2017 - 20 A 601/14 - juris Rn. 99). Unter einer Verwachsung versteht man das Ergebnis eines biologischen Prozesses, durch den ein oder mehrere Stoffe eine Gesamtmasse untereinander und mit dem gewachsenen Boden bilden (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 26. Januar 2012 - 8 A 11081/11 - juris Rn. 51). Hieran fehlt es, wenn sich auf einer Ablagerungsfläche lediglich an der Oberfläche eine feste Erdschicht gebildet hat, die darunter befindlichen Ablagerungen jedoch keine feste Verbindung mit dem gewachsenen Boden bilden. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist der Klärschlamm nach Struktur und Beschaffenheit von dem umgebenden Erdreich ohne Schwierigkeiten zu unterscheiden und eine Trennung ist möglich (OVG Münster, Urteil vom 13. September 2017 - 20 A 601/14 - juris Rn. 101). Eine einheitliche Bodenmasse ist daher nicht entstanden. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht der Eigenschaft des Klärschlamms als bewegliche Sache nicht sein hohes Gewicht von mehr als 80 000 t entgegen. Im Hinblick auf Bodenmassen wird zwar die Auffassung vertreten, dass diese schon dann Grundstücksbestandteil würden, wenn das Gewicht die abgelagerte Masse praktisch unbeweglich mache (zu einer Bergehalde vgl. OVG Münster, Urteil vom 7. März 1985 - 20 A 212/84 - NuR 1985, 286 <287>). Das Oberverwaltungsgericht hat die Schichthöhe des Klärschlamms in den Schlammplätzen von bis zu ca. 3 bis 4 m als deutlich hinter der Höhe von Bergehalden zurückbleibend angesehen und deshalb die Eigenschaft des Klärschlamms als Grundstücksbestandteil auch unter diesem Gesichtspunkt verneint. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern, zumal der Schlamm nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts in tieferen Bereichen pastös bis schlammig geblieben und keine feste Verbindung mit dem Boden eingegangen ist (OVG Münster, Urteil vom 13. September 2017 - 20 A 601/14 - juris Rn. 10 und 104). Die diesbezüglich geäußerte Kritik der Revision an der Tatsachenfeststellung und -würdigung des Oberverwaltungsgerichts führt nicht zum Erfolg. Einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln hat sie nicht dargetan. Die Feststellungen sind nach § 137 Abs. 2 VwGO für das Revisionsgericht bindend. 33 Soweit das Oberverwaltungsgericht seine Auffassung unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 2 Nr. 10 KrWG, wonach vom Geltungsbereich des Kreislaufwirtschaftsgesetzes Böden im Sinne von § 2 Abs. 1 BBodSchG am Ursprungsort (""in situ"") ausgenommen sind, bekräftigt hat, bedarf es an sich keiner weiteren Ausführungen zu dieser hier nicht anwendbaren Vorschrift. Allerdings weist der Senat darauf hin, dass es nach § 2 Abs. 2 Nr. 10 KrWG weiterhin darauf ankommt, ob die Bestandteile des Bodens im Rechtssinne gemäß § 94 Abs. 1 BGB als wesentlich anzusehen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2016 - 7 B 28.15 - juris Rn. 6). 34 bb) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht ist das Oberverwaltungsgericht von einem Entledigungswillen der Klägerin im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG ausgegangen. Dieser ist anzunehmen, wenn aus den gesamten Umständen deutlich wird, dass der Besitzer die Sachen auf nicht absehbare Zeit liegenlassen will (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 1989 - 7 B 157.89 - Buchholz 451.22 UWG Nr. 36 S. 64 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 AbfG; OVG Schleswig, Urteil vom 12. September 2000 - 4 L 87/00 - juris Rn. 34). Solche Umstände hat das Oberverwaltungsgericht bejaht, weil die Klägerin den schadstoffbelasteten und wirtschaftlich wertlosen Klärschlamm ""loswerden"" will und dies auch durch den Antrag auf Genehmigung des Landschaftsbauwerks bestätigt wird. Bundesrechtlichen Bedenken begegnen diese Annahmen nicht. 35 Das Oberverwaltungsgericht hat entgegen der Auffassung der Revision keine widersprüchlichen Feststellungen zu dem Willen einer Entledigung der Klärschlämme getroffen und hierdurch gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen. Die gegenübergestellten Zitate aus den Urteilsgründen (OVG Münster, Urteil vom 13. September 2017 - 20 A 601/14 - juris Rn. 122 ff. zum Entledigungswillen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG sowie OVG Münster a.a.O. Rn. 82 ff. zum Lagern und Ablagern ohne Bezug zur Abwasserbeseitigung) beziehen sich auf unterschiedliche rechtliche Zusammenhänge und widersprechen sich inhaltlich nicht. 36 c) Das Berufungsgericht hat die Ermessensausübung der Beklagten nicht beanstandet. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. 37 aa) Insbesondere lagen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Anlagenzwang nach § 27 Abs. 2 KrW-/AbfG nicht vor. Die Beklagte musste andere Entsorgungsmöglichkeiten außerhalb zugelassener Anlagen nicht berücksichtigen. 38 Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG dürfen Abfälle zum Zwecke der Beseitigung nur in den dafür zugelassenen Anlagen oder Einrichtungen (Abfallbeseitigungsanlagen) behandelt, gelagert oder abgelagert werden. Nach § 27 Abs. 2 KrW-/AbfG können die zuständigen Behörden im Einzelfall unter dem Vorbehalt des Widerrufs Ausnahmen hiervon zulassen, wenn dadurch das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. 39 Im Einklang mit Bundesrecht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass eine Ausnahme vom Anlagenzwang nach § 27 Abs. 2 KrW-/AbfG schon nicht in Betracht kommt, weil eine solche Ausnahme kein Mittel zur Zulassung einer Entsorgungsanlage ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eröffnet § 27 Abs. 2 KrW-/AbfG nicht als weitere Entscheidungsform neben Planfeststellung und Genehmigung die Zulassung ortsfester Abfallentsorgungsanlagen. Im Wege der Ausnahme nach § 27 Abs. 2 KrW-/AbfG können vielmehr nur Ausnahmen von der Benutzungspflicht für das Behandeln, Lagern und Ablagern von Abfällen (BVerwG, Beschluss von 17. Januar 1991 - 7 B 158.90 - Buchholz 451.22 AbfG Nr. 41) sowie Ausnahmen von Zulassungsgrund und -umfang einer vorhandenen Anlage (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1992 - 7 C 21.91 - BVerwGE 90, 296 <299>) erteilt werden. Stets muss es sich dabei um Ausnahmen im Einzelfall handeln, die im Ergebnis nicht die Qualität einer dauerhaften Anlagenzulassung erreichen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. Dezember 1985 - 7 B 22.85 - UPR 1986, 238 <239>; Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019 § 28 Rn. 40). 40 Hiervon ausgehend hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht keine einzelfallbezogenen Besonderheiten von Gewicht erkannt, die eine Ausnahme rechtfertigen könnten. Es handelt sich um die regelmäßige Konstellation der Klärschlammbehandlung im Verantwortungsbereich eines Abfallentsorgungspflichtigen. Die bloße Existenz von Schlammplätzen mit Klärschlamm aus dem früheren Betrieb von Kläranlagen stellt keinen atypischen Fall dar. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind keine spezifischen Besonderheiten der Klärschlämme erkennbar, die sie von anderen Altschlämmen unterscheiden würden und die von solchem Gewicht sind, dass sie eine ausnahmsweise Beseitigung des Klärschlamms außerhalb einer zugelassenen Abfallbeseitigungsanlage rechtfertigen könnten. 41 bb) Das Oberverwaltungsgericht hat die Anordnung zur Entsorgung des Klärschlamms in einer dafür zugelassenen Abfallentsorgungsanlage zutreffend als nicht im Widerspruch zu § 13 Abs. 5 BBodSchG in der bis zum 1. Juni 2012 geltenden Fassung stehend erachtet (OVG Münster, Urteil vom 13. September 2017 - 20 A 601/14 - juris Rn. 148 ff.). Nach § 13 Abs. 5 BBodSchG gilt § 27 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG nicht, soweit entnommenes Bodenmaterial im Bereich der von der Altlastensanierung betroffenen Fläche wieder eingebracht werden soll, wenn durch einen für verbindlich erklärten Sanierungsplan oder eine Anordnung zur Durchsetzung der Pflichten nach § 4 BBodSchG sichergestellt wird, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. Es existieren hier weder ein entsprechender Sanierungsplan noch eine solche Anordnung. 42 cc) Ohne Bundesrechtsverstoß hat das Oberverwaltungsgericht einen Bestandsschutz zugunsten der Schlammplätze verneint. Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe die Unterlagen zur Entstehungsgeschichte und zum Genehmigungstatbestand der Kläranlage nicht in der gebotenen Weise gemäß den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB gewürdigt. 43 Die Auslegung von Willenserklärungen, Verträgen und Verwaltungsakten unterliegt als Tatsachenwürdigung nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Kontrolle. Zu prüfen ist, ob das Tatsachengericht den Inhalt nach den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Regeln ermittelt hat. In diesem Fall ist der tatrichterlich ermittelte Erklärungsinhalt als Tatsachenfeststellung nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend. Die Bindung tritt lediglich dann nicht ein, wenn die vom Tatsachengericht vorgenommene Auslegung einen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Dezember 1966 - 5 C 47.64 - BVerwGE 25, 318 <323 f.>, vom 27. Mai 1981 - 8 C 6.81 - Buchholz 406.11 § 135 BBauG Nr. 17 S. 6 m.w.N. und vom 7. November 2018 - 7 C 18.18 - Buchholz 451.224 § 36 KrWG Nr. 2 Rn. 27 ff.). Es bedarf einer den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Verfahrensrüge, um das Auslegungsergebnis anzugreifen; die bloße Darlegung einer abweichenden, von einem Beteiligten für richtig gehaltenen Auslegung eines Verwaltungsakts genügt dagegen nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2015 - 7 C 15.13 - [insoweit nicht in Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 16 abgedruckt] juris Rn. 33 f.). Eine solche Verfahrensrüge hat die Revision nicht erhoben. 44 Die Klägerin stellt den Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts lediglich eine andere Würdigung gegenüber, ohne einen Verstoß gegen die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB plausibel zu machen. Nach ihrem Vorbringen war es zum Zeitpunkt der Aufnahme des Betriebs und der Erweiterung der Kläranlage üblich, Klärschlamm in den Schlammbecken dauerhaft zu belassen. Zudem seien die Schlammplätze in den Antragsunterlagen und der Zustimmung zum vorzeitigen Baubeginn von 1970 als Schlammdeponien bezeichnet worden. Die Umstände der Stilllegung der Kläranlage belegten, dass von einem dauerhaften Verbleib des Klärschlamms auszugehen gewesen sei. Die Revision sieht deshalb in dem Schweigen der behördlichen Genehmigungen eine Billigung zur Ablagerung der Klärschlämme. Damit stellt die Klägerin die Anwendung der §§ 133, 157 BGB durch das Oberverwaltungsgericht aber nicht durchgreifend in Frage. Die Motive zum weiteren Umgang mit dem Klärschlamm haben - wie vom Oberverwaltungsgericht ausgeführt - weder im Wortlaut der erteilten Genehmigungen noch in den Antragsunterlagen oder bei den sonstigen Umständen von deren Erlass positiv Niederschlag gefunden. Bloßes Schweigen stellt jedoch grundsätzlich keine Regelung dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. November 2009 - 4 C 3.09 - BVerwGE 135, 209 Rn. 20). Eine dauerhafte Ablagerung des Klärschlamms ist damit behördlich nicht genehmigt worden. Einer bloßen Duldung kommt keine Legalisierungswirkung zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 7 C 3.05 - BVerwGE 125, 325 Rn. 31). 45 dd) Die weitere Prüfung der Ermessensausübung durch das Oberverwaltungsgericht lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Soweit die Klägerin höhere Kosten für Auskofferung und Entsorgung geltend macht, als vom Oberverwaltungsgericht angenommen, stehen neue Tatsachen im Revisionsverfahren in Rede. Die tragenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat die Klägerin aber nicht mit der Verfahrensrüge angegriffen. 46 2. Der Antrag zu 2. gilt als nicht gestellt. Er steht unter der innerprozessualen Bedingung, dass der Hauptantrag durchdringt. Dies ist nicht der Fall. 47 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2020-45,30.07.2020,"Pressemitteilung Nr. 45/2020 vom 30.07.2020 EN Anfechtung der Wahl zum Gesamtvertrauenspersonenausschuss erfolglos Die Wahl zum 8. Gesamtvertrauenspersonenausschuss beim Bundesministerium der Verteidigung vom Juni 2019 muss nicht wiederholt werden. Dies hat heute der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig entschieden. Nach eingehender Prüfung der eingereichten Wahlanfechtungserklärungen und der geltend gemachten Wahlmängel hat das Gericht die Anträge als unzulässig zurückgewiesen. An der im Großen Sitzungssaal des Gerichts verkündeten Entscheidung haben neben drei Berufsrichtern auch drei Vertrauenspersonen der Bundeswehr als ehrenamtliche Richter mitgewirkt. Die ungewöhnlich große Besetzung des Gerichts ist darauf zurückzuführen, dass das Soldatenbeteiligungsgesetz (SBG) der Wahl eine besondere Bedeutung beimisst. Der Gesamtvertrauenspersonenausschuss beim Bundesministerium der Verteidigung ist das oberste Personalvertretungsgremium der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Er wird zu allen Grundsatzregelungen im personellen, sozialen und organisatorischen Bereich der Bundeswehr angehört und kann von sich aus Vorschläge zu den entsprechenden Dienstvorschriften und Organisationserlassen unterbreiten. Bei der alle vier Jahre stattfindenden Wahl sind ca. 2300 Vertrauenspersonen der Bundeswehr wahlberechtigt. Sie geben ihre Stimmen in einer reinen Briefwahl ab. Für die unterschiedlichen Organisationsbereiche der Bundeswehr werden insgesamt 35 Repräsentanten der Mannschaftssoldaten, Unteroffiziere und Offiziere gewählt. Nach der letzten Wahl im Juni 2019 haben sechs Soldaten eine Reihe von formellen Fehlern im Wahlausschreiben, in der Gesamtbewerberliste und bei den Stimmzetteln geltend gemacht und Unregelmäßigkeiten bei der Wahldurchführung gerügt. Kurz vor der Sitzung hat ein Soldat seinen Anfechtungsantrag zurückgenommen. Der 1. Wehrdienstsenat hat nach eingehender Erörterung der Rechtsfragen die Wahlanfechtung in erster und letzter Instanz als unzulässig zurückgewiesen. Nach § 52 Abs. 1 SBG muss die Wahl zum Gesamtvertrauenspersonenausschuss binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses von fünf Wahlberechtigten bei Gericht angefochten werden. Dieses Quorum von fünf wirksamen Anfechtungserklärungen ist nicht erreicht worden, denn eine Anfechtungserklärung stammte von einem nicht wahlberechtigten früheren Mitglied des 7. Gesamtvertrauenspersonenausschusses. Der Betreffende war zwar nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SBG erneut wählbar, aber nicht selbst stimm- und wahlberechtigt. Die Anfechtungsbefugnis setzt jedoch nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut diese aktive Wahlberechtigung voraus. Für eine Ausweitung des Kreises der anfechtungsberechtigten Personen durch richterliche Rechtsfortbildung ist kein Raum. Damit lagen nicht die erforderlichen fünf, sondern nur vier wirksame Anfechtungserklärungen vor. BVerwG 1 WB 20.19 - Beschluss vom 30. Juli 2020","Wer nur zum Gesamtvertrauenspersonenausschuss wählbar ist, kann die Wahl nach § 52 Abs. 1 Satz 1 SBG nicht anfechten. Tenor Der Antrag wird zurückgewiesen. Tatbestand Die Antragsteller wenden sich mit ihrem Wahlanfechtungsantrag gegen die Wahl zum 8. Gesamtvertrauenspersonenausschuss beim Bundesministerium der Verteidigung.1. Mit Wahlausschreiben vom 24. Januar 2019 teilte der beim Bundesministerium der Verteidigung gebildete Zentrale Wahlvorstand allen Dienststellen der Bundeswehr mit, dass die Amtszeit des 7. Gesamtvertrauenspersonenausschusses am 16. Juni 2019 ablaufe. Für die anstehende Wahl zum 8. Gesamtvertrauenspersonenausschuss würden dezentrale Wahlvorstände gebildet, die Wählerverzeichnisse angelegt und Bewerbungen entgegengenommen. Gleichzeitig gab er einen ""Vorläufigen Zeitplan"" für die Wahl bekannt. Am 4. April 2019 stellte er die Gesamtbewerberliste zusammen, gab sie allen Dienststellen der Bundeswehr bekannt und übersandte ab dem 26. April 2019 die Wahlunterlagen an die dezentralen Wahlvorstände. Am 6. Juni 2019 zählte er die bei ihm eingegangenen Wahlunterlagen aus, erstellte am 13. Juni 2019 die Gesamtwahlniederschrift und veröffentlichte diese am 14. Juni 2019 im Intranet der Bundeswehr. Die Wahlbeteiligung lag danach bei 60,63 %.2. Am 19. Juni 2019 hat Hauptmann ... unter der Bezeichnung ""vorläufiger Verfahrensbevollmächtigter"" namens der Antragsteller beantragt, die Wahl zum 8. Gesamtvertrauenspersonenausschuss beim Bundesministerium der Verteidigung für ungültig zu erklären. Im Text der im Original unterschriebenen Vollmachten ermächtigen die Antragsteller zu 1, 2, 4 und 5 Hauptmann ... vorläufig mit der Wahrnehmung ihrer Rechte und beantragen, die Wahl für ungültig zu erklären. Für den Antragsteller zu 6 liegt eine solche Erklärung nur als Kopie vor. Bei der für den Antragsteller zu 3 beigefügten Vollmacht handelt es sich um den Ausdruck einer einfachen E-Mail gleichen Inhalts.Zur Begründung des Wahlanfechtungsantrags macht der ""vorläufige Verfahrensbevollmächtigte"" neun im Einzelnen näher ausgeführte Wahlfehler geltend. Insbesondere entsprächen die Gesamtbewerberliste und die Stimmzettel nicht den Vorgaben des § 28 Abs. 2 Satz 1 SBGWV, weil darin nicht statthafte Zusatzinformationen aufgenommen worden seien, während die vorgeschriebenen Daten über den Beginn der Amtszeit fehlten. Diese Argumentation haben sich die Antragsteller später zu eigen gemacht.Die Antragsteller beantragen,die Wahl zum 8. Gesamtvertrauenspersonenausschuss beim Bundesministerium der Verteidigung für ungültig zu erklären.Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,die Wahl zum 8. Gesamtvertrauenspersonenausschuss beim Bundesministerium der Verteidigung nicht für ungültig zu erklären und den Antrag zurückzuweisen.Der Antrag sei unzulässig und unbegründet. Die geltend gemachten Wahlmängel seien überwiegend unwesentlich oder nicht für den Ausgang der Wahl erheblich. Zwar fehlten die Angaben über den Beginn der Amtszeit der Vertrauenspersonen in der Gesamtbewerberliste und auf den Stimmzetteln. Dieses Datum könne jedoch durch Rückrechnung aus der Angabe des Amtszeitendes ermittelt werden. Es handele sich auch nicht um eine wesentliche Wahlbestimmung.3. Der Senatsvorsitzende hat mit Schreiben vom 27. Mai 2020 Hauptmann ... darauf hingewiesen, dass er nicht als Bevollmächtigter vor dem Bundesverwaltungsgericht auftreten könne, wenn er nicht die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst besitze. Hauptmann ... hat auf Nachfrage mitgeteilt, dass dies bei ihm nicht der Fall sei. Ferner hat der Vorsitzende darauf aufmerksam gemacht, dass die Wahlanfechtungsbefugnis nach dem Gesetzeswortlaut von der Wahlberechtigung abhänge. Der Antragsteller zu 6 sei nach den Unterlagen als ehemaliges Mitglied des 7. Gesamtvertrauenspersonenausschusses zwar wählbar, aber nicht wahlberechtigt gewesen. Der Antragsteller zu 6 hat bestätigt, seinerzeit nicht mehr als Vertrauensperson tätig gewesen zu sein.Der Senat hat mit den Beteiligten am 30. Juli 2020 die Sach- und Rechtslage in einer mündlichen Verhandlung erörtert. Kurz zuvor hat der Antragsteller zu 3 mitgeteilt, dass er die Wahlanfechtung nicht mehr unterstütze. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten und der vom Zentralen Wahlvorstand vorgelegten Unterlagen Bezug genommen. Gründe Der Wahlanfechtungsantrag ist als unzulässig zurückzuweisen, weil die nach § 52 Abs. 1 Satz 1 SBG erforderliche Anzahl von fünf wirksamen Anfechtungserklärungen nicht vorliegt.1. Der Antrag ist zwar gemäß § 52 Abs. 1 SBG innerhalb von zwei Wochen nach Veröffentlichung des Wahlergebnisses beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen. Das Wahlergebnis wurde am 14. Juni 2019 im Intranet der Bundeswehr veröffentlicht und gilt damit gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 SBGWV als am 15. Juni 2019 bekanntgegeben. Der Wahlanfechtungsantrag ist bereits am 19. Juni 2019 bei Gericht und damit innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nach Bekanntgabe gestellt worden.2. Es sind auch fünf formgerechte Anfechtungserklärungen eingegangen.a) Der Antrag konnte zwar nicht von Hauptmann ... im Namen der Antragsteller gestellt werden, weil es ihm an der hierfür erforderlichen Postulationsfähigkeit fehlte. Über eine Wahlanfechtung wird nach § 52 Abs. 3 Satz 1 SBG unter entsprechender Anwendung der Wehrbeschwerdeordnung entschieden. Gemäß § 23a Abs. 1 WBO i.V.m. § 90 Abs. 2 Satz 2 WDO sind nur Personen als Verteidiger vor dem Bundesverwaltungsgericht zugelassen, welche die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz (DRiG) haben oder die Voraussetzungen des § 110 Satz 1 DRiG (Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst) erfüllen. Dies ist bei Hauptmann ... nicht der Fall, so dass der von ihm gezeichnete Antrag nicht wirksam gewesen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 1975 - 1 WB 72.73 - BVerwGE 53, 53 <60 f.> zur früheren Rechtslage ohne Verweisungsnorm).b) Es lagen gleichwohl fünf dem Schriftformerfordernis des § 17 Abs. 4 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO genügende Anträge vor. Denn die von Hauptmann ... in Kopie und später im Original vorgelegten unterschriebenen Vollmachten enthielten in ihrem Text zugleich eigene Anfechtungserklärungen der Antragsteller zu 1, 2, 4, 5 und 6. Da der Antragsteller zu 3 seine Wahlanfechtung später zurückgenommen hat, kommt es nicht mehr darauf an, dass seine nur durch einfache E-Mail abgegebene Erklärung - wie im Hinweisschreiben des Gerichts vom 27. Mai 2020 ausgeführt - ohnedies formunwirksam gewesen sein dürfte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Juli 2020 - 2 WRB 1.20 - Rn. 14 zu § 6 Abs. 2 WBO).3. Antragsbefugt ist nach § 52 Abs. 1 SBG allerdings nur eine Gruppe von wenigstens fünf wahlberechtigten Personen, die gemeinsam die Gültigkeit der Wahl anfechten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. November 2017 - 1 WB 30.16 - BVerwGE 160, 247 Rn. 29 ff. und vom 17. Dezember 2018 - 1 WB 34.18 - Buchholz 450.1 § 1 WBO Nr. 2 Rn. 14). Dieses Mindest-Quorum ist nur erreicht, wenn alle fünf Antragsteller auch anfechtungsberechtigt sind.Anfechtungsberechtigt bei der Wahl zum Gesamtvertrauenspersonenausschuss sind gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 SBG allerdings nur wahlberechtigte Personen. Aktiv wahlberechtigt sind nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SBG alle Vertrauenspersonen, die sich 21 Kalendertage vor dem Wahltag (hier dem 15. Mai 2019) im Amt befinden. Bewerber, die nach § 40 Abs. 2 SBG als Mitglieder des früheren Gesamtvertrauenspersonenausschusses erneut ""wählbar"", d.h. nur passiv wahlberechtigt sind, können die Wahl hingegen nach dem klaren Wortlaut des § 52 Abs. 1 Satz 1 SBG nicht selbst anfechten (Gronimus, Die Beteiligungsrechte der Vertrauenspersonen in der Bundeswehr, 8. Aufl. 2018, § 52 SBG Rn. 7).Dass nur die aktiv Wahlberechtigten anfechtungsberechtigt sind, hat seinen Grund darin, dass sie aktuell als Vertrauenspersonen im Amt sind und dass diese Gruppe durch die Wahl im Gesamtvertrauenspersonenausschuss vertreten (repräsentiert) werden soll. Nur wenn eine genügende Zahl der aktiven Vertrauenspersonen das Wahlergebnis in Zweifel zieht, soll die Ordnungsgemäßheit der Wahl geprüft werden. Es liegt daher keine Regelungslücke in Bezug auf das Anfechtungsrecht der nur passiv wahlberechtigten früheren Mitglieder des Gesamtvertrauenspersonenausschusses vor, die im Wege der Analogie geschlossen werden müsste.Von den fünf Antragstellern sind im vorliegenden Fall allerdings nur vier - wie vorgeschrieben - 21 Tage vor der Wahl als Vertrauenspersonen einer Einheit tätig und damit aktiv wahlberechtigt gewesen. Der Antragsteller zu 6 ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Vertrauensperson, sondern nur als Mitglied des 7. Gesamtvertrauenspersonenausschusses gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 SBG erneut wählbar gewesen. Er ist damit nicht anfechtungsberechtigt gewesen und das hat zur Folge, dass das von § 52 Abs. 1 SBG vorgeschriebene Quorum von fünf Wahlberechtigten nicht erreicht worden ist." bverwg_2020-46,11.08.2020,"Pressemitteilung Nr. 46/2020 vom 11.08.2020 EN Zuständigkeit Deutschlands für die Prüfung des Asylantrags eines nachgeborenen Kindes jedenfalls bei Fehlen eines fristgerechten Aufnahmegesuchs Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags eines in Deutschland nachgeborenen Kindes, dessen Eltern zuvor in einem anderen EU-Mitgliedstaat internationaler Schutz zuerkannt worden ist, geht jedenfalls gemäß Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3 Dublin III-Verordnung auf Deutschland über, wenn nicht binnen drei Monaten der andere Mitgliedstaat um Aufnahme des Kindes ersucht worden ist. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Die im Juni 2018 in Deutschland geborene Klägerin ist Kind somalischer Staatsangehöriger, denen in Italien internationaler Schutz gewährt worden war. Der nach der Einreise nach Deutschland gestellte (erneute) Asylantrag der Eltern wurde wegen der Schutzgewährung in einem anderen EU-Mitgliedstaat nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt. Mit Bescheid vom November 2018 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) auch den Asylantrag der Klägerin nach § 29 Abs. 1 Nr. 1. Buchst. a) AsylG wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit als unzulässig ab und drohte die Abschiebung nach Italien an. Nach Art. 20 Abs. 3 Dublin III-Verordnung sei die Situation des Kindes untrennbar mit der Situation seiner Eltern verbunden, weshalb die Prüfung des Asylantrags in die Zuständigkeit desjenigen Mitgliedstaates falle, der für die Prüfung des Asylantrags der Eltern zuständig sei. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Art. 20 Abs. 3 Dublin III-Verordnung begründe weder in erweiternder Auslegung noch in analoger Anwendung eine Zuständigkeit Italiens für die Prüfung des Asylbegehrens der Klägerin. Im Übrigen sei der Bescheid auch deswegen rechtswidrig, weil Deutschland es versäumt habe, binnen drei Monaten nach der Antragstellung der Klägerin gemäß Art. 21 Abs. 1 Dublin III-Verordnung ein Aufnahmegesuch an Italien zu richten. Der 1. Revisionssenat hat die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis bestätigt. Nicht abschließend entschieden hat der Senat, ob bei Asylanträgen von im Bundesgebiet nachgeborenen Kindern von Drittstaatsangehörigen, denen zuvor bereits in einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz zuerkannt worden ist, die Zuständigkeitsregelung des Art. 20 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 Dublin III-Verordnung erweiternd auszulegen oder analog anzuwenden ist und somit der Mitgliedstaat, der den Eltern Schutz gewährt hat, auch für das Schutzgesuch des Kindes zuständig ist, sofern dies dessen Wohl dient. Diese in der Rechtsprechung umstrittene Frage von unionsrechtlicher Bedeutung war für die Entscheidung nicht zu klären, weil das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass eine hiernach etwa begründete Zuständigkeit Italiens für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin jedenfalls auf Deutschland übergegangen wäre (Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3 Dublin III-Verordnung). Das Bundesamt hat es versäumt, binnen drei Monaten nach der Asylantragstellung der Klägerin ein Aufnahmegesuch an Italien zu richten. Art. 20 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 Dublin III-VO, nach dem bei nachgeborenen Kindern für diese kein neues Zuständigkeitsverfahren eingeleitet werden muss, ist selbst bei entsprechender Anwendung der Zuständigkeitsregelung (Art. 20 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 Dublin III-Verordnung) nicht analog anzuwenden, wenn das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren für die Eltern bereits abgeschlossen und diesen durch einen anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz gewährt worden ist. Das nachgeborene Kind kann dann nicht (mehr) in ein Zuständigkeits- und Überstellungsverfahren seiner Eltern einbezogen werden. Bedarf es folglich für das Kind eines eigenständigen Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens nach der Dublin III-VO, sind nicht zuletzt zur zwischenstaatlichen Klärung der internationalen Zuständigkeit auch die in Art. 21 ff. Dublin III-Verordnung geregelten Verfahren und Fristen zu beachten. Eine Umdeutung des Bundesamtsbescheides in eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, der auch nicht entsprechend anzuwenden ist, scheidet ebenfalls aus. Es fehlt an den tatbestandlichen Voraussetzungen bzw. einer Regelungslücke. BVerwG 1 C 37.19 - Urteil vom 23. Juni 2020 Vorinstanzen: OVG Schleswig, 1 LB 5/19 - Urteil vom 07. November 2019 - VG Schleswig, 10 A 645/18 - Urteil vom 02. September 2019 -","Urteil vom 23.06.2020 - BVerwG 1 C 37.19ECLI:DE:BVerwG:2020:230620U1C37.19.0 EN Zuständigkeitsübergang bei fehlendem Aufnahmegesuch nach Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO Leitsätze: 1. Art. 20 Abs. 3 Satz 1 und 2 Dublin III-VO, wonach die Situation von Kindern eines Asylantragstellers, die nach dessen Ankunft im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, untrennbar mit der Situation dieses Elternteils verbunden ist und in die Zuständigkeit desjenigen Mitgliedstaats fällt, der für die Prüfung des Antrags des Elternteils auf internationalen Schutz zuständig ist, kann auf den Asylantrag eines im Bundesgebiet nachgeborenen Kindes, dessen Eltern zuvor bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationalen Schutz erhalten haben, jedenfalls nicht in der Weise analog angewendet werden, dass es in dieser Fallkonstellation auch nicht der Einleitung eines eigenen Zuständigkeitsverfahrens für das Kind gemäß Art. 20 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz Dublin III-VO bedarf. 2. Der Mitgliedstaat, in dem ein nachgeborenes Kind seinen Asylantrag gestellt hat, ist deshalb jedenfalls dann für dessen Prüfung zuständig, wenn er den Mitgliedstaat, der den Eltern internationalen Schutz gewährt hat, nicht binnen der in Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 Dublin III-VO genannten Fristen um die Aufnahme des Kindes ersucht hat (vgl. Art. 21 Abs. 3 Dublin III-VO). Rechtsquellen AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1. Buchst. a), § 34 a Abs. 1 Satz 4, § 77 Abs. 1 Dublin III-VO Art. 3, Art. 20 Abs. 3, Art. 21 Abs. 1 Instanzenzug VG Schleswig - 02.09.2019 - AZ: VG 10 A 645/18 OVG Schleswig - 07.11.2019 - AZ: OVG 1 LB 5/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 23.06.2020 - 1 C 37.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:230620U1C37.19.0] Urteil BVerwG 1 C 37.19 VG Schleswig - 02.09.2019 - AZ: VG 10 A 645/18 OVG Schleswig - 07.11.2019 - AZ: OVG 1 LB 5/19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 23. Juni 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Schleswig-Holstein vom 7. November 2019 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin, eine somalische Staatsangehörige, wendet sich gegen die Ablehnung ihres Asylantrags als unzulässig und die Androhung ihrer Abschiebung nach Italien. 2 Die Klägerin wurde im Juni 2018 im Bundesgebiet geboren. Ihren Eltern war im Rahmen eines in Italien durchgeführten Asylverfahrens dort internationaler Schutz gewährt worden. Sie reisten nach eigenen Angaben im Mai 2018 in das Bundesgebiet ein und stellten am 13. August 2018 für sich und die Klägerin Asylanträge. Der Asylantrag der Eltern der Klägerin wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 29. November 2018 gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt; ferner wurde ihnen die Abschiebung nach Italien angedroht. 3 Mit Bescheid vom 29. November 2018 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2), forderte die Klägerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, andernfalls sie nach Italien abgeschoben werde (Ziffer 3), und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Der Asylantrag sei nach § 29 Abs. 1 Nr. 1. Buchst. a) AsylG unzulässig, da nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) Italien für die Prüfung des Asylantrags zuständig sei. Es bedürfe nicht der Einleitung eines Zuständigkeitsverfahrens für das nachgeborene Kind, weil Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO über eine erweiternde Auslegung bzw. analog Anwendung finde. Hiernach sei die Situation des Kindes untrennbar mit der Situation seiner Eltern verbunden und die Zuständigkeit desjenigen Mitgliedstaates gegeben, der für die Prüfung des Asylantrages der Eltern zuständig sei. 4 Das Verwaltungsgericht hob den Bescheid des Bundesamtes mit Gerichtsbescheid vom 2. September 2019 auf. 5 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 7. November 2019 zurückgewiesen. Die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig sei rechtswidrig. Aus der Dublin III-VO folge nicht die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin als eines sogenannten nachgeborenen, d.h. in der Bundesrepublik Deutschland nach Abschluss des Asylverfahrens seiner Eltern in einem anderen Mitgliedstaat der EU geborenen Kindes. Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO begründe weder in direkter Anwendung noch in erweiternder Auslegung bzw. analoger Anwendung eine Zuständigkeit Italiens. Im Übrigen wäre die Zuständigkeit selbst bei analoger Anwendung nach Art. 20 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO auf Deutschland übergegangen, weil es die Beklagte versäumt habe, binnen 3 Monaten nach der Asylantragstellung der Klägerin ein Aufnahmegesuch an Italien zu richten. 6 Die Beklagte macht mit ihrer Revision geltend, dass in analoger bzw. erweiternder Anwendung des Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin als zuständig anzusehen sei, der bereits ihren Eltern internationalen Schutz zuerkannt habe. Es bestehe eine unionsrechtliche Regelungslücke, da es an einer Vorschrift fehle, die - wie Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO - eine Akzessorietät zwischen dem Verfahren des Minderjährigen und dem Verfahren seiner bereits in einem anderen Mitgliedstaat anerkannten Familienangehörigen regele. Die Anwendbarkeit des Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO habe zur Folge, dass von der Beklagten kein neues Zuständigkeitsverfahren für das Kind eingeleitet werden müsse und folglich auch die Aufnahmegesuchfristen des (insoweit teleologisch reduzierten) Art. 21 Abs. 1 Dublin-III-VO nicht anwendbar seien. 7 Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung. 8 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und schließt sich der Auffassung der Beklagten an. II 9 Die Revision der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen, unter denen ein Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit unzulässig ist, liegen nicht vor. Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, ob die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zutrifft, dass im Falle eines Asylantrags eines im Bundesgebiet nachgeborenen Kindes von Drittstaatsangehörigen, denen bereits zuvor in einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO weder erweiternd ausgelegt noch analog angewendet werden kann und daher für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin Deutschland als derjenige Mitgliedstaat zuständig ist, in dem die Klägerin ihren Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO). Im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) steht jedenfalls die das Urteil selbstständig tragende Annahme des Berufungsgerichts, dass das Fehlen eines fristgerechten Aufnahmegesuchs nach Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO die Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1. Buchst. a) Asylgesetz zur Folge hat, auf die sich die Klägerin auch berufen kann (1.). Zu Recht hat das Berufungsgericht auch die Aufhebung der Folgeentscheidungen über das Nichtbestehen von Abschiebungsverboten betreffend Italien, die Abschiebungsandrohung und ein auf 30 Monate befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot bestätigt (2.) 10 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das am 26. November 2019 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) - AsylG - sowie die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L. 180 S. 31 - Dublin III-VO). 11 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts eintreten, im Revisionsverfahren zu berücksichtigen, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es diese nunmehr träfe, die aktuelle Rechtsgrundlage zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 12). 12 1.1 Die Klage ist, soweit sie sich gegen die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes richtet, als Anfechtungsklage statthaft (BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 - BVerwGE 153, 162 Rn. 13 f. und vom 26. Februar 2019 - 1 C 30.17 - Buchholz 402.251 § 29 AsylG Nr. 6 Rn. 12) und auch im Übrigen zulässig. 13 1.2 Die Klage ist insoweit auch begründet. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. 14 a) Die Voraussetzungen des als Rechtsgrundlage herangezogenen § 29 Abs. 1 Nr. 1. Buchst. a) AsylG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das ist hier nicht der Fall, vielmehr ist die Bundesrepublik Deutschland für das Asylverfahren der Klägerin zuständig. 15 aa) Es bedarf keiner Entscheidung, ob sich die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland vorliegend schon daraus ergibt, dass es sich im Sinne der Auffangnorm des Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO um den ersten Mitgliedstaat handelt, in dem der Antrag des Kindes auf internationalen Schutz gestellt wurde. Dies würde voraussetzen, dass - wie vom Berufungsgericht angenommen - die in Art. 20 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Dublin III-VO normierte verfahrensmäßige Anlehnung an die Zuständigkeit für das Verfahren der Eltern auf die vorliegende Fallkonstellation schon im Ansatz weder unmittelbar noch analog anzuwenden ist und dass sich auch anhand der dann in den Blick zu nehmenden primären Zuständigkeitskriterien nach Kapitel III der Dublin III-VO der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen lässt. Das Berufungsgericht (UA S. 10 ff.) hat insoweit zutreffend herausgearbeitet, dass zumindest eine unmittelbare Anwendung der in Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO geregelten Verfahrensakzessorietät auf die Klägerin ausscheidet. Danach ist für die Zwecke dieser Verordnung die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition des Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient (Satz 1). Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss (Satz 2). Die Klägerin ist zwar nach der Ankunft ihrer Eltern im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren; ihre Eltern sind aber keine Antragsteller (mehr), deren aktuell in Deutschland gestellte Asylanträge ein Dublin-Verfahren in Gang gesetzt haben, in das die Klägerin einbezogen werden könnte. Denn wie sich aus Art. 23 Abs. 1 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO ergibt, kann ein Mitgliedstaat einen anderen Mitgliedstaat im Rahmen der in dieser Verordnung festgelegten Verfahren nicht wirksam um Wiederaufnahme eines Drittstaatsangehörigen ersuchen, der im erstgenannten Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nachdem ihm durch den letztgenannten Mitgliedstaat internationaler Schutz gewährt wurde (vgl. EuGH, Beschluss vom 5. April 2017 - C-36/17 [ECLI:​EU:​C:​2017:​273], Ahmed - Rn. 41; siehe auch Art. 2 Buchst. c) und f) sowie Art. 20 Abs. 1 Dublin III-VO). Ob das unionsrechtliche Anliegen einer Vermeidung von Sekundärmigration und gegebenenfalls der in der Dublin III-VO zum Ausdruck kommende allgemeine Grundsatz der Familieneinheit (insbesondere Erwägungsgrund 16) eine analoge Anwendung des Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO auf nachgeborene Kinder von international Schutzberechtigten in Bezug auf die Zuständigkeitsbestimmung rechtfertigen können (so etwa VGH Mannheim, Beschluss vom 14. März 2018 - A 4 S 544/18 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Februar 2019 - 10 LA 218/18 -; OVG Saarlouis, Beschluss vom 29. November 2019 - 2 A 283/19 -; VG Cottbus, Beschluss vom 11. Juli 2014 - 5 L 190/14.A -; VG Greifswald, Urteil vom 22. Mai 2017 - 4 A 1526/16 As HGW -; VG Lüneburg, Urteil vom 14. Februar 2018 - 4 A 491/17 - ; VG Berlin, Beschluss vom 23. August 2018 - 23 K 367.18 A -; VG Schwerin, Urteil vom 30. April 2019 - 3 A 1851/18 SN -; VG Würzburg, Beschluss vom 18. September 2019 - W 10 S 19.50614 -; im Ergebnis s.a. OVG Bautzen, Beschluss vom 5. August 2019 - 5 A 593/19. A -; VG Saarlouis, Urteil vom 29. Juli 2019 - 3 K 678/18 -; a.A. etwa VG Lüneburg, Urteil vom 24. Mai 2016 - 5 A 194/14 -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Juni 2017 - 22 L 1290/17.A -; VG Hamburg, Urteil vom 20. März 2018 - 9 A 7382/16 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 11. Juni 2018 - 28 K 1506/17.A -; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. August 2018 - 12 K 16165/17.A -; VG Köln, Urteil vom 31. Juli 2018 - 14 K 4762/18.A - ; VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 11. September 2018 - RN 14 K 17.33302 -; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 3. März 2020 - 2 K 538/15.A -; wohl auch VG Karlsruhe, Urteil vom 22. Januar 2019 - A 13 K 1357/16 -; s.a. Broscheit. Die Unzulässigkeit von Asylanträgen der in Deutschland geborenen Kindern im EU-Ausland anerkannter Schutzberechtigter, InfAuslR 2018, 41), was schwerlich ohne eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bejaht werden könnte, kann der Senat offenlassen. 16 bb) Eine etwaige Zuständigkeit Italiens wäre jedenfalls gemäß Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3 Dublin III-VO dadurch auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, dass die Beklagte Italien nicht innerhalb der in Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 Dublin III-VO genannten Fristen ein Gesuch um Aufnahme der Klägerin unterbreitet hat. Diese selbstständig tragende Begründung des Berufungsurteils (UA S. 21 ff.) steht im Einklang mit Bundesrecht. Die Sonderregelung in Art. 20 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz Dublin III-VO, wonach es der Einleitung eines ""neuen Zuständigkeitsverfahrens"" für das Kind nicht bedarf, macht ein solches Aufnahmegesuch hier auch dann nicht entbehrlich, wenn es im Grundsatz möglich wäre, die Zuständigkeit für das nachgeborene Kind weitergewanderter schutzberechtigter Eltern aus einer analogen Anwendung dieser Verfahrensvorschrift herzuleiten. Denn zumindest diese Sonderregelung ist auf die hier vorliegende Konstellation eines Kindes bereits schutzberechtigter Eltern nicht analog anwendbar (ebenso etwa Broscheit, InfAuslR 2018, 41 <44>). 17 Die analoge Anwendung einer Rechtsvorschrift setzt neben einer planwidrigen Lücke auch eine vergleichbare Interessenlage zwischen untersuchtem und geregeltem Fall voraus (vgl. Generalanwalt Cruz Villalón, Schlussanträge vom 29. April 2014 im Verfahren C-399/12, Rn. 103 m.w.N.). Für eine analoge Anwendung des in Art. 20 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 Dublin III-VO geregelten Absehens von einem neuen Zuständigkeitsverfahren für minderjährige Familienangehörige auch auf Asylanträge von Kindern, deren Eltern in einem anderen Mitgliedstaat bereits internationaler Schutz zuerkannt wurde, fehlt es indes an der Wertungsgleichheit bzw. Vergleichbarkeit von geregeltem und ungeregeltem Sachverhalt. 18 Bereits aus der systematischen Stellung der Verfahrensakzessorietät nach Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO als einleitende Vorschrift des Kapitels VI der Verordnung - Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren - ergibt sich, dass diese zunächst nur für noch nicht abgeschlossene Verfahren gilt. Art. 20 Dublin III-VO regelt in Abs. 1 die Einleitung des Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens und sieht in Abs. 3 für Minderjährige die Zuständigkeit des Mitgliedstaates vor, der (auch) für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz des Familienangehörigen zuständig ist. Solange ein Zuständigkeitsbestimmungsverfahren für den Schutzantrag der Eltern noch nicht abgeschlossen ist, unterfällt dieser dem Anwendungsbereich der Verordnung, der (erst) mit dem Abschluss des Verfahrens endet. In ein so laufendes Verfahren ist der Schutzantrag des Kindes einzubeziehen. Wird den Eltern dagegen internationaler Schutz durch einen Mitgliedstaat gewährt, können sie nach (illegaler) Sekundärmigration und einem erneuten Antrag in einem anderen Mitgliedstaat nicht mehr im Rahmen des Dublin-Regimes, sondern nur auf anderer Rechtsgrundlage (z.B. bilaterale Rückführungsabkommen) in den Schutz gewährenden Mitgliedstaat zurückgeführt werden. 19 Bedürfte es in dieser Situation nicht der Durchführung eines Zuständigkeitsverfahrens, wäre eine Überstellung im Rahmen des Dublin-Systems vorgesehen, ohne dass der Aufnahmemitgliedstaat Kenntnis von einer möglichen Aufnahmesituation - und sei es im Rahmen eines Aufnahmeverfahrens in Bezug auf die Eltern - erlangt hätte. Es entfiele der Schutz durch das Fristenregime des Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverfahrens des Dublin-Systems. Das Kind könnte anders als jeder andere dem Dublin-Verfahren unterworfene Asylbewerber ohne die dort vorgesehenen zeitlichen Grenzen an den anderen Mitgliedstaat überstellt werden. Zudem entfiele die Stufung zwischen dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverfahren (Kapitel VI Dublin III-VO) und der Überstellung (Kapitel VI Dublin III-VO), bei der auch zwischen den Mitgliedstaaten die internationale Zuständigkeit als bereits geklärt vorausgesetzt wird. Ohne ein Aufnahmeverfahren bestünde erst im Überstellungsverfahren Gelegenheit, für das nachgeborene Kind zu klären, ob der Mitgliedstaat, der den Eltern internationalen Schutz gewährt hat, seine Zuständigkeit für das Asylverfahren des Kindes analog Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO anerkennt und zu dessen Aufnahme bereit ist. Lehnt der ersuchte Mitgliedstaat die Aufnahme eines nachgeborenen Kindes ab, kann der ersuchende Mitgliedstaat das in Art. 37 Dublin III-VO geregelte Schlichtungsverfahren in Anspruch nehmen. 20 Der Verzicht auf die Durchführung des Aufnahmeverfahrens würde demgegenüber die Gefahr einer ""refugee in orbit""-Situation begründen, in der sich kein Mitgliedstaat für die sachliche Prüfung des Asylantrags als zuständig ansieht. Dies liefe dem zentralen Anliegen des Dublin-Regimes zuwider, einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Gewährleistung internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden (Erwägungsgrund 5 der Dublin III-VO; BVerwG, Urteile vom 9. August 2016 - 1 C 6.16 - BVerwGE 156, 9 Rn. 23 und vom 27. April 2016 - 1 C 24.15 - Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- und Asylrecht Nr. 82 Rn. 20). Nach alledem sieht der Senat jedenfalls keinen Raum für eine analoge Anwendung des Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO, die sich auch auf den Verzicht auf ein gesondertes Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach Satz 2 letzter Halbsatz dieser Vorschrift erstreckte. Auch eine Staatspraxis, dass dies in einem oder gar mehreren anderen Mitgliedstaaten so praktiziert werde, ist weder vorgetragen noch dem Senat ersichtlich. Der Senat sieht in Bezug auf die unionsrechtliche Notwendigkeit eines Aufnahmeverfahrens in der vorliegenden Fallkonstellation keinen Anlass zu Zweifeln und daher nach der ""acte-clair""-Doktrin keine Veranlassung zu einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union. 21 cc) Nach den den Senat bindenden tatrichterlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) hat die Beklagte an Italien weder ein Aufnahmegesuch gerichtet noch Italien über die Geburt der Klägerin unterrichtet. Die in Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 bzw. 2 Dublin III-VO vorgesehenen Fristen für das Aufnahmegesuch sind seit langem verstrichen. Das Berufungsgericht hat daher ohne Verletzung von Bundesrecht angenommen, dass die Bundesrepublik Deutschland selbst im Falle einer ursprünglichen Zuständigkeit Italiens jedenfalls nach Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3 Dublin III-VO für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin zuständig geworden wäre. Auf den Ablauf dieser Frist kann sich die Klägerin nach der Rechtsprechung des EuGH im Rahmen ihrer hier zur Entscheidung stehenden Klage gegen die Überstellungsentscheidung auch berufen (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-670/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​587], Mengesteab - Rn. 41 ff., 62). 22 b) Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides kann auch nicht als Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG aufrechterhalten oder in eine solche Entscheidung umgedeutet werden. Dies scheitert jedenfalls daran, dass die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift, die Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU umsetzt, ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Dies ist bei der in Deutschland geborenen Klägerin, die im Bundesgebiet erstmals einen Asylantrag gestellt hat, nicht der Fall. Nach der zutreffenden Rechtsauffassung des Berufungsgerichts kann die Regelung auch nicht deshalb auf die Klägerin analog angewandt werden, weil ihre Eltern Begünstigte internationalen Schutzes sind. Auf die dortigen Ausführungen (UA S. 25 ff.) wird Bezug genommen. Der EuGH hat im Übrigen mehrfach betont, dass Art. 33 Abs. 2 RL 2013/32/EU die Situationen, in denen die Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig betrachten können, abschließend aufzählt (vgl. EuGH, Urteile vom 19. März 2019 - C-297/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​219], Ibrahim u.a. - Rn. 76 und vom 19. März 2020 - C-564/18 [ECLI:​EU:​C:​2020:​218], Hivatal - Rn. 29 f.). 23 2. Da sich die Unzulässigkeitsentscheidung nach dem oben Aufgeführten als rechtswidrig erweist, hat das Berufungsgericht zu Recht auch die Aufhebung der - damit ebenfalls rechtswidrigen - Folgeentscheidungen über das Nichtbestehen von Abschiebungsverboten in Bezug auf Italien, die Abschiebungsandrohung und ein auf 30 Monate befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot bestätigt. 24 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor." bverwg_2020-47,13.08.2020,"Pressemitteilung Nr. 47/2020 vom 13.08.2020 EN Rechtsbereinigungsgesetze begründen regelmäßig keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen bestandskräftig abgeschlossener Verwaltungsverfahren Die Aufhebung des § 100a Abs. 1 BVFG 2001 durch Gesetz vom 7. November 2015 hat keine Rückwirkung auf bereits bestandskräftig abgeschlossene Bescheinigungsverfahren nach § 15 Abs. 1 BVFG. Damit liegen mangels Änderung der Rechtslage zugunsten der Betroffenen die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht vor. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die in der ehemaligen Sowjetunion geborene Klägerin reiste im Mai 2000 mit einem Aufnahmebescheid in das Bundesgebiet ein. Ihr Antrag auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG wurde im März 2002 abgelehnt, weil sie sich nicht durchgängig zum deutschen Volkstum bekannt habe; dagegen eingelegte Rechtsmittel blieben ohne Erfolg. Im Oktober 2009 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung. Das Bundesverwaltungsamt lehnte ein Wiederaufgreifen des Verfahrens ab. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG lägen nicht vor, weil sich die Rechtslage nicht nachträglich zugunsten der Klägerin geändert habe. Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG auszustellen. Eine Änderung der Rechtslage zugunsten der Klägerin sei mit Blick auf Artikel 2 Nr. 2a des Gesetzes zur Änderung des Häftlingshilfegesetzes und zur Bereinigung des Bundesvertriebenengesetzes vom 7. November 2015 (BGBl. I S. 1922), durch den § 100a Abs. 1 BVFG 2001 aufgehoben worden sei, eingetreten. Nach dem Wegfall des § 100a Abs. 1 BVFG 2001 sei für Anträge nach § 15 Abs. 1 BVFG von vor dem 7. September 2001 eingereisten Personen wieder die zuvor geltende Rechtslage, also das Bundesvertriebenengesetz 1993, maßgeblich geworden. Die Klägerin erfülle auch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BVFG 1993, der zum Zeitpunkt ihrer Einreise gegolten habe. Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG liegen nicht vor, weil sich die der ablehnenden Entscheidung vom März 2002 zugrundeliegende Rechtslage nicht nachträglich zugunsten der Klägerin geändert hat. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hat die Aufhebung des § 100a Abs. 1 BVFG 2001, der die Anwendung des nach dem 7. September 2001 geltenden Rechts auf Anträge nach § 15 Abs. 1 BVFG regelte, keine Rückwirkung auf bereits bestandskräftig abgeschlossene Bescheinigungsverfahren. Denn der Gesetzgeber ging davon aus, dass es sich bei § 100a Abs. 1 BVFG 2001 um eine überholte Übergangsvorschrift handelt, deren Zweck sich erledigt hat. Aus dem Charakter der Norm als Rechtsbereinigungsvorschrift folgt, dass die Aufhebung des § 100a Abs. 1 BVFG allein Wirkung für die Zukunft (ex nunc) hat und nicht auch für in der Vergangenheit abgeschlossene Bescheinigungsverfahren. BVerwG 1 C 23.19 - Urteil vom 13. August 2020 Vorinstanzen: OVG Münster, 11 A 1051/17 - Urteil vom 03. Dezember 2018 - VG Köln, 10 K 688/15 - Urteil vom 08. März 2017 -","Urteil vom 13.08.2020 - BVerwG 1 C 23.19ECLI:DE:BVerwG:2020:130820U1C23.19.0 EN Kein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens wegen nachträglich durch Rechtsbereinigungsgesetz ex nunc geänderter Rechtslage bei bestandskräftig abgeschlossenen Bescheinigungsverfahren Leitsatz: Die Aufhebung des § 100a Abs. 1 BVFG (2001) durch Art. 2 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Häftlingshilfegesetzes und zur Bereinigung des Bundesvertriebenengesetzes vom 7. November 2015 (BGBl. I S. 1922), der die Anwendung des nach dem 7. September 2001 geltenden Rechts auch auf Anträge nach § 15 Abs. 1 BVFG regelte, hat allein Wirkung für die Zukunft (ex nunc). Sie begründet keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen bestands- bzw. rechtskräftig abgeschlossener Bescheinigungsverfahren nach § 15 Abs. 1 BVFG. Rechtsquellen BVFG §§ 4, 6 Abs. 2, § 15 Abs. 1, § 100a Abs. 1 VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 Instanzenzug VG Köln - 08.03.2017 - AZ: VG 10 K 688/15 OVG Münster - 03.12.2018 - AZ: OVG 11 A 1051/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 13.08.2020 - 1 C 23.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:130820U1C23.19.0] Urteil BVerwG 1 C 23.19 VG Köln - 08.03.2017 - AZ: VG 10 K 688/15 OVG Münster - 03.12.2018 - AZ: OVG 11 A 1051/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. August 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke und Dr. Rudolph, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. Dezember 2018 geändert. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 8. März 2017 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung. 2 Die ... in der ehemaligen Sowjetunion (heute Kasachstan) geborene Klägerin reiste im Mai 2000 mit einem Aufnahmebescheid in das Bundesgebiet ein. Ihr Antrag auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung wurde mit Bescheid vom 19. März 2002 unter Verweis auf die russische Nationalitäteneintragung im ersten Inlandspass und das fehlende durchgängige Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgelehnt. Gegen diesen Bescheid eingelegte Rechtsmittel blieben ohne Erfolg. 3 Mit Schreiben vom 20. Oktober 2009 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung, hilfsweise im Rahmen des Wiederaufgreifens des Verfahrens, den das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 5. August 2014 wegen der rechtskräftig bestätigten Ablehnung des ersten Antrags ablehnte. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG, weil die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG versäumt sei. Unabhängig hiervon lägen auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht vor, weil keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG gegeben sei. Auch ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im Ermessenswege nach § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG komme nicht in Betracht. 4 Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Entscheidung mit Urteil vom 3. Dezember 2018 geändert und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine Spätaussiedlerbescheinigung auszustellen. Die Klägerin habe gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens. Eine Änderung der Rechtslage sei mit Blick auf die Bestimmung des Art. 2 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Häftlingshilfegesetzes und zur Bereinigung des Bundesvertriebenengesetzes vom 7. November 2015 (BGBl. I S. 1922), durch den § 100a Abs. 1 BVFG aufgehoben worden sei, eingetreten. Nach dem Wegfall des § 100a Abs. 1 BVFG 2001 sei für Anträge nach § 15 Abs. 1 BVFG von vor dem 7. September 2001 eingereisten Antragstellern wieder die zuvor geltende Rechtslage, also das Bundesvertriebenengesetz 1993, maßgeblich geworden. Durch den Wegfall des § 100a Abs. 1 BVFG 2001 habe sich die Rechtslage auch zugunsten der Klägerin geändert. Denn die Frage, ob sie deutsche Volkszugehörige sei, beurteile sich nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG 1993, der zum Zeitpunkt ihrer Einreise gegolten habe. Diese Vorschrift sehe (lediglich) vor, dass sich der Antragsteller bis zum Verlassen des Aussiedlungsgebiets zur deutschen Nationalität erklärt habe; ein durchgängiges Bekenntnis ""nur"" zum deutschen Volkstum sei - anders als nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG 2001 - nicht erforderlich. Der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens sei auch nach § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG fristgerecht gestellt worden. Die Klägerin erfülle schließlich die Voraussetzungen der Spätaussiedlereigenschaft im Zeitpunkt ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland. 5 Zur Begründung der vom erkennenden Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 100a Abs. 1 BVFG 2001 i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG. Der Wegfall des § 100a Abs. 1 BVFG 2001 sei für unter der Geltung dieser Vorschrift bestands- oder rechtskräftig abgeschlossene Bescheinigungsverfahren folgenlos geblieben. Die Aufhebung des § 100a Abs. 1 BVFG 2001 sei allein für die Zukunft (ex nunc) erfolgt, weil der Gesetzgeber keine Anwendungsfälle der Norm mehr gesehen habe. Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG wegen Änderung der Rechtslage ergebe sich aus dem Wegfall nicht. 6 Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und schließt sich der Auffassung der Beklagten an. II 8 Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung im Wege des Wiederaufgreifens des bestandskräftig abgeschlossenen Bescheinigungsverfahrens. Zwar hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, dass eine positive Entscheidung über das Begehren auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung zwingend ein vorheriges Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG voraussetzt (dazu 1.). Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG hat es jedoch zu Unrecht bejaht (dazu 2. und 3.). Das angegriffene Urteil stellt sich auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen hinreichenden Tatsachenfeststellungen auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), so dass der Senat abschließend zulasten der Klägerin entscheiden kann (dazu 4.). 9 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des von der Klägerin mit der Verpflichtungsklage verfolgten Anspruchs sind § 51 VwVfG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102) sowie das Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz - BVFG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. August 2007 (BGBl. I S. 1902), zuletzt geändert durch Art. 162 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328). 10 1. Nachdem der im Jahr 2000 erstmals gestellte Antrag der Klägerin auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG unanfechtbar abgelehnt worden ist, kann ihr Begehren nur Erfolg haben, wenn sie zuvor ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG (Anspruch auf Wiederaufgreifen) oder nach § 51 Abs. 5 i.V.m. den §§ 48, 49 VwVfG (Wiederaufgreifen nach Ermessen) erreicht. Für eine erneute Sachentscheidung über einen Neuantrag unmittelbar auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 BVFG - wie sie die Klägerin mit Schreiben vom 20. Oktober 2009 begehrt hat - ist demgegenüber kein Raum. Einer solchen Neuentscheidung steht die Bestandskraft der ablehnenden Entscheidung vom 19. März 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2003 entgegen, die durch rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts S. vom 15. November 2004 bestätigt wurde. Bei der Versagung einer vertriebenenrechtlichen Spätaussiedlerbescheinigung handelt es sich nicht um einen Fall, in dem die ablehnende Entscheidung nur im Hinblick auf eine bestimmte Situation oder Rechtslage eine Regelung trifft und etwa für einen späteren neuen Sachverhalt oder eine geänderte Rechtslage keine Geltung beansprucht (zu derartigen Fällen vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 14. März 1984 - 6 C 107.82 - BVerwGE 69, 90 <93>). Ablehnende Entscheidungen über Anträge auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung beanspruchen vielmehr grundsätzlich auch für einen späteren Sachverhalt oder eine geänderte Rechtslage Geltung. Eine Zweitentscheidung in der Sache setzt daher voraus, dass die Bestandskraft einer ablehnenden Entscheidung gemäß § 51 VwVfG überwunden wird. 11 2. Die Voraussetzungen eines Rechtsanspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG liegen nicht vor. Der allein geltend gemachte Wiederaufnahmegrund des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG ist nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. 12 Dies ist hier nicht der Fall. Zwar hat die Klägerin den erforderlichen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im Oktober 2009 gestellt. Der allein geltend gemachte Wiederaufnahmegrund des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG (Änderung der Rechtslage) liegt jedoch nicht vor, weil sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtslage nicht nachträglich zugunsten der Klägerin geändert hat. Eine nachträgliche Änderung der Rechtslage erfolgt zugunsten des Betroffenen, wenn sie für den ergangenen Verwaltungsakt entscheidungserhebliche Voraussetzungen betrifft, so dass die Änderung eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung erfordert (BVerwG, Urteile vom 10. Oktober 2018 - 1 C 26.17 - Buchholz 412.3 § 27 BVFG Nr. 25 Rn. 18 und vom 20. November 2018 - 1 C 23.17 - BVerwGE 163, 370 Rn. 13; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 51 Rn. 92). Die Änderung der Rechtslage muss gerade solche Umstände betreffen, die für den Verwaltungsakt tatsächlich maßgeblich waren. Die Formulierung in § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ""die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage"" verdeutlicht, dass nachträglich die für den Verwaltungsakt maßgeblichen Rechtsnormen, also dessen entscheidungserhebliche rechtliche Grundlagen, geändert sein müssen. 13 2.1 Das Berufungsgericht hat zunächst zutreffend angenommen, dass sich eine Änderung der Rechtslage nicht, wie von der Klägerin geltend gemacht, aus einer Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (hier: Urteil vom 13. September 2007 - 5 C 38.06 - BVerwGE 129, 265) ergibt. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung bewirkt grundsätzlich keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG. Denn ungeachtet ihrer Auswirkungen bleiben gerichtliche Entscheidungen eine rechtliche Würdigung des Sachverhalts am Maßstab der vorgegebenen Rechtsordnung und sind demnach weder geeignet noch darauf angelegt, die Rechtslage konstitutiv zu verändern (BVerwG, Urteil vom 11. September 2013 - 8 C 4.12 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 48 Rn. 21). Eine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG erfasst nur einen Wandel der normativen Bestimmungen, nicht aber eine Änderung der Norminterpretation (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 - 5 C 9.11 - BayVBl 2012, 478 Rn. 27). 14 2.2 Zutreffend ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass das am 14. September 2013 in Kraft getretene Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3554) - 10. BVFG-Änderungsgesetz - keine Rechtsänderung bewirkt hat, die sich zugunsten der Klägerin, die bereits im Mai 2000 in das Bundesgebiet eingereist ist, auswirken konnte. Für die Beurteilung im Bescheinigungsverfahren, ob eine Person nach §§ 4 und 6 BVFG Spätaussiedler ist, kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus Gründen des materiellen Rechts grundsätzlich auf die Rechtslage bei Aufnahme in das Bundesgebiet an. Die Fixierung des Zeitpunkts, nach dem sich entscheidet, ob eine Person Spätaussiedler geworden ist, auf den Zeitpunkt der Aufenthaltnahme hat zur Folge, dass einem Antragsteller ihm günstige Rechtsänderungen nach diesem Zeitpunkt grundsätzlich nicht mehr zugutekommen (BVerwG, Urteile vom 16. Juli 2015 - 1 C 29.14 - BVerwGE 152, 283 Rn. 38 und vom 10. Oktober 2018 - 1 C 26.17 - Buchholz 412.3 § 27 BVFG Nr. 25 Rn. 24). Die Änderungen der Voraussetzungen des Spätaussiedlerstatus durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz entfalten mangels Übergangsvorschriften auch keine Rückwirkung auf Übersiedlungen vor seinem Inkrafttreten (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2018 - 1 C 26.17 - a.a.O. Rn. 25 f.). 15 2.3 Mit Bundesrecht unvereinbar ist hingegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Aufhebung des § 100a Abs. 1 BVFG 2001 durch Art. 2 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Häftlingshilfegesetzes und zur Bereinigung des Bundesvertriebenengesetzes vom 7. November 2015 (BGBl. I S. 1922), der die Anwendung des nach dem 7. September 2001 geltenden Rechts auch auf Anträge nach § 15 Abs. 1 BVFG regelte, einen Anspruch auf Wiederaufgreifen begründe. Eine Änderung der Rechtslage zugunsten des Betroffenen im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG liegt nur vor, wenn die für den Verwaltungsakt maßgeblichen Rechtsnormen, also dessen entscheidungserhebliche rechtliche Grundlagen, nachträglich geändert werden, so dass die Änderung eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung erfordert oder doch ermöglicht (BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rn. 14; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 51 Rn. 92). Das ist nicht der Fall bei Rechtsänderungen, die abschließend getroffene Verwaltungsentscheidungen unberührt lassen (Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 51 Rn. 99; Engels, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 51 Rn. 27). 16 Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts entfaltet die Aufhebung des § 100a Abs. 1 BVFG 2001 zwar Wirkung für noch offene (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. August 2016 - 1 B 83.16 - juris), jedoch keine Rückwirkung auf bereits bestands- bzw. rechtskräftig abgeschlossene Bescheinigungsverfahren. Die Auslegung der durch Art. 2 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Häftlingshilfegesetzes und zur Bereinigung des Bundesvertriebenengesetzes vom 7. November 2015 (BGBl. I S. 1922) erfolgten Änderung ergibt, dass der Gesetzeszweck nicht darauf gerichtet war, eine Rechtsänderung für im Bundesgebiet bereits aufgenommene Personen, deren Bescheinigungsverfahren bestandskräftig abgeschlossen ist, herbeizuführen und abschließend bewirkte Rechtsfolgen aufzuheben (vgl. auch BVFG-VwV vom 1. Januar 2016 ). Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, ging der Gesetzgeber davon aus, dass es sich bei § 100a Abs. 1 BVFG 2001 um eine überholte Übergangsvorschrift handelt (vgl. BT-Drs. 18/4625 S. 1), deren Zweck sich erledigt hat, ""da solche Fälle inzwischen abgeschlossen sind"". Es sollte durch die Aufhebung der Norm dem ""Gebot der Rechtsbereinigung"" entsprochen werden (vgl. BT-Drs. 18/4625 S. 11). Aus dem Charakter der Norm als Rechtsbereinigungsvorschrift folgt, dass die Aufhebung des § 100a Abs. 1 BVFG 2001 allein Wirkung für die Zukunft (ex nunc) und nicht auch für in der Vergangenheit bereits abgeschlossene Bescheinigungsverfahren (ex tunc-Wirkung) hat. Im Rahmen einer Rechtsbereinigung im engeren Sinne werden gegenstandslos gewordene Rechtsvorschriften aufgehoben, die nur befristet galten oder aus anderen Gründen für heutige Sachverhalte keine Wirkung mehr entfalten. Eine Änderung der Rechtslage tritt durch diese rein formale Form der Bereinigung nicht ein (siehe auch Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag - WD 3-3000-027/18 - vom 7. Februar 2018 S. 3). Ein Wiederaufgreifen des Verfahrens mit der Begründung, es sei entgegen der aufgehobenen Vorschrift nunmehr das vor dem 7. September 2001 geltende Recht anzuwenden, ist daher ausgeschlossen (vgl. in diesem Sinne auch: Klappert, in: Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand: 1. Juli 2020, § 100a BVFG Rn. 4). 17 3. Mangels Vorliegens von Wiederaufgreifensgründen ist den Bedenken nicht nachzugehen, ob die Auffassung des Berufungsgerichts, aus einer in anderen Verfahren gewonnenen Kenntnis des Klägerbevollmächtigten von der geänderten Rechtslage folge nicht zugleich eine (für die Einhaltung der Frist für einen Wiederaufgreifensantrag nach § 51 Abs. 3 VwVfG maßgebliche) positive Kenntnis aller den Wiederaufgreifensgrund im Verfahren der Klägerin maßgeblich bildenden Tatsachen, sondern allenfalls ein der positiven Kenntnis gerade nicht gleichstehendes Kennenmüssen (UA S. 15), ebenfalls gegen Bundesrecht verstößt. 18 4. Das Berufungsurteil erweist sich schließlich nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Klägerin hat insbesondere auch nach § 51 Abs. 5 i.V.m. den §§ 48, 49 VwVfG keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens. Die Beklagte hat ein Wiederaufgreifen nach diesen Vorschriften vielmehr ermessensfehlerfrei abgelehnt. 19 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Behörde - auch wenn, wie hier, die in § 51 Abs. 1 VwVfG normierten Voraussetzungen nicht vorliegen - ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren wieder aufgreifen und eine neue, der gerichtlichen Überprüfung zugängliche Entscheidung treffen (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne). Hinsichtlich der in § 51 Abs. 5 i.V.m. den §§ 48, 49 VwVfG zu sehenden Ermächtigung zum Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne, die die Korrektur inhaltlich unrichtiger Entscheidungen ermöglicht, besteht für den Betroffenen allerdings nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (BVerwG, Urteile vom 21. Juni 2017 - 6 C 43.16 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 196 Rn. 9 m.w.N. und vom 20. November 2018 - 1 C 23.17 - BVerwGE 163, 370 Rn. 25). Der Gesetzgeber räumt bei der Aufhebung bestandskräftiger belastender Verwaltungsakte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise weder dem Vorrang des Gesetzes noch der Rechtssicherheit als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips einen generellen Vorrang ein. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit besteht jedoch ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung ""schlechthin unerträglich"" ist, was von den Umständen des Einzelfalls und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Januar 1994 - 2 C 12.92 - BVerwGE 95, 86 <92>, vom 17. Januar 2007 - 6 C 32.06 - NVwZ 2007, 709 Rn. 13, vom 20. März 2008 - 1 C 33.07 - Buchholz 402.242 § 54 AufenthG Nr. 5 Rn. 13 und vom 24. Februar 2011 - 2 C 50.09 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 58 Rn. 11, jeweils m.w.N.). Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann schlechthin unerträglich, wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich (BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 6 C 32.06 - NVwZ 2007, 709 Rn. 13, vom 13. Dezember 2011 - 5 C 9.11 - BayVBl 2012, 478 Rn. 29 f. und vom 20. November 2018 - 1 C 23.17 - BVerwGE 163, 370 Rn. 26). 20 Diese Voraussetzungen liegen auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht vor. Für einen Verstoß gegen Treu und Glauben sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die bestandskräftige und rechtskräftig bestätigte Ablehnung der Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung war auch nicht offensichtlich rechtswidrig. Sie basierte auf der in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 - BVerwGE 99, 133 <140 f.> und vom 12. November 1996 - 9 C 8.96 - BVerwGE 102, 214 <217>) stehenden Annahme, dass in der Angabe einer anderen als der deutschen Nationalität gegenüber amtlichen Stellen grundsätzlich ein die deutsche Volkszugehörigkeit ausschließendes Gegenbekenntnis zu einem anderen Volkstum liegt. Allein der Umstand, dass der vom Wiederaufgreifen des Verfahrens betroffene Bescheid vom 19. März 2002 - gemessen an den sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. September 2007 - 5 C 38.06 - (BVerwGE 129, 265 Rn. 25) ergebenden Anforderungen - nicht rechtmäßig hätte verfügt werden dürfen, genügt für die Annahme seiner offensichtlichen Rechtswidrigkeit nicht (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 - 5 C 9.11 - BayVBl 2012, 478 Rn. 29). Es ist auch nicht ersichtlich und geltend gemacht worden, dass die Beklagte in vergleichbaren Fällen das Verfahren wieder aufgegriffen und damit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen hätte. 21 Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung zu. Die Beklagte hat ihr Ermessen über das Wiederaufgreifen des Verfahrens fehlerfrei zulasten der Klägerin ausgeübt. Ist die Aufrechterhaltung eines bestandskräftigen Verwaltungsakts nicht ""schlechthin unerträglich"" und das Wiederaufgreifensermessen damit auf Null reduziert, ist es in aller Regel und so auch hier ermessensfehlerfrei, wenn die Behörde dem Aspekt der Rechtssicherheit den Vorzug gibt. Ins Einzelne gehender Ermessenserwägungen bedarf es insoweit nicht. 22 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2020-49,20.08.2020,"Pressemitteilung Nr. 49/2020 vom 20.08.2020 EN Zustellungsfiktion bei erfolgloser Zustellung einer Asylablehnung an eine von einer öffentlichen Stelle mitgeteilte Anschrift Die Zustellungsfiktion des § 10 Abs. 2 Satz 2 Asylgesetz (AsylG), nach der ein Asylbewerber Zustellversuche des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) unter der letzten bekannten Anschrift auch dann gegen sich gelten lassen muss, wenn diese dem Bundesamt nicht vom Ausländer selbst, sondern durch eine öffentliche Stelle mitgeteilt worden ist, steht im Einklang mit dem Unionsrecht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger stellte Ende 2013 einen Asylantrag. Bei Antragstellung wurde er darüber belehrt, dass er dem Bundesamt jeden Wohnungswechsel umgehend mitzuteilen hat, Mitteilungen, Ladungen und Entscheidungen immer an die letzte bekannte Anschrift übersandt werden und auch dann wirksam sind, wenn er dort nicht mehr wohnt. In der Folgezeit ist der Kläger mehrfach umgezogen, ohne dies jeweils dem Bundesamt mitzuteilen. Im Februar 2015 wurde dem Bundesamt von der Ausländerbehörde die seinerzeit aktuelle Anschrift mitgeteilt. Nachdem der Kläger unter dieser Anschrift 2016 weder zur persönlichen Anhörung geladen noch ihm Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben werden konnte, lehnte das Bundesamt den Asylantrag im August 2016 als offensichtlich unbegründet ab. Auch dieser Bescheid konnte dem Kläger unter der von der Ausländerbehörde mitgeteilten Anschrift tatsächlich nicht zugestellt werden, weil er dort seit April 2015 nicht mehr wohnte. Eine vom Kläger Anfang 2017 erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Dies wurde damit begründet, dass der Kläger die einwöchige Klagefrist, die mit der Zustellung beginne, versäumt habe. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Der angegriffene Bescheid gilt nach § 10 Abs. 2 Satz 2 und 4 AsylG mit der Aufgabe zur Post im August 2016 als zugestellt. Die Zustellungsfiktion des § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG setzt allerdings voraus, dass die öffentliche Stelle eine zutreffende Anschrift mitgeteilt hat. Denn der Ausländer trägt nicht das Risiko der Unrichtigkeit einer nicht von ihm stammenden und ihm regelmäßig nicht bekannten Mitteilung über seine Anschrift. Dass die Zustellungsfiktion auch dann greift, wenn die letzte bekannte Anschrift nicht vom Kläger selbst, sondern von einer öffentlichen Stelle mitgeteilt worden ist, steht im Einklang mit Art. 13 Abs. 2 Buchst. c Richtlinie 2013/32/EU (sog. Verfahrensrichtlinie). Auch in diesem Fall beruht das Scheitern einer Zustellung darauf, dass der Ausländer keine hinreichenden Vorkehrungen für den Empfang behördlicher Sendungen an seiner tatsächlichen Wohnanschrift getroffen hat. Die Berücksichtigung einer von einer öffentlichen Stelle zutreffend mitgeteilten Anschriftenänderung begünstigt ihn letztlich, indem er rechtlich so gestellt wird, als wenn er diesen Anschriftenwechsel selbst mitgeteilt hätte. Dies entbindet den Ausländer aber nicht von der fortbestehenden Verpflichtung, auch jeden weiteren Anschriftenwechsel mitzuteilen, und rechtfertigt es, die erneute Verletzung dieser Obliegenheit mit einer Zustellungsfiktion zu verknüpfen; die Verfahrensrichtlinie lässt hierfür dem nationalen Gesetzgeber Spielraum. Die damit verbundenen Konsequenzen der zurechenbaren Verletzung der für den Schutzsuchenden zumutbaren und ohne Weiteres zu erfüllenden Mitwirkungsobliegenheit, seine stete Erreichbarkeit zu gewährleisten, führen weder zu einer übermäßigen Erschwerung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf noch verstoßen sie gegen das materiell-rechtliche Refoulementverbot. BVerwG 1 C 28.19 - Urteil vom 20. August 2020 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 3 B 18.18 - Beschluss vom 08. Juli 2019 - VG Berlin, 32 K 394.17 A - Beschluss vom 20. Februar 2018 -","Urteil vom 20.08.2020 - BVerwG 1 C 28.19ECLI:DE:BVerwG:2020:200820U1C28.19.0 EN Zustellungsfiktion bei erfolgloser Zustellung einer Asylablehnung an eine von einer öffentlichen Stelle mitgeteilte Anschrift Leitsätze: 1. Die Zustellungsfiktion des § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG knüpft an eine der zustellenden Behörde von einer öffentlichen Stelle zutreffend mitgeteilte Anschrift des Ausländers an; nicht erforderlich ist, dass diese Anschrift auch noch im Zeitpunkt des Zustellversuchs aktuell ist. 2. Im Ausländerzentralregister gespeicherte Angaben sind dem Bundesamt als Asylbehörde nicht im Sinne von § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG mitgeteilt. 3. Der Hinweis in einer Rechtsbehelfsbelehrung, dass die Klage ""in deutscher Sprache abgefasst"" sein muss, macht diese nicht unrichtig (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 C 6.18 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 94). Rechtsquellen AsylG § 10 Abs. 1, 2 und 7, §§ 33, 36 Abs. 3, § 74 Abs. 1, § 77 Abs. 1 AZRG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 3 Abs. 2 Nr. 6, § 6 Abs. 1 Nr. 3, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 2 EMRK Art. 3 VwGO §§ 55a, 58 Abs. 1, §§ 60, 78 Abs. 1 Nr. 1 AEUV Art. 267 GRC Art. 18, 19 Abs. 2, Art. 47 RL 2013/32/EU Art. 5, 13 Abs. 1, 2 Buchst. c, Art. 46, 52 Abs. 1 Instanzenzug VG Berlin - 20.02.2018 - AZ: VG 32 K 394.17 A OVG Berlin-Brandenburg - 08.07.2019 - AZ: OVG 3 B 18.18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 20.08.2020 - 1 C 28.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:200820U1C28.19.0] Urteil BVerwG 1 C 28.19 VG Berlin - 20.02.2018 - AZ: VG 32 K 394.17 A OVG Berlin-Brandenburg - 08.07.2019 - AZ: OVG 3 B 18.18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. August 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Juli 2019 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger, ein ägyptischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags. 2 Der Kläger stellte Ende 2013 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. Dabei wurde er auf die Zustellungsvorschriften des § 10 Abs. 1 und 2 AsylG hingewiesen. In der Folgezeit zog er mehrfach um, ohne dies jeweils dem Bundesamt mitzuteilen. Im Februar 2015 teilte die Ausländerbehörde dem Bundesamt die seinerzeit aktuelle Anschrift des Klägers mit. Unter dieser Anschrift konnten ihm im Mai 2016 weder eine Ladung zur persönlichen Anhörung noch eine Fristsetzung zur schriftlichen Stellungnahme tatsächlich zugestellt werden. 3 Mit Bescheid vom 2. August 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab. Zugleich lehnte es den Antrag auf subsidiären Schutz ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, drohte dem Kläger die Abschiebung nach Ägypten an, falls er das Bundesgebiet nicht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung verlasse, und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Auch dieser - der Post am 5. August 2016 zum Zwecke der Zustellung übergebene - Bescheid konnte unter der von der Ausländerbehörde mitgeteilten Anschrift tatsächlich nicht zugestellt werden, weil der Kläger dort seit April 2015 nicht mehr wohnte. 4 Die 2017 vom Kläger gegen den Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht als unzulässig abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die - im Hauptantrag (nur noch) auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete - Berufung des Klägers mit Beschluss vom 8. Juli 2019 zurückgewiesen. Die einwöchige Klagefrist habe nach § 10 Abs. 2 Satz 2 und 4 AsylG mit der Übergabe des Bescheids zur Post zu laufen begonnen. Die Verpflichtung, dem Bundesamt jeden Wohnungswechsel anzuzeigen, bestehe auch dann, wenn die letzte bekannte Anschrift von einer öffentlichen Stelle - hier der Ausländerbehörde - mitgeteilt worden sei und der Schutzsuchende danach erneut umziehe. Eine neue Anschrift sei dem Bundesamt nicht bekannt gewesen; zu weiteren Ermittlungen sei es nicht verpflichtet. Das Datenaustauschverbesserungsgesetz von 2016 habe an dieser Rechtslage nichts geändert. Bei der seitdem im Ausländerzentralregister zu speichernden Anschrift eines Asylbewerbers handele es sich nicht um eine von einer öffentlichen Stelle mitgeteilte Anschrift im Sinne von § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG, da das AZR-Gesetz zwischen dem Bundesamt als ""Asyl-"" und als ""Registerbehörde"" unterscheide. Die Zustellungsfiktion des § 10 Abs. 2 AsylG unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, verstoße nicht gegen das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und sei auch dann mit Art. 13 Abs. 2 RL 2013/32/EU vereinbar, wenn dem Bundesamt die letzte Anschrift nicht vom Kläger, sondern von einer öffentlichen Stelle mitgeteilt worden sei. Den Zustellungsfiktionen in § 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 AsylG lägen vergleichbare Sachverhalte zugrunde und sie verfolgten identische Zwecke. Die dem Bescheid beigefügte Rechtsmittelbelehrung sei nicht zu beanstanden. 5 Der Kläger macht mit der Revision geltend, § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG verstoße gegen Art. 13 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/32/EU und gegen das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf sowie - mangels inhaltlicher Prüfung - gegen das Refoulementverbot. Nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/32/EU müsse ein Schutzsuchender nicht Zustellungen an eine Adresse gegen sich gelten lassen, die von Dritten, etwa öffentlichen Stellen, mitgeteilt worden sei. Bei positiver Kenntnis der Behörde, dass ein Antragsteller nicht mehr unter der zuletzt mitgeteilten Anschrift aufhältig sei, dürfe an diese nicht weiter zugestellt werden. Bei Zustellung an eine durch eine öffentliche Stelle mitgeteilte Anschrift müsse diese im Zeitpunkt des Zustellversuchs zutreffen. 6 Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung. II 7 Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Verstoß gegen Bundesrecht davon ausgegangen, dass die Klage mangels rechtzeitiger Klageerhebung unzulässig ist. Der angegriffene Bescheid gilt nach § 10 Abs. 2 Satz 2 und 4 AsylG mit der Übergabe zur Post am 5. August 2016 als zugestellt (1.). Das Bundesamt musste trotz bestehender Zweifel hinsichtlich der Erreichbarkeit des Klägers unter der letzten mitgeteilten Anschrift keine Nachforschungen betreiben, insbesondere bedurfte es keiner Einholung einer Auskunft aus dem Ausländerzentralregister zur aktuellen Anschrift des Klägers (2.). Die gesetzliche Zustellungsfiktion ist verfassungsgemäß (3.) und überschreitet nicht den Rahmen der den Mitgliedstaaten in Art. 13 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung, ABl. L 180 S. 60) - RL 2013/32/EU - eingeräumten Handlungsmöglichkeiten (4.). Die mit der Verletzung der Obliegenheit zur unverzüglichen Mitteilung jedes Wohnungswechsels verbundenen gesetzlichen Konsequenzen führen weder zu einer Verletzung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf (5.) noch verstoßen sie gegen das Refoulementverbot (6.). Der Einholung einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bedarf es nicht (7.). Die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung entsprach den gesetzlichen Anforderungen (8.). Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor (9.). 8 Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Klage unzulässig ist, weil der Kläger nicht innerhalb einer Woche nach Zustellung des angegriffenen Bescheids Klage erhoben hat (§ 74 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 und § 10 AsylG). 9 1. Der Bescheid vom 2. August 2016 gilt nach § 10 Abs. 2 Satz 2 und 4 AsylG mit der am 5. August 2016 erfolgten Übergabe an die Post zum Zwecke der Zustellung an den Kläger als zugestellt. 10 1.1 § 10 AsylG begründet besondere Vorsorge- und Mitwirkungsobliegenheiten, bei deren Verletzung der Ausländer mit für ihn nachteiligen rechtlichen Konsequenzen rechnen muss. Nach § 10 Abs. 1 AsylG hat er während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen des Bundesamts, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können; insbesondere hat er diesen Stellen jeden Wechsel seiner Anschrift unverzüglich anzuzeigen. Verletzt der Ausländer diese - ihm in seinem eigenen Interesse an einer zügigen Bearbeitung seines Asylantrags auferlegte - Obliegenheit, muss er damit rechnen und über die Regelungen in § 10 Abs. 2 AsylG hinnehmen, dass ihn Mitteilungen im Asylverfahren nicht erreichen, ohne dass er sich hierauf berufen kann. Insbesondere muss er nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AsylG Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle aufgrund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. Das Gleiche gilt, wenn die letzte bekannte Anschrift, unter der der Ausländer wohnt oder zu wohnen verpflichtet ist, durch eine öffentliche Stelle mitgeteilt worden ist (Satz 2). Kann die Sendung dem Ausländer nicht zugestellt werden, so gilt die Zustellung mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, selbst wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt (Satz 4). Diese Zustellungsfiktionen dienen der Vermeidung von Verzögerungen im Asylverfahren und der Behebung von Zustellungsschwierigkeiten bei unbekanntem Aufenthalt des Ausländers (BT-Drs. 9/875 S. 18 zur Vorgängerregelung in § 12 AsylVfG 1982). 11 Diese Obliegenheit, dem Bundesamt spätere Anschriftenänderungen unverzüglich mitzuteilen, besteht auch dann, wenn dem Bundesamt die zuletzt bekannte Anschrift nicht vom Ausländer, sondern von einer öffentlichen Stelle - hier im Februar 2015 von der zuständigen Ausländerbehörde - mitgeteilt worden ist und der Ausländer danach erneut umzieht. Allerdings muss die Mitteilung durch eine öffentliche Stelle zutreffend sein, weil der Ausländer nicht das Risiko der Unrichtigkeit einer nicht von ihm stammenden und ihm regelmäßig nicht bekannten Mitteilung über seine Anschrift trägt (s.a. BT-Drs. 12/4450 S. 16). Damit kommt § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG zur Anwendung, wenn der Ausländer bei Zugang der Mitteilung unter der mitgeteilten Anschrift wohnte. Was gilt, wenn der Ausländer vor Zugang der Mitteilung erneut umgezogen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Nicht erforderlich ist jedenfalls, dass die von einer öffentlichen Stelle mitgeteilte Anschrift auch noch im Zeitpunkt des Zustellversuchs aktuell ist. Andernfalls verlöre die Zustellungsfiktion des § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG ihren Sinn und Zweck. 12 Die gegenteilige und allein mit dem im Präsens formulierten Wortlaut (""wohnt"" bzw. ""zu wohnen verpflichtet ist"") begründete Auffassung, wonach es für die Richtigkeit der Mitteilung auf den Zeitpunkt des Zustellungsversuchs ankomme (so VG Minden, Urteil vom 14. Dezember 2010 - 10 K 1890/10.A - juris Rn. 26 ff.), überzeugt nicht. Die Wahl des Präsens streitet keineswegs eindeutig oder auch nur überwiegend dafür, dass ein Ausländer, dem ein Schriftstück zugestellt werden soll, auch (noch) zum Zeitpunkt der Zustellung unter der von einer öffentlichen Stelle (zutreffend) mitgeteilten Anschrift wohnen oder verpflichtet sein muss, dort zu wohnen. Unter Berücksichtigung des natürlichen Sprachgebrauchs und der ausdrücklichen Anknüpfung an die ""letzte bekannte"" Anschrift dient die im Präsens gefasste Formulierung vor allem der abstrakten Umschreibung des Ortes, an den in einem Asylverfahren zuzustellen ist und auf den sich folglich die Mitteilung beziehen muss. Systematisch steht dieses Verständnis mit der sich aus § 10 Abs. 1 AsylG ergebenden Obliegenheit des Ausländers im Einklang, Vorsorge für seine Erreichbarkeit zu treffen; diese wird durch § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG nicht berührt (BT-Drs. 12/4450 S. 16). Nach der gegenteiligen Auffassung wäre im Falle einer nicht vom Ausländer selbst mitgeteilten, sondern (nur) durch eine öffentliche Stelle bekannt gewordenen Anschriftenänderung jede erneute Obliegenheitsverletzung anlässlich weiterer Wohnungswechsel nicht mit rechtlichen Nachteilen verbunden. Denn das Bundesamt müsste an die letzte ihm bekannte Anschrift zustellen. Eine Zustellungsfiktion unter dieser Anschrift würde indes daran scheitern, dass sie dem Bundesamt nicht vom Ausländer mitgeteilt worden ist. Damit bliebe nur die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung, die nach der ratio legis des § 10 AsylG gerade vermieden werden soll. 13 1.2 Nach diesen Grundsätzen muss der Kläger die Zustellung des Bescheides vom 2. August 2016 gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 AsylG gegen sich gelten lassen. Er hatte im Zeitpunkt des erfolglosen Zustellungsversuchs im August 2016 für sein Asylverfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt. Bei Antragstellung im November 2013 hat er beim Bundesamt zwar seine damalige Anschrift angegeben. Er hat es aber versäumt, dem Bundesamt spätere Anschriftenänderungen (unverzüglich) mitzuteilen. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger bei Zugang der Mitteilung unter der durch die Ausländerbehörde mitgeteilten Anschrift auch gewohnt. 14 2. Auch wenn das Bundesamt hier aufgrund der tatsächlichen Nichtzustellbarkeit früherer Schreiben damit rechnen musste, dass der Kläger unter der letzten bekannten Anschrift nicht mehr erreichbar war, musste es vor Zustellung seines Bescheids im August 2016 keine Nachforschungen zum aktuellen Aufenthaltsort betreiben, insbesondere musste es keine Auskunft aus dem Ausländerzentralregister einholen. 15 a) Möglicherweise im Ausländerzentralregister gespeicherte Angaben zur seinerzeitigen Anschrift des Klägers waren dem Bundesamt als Asylbehörde nicht i.S.d. § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG mitgeteilt. Das Ausländerzentralregister (AZR) wird vom Bundesamt als Registerbehörde geführt (§ 1 Abs. 1 AZRG). In ihm werden seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Registrierung und des Datenaustausches zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken (Datenaustauschverbesserungsgesetz - DatAusVerbG -) vom 2. Februar 2016 (BGBl. I S. 130) am 5. Februar 2016 bei Asylantragstellern auch Angaben zur Anschrift im Bundesgebiet gespeichert (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, § 3 Abs. 2 Nr. 6 AZRG). Dies dient nach der Gesetzesbegründung der Erleichterung (kurzfristiger) Kontaktaufnahmen (BT-Drs. 18/7043 S. 42). Dass der Gesetzgeber bei Asylantragstellern mit der Speicherung von Angaben zur Anschrift im Bundesgebiet darüber hinaus auch in Bezug auf die gesetzlichen Zustellungsregelungen in § 10 AsylG etwas ändern wollte, ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. 16 Etwa im AZR gespeicherte Informationen zu dem Ausländer sind dem Bundesamt nicht als positives Wissen zuzurechnen und gelten auch sonst nicht als an dieses übermittelt. Dagegen spricht vor allem, dass das AZR-Gesetz ausdrücklich zwischen dem Bundesamt als ""Register-"" und als ""Asylbehörde"" differenziert. Als Asylbehörde ist das Bundesamt zur Übermittlung von Daten an die Registerbehörde verpflichtet (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 AZRG). Im umgekehrten Fall - der Übermittlung von Daten aus dem Register an die Asylbehörde - bedarf es - wie bei der Übermittlung an jede andere öffentliche Stelle - eines ausdrücklichen Übermittlungsersuchens (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 AZRG) und ist die Übermittlung nur unter den Voraussetzungen der §§ 10 ff. AZRG zulässig. Auch zum Abruf von Daten im automatisierten Verfahren bedarf das Bundesamt als Asylbehörde - wie andere öffentliche Stellen - einer ausdrücklichen Zulassung (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 AZRG). Damit behandelt das AZR-Gesetz das Bundesamt in seiner Funktion als Asylbehörde wie eine andere öffentliche Stelle. Diese vom Gesetzgeber bewusst gewollte Aufteilung des Bundesamts in zwei funktional eigenständig handelnde Behörden lässt das VG Aachen (Urteil vom 22. Februar 2017 - 4 K 38/17.A - juris Rn. 36 ff.) unberücksichtigt, nach dessen Auffassung alle in den Machtbereich des Bundesamts gelangten Daten als ""behördenbekannt"" gelten. Differenziert der Gesetzgeber ausdrücklich zwischen dem Bundesamt als Registerbehörde und als Asylbehörde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die von anderen Stellen an das Ausländerzentralregister übermittelten Daten zugleich gegenüber der Asylbehörde als i.S.d. § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG mitgeteilt gelten. Eine generelle Zurechnung der gespeicherten Daten lässt sich angesichts der dem Datenschutz dienenden funktionalen Trennung von Register- und Asylbehörde auch nicht unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens oder des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben rechtfertigen. 17 b) Als Asylbehörde war das Bundesamt im August 2016 auch nicht zur Einholung einer Auskunft aus dem Ausländerzentralregister verpflichtet. Dies gilt ungeachtet der sich aus der tatsächlichen Nichtzustellbarkeit früherer Schreiben ergebenden Zweifel an der fortbestehenden Aktualität der letzten bekannten Anschrift des Klägers. Die Vorschriften über die fingierte Zustellung verfolgen aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung gerade den Zweck, im Asylverfahren Behörden und Gerichte von eigenen Ermittlungen zu entbinden, wenn der Ausländer seine Obliegenheiten zur Vorsorge und Mitwirkung an seiner steten Erreichbarkeit verletzt. Dies gilt auch mit Blick auf die gravierenden Konsequenzen einer Zustellungsfiktion für den Schutzsuchenden, jedenfalls solange - wie hier im Frühjahr 2016 - ein Abgleich mit dem Ausländerzentralregister keine Gewähr für eine zuverlässige Ermittlung der aktuellen Anschrift bietet. 18 Etwaige sich aus den Zustellungsfiktionen des § 10 Abs. 2 AsylG ergebende Härten hat der Gesetzgeber im Übrigen dadurch gemildert, dass ein Asylantrag nach § 33 Abs. 1 AsylG als zurückgenommen gilt, wenn der Ausländer das Verfahren nicht weiterbetreibt. Dies wird kraft Gesetzes (u.a.) vermutet, wenn der Ausländer einer Aufforderung zur Anhörung nicht nachgekommen oder untergetaucht ist (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AsylG). Die zwingende Folge der fingierten Antragsrücknahme begründet eine Pflicht zur Einstellung des Verfahrens mit der Möglichkeit einer Wiederaufnahme unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 5 AsylG. Der Eintritt der Rücknahmefiktion setzt allerdings eine den Anforderungen des § 33 Abs. 4 AsylG entsprechende Belehrung des Ausländers voraus (BVerwG, Urteil vom 15. April 2019 - 1 C 46.18 - Buchholz 402.251 § 33 AsylG Nr. 1), an der es hier fehlte, weil der Kläger ausweislich der ihm nach der Akte des Bundesamts bei Antragstellung - im Einklang mit der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage - ausgehändigten ""Wichtige[n] Mitteilung - Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten und - Allgemeine Verfahrenshinweise"" nur allgemein darauf hingewiesen worden ist, dass die Unterlassung der Mitteilung über einen Wohnungswechsel zur Folge haben ""könne"", dass sein Asylantrag als zurückgenommen gelte. 19 3. Gegen die Zustellungsfiktionen des § 10 Abs. 2 AsylG ist von Verfassungs wegen nichts zu erinnern, wenn der Betroffene über sie in qualifizierter Weise belehrt worden ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. März 1994 - 2 BvR 2371/93 - InfAuslR 1994, 324 = juris Rn. 19 ff. zu den Vorgängerregelungen in § 17 Abs. 5 AsylVfG 1982 und § 10 Abs. 7 AsylVfG 1993). Dies ist hier geschehen. Der Kläger ist bei Antragstellung auf die in § 10 Abs. 1 AsylG normierte Obliegenheit zur Angabe jeder Anschriftenänderung und die in § 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 AsylG geregelten Zustellungsfiktionen schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hingewiesen worden (§ 10 Abs. 7 AsylG). Die ihm in arabischer Sprache ausgehändigte ""Wichtige Mitteilung - Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten und - Allgemeine Verfahrenshinweise"" trägt insoweit den Besonderheiten des Adressatenkreises Rechnung. Insbesondere gibt sie nicht lediglich den Wortlaut des § 10 AsylG wieder, sondern führt dem Kläger in einer ihm geläufigen Sprache durch eine verständliche Erläuterung mit der gebotenen Deutlichkeit vor Augen, welche Obliegenheiten ihn im Einzelnen treffen und welche Folgen deren Nichtbeachtung haben können (zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine qualifizierte Belehrung vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. März 1994 - 2 BvR 2371/93 - InfAuslR 1994, 324 = juris Rn. 20 - 22). 20 4. Die Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG, nach der ein Asylbewerber Zustellversuche des Bundesamts unter der letzten bekannten Anschrift auch dann gegen sich gelten lassen muss, wenn diese dem Bundesamt durch eine öffentliche Stelle mitgeteilt worden ist, verstößt nicht gegen Art. 13 RL 2013/32/EU. 21 a) In zeitlicher Hinsicht findet hier über § 77 Abs. 1 AsylG Art. 13 RL 2013/32/EU und nicht die - weitgehend wortgleiche - (Vorgänger-)Regelung in Art. 11 RL 2005/85/EG Anwendung. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger seinen Asylantrag bereits 2013 gestellt hat. Denn mit der Übergangsregelung in Art. 52 Abs. 1 RL 2013/32/EU hat der Unionsgesetzgeber es den Mitgliedstaaten, die dies wünschten, gestattet, die zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften mit sofortiger Wirkung auch auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden (EuGH, Urteile vom 25. Juli 2018 - C-585/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​584], Alheto - Rn. 72 und vom 19. März 2019 - C-297/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​219], Ibrahim u.a. - Rn. 64). Besondere Umstände, die im vorliegenden Verfahren der Anwendung des Art. 13 RL 2013/32/EU auf den 2013 gestellten Asylantrag entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. 22 b) Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU können die Mitgliedstaaten den Antragstellern - neben der Verpflichtung zur Zusammenarbeit nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 - weitere Verpflichtungen zur Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden auferlegen, sofern diese Verpflichtungen für die Bearbeitung des Antrags erforderlich sind. Insbesondere können sie nach der deutschen Sprachfassung des Art. 13 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/32/EU festlegen, dass die Antragsteller verpflichtet sind, so rasch wie möglich die zuständigen Behörden über ihren jeweiligen Aufenthaltsort oder ihre Anschrift sowie sämtliche diesbezüglichen Änderungen zu unterrichten (Satz 1); außerdem können sie festlegen, dass der Antragsteller an dem von ihm mitgeteilten letzten Aufenthaltsort erfolgte - bzw. an die mitgeteilte letzte Anschrift gerichtete - Mitteilungen gegen sich gelten lassen muss (Satz 2). Ungeachtet des nicht einheitlichen Wortlauts der den Mitgliedstaaten durch Art. 13 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/32/EU in den verschiedenen Sprachfassungen explizit eröffneten Handlungsmöglichkeiten enthält die Vorschrift jedenfalls keine abschließende Aufzählung (aa). Auch unter Berücksichtigung des Kontextes der Norm und der Ziele, die mit Art. 13 RL 2013/32/EU verfolgt werden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitgliedstaaten eine Zustellung unter der letzten mitgeteilten Anschrift nicht auch dann fingieren dürfen, wenn diese nicht vom Antragsteller selbst, sondern von einer öffentlichen Stelle mitgeteilt worden ist (bb). Dies widerspricht nicht dem Grundsatz des ""effet utile"" (cc). 23 aa) Der Wortlaut des Art. 13 Abs. 2 Buchst. c Satz 2 RL 2013/32/EU ist wenig ergiebig, zumal er in den verschiedenen Sprachfassungen nicht einheitlich ist. Die deutsche Fassung knüpft zunächst an den vom Antragsteller mitgeteilten letzten Aufenthaltsort an, lässt nach dem in Parenthese eingefügten Zusatz ""bzw. an die mitgeteilte letzte Anschrift gerichtete"" aber auch eine Auslegung zu, die eine Zustellungsfiktion auch bei einer Anschriftenmitteilung durch Dritte erlaubt. Die anderen Sprachfassungen enthalten offenbar keinen derartigen Zusatz. Die englische und die französische Fassung sprechen nur vom letzten Aufenthaltsort oder der letzten Anschrift, die der Antragsteller mitgeteilt hat, während andere Sprachfassungen, etwa die polnische, keinen Bezug zu einem bestimmten Urheber der Mitteilung herstellen. Ungeachtet dieser sprachlichen Unterschiede wird durch die einleitende Verwendung des - soweit ersichtlich auch in den anderen Sprachfassungen aufgenommenen - Wortes ""insbesondere"" in Art. 13 Abs. 2 RL 2013/32/EU auch jeweils für die exemplarisch benannten Mitwirkungsobliegenheiten indes klargestellt, dass die Vorschrift jedenfalls keine abschließende Aufzählung der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeiten enthält. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine dort nicht explizit aufgeführte oder die Modifikation einer aufgeführten Handlungsmöglichkeit schon allein deshalb unionsrechtswidrig ist. Für einen Bezug des Wortes ""insbesondere"" allein auf die Typen von Verpflichtungen, nicht aber deren konkretisierende Ausgestaltung fehlt jeder Anhalt. Entgegen der Auffassung der Revision kann weder der Überschrift der Norm (""Verpflichtungen der Antragsteller"") noch der Stellung des Wortes ""insbesondere"" zu Beginn der Aufzählung in Art. 13 Abs. 2 RL 2013/32/EU entnommen werden, dass die Mitgliedstaaten Antragstellern zwar vergleichbare andere Verpflichtungen auferlegen, einen Mehrfachverstoß gegen die Verpflichtung zur umgehenden Unterrichtung der zuständigen Behörden über jeden Wechsel des Aufenthaltsorts oder der Anschrift aber nicht mit einer in der konkreten Ausgestaltung an diesen Verstoß angepassten Zustellungsfiktion verknüpfen dürfen. 24 bb) Im Übrigen ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch ihr Kontext und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-397/16 und C-435/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​992], Srl - Rn. 31). Auch danach kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitgliedstaaten eine Zustellung an die letzte mitgeteilte Anschrift nur fingieren dürfen, wenn diese vom Antragsteller selbst mitgeteilt worden ist. Art. 13 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/32/EU ist im Zusammenhang mit Art. 13 Abs. 1 zu sehen, der allgemein regelt, welche Verpflichtungen zur Zusammenarbeit den Antragstellern aufzuerlegen sind bzw. auferlegt werden können. Im Einklang hiermit werden in Art. 13 Abs. 2 beispielhaft Mitwirkungsverpflichtungen aufgeführt, die die Mitgliedstaaten den Antragstellern ""insbesondere"" auferlegen können. Die nach Buchstabe c ausdrücklich zulässige Verpflichtung, den zuständigen Behörden den jeweiligen Aufenthaltsort oder die jeweilige Anschrift mitzuteilen und diese über alle Änderungen des Aufenthaltsortes oder der Anschrift zu unterrichten, ist sowohl nach der Richtlinie als auch nach § 10 AsylG Ausgangspunkt für jedwede Zustellungsfiktion. Auch in den von § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG erfassten Fällen kann - unter der nach den vorstehenden Ausführungen zu beachtenden Voraussetzung, dass die öffentliche Stelle eine zutreffende Anschrift mitgeteilt hat - das tatsächliche Scheitern einer Zustellung nur darauf beruhen, dass der Antragsteller entweder keine hinreichenden Vorkehrungen für den Empfang behördlicher Sendungen an seiner tatsächlichen Wohnanschrift getroffen oder den Behörden auch einen (weiteren) Wohnungswechsel nicht mitgeteilt hat. In beiden Fällen ist das tatsächliche Scheitern der Zustellung allein auf einen (neuerlichen) Verstoß des Asylbewerbers gegen die im Einklang mit Art. 13 RL 2013/32/EU stehenden Mitwirkungsobliegenheiten nach § 10 Abs. 1 AsylG zurückzuführen, ohne dass wertungsmäßig ein qualitativer Unterschied zu dem ausdrücklich in der Richtlinie angesprochenen Fall besteht, dass die Zustellung an eine durch den Antragsteller selbst mitgeteilte Anschrift nicht möglich ist. Auch der Kontext der Regelung und die mit der Zustellungsfiktion bezweckten Konsequenzen für den Antragsteller stehen demnach einer nationalen Regelung nicht entgegen, die die Zustellungsfiktion auf eine von einer öffentlichen Stelle zutreffend mitgeteilte Anschrift erstreckt. 25 cc) Diese Auslegung widerspricht nicht dem Grundsatz des ""effet utile"". Sie wahrt die Wirksamkeit der den Mitgliedstaaten in Art. 13 Abs. 1 vorgegebenen und in Art. 13 Abs. 2 RL 2013/32/EU beispielhaft erläuterten Verpflichtung der Antragsteller zur Mitwirkung und erhöht zugleich im Interesse der Antragsteller die Wahrscheinlichkeit, dass Zustellungen diese auch tatsächlich erreichen. Die Mitgliedstaaten können die Antragsteller insbesondere verpflichten, jede Änderung des Aufenthaltsorts oder der Anschrift so rasch wie möglich den zuständigen Behörden mitzuteilen, und dürfen dies mit einer Zustellungsfiktion verbinden. Die Erstreckung der Zustellungsfiktion in § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG auf eine von einer öffentlichen Stelle zutreffend mitgeteilte Anschrift begründet für den Antragsteller, der seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen ist, in der Sache jedenfalls keine weitergehende Belastung. Da die von einer öffentlichen Stelle mitgeteilte Anschrift - nach den vorstehenden Ausführungen - zutreffend sein muss, macht nach einer derartigen Mitteilung eine Zustellung an eine vom Antragsteller zu einem früheren Zeitpunkt angegebene, inzwischen aber offenkundig nicht mehr zutreffende Anschrift keinen Sinn. Statt in diesen Fällen sehenden Auges eine - im Fall des (zu erwartenden) tatsächlichen Scheiterns mit einer Zustellungsfiktion verbundene - Zustellung an eine ersichtlich überholte Anschrift zu versuchen, wird der Antragsteller über § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG im Falle einer von einer öffentlichen Stelle zutreffend mitgeteilten Anschriftenänderung so gestellt, als wenn er diese Anschriftenänderung der zustellenden Behörde selbst mitgeteilt hätte. Eine derartige Besserstellung ist nach der Günstigkeitsklausel des Art. 5 RL 2013/32/EU unproblematisch, zumal Art. 13 Abs. 2 RL 2013/32/EU den Mitgliedstaaten ohnehin einen Handlungsspielraum belässt. Die im nationalen Recht vorgeschriebene Berücksichtigung auch einer von einer öffentlichen Stelle zutreffend mitgeteilten Anschrift, enthebt den Antragsteller aber nicht von der (fortbestehenden) Obliegenheit, jede weitere Anschriftenänderung anzuzeigen. Andernfalls stünden gerade die Antragsteller besser, die besonders beharrlich gegen ihre Mitwirkungsobliegenheiten verstoßen, da bei ihnen nach Mitteilung einer Anschriftenänderung durch eine öffentliche Stelle die Zustellungsfiktion nicht (mehr) griffe, bis sie selbst eine neue Anschrift mitteilen. Zieht der Antragsteller nach einer nicht von ihm selbst, aber von einer öffentlichen Stelle zutreffend mitgeteilten Anschriftenänderung erneut um, muss er daher auch Zustellungsversuche unter der von der öffentlichen Stelle mitgeteilten Anschrift gegen sich gelten lassen. 26 5. Die gesetzlichen Zustellungsfiktionen in § 10 Abs. 2 AsylG verstoßen nicht gegen das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 46 RL 2013/32/EU und Art. 47 GRC. Die Wirksamkeit eines Rechtsbehelfs bezieht sich auf die umfassende gerichtliche Überprüfung der normativ vorgegebenen Grenzen behördlichen Handelns (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 27.16 - BVerwGE 157, 356 Rn. 21). Hierzu enthält Art. 46 Abs. 4 RL 2013/32/EU die Vorgabe, dass die Mitgliedstaaten angemessene Fristen und sonstige Vorschriften festlegen, die erforderlich sind, damit der Antragsteller sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Absatz 1 wahrnehmen kann (Satz 1); die Fristen dürfen die Wahrnehmung dieses Rechts weder unmöglich machen noch übermäßig erschweren (Satz 2). Das Verbot einer in Art. 13 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/32/EU ausdrücklich zugelassenen Zustellungsfiktion folgt hieraus nicht. Weitergehende Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens ergeben sich auch nicht aus Art. 47 GRC. 27 Gilt eine einer gerichtlichen Überprüfung zugängliche Entscheidung kraft Gesetzes als zugestellt, führt dies nicht zu einer Verkürzung der Rechtsbehelfsfrist, sondern handelt es sich - und dies auch nur mittelbar - um eine Regelung, die den Beginn der Rechtsbehelfsfrist betrifft. Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf wird hierdurch zwar de facto erschwert, weil die Klagefrist in aller Regel ohne Kenntnis des Betroffenen zu laufen beginnt. Die mit den Zustellungsfiktionen in § 10 Abs. 2 AsylG verbundenen Konsequenzen der zurechenbaren Verletzung der für den Schutzsuchenden zumutbaren und ohne Weiteres zu erfüllenden Mitwirkungsobliegenheit, seine stete Erreichbarkeit zu gewährleisten, führt aber nicht zu einer übermäßigen Erschwerung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Denn der Antragsteller ist bei Antragstellung schriftlich und gegen Empfangsbekenntnis auf die Zustellungsvorschriften hinzuweisen (§ 10 Abs. 7 AsylG). Damit hat er es selbst in der Hand, das Eingreifen der Zustellungsfiktion zu verhindern, indem er entweder einen Bevollmächtigten bestellt oder einen Empfangsberechtigten benennt oder entsprechend der in § 10 Abs. 1 AsylG normierten Mitwirkungsobliegenheit den dort aufgeführten Behörden jeden Wechsel seiner Anschrift unverzüglich anzeigt. Zudem ist ihm bei unverschuldeter Versäumung der Klagefrist unter den Voraussetzungen des § 60 VwGO Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren (BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 C 6.18 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 94 Rn. 32). 28 6. Die Zustellungsfiktionen des § 10 Abs. 2 AsylG verstoßen auch nicht gegen das asyl- und das menschenrechtliche Refoulementverbot nach Art. 18 und 19 Abs. 2 GRC und Art. 3 EMRK. Es ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt, einem Schutzsuchenden in Bezug auf seine stete Erreichbarkeit während eines Asylverfahrens eine zumutbare und ohne Weiteres erfüllbare Mitwirkungsobliegenheit aufzuerlegen und eine zurechenbare Verletzung dieser Obliegenheit mit nachteiligen Konsequenzen - hier in Gestalt einer die Klagefrist in Lauf setzenden Zustellungsfiktion mit der Möglichkeit der Wiedereinsetzung bei unverschuldeter Versäumung der Klagefrist - zu belegen. Dies gilt auch in Fällen, in denen das Bundesamt - wie hier - mangels Mitwirkung des Schutzsuchenden über den Asylantrag und die Gewährung von Abschiebungsschutz im Rahmen einer Sachprüfung nach Aktenlage entschieden hat, selbst wenn diese Entscheidungen in der Sache angreifbar sein sollten. 29 7. Der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art. 267 der konsolidierten Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung von 2008 (ABl. C 115 S. 47) - AEUV - zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts bedarf es nicht. Nach den vorstehenden Ausführungen wirft der Rechtsstreit - insbesondere in Bezug auf Art. 13 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/32/EU und dessen unterschiedliche Sprachfassungen - weder eine unionsrechtliche Zweifelsfrage auf noch besteht zumindest ein unionsrechtlicher Klarstellungsbedarf. 30 8. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung die in § 58 Abs. 1 VwGO aufgeführten Angaben zutreffend wiedergibt. Nach dieser Vorschrift beginnt die Klagefrist nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist belehrt worden ist. Unrichtig ist eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht nur, wenn ihr eine der in § 58 Abs. 1 VwGO aufgeführten Angaben fehlt, sondern auch dann, wenn sie einen nicht erforderlichen Zusatz enthält, der fehlerhaft oder irreführend ist und dadurch generell geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch davon abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 C 6.18 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 94 Rn. 15 m.w.N.). Dabei ist darauf abzustellen, wie ein der deutschen Sprache mächtiger Empfänger die Erklärung bei objektiver Würdigung verstehen konnte (BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 C 6.18 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 94 Rn. 15). 31 a) Der Senat hat bereits entschieden, dass der Zusatz in der dem Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung, dass die Klage ""in deutscher Sprache abgefasst"" sein muss, die Belehrung nicht unrichtig macht (BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 C 6.18 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 94 Rn. 14). Dies gilt nicht nur in Bezug auf eine zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mögliche Klageerhebung, sondern auch für die Möglichkeit der Einreichung einer Klage durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments, ohne dass es darauf ankommt, ob es sich hierbei um eine neue Form der Klageerhebung oder lediglich um eine weitere Möglichkeit zur Übermittlung eines schriftlichen Dokuments und damit um einen Unterfall der Schriftform handelt. Denn auch bei einer - im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Verwendung (August 2016) - möglichen Klageerhebung im elektronischen Rechtsverkehr muss das in die elektronische Poststelle des jeweiligen Gerichts zu übertragende elektronische Dokument in deutscher Sprache übermittelt werden. Von daher bezieht sich der Begriff ""abfassen"" nicht zwingend auf ein Schriftstück im herkömmlichen Sinne, sondern umfasst auch diesem kraft Gesetzes gleichgestellte elektronische Dokumente. 32 b) Die Belehrung war - im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Verwendung - auch nicht deshalb fehlerhaft, weil sie - losgelöst vom Begriff des ""Abfassens"" - keinen Hinweis auf den durch § 55a VwGO in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung i.V.m. der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz im Land Berlin (ERVJustizV) vom 27. Dezember 2006 (GVBl. 2006, S. 1183), in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 9. Dezember 2009 (GVBl. 2009, S. 881), eröffneten elektronischen Rechtsverkehr enthielt. Danach bestand beim Verwaltungsgericht Berlin seit dem 1. Januar 2010 die Möglichkeit der Übermittlung elektronischer Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes auf dem unter www.berlin.de/erv veröffentlichten Kommunikationsweg (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. Mai 2010 - OVG 2 S 106.09 - juris Rn. 6). Dabei kann auch hier dahinstehen, ob mit § 55a VwGO a.F. eine neue Form zur Einlegung einer Klage oder lediglich ein elektronischer Zugang für schriftliche Dokumente eröffnet worden ist. Denn eine Belehrung über die Form des einzulegenden Rechtsbehelfs gehört nicht zu den zwingenden Angaben. Enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung - wie hier - keine Angaben über die möglichen Formen der Klageerhebung, ist dies unschädlich (BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 C 6.18 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 94 Rn. 13). Dies gilt nicht nur für die Möglichkeit der Klageerhebung zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, sondern gleichermaßen für andere mögliche Formen der Klageerhebung. 33 c) Die Rechtsbehelfsbelehrung war schließlich auch nicht deshalb fehlerhaft, weil sie zwar zutreffend über die Beklagte und deren Vertretung belehrte, nicht aber darauf hinwies, dass zur Bezeichnung der Beklagten nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die Angabe der Behörde genügt, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Denn auch hierbei handelt es sich nicht um eine nach § 58 Abs. 1 VwGO zwingende Angabe. 34 9. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO wegen Versäumung der Klagefrist liegen nicht vor. Der Kläger hat weder einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt noch hat er - was auch für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen erforderlich wäre - innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO vorgetragen und im weiteren Verfahren glaubhaft gemacht, dass er unverschuldet an der Einhaltung der Frist gehindert war. 35 10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor." bverwg_2020-51,17.09.2020,"Pressemitteilung Nr. 51/2020 vom 17.09.2020 EN Kein datenschutzrechtlicher Anspruch des Insolvenzverwalters auf Auskunft über das Steuerkonto des Insolvenzschuldners Der Insolvenzverwalter kann nach Art. 15 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) keine Auskunft vom Finanzamt über das Steuerkonto des Insolvenzschuldners verlangen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Der Kläger ist Insolvenzverwalter und begehrt in dieser Funktion vom beklagten Finanzamt einen Auszug aus dem Steuerkonto des Schuldners. Hierdurch erhielte er die Möglichkeit, potentiell anfechtungsrelevante Sachverhalte zur Mehrung der Insolvenzmasse zu ermitteln. Sein zunächst auf das Niedersächsische Landesdatenschutzrecht gestütztes Begehren verfolgt er unter Berufung auf Art. 15 Abs. 1 DSGVO seit dessen Inkrafttreten im Mai 2018 weiter. Art. 15 Abs. 1 DSGVO räumt einer betroffenen Person das Recht ein, von einem für die Datenverarbeitung Verantwortlichen Auskunft über die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten zu verlangen. Dieser Anspruch besteht grundsätzlich auch gegenüber den Finanzbehörden. Allerdings ist der Insolvenzverwalter hinsichtlich der personenbezogenen Daten des Insolvenzschuldners weder nach dem Wortlaut, der Systematik noch nach dem Sinn und Zweck der einschlägigen Regelungen der DSGVO ""betroffene Person"". Betroffene Person ist nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO nur diejenige natürliche Person, die durch die jeweiligen personenbezogenen Daten identifizierbar oder identifiziert ist. Eine Erweiterung dieses Begriffs auf den mit der Verwaltung der Insolvenzmasse betrauten Insolvenzverwalter widerspräche dem Charakter des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Denn die in der DSGVO verankerten Betroffenenrechte dienen dem Schutz des Grundrechts auf Achtung der Privatsphäre aus Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Dieser Schutz lässt sich nur verwirklichen, wenn sich die von einer Datenverarbeitung betroffene Person vergewissern kann, dass ihre personenbezogenen Daten richtig sind und in zulässiger Weise verarbeitet werden, um andernfalls von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen unter anderem die Berichtigung oder Löschung ihrer Daten zu verlangen. Der Auskunftsanspruch ist daher seiner Natur nach ein Instrument zur Schaffung des notwendigen Wissensfundaments für die Geltendmachung weitergehender Betroffenenrechte und zielt nicht auf die vom Kläger beabsichtigte Gewinnung von Informationen mit vermögensrechtlichem Bezug. Auch ein Übergang dieses Auskunftsanspruchs in die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters gemäß § 80 Abs. 1 Insolvenzordnung findet nicht statt. Denn er ist seinem Charakter nach untrennbar mit der Person des Berechtigten verbunden und kann nicht losgelöst von den weiteren Betroffenenrechten betrachtet werden. Eine Ausübung durch den Insolvenzverwalter würde seine Zielrichtung und seinen Zweck verändern. Auch eine Differenzierung nach dem Vermögensbezug der betroffenen Daten kommt daher nicht in Betracht.   BVerwG 6 C 10.19 - Urteil vom 16. September 2020 Vorinstanzen: OVG Lüneburg, 11 LC 121/17 - Urteil vom 20. Juni 2019 - VG Lüneburg, 1 A 343/15 - Urteil vom 01. März 2017 -","Urteil vom 16.09.2020 - BVerwG 6 C 10.19ECLI:DE:BVerwG:2020:160920U6C10.19.0 EN Kein datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters gegen Steuerbehörden hinsichtlich Schuldnerdaten Leitsätze: 1. Statthafte Klageart für einen gegen eine Behörde gerichteten Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO ist die Verpflichtungsklage. 2. Der Insolvenzverwalter ist hinsichtlich der Steuerdaten des Insolvenzschuldners nicht ""betroffene Person"" im Sinne des Art. 4 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1 DSGVO. 3. Der Auskunftsanspruch des Insolvenzschuldners aus Art. 15 DSGVO geht nicht gemäß § 80 Abs. 1 InsO in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters über. Rechtsquellen GRC Art. 8 Abs. 1 und 2 AEUV Art. 16 Abs. 1, Art. 267 DSGVO Art. 1 Abs. 2, Art. 4 Nr. 1 und 10, Art. 15 Abs. 1 und 3, Art. 23 Abs. 1 AO § 2a Abs. 5, § 30 Abs. 1 und 4 Nr. 3, § 32c Abs. 1 Nr. 2, § 32e Satz 1 und 2, § 34 Abs. 3 InsO §§ 35 f., § 80 Abs. 1, §§ 97 ff., §§ 270 ff., §§ 315 ff. VwGO § 42 Abs. 1 Instanzenzug VG Lüneburg - 01.03.2017 - AZ: VG 1 A 343/15 OVG Lüneburg - 20.06.2019 - AZ: OVG 11 LC 121/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 16.09.2020 - 6 C 10.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:160920U6C10.19.0] Urteil BVerwG 6 C 10.19 VG Lüneburg - 01.03.2017 - AZ: VG 1 A 343/15 OVG Lüneburg - 20.06.2019 - AZ: OVG 11 LC 121/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Steiner für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Juni 2019 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger ist Insolvenzverwalter und begehrt vom beklagten Finanzamt einen Auszug aus dem Steuerkonto eines Insolvenzschuldners, über dessen Vermögen er zum Verwalter bestellt ist. 2 Der Beklagte lehnte eine Auskunftserteilung mit Schreiben vom 23. Juli 2015 und auf den Einspruch des Klägers hin mit Bescheid vom 21. August 2015 ab. Ein solcher Anspruch lasse sich weder aus der Insolvenz- oder Abgabenordnung noch aus dem niedersächsischen Datenschutzrecht herleiten. Steuerliche Erklärungen des Insolvenzschuldners stünden nicht aus. Die Finanzverwaltung sei nicht verpflichtet, durch die Herausgabe von Unterlagen zur Ermittlung von Anfechtungstatbeständen nach der Insolvenzordnung beizutragen. 3 Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Der Verwaltungsrechtsweg sei eröffnet. Eine abdrängende Sonderzuweisung zu den Finanzgerichten liege nicht vor, da es sich bei dem Antrag eines Insolvenzverwalters auf Erteilung eines Steuerkontoauszugs nach dem Niedersächsischen Datenschutzgesetz nicht um eine Abgabenangelegenheit handle. Die Klage sei als Verpflichtungsklage zulässig, in der Sache aber unbegründet. Der Kläger sei nicht ""Betroffener"" im Sinne des § 16 NDSG, weil er Auskunft zu fremden personenbezogenen Daten begehre. Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes finde keine Anwendung und ein vergleichbarer Anspruch bestehe im niedersächsischen Landesrecht nicht. Soweit die Rechtsprechung im steuerrechtlichen Verfahren einen ungeschriebenen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der zuständigen Finanzbehörde über einen Antrag auf Akteneinsicht anerkenne, setze dieser ein berechtigtes Interesse voraus. Auch die Insolvenzordnung sehe den vom Kläger begehrten Auskunftsanspruch nicht vor. Ein solcher Anspruch lasse sich zudem nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben stützen. 4 Das Oberverwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Berufung zurückgewiesen. Für die gerichtliche Entscheidung über das klägerische Auskunftsbegehren sei im Berufungsverfahren der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO heranzuziehen. Zum 25. Mai 2018 sei das Niedersächsische Datenschutzgesetz a.F. außer Kraft getreten und durch die Datenschutz-Grundverordnung und ergänzende Bestimmungen im Niedersächsischen Datenschutzgesetz in der Fassung vom 16. Mai 2018 ersetzt worden. Der Kläger sei nicht ""Betroffener"" im Sinne des Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Betroffener sei die Person, die davor zu schützen sei, dass der Umgang mit ihren Daten sie in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtige. Demgegenüber sei Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht darauf ausgerichtet, dass ""Dritte"" Informationen über die bei staatlichen Stellen vorhandenen Informationen erlangten. Das Auskunftsrecht sei auch nicht nach § 80 Abs. 1 InsO auf den Kläger übergegangen. Es sei als Ausgestaltung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein unauflöslich an die Person des Schuldners gebundenes höchstpersönliches Recht. Dafür sprächen die allgemeine Zielsetzung der Datenschutz-Grundverordnung, der grundrechtlich verbürgte Schutz der informationellen Selbstbestimmung und der Sinn und Zweck der Regelung, die als fundamentales Datenschutzrecht ausgestaltet sei und der Vermittlung von Transparenz diene. Auch die große Ähnlichkeit mit dem nach der früheren Rechtslage bestehenden datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch, für den bereits eine Übertragbarkeit ausgeschlossen worden sei, spreche für dieses Verständnis. Der Übergang dieses Rechts auf einen Dritten würde demgegenüber einen Eingriff in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung darstellen und ihn vom Schutz- zum Eingriffsobjekt machen. Soweit das Bundesverwaltungsgericht einen Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters nach den Informationsfreiheitsgesetzen bejaht habe, habe es lediglich das Steuergeheimnis als Ablehnungs- oder Ausschlussgrund für den voraussetzungslosen Jedermanns-Anspruch abgelehnt. Auch eine Differenzierung nach dem Inhalt der Daten komme im Rahmen des Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht in Betracht. Maßgeblich sei allein der Rechtscharakter des Auskunftsrechts, nicht der Charakter der davon umfassten Daten. Auch aus anderen Rechtsgrundlagen lasse sich der begehrte Auskunftsanspruch nicht herleiten. Dies gelte ungeachtet der Frage, in welchem Umfang nationale Regelungen neben Art. 15 DSGVO noch zur Anwendung kommen könnten. 5 Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Auskunftsbegehren weiter. Er macht geltend, das Berufungsurteil habe seinen Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO i.V.m. § 2a Abs. 5, § 32c AO rechtsfehlerhaft abgelehnt und regt ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union an. Im Interesse eines effektiven Insolvenzverfahrens weise das Gesetz dem Insolvenzverwalter die Pflicht zur umfassenden Ermittlung der vermögensrechtlichen Verhältnisse des Insolvenzschuldners und zur Erfüllung von dessen steuerlichen Pflichten zu. Auch die Richtlinie (EU) 2019/1023 über Restrukturierung und Insolvenz gebiete ein effektives und zügiges Insolvenzverfahren. Daher müsse es dem Insolvenzverwalter möglich sein, von den Finanzbehörden Auskunft zu Grund und Höhe der Steuerschulden oder deren Erlöschen zu erlangen. Die Steuerdaten des Schuldners seien infolge der persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters für die Erfüllung der Pflichten nach der Insolvenzordnung und der Abgabenordnung untrennbar mit seinen gesetzlichen Aufgaben verknüpft und würden so zu seinen eigenen personenbezogenen Daten. Er sei daher im Rahmen des Art. 15 Abs. 1 DSGVO infolge einer vergleichbaren datenschutzrechtlichen Gefährdungslage hinsichtlich der Daten mit Vermögensbezug nicht Dritter, sondern betroffene Person. 6 Der Auskunftsanspruch des Insolvenzschuldners gehe auch nach § 80 Abs. 1 InsO in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters über. Da nur Daten mit Vermögensbezug betroffen seien, würden im Verhältnis zwischen Schuldner und Verwalter keine ideellen Interessen beeinträchtigt. Der Anspruch sei daher nicht als höchstpersönlich zu qualifizieren, sondern unterliege dem Insolvenzbeschlag. 7 Jedenfalls sei der Verwalter durch die zur Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung in die Abgabenordnung eingefügten Normen zur Geltendmachung des Auskunftsanspruchs berechtigt. § 2a Abs. 5 AO erweitere den Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung auf Verstorbene, juristische Personen und nichtrechtsfähige Vermögensmassen. Der nationale Gesetzgeber knüpfe daher nicht an den Schutz der informationellen Freiheitssphäre an und lasse eine Ausübung durch den Gesamtrechtsnachfolger zu. Die Regelung des § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO zeige, dass auch der Gesetzgeber von einem Auskunftsrecht ausgegangen sei. Mit der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Datenschutz-Grundverordnung in § 2a Abs. 5 AO sei ein einheitliches Datenverarbeitungsrecht für sämtliche Steuerverfahren geschaffen worden, das auch den Insolvenzverwalter bei der Erfüllung seiner Pflichten aus § 34 Abs. 3 AO einbeziehe. Ehemals richterrechtlich entwickelte Einsichtsrechte des Insolvenzverwalters seien durch die positive Regelung in Art. 15 Abs. 1 DSGVO i.V.m. § 32c AO ersetzt worden. 8 Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Der Kläger sei nach Sinn und Zweck des Art. 15 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung nicht ""betroffene Person"". Der nationale Gesetzgeber habe in § 2a Abs. 5 AO nicht geregelt, dass die Datenschutz-Grundverordnung nur mittelbar durch die Vorschriften der §§ 2a, 32a bis 32f AO Anwendung finde oder den Anwendungsbereich der Betroffenenrechte aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO erweitere. Eine Aufteilung in ideelle und vermögensrechtliche Informationen komme nicht in Betracht, sondern könne allenfalls im Rahmen des § 30 AO als Ausschlussgrund Berücksichtigung finden. Die Richtlinie (EU) 2017/1132 befasse sich nur mit einem präventiven Restrukturierungsrahmen für insolvenzgefährdete Unternehmen; zur Stellung des Insolvenzverwalters nach nationalem Recht verhalte sie sich nicht. 9 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht pflichtet der Auffassung des Berufungsgerichts zu Art. 15 Abs. 1 DSGVO bei. Ergänzend führt er aus, der Verweis auf die bislang nicht umgesetzte Richtlinie (EU) 2019/1023 gehe mangels einer mit der Datenschutz-Grundverordnung vergleichbaren Schutz- und Zielrichtung fehl. Dies gelte auch für den Vergleich mit der insolvenzrechtlichen Eigenverwaltung. Schließlich spreche auch der Hinweis auf die in der Datenschutz-Grundverordnung den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit zur Regelung des postmortalen Datenschutzes nicht gegen die Höchstpersönlichkeit des Auskunftsanspruchs. Auch in der Insolvenz könne der Betroffene seine Rechte nach der Datenschutz-Grundverordnung weiter ausüben. 10 Auf das schriftliche Vorbringen der Beteiligten und die vorgelegten Behörden- und Gerichtsakten wird ergänzend Bezug genommen. II 11 Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet, denn das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). 12 1. Statthafte Klageart für die gerichtliche Geltendmachung eines gegen eine Behörde gerichteten Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, ABl. L 119 S. 1) - DSGVO - ist die Verpflichtungsklage (so auch OVG Hamburg, Urteil vom 8. Februar 2018 - 3 Bf 107/17 - NordÖR 2018, 336 f.). Denn bei der Entscheidung über einen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch durch eine Behörde handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Der Erteilung der Auskunft geht eine behördliche Entscheidung voraus, die auf der Grundlage eines gesetzlichen Prüfprogramms (vgl. Art. 15 Abs. 4 DSGVO) zu treffen ist und bei der die Behörde besondere verfahrensrechtliche Vorkehrungen wie Begründungs- oder Anhörungspflichten zu beachten hat (vgl. zu diesen Kriterien BVerwG, Urteile vom 28. November 2007 - 6 A 2.07 - BVerwGE 130, 29 Rn. 13, vom 24. März 2010 - 6 A 2.09 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 2 Rn. 25, vom 25. Februar 1969 - 1 C 65.67 - BVerwGE 31, 301 <307> und vom 21. März 1986 - 7 C 71.83 - BVerwGE 74, 115 <118>). Daher geht der Auskunftserteilung durch eine Behörde auf der Grundlage des Art. 15 Abs. 1 DSGVO stets eine Prüfung möglicher Ausschluss- und Beschränkungstatbestände voraus. 13 2. Das Berufungsurteil zieht zur Beurteilung des im Streit stehenden Auskunftsrechts zu Recht die seit dem 25. Mai 2018 unmittelbar geltende Datenschutz-Grundverordnung heran (so auch BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juli 2019 - 7 C 31.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​040719B7C31.17.0] - NVwZ-RR 2019, 1015 und vom 8. März 2019 - 20 F 8.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​080319B20F8.17.0] - juris Rn. 9). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich die für die gerichtliche Entscheidung maßgebliche Rechtslage aus dem materiellen Recht, dem nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage oder eines Anspruchs selbst, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (stRspr, BVerwG, Urteil vom 31. März 2004 - 8 C 5.03 - BVerwGE 120, 246 <250> m.w.N.). Maßgeblich ist daher, welche Rechtsvorschriften sich nach ihrem Geltungswillen im Zeitpunkt der Entscheidung für die Beurteilung des Klagebegehrens Geltung beimessen und zwar gleichgültig, ob es sich um eine Feststellungsklage, eine Leistungsklage, eine Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage handelt. 14 Dies wird bei der hier vorliegenden Leistungskonstellation, in der von der Behörde ein Handeln verlangt wird, in der Regel die letzte mündliche Verhandlung sein, wenn sich aus dem materiellen Recht kein Anhaltspunkt für einen abweichenden Zeitpunkt ergibt (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 2010 - 6 C 5.09 - BVerwGE 137, 113 Rn. 23 und vom 4. Dezember 2014 - 4 C 33.13 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2014:​041214U4C33.13.0] - BVerwGE 151, 36 Rn. 18). Nach der für den Senat verbindlichen Auslegung des Landesrechts durch das Berufungsurteil ist das Niedersächsische Datenschutzgesetz i.d.F. vom 29. Januar 2002 (Nds. GVBl. 2002 S. 22) durch Art. 26 Satz 2 des Gesetzes zur Neuordnung des niedersächsischen Datenschutzrechts vom 16. Mai 2018 (Nds. GVBl. 2018 S. 66) am 25. Mai 2018 außer Kraft getreten und durch die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung ersetzt worden. Auch der Datenschutz-Grundverordnung selbst lässt sich kein Hinweis darauf entnehmen, dass über Auskunftsanträge, die vor ihrem Inkrafttreten gestellt worden sind, noch nach altem Recht zu entscheiden wäre. Vielmehr beansprucht sie gemäß Art. 99 Abs. 2 DSGVO ab dem 25. Mai 2018 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten uneingeschränkte Geltung (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2018 - III ZR 183/17 - BGHZ 219, 243 Rn. 66). Anders verhält es sich nur in Bezug auf abgeschlossene Sachverhalte, über die die Behörde nach altem Recht entschieden hat. Das unterscheidet den hier vorliegenden Fall von dem, der dem Urteil vom 27. März 2019 - 6 C 2.18 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​270319U6C2.18.0] - (BVerwGE 165, 111 Rn. 8 ff.) zugrunde lag, in dem der Senat auf die Klage gegen eine datenschutzbehördliche Anordnung diese Eingriffsmaßnahme an § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a.F. gemessen hat. 15 3. Die Klage auf Erteilung des begehrten Auszugs aus dem Steuerkonto des Insolvenzschuldners ist jedoch unbegründet. Der Kläger ist in seiner Funktion als Insolvenzverwalter hinsichtlich der Daten des Schuldners weder betroffene Person im Sinne des Art. 15 Abs. 1 DSGVO (a.), noch fällt der Auskunftsanspruch des Insolvenzschuldners aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO als Teil der Insolvenzmasse in seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gemäß § 80 Abs. 1 InsO (b.). Der Anspruch lässt sich auch nicht mit der Ausgestaltung, die er in der Abgabenordnung gefunden hat, oder aus sonstigen Anspruchsgrundlagen begründen (c.). 16 a. Zu Recht lehnt es das Berufungsgericht ab, den Kläger bezüglich der personenbezogenen Daten des Insolvenzschuldners als Anspruchsberechtigten im Sinne des Art. 15 Abs. 1 DSGVO einzustufen, denn der Insolvenzverwalter ist nicht die von der Verarbeitung dieser Daten betroffene Person. Betroffene Person ist lediglich die natürliche Person, die durch die jeweiligen personenbezogenen Daten identifizierbar oder identifiziert ist, auf die sich die personenbezogenen Daten also beziehen, nicht aber der Insolvenzverwalter hinsichtlich der personenbezogenen Daten des Insolvenzschuldners (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Oktober 2019 - 10 B 21.19 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​281019B10B21.19.0] - ZIP 2020, 86 Rn. 10, BFH, Beschluss vom 16. Juni 2020 - II B 65/19 - ZIP 2020, 1766 Rn. 12, OVG Münster, Beschluss vom 13. Juni 2019 - 15 E 376/19 - ZIP 2019, 1630 <1631>; zur grundsätzlichen Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung im steuerrechtlichen Verfahren vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2019 - 7 C 31.17 - NVwZ-RR 2019, 1015 Rn. 13 ff.). 17 aa. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 DSGVO und aus der in Art. 4 Nr. 1 DSGVO enthaltenen Legaldefinition der ""personenbezogenen Daten"". Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 DSGVO räumt den Auskunftsanspruch jeder natürlichen Person hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten ein. Die Betroffenenstellung ist also vom Inhalt der Daten abhängig. Sie verlangt eine Deckungsgleichheit der betroffenen mit der in den Daten beschriebenen Person (Gola, in: Gola, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 4 Rn. 4). ""Personenbezogene Daten"" sind nach der Legaldefinition des Art. 4 Nr. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden ""betroffene Person"") beziehen. Im Umkehrschluss kann nicht ""betroffene Person"" im Sinne des Art. 4 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1 DSGVO sein, wer durch die jeweiligen personenbezogenen Daten nicht identifiziert oder identifizierbar ist. Die im Steuerkonto des Herrn D. für die Steuernummer ... zu Besteuerungszwecken verarbeiteten personenbezogenen Daten beziehen sich nicht auf den Kläger. Für die Daten Dritter ist ein Auskunftsrecht in Art. 15 Abs. 1 DSGVO nach dessen Wortlaut nicht geregelt. 18 bb. Der gleiche Befund ergibt sich auch bei einer Betrachtung des Art. 15 Abs. 1 DSGVO unter gesetzessystematischen Gesichtspunkten. Die Datenschutz-Grundverordnung bestimmt unter Benennung und Definition der jeweiligen Normadressaten in Art. 4 Nr. 1 (""betroffene Person""), Nr. 7 (""Verantwortlicher"") und Nr. 10 (""Dritter"") einen Kanon der Rechte und Pflichten der an einer Datenverarbeitung Beteiligten und grenzt durch die Gegenüberstellung die jeweiligen Verantwortungssphären ab. Zudem stehen das Auskunftsrecht aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO und der Anspruch auf Erteilung einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind (Art. 15 Abs. 3 DSGVO) in einem engen inneren Regelungszusammenhang mit den weiteren Betroffenenrechten des Kapitels III der Datenschutz-Grundverordnung. So gehören neben dem Auskunftsrecht auch die Informationspflichten des Verantwortlichen über Datenverarbeitungen (Art. 13 f. DSGVO), die Ansprüche auf Berichtigung, Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung (Art. 16 ff. DSGVO) sowie die Datenübertragbarkeit (Art. 20 DSGVO) zu den Rechten, die allein an die betroffene Person als Schutzsubjekt der Datenschutz-Grundverordnung anknüpfen. Auch das Beschwerde- und Klagerecht (Art. 77 f. DSGVO) steht nur der betroffenen Person zu. Eine Erweiterung des Begriffs der betroffenen Person im Rahmen des Art. 15 Abs. 1 DSGVO stünde daher nicht mehr in Einklang mit der Anspruchsberechtigung für diese Betroffenenrechte. Es ist aber mit der Systematik der Datenschutz-Grundverordnung nicht zu vereinbaren, für die einzelnen Betroffenenrechte ein unterschiedliches Verständnis der jeweils als anspruchsberechtigt bezeichneten betroffenen Person zugrunde zu legen. 19 cc. Auch Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO sprechen gegen ein Verständnis des Begriffs der betroffenen Person, das den Kläger in seiner Funktion als Insolvenzverwalter umfassen würde. Anlass und Regelungsziel der Datenschutz-Grundverordnung ist der in Art. 8 Abs. 1 GRC und Art. 16 Abs. 1 AEUV gewährleistete Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten (Art. 1 Abs. 2 DSGVO und Erwägungsgrund 1 zur Datenschutz-Grundverordnung). Bereits auf der Ebene der Grundrechtecharta ist das Recht jeder Person verankert, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken (Art. 8 Abs. 2 Satz 2 GRC). Die Betroffenenrechte der Datenschutz-Grundverordnung wurzeln in der Erwägung des europäischen Normgebers, dass der Einzelne selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten bestimmen können muss. Natürliche Personen sollen daher grundsätzlich die Kontrolle über ihre eigenen Daten besitzen (Erwägungsgrund 7 Satz 2 zur Datenschutz-Grundverordnung). Zu diesem Zweck räumen Art. 8 Abs. 2 GRC und Art. 15 Abs. 1 DSGVO der betroffenen Person ein Auskunftsrecht darüber ein, welche personenbezogenen Daten von Dritten erhoben worden sind. Ziel ist es, dass sich der Betroffene der Verarbeitung bewusst ist und auf dieser Grundlage deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann (Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur Datenschutz-Grundverordnung). Das Auskunftsrecht aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO und das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Absatz 3 der Vorschrift erweisen sich damit als elementare subjektive Datenschutzrechte, da erst die Kenntnis darüber, ob und in welchem Umfang ein Verantwortlicher personenbezogene Daten verarbeitet, die betroffene Person in die Lage versetzt, weitere Rechte auszuüben. Der Auskunftsanspruch soll für den Betroffenen Transparenz schaffen und ihm das für die Durchsetzung dieses Grundrechts notwendige Wissensfundament an die Hand geben (vgl. Franck, in: Gola, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 15 Rn. 23; Ehmann, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 15 Rn. 1). Er ist seiner Natur nach ein Instrument zur Durchsetzung der weiteren Betroffenenrechte wie Berichtigung (Art. 16 DSGVO), Löschung (Art. 17 DSGVO) oder Schadensersatz (Art. 82 DSGVO vgl. Korch/Chatard, CR 2020, 438, Lembke, NJW 2020, 1841 <1843> m.w.N. unter Fn. 20). 20 Dieses Verständnis lässt sich durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur früheren Rechtslage nach Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 S. 31) - Datenschutzrichtlinie - belegen. Der europäische Gesetzgeber will mit der Datenschutz-Grundverordnung an die Ziele und Grundsätze der Datenschutzrichtlinie anknüpfen (Erwägungsgrund 9 zur Datenschutz-Grundverordnung) und künftig ein unionsweit gleichmäßiges und hohes Datenschutzniveau für natürliche Personen gewährleisten (Erwägungsgrund 10 zur Datenschutz-Grundverordnung). Daher bietet die in der Rechtsprechung vorgenommene Charakterisierung des Auskunftsanspruchs aus Art. 12 Buchst. a Datenschutzrichtlinie auch Hinweise auf das Verständnis des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO. So hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinen Urteilen vom 7. Mai 2009 - C-553/07 [ECLI:​EU:​C:​2009:​293], Rijkeboer - (Rn. 49 ff.), vom 17. Juli 2014 - C 141/12 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2081], YS u.a. - (Rn. 44) und vom 20. Dezember 2017 - C-434/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​994], Nowak - (Rn. 57) jeweils den instrumentellen Charakter des Auskunftsrechts für das Begehren der betroffenen Person hervorgehoben, von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen die Berichtigung, Löschung oder Sperrung ihrer Daten zu verlangen. Dagegen dient das Auskunftsrecht nicht der Schaffung eines Zugangs zu Verwaltungsdokumenten, weil dies nicht die Zielrichtung des europäischen Datenschutzrechts ist (EuGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - C-141/12 - Rn. 46). Zu Recht hebt das Berufungsurteil schließlich hervor, dass ein weites Verständnis des Begriffs der betroffenen Person, wie es der Kläger für den Insolvenzverwalter einfordert, dem Zweck der Datenschutz-Grundverordnung geradezu zuwiderlaufen würde. Denn eine Anspruchsberechtigung des Insolvenzverwalters würde zu einer Weitergabe der personenbezogenen Daten des Insolvenzschuldners an einen Dritten führen und damit den als Schutz- und Kontrollrecht über die eigenen Daten konzipierten Auskunftsanspruch in sein Gegenteil verwandeln. 21 dd. Dagegen vermögen die vom Kläger für ein weites Verständnis des Begriffs der betroffenen Person angeführten Argumente nicht zu überzeugen. Unbeschadet der gesetzlichen Aufgabe des Insolvenzverwalters zur umfassenden Ermittlung der vermögensrechtlichen Verhältnisse des Insolvenzschuldners, der ihm obliegenden Pflicht, als Vermögensverwalter des Schuldners nach § 34 Abs. 3 AO dessen steuerliche Pflichten (z.B. Erklärungs-, Mitwirkungs-, Auskunfts- und Buchführungspflichten) zu erfüllen, und der ihm in § 80 Abs. 1 InsO eingeräumten umfassenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse über das Vermögen des Schuldners tritt der Insolvenzverwalter nicht umfassend in die Rechtsstellung des Insolvenzschuldners ein. Datenschutzwidrige Verarbeitungen von personenbezogenen Daten des Insolvenzschuldners berühren ihn nicht in seinem eigenen Recht auf Schutz der ihn betreffenden personenbezogenen Daten. Vielmehr verfolgt er mit einer möglichst umfassenden Informationsgewinnung für ein effektives Insolvenzverfahren einen wirtschaftlichen Zweck, der von der Zielrichtung des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs nicht erfasst wird (so auch OVG Hamburg, Urteil vom 8. Februar 2018 - 3 Bf 107/17 - NordÖR 2018, 336 <338>). Der Auskunftsanspruch dient lediglich dem Schutz ideeller Interessen der betroffenen Person, den vom Kläger reklamierten Vermögensbezug weist er nicht auf. An diesem Verständnis ändern auch die zwischen Schuldner und Verwalter im Innenverhältnis bestehenden Auskunfts- und Mitwirkungspflichten (§§ 97 ff. InsO) und die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannte Berechtigung des Insolvenzverwalters im Rahmen des § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO nichts, grundsätzlich über alle steuerlichen Geheimnisse des Insolvenzschuldners verfügen zu können, die für die Wahrnehmung seines Amtes von Belang sind (BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 - 7 C 3.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​260418U7C3.16.0] - Buchholz 404 IFG Nr. 28 Rn. 24). Die vom Kläger geltend gemachte Vorwirkung der bislang nicht in nationales Recht umgesetzten Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 führt mangels einer mit der Datenschutz-Grundverordnung vergleichbaren Zielrichtung nicht weiter. Dieser Richtlinie lässt sich kein relevanter Hinweis auf die richtige Auslegung des datenschutzrechtlichen Betroffenenbegriffs entnehmen. 22 ee. Die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV zur Klärung des Begriffs der betroffenen Person i.S.d. Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Nr. 1 DSGVO ist nicht geboten. Die Richtigkeit der Auslegung und Anwendung dieses unionsrechtlichen Begriffs durch das Berufungsurteil erweist sich angesichts des eindeutigen Auslegungsergebnisses und der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erreichten Klärung des Zwecks des Auskunftsrechts nach der Datenschutzrichtlinie (vgl. EuGH, Urteile vom 7. Mai 2009 - C-553/07 - Rn. 49 ff., vom 17. Juli 2014 - C-141/12 - Rn. 44 und vom 20. Dezember 2017 - C-434/16 - Rn. 57) als derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (acte-clair-Doktrin, vgl. EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1982 - C 283/81 [ECLI:​EU:​C:​1982:​335], CILFIT - und vom 15. September 2005 - C-495/03 [ECLI:​EU:​C:​2005:​552], Intermodal Transports -). 23 b. Der Kläger kann den Auskunftsanspruch des Insolvenzschuldners aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO und das Recht auf Erteilung einer Kopie aus Absatz 3 der Vorschrift auch nicht in seiner Funktion als Insolvenzverwalter in eigenem Namen geltend machen, weil dieser Anspruch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf ihn übergegangen ist. Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch ist als höchstpersönliches Recht des Schuldners nicht Teil der Insolvenzmasse (BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juli 2019 - 7 C 31.17 - NVwZ-RR 2019, 1015 Rn. 13 und vom 28. Oktober 2019 - 10 B 21.19 - ZIP 2020, 86 Rn. 10; Birnbreier, EWiR 2019, 663, Schmittmann, NZI 2020, 39 <40>; Wassermann, ZD 2019, 476; a.A. wohl VG Hannover, Urteil vom 12. Dezember 2017 - 10 A 2866/17 - juris Rn. 25). 24 aa. Wie der Senat bereits ausgeführt hat (BVerwG, Beschluss vom 15. November 2018 - 6 B 143.18 - NZI 2019, 309 <310>), setzt die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs durch den Insolvenzverwalter voraus, dass dieser Auskunftsanspruch vom Insolvenzbeschlag gemäß §§ 35 ff. InsO erfasst wird. Zur Insolvenzmasse zu zählendes Vermögen sind die einer Person zustehenden geldwerten Rechte, nicht dagegen Güter des höchstpersönlichen Bereichs (Vuia, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 2, 4. Aufl. 2019, § 80 Rn. 44; Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 35 Rn. 17). Pfändbare Vermögensrechte sind in der Zwangsvollstreckung nur solche Rechte aller Art, die einen Vermögenswert derart verkörpern, dass die Pfandverwertung zur Befriedigung des Geldanspruchs der Gläubiger führen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2005 - VII ZB 5/05 - NJW 2005, 3353). Vom Insolvenzbeschlag ausgenommen sind Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO) und Forderungen, die nicht übertragbar sind (§ 851 Abs. 1 ZPO). Eine Forderung ist u.a. dann nicht übertragbar, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann (§ 399 BGB), der Inhalt des Rechts also in einem solchen Maß auf die Person des Berechtigten oder des Verpflichteten zugeschnitten ist, dass bei einem Subjektwechsel die Leistung in ihrem Wesen verändert würde (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 2011 - IX ZR 180/10 - BGHZ 189, 65 Rn. 42 und vom 12. Juli 2018 - III ZR 183/17 - BGHZ 219, 243 Rn. 34; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 851 Rn. 4). 25 bb. Auf der Grundlage der oben (Rn. 19 f.) dargestellten Charakterisierung des unionsrechtlichen Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO erweist sich dieses Recht nach den Regelungen des nationalen Rechts als nicht übertragbar (§ 399 BGB). Der Auskunftsanspruch stellt das elementare subjektive Datenschutzrecht dar und ist Ausfluss des in Art. 8 Abs. 1 GRC grundrechtlich verbürgten Schutzes der personenbezogenen Daten. Er dient dazu, dem Betroffenen das für die Durchsetzung seines Rechts auf Schutz der ihn betreffenden personenbezogenen Daten notwendige Wissensfundament zu verschaffen und ist seiner Natur nach ein Instrument zur Geltendmachung der Betroffenenrechte. Er kann daher nicht durch Dritte ausgeübt werden, ohne dass die Leistung in ihrem Wesen verändert würde. So verhält es sich hier. Denn in der Hand des Insolvenzverwalters soll die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ausschließlich die Realisierung vermögensrechtlicher Ansprüche Dritter befördern. Gegenstand und Ziel des Anspruchs wäre nicht mehr die grundrechtlich verbürgte Kontrolle über die zur eigenen Person verfügbaren Daten, sondern die Gewinnung eines wirtschaftlich verwertbaren Wissens. Der Auskunftsanspruch verlöre bei einem Übergang an einen Dritten seinen vom Unionsgesetzgeber vorgesehenen ideellen Charakter als Transparenzrecht und als Fundament zur Durchsetzung weiterer Betroffenenrechte. 26 cc. Die vom Kläger im Hinblick auf die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters geforderte Differenzierung nach dem Charakter der vom Auskunftsanspruch erfassten Daten als solche mit Vermögensbezug und solche mit ideellem Hintergrund kommt aus den im Berufungsurteil bereits dargelegten Gründen nicht in Betracht und würde auch zu keinem sachgerechten Ergebnis führen. Die Datenschutz-Grundverordnung kennt keine Unterscheidung danach, ob ein personenbezogenes Datum ideelle oder vermögensrechtliche Bezüge aufweist. Vielmehr sind sämtliche personenbezogenen Daten, auch wenn sie keine besondere Relevanz für die Freiheit und Privatheit des Betroffenen haben, sondern lediglich unter wirtschaftlichen Aspekten Bedeutung entfalten, vom Schutzregime der Datenschutz-Grundverordnung erfasst. Zutreffend weist der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass bei einer Aufspaltung des Anspruchs nach dem Charakter der Daten dem für die Datenverarbeitung Verantwortlichen als Anspruchsverpflichtetem die praktisch nicht zu lösende Aufgabe zukäme, über den Charakter der von ihm verarbeiteten Daten zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne auch BGH, Urteil vom 12. Juli 2018 - III ZR 183/17 - BGHZ 219, 243 Rn. 47 ff.). Zwar erwägt die von der Revision angeführte Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 - 7 C 3.16 - Buchholz 404 IFG Nr. 28 Rn. 30) im Rahmen der Ausschlussgründe für einen informationsfreiheitsrechtlichen Auskunftsanspruch, ob in Steuerunterlagen auch bestimmte sensible Daten enthalten sein könnten, deren Offenbarung an Dritte der Insolvenzverwalter im Rahmen des § 30 Abs. 1 AO nicht zustimmen könne. Eine Aussage zur Frage des vorliegend allein nach nationalem Recht zu beurteilenden maßgeblichen Rechtscharakters des unionsrechtlichen Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO ist damit aber nicht verbunden. 27 Schließlich vermag auch die Revision nicht zu begründen, warum einer Person im Falle der Insolvenz ihr in Art. 8 Abs. 2 GRC grundrechtlich verbürgter Auskunftsanspruch und ihre in der Datenschutz-Grundverordnung verankerten Ansprüche auf Berichtigung, Löschung, Einschränkung der Verarbeitung oder auf Datenübertragbarkeit ganz oder jedenfalls im Hinblick auf Daten mit wirtschaftlichem Bezug entzogen sein sollten. Hier erweist sich der vom nationalen Gesetzgeber vorgezeichnete Weg einer Informationsgewinnung durch die dem Insolvenzschuldner auferlegten umfassenden Mitwirkungs- und Auskunftspflichten (§§ 97 ff. InsO) als vorzugswürdig. Allein an die Verletzung solcher Aufklärungsmöglichkeiten könnte auch die vom Kläger hervorgehobene haftungsrechtliche Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters anknüpfen. Gerade der Umstand, dass es der Gesetzgeber unterlassen hat, in der Insolvenzordnung einen ergänzenden Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters gegen Dritte hinsichtlich potentieller Anfechtungstatbestände einzuführen und er in Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu informationsfreiheitsrechtlichen Auskunftsansprüchen des Insolvenzverwalters deren Umfang in § 32e AO beschränkt hat (vgl. BT-Drs. 18/12611 S. 89), belegt, dass die Stellung und die Befugnisse des Insolvenzverwalters insoweit nicht weiterreichen sollen. Ebenso wenig vermag der vom Kläger gezogene Vergleich mit der Rechtsstellung des Insolvenzschuldners in Eigeninsolvenz (§§ 270 ff. InsO) oder dem Nachlassinsolvenzverwalter (§§ 315 ff. InsO) eine Zugehörigkeit des Auskunftsanspruchs zur Insolvenzmasse zu begründen. Ob und in welchem Umfang der Insolvenzverwalter konkret Zugang zu Informationen erhält, die ihm das Auffinden von Vermögensgegenständen oder die Kenntnisnahme von Anfechtungstatbeständen erlauben, konnte der Gesetzgeber ohne Wertungswidersprüche unterschiedlich regeln. 28 c. Das klägerische Begehren lässt sich auch nicht mit der Ausgestaltung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO in der Abgabenordnung oder einer analogen Anwendung dieser Bestimmung oder mit sonstigen Anspruchsgrundlagen des nationalen Rechts begründen. 29 Entgegen dem Revisionsvorbringen lässt sich eine Anspruchsberechtigung des Insolvenzverwalters oder ein Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 InsO nicht aus der Anordnung der entsprechenden Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung in § 2a Abs. 5 AO entnehmen. § 2a Abs. 5 AO begründet keinen eigenständigen Auskunftsanspruch, sondern erweitert den Kreis der aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO Anspruchsberechtigten im Anwendungsbereich der Abgabenordnung auf verstorbene natürliche Personen oder Körperschaften, rechtsfähige oder nicht rechtsfähige Personenvereinigungen oder Vermögensmassen. An der ausschließlichen Berechtigung dieses erweiterten Kreises von Anspruchsinhabern hinsichtlich der sie betreffenden Daten hat der Gesetzgeber dagegen festgehalten. 30 Ebenso wenig vermag die im nationalen Recht angeordnete entsprechende Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung die Rechtsnatur des unionsrechtlichen Auskunftsanspruchs oder die Beurteilung der Übertragbarkeit dieses Anspruchs nach nationalem Recht zu verändern. Auch wenn der nationale Gesetzgeber den ideellen Schutzanspruch einer natürlichen Person durch § 2a Abs. 5 Nr. 1 AO für das Steuerverfahren über deren Tod hinaus verlängert hat, ändert dies nichts an der rechtlichen Beurteilung, dass die Leistung an einen Dritten die Zweckrichtung und den Inhalt des Auskunftsanspruchs in seinem Wesen verändern würde und der Auskunftsanspruch daher von der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters nicht erfasst wird. Vielmehr steht dieses Ergebnis im Einklang mit der im Erbrecht getroffenen Entscheidung des Gesetzgebers, dass Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten unabhängig von einem Vermögenswert auf die Erben übergehen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2018 - III ZR 183/17 - BGHZ 219, 243 Rn. 49), die im Insolvenzrecht keine Entsprechung findet. 31 Die Revision geht auch fehl in der Annahme, die Regelung des § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 32e Satz 1 und 2 AO solle nach dem Willen des Gesetzgebers einen dem Grund nach bestehenden Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO hinsichtlich der personenbezogenen Daten des Schuldners lediglich beschränken. § 32c Abs. 1 AO schließt den in Art. 15 Abs. 1 DSGVO gewährten Auskunftsanspruch der betroffenen Person aus, wenn die Auskunftserteilung den Rechtsträger der Finanzbehörde in der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche oder in der der Verteidigung gegen ihn geltend gemachter zivilrechtlicher Ansprüche im Sinne des Artikels 23 Absatz 1 Buchstabe j DSGVO beeinträchtigen würde. In § 32e Satz 1 und 2 AO wird diese Beschränkung des Auskunftsanspruchs sowohl für die betroffene Person wie auch für Dritte als Rechtsfolgeverweisung auf Auskunftsansprüche erstreckt, die sich aus den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes oder der Länder ergeben. Der Insolvenzverwalter ist in dieser Regelung nur insoweit angesprochen, als ihm ein informationsfreiheitsrechtlicher Auskunftsanspruch als ""Jedermannsrecht"" dem Grunde nach zustünde. Eine Aussage über das Bestehen eines Auskunftsanspruchs des Insolvenzverwalters unmittelbar aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO ist damit nicht verbunden. 32 Für eine analoge Anwendung des Art. 15 Abs. 1 DSGVO bei Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners durch den Insolvenzverwalter (§ 34 Abs. 3 AO) ist mangels Regelungslücke kein Raum. Der Bundesfinanzhof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass dem während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsuchenden Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung des Finanzamts zusteht (BFH, Urteil vom 19. März 2013 - II R 17/11 - BFHE 240, 497 Rn. 11, 14 m.w.N.). Dieser Anspruch steht unter den genannten Voraussetzungen auch dem Insolvenzverwalter zu. Dieses eigenständige steuerverfahrensrechtliche Auskunfts- oder Akteneinsichtsrecht eines Dritten wird durch das datenschutzrechtliche Betroffenenrecht nicht verdrängt. 33 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2020-52,23.09.2020,"Pressemitteilung Nr. 52/2020 vom 23.09.2020 EN Drittstaatsangehöriger Elternteil kann Aufenthaltsrecht nach Art. 21 AEUV nur von einem aus eigenem Recht freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerkind ableiten Dem drittstaatsangehörigen Elternteil eines Kindes, das die Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaats besitzt, kann ein vom Kind abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht aus Art. 21 AEUV (Freizügigkeitsrecht) nur zustehen, wenn das Kind ein eigenes - und nicht nur vom anderen (Unionsbürger-)Elternteil abgeleitetes - Freizügigkeitsrecht im Aufnahmemitgliedstaat hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, ein kosovarischer Staatsangehöriger, ist Vater eines im Juli 2017 geborenen Kindes, das über seine Mutter, mit der der Kläger zusammenlebt, die ungarische Staatsangehörigkeit besitzt. Das Sorgerecht für das Kind wird von den Eltern gemeinsam ausgeübt. Nach der Geburt des Kindes hat der Kläger erfolglos die Ausstellung einer Aufenthaltskarte als Familienangehöriger eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerkindes (entsprechend § 5 Abs. 1 FreizügG/EU) beantragt. Die vor dem Verwaltungsgericht erfolgreiche Klage hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) abgewiesen. Ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zugunsten des drittstaatsangehörigen Familienangehörigen eines Unionsbürgers bestehe grundsätzlich nur, wenn es erforderlich sei, damit der Unionsbürger (hier das Kind) sein Recht auf Freizügigkeit wirksam ausüben könne. Hierzu gehöre zwar auch ein familiäres Zusammenleben im Aufnahmemitgliedstaat. Ein aus Art. 21 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht sei aber nicht geboten, wenn das Familienleben auch durch Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels, hier einer humanitären Aufenthaltserlaubnis (§ 25 Abs. 5 AufenthG), erreicht werden könne. Eine solche habe der Kläger zwar nie beantragt, deren Erteilung habe die Ausländerbehörde aber zugesagt. Nachdem der Kläger inzwischen die Kindesmutter geheiratet hat und ihm daraufhin eine Aufenthaltskarte ausgestellt worden ist, begehrt er nur noch die gerichtliche Feststellung, dass ihm ein von seinem Kind abgeleitetes Aufenthaltsrecht zugestanden habe. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verfahren zur erneuten Entscheidung an den VGH zurückverwiesen. Art. 21 AEUV schützt das Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit und vermittelt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Familienangehörigen eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers auch in bestimmten Fallkonstellationen, die nicht unmittelbar von der Richtlinie 2004/38/EG (sog. Unionsbürgerrichtlinie) erfasst werden, ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht. Beruft sich ein Drittstaatsangehöriger auf ein aus der Freizügigkeitsgarantie für Unionsbürger nach Art. 21 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht zur Führung eines normalen Familienlebens in einem anderen EU-Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, muss die Referenzperson, von der er das Recht ableitet (hier das Kind) im Aufnahmemitgliedstaat aus eigenem Recht freizügigkeitsberechtigt sein; ein lediglich vom anderen Elternteil (hier der Mutter) abgeleitetes Freizügigkeitsrecht des Kindes reicht hierfür nicht. Ein eigenes Aufenthaltsrecht des Kindes besteht nur, wenn u.a. ausreichende Existenzmittel zur Verfügung stehen (Art. 7 Abs. 1 Buchst. b Unionsbürgerrichtlinie). Außerdem muss der drittstaatsangehörige Elternteil nach der Rechtsprechung des EuGH in dieser Fallkonstellation für ein aus Art. 21 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht auch tatsächlich für das Kind sorgen. Die hierzu erforderlichen Feststellungen sind vom VGH im zurückverwiesenen Verfahren zu treffen. Ein unmittelbar aus Art. 21 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht des drittstaatsangehörigen Familienangehörigen ist ein unionsrechtliches Freizügigkeitsrecht, dem die Möglichkeit der Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels nicht entgegensteht. BVerwG 1 C 27.19 - Urteil vom 23. September 2020 Vorinstanzen: VGH München, 10 BV 18.281 - Urteil vom 25. Juni 2019 - VG Augsburg, Au 6 K 17.1538 - Urteil vom 20. Dezember 2017 -","Urteil vom 23.09.2020 - BVerwG 1 C 27.19ECLI:DE:BVerwG:2020:230920U1C27.19.0 EN Aufenthaltsrecht eines drittstaatsangehörigen Elternteils eines Unionsbürgerkindes aus Art. 21 AEUV Leitsätze: 1. Beruft sich ein Drittstaatsangehöriger auf ein aus der Freizügigkeitsgarantie für Unionsbürger nach Art. 21 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht zur Führung eines normalen Familienlebens in einem anderen EU-Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, muss die Referenzperson, von der er das Recht ableitet, im Aufnahmemitgliedstaat aus eigenem Recht freizügigkeitsberechtigt sein; ein lediglich vom anderen Elternteil abgeleitetes Freizügigkeitsrecht eines Unionsbürgerkindes reicht hierfür nicht. 2. Ein unmittelbar aus Art. 21 Abs. 1 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht eines drittstaatsangehörigen Familienangehörigen ist ein unionsrechtliches Freizügigkeitsrecht im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG und § 2 Abs. 1 FreizügG/EU, dem die Möglichkeit der Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels nicht entgegensteht. 3. Dem drittstaatsangehörigen Elternteil, der sich auf ein von seinem Kind abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht aus Art. 21 AEUV beruft, kann ein fehlendes Erwerbseinkommen zur Sicherung der Existenzmittel der Referenzperson (Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/38/EG) jedenfalls dann nicht entgegengehalten werden, wenn er sich tatsächlich und nachhaltig um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherung der Existenzmittel für das Unionsbürgerkind bemüht hat, ihm die Ausübung einer Erwerbstätigkeit von der Ausländerbehörde aber verwehrt worden ist. Rechtsquellen AEUV Art. 20, 21 RL 2004/38/EG Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und d FreizügG/EU § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6, § 3 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 5 Abs. 1 Satz 1 AufenthG § 25 Abs. 5 VwGO § 43 Abs. 1, § 142 ZPO § 264 Nr. 2 Instanzenzug VG Augsburg - 20.12.2017 - AZ: VG Au 6 K 17.1538 VGH München - 25.06.2019 - AZ: VGH 10 BV 18.281 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 23.09.2020 - 1 C 27.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:230920U1C27.19.0] Urteil BVerwG 1 C 27.19 VG Augsburg - 20.12.2017 - AZ: VG Au 6 K 17.1538 VGH München - 25.06.2019 - AZ: VGH 10 BV 18.281 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß und Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Juni 2019 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 30. Juli 2019 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Kläger, ein kosovarischer Staatsangehöriger, begehrt als Vater eines Unionsbürgerkindes die Feststellung des Bestehens eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts und der Verpflichtung des Beklagten zur Ausstellung einer Bescheinigung darüber. 2 Im Februar 2017 teilte er dem Beklagten im Rahmen der Anhörung zur nachträglichen Befristung einer im April 2016 erteilten Aufenthaltserlaubnis als Ehegatte einer deutschen Staatsangehörigen mit, nunmehr mit einer ungarischen Staatsangehörigen in deren Wohnung zusammenzuleben, die von ihm ein Kind erwarte, dessen Vaterschaft er anerkennen wolle. Die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis wurde bestandskräftig von ursprünglich April 2018 bis zum 31. März 2017 verkürzt. In der Folgezeit wurden dem Kläger Duldungen ohne Gestattung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erteilt. 3 Nach der Geburt des Kindes am 6. Juli 2017 beantragte der Kläger unter dem 1. August 2017 die Ausstellung einer ""Aufenthaltskarte als Familienangehöriger eines Unionsbürgerkindes analog § 3 Abs. 2, Abs. 1 FreizügG/EU"". Er lebe mit der Mutter des gemeinsamen Kindes zusammen und sorge für deren Unterhalt. Ausweislich der Sorgeerklärung übten die Eltern das Sorgerecht gemeinsam aus. Er habe ein Aufenthaltsrecht nach Art. 20, 21 AEUV, welches durch die beantragte Aufenthaltskarte zu bescheinigen sei. 4 Auf die am 2. Oktober 2017 erhobene (Untätigkeits-)Klage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten mit Urteil vom 20. Dezember 2017 verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltskarte analog § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU auszustellen. Der Kläger habe einen entsprechenden Anspruch analog § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU in Verbindung mit Art. 21 AEUV. Die von der Rechtsprechung des EuGH aufgestellten Anspruchsvoraussetzungen, wonach auch Verwandte, die mangels Unterhaltsgewährung durch den Unionsbürger keine Familienangehörigen im Sinne des Art. 2 Nr. 2 Unionsbürgerrichtlinie seien, ein Aufenthaltsrecht als drittstaatsangehörige Elternteile beanspruchen könnten, lägen vor. Der Kläger lebe als personensorgeberechtigter Elternteil mit seinem Kind und dessen Mutter tatsächlich zusammen und sorge für sie. Es komme weder auf die Herkunft der Mittel noch darauf an, dass das Unionsbürgerkind sein Freizügigkeitsrecht von seiner Mutter ableite und damit auf die Unterhaltsleistung des drittstaatsangehörigen Elternteils zur Vermittlung des Freizügigkeitsrechts nicht angewiesen sei. 5 Im Berufungsverfahren hat der Kläger erklärt, dass die Kindesmutter seit dem 11. April 2018 einer geringfügigen Beschäftigung nachgehe und daneben für das gemeinsame Kind Eltern-, Familien- und Kindergeld sowie für sich aufstockende Leistungen nach dem SGB II beziehe. Er selbst beziehe seit der Versagung der Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof am 24. Juni 2019 hat die Beklagtenvertreterin erklärt, dass dem Kläger auf entsprechenden Antrag wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit seinem Kind ein humanitärer Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt werden würde. 6 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 25. Juni 2019 das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Ein Anspruch des Klägers auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU in unmittelbarer Anwendung scheide schon deswegen aus, weil der Kläger kein Familienangehöriger eines Unionsbürgers im Sinne des § 3 Abs. 2 FreizügG/EU bzw. Art. 3 Abs. 1 Halbs. 2 in Verbindung mit Art. 2 Nr. 2 RL 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - sei. Er sei weder Ehegatte der Kindesmutter noch werde ihm als Verwandten in gerader aufsteigender Linie von seinem Kind Unterhalt gewährt. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte analog § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU auf der Grundlage eines aus Art. 21 oder Art. 20 AEUV hergeleiteten Rechts auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat. Der Anwendungsbereich des Art. 21 AEUV sei zwar eröffnet. Das Unionsbürgerkind des Klägers leite sein Aufenthaltsrecht von seiner Mutter ab. Diese sei Arbeitnehmerin im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU, da sie ausweislich der im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen seit Mai 2018 (wieder) eine Beschäftigung ausübe. Sei das Kind als Referenzperson, von der der Kläger als Elternteil ein Aufenthaltsrecht ableite, selbst (akzessorisch) und unabhängig von ausreichenden Existenzmitteln und Krankenversicherungsschutz freizügigkeitsberechtigt, so könne es - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - weder entscheidend darauf ankommen, ob es durch den drittstaatsangehörigen Elternteil über die erforderlichen Mittel verfüge, noch welche weiteren Anforderungen an deren ""Herkunft"" gestellt werden könnten. Soweit nach der Rechtsprechung des EuGH aus Gründen der praktischen Wirksamkeit der Rechte des Unionsbürgers aus Art. 21 AEUV ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht für den drittstaatsangehörigen Elternteil nicht geboten sei, wenn das Führen eines ""normalen Familienlebens"" auch durch Gewährung eines nationalen Aufenthaltsrechts erreicht werden könne, komme vorliegend insbesondere eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG in Betracht. Zwar habe der Kläger (derzeit) keine solche Aufenthaltserlaubnis. Auch sei im Rahmen der nachträglichen Verkürzung der zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis durch Bescheid vom 22. Februar 2017 ein Anspruch auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltsrechts (noch) verneint worden. Allerdings habe sich die Sachlage mit Geburt des Kindes grundlegend geändert. So spreche nunmehr für den Erhalt eines solchen Aufenthaltstitels zum einen schon, dass der Beklagte spätestens mit Erteilung (und Verlängerung) der Duldung für den Kläger ab dem 11. Juli 2018 die Unmöglichkeit seiner Abschiebung aus rechtlichen Gründen dokumentiert habe. Hieran dürfte sich schon im Hinblick auf die unmittelbar bevorstehende Geburt eines weiteren gemeinsamen Kindes des Klägers und seiner Lebensgefährtin nichts ändern. Zum anderen habe der Beklagte die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG in der mündlichen Verhandlung in Aussicht gestellt bzw. zugesagt. Die Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG lägen vor. Für die Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit des Freizügigkeitsrechts des Unionsbürgerkindes bedürfe es auch nicht eines rückwirkend erteilten nationalen Aufenthaltstitels. Der Kläger habe bislang aber die Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht beantragt, weshalb er das Fehlen eines Aufenthaltsrechts bzw. -titels nicht einwenden könne. Die Nichtanerkennung eines aus Art. 21 AEUV abgeleiteten Aufenthaltsrechts für den Kläger aufgrund der möglichen Gewährung eines nationalen Aufenthaltstitels führe nicht dazu, dass dies den Unionsbürger (das Kind des Klägers) in seiner Freizügigkeit beeinträchtige, weil es ihn nicht davon abhalten werde, von seinem Recht Gebrauch zu machen, in den Aufnahmemitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten. Das Recht auf Führen eines ""normalen Familienlebens"" im Aufnahmemitgliedstaat aus Art. 21 AEUV werde auch mit Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels sichergestellt, sodass sich mangels Vorliegens eines Kollisionsfalles die Frage des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts hier nicht stelle. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung analog § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU in Verbindung mit Art. 20 AEUV. Im Falle der Verweigerung eines abgeleiteten unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts im Aufnahmemitgliedstaat stünde dem Kläger ein Recht zu, sein Kind und die Kindesmutter in deren Herkunftsstaat (Ungarn) zu begleiten, sodass sein Kind nicht gezwungen werde, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen. 7 Nach Ergehen des Berufungsurteils am 25. Juni 2019 hat der Kläger am 28. Juni 2019 die Kindesmutter geheiratet, und es wurde ihm rückwirkend auf den Zeitpunkt der Eheschließung eine Aufenthaltskarte als Ehegatte einer Unionsbürgerin erteilt. 8 Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision begehrt der Kläger deshalb nur noch die Feststellung des Bestehens eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts im Sinne des FreizügG/EU aus Art. 21 AEUV im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz und die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung. 9 Die Umstellung auf ein Feststellungsbegehren im Revisionsverfahren sei zulässig; die rückwirkende Erteilung der Bescheinigung vermittle dem Kläger keine günstigere Rechtsposition gegenüber der Feststellung eines Aufenthaltsrechts. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stehe nicht im Einklang mit Bundesrecht, soweit es annehme, eine nur auf Antrag und nach Ermessen zu erteilende Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG stelle eine adäquate Bescheinigung zum Nachweis des Bestehens eines Aufenthaltsrechts dar, die keinen Raum für ein aus Gründen der praktischen Wirksamkeit der Rechte des Unionsbürgerkindes aus Art. 21 AEUV abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht beließe. 10 Der Beklagte hält die Klageänderung für unzulässig; es fehle an einem Feststellungsinteresse. Er verteidigt das Berufungsurteil, soweit es das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht gegenüber der Möglichkeit der Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels als nachrangig ansieht. 11 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren, teilt die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts und verweist auf die Revisionserwiderung des Beklagten. II 12 Die zulässige Revision des Klägers ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung an den Verwaltungsgerichtshof begründet. Die ursprüngliche Klage konnte im Revisionsverfahren zulässigerweise auf eine Feststellungsklage umgestellt werden (1.). Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, die Möglichkeit der Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels stehe einem abgeleiteten Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV entgegen, verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Satz 1 VwGO) (2.). Nicht im Einklang mit Unionsrecht steht dessen weitere Auffassung, die Ableitung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts aus Art. 21 Abs. 1 AEUV für den drittstaatsangehörigen Elternteil eines Unionsbürgerkindes sei auch dann möglich, wenn das Kind selbst nur ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht im Aufnahmemitgliedstaat hat (3.). Der Senat kann mangels tatsächlicher Feststellungen zur Ausübung der elterlichen Sorge und der Sicherung der Existenzmittel für das Kind über den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO), sodass das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO) (3.b.). 13 1. Die im Revisionsverfahren (nur noch) auf Feststellung des Bestehens eines vom Kind abgeleiteten unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts aus Art. 21 AEUV im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gerichtete Klage ist zulässig. 14 a. Ein Aufenthaltsrecht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV vermittelt eine Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU (vgl. unten unter 2.b.), dem durch Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach § 5 FreizügG/EU Rechnung zu tragen ist. Die Aufenthaltskarte stellt lediglich deklaratorisch das Bestehen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fest (vgl. BT-Drs. 17/10746, S. 11). Es handelt sich dabei - wie bei der Bescheinigung über das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 5 Abs. 5 FreizügG/EU (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2012 - 10 C 8.12 - Buchholz 402.261 § 4a FreizügG/EU Nr. 3 Rn. 12) - nicht um einen feststellenden Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG, sondern um schlicht hoheitliches Handeln (vgl. Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 5 FreizügG/EU Rn. 20 und 28), das mit der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen ist. 15 b. Der Kläger hat daher in den Vorinstanzen zu Recht einen Antrag auf Verurteilung des Beklagten zur Ausstellung einer Aufenthaltskarte gestellt. Dieser Antrag war bei sachdienlicher Auslegung auf die Ausstellung einer Aufenthaltskarte mit Wirkung für die Zukunft gerichtet und war deshalb vom Berufungsgericht nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu beurteilen. Das ursprüngliche Begehren hat sich allerdings im Revisionsverfahren erledigt, weil der Kläger nach Ergehen des Berufungsurteils die Mutter seines Kindes geheiratet hat und ihm daraufhin eine Aufenthaltskarte als Ehegatte einer Unionsbürgerin ausgestellt worden ist. Dem hat der Kläger im Revisionsverfahren durch Umstellung seines Leistungsantrags auf einen Feststellungsantrag - bezogen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht - Rechnung getragen. Dies stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar, weil sich § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht auf eine nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 ZPO privilegierte Klageänderung erstreckt. Soweit sich der Kläger auf ein von seinem Kind abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht beruft, stützt sich dies der Sache nach auf keinen anderen Lebenssachverhalt als das noch im Berufungsverfahren verfolgte Begehren auf Erteilung einer Aufenthaltskarte bzw. Bescheinigung mit Wirkung für die Zukunft. Die Umstellung des Klageantrages stellt mangels Veränderung des Klagegrundes gem. § 264 Nr. 2 ZPO keine Klageänderung dar. Da der Kläger (nur) eine auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht bezogene Feststellung begehrt, führt die Antragsumstellung auch nicht zu einer Zeitpunktverschiebung, sodass der Prüfung des Revisionsgerichts kein Sachverhalt zugrunde liegt, der nicht bereits der tatrichterlichen Würdigung durch das Berufungsgericht unterlag (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 142 Rn. 6). Der Kläger hat auch das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse, weil die begehrte Feststellung zur Sicherung der ""Früchte des Prozesses"" geeignet ist, seine Rechtsposition hinsichtlich einer möglichen weiteren Aufenthaltsverfestigung - etwa im Hinblick auf ein Daueraufenthaltsrecht oder eine Einbürgerung - verbindlich zu klären (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. April 2018 - 1 C 29.17 - BVerwGE 162, 44 Rn. 43 m.w.N.). 16 2. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, die Möglichkeit der Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG stehe einem abgeleiteten Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV entgegen, verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat zwar kein Aufenthaltsrecht in unmittelbarer Anwendung des Freizügigkeitsgesetzes/EU (a.). Für den Kläger als drittstaatsangehörigem Familienangehörigen eines Unionsbürgers kam im maßgeblichen Feststellungszeitpunkt aber ein aus Art. 21 Abs. 1 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht in Betracht (b.), bei dem es sich um ein eigenständiges Freizügigkeitsrecht handelt und dem die Möglichkeit der Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels nicht entgegensteht (c.). 17 a. Der Kläger hatte zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht keinen Anspruch auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte in unmittelbarer Anwendung von § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU, weil er kein Familienangehöriger der Unionsbürgerin und Kindesmutter im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU war. Als Vater des Kindes und damit dessen Verwandter in gerader aufsteigender Linie (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU) erhielt er von dem Kind keinen Unterhalt. 18 b. Mit den Vorinstanzen ist aber davon auszugehen, dass der Anwendungsbereich des Art. 21 Abs. 1 AEUV für das vom Kläger als drittstaatsangehöriger Familienangehöriger eines Unionsbürgers beanspruchte Aufenthaltsrecht eröffnet ist. 19 aa. Gemäß Art. 21 Abs. 1 AEUV hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten (Freizügigkeitsrecht). Der EuGH hat in besonders gelagerten Fallkonstellationen anerkannt, dass drittstaatsangehörige Familienangehörige eines Unionsbürgers, die zwar aus der Richtlinie 2004/38/EG kein abgeleitetes Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat herleiten können, dennoch auf der Grundlage von Art. 21 Abs. 1 AEUV die Anerkennung eines Rechts erreichen können (EuGH, Urteile vom 12. März 2014 - C-456/12 [ECLI:​EU:​C:​2014:​135], O. und B. - Rn. 44 ff., vom 10. Mai 2017 - C-133/15 [ECLI:​EU:​C:​2017:​354], Chavez-Vilchez u.a. - Rn. 54 und vom 27. Juni 2018 - C-230/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​497], Altiner u. Ravn - Rn. 27 m.w.N.). Ein unmittelbar aus Art. 21 Abs. 1 AEUV hergeleitetes Aufenthaltsrecht für Familienangehörige eines Unionsbürgers vermittelt nicht nur ein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Wohnsitznahme, sondern ein Freizügigkeitsrecht im Sinne des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU. In Art. 21 Abs. 1 AEUV ist die Freizügigkeit der Unionsbürger primärrechtlich verankert, die auch das Recht umfasst, im Aufnahmemitgliedstaat ein normales Familienleben zu führen. Dieses Aufenthaltsrecht steht auf einer Stufe mit den Freizügigkeitsrechten aus der Richtlinie 2004/38/EG. In Fällen, in denen drittstaatsangehörigen Familienangehörigen eines Unionsbürgers zwar aus der Richtlinie 2004/38/EG kein Recht auf Aufenthalt zusteht, sie aber dennoch auf der Grundlage des Art. 21 Abs. 1 AEUV ""ein solches Aufenthaltsrecht"" herleiten können, darf dies in den Voraussetzungen für die Gewährung nicht strenger sein als das Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38/EG, die darauf anzuwenden ist (vgl. EuGH, Urteile vom 12. März 2014 - C-456/12, O. und B. - Rn. 50 und 61 und vom 14. November 2017 - C-165/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​862], Lounes - Rn. 45 und 61). 20 (1) Nach der Rechtsprechung des EuGH steht Verwandten, die mangels Unterhaltsgewährung in aufsteigender Linie nicht Familienangehörige im Sinne von Art. 2 Nr. 2 Buchst. d RL 2004/38/EG sind, dennoch aus Art. 21 AEUV und der Richtlinie 2004/38/EG ein Aufenthaltsrecht als drittstaatsangehöriger Elternteil zu, wenn sie tatsächlich für das Kind sorgen und dieses über ausreichende Existenzmittel im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/38/EG verfügt (vgl. EuGH, Urteile vom 10. Oktober 2013 - C-86/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​645], Alokpa - Rn. 29, vom 8. November 2012 - C-40/11 [ECLI:​EU:​C:​2012:​691], Iida - Rn. 68 f. und vom 19. Oktober 2004 - C-200/02 [ECLI:​EU:​C:​2004:​639], Zhu und Chen - Rn. 45). Begründet hat der EuGH dies damit, dass ansonsten dem Aufenthaltsrecht des Kindes jede praktische Wirksamkeit genommen werde. Denn der Genuss des Aufenthaltsrechts durch ein Kind im Kleinkindalter setze offenkundig voraus, dass sich die für das Kind tatsächlich sorgende Person bei diesem aufhalten dürfe (EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 - C-200/02, Zhu und Chen - Rn. 45). 21 (2) Nach der Rechtsprechung des EuGH können außerdem in bestimmten Fällen drittstaatsangehörige Familienangehörige eines Unionsbürgers, die aus der Richtlinie 2004/38/EG kein abgeleitetes Recht auf Aufenthalt in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit dieser Unionsbürger besitzt, herleiten können, auf der Grundlage von Art. 21 Abs. 1 AEUV die Anerkennung eines solchen Rechts erreichen (vgl. EuGH, Urteile vom 12. März 2014 - C-456/12, O. und B. - Rn. 44 ff., vom 10. Mai 2017 - C-133/15, Chavez-Vilchez u. a. - Rn. 54, vom 14. November 2017 - C-165/16, Lounes - Rn. 46 und vom 27. Juni 2018 - C-230/17, Altiner u. Ravn - Rn. 26). Die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Fälle betrafen sämtlich Sachverhalte, in denen die Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG auf Familienangehörige daran scheiterte, dass diese Richtlinie dem Unionsbürger ein eigenes Aufenthaltsrecht und seinen Familienangehörigen ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht nur gewährt, wenn der Unionsbürger von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, indem er sich in einem anderen Mitgliedstaat niederlässt als demjenigen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Denn die Richtlinie 2004/38/EG regelt nur die Voraussetzungen, unter denen ein Unionsbürger in andere Mitgliedstaaten als in den seiner eigenen Staatsangehörigkeit einreisen und sich dort aufhalten darf. Aus ihr können daher Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, kein abgeleitetes Recht auf Aufenthalt in dem Mitgliedstaat herleiten, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt (EuGH, Urteile vom 12. März 2014 - C-456/12 - Rn. 50, vom 10. Mai 2017 - C-133/15 - Rn. 52 f. und vom 14. November 2017 - C-165/16 - Rn. 43). Beruft sich ein Unionsbürger - etwa als Staatsangehöriger mehrerer Mitgliedstaaten gegenüber einem dieser Mitgliedstaaten oder als Rückkehrer in den Herkunftsmitgliedstaat - in seiner Eigenschaft als Unionsbürger, der von seinem Recht, sich in einem anderen Mitgliedstaat frei zu bewegen und aufzuhalten, Gebrauch gemacht hat, auf die mit dieser Eigenschaft verbundenen Rechte, kann ein Familienangehöriger dieses Unionsbürgers in entsprechender Anwendung der Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38/EG ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV geltend machen (EuGH, Urteile vom 12. März 2014 - C-456/12 - Rn. 36 und 49 f., vom 10. Mai 2017 - C-133/15 - Rn. 54, vom 14. November 2017 - C-165/16 - Rn. 55 und 61, vom 27. Juni 2018 - C-230/17 - Rn. 27 und 30 und vom 5. Juni 2018 - C-673/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​385], Coman - Rn. 25 und 31). 22 (3) Der Entwurf eines Gesetzes zur aktuellen Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften an das Unionsrecht vom 19. August 2020 (BT-Drs. 19/21750, S. 35 f.) trägt dieser Rechtsprechung erkennbar Rechnung, indem er in § 1 Abs. 2 Nr. 6 der Entwurfsfassung den Anwendungsbereich des Freizügigkeitsgesetzes/EU ausdrücklich auf Familienangehörige und nahestehende Personen von Deutschen erstreckt, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit nach Art. 21 AEUV nachhaltig Gebrauch gemacht haben und für diesen Personenkreis in § 12a der Entwurfsfassung eine entsprechende Anwendung der für Familienangehörige und nahestehende Personen von Unionsbürgern geltenden Regelungen anordnet. Im Gesetzentwurf nicht erwähnt wird allerdings die unter (1) beschriebene Fallgruppe der drittstaatsangehörigen Elternteile, die mangels Unterhaltsgewährung durch ihr Kind zwar nicht Familienangehörige im Sinne von Art. 2 Nr. 2 Buchst. d RL 2004/38/EG sind, denen aber aus Art. 21 Abs. 1 AEUV und der Richtlinie 2004/38/EG wegen tatsächlicher Ausübung der Sorge für ein Unionsbürgerkind und bei ausreichenden Existenzmitteln im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/38/EG ein Aufenthaltsrecht zusteht. 23 bb. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen der unter aa.(2) geschilderten Fallgruppe, weil nicht festgestellt ist, dass das Kind neben der ungarischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Beim Kläger geht es auch nicht um die Fortführung eines in einem anderen Mitgliedstaat mit einem Familienangehörigen auf der Grundlage und unter Beachtung des Unionsrechts entwickelten und geführten Familienlebens im Herkunftsmitgliedstaat (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 27. Juni 2018 - C- 230/17, - Rn. 31 ff.). Der Kläger unterfällt dagegen möglicherweise der unter aa.(1) beschriebenen Fallgruppe, wenn er im maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich für das Kind gesorgt und dieses über die erforderlichen Existenzmittel im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/38/EG verfügt hat (s.u. 3.). 24 c. Ein unmittelbar aus Art. 21 Abs. 1 AEUV hergeleitetes Aufenthaltsrecht für drittstaatsangehörige Familienangehörige von Unionsbürgern vermittelt ein Freizügigkeitsrecht im Sinne des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU, auf das die Richtlinie 2004/38/EG entsprechend anwendbar ist (s.o. unter b.aa.). Anders als ein aus Art. 20 AEUV resultierendes Aufenthaltsrecht, das nur ""ausnahmsweise"" oder bei ""Vorliegen ganz besondere(r) Sachverhalte"" besteht (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 - 1 C 16.17 - BVerwGE 162, 349, Rn. 34 m.w.N. zur Rspr. des EuGH) und gegenüber dem Recht aus Art. 21 AEUV nachrangig ist (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Mai 2017 - C-133/15, - Rn. 56 f.), handelt es sich bei dem aus Art. 21 Abs. 1 AEUV abgeleiteten Freizügigkeitsrecht um ein vollwertiges und eigenständiges Recht, in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats einzureisen und sich dort aufzuhalten. Es wird unabhängig von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder dergleichen seitens des Aufnahmestaats unmittelbar Kraft primären Unionsrechts oder, je nach Sachlage, durch die zu dessen Umsetzung ergangenen Bestimmungen erworben (vgl. EuGH, Urteil vom 8. April 1976 - C-48/75 [ECLI:​EU:​C:​1976:​57], Royer - Rn. 31 ff.). 25 Ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger zum maßgeblichen Feststellungszeitpunkt nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels war, sich die Zusicherung der Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG an den Kläger durch den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht auf eine rückwirkende Erteilung bezieht und der Kläger den für die Erteilung gemäß § 81 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Antrag nicht gestellt hatte, kann dem aus Art. 21 Abs. 1 AEUV abgeleiteten Aufenthaltsrecht des Klägers jedenfalls die Möglichkeit des Bestehens eines Anspruchs auf Erteilung einer nationalen Aufenthaltserlaubnis nicht entgegengehalten werden (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG, § 11 Abs. 1 FreizügG/EU). 26 3. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist die Ableitung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts aus Art. 21 Abs. 1 AEUV für den drittstaatsangehörigen Elternteil eines Unionsbürgerkindes nicht möglich, wenn das Kind selbst (nur) ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht im Aufnahmemitgliedstaat hat (UA S. 12 f.) (a.). Der Senat kann über das Bestehen des Rechts für den Kläger im maßgeblichen Feststellungszeitpunkt nicht abschließend entscheiden, weil es an den bei unionsrechtskonformer Betrachtung der Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts erforderlichen tatsächlichen Feststellungen fehlt (b.). 27 a. Nach obigen Ausführungen kommt ein unmittelbar aus Art. 21 Abs. 1 AEUV resultierendes Aufenthaltsrecht des Klägers nur in Betracht, wenn er im maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich für das Kind gesorgt und dieses über die erforderlichen Existenzmittel im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/38/EG verfügt hat. Beruft sich ein Drittstaatsangehöriger (hier der Kläger) auf ein aus der Freizügigkeitsgarantie für Unionsbürger nach Art. 21 Abs. 1 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht zur Führung eines normalen Familienlebens in einem anderen EU-Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, muss die Referenzperson, von der er das Recht ableitet (hier das Kind), im Aufnahmemitgliedstaat aus eigenem Recht freizügigkeitsberechtigt sein; ein lediglich vom anderen Elternteil (hier der Mutter) abgeleitetes Freizügigkeitsrecht des Kindes reicht hierfür nicht. Denn nach Art. 7 Abs. 2 RL 2004/38/EG ist für ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht eines drittstaatsangehörigen Familienangehörigen erforderlich, dass die Referenzperson ihrerseits aus eigenem Recht (also nach Art. 7 Abs. 1 Buchst a bis c RL 2004/38/EG) und nicht lediglich aus abgeleitetem Recht (nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. d RL 2004/38/EG) freizügigkeitsberechtigt ist. Die Referenzperson muss insbesondere die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/38/EG in eigener Person erfüllen (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 - C-86/12, Alokpa - Rn. 29). Auf diese Voraussetzung kann hier nicht deshalb verzichtet werden, weil das Kind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls in dem für seine Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt - unabhängig von der Voraussetzung des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/38/EG - abgeleitet von seiner Mutter als Arbeitnehmerin freizügigkeitsberechtigt war. 28 b. Die danach erforderlichen Feststellungen zum Umfang der elterlichen Sorge (aa.) und der Verfügbarkeit von Existenzmitteln für das Kind (bb.) hat der Verwaltungsgerichtshof - nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig - nicht getroffen, so dass die Sache deshalb gemäß § 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO unter Aufhebung des Berufungsurteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen ist. 29 aa. Der Rechtsprechung des EuGH lagen zwar nur Fälle zugrunde, in denen der drittstaatsangehörige Elternteil allein oder zumindest vorrangig gegenüber dem anderen Elternteil für das Kind sorgte (EuGH, Urteile vom 10. Oktober 2013 - C-86/12, Alokpa - Rn. 29, vom 8. November 2012 - C-40/11, Iida - Rn. 68 f. und vom 19. Oktober 2004 - C-200/02, Zhu und Chen - Rn. 45). Daraus kann aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass ein Aufenthaltsrecht des drittstaatsangehörigen Elternteils schon dann entfällt, wenn dieser die elterliche Sorge zusammen mit einem anderen (freizügigkeitsberechtigten) Elternteil wahrnimmt. Vielmehr genügt für ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht eines die Sorge tatsächlich ausübenden drittstaatsangehörigen Elternteils, wenn ""die Eltern"" die Personensorge wahrnehmen (vgl. zu Art. 12 VO (EWG) Nr. 1612/68: EuGH, Urteil vom 17. September 2002 - C-413/99 [ECLI:​EU:​C:​2002:​493], Baumbast und R. - Rn. 71 ff.). 30 Der Verwaltungsgerichtshof wird deshalb zu berücksichtigen haben, dass die elterliche Sorge nach Aktenlage zum maßgeblichen Feststellungszeitpunkt rechtlich beiden Elternteilen zugestanden hat und nach den Angaben des Klägers und der Kindesmutter auch tatsächlich von beiden ausgeübt wurde. Ungeachtet des tatsächlichen Anteils der Elternteile dürfte die Voraussetzung der Ausübung der (gemeinsamen) elterlichen Sorge für ein Kind jedenfalls regelmäßig bei Fehlen entgegenstehender Anhaltspunkte in Fällen erfüllt sein, in denen die Familie in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt. 31 bb. Die in Art. 7 Abs. 1 Buchst b RL 2004/38/EG für ein eigenständiges Freizügigkeitsrecht des Familienangehörigen aufgestellte Voraussetzung der Verfügbarkeit ausreichender Existenzmittel ist dahin auszulegen, dass es genügt, wenn diese Mittel dem Unionsbürger zur Verfügung stehen, auch wenn sie letztlich vom drittstaatsangehörigen Elternteil stammen (EuGH, Urteile vom 10. Oktober 2013 - C-86/12, Alokpa - Rn. 27, vom 16. Juli 2015 - C-218/14 [ECLI:​ EU:​C:​2015:​476], Singh u. a., - Rn. 76 und vom 19. Oktober 2004 - C-200/02, Zhu und Chen - Rn. 28 und 30). 32 Da das Recht auf Freizügigkeit als ein grundlegendes Prinzip des Unionsrechts die Grundregel darstellt, sind die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/38 festgelegten Voraussetzungen unter Einhaltung der vom Unionsrecht gezogenen Grenzen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. September 2013 - C-140/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​565], Brey - Rn. 70 m.w.N.). Deshalb muss es einem drittstaatsangehörigen Elternteil, der sich auf ein Aufenthaltsrecht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV beruft, tatsächlich möglich sein, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, um die Existenzmittel für das Unionsbürgerkind, von dem er sein Aufenthaltsrecht ableiten will, zu sichern. Dabei kommt es nicht auf die Herkunft der Existenzmittel an (EuGH, Urteile vom 19. Oktober 2004 - C-200/02, Zhu und Chen - Rn. 30, sowie vom 10. Oktober 2013 - C-86/12, Alokpa - Rn. 27); die Mittel können auch aus einer illegalen Beschäftigung stammen (EuGH, Urteil vom 2. Oktober 2019 - C-93/18 [ECLI:​EU:​C:​2019:​809] - Rn. 48). Dem drittstaatsangehörigen Elternteil, der sich auf ein abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht beruft, kann ein fehlendes Erwerbseinkommen aber jedenfalls dann nicht entgegengehalten werden, wenn er sich tatsächlich und nachhaltig um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherung der Existenzmittel für das Unionsbürgerkind bemüht hat, ihm die Ausübung einer Erwerbstätigkeit aber von der Ausländerbehörde verwehrt worden ist. 33 Deshalb kann das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/38/EU für das Kind des Klägers nicht allein deshalb verneint werden, weil er im maßgeblichen Feststellungszeitpunkt tatsächlich kein Erwerbseinkommen erzielt hat. Denn dies beruhte nach Aktenlage darauf, dass die Ausländerbehörde dem Kläger die (weitere) Ausübung einer Erwerbstätigkeit mit der rückwirkenden Verkürzung der Geltungsdauer der dazu berechtigenden Aufenthaltserlaubnis als Ehegatte einer deutschen Staatsangehörigen und der Erteilung einer Duldung ohne Gestattung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit trotz der Sorge für sein hier lebendes Unionsbürgerkind verwehrte. 34 4. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten." bverwg_2020-53,23.09.2020,"Pressemitteilung Nr. 53/2020 vom 23.09.2020 EN Klärung der Identität im Einbürgerungsrecht in Ausnahmefällen auch ohne amtliche Ausweispapiere möglich Die Klärung der Identität eines Einbürgerungsbewerbers i.S.d. § 10 Abs. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes kann in Fällen, in denen feststeht, dass amtliche Ausweispapiere nicht vorgelegt oder zumutbar vom Einbürgerungsbewerber beschafft werden können, auch auf andere Art, insbesondere durch Vorlage nichtamtlicher Dokumente, erfolgen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin ist nach ihren Angaben chinesische Staatsangehörige tibetischer Volkszugehörigkeit. Sie habe als Kleinkind Aufnahme in ein tibetisches Nonnenkloster gefunden und sei dort ordiniert worden. Ihr Name sei ihr Ordinationsname; ihren Geburtsnamen kenne sie nicht. Sie wisse nicht, wer ihre Eltern seien und ob sie weitere Familienangehörige habe. Ihr Geburtsdatum sei von den Nonnen geschätzt worden. Ein staatliches Identitätsdokument habe sie nie besessen. Ob sie in China offiziell registriert sei, wisse sie nicht. Nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilte ihr die Ausländerbehörde zuletzt eine Niederlassungserlaubnis. Im September 2016 beantragte sie ihre Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter Hinnahme ihrer Mehrstaatigkeit. Zum Nachweis ihrer Identität reichte sie eine Bescheinigung des Klosters, eine Geburtsbestätigung des Büros des Repräsentanten Seiner Heiligkeit des Dalai Lama und eine Bestätigung des Vereins der Tibeter in Deutschland e.V. ein. Antrag und Widerspruch blieben erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen. Eine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband scheide aus, da ihre Identität nicht geklärt sei. Lägen ein gültiger und anerkannter ausländischer Pass oder ausländischer Passersatz nicht vor, so könne die Identität nur durch andere geeignete amtliche Dokumente nachgewiesen werden. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Das Einbürgerungserfordernis geklärter Identität dient gewichtigen Sicherheitsbelangen und der Prüfung der weiteren Einbürgerungsvoraussetzungen. Zugleich muss einem bis zur Grenze der Unzumutbarkeit umfassend mitwirkenden Einbürgerungsbewerber aber die ihm abverlangte und obliegende Klärung seiner Identität auch objektiv möglich sein. Diese Belange sind durch ein Stufenmodell zum Ausgleich zu bringen. Zuvörderst und im Regelfall ist für den Nachweis der Identität des Einbürgerungsbewerbers die Vorlage eines Passes oder eines anerkannten Passersatzpapieres erforderlich. Ausnahmefällen objektiv bestehender Beweisnot ist in dem durch diese gebotenen Umfang durch eine abgestufte Erweiterung der zur Identitätsklärung zuzulassenden Nachweismittel Rechnung zu tragen; diese müssen ein in sich schlüssiges und glaubhaftes Vorbringen des Einbürgerungsbewerbers zu seiner Person und dem Unvermögen zur Beibringung aussagekräftigerer Dokumente stützen. Kann mithin ein Pass oder ein Passersatzpapier nicht vorgelegt oder zumutbar beschafft werden, sind für den Nachweis andere geeignete amtliche Urkunden zuzulassen, bei deren Ausstellung die Richtigkeit der Verbindung von Person und Name überprüft worden ist. Sind auch solche Dokumente für den Einbürgerungsbewerber zumutbar nicht zu erreichen oder reichen sie zur Identitätsklärung für sich allein nicht aus, kann - allein oder ergänzend - hierfür auch auf andere aussagekräftige Beweismittel, insbesondere auf die Vorlage sonstiger amtlicher und nichtamtlicher Urkunden oder auf Zeugenaussagen Dritter zurückgegriffen werden. Ist auch dies dem Einbürgerungsbewerber objektiv nicht möglich und sind alle Möglichkeiten einer Ermittlung von Amts wegen ausgeschöpft, können in besonderen Ausnahmefällen zur Klärung der Identität auf einer letzten Stufe auch im Rahmen einer Gesamtwürdigung eines schlüssigen und glaubhaften Vorbringens allein die Angaben des Einbürgerungsbewerbers zu seiner Person Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Überzeugungsbildung sein. BVerwG 1 C 36.19 - Urteil vom 23. September 2020 Vorinstanz: VG Stuttgart, 11 K 8033/18 - Urteil vom 20. September 2019 -","Urteil vom 23.09.2020 - BVerwG 1 C 36.19ECLI:DE:BVerwG:2020:230920U1C36.19.0 EN Gestufte Prüfung zur Klärung der Identität des Einbürgerungsbewerbers Leitsatz: Die dem Erfordernis der geklärten Identität in § 10 Abs. 1 Satz 1 und § 8 Abs. 1 StAG zugrunde liegenden sicherheitsrechtlichen Belange der Bundesrepublik Deutschland und das grundrechtlich geschützte Recht des Einbürgerungsbewerbers, eine Klärung seiner Identität bewirken zu können, sind im Rahmen einer gestuften Prüfung einem angemessenen Ausgleich zuzuführen (Fortführung von BVerwG, Urteil vom 1. September 2011 - 5 C 27.10 - BVerwGE 140, 311). Rechtsquellen AufenthG § 82 Abs. 1 GFK Art. 34 Satz 1 und 2 GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 PStG § 9 Abs. 2 Satz 2 StAG § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 37 Abs. 1 Satz 2 VwGO § 108 Abs. 1 Satz 1 VwVfG § 24 Abs. 1 Satz 1, § 26 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 27 Abs. 1 Satz 1 Instanzenzug VG Stuttgart - 20.09.2019 - AZ: VG 11 K 8033/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 23.09.2020 - 1 C 36.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:230920U1C36.19.0] Urteil BVerwG 1 C 36.19 VG Stuttgart - 20.09.2019 - AZ: VG 11 K 8033/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. September 2019 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Klägerin ist eigenen Angaben zufolge chinesische Staatsangehörige tibetischer Volks- und buddhistischer Glaubenszugehörigkeit. Sie begehrt die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. 2 Nach ihrem Vortrag reiste die Klägerin Anfang 2009 in das Bundesgebiet ein. Zur Begründung eines im März 2009 gestellten Asylantrags trug sie im Kern vor, sie habe in Tibet in einem Nonnenkloster gelebt, in dem sie im Alter von etwa fünf Jahren Aufnahme gefunden habe. Sie habe zu diesem Zeitpunkt keine Familie mehr besessen. Als Name führe sie ihren Ordinationsnamen; ihren Geburtsnamen kenne sie nicht. Ihr Geburtsdatum sei von den Nonnen geschätzt worden. In ihrem Kloster habe ein Nonnenausweis existiert. Einen Personalausweis habe sie nie besessen. Ob sie in China offiziell registriert sei, wisse sie nicht. Ende Juli 2010 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Antrag mit der Begründung ab, die Identität der Klägerin habe nicht eindeutig geklärt werden können. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie chinesische Staatsangehörige tibetischer Volkszugehörigkeit sei und aus China stamme. Im asylgerichtlichen Verfahren reichte die Klägerin eine Bestätigung des Nonnenklosters ein, der zufolge sie ""von klein auf in dem Kloster ordiniert"" worden und als Nonne im Register des Klosters eingetragen sei. Im März 2012 verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart die Bundesrepublik Deutschland zur Feststellung, dass in der Person der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in Bezug auf die Volksrepublik China vorlägen. Zur Begründung führte es unter anderem aus, die Herkunft der Klägerin aus China erscheine ihm hinreichend bewiesen. Daraufhin stellte das Bundesamt im Mai 2012 fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Bezug auf die Volksrepublik China vorliegen. In den der Klägerin ausgestellten Reiseausweis für Flüchtlinge wurde der Hinweis eingetragen, dass die Personendaten auf ihren eigenen Angaben beruhten. Der Klägerin wurde Ende Mai 2012 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG und Ende Mai 2015 eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG erteilt. 3 Ende September 2016 beantragte die Klägerin ihre Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter Hinnahme ihrer Mehrstaatigkeit. Anstelle - ihren Angaben zufolge - nicht vorhandener Personaldokumente reichte sie in Ergänzung der bereits im Asylverfahren eingereichten Klosterbescheinigung eine Geburtsbestätigung des ""The Tibet Bureau, Office of the Representative of H. H. the Dalai Lama"" sowie eine Bestätigung ihrer Personalangaben durch den Verein der Tibeter in Deutschland e.V. ein. Im Verwaltungsverfahren gab sie an, sie sei im Alter von drei bis fünf Jahren in das Kloster aufgenommen worden. Die Klostermutter habe ihr später erzählt, ihre Eltern seien politisch aktiv gewesen und inhaftiert worden. Es sei aussichtslos, etwas über diese zu erfahren; sie wisse nicht, ob sie noch lebten. Antrag und Widerspruch blieben ohne Erfolg. Im Klageverfahren hat die Klägerin unter anderem ausgeführt, im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren von einer Nonne des Klosters erfahren zu haben, dass sie als Kleinkind in einem Korb liegend vor der Klostertür abgelegt worden sei. Der Name ihrer Eltern sei ihr nicht bekannt. 4 Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen. Eine Einbürgerung der Klägerin in den deutschen Staatsverband nach Maßgabe sowohl des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG als auch des § 8 Abs. 1 StAG scheide aus, da ihre Identität weder geklärt noch aufklärbar sei. Geführt werden könne der Nachweis der Identität nur durch einen gültigen und anerkannten ausländischen Pass oder Passersatz oder durch sonstige amtliche Urkunden, deren Ausstellung Gegenstand einer Überprüfung der Richtigkeit der Verbindung von Person und Name ist und die zudem - jedenfalls in der Regel - mit einem Lichtbild versehen sind. Derartige Dokumente habe die Klägerin nicht vorgelegt. 5 Zur Begründung ihrer Sprungrevision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. § 10 Abs. 1 StAG verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, gegen Art. 20 GG i.V.m. Art. 116 und Art. 3 GG, gegen Art. 8 und Art. 14 EMRK und gegen Art. 34 GFK. Bei Einbürgerungsbewerbern, deren Identitätsklärung von vornherein nicht möglich oder ausgeschlossen sei und welche alle erforderlichen zumutbaren Anstrengungen zur Identitätsklärung erfolglos unternommen hätten, sei entweder von der Klärung der Identität abzusehen oder eine Nachweisführung auch durch nichtamtliche Dokumente zuzulassen. Dessen ungeachtet sei ihre Identität auf der Grundlage der vorlegten Bestätigungen geklärt und ihr eine weitere Klärung ihrer Identität weder möglich noch zumutbar. Insbesondere sei es ihr nicht zumutbar, einen chinesischen Reisepass zu beantragen, da ein solcher Kontakt für sie, aber auch etwaige für noch in Tibet lebende Verwandte und die Nonnen des Klosters eine weitere Gefährdung bedeute. 6 Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die Identität könne nicht allein durch ein amtliches Ausweisdokument mit Lichtbild, sondern auch durch anderweitige geeignete Dokumente nachgewiesen werden. Zu solchen seien indes nicht durch private Stellen erstellte Bescheinigungen zu rechnen, die die Identität pauschal bestätigten, ohne dass sich nachvollziehen lasse, wie die Identität überprüft worden sei. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren. Die Identität könne durch einen Nationalpass oder ein anderes amtliches Identitätsdokument mit Lichtbild, gegebenenfalls auch durch andere geeignete Dokumente aus dem Herkunftsstaat ohne biometrische Merkmale nachgewiesen werden. Flüchtlingen sei es grundsätzlich möglich und zumutbar, sich an Familienangehörige, Verwandte oder Bekannte im Herkunftsland zu wenden, einen Rechts- oder Vertrauensanwalt im Herkunftsland einzuschalten oder dessen Auslandsvertretung im Bundesgebiet zu kontaktieren, um geeignete Nachweise zu beschaffen. Führe die zumutbare Mitwirkung nicht zu einem Nachweis der Identität, so seien auch andere Beweismittel zugelassen. Befinde sich der Einbürgerungsbewerber trotz Erfüllung seiner Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Nachweisen in einer unverschuldeten Beweisnot, so sei dies im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu berücksichtigen. II 8 Die Sprungrevision der Klägerin hat Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit dieses annimmt, der Nachweis der Identität im Sinne des § 10 Abs. 1 StAG und des § 8 Abs. 1 StAG könne nur durch einen gültigen und anerkannten ausländischen Pass oder Passersatz oder durch sonstige amtliche Urkunden, sofern bei deren Ausstellung auch die Richtigkeit der Verbindung von Person und Name überprüft wird und diese - jedenfalls in der Regel - mit einem Lichtbild versehen sind, geführt werden (1.). In Ermangelung hinreichender tatsächlicher Feststellungen war der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (2.). 9 Maßgeblich für die Prüfung des mit der Verpflichtungsklage verfolgten Begehrens auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ist die gegenwärtige Rechtslage (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2017 - 1 C 16.16 - BVerwGE 159, 85 Rn. 9) und damit das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) in der Fassung des Art. 4 der Elften Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328). 10 1. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG und § 8 Abs. 1 StAG setzt die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter anderem voraus, dass die Identität des Ausländers geklärt ist. Dieses Erfordernis ist mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 4. August 2019 (BGBl. I S. 1124) in die Einbürgerungstatbestände eingefügt worden. Der Gesetzgeber hat damit die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgegriffen, nach der es bereits zuvor (auch ohne ausdrückliche Normierung) zwingende Voraussetzung einer Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG war, dass die Identität des Einbürgerungsbewerbers geklärt ist und feststeht (BVerwG, Urteil vom 1. September 2011 - 5 C 27.10 - BVerwGE 140, 311 Rn. 11). 11 Das Merkmal der Identitätsklärung dient gewichtigen sicherheitsrechtlichen Belangen der Bundesrepublik Deutschland und ist Ausgangspunkt für die Prüfung weiterer Einbürgerungsmerkmale (a). Zugleich muss die Erfüllung der strengen Anforderungen an den Nachweis der Identität einem bis zur Grenze der objektiven Möglichkeit und subjektiven Zumutbarkeit mitwirkenden Einbürgerungsbewerber auch dann objektiv möglich sein, wenn sich dieser in einer unverschuldeten Beweisnot befindet (b). Die mit dem Erfordernis der Identitätsklärung verbundenen sicherheitsrechtlichen Belange und das Recht des Einbürgerungsbewerbers, eine Klärung seiner Identität bewirken zu können, sind im Rahmen einer gestuften Prüfung einem angemessenen Ausgleich zuzuführen (c). Eine solche gestufte Prüfung genügt den Anforderungen aus höherrangigem Recht (d). 12 a) Mit dem Erfordernis der Identitätsklärung verfolgt der Gesetzgeber wie schon im Ausländerrecht (vgl. BT-Drs. 15/955 S. 7) auch im Staatsangehörigkeitsrecht eine sicherheitsrechtliche Zielsetzung. Die identitätsrelevanten Personalien sind Grundlage für die Prüfung des Vorliegens einer Reihe weiterer Einbürgerungsmerkmale. 13 Mit dem Wirksamwerden der Einbürgerung (vgl. § 16 Satz 1 StAG) wird einer bestimmten Person mit einer in der Einbürgerungsurkunde festgehaltenen Identität konstitutiv eine neue Staatsangehörigkeit verliehen. Das öffentliche Interesse daran zu verhindern, dass einer Person eine vollkommen neue Identität oder eine zusätzliche Alias-Identität verschafft und ihr dadurch die Möglichkeit eröffnet wird, im Rechtsverkehr mit mehreren unterschiedlichen Identitäten und amtlichen Ausweispapieren aufzutreten, gebietet es, die identitätsrelevanten Personalien einer sorgfältigen Überprüfung mit dem Ziel einer Richtigkeitsgewähr zu unterziehen (BVerwG, Urteil vom 1. September 2011 - 5 C 27.10 - BVerwGE 140, 311 Rn. 13). 14 Die Feststellung der Identität des Ausländers ist zudem Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für die Prüfung des Vorliegens einer Reihe von Einbürgerungsvoraussetzungen. Zum einen stellt sie einen regelmäßig unverzichtbaren Teil der in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG vorgesehenen Statusprüfung dar. Zum anderen bildet die Identitätsprüfung auch eine notwendige Voraussetzung der in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 12a StAG und § 11 StAG vorgesehenen Sicherheitsüberprüfung (BVerwG, Urteil vom 1. September 2011 - 5 C 27.10 - BVerwGE 140, 311 Rn. 12; vgl. auch BT-Drs. 19/11083 S. 11 f.). 15 b) Die Voraussetzungen für die Klärung der Identität müssen so ausgestaltet sein, dass es bis zur Grenze der objektiven Möglichkeit und subjektiven Zumutbarkeit mitwirkenden Einbürgerungsbewerbern auch dann möglich bleibt, ihre Identität nachzuweisen, wenn sie sich in einer Beweisnot befinden, etwa weil deren Herkunftsländer nicht über ein funktionierendes Personenstandswesen verfügen oder ihre Mitwirkung aus Gründen versagen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder weil diese als schutzberechtigte Flüchtlinge besorgen müssen, dass eine auch nur gleichsam technische Kontaktaufnahme mit Behörden des Herkunftslandes (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1991 - 9 C 126.90 - BVerwGE 89, 231 <237, 239>) Repressalien für Dritte zur Folge hätte. 16 Unter dem Gesichtspunkt eines zukunftsgerichteten Entfaltungsschutzes (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 5. Juni 1973 - 1 BvR 536/72 - BVerfGE 35, 202 <235 f.> und Beschlüsse vom 13. Mai 1986 - 1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155 <170 f.> und vom 27. April 1999 - 1 BvR 2203/93, 897/95 - BVerfGE 100, 271 <284>) als Grundbedingung menschlicher Persönlichkeit gebietet es das in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht, dass Einbürgerungsbewerber, die sich aller Voraussicht nach dauerhaft in Deutschland aufhalten werden, eine realistische Chance auf Klärung ihrer Identität haben müssen. Dies ist bei der Auslegung und Anwendung des Merkmals der Identitätsklärung im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG und § 8 Abs. 1 StAG auch deshalb zu berücksichtigen, weil die von dem Einbürgerungsbewerber erstrebte deutsche Staatsangehörigkeit die rechtliche Voraussetzung für den staatsbürgerlichen Status ist, der neben Pflichten auch grundlegende demokratische Rechte vermittelt und so die Kongruenz zwischen den dauerhaft einer bestimmten staatlichen Herrschaft Unterworfenen und den Inhabern demokratischer politischer Rechte herstellt (BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990 - 2 BvF 2/89, 2 BvF 6/89 - BVerfGE 83, 37 <51, 52>). 17 c) Die § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG und § 8 Abs. 1 StAG zugrunde liegenden sicherheitsrechtlichen Belange der Bundesrepublik Deutschland und das grundrechtlich geschützte Recht des Einbürgerungsbewerbers, eine Klärung seiner Identität bewirken zu können, sind im Rahmen einer gestuften Prüfung einem angemessenen Ausgleich zuzuführen. 18 Den Nachweis seiner Identität hat der Einbürgerungsbewerber zuvörderst und in der Regel durch Vorlage eines Passes, hilfsweise auch durch einen anerkannten Passersatz oder ein anderes amtliches Identitätsdokument mit Lichtbild (z.B. Personalausweis oder Identitätskarte) zu führen. Ist er nicht im Besitz eines solchen amtlichen Identitätsdokuments und ist ihm dessen Erlangung objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, so kann er seine Identität auch mittels anderer geeigneter amtlicher Urkunden nachweisen, bei deren Ausstellung Gegenstand der Überprüfung auch die Richtigkeit der Verbindung von Person und Name ist, sei es, dass diese mit einem Lichtbild versehen sind (z.B. Führerschein, Dienstausweis oder Wehrpass), sei es, dass sie ohne ein solches ausgestellt werden (z.B. Geburtsurkunden, Melde-, Tauf- oder Schulbescheinigungen). Dokumenten mit biometrischen Merkmalen kommt insoweit ein höherer Beweiswert zu als solchen ohne diese Merkmale. 19 Ist der Einbürgerungsbewerber auch nicht im Besitz solcher sonstigen amtlichen Dokumente und ist ihm deren Erlangung objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, so kann sich der Ausländer zum Nachweis seiner Identität sonstiger nach § 26 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG zugelassener Beweismittel bedienen; die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichts ist mit Bundesrecht nicht vereinbar (so im Ergebnis auch VGH Kassel, Urteil vom 19. März 2020 - 5 A 268/18 - juris Rn. 26). Hierzu zählen insbesondere nichtamtliche Urkunden oder Dokumente, die geeignet sind, die Angaben zu seiner Person zu belegen, gegebenenfalls auch Zeugenaussagen. Eine Versicherung an Eides statt darf die Einbürgerungsbehörde nach § 27 Abs. 1 Satz 1 VwVfG hingegen nicht verlangen oder abnehmen, da eine solche - insoweit abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 2 des Personenstandsgesetzes (PStG) vom 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122), zuletzt geändert durch Art. 88 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) - im Einbürgerungsverfahren nicht vorgesehen ist (vgl. indes zur eidlichen Vernehmung von Zeugen § 65 Abs. 3 VwVfG). Ist dem Einbürgerungsbewerber auch ein Rückgriff auf sonstige Beweismittel im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, so kann die Identität des Einbürgerungsbewerbers ausnahmsweise allein auf der Grundlage seines Vorbringens als nachgewiesen anzusehen sein, sofern die Angaben zur Person auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalles und des gesamten Vorbringens des Einbürgerungsbewerbers zur Überzeugung der Einbürgerungsbehörde feststehen. Nur durch eine solche abgestufte Zulassung der Nachweisarten und umfassende Tatsachenwürdigung kann erheblichen Missbrauchsgefahren effektiv begegnet werden (BVerwG, Urteil vom 1. September 2011 - 5 C 27.10 - BVerwGE 140, 311 Rn. 16 m.w.N.). 20 Für die Überzeugungsbildung (§ 108 VwGO) ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit erforderlich, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne diese völlig auszuschließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 - BVerwGE 71, 180 <181>). Die auf den verschiedenen Stufen zu berücksichtigenden Beweismittel müssen hierfür jeweils in sich stimmig sein und auch bei einer Gesamtbetrachtung jeweils im Einklang mit den Angaben des Einbürgerungsbewerbers zu seiner Person und seinem übrigen Vorbringen stehen. 21 Ein Übergang von einer Stufe zu einer nachgelagerten Stufe ist nur zulässig, wenn es dem Einbürgerungsbewerber trotz hinreichender Mitwirkung nicht gelingt, den Nachweis seiner Identität zu führen. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG beziehungsweise - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO gilt auch in Bezug auf das Erfordernis der Klärung der Identität der Untersuchungsgrundsatz. Dieser wird indes infolge des Umstands, dass die Identität die Sphäre des Einbürgerungsbewerbers unmittelbar berührt, durch dessen verfahrensrechtliche Mitwirkungslast eingeschränkt. Während die Einbürgerungsbehörde insoweit primär eine Hinweis- und Anstoßpflicht trifft, unterliegt der Einbürgerungsbewerber gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 StAG i.V.m. § 82 Abs. 1 AufenthG im Hinblick auf die Klärung seiner Identität einer umfassenden, bis zur Grenze der objektiven Möglichkeit und subjektiven Zumutbarkeit reichenden Initiativ- und Mitwirkungsobliegenheit. Er ist gehalten, eigenständig die Initiative zu ergreifen, um seine Identität nachzuweisen, und alles ihm Mögliche und Zumutbare zu unternehmen, um die hierfür erforderlichen Beweismittel beizubringen. Genügt er dieser Pflicht nicht oder nicht in dem geschuldeten Umfang, so ist dem im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 24 VwVfG beziehungsweise - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO Rechnung zu tragen. Erweisen sich von ihm eingereichte Beweismittel als gefälscht oder zwar als echt, aber als inhaltlich unrichtig, so ist auch dies im Rahmen der Beweiswürdigung mit Gewicht zu seinen Lasten zu berücksichtigen. Können verbleibende Zweifel an der Richtigkeit der angegebenen Personalien nicht ausgeräumt werden, so trägt der Einbürgerungsbewerber die diesbezügliche Feststellungslast (BVerwG, Urteil vom 1. September 2011 - 5 C 27.10 - BVerwGE 140, 311 Rn. 25). 22 d) Dieses Modell einer gestuften Prüfung der Identität des Einbürgerungsbewerbers wird den Anforderungen höherrangigen Rechts, insbesondere aus Art. 3 Abs. 1 GG (aa) und aus Art. 34 GFK (bb), gerecht. 23 aa) Das Stufenmodell trägt dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG angemessen Rechnung. 24 Dieser gibt dem Normgeber auf, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen und steht auch einem gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss entgegen, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Eine solche bedarf jedoch stets der Rechtfertigung durch sachliche Gründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit kommt dem Gesetzgeber für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum sowie eine Einschätzungsprärogative zu Integrationsvoraussetzungen und -wirkungen zu (BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2019 - 1 B 29.19 - Buchholz 130 § 10 StAG Nr. 12 Rn. 10 m.w.N.). 25 Diesen Anforderungen trägt die vorstehende Konkretisierung des Erfordernisses der geklärten Identität jedenfalls hinreichend Rechnung. Nach dem Stufenmodell werden Einbürgerungsbewerber, die sich unverschuldet in einer Beweisnot befinden, nicht ohne hinreichende Sachgründe schlechter behandelt als Einbürgerungsbewerber, die einer solchen Beschränkung in ihrer Nachweisführung nicht unterliegen. Denn auch ersteren bleibt die Möglichkeit eröffnet, das Gebot der Identitätsklärung zu erfüllen, ohne dass ihnen Unmögliches oder Unzumutbares hierfür abverlangt wird. 26 bb) Das Stufenmodell wahrt auch das Wohlwollensgebot des Art. 34 Satz 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) - vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 560), das den Vertragsstaaten unter anderem aufgibt, die Einbürgerung von Konventionsflüchtlingen soweit wie möglich zu erleichtern. 27 Bei der Auslegung und Anwendung des Art. 34 GFK ist zu berücksichtigen, dass jeder Staat seine Staatsangehörigkeit einschließlich der Erwerbstatbestände zu regeln berechtigt ist und in dieser Befugnis völkerrechtlich im Wesentlichen nur durch das Verbot des Rechtsmissbrauchs beschränkt ist, welches indes nicht verletzt wird, wenn er seine Staatsangehörigkeit nicht an sachfremde, mit ihm nicht in hinreichender Weise verbundene Sachverhalte knüpft (BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 1996 - 1 B 68.95 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 48 S. 4). Weder setzt er zwingende nationale Einbürgerungsvoraussetzungen für Flüchtlinge außer Kraft noch ermächtigt er die Einbürgerungsbehörden, sich im Einzelfall über jene hinwegzusetzen (BVerwG, Urteile vom 10. Juli 1984 - 1 C 30.81 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 24 S. 37, vom 27. September 1988 - 1 C 3.85 - Buchholz 130 § 9 RuStAG Nr. 10 S. 41 und vom 27. Mai 2010 - 5 C 8.09 - Buchholz 130 § 11 StAG Nr. 6 Rn. 46). 28 Nach Art. 34 GFK darf schutzberechtigten Flüchtlingen die Einbürgerung indes nur versagt werden, wenn überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen (BVerwG, Urteile vom 1. Juli 1975 - 1 C 44.70 - BVerwGE 49, 44 <47 f.>, vom 10. Juli 1984 - 1 C 30.81 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 24 S. 37 und vom 27. September 1988 - 1 C 28.88 - BeckRS 1988, 31274750). Zu solchen überwiegenden öffentlichen Interessen zählen auch die Sicherheit des Staatsverbands und das mit diesem in engem Kontext stehende öffentliche Interesse an der materiellen Wahrheit der der Einbürgerung zugrunde liegenden Personalien. 29 Das Stufenmodell stellt sicher, dass die öffentlichen Interessen und die Beweisnot schutzberechtigter Flüchtlinge einem angemessenen Ausgleich zugeführt werden und diesen eine realistische Chance verbleibt, ihre Identität nachzuweisen. 30 2. In Ermangelung hinreichender tatrichterlicher Feststellungen ist dem Senat eine Beurteilung, ob sich das angegriffene Urteil aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), ebenso wenig möglich wie eine abschließende Entscheidung zugunsten der Klägerin (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). 31 Die Zurückverweisung nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO ist erforderlich, um dem Verwaltungsgericht Gelegenheit zu geben, die einzelfallbezogene Beurteilung des Merkmals der geklärten Identität auf eine hinreichende Tatsachengrundlage zu stellen. Dieses wird unter anderem erneut darüber zu befinden haben, ob weitere erfolgversprechende Aufklärungsmaßnahmen in Betracht kommen und welche Mitwirkung der Klägerin insoweit zumutbar abverlangt werden kann. Dabei könnte auch die Möglichkeit in den Blick zu nehmen sein, dass die Klägerin in China unter ihrem Klosternamen amtlich registriert sein könnte, den sie nach eigenen Angaben seit dem Alter von fünf Jahren ausschließlich führt. Für den Fall, dass das Verwaltungsgericht wiederum zu der Einschätzung gelangen sollte, dass es der Klägerin unmöglich oder unzumutbar ist, ein Identitätsdokument oder andere geeignete amtliche Urkunden einzureichen, wird es die von der Klägerin zum Nachweis ihrer Identität vorgelegten Bestätigungen des ""Klosters [...]"", des Verwaltungsbüros des ""The Tibet Bureau, Office of the Representative of H. H. the Dalai Lama"" und des Vereins der Tibeter in Deutschland e.V. einer tatrichterlichen Würdigung zu unterziehen und gegebenenfalls zu prüfen haben, ob der Klägerin aufzugeben ist, sonstige nichtamtliche Urkunden oder Dokumente, die geeignet sind, die Angaben zu ihrer Person zu belegen, beizubringen. Sollten die eingereichten Bestätigungen zur Klärung der Identität der Klägerin nicht zureichen und dieser ein Rückgriff auf sonstige Beweismittel im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar sein, so wäre auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalles und des gesamten Vorbringens der Klägerin zu prüfen, ob deren Identität entscheidend auf der Grundlage ihrer Angaben zu ihrer Person als geklärt angesehen werden kann. 32 3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten." bverwg_2020-54,25.09.2020,"Pressemitteilung Nr. 54/2020 vom 25.09.2020 EN Verbot der Vereinigung „Combat 18 Deutschland“ bleibt vollziehbar Der Antrag der rechtsextremistischen Vereinigung „Combat 18 Deutschland“ auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen ihr Verbot und ihre Auflösung hat keinen Erfolg. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit Beschluss vom 21. September 2020 entschieden. Die Antragstellerin ist eine rechtsextremistische Vereinigung. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat verbot die Antragstellerin mit Verfügung vom 6. Dezember 2019 unter Anordnung des Sofortvollzugs, weil deren Zwecke und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderliefen und sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte. Bei der Antragstellerin handele es sich um die deutsche Sektion der in Großbritannien tätigen Gruppe „Combat 18“. Die Antragstellerin identifiziere sich mit deren eindeutig nationalsozialistischen Ausrichtung und der Bereitschaft zum rücksichtslosen gewaltsamen Vorgehen. Ihre Zwecke seien der Aufbau und die Verfestigung einer Gemeinschaft in Deutschland, die eine gemeinsame nationalsozialistische, rassistische, antisemitische, fremden- und demokratiefeindliche Ideologie teile, und die Produktion und Verbreitung von rechtsextremistischen Tonträgern sowie die Organisation und Mitwirkung an rechtsextremistischen (Musik-)Veranstaltungen. Insbesondere zeige sich deren Ausrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung an ihrer Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, die in der Haltung ihrer Mitglieder zum Ausdruck komme und die sie präge. Hierfür sprächen nicht nur ihr Name und dessen Historie, sondern insbesondere ihre Verbindungen in die rechtsextremistische Musikszene. Mit dem Handel von selbst- und fremdproduzierter rechtsextremistischer Musik verbreite sie verfassungsfeindliches Gedankengut, mache sich den Inhalt der Texte zu eigen und trage damit zur Verfestigung einer demokratiefeindlichen, gegen den Rechtsstaat gerichteten Haltung auch bei Dritten bei. Ihre verfassungsfeindliche Haltung werde durch ihre Aufkleber, Fahnen, die Aufnahmeprüfung und weitere Äußerungen und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder bestätigt. Die Antragstellerin hat gegen die Verbotsverfügung Klage erhoben und zugleich die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beantragt. Dieser Antrag ist vor dem in erster Instanz zuständigen Bundesverwaltungsgericht erfolglos geblieben. Denn dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verbotsverfügung gebührt der Vorrang vor dem Interesse der Antragstellerin am Aufschub der Vollziehung. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Klage gegen die Verbotsverfügung voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird. Aufgrund der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, dass sich die Antragstellerin gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet und damit jedenfalls einen Verbotsgrund erfüllt. Dies ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung der dem Gericht vorliegenden Unterlagen. Dafür sprechen insbesondere die selbst gewählte Bezeichnung, die Inhalte der vereinsinternen Kommunikation und die dort verwandten nationalsozialistischen Grußformeln, die in Anlehnung an nationalsozialistische Traditionen gestalteten Vereinskennzeichen, Aufkleber und Fahnen, das Erfordernis, im Rahmen der Aufnahmeprüfung Kenntnisse zu führenden Nationalsozialisten vorzuweisen und einen paramilitärischen Leistungsmarsch zu bewältigen. Dazu kommen die nationalsozialistischen, antisemitischen, demokratie- und fremdenfeindlichen Äußerungen und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder sowie die den Vereinszweck prägende Verbreitung rechtsextremistischer Musik und die Absicht des Aufbaus einer rechtsextremistischen Gemeinschaft. Daraus ergibt sich eine verfassungsfeindliche Ausrichtung der Antragstellerin und ihr kämpferisch-aggressives Vorgehen gegen die Verfassung unter Ausnutzung ihrer Vereinsstrukturen. Angesichts dessen erweist sich das Verbot voraussichtlich auch als verhältnismäßig. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zum anderen nicht auf Grund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten geboten. Das mit dem Antrag verfolgte Interesse der Antragstellerin an einer Fortsetzung ihrer Vereinstätigkeit bis zur abschließenden Entscheidung über die Klage kann sich im Lichte der nach vorläufiger Prüfung fehlenden Erfolgsaussichten der Klage nicht gegenüber dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug zur Abwehr der Gefahren für die Allgemeinheit bei Fortsetzung der Vereinstätigkeit durchsetzen. Hinweis: Ein Termin zur mündlichen Verhandlung über die Klage gegen die Verbotsverfügung ist noch nicht bestimmt. BVerwG 6 VR 1.20 - Beschluss vom 21. September 2020","BVerwG, Beschluss vom 21.09.2020 - Aktenzeichen 6 VR 1.20 (6 A 5.20) DRsp Nr. 2020/15362 Vollziehbarkeit des Verbots der Vereinigung ""Combat 18 Deutschland""; Vorliegen einer nationalsozialistischen Ausrichtung der Vereinigung sowie der Bereitschaft zum rücksichtslosen gewaltsamen Vorgehen; Ausrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung; Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums Der Verein ""Combat 18 Deutschland"" richtet sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, weshalb ein Vereinigungsverbot gerechtfertigt ist. Tenor Der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 6. Dezember 2019 wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren auf 15 000 € festgesetzt. Normenkette: VwGO § 80 Abs. 5 S. 1; VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ; VwGO § 80 Abs. 3 S. 1; VereinsG § 3 Abs. 1 S. 1; VwVfG § 28 Abs. 1 ; Gründe I Die Antragstellerin ist eine nach eigenen Angaben im Jahr 2013 gegründete Vereinigung. Mit Verfügung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 6. Dezember 2019 stellte die Antragsgegnerin ohne vorherige Anhörung fest, dass die Antragstellerin eine Vereinigung sei, deren Zwecke und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderliefen und die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung richteten. Gleichzeitig ordnete sie das Verbot der Antragstellerin an und löste sie auf, verbot die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Benutzung der Kennzeichen des Vereins, beschlagnahmte das Vereinsvermögen sowie im Einzelnen bezeichnete Forderungen und Sachen Dritter und zog diese ein. Zudem ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Verbotsverfügung mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen an. Zur Begründung führt der Verbotsbescheid im Wesentlichen an, dass es sich bei der Antragstellerin um die deutsche Sektion der in Großbritannien tätigen Gruppe ""Combat 18"" handele. Deren Namen könne als ""Kampfgruppe Adolf Hitler"" übersetzt werden, der dort für eine eindeutig nationalsozialistische Ausrichtung sowie ein rücksichtsloses gewaltsames Vorgehen stehe. Hiermit identifiziere sich die Antragstellerin, die diese Ziele in Deutschland weiterverfolge. Sie sei ein Verein im Sinne des Vereinsrechts, da sie aus mehreren Mitgliedern bestehe, die sich für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hätten. Ihre Zwecke seien der Aufbau und die Verfestigung einer Gemeinschaft in Deutschland, die eine gemeinsame nationalsozialistische, rassistische, antisemitische, fremden- und demokratiefeindliche Ideologie teile, und die Produktion und Verbreitung von rechtsextremistischen Tonträgern sowie die Organisation und Mitwirkung an rechtsextremistischen (Musik-)Veranstaltungen. Die Antragstellerin richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, weil sie eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweise und die verfassungsfeindliche Haltung ihrer Mitglieder sie präge. Hierfür sprächen nicht nur ihr Name und dessen Historie, sondern insbesondere ihre Verbindungen in die rechtsextremistische Musikszene. Sie habe selbst Konzerte rechtsextremistischer Skinheadbands veranstaltet und bei von anderen veranstalteten Konzerten den Kartenverkauf sowie Security-Tätigkeiten übernommen. Zudem stelle der Verkauf von selbst produzierten (""Combat 18 Deutschland"" und ""Eichenlaub - Combat 18"") wie auch fremdproduzierten Tonträgern mit rechtsextremistischer Musik eine ihrer wesentlichen Aktivitäten dar. Mit dieser Tätigkeit verbreite sie verfassungsfeindliches Gedankengut, was anhand zahlreicher Liedtexte mit aggressivem und gewaltbefürwortendem Inhalt gegenüber Juden, Sinti und Roma sowie Menschen mit anderer Hautfarbe belegt werde. Bei den Tonträgern handele es sich größtenteils um indizierte Werke. Sie enthielten Texte, die den Nationalsozialismus verherrlichten und Gewalt zu dessen Durchsetzung propagierten. Die Antragstellerin trage damit zur Verfestigung einer demokratiefeindlichen, gegen den Rechtsstaat gerichteten Haltung auch bei Dritten bei und mache sich den Inhalt der Texte zu eigen. Ihre verfassungsfeindliche Haltung werde durch den Handel mit Werbeaufklebern untermauert, die den Schriftzug ""Combat 18"" in Frakturschrift, das Drachensymbol sowie das SS-Totenkopfzeichen enthielten. Bestätigt werde diese Einschätzung durch Fragen zum Nationalsozialismus, die im Rahmen der Aufnahmeprüfung zum Vollmitglied von den Anwärtern beantwortet werden müssten, sowie durch die Nutzung szenetypischer Parolen und Grußformeln und die Anhaltspunkte für eine mutmaßliche Verbreitung der rassistischen, antisemitischen ""Turner-Tagebücher"" innerhalb der Gruppierung durch ihren Vorsitzenden. Darüber hinaus liefen Zweck und Tätigkeit der Antragstellerin den Strafgesetzen zuwider. Zwar seien dem Verein aufgrund seines klandestinen Vorgehens nur wenige Straftaten zurechenbar, diese seien aber prägend. Dies gelte für den Verkauf von Tonträgern mit volksverhetzendem Inhalt, deren Erlöse auch dem Verein zugute kämen, ebenso wie für das Verbreiten von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Vereinigungen. Die strafbaren Verhaltensweisen prägten den Charakter der Gruppierung und seien den Mitgliedern bewusst. Hinzu komme, dass der Vorsitzende ohne erforderliche Erlaubnis Munition nach Deutschland verbracht habe. Schließlich richte sich die Antragstellerin aufgrund ihrer verfassungs- und fremdenfeindlichen, antisemitischen Haltung gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Die Antragstellerin nehme eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung ein. Dies zeige sich in der Verbreitung rechtsextremistischer Musik, der Gewaltgeneigtheit von Mitgliedern der Gruppierung, den zur Aufnahme als Mitglied abzulegenden paramilitärischen Leistungsmärschen, der Waffenaffinität, den Schießtrainings sowie den in Chats geäußerten Aufrufen zum Handeln gegen Migranten und Journalisten. Gegen die Verbotsverfügung hat die Antragstellerin Anfechtungsklage erhoben und zugleich die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beantragt. Zur Begründung ihres Antrags trägt sie im Wesentlichen vor: Die Verfügung sei rechtswidrig. Eine Anhörung vor Erlass des Bescheids sei nicht entbehrlich gewesen. Wegen der laufenden öffentlichen Diskussion um das Verbot habe die Anhörung keinen Ankündigungseffekt mehr auslösen können. Sie sei nicht Teil einer europaweiten Vereinigung, bezwecke nicht den Aufbau rechtsextremistischer Strukturen und betätige sich auch nicht politisch. Die Verbotsgründe lägen nicht vor. Zweck ihrer Tätigkeit sei ausschließlich die Verbreitung bestimmter Musik zur Erzielung von Einnahmen. Hierfür benutze sie den Namen ""Combat 18"", der in der Szene bekannt sei und sich daher als Marketingname angeboten habe. Für die Nutzung des Namens zahle sie monatliche Beiträge an den britischen Inhaber des Labels. Gleichzeitig verlange sie von den Händlern und Produzenten für die Nutzung des Namens Geld. Die Geschichte der britischen Vereinigung ""Combat 18"" sei ohne Bedeutung. Sie selbst weise keine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf und bekenne sich nicht zur Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. Der Begriff des Rechtsextremismus sei nicht mit demjenigen des Nationalsozialismus deckungsgleich; die Verbreitung rechtsextremistischer Meinungen könne nicht Grundlage für ein Vereinsverbot sein. Sie handele nicht mit Tonträgern, die den Nationalsozialismus verherrlichten und rassistische oder menschenverachtende Texte enthielten. Auch habe sie keine verfassungsfeindliche Haltung. ""Blood & Honour"" sei eine Konkurrenzorganisation gewesen, von der ihr Vorsitzender Mitglieder habe abwerben wollen. Ihre Symbole wiesen keinen strafbaren Inhalt auf. Für die CD ""Combat 18 Deutschland"" trage sie keine Verantwortung. Die CD ""Eichenlaub - Combat 18"" habe keinen strafrechtlich relevanten oder sonst zu beanstandenden Inhalt. Eine verfassungsfeindliche Haltung werde auch nicht durch die von ihr vertriebenen Aufkleber belegt. Ihre Tätigkeit laufe nicht den Strafgesetzen zuwider, weil das strafbare Verhalten des Vorsitzenden ihr nicht zurechenbar sei und es an strafrechtlichen Verurteilungen in Bezug auf die angelasteten Liedtexte fehle. Auch richte sie sich nicht gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Dies belegten die Beziehungen ihrer Mitglieder in das Ausland. Die Antragsgegnerin tritt dem Begehren der Antragstellerin entgegen und verteidigt die Verbotsverfügung nebst Anordnung des Sofortvollzugs. Sie verweist ergänzend auf die bei den Mitgliedern der Antragstellerin aufgefundenen NS-Devotionalien, deren Bekenntnisse zum Nationalsozialismus und deren Einsatz für inhaftierte Rechtsextremisten. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (GA) dieses Verfahrens und des anhängigen Klageverfahrens (BVerwG 6 A 5.20) sowie der von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgänge (VV) verwiesen. II Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist statthaft, soweit in Ziff. 8 des Bescheids die sofortige Vollziehung angeordnet ist, und auch im Übrigen zulässig. Er ist jedoch unbegründet, da die Begründung für die sofortige Vollziehung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt und das öffentliche Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse der Antragstellerin überwiegt. Bei der im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung gebührt dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verbotsverfügung der Vorrang vor dem Interesse der Antragstellerin am Aufschub der Vollziehung. Dies folgt daraus, dass die erhobene Klage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (unter 1.) und die Aussetzung des Sofortvollzugs aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten nicht gerechtfertigt ist (unter 2.). 1. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung entfiele, wenn die von der Antragstellerin erhobene Klage gegen die Verbotsverfügung voraussichtlich Erfolg hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. April 1995 - 1 VR 9.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 21 S. 41). Hiervon ist nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht auszugehen. Vielmehr spricht Überwiegendes dafür, dass die Verbotsverfügung in § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts ( Vereinsgesetz - VereinsG ) vom 5. August 1964 (BGBl. I S. 593 ) i.d.F. des Gesetzes vom 10. März 2017 (BGBl. I S. 419 ) i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG ihre rechtliche Grundlage findet und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ). Die Verfügung ist nach der hier allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses weder formell (a)) noch materiell-rechtlich zu beanstanden (b)). a) Die Verbotsverfügung ist formell rechtmäßig. Insbesondere musste die Antragstellerin nicht gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass der Verfügung vom 6. Dezember 2019 angehört werden. Nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Es genügt, dass die Behörde unter diesen Gesichtspunkten eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte (vgl. auch zum Folgenden: BVerwG, Beschluss vom 25. August 2008 - 6 VR 2.08 - juris Rn. 8). Das ist hier der Fall. Die Antragsgegnerin hat nach ihren Ausführungen in der Verbotsverfügung von einer Anhörung der Antragstellerin abgesehen, um ihr im Hinblick auf den mit einer Anhörung verbundenen ""Ankündigungseffekt"" keine Gelegenheit zu bieten, Vermögensgegenstände, nicht veröffentlichte Unterlagen oder Propagandamaterial und dergleichen, die Grundlage für ihre Tätigkeit sind, beiseite zu schaffen und später zur Fortsetzung derselben verfassungswidrigen Tätigkeit zu verwenden. Diese Befürchtung ist nach den Umständen nicht zu beanstanden, auch wenn das Verbot der Antragstellerin vor Erlass der streitigen Verfügung Gegenstand der öffentlichen Erörterung gewesen ist. Zum einen hat die öffentliche Diskussion nicht den gleichen ""Ankündigungseffekt"" wie die Anhörung im Rahmen eines konkreten Verwaltungsverfahrens. Zum anderen lagen der Antragsgegnerin tatsächliche Hinweise vor, dass die Antragstellerin ihre Tätigkeit ungeachtet ihrer Kenntnis von der öffentlichen Berichterstattung und Diskussion nicht aufgegeben hat (s. VV Bl. 222 ff.). Eine Anhörung hätte sie noch veranlassen können, Gegenstände und Materialien dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Das Bestreben, der Verbotsverfügung auf diese Weise größtmögliche Wirksamkeit zu geben, rechtfertigt danach ein Absehen von der Anhörung (s. auch BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2013 - 6 B 40.12 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 60 Rn. 23). b) Die angefochtene Verbotsverfügung ist bei summarischer Prüfung in der Sache ebenfalls rechtmäßig. Die Antragstellerin richtet sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung (aa)). Ob ihre Zwecke oder Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufen und sie sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, kann hier dahingestellt bleiben (bb)). Auch im Übrigen sind rechtliche Mängel der Verbotsverfügung nicht ersichtlich (cc)). aa) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG ist ein Verein u.a. verboten, wenn er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Gemessen an den rechtlichen Vorgaben (1) lassen sich dem vorgelegten Beweismaterial zahlreiche Indizien für die Annahme des Verbotstatbestandes entnehmen wie der Name der Antragstellerin (2), ihre vereinsinterne Kommunikation und ihre Symbole (3), die Aufnahmeprüfung (4), die Äußerungen und das Verhalten ihrer Mitglieder (5) und als den Vereinszweck prägende Tätigkeiten sowohl die Verbreitung rechtsextremistischer Musik (6) als auch der Aufbau einer rechtsextremistischen Gemeinschaft (7). Eine vorläufige Würdigung dieser Indizien lässt die Annahme zu, dass die Antragstellerin den Verbotstatbestand erfüllt (8) und das Verbot den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrt (9). (1) Art. 9 Abs. 2 GG statuiert ein Vereinigungsverbot als Schranke der Vereinigungsfreiheit, wenn die Vereinigung einen der dort aufgeführten Verbotsgründe erfüllt. Nur diese ausdrücklich normierten Gründe rechtfertigen das Verbot als weitestgehenden Eingriff in die Grundrechte einer Vereinigung; sie sind in der Auslegung nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit insbesondere durch Beschränkung auf die Erforderlichkeit eines Verbots eng auszulegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u.a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 104). Ein Vereinigungsverbot ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, Art. 9 Abs. 2 GG gerechtfertigt, wenn sich die Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Das Schutzgut der verfassungsmäßigen Ordnung umfasst die elementaren Grundsätze der Verfassung, namentlich die Menschenwürde und die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u.a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 107; BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2012 - 6 A 6.11 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 59 Rn. 13 jeweils m.w.N.). Eine Vereinigung richtet sich gegen diese Ordnung, wenn sie ihre verfassungsfeindlichen Ziele kämpferisch-aggressiv verfolgt, d.h. diese Ziele verwirklichen will. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen; auch kommt es für die Beurteilung dieses Merkmals nicht auf die Erfolgsaussichten des Handelns der Vereinigung und dessen räumliche Reichweite an (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2012 - 6 A 6.11 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 59 Rn. 14 und vom 14. Mai 2014 - 6 A 3.13 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 35; BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u.a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 109). Entscheidend ist für die Rechtfertigung des Verbots, ob das Gesamtbild der Vereinigung mit ihrer formellen und tatsächlichen Zwecksetzung, ihrer erkennbaren Haltung, ihrer Organisation, den Tätigkeiten der Organe und Mitglieder klar den Verbotstatbestand verwirklicht. Nicht ausreichend für die Annahme eines kämpferisch-aggressiven Handelns ist mit Blick auf die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG und das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG , dass sich die Vereinigung kritisch oder ablehnend gegen die verfassungsmäßige Ordnung wendet oder für eine andere Ordnung eintritt bzw. verfassungsfeindliche Ideen oder bestimmte politische Anschauungen verbreitet (vgl. zu Vorstehenden: BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u.a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 108 f.). In diesem Sinne ist eine zum Verbot führende verfassungsfeindliche Zielrichtung zu bejahen, wenn eine Vereinigung in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweist. Das ist namentlich bei einer Vereinigung der Fall, die sich zur ehemaligen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und zu deren maßgeblichen Funktionsträgern bekennt, die demokratische Staatsform verächtlich macht, eine mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unvereinbare Rassenlehre propagiert und eine entsprechende Überwindung der verfassungsmäßigen Ordnung anstrebt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2012 - 6 A 6.11 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 59 Rn. 13; Beschluss vom 21. April 1995 - 1 VR 9.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 21 S. 42). Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Vereinigungen suchen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen. Der Verbotstatbestand wird sich deshalb in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen mündlichen oder schriftlichen Äußerungen, Verhaltensweisen oder Grundeinstellungen insbesondere der Funktionsträger der Vereinigung zusammenfügt. Stammen Texte und Äußerungen von leitenden Mitgliedern einer Vereinigung oder wird ihr Inhalt von ihnen erkennbar befürwortet, sind diese Äußerungen und Texte der Vereinigung auch dann zuzurechnen, wenn sie als solche nicht für die Vereinstätigkeit erstellt oder in ihr verwandt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen der Vereinigung handeln. Eine Zurechnung ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn ein solcher Text inhaltlich auf einer Linie mit anderen Beiträgen liegt, die der Vereinigung eindeutig zugeordnet werden können (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2012 - 6 A 6.11 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 59 Rn. 17 f.). (2) Ein Indiz für die verfassungsfeindlichen Zielsetzungen hat die Antragsgegnerin zu Recht dem Namen der Antragstellerin entnommen. Der Name ""Combat 18 Deutschland"" ist mit ""Kampfgruppe Adolf Hitler Deutschland"" zu übersetzen. Der Gebrauch der Zahlenfolge 18 ist in rechtsextremistischen Kreisen eine geläufige Verschlüsselung für die Buchstaben AH (= Adolf Hitler), die an erster und achter Stelle des Alphabets stehen (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - 3 StR 228/09 - BGHSt 54, 61 Rn. 15). Der Name steht insbesondere unter Berücksichtigung der Verwendung der Bezeichnung ""Combat 18"" in Großbritannien Anfang der 1990er Jahre für eine ideologische Ausrichtung, die sich die Person Adolf Hitler zum Vorbild nimmt und die Durchsetzung der nationalsozialistischen Ziele auch mit Gewalt propagiert. Die Distanzierung der Antragstellerin von der britischen Gruppierung kann schon deshalb nicht überzeugen, weil die Antragstellerin regelmäßig Kontakte zum britischen und europäischen Anführer von ""Combat 18"", William Browning, hat. Ihr Verweis auf eine Zeitung der Résistance-Gruppe mit dem Namen ""Combat"" lässt die Indizwirkung ebenfalls nicht entfallen, zumal sie selbst den Namen mit ""Kampfgruppe Achtzehn"" übersetzt (GA Bl. 242 f.). Ihrem weiteren Einwand, den Namen allein wegen dessen Bekanntheit und Vermarktungsfähigkeit gewählt zu haben, vermag der Senat ebenfalls nicht zu folgen. Gegen eine reine Marketingstrategie spricht nicht zuletzt, dass die Mitglieder sich mit dem Namen der Antragstellerin vollkommen identifizieren und ihn als Mittel anwenden, um sich als Gruppe zu feiern und mit ihm zu werben (VV Bl. 171, 370, 534). (3) Mit ihrer internen Kommunikation und ihren Symbolen weckt die Antragstellerin bewusst Assoziationen zum Nationalsozialismus. Beispielhaft zu nennen sind die im Vereins-Chat und in den bilateralen Chats der führenden Mitglieder verwendeten Formulierungen ""Heil"", ""Heil euch Brüder"" (VV Bl. 159), ""Heil C 18"" (VV Bl. 534), ""Heil 8"" (VV Bl. 136), ""... (immer und ewig) 318"" (VV Bl. 171), ""88"" (VV Bl. 277, 338, 431) und ""8318"" (VV Bl. 298), die Schreibweise ""GruSS"" mit der Bezugnahme auf die SS (VV Bl. 589), die Bezeichnung als ""18er"" (VV Bl. 809) und die Wörter ""Schutz- und Trutzgau"" (VV Bl. 419), ""judensa.."" (VV Bl. 136) und ""PresseJu"" (VV Bl. 180). Vor allem die Nutzung der Zahlencodes einschließlich der Zahl ""3"" für den dritten Buchstaben im Alphabet im Mitglieder-Chat lassen Rückschlüsse auf ein Bekenntnis der Antragstellerin und ihrer Mitglieder zum Nationalsozialismus zu. Hinzu kommen die von der Antragstellerin benutzten Symbole wie die schwarz-weiß-rot gehaltenen Aufkleber und die im Stile der Reichsflagge verwendeten schwarz-weiß-roten Fahnen mit den Angaben ""C 18"" oder ""Combat 18"", die unter anderem in Frakturschrift gedruckt sind, sowie die Verwendung des SS-Totenkopfschädels (GA Bl. 338, 346, 347, 354), bei dem es sich nach ihrer Auffassung um den Totenkopf der kaiserlichen Totenkopf-Husaren handeln soll, der auch im Dritten Reich von der SS und von der Panzertruppe der Wehrmacht verwandt wurde. Der Verwendung der schwarz-weiß-roten Farben und der schwarz-weiß-roten Reichsflagge kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Die schwarz-weiß-rote Fahne ersetzte nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten die schwarz-rot-goldenen Farben der Weimarer Republik (Art. 3 Satz 1 WRV) und stand zunächst gleichrangig neben der Hakenkreuzflagge als Zeichen der Verbindung der ruhmreichen Vergangenheit des deutschen Reiches mit der unter der Herrschaft der Nationalsozialisten propagierten kraftvollen Wiedergeburt der Deutschen Nation (vgl. den Erlass des Reichspräsidenten über die vorläufige Regelung der Flaggenhissung vom 12. März 1933 - RGBl. I S. 103). Art. 1 und Art. 2 Satz 1 des Reichsflaggengesetzes vom 15. September 1935 (RGBl. I S. 1145), das am gleichen Tag wie das Reichsbürgergesetz (RGBl. I S. 1146) und das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre (RGBl. I S. 1146 f.) erlassen wurde und die als sog. Nürnberger Gesetze bekannt sind, bestimmten hieran anknüpfend schwarz-weiß-rot als Reichsfarben und die Hakenkreuzflagge als Reichs- und Nationalflagge. Da diese Flagge verboten ist, benutzen die den Nationalsozialismus verherrlichenden Personen in der heutigen Zeit stattdessen die schwarz-weiß-rote Reichsflagge oder deren Farbkombination als Symbole für eine die Bundesrepublik Deutschland und die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnende Haltung. (4) Ein Indiz für die Verherrlichung von Personen des Nationalsozialismus ist die Aufnahmeprüfung, die für die Vollmitgliedschaft in der Antragstellerin absolviert werden muss. Sie besteht zum einen aus Fragen nach dem letzten Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches, den Geschehnissen vom 9. November 1938, dem Tag ""der Ermordung"" von Rudolf Hess, dem SS-Offizier Erich Priebke und dem Kommandeur der Leibstandarte AH (VV Bl. 569, 678, 993). Diese Fragen sollen ein Bewusstsein für maßgebliche Repräsentanten des Nationalsozialismus fördern und diese zugleich würdigen. Zum anderen ist ein paramilitärischer Leistungsmarsch Prüfungsbestandteil, mit dem die körperliche Eignung der Mitgliedschaftsbewerber für die Vereinstätigkeit geprüft werden soll (VV Bl. 1114 f.). (5) Als Belege für den Verbotstatbestand lassen sich zudem zahlreiche Äußerungen und Verhaltensweisen der Mitglieder einordnen, die der Antragstellerin zugerechnet werden können. Hierbei handelt es sich zum einen um nationalsozialistisch geprägte Chat-Äußerungen unter anderem im Vereins-Chat, wonach ""in erster Linie ... eh nur der Kampf für HTLR [zählt]"" (GA Bl. 371) und Frau Magda Goebbels ""die größte Frau und Mutter unserer wahren deutschen Nation"" sei (GA Bl. 372). Ein anderes Mitglied stimmte diesen Äußerungen zu und verwies darauf, dass seine Tochter in Anlehnung an die ""Mutter die Deutschlands größten Sohn geboren hat Adolf hitler"" benannt sei (GA Bl. 372). Untermauert wird die Einschätzung durch in einem Chat veröffentlichte Bilder eines Strandes, an dem ein führendes Mitglied ein Hakenkreuz und ""C 18"" in den Sand gezeichnet hatte, was ein anderes führendes Mitglied lobte (GA Bl. 376 f). In einem anderen Mitglieder-Chat wurde aus Anlass der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland hervorgehoben, dass Deutschland mit 10 000 Mann in Moskau angekommen sei und damit 40 km weiter als der alte Rekord von 1942. Das Spielen der Nationalhymne sei ein Sieg und es wäre schön, ""wenn das der Führer hätte noch erleben können"" (VV Bl. 501). Zum anderen zählen hierzu antisemitische, fremden- und demokratiefeindliche Äußerungen und Verhaltensweisen der Mitglieder wie ""ist ein PresseJU.. und keine Kriminalpolizei"", ""wird es Zeit unsere Frauen unserer Kultur zu rächen"", ""macht kaputt was euch kaputt macht"", ""es darf einfach nicht weitergehen das wir ... deutsche, Männer wie Frauen freiwild sind"", ""es muss langsam mal was passieren"", ""Nicht quatschen Handeln"", die Kritik an der Ladung zum Haftantritt einer rechtskräftig verurteilten Holocaust-Leugnerin und bekennenden Nationalsozialistin sowie das Leugnen des Holocaust selbst (VV Bl. 105, 180, 272, 351, 493, 495). Ebenfalls wurde im Mitglieder-Chat auf verschiedene Veranstaltungen hingewiesen wie in Köthen mit Rednern ""quer durch den patriotischen Widerstand"" zu dem Thema ""Deutschland Unser Auftrag heisst Deutschland"" (VV Bl. 337). Zu nennen sind auch die Bedrohung kritischer Journalisten und politischer Gegner (VV Bl. 136, 144 ff., 199) und das Schießtraining einiger Mitglieder und des Vorsitzenden der Antragstellerin in Tschechien im Jahr 2017. Hierbei hat es sich nach der Überzeugung des Senats um eine Vereinstätigkeit gehandelt. Dies folgt aus Äußerungen der Mitglieder im Gruppen-Chat auch mit Blick auf eine Wiederholung des Schießtrainings, das aber wegen einiger Absagen nicht zustande kam, weil es ""nur geschlossen"" Sinn macht (vgl. VV Bl. 535 ff.). Abgerundet wird dieses Bild von der Tatsache, dass mindestens zwei Mitglieder der Antragstellerin das Buch ""Die Turner-Tagebücher"" (VV Bl. 1346 ff.) kennen und als Lektüre begrüßen (GA Bl. 373 f.). In dem Buch werden rassistische, antisemitische Ideen sowie eine die freiheitliche Grundordnung umstürzende Revolution propagiert; es gilt in der ""White Supremacy""-Bewegung in den USA als Standardwerk für eine gewalttätige Übernahme des Staates. Ferner reiht sich in die Betrachtung als Indiz das Sammeln von zahlreichen NS-Devotionalien ein, die die Mitglieder vereinzelt auch untereinander zum Kauf angeboten haben. Hierbei handelt es sich exemplarisch um Bilder von Adolf Hitler, Horst Wessel und Rudolf Hess, eine Büste von Adolf Hitler, eine Hakenkreuzfahne, Magnete und einen Flaschenöffner jeweils mit Hakenkreuz, einen Anstecker mit Triskele, eine Schieferplatte mit einem nachgestellten Abendmahlmotiv, auf dem Hitler und andere führende Nationalsozialisten abgebildet sind, eine Schallplatte mit dem Titel ""Adolf Hitler, Das Dritte Reich"" mit Reichsadler und Hakenkreuz (GA Bl. 225 ff.), Fanartikel von rechtsextremistischen Bands, schwarz-weiß-rote Fahnen sowohl mit ""C 18"" und dem Drachen als auch mit der Aufschrift ""Nationaler Widerstand"", eine Maske mit SS-Totenkopf-Aufkleber, einen Reichsadler mit Hakenkreuz aus Gips, eine Standartenspitze mit Reichsadler und Hakenkreuz, Aufkleber von Combat 18 mit dem SS-Totenkopf, einen Kerzenlichterbogen als KZ-Eingang und darüber den Spruch ""Arbeit macht frei"" nebst Reichsadler mit Hakenkreuz und SS-Runen, ein Bild mit Hakenkreuz und der Aufforderung, den Hitlergruß bei Betreten des Raums zu machen (GA Bl. 336 ff.). (6) Die rassistische, antisemitische, demokratiefeindliche und den Nationalsozialismus verherrlichende Ausrichtung der Antragstellerin wird vor allem dadurch deutlich, dass sie unter Ausnutzung der Vereinsstrukturen Tonträger mit solchem Lied- und Gedankengut verbreitet sowie Konzerte rechtsextremistischer Musikgruppen veranstaltet oder an deren Durchführung aktiv mitwirkt. Hierbei handelt es sich nach dem bisherigen Sach- und Streitstand um eine die Zielrichtung der Antragstellerin prägende Tätigkeit. Aus dem vorgelegten Beweismaterial ergibt sich, dass die Antragstellerin die CD's ""Combat 18 Deutschland"" und ""Eichenlaub - Combat 18"" als Propagandamittel und zur Vermarktung hergestellt und vertrieben hat. Das Cover der CD ""Combat 18 Deutschland"" zeigt die Umrisse des Großdeutschen Reiches, ein von einem Drachen teilweise verdecktes Hakenkreuz und einen SS-Totenschädel. Die CD ""Eichenlaub - Combat 18"" zeigt eine Person in Militärmantel und Mütze sowie schemenhafte Gestalten mit Waffen, Helmen und Uniformen, die ähnlich im Nationalsozialismus verbreitet waren. Auf der erstgenannten CD befindet sich eine Auswahl von Liedern rechtsextremistischer Bands. Das Lied ""free fight"" der Band ""Exempel"" etwa befand sich zuvor schon auf einer anderen CD und war bereits Gegenstand einer Indizierungsentscheidung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, weil es zu Gewalttätigkeiten und Rassenhass anreizt und die nationalsozialistische Ideologie verherrlicht (VV Bl. 1716 ff.). Dies gilt ebenso für die meisten anderen Lieder auf dieser CD (vgl. im Einzelnen Bl. 1570 ff.). So ist das Stück ""Holocaust"" der Band ""KS3"" von Antisemitismus geprägt, da es den Ruf nach der Wiedereinführung der Rassen-Gesetze und die Holocaust-Leugnung enthält. Das Lied ""Terrormachine"" von ""Oidoxie"" verherrlicht ""Combat 18"" und ruft zum Kampf für die arische Nation und zur Säuberung der Städte auf. In ""J...s can't do a thing if we stick together"" dieser Band werden Juden als Parasiten bezeichnet, die kapieren sollen, dass Europa das Land der Weißen ist und gekämpft wird, um Europa weiß zu erhalten. In den Liedern ""Das Volk in schwarz"", ""Die Halben holt der Teufel"" und ""Widerstand"" der Band ""Sturmbrüder"" wird der gemeinsame Kampf gegen das bestehende System mit dem Ziel eines Deutschen Reiches propagiert. Die zweite CD enthält Lieder des Musikprojekts ""Eichenlaub"", die zwar noch nicht indiziert sind, aber vergleichbare Inhalte haben. Dies belegen schon einige Titel wie ""Einzelkämpfer"", ""Gefallen für Deutschland"", ""Nationaler Widerstand"" und ""Schwarz weiß rot"". Die Liedtexte beschreiben den deutschen Nationalisten als ""Einzelkämpfer"" und sehen ihn als weißen Krieger in jeder Stadt an der Macht. Sie propagieren den nationalen Widerstand einschließlich des Kampfes gegen die Polizei und schüren den Ausländerhass (vgl. VV Bl. 1579 ff.). Die Herstellung und der Vertrieb der beiden CD's können nach vorläufiger Würdigung der Antragstellerin zugerechnet werden. Das Behördenzeugnis der Kriminalpolizeiinspektion (Z) Niederbayern wie auch die bisher vorgelegten TKÜ-Protokolle geben Hinweise darauf, dass der Vorsitzende der Antragstellerin und das Mitglied M. in die Produktion der beiden CD's eingebunden gewesen sind, sie die Kosten und den Verkaufspreis kalkuliert und maßgeblichen Einfluss auf deren Inhalt und Gestaltung gehabt haben. Ihre gegenteilige Behauptung erscheint angesichts der Äußerungen ihres Vorsitzenden (""So kommt die raus ..."", ""Gewagt oder aber was soll's"" und ""Kein anderer hat, hat die Rechte da drauf, nur ich."") als Schutzbehauptung (VV Bl. 613 f., 1313, 1319, 1334, 1342). Des Weiteren hat die Antragstellerin mit fremdproduzierten CD's anderer rechtsextremistischer Musikgruppen gehandelt (vgl. zum Verkauf: VV Bl. 593, 633 ff., 715 ff., 755 ff., 763 ff., 785, 883 ff., 941 ff., 1009 ff. sowie GA Bl. 385 ff.) und auch auf diese Weise solches Gedankengut verbreitet. Darunter haben sich die CD's ""Tag X"" von ""Skalinger"", ""Germania über alles"" von ""Stahlgewitter"", ""Weisse Wut"" von ""Weisse Wölfe"", ""Live in Club Valhalla"" von ""Kraftschlag"" und ""NSDAP"" von ""Macht & Ehre"" befunden, die indiziert sind, weil sie den Nationalsozialismus verherrlichen, antisemitisch sind, zum Ausländer- und Rassenhass aufstacheln und zu Gewalt aufrufen (vgl. VV Bl. 1603 ff.). Ebenfalls hierzu zählen etwa die CD's ""Best of No Remorse"" von ""No Remorse"" und ""12 doitsche Stimmungshits"" von der Band ""Zillertaler Türkenjäger"", die nationalsozialistisches Gedankengut enthalten (vgl. dazu die Indizierungsentscheidungen anderer CD's der Band ""No Remorse"" und das Urteil des LG Berlin vom 12. März 2015 - 81 Js 1241/09 -; VV Bl. 1684 ff. und 1737 ff.). Da der Inhalt der fremdproduzierten CD's die gleiche Zielrichtung wie die selbst produzierten CD's aufweist, kann deren Inhalt nach den eingangs dargestellten rechtlichen Maßstäben ebenfalls als Beleg für die verfassungsfeindliche Zielrichtung der Antragstellerin herangezogen werden. Darüber hinaus ist die Antragstellerin an der Durchführung rechtsextremistischer Konzerte beteiligt gewesen und hat hierfür die Vereinsstrukturen genutzt. Ihr Vorsitzender hat den Mitgliedern mitgeteilt, dass und in welchem Umfang Konzertkarten zur Verfügung stehen und die Mitglieder aufgefordert, diese zu vertreiben; umgekehrt haben auch Mitglieder Konzertdaten und Kartenwünsche Dritter an den Vorsitzenden weitergeleitet, über den die Kartenbestellungen abzuwickeln waren (z. B. für Konzerte am 11. August, 22. September und 1. Dezember 2018: VV Bl. 157; 172, 174, 279 f., 295, 813 ff., 843, 862 ff., 937 ff., 1038 ff., 1120 ff.). Entsprechend sind die Mitglieder bei der Veranstaltung von Konzerten rechtsextremistischer Musikgruppen und den Security-Tätigkeiten vorgegangen (vgl. VV Bl. 284 f., 323, 331, 334, 451, 563 ff., 907 ff. sowie GA Bl. 397). Sämtliche Tätigkeiten sind der Antragstellerin zuzurechnen, weil die Abstimmung über interne Chats, insbesondere den Vereins-Chat, vorgenommen worden ist und für die Security-Tätigkeit eigens Shirts mit der Aufschrift ""Combat 18"" bzw. dem Drachen-Vereinssymbol angefertigt worden sind, um für den Verein unter den Konzertbesuchern zu werben (vgl. VV Bl. 342, 455, 566, 585, 907, 926, 948, 1136, 1185; GA Bl. 344, 392 ). Die Erlöse aus dem Verkauf der CD's und der Karten sind dem Vorsitzenden der Antragstellerin häufig über Einschreiben zugeleitet und anteilig in das Vereinsvermögen überführt worden (VV Bl. 290, 913 f., 1091). (7) Die Antragstellerin zeichnet sich des Weiteren durch die sie ebenfalls prägende Tätigkeit des Aufbaus einer rassistischen, antisemitischen, demokratiefeindlichen und den Nationalsozialismus verherrlichenden Gemeinschaft aus. Dies ergibt sich bereits aus dem Vereinsleben selbst, unabhängig davon, ob das Vereinsheft als Statut anzusehen ist. Die Mitglieder der Antragstellerin haben eine Aufnahmeprüfung zu absolvieren, bezeichnen sich als Brüder, sehen sich als Familie, treten gemeinsam unter dem Vereinsnamen auf und haben ihre einheitliche Kleidung abzugeben, wenn sie aus der Vereinigung austreten. Der Vorsitzende hat - wie die Antragstellerin einräumt - versucht, drei Personen von der verbotenen Organisation ""Blood & Honour"" abzuwerben. Ein führendes Mitglied hat zudem in handschriftlichen Aufzeichnungen Vorschläge unter der Bezeichnung ""White Dragon Hate Crew (WDHC)"" unterbreitet, wonach über feste Ortsgruppen und weitere feste Strukturen (Aufgabenverteilung, Bestimmung von Verantwortlichkeiten und Entscheidungsabläufen) potentielle neue Mitglieder an die Antragstellerin herangeführt werden sollten (GA Bl. 325 ff.). Dem Ziel haben ebenso die gemeinsamen Zusammenkünfte von Mitgliedern aus verschiedenen Bundesländern wie Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt gedient (VV Bl. 171, 383, 607, 701, 706, 830). Ergänzend hat die Antragstellerin versucht, Kontakte zu ihren inhaftierten ""Brüdern"" zu intensivieren und darüber für sich neue Mitglieder zu werben. Mit dem Verkauf von Kaffeetassen und Aufklebern, auf denen der Schriftzug ""Freiheit für unsere inhaftierten Brüder"" und das Drachen-Vereinssymbol aufgedruckt sind, als auch anderen personalisierten Dingen des alltäglichen Lebens wollte die Antragstellerin Einnahmen erzielen, die Erlöse für ihre inhaftierten Mitglieder einsetzen und zugleich für ihre Gemeinschaft werben (GA Bl. 368 ff., 414 ff.). In dieses Bild passt auch die Aktion eines führenden Mitglieds, ein mit dem vorgenannten Schriftzug und dem Drachen-Vereinssymbol bedrucktes überdimensioniertes Plakat am Herrmannsdenkmal und an den Externsteinen im Teutoburger Wald aufzuhängen. Diese Aktion hat der Anführer der Antragstellerin begrüßt, sodass sie ihr zugerechnet werden kann. Gleiches gilt für die Teilnahme dieses Mitglieds an mehreren Demonstrationen rechtsextremer Personen und Gruppen, auf denen er die schwarz-weiß-rote Fahne verwendet, ""Combat 18""-Aufkleber verteilt, sich an Gewaltausschreitungen gegen Polizisten und linksgerichtete Personen beteiligt (VV Bl. 1022, 1191; GA Bl. 436 ff.) und eine dieser Aktionen als ""gelebter 318 ... Macht und Prestige mitten im Herzen der Antifa, da war seit 1930 kein rechtes Event mehr"" gefeiert hat (VV Bl. 1194). (8) Die Würdigung des Beweismaterials bestätigt nach summarischer Prüfung die Annahme, dass sich die Antragstellerin gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Das hierauf gestützte Verbot einer Vereinigung ist zwar nicht bereits dann zu rechtfertigen, wenn sie sich kritisch oder ablehnend gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung wendet oder für eine andere Ordnung eintritt. Art. 9 Abs. 2 GG ist - auch unter Beachtung von Art. 5 sowie Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG - kein Weltanschauungs- oder Gesinnungsverbot und zielt weder auf innere Haltungen noch auf bestimmte politische Überzeugungen der Vereinigung oder ihrer Mitglieder ab. Selbst die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen oder bestimmter politischer Auffassungen überschreitet als solche nicht die Grenze der freien politischen Auseinandersetzung. Jedoch kommt ein Verbot dann in Betracht, wenn die Vereinigung ihre verfassungsfeindlichen Ziele kämpferisch-aggressiv verfolgt, d.h. diese Ziele verwirklichen will. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Zur Feststellung dessen darf sich das Vereinsverbot auch auf Äußerungen und Verhaltensweisen von Mitgliedern der Vereinigung stützen, die erkennbar in einer Verbindung mit dem Verein handeln (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u.a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 149). Die Antragstellerin und ihre Mitglieder verherrlichen den Nationalsozialismus, verbreiten Rassenhass und Demokratiefeindlichkeit und propagieren den Antisemitismus. Ihre Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus, antisemitische, von Rassenhass geprägte, fremden- und demokratiefeindliche kämpferisch-aggressive Ausrichtung ergibt sich - wie dargelegt - aus ihrem Namen, ihrer internen Kommunikation und ihren Symbolen, Aufklebern und Fahnen, dem Inhalt ihrer Aufnahmeprüfung, entsprechenden Äußerungen und Verhaltensweisen ihrer führenden Mitglieder mit Bezug zum Nationalsozialismus, dem Sammeln von NS-Devotionalien und aus den sie prägenden Tätigkeiten der Verbreitung von Musik mit entsprechenden Texten einschließlich der Mitwirkung an der Durchführung von Konzerten mit solcher Musik sowie des Aufbaus einer rechtsextremistischen Gemeinschaft. Die Verbotsverfügung knüpft für die Feststellung der kämpferisch-aggressiven Ausrichtung nicht an das Haben einer rechtsextremistischen Auffassung, sondern an das organisierte Zusammenwirken der Vereinigung an, die sich zum Ziel gesetzt hat, aktiv mittels der Vereinsstrukturen Rassenhass, Antisemitismus und Gewaltaufrufe gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung in der Öffentlichkeit zu verbreiten und dadurch die Gemeinschaft der den Nationalsozialismus verherrlichenden, die Demokratie und ihre Werteordnung ablehnenden Personen zu vergrößern. Sie wirbt nicht nur in eigener Sache, sondern will zugleich eine vom nationalsozialistischen Gedankengut geprägte Gemeinschaft aufbauen, die auf mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unvereinbaren Rassenhass, Antisemitismus und Gewaltbereitschaft beruht. Ihre Mitglieder schrecken vor der Anwendung von Gewalt nicht zurück. Ihre Ziele, ihre erkennbare Prägung und das ihr zurechenbare Verhalten der Mitglieder rechtfertigen insoweit den Schluss, dass das Gesamtbild der Antragstellerin den Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG verwirklicht. Soweit die Antragstellerin dem entgegenhält, sie fühle sich nicht als Nachfolgeorganisation der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, habe sich niemals zur verfassungsmäßigen Ordnung geäußert und ""Rechtsextremismus"" sei ein politologischer, kein rechtswissenschaftlicher Begriff, der nicht mit dem Begriff ""Nationalsozialismus"" deckungsgleich sei, kann diesen Einwänden aus den dargelegten Gründen nicht gefolgt werden. Die Verbotsverfügung knüpft nicht an das festgestellte Bekenntnis der Antragstellerin zum Rechtsextremismus oder Nationalsozialismus im Sinne einer politischen Haltung, sondern an die damit verbundene weitergehende kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung an. (9) Das Verbot genügt den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand ist aufgrund der vorläufigen Würdigung davon auszugehen, dass kein Raum bestanden hat, von einem Vereinsverbot abzusehen. Unverhältnismäßig ist ein Vereinigungsverbot nur, wenn erkennbar mildere Mittel ergriffen werden können, die der Vereinigung die verbotsbegründende Ausrichtung nehmen würden, ohne diese bereits zu verbieten. Im Fall der Antragstellerin lagen dafür keine Anhaltspunkte vor. Weder beruht das Verbot auf dem Verhalten nur vereinzelter Mitglieder, dem je für sich entgegengetreten werden könnte, noch erschöpft es sich in einer bestimmten Tätigkeit, die für sich hätte unterbunden werden können, ohne den Verein sonst einzuschränken (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u.a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 158). bb) Richtet sich die Antragstellerin nach alledem aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes gegen die verfassungsmäßige Ordnung, kommt es für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht darauf an, ob sie - wie das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat in der Verbotsverfügung annimmt - gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 3 VereinsG , Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 und 3 GG auch mit ihren Zwecken oder Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderläuft und sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. cc) Die Verbotsverfügung weist nach summarischer Prüfung auch sonst keine rechtlichen Mängel auf. Die weiteren in der Verfügung getroffenen und mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenen Regelungen (Auflösung, Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen, Kennzeichenverbot, Beschlagnahmen) finden ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2, § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Satz 1 VereinsG . Die Klage der Antragstellerin wird auch insoweit voraussichtlich keinen Erfolg haben, sodass ein öffentliches Interesse am Sofortvollzug der Verbotsverfügung gegeben ist. 2. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist nicht auf Grund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten geboten. Die mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung für die Antragstellerin verbundene Beschränkung, ihre Vereinstätigkeit bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht fortsetzen zu dürfen, hat besonderes Gewicht. Diesem Nachteil, zu dem sich die Antragstellerin im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht weitergehend geäußert hat, stehen allerdings die Gefahren gegenüber, die für die Allgemeinheit bei Fortsetzung der Vereinstätigkeit bestehen, wenn sich im gerichtlichen Hauptsacheverfahren die in der Verbotsverfügung getroffene Einschätzung endgültig als zutreffend erweist, dass die Antragstellerin sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Diese Gefahren sind höher zu gewichten als die für die Antragstellerin mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung einhergehenden Belastungen. Sie rechtfertigen auch die Annahme der besonderen Dringlichkeit der Vollziehung der Verfügung (vgl. zu dieser Abwägung auch: BVerwG, Beschluss vom 11. August 2009 - 6 VR 2.09 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 51 Rn. 43 m.w.N.). 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO . Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 , § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich am hälftigen Wert des Streitgegenstandes in der Hauptsache (vgl. dazu Ziff. 45.1.2 i.V.m. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013). © copyright - Deubner Verlag, Köln" bverwg_2020-57,13.10.2020,"Pressemitteilung Nr. 57/2020 vom 13.10.2020 EN Gebührenbemessung nach Verwaltungsaufwand bei Informationsansprüchen rechtmäßig Eine Gebühr i.H.v. 235 € für die Herausgabe von Abschriften auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes, bei der ein Verwaltungsaufwand von ca. vier Stunden entsteht, ist nicht ermessensfehlerhaft und verletzt nicht das sog. Abschreckungsverbot. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist Journalist. Er wendet sich gegen die Festsetzung einer Gebühr für die Bearbeitung eines Antrags nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Im Dezember 2016 beantragte er beim Bundesministerium des Innern, ihm die Gesprächsvorbereitung für Bundesinnenminister de Maizière für ein Treffen mit Mark Zuckerberg zu übersenden. Das Ministerium kam dem Begehren teilweise nach und setzte hierfür auf Grundlage der Bearbeitungsdauer von knapp vier Stunden eine Gebühr i.H.v. 235 € fest. Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht den Gebührenbescheid aufgehoben. Das Ministerium habe bei der Ausfüllung des geltenden Gebührenrahmens von 30 bis 500 € sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Nach dem Prinzip der individuellen Gleichmäßigkeit hätte das Ministerium zunächst alle denkbaren Informationsansprüche ihrem Umfang nach gleichmäßig auf den Gebührenrahmen verteilen und den Fall des Klägers sodann in diese Spanne einordnen müssen. Die schlichte Orientierung der Gebührenhöhe am Verwaltungsaufwand genüge dem nicht. Auf die Sprungrevision des Ministeriums hat das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Die Gebührenbemessung entspricht den gesetzlichen Vorgaben des § 10 Abs. 2 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) und der dazu ergangenen Informationsgebührenverordnung. Die hierauf gestützte Entscheidung ist ermessensgerecht. § 10 Abs. 2 IFG schreibt vor, dass die Gebührenhöhe am Verwaltungsaufwand zu orientieren ist und dass die Gebühr nicht so hoch sein darf, dass der Informationszugang nicht wirksam in Anspruch genommen werden kann (sog. Abschreckungsverbot). Dem ist das Ministerium gerecht geworden. Mit der Gebührenhöhe wird keine vollständige Kostendeckung erzielt; es werden lediglich ein Teil der Personalkosten und keine Sachkosten in Ansatz gebracht. Darüber hinaus setzt die Informationsgebührenverordnung mit ihren differenzierten Tatbeständen und verschiedenen Maximalgebühren das Abschreckungsverbot wirksam um. Der Maximalwert einiger Tarifstellen liegt wie hier bei 500 €. Andere Tarifstellen sehen zum Teil geringere Gebührenrahmen vor, keine einen höheren Maximalwert. Zudem kennt die Informationsgebührenverordnung auch gänzlich gebührenfreie Tarifstellen (etwa für einfache Auskünfte und die Herausgabe von wenigen Abschriften) und die Möglichkeit, aus Gründen der Billigkeit Gebühren abzusenken oder ganz zu erlassen. Ein Gebot, die konkrete Gebühr nach dem Prinzip der individuellen Gleichmäßigkeit zu berechnen, wie es das Verwaltungsgericht verstanden hat, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Fußnote: § 10 Abs. 2 IFG lautet: Die Gebühren sind auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes so zu bemessen, dass der Informationszugang nach § 1 wirksam in Anspruch genommen werden kann. BVerwG 10 C 23.19 - Urteil vom 13. Oktober 2020 Vorinstanz: VG Berlin, 2 K 95.17 - Urteil vom 29. März 2019 -","Urteil vom 13.10.2020 - BVerwG 10 C 23.19ECLI:DE:BVerwG:2020:131020U10C23.19.0 EN Gebührenhöhe für Zugang zu amtlichen Informationen Leitsätze: 1. Die Informationsgebührenverordnung (IFGGebV) stellt hinreichend differenzierte Gebührentatbestände und Gebührenrahmen zur Verfügung, die - unter Berücksichtigung der Billigkeitsklausel des § 2 IFGGebV - das Verbot prohibitiver Gebühren in § 10 Abs. 2 IFG wirksam umsetzen. 2. Ein Gebührenrahmen nach der Informationsgebührenverordnung kann ermessensgerecht so ausgefüllt werden, dass die Gebührenhöhe solange unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwands bestimmt wird, wie der Gebührenrahmen nicht überschritten wird, und bei umfangreicherem Verwaltungsaufwand der sich ergebende Betrag am oberen Gebührenrand gekappt wird. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1 IFG §§ 1, 10 IFGGebV §§ 1, 2 BGebG § 2 Abs. 2, § 23 Abs. 4 Instanzenzug VG Berlin - 29.03.2019 - AZ: VG 2 K 95.17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 13.10.2020 - 10 C 23.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:131020U10C23.19.0] Urteil BVerwG 10 C 23.19 VG Berlin - 29.03.2019 - AZ: VG 2 K 95.17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2020 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29. März 2019 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Kläger ist Journalist. Er wendet sich gegen die Festsetzung einer Gebühr für die Bearbeitung eines Antrags nach dem Informationsfreiheitsgesetz. 2 Im Dezember 2016 beantragte er beim Bundesministerium des Innern, ihm die Gesprächsvorbereitung für Bundesinnenminister de Maizière für ein Treffen mit Mark Zuckerberg zu übersenden. Die Beklagte gab dem Antrag teilweise statt und erhob hierfür auf Grundlage eines Verwaltungsaufwands von 3 Stunden und 55 Minuten eine Gebühr von 235 €. Der Verwaltungsaufwand sei durch die Aktenrecherche, Sichtung, Prüfung, Zusammenstellung und Schwärzung der Unterlagen sowie durch Beteiligung Dritter entstanden. Sie gehe bei der Berechnung von einem durchschnittlichen Stundensatz von 60 € für einen Beamten des höheren Dienstes aus. 3 Auf die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den Gebührenbescheid aufgehoben. Zur Begründung führte es aus, dass für die begehrte Herausgabe von Abschriften ein Gebührenrahmen von 30 bis 500 € vorgesehen sei. Die Beklagte habe bei der Festsetzung der Gebühr ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Die obere Gebühr von 500 € stelle keine bloße Kappungsgrenze für eine im Übrigen nach Zeitaufwand zu berechnende Gebührenhöhe dar. Vielmehr sei die Gebührenhöhe nach dem Prinzip der individuellen Gleichmäßigkeit festzulegen. Dies erfordere, allen von einer Tarifstelle erfassten Amtshandlungen zunächst die durch den Gebührenrahmen gebildete Gebührenskala in etwa proportional zuzuordnen. Sei der Aufwand danach äußerst gering, habe sich die Festsetzung der Gebühr am unteren Rand des Gebührenrahmens, im Durchschnittsfall an der Mitte und im Falle maximalen Aufwands an der oberen Grenze zu orientieren. 4 Gegen dieses Urteil richtet sich die Sprungrevision der Beklagten, zu deren Begründung sie ausführt: Die Gebührenhöchstgrenze erlange erst dann Bedeutung, wenn die nach dem Verwaltungsaufwand berechnete Gebühr sie überschreite. Darin liege auch kein Verstoß gegen das Verbot prohibitiver Gebühren im Sinne des § 10 Abs. 2 IFG. Eine abschreckende Wirkung sei bei der streitbefangenen Gebührenhöhe nicht gegeben. 5 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29. März 2019 zu ändern und die Klage abzuweisen. 6 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. 7 Er verteidigt das angegriffene Urteil. II 8 Die Sprungrevision hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat mit der Annahme, die Gebührenhöhe sei zwingend nach dem Prinzip der individuellen Gleichmäßigkeit in dem von ihm verstandenen Sinne zu bestimmen, gegen Bundesrecht verstoßen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Damit schränkt es das der Behörde eingeräumte Ermessen über seinen gesetzlich vorgesehenen Prüfauftrag (§ 114 Satz 1 VwGO) hinaus ein. 9 Es spricht viel dafür, dass die Gebührenberechnung nach dem Prinzip der individuellen Gleichmäßigkeit in dem von ihm verstandenen Sinne ermessensgerecht ist. Das Verwaltungsgericht hat aber verkannt, dass dies nicht die einzige ermessensfehlerfreie Methode der Gebührenberechnung ist. Vielmehr ist die von der Beklagten verwandte Methode ebenfalls ermessensfehlerfrei. Deswegen ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch nicht aus anderen Gründen richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). 10 1. Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung ist § 10 Abs. 1 und 2 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Gebühren und Auslagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (Informationsgebührenverordnung - IFGGebV) vom 2. Januar 2006 (BGBl. I S. 6), geändert durch Art. 2 Abs. 7 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154), und der Tarifstelle 2.2 des zugehörigen Gebühren- und Auslagenverzeichnisses. Die Vorschriften sind in der am 30. März 2017 geltenden Fassung anzuwenden, die der jeweils aktuellen Fassung der genannten Vorschriften entspricht. Gemäß § 4 Abs. 1 Bundesgebührengesetz (BGebG) ist der maßgebliche Zeitpunkt derjenige der Beendigung der Leistungserbringung. Das ist hier der Zeitpunkt, an dem die Beklagte den beantragten Zugang zu Informationen gewährt hat. 11 Gemäß § 10 Abs. 1 IFG sind für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach diesem Gesetz Gebühren und Auslagen zu erheben. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift sind Gebühren auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes so zu bemessen, dass der Informationszugang nach § 1 wirksam in Anspruch genommen werden kann. 12 Die Berechnung der Gebührenhöhe richtet sich ausschließlich nach § 10 Abs. 2 IFG und der Informationsgebührenverordnung. Eine ergänzende Heranziehung des Bundesgebührengesetzes oder des durch dieses abgelösten Verwaltungskostengesetzes a.F., welches aufgrund der Übergangsregelung des § 23 Abs. 4 Satz 2 BGebG bei Rahmengebühren grundsätzlich noch zur Anwendung gelangen kann, kommt hier nicht in Betracht. Beide Regelungen gelten gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 bzw. gemäß § 23 Abs. 4 Satz 2 BGebG nur, soweit nichts anderes bestimmt ist. § 10 Abs. 2 IFG enthält hinsichtlich der Gebührenhöhe eine vorrangige Regelung, die insoweit keinen Raum für eine ergänzende Heranziehung der vorgenannten Gesetze lässt. 13 Gemäß § 1 Abs. 1 IFGGebV bestimmen sich die Gebühren und Auslagen für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach dem Informationsfreiheitsgesetz nach dem anliegenden Gebühren- und Auslagenverzeichnis. Nach dessen Tarifstelle 2.2 beträgt die Gebühr für die Herausgabe von Abschriften, wenn im Einzelfall ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand zur Zusammenstellung von Unterlagen entsteht, insbesondere, wenn zum Schutz öffentlicher oder privater Belange Daten ausgesondert werden müssen, 30 bis 500 €. Ein solcher Einzelfall mit höherem Verwaltungsaufwand ist vom Verwaltungsgericht festgestellt worden. Insbesondere waren auch dritte Stellen zu beteiligen und Schwärzungen vorzunehmen. 14 2. Die konkrete Höhe der danach zu erhebenden Gebühr steht im Ermessen der Behörde. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass Tarifstelle 2.2 des Gebühren- und Auslagenverzeichnisses zu § 1 Abs. 1 IFGGebV mit der Angabe 30 bis 500 € eine Rahmengebühr vorsieht. Eine Rahmengebühr bestimmt einen minimalen und einen maximalen Gebührenwert, innerhalb deren die konkrete Gebührenhöhe durch Ermessensentscheidung festzusetzen ist (vgl. Prömper/Stein, BGebG 2019, § 11 Rn. 14). Die gerichtliche Nachprüfung der Ermessensentscheidung unterliegt den Einschränkungen des § 114 Satz 1 VwGO (vgl. Debus, DVBl 2013, 9 <11>, Schönenbroicher, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2016, D Rn. 704). Die angegriffene Entscheidung hält sich innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Ermessenszwecke (a) und verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (b). 15 a) § 10 Abs. 2 IFG benennt zwei Gebührenzwecke. Danach soll einerseits der Verwaltungsaufwand bei der Gebührenbemessung berücksichtigt werden; andererseits darf dies nur in einer Weise geschehen, die gewährleistet, dass der Informationszugang nach § 1 IFG wirksam in Anspruch genommen werden kann. Hierbei handelt es sich um ein Verbot prohibitiver Gebühren bzw. ein sogenanntes Abschreckungsverbot. Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat hierzu Folgendes ausgeführt: ""Diese Vorschrift ist Ausdruck des gesetzgeberischen Ziels, dass jeder gegenüber den Behörden und Einrichtungen des Bundes einen Anspruch auf Informationszugang haben soll, ohne hiervon durch erhebliche finanzielle Hürden abgeschreckt zu werden. Deshalb sollen Gebühren und Auslagen orientiert am Verwaltungsaufwand, jedoch nicht notwendig kostendeckend bemessen werden. Die Bemessung der Gebühren nach § 10 Abs. 2 IFG a.F. hat den Verwaltungsaufwand - nur - zu berücksichtigen, die wirksame Inanspruchnahme des Informationszugangs aber in vollem Umfang zu gewährleisten. Die Gebühren dürfen also nicht abschreckend wirken (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 6 und 16). Für die Frage einer abschreckenden Wirkung der Gebührenbemessung ist entscheidend, ob die Gebühr ihrer Höhe nach objektiv geeignet ist, potentielle Antragsteller von der Geltendmachung eines Anspruchs auf Informationszugang abzuhalten (vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 10 Rn. 73 bis 78)."" (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 7 C 6.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 20 Rn. 18). 16 Dem schließt sich der erkennende Senat an. 17 aa) Die Berücksichtigung des Verwaltungsaufwands hat zwei Komponenten. Sie verlangt einerseits, dass dem Grunde nach Informationszugangsersuchen, die einen größeren Verwaltungsaufwand verursachen, höhere Gebühren nach sich ziehen als solche, die einen kleineren Verwaltungsaufwand verursachen. Andererseits macht das Wort ""Berücksichtigung"" deutlich, dass nicht der volle Verwaltungsaufwand abzubilden ist. Er ist lediglich in die Abwägung über die Gebührenhöhe einzustellen. Eine strikte Bindung an den Kostendeckungsgrundsatz, bei dem alle nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zurechenbaren Kosten dem von der öffentlichen Leistung Begünstigten angelastet werden (Prömper/Stein, BGebG, 2019, § 9 Rn. 1), gebietet § 10 Abs. 2 IFG nicht (vgl. Debus, DVBl 2013, 9 <11>, Guckelberger, in: Fluck/Fischer/Martini, Informationsfreiheitsrecht, Stand Oktober 2018, § 10 IFG Bund Rn. 27; Sicko, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand 1. August 2020, § 10 IFG Rn. 34). 18 Eine verfassungsrechtliche Pflicht zur strikten Anwendung des Kostendeckungsgrundsatzes besteht nicht; dieser gilt allein aufgrund allgemeinen Haushaltsrechts (Brüning, DÖV 2020, 430 <432>). Eine einfachrechtliche Abweichung - etwa um Verhaltensanreize zu geben oder soziale Zwecke zu verfolgen - ist zulässig, solange die Gebühren ""nicht völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden dürfen, und [...] die Verknüpfung zwischen den Kosten der Staatsleistung und den dafür auferlegten Gebühren nicht in einer Weise sich gestaltet, die, bezogen auf den Zweck der gänzlichen oder teilweisen Kostendeckung, sich unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt als sachgemäß erweist"" (BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 - BVerfGE 50, 217 <227>; vgl. auch Wild, DV 39 (2006) 493 <511>). Mit der Anordnung der Berücksichtigung des Verwaltungsaufwands derogiert § 10 Abs. 2 IFG den Kostendeckungsgrundsatz nicht; er modifiziert ihn nur. Hierfür besteht mit dem Transparenzziel des Informationsfreiheitsgesetzes (BT-Drs. 15/4493 S. 6) ein hinreichender sachlicher Grund. 19 Diesem modifizierten Kostendeckungsgrundsatz wird die Gebührenpraxis des Bundesministeriums des Innern gerecht. Der entstehende Verwaltungsaufwand wird nur zu einem Teil in Ansatz gebracht. Die einstündige Dienstleistung eines Beamten im höheren Dienst wird nur mit 60 € berechnet, obwohl nach den Berechnungen des Bundesministeriums der Finanzen insoweit tatsächliche Kosten in Höhe von 84,29 € anfallen. Sachkosten und sonstige kalkulatorische Kosten werden zudem überhaupt nicht berechnet. Durch den Ansatz des Zeitaufwands wird die durch das Gesetz vorgesehene Orientierung am Verwaltungsaufwand gewährleistet. 20 bb) Die Wahrung des Abschreckungsverbots ist nach objektiven Maßstäben zu bestimmen (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 7 C 6.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 20 Rn. 18). Der Behörde ist verwehrt, hierbei die individuellen Verhältnisse des Antragstellers oder dessen Motivlage zu berücksichtigen. Der Anspruch nach § 1 Abs. 1 IFG ist ein voraussetzungsloser Anspruch, bei dessen Geltendmachung diese Umstände gerade keine Rolle spielen. Sie können deswegen grundsätzlich auch nicht bei der Bestimmung der Gebührenhöhe berücksichtigt werden (s. aber unten Rn. 23 a.E.). 21 Die danach objektiv zu bestimmende Obergrenze für die Gebührenhöhe hat der Gesetzgeber nicht selbst festgelegt, weshalb in der Zukunft notwendig werdende Änderungen im einfacheren Verordnungswege bewerkstelligt werden können (Guckelberger, in: Fluck/Fischer/Martini, Informationsfreiheitsrecht, Stand Oktober 2018, § 10 IFG Bund Rn. 35). Allerdings lässt sich der Begründung des Gesetzentwurfs zum Informationsfreiheitsgesetz entnehmen, dass eine Obergrenze von 500 € für angemessen gehalten wurde. Dort heißt es, dass je nach Verwaltungsaufwand Gebühren bis zu 500 € erhoben werden können; dies sei ein Höchstsatz (BT-Drs. 15/4493 S. 16). 22 Gebühren bis zur genannten Höhe begegnen im Hinblick auf das Abschreckungsverbot keinen grundsätzlichen Bedenken. Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass das Informationsfreiheitsgesetz nicht nur der Wahrnehmung von Bürgerrechten, insbesondere der demokratischen Teilhabe und der demokratischen Meinungs- und Willensbildung (BT-Drs. 15/4493 S. 6), sondern auch dem Transparenzgedanken dient. Daraus ist aber nicht zu folgern, dass die Informationsgewährung tendenziell gebührenfrei sein müsse. Der Verordnungsgeber durfte sich von dem Gedanken leiten lassen, dass ein Bürger, der ein Interesse an einer amtlichen Information geltend macht, auch bereit sein wird, zu den Kosten der Informationsgewährung in einem angemessenen Umfang beizutragen, sofern er dadurch wirtschaftlich nicht überfordert wird. 23 Soweit sich die Behörde - wie hier - an die Vorgaben der Informationsgebührenverordnung hält, liegt im Hinblick auf das Abschreckungsverbot auch kein Ermessensfehler vor. Die Informationsgebührenverordnung setzt das Abschreckungsverbot des § 10 Abs. 2 IFG mit ihren differenzierten Tatbeständen und unterschiedlich hohen Maximalgebühren wirksam um. Der Maximalwert einiger Tarifstellen liegt wie hier bei 500 €. Andere Tarifstellen sehen zum Teil einen niedrigeren, keine einen höheren Maximalwert vor. So ist etwa für die Erteilung einer schriftlichen Auskunft auch bei Herausgabe von Abschriften (Tarifstelle 1.2) ein Gebührenrahmen von 30 bis 250 € und für die Herausgabe von Abschriften (Tarifstelle 2.1) ein Gebührenrahmen von 15 bis 125 € vorgesehen. Zudem kennt die Informationsgebührenverordnung auch gänzlich gebührenfreie Tarifstellen, etwa für einfache Auskünfte und die Herausgabe von wenigen Abschriften (Tarifstelle 1.1) oder für Veröffentlichungen nach § 11 IFG (Tarifstelle 4). Dass der Gebührenrahmen und dessen Anwendung die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Antragstellers oder dessen Motivlage unberücksichtigt lässt, schließt im Übrigen nicht aus, die hiernach eigentlich gebotene Gebühr gemäß § 2 IFGGebV im Einzelfall aus Gründen der Billigkeit abzusenken oder ganz zu erlassen. Hierdurch kann - die freiwillige Offenlegung diesbezüglicher Daten vorausgesetzt - auf die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Antragstellers einzelfallbezogen reagiert werden. 24 cc) Es liegt auch kein Fall einer missbräuchlichen Umgehung der Ermessenszwecke vor. Das könnte der Fall sein, wenn die Behörde ihre Bemessungsparameter so ausgestaltet, dass in nahezu jedem Fall die Höchstgebühr zur Anwendung gelangte (vgl. Schönenbroicher, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht 2016, D Rn. 708). Ein solcher Maßstab widerspräche dem von der Verordnung vorgegebenen Rahmen. Dass der hier bestehende Gebührenrahmen zu einem solchen Ergebnis führte, hat das Verwaltungsgericht weder festgestellt, noch ist dies sonst ersichtlich. Schon der vorliegende Fall widerspricht mit einer Gebührenhöhe von 235 € einer solchen Überlegung. 25 Auch kann die Annahme einer missbräuchlichen Gestaltung der Gebührenpraxis nicht auf den in der mündlichen Verhandlung von Klägerseite vorgebrachten Einwand gestützt werden, dass eine Gebührenfestsetzung am unteren Rand des Gebührenrahmens praktisch ausscheide, weil die Tarifstelle 2.2 stets einen deutlich höheren Verwaltungsaufwand verlange. Damit ist nicht dargetan, dass es nie zur Festsetzung einer Gebühr am unteren Rand des Gebührenrahmens kommen kann. Aus der genannten Tarifstelle ergibt sich zwar, dass sie einen Fall, der einen deutlich höheren Verwaltungsaufwand verursacht, insbesondere annimmt, wenn zum Schutz öffentlicher oder privater Belange Daten ausgesondert werden müssen. Im Einzelfall ist es aber nicht ausgeschlossen, dass ein solcher Fall mit geringem Zeitaufwand zu erledigen ist und folglich eine Gebühr am unteren Rand des Gebührenrahmens auslöst - etwa, wenn auf konkrete Vorarbeiten zurückgegriffen werden kann. 26 b) Die Ermessensentscheidung der Beklagten verstößt schließlich nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet es, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668/10, 1 BvR 2104/10 - BVerfGE 137, 1 Rn. 47). 27 aa) Dem wird die im Streit stehende Gebührenregelung gerecht. Zwar werden sämtliche Anträge nach dem Informationsfreiheitsgesetz, die einen Aufwand von mehr als 8 Stunden und 20 Minuten Tätigkeit des höheren Dienstes verursachen, unterschiedslos mit einer Gebühr von 500 € belegt. Für die Einführung der Kappungsgrenze bei 500 € besteht jedoch ein hinreichender sachlicher Grund. Eine Kappungsgrenze kann insbesondere gerechtfertigt sein, um zu verhindern, dass die ansonsten stets weiter steigenden Beträge abschreckend auf ein an sich gesetzlich gewünschtes Verhalten wirken (BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 1 BvR 910/05, 1 BvR 1389/05 - BVerfGE 118, 1 <26 f.> = juris Rn. 96 ff.). So liegt der Fall auch hier. Das Abschreckungsverbot des § 10 Abs. 2 IFG dient gerade dazu, dem Transparenzgedanken des Informationsfreiheitsgesetzes (BT-Drs. 15/4493 S. 6) effektive Wirkung zu verschaffen. Der Bürger soll von dem gesetzgeberisch gewünschten Verhalten der Erlangung von amtlichen Informationen nicht durch zu hohe Belastungen abgehalten werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 7 C 6.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 20 Rn. 18). 28 bb) Dem allgemeinen Gleichheitssatz lässt sich darüber hinaus nicht entnehmen, dass das vom Verwaltungsgericht angeführte Prinzip der individuellen Gleichmäßigkeit in dem von ihm verstandenen Sinne anzuwenden ist. Ein solches mag seine Rechtfertigung in Konstellationen haben, bei denen ein größerer Gesamtverwaltungsaufwand auf eine Gruppe unterschiedlich Begünstigter zu verteilen ist, wie dies im Kommunalabgabenrecht häufig der Fall ist. Darum geht es hier jedoch nicht. Die Beklagte hat keinen Gesamtaufwand für die Bearbeitung von Anträgen nach dem Informationsfreiheitsgesetz auf eine Mehrzahl von Antragstellern zu verteilen. Vielmehr hat sie in einem Einzelfall nach den Vorgaben des § 10 Abs. 2 IFG über die richtige Gebührenhöhe zu entscheiden. 29 Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. April 1967 - IV C 179.65 - (BVerwGE 26, 305 <312 f.>), auf das sich das Verwaltungsgericht bezieht. Dort ist lediglich beschrieben, dass unterschiedlich gestaffelte Festgebühren (nach dem Grundsatz der generellen Gleichmäßigkeit) ebenso gleichheitsgerecht sein können wie Rahmengebühren, die eine Ermessensentscheidung erforderlich machen. Der dort so benannte ""Grundsatz der individuellen Gleichmäßigkeit"", auf den sich das Verwaltungsgericht beruft, verlangt nicht die vom Verwaltungsgericht als allein ermessensgerecht angesehene Bestimmung der Gebührenhöhe. 30 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2020-58,13.10.2020,"Pressemitteilung Nr. 58/2020 vom 13.10.2020 EN Auskunftsanspruch der Presse aus den Akten eines abgeschlossenen Disziplinarverfahrens Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz einem Journalisten Auskunft aus einem abgeschlossenen Disziplinarverfahren erteilen muss. Der Kläger, ein Journalist, beansprucht von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Auskunft zu einem abgeschlossenen Disziplinarverfahren, das gegen einen ehemaligen Referatsleiter beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) geführt wurde. Dem Beamten wurde vorgeworfen, nach Bekanntwerden der rechtsterroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) die Vernichtung von Akten angeordnet zu haben. Das neun Punkte umfassende Auskunftsbegehren hatte vor dem Verwaltungsgericht zum überwiegenden Teil Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Auskunftsbegehren teilweise zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Beklagten zum ganz überwiegenden Teil und die Anschlussrevision des Klägers vollständig zurückgewiesen: Der Auskunftsanspruch des Klägers findet seine Rechtsgrundlage im Personalaktenrecht. Die danach gemäß § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) erforderliche Interessenabwägung zwischen dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Beamten und dem Informationsinteresse der Presse fällt zugunsten der Presse aus, soweit der Kläger die Fragen hinreichend konkret bezeichnet hat. Eine journalistische Relevanzprüfung findet dabei nicht statt; es ist Sache der Presse zu entscheiden, welche Informationen sie für erforderlich hält, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer Berichterstattung aufzubereiten. Dem Auskunftsanspruch stehen das disziplinarrechtliche Verwertungsverbot und die Pflicht zur Vernichtung der Disziplinarakte gemäß § 16 Abs. 1 und 3 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) nicht entgegen. Sie führen nicht zu einem absoluten, abwägungsresistenten Schutzanspruch des betroffenen Beamten. Es ist nicht möglich, diesen sich durch Zeitablauf verdichtenden Schutzanspruch unter schematischer Übernahme solcher einfachrechtlichen Regelungen zu bestimmen. Die Fristen des Bundesdisziplinargesetzes sind jedoch ein bedeutsamer Faktor, der auf Seiten des Rechts der informationellen Selbstbestimmung zu Gunsten des betroffenen Beamten in die Interessenabwägung einzustellen ist. Hier ist dem pressespezifischen Informationsinteresse angesichts der hohen Bedeutung der Aufarbeitung der Verbrechen des NSU für das Gemeinwesen ein derart überragend großes Gewicht beizumessen, dass auch unter Berücksichtigung des disziplinarrechtlichen Verwertungsverbots und der daraus folgenden Pflicht zur Vernichtung der Disziplinarakte eine andere Entscheidung als die Auskunftserteilung ausgeschlossen ist. Fußnote: Auszug Gesetzestext § 111 BBG … (2) Auskünfte an Dritte dürfen ohne Einwilligung der Beamtin oder des Beamten erteilt werden, wenn dies zwingend erforderlich ist 1. für die Abwehr einer erheblichen Beeinträchtigung des Gemeinwohls oder 2. für den Schutz berechtigter, höherrangiger Interessen der oder des Dritten. In diesen Fällen wird keine Akteneinsicht gewährt. Inhalt und Empfängerin oder Empfänger der Auskunft sind der Beamtin oder dem Beamten schriftlich mitzuteilen.     § 16 BDG (1) Verweis darf nach zwei Jahren, eine Geldbuße, eine Kürzung der Dienstbezüge und eine Kürzung des Ruhegehalts dürfen nach drei Jahren und eine Zurückstufung darf nach sieben Jahren bei weiteren Disziplinarmaßnahmen und bei sonstigen Personalmaßnahmen nicht mehr berücksichtigt werden (Verwertungsverbot). Der Beamte gilt nach dem Eintritt des Verwertungsverbots als von der Disziplinarmaßnahme nicht betroffen. … (3) Eintragungen in der Personalakte über die Disziplinarmaßnahme sind nach Eintritt des Verwertungsverbots von Amts wegen zu entfernen und zu vernichten. Das Rubrum und die Entscheidungsformel einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung, mit der auf eine Zurückstufung erkannt wurde, verbleiben in der Personalakte. Dabei sind die Bezeichnung weiterer Beteiligter und der Bevollmächtigten, die Namen der Richter sowie die Kostenentscheidung unkenntlich zu machen. Auf Antrag des Beamten unterbleibt die Entfernung oder erfolgt eine gesonderte Aufbewahrung. Der Antrag ist innerhalb eines Monats zu stellen, nachdem dem Beamten die bevorstehende Entfernung mitgeteilt und er auf sein Antragsrecht und die Antragsfrist hingewiesen worden ist. Wird der Antrag gestellt oder verbleiben Rubrum und Entscheidungsformel einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung nach Satz 2 in der Personalakte, ist das Verwertungsverbot bei den Eintragungen zu vermerken. … BVerwG 2 C 41.18 - Urteil vom 13. Oktober 2020 Vorinstanzen: OVG Münster, 15 A 3070/15 - Urteil vom 20. September 2018 - VG Köln, 6 K 5143/14 - Urteil vom 12. November 2015 -","Urteil vom 13.10.2020 - BVerwG 2 C 41.18ECLI:DE:BVerwG:2020:131020U2C41.18.0 EN Anspruch der Presse auf Auskunft aus den Akten eines abgeschlossenen Disziplinarverfahrens Leitsätze: 1. Der Anspruch der Presse auf Auskunft zu einem behördlichen Disziplinarverfahren gegen einen Bundesbeamten findet seine Grundlage im Personalaktenrecht in § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG. 2. Das disziplinarrechtliche Verwertungsverbot und das Tilgungsgebot (§ 16 Abs. 1 und 3 BDG) sind als bedeutsame Abwägungsfaktoren auf Seiten des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des betroffenen Beamten in die nach § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG vorzunehmende Interessenabwägung einzustellen. 3. Das Merkmal ""zwingend erforderlich"" des § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG ist im Lichte der Pressefreiheit dahin auszulegen, dass die Auskunftserteilung nicht von einer inhaltlichen Bewertung des Informationsanliegens abhängt. Nicht ""zwingend erforderlich"" kann eine von der Presse verlangte Information sein, wenn sie aus anderen öffentlich zugänglichen Informationsquellen anderweitig verfügbar ist. 4. Die während eines Verwaltungs- oder Klageverfahrens mit dem Ablauf der Tilgungsfrist entstehende Pflicht des Dienstherrn, die Disziplinarakte von Amts wegen zu vernichten, tritt mit seiner Pflicht, die von einem Dritten geltend gemachte Auskunft gegebenenfalls erteilen zu müssen, in Konflikt. Der Ausgleich der kollidierenden Rechtspflichten des Dienstherrn kann nur dadurch hergestellt werden, dass der Disziplinarvorgang bis zur bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über das Auskunftsersuchen in eine gesonderte Aufbewahrung genommen wird. Rechtsquellen GG Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 BBG § 106 Abs. 1 Satz 4, Abs. 3, § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 BDG § 16 IFG § 5 Abs. 2 EMRK Art. 10 GRCh Art. 11 BZRG § 51 Instanzenzug VG Köln - 12.11.2015 - AZ: VG 6 K 5143/14 OVG Münster - 20.09.2018 - AZ: OVG 15 A 3070/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 13.10.2020 - 2 C 41.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:131020U2C41.18.0] Urteil BVerwG 2 C 41.18 VG Köln - 12.11.2015 - AZ: VG 6 K 5143/14 OVG Münster - 20.09.2018 - AZ: OVG 15 A 3070/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung und Dollinger sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird die Klage auch hinsichtlich der beantragten Auskunft zu Frage 9 Satz 1 abgewiesen. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. September 2018 und des Verwaltungsgerichts Köln vom 12. November 2015 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen. Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Anschlussrevision des Klägers wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 3/5 und die Beklagte zu 2/5. Gründe I 1 Der Kläger ist freier Journalist. Er begehrt vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) Auskunft zu dem Disziplinarverfahren gegen einen ehemaligen Referatsleiter mit dem Tarnnamen ""Lothar Lingen"", der nach Bekanntwerden der rechtsterroristischen Vereinigung ""Nationalsozialistischer Untergrund"" (NSU) die Vernichtung von Akten angeordnet haben soll. Das BfV lehnte es unter dem 29. August 2014 ab, Auskünfte zu Disziplinarvorgängen zu erteilen. 2 Mit der im September 2014 erhobenen Klage hat der Kläger Auskunft zu folgenden Fragen begehrt: 1. Wie ist der Sachstand des Disziplinarverfahrens in Sachen des Beamten mit dem Decknamen ""Lothar Lingen""? Ist das Disziplinarverfahren abgeschlossen? Mit welchen Konsequenzen? 2. Welche Informationen zu dem Ablauf der erfolgten Aktenvernichtungen sowie zur Motivation des Mitarbeiters ""Lothar Lingen"", die der Öffentlichkeit bisher nicht durch die Veröffentlichung des Abschlussberichtes des 2. Untersuchungsausschusses des Bundestags, Drs. 17/14600, Seiten 743 ff. bekannt sind, wurden im Zuge des Disziplinarverfahrens ermittelt? 3. Welches Fehlverhalten wurde dem Mitarbeiter, gegen den im Zuge des Disziplinarverfahrens ermittelt wurde, genau vorgeworfen? 4. Wie genau sahen die Bemühungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus, das Fehlverhalten aufzuklären? Welchen Umfang und welche Dauer hatten die Aufklärungsbemühungen? Wie viele Personen wurden im Rahmen dieses Verfahrens befragt? Wie viele Seiten umfasst die Ermittlungsakte im Disziplinarverfahren? 5. Wurden Erklärungen dafür gefunden, warum der Mitarbeiter einerseits von Vorgesetzten mit sehr guten Noten beurteilt wurde, andererseits aber gleichzeitig eine Anleitungs- und Kontrollbedürftigkeit durch Vorgesetzte bestand (der diese aber wohl nicht nachkamen und die sich ja schließlich auch in dem schwerwiegenden Fehlverhalten des Mitarbeiters zeigte)? Wenn ja, welche Erklärungen wurden gefunden? Wann genau war der Mitarbeiter ""Lothar Lingen"" wie von seinen Vorgesetzten bewertet worden? Wie waren die einstigen Positivbewertungen begründet worden? 6. Welche Einschätzungen über die mögliche Motivation der Aktenvernichtung durch den Mitarbeiter mit dem Decknamen ""Lothar Lingen"" wurden während der im Rahmen des Disziplinarverfahrens durchgeführten Vernehmungen von anderen Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz geäußert? 7. Wurde ermittelt, ob der Mitarbeiter ""Lothar Lingen"" mit den von ihm vernichteten Vorgängen in den Jahren zuvor selbst dienstlich befasst gewesen ist? Falls ja, für welche Vorgänge trifft dies zu und wie sah die Befassung aus? 8. Welche Ergebnisse haben die Ermittlungen im Rahmen des Disziplinarverfahrens hinsichtlich der Frage ergeben, ob der betreffende Mitarbeiter die Aktenvernichtungen in eigener Zuständigkeit und ohne Rücksprache mit anderen Mitarbeitern, insbesondere ohne Information seines direkten Vorgesetzten durchgeführt hat? 9. Inwieweit wurde zur Aufklärung des Fehlverhaltens auch außerhalb des Bundesamtes für Verfassungsschutz ermittelt? Wurden beispielsweise außenstehende Zeugen vernommen? 3 Das Verwaltungsgericht hat der Klage hinsichtlich der Fragen 1, 3, 4, 6, der Frage 7 Satz 1 sowie der Fragen 8 und 9 stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. 4 Das Oberverwaltungsgericht hat das Verfahren eingestellt und das erstinstanzliche Urteil für wirkungslos erklärt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Frage 1 Satz 1 und 2 für erledigt erklärt haben, sowie das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagte verurteilt, Auskunft auf die Frage 4 Satz 2 Halbs. 2, Satz 3 und 4 sowie auf die Frage 7 Satz 1, Fragen 8 und 9 zu erteilen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Auskunftsanspruch bestehe nur im tenorierten Umfang auf der Grundlage des Personalaktenrechts. Die danach erforderliche Interessenabwägung zwischen dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Beamten und dem Informationsinteresse der Presse falle zugunsten der Presse aus. Das disziplinarrechtliche Verwertungsverbot und die damit verbundene Pflicht zur Vernichtung der Disziplinarakten stünden dem Auskunftsanspruch nicht entgegen. Aus den disziplinarrechtlichen Tilgungsbestimmungen, die in erster Linie im Innenverhältnis des Beamten zu seinem Dienstherrn bestünden, folge unmittelbar nichts für den Auskunftsanspruch nach dem Personalaktenrecht. Durch das Auskunftsersuchen entstehe ein gegenüber dem Dienstverhältnis eigenständiges Rechtsverhältnis. Keine andere Beurteilung ergebe sich aus etwaigen weiteren Schutzwirkungen der Tilgungsbestimmungen. Angesichts der öffentlichen Berichterstattung und der Abschlussberichte der Untersuchungsausschüsse des Bundestages sei nicht erkennbar, dass die Erinnerung des Dienstherrn an das Disziplinarverfahren durch die begehrte Auskunft in maßgeblicher Weise noch reaktualisiert werden könnte. Im Übrigen bleibe die Klage ohne Erfolg. Die verbleibenden Fragen seien nicht hinreichend konkret bezeichnet, durch öffentlich zugängliche Quellen bereits beantwortet oder aufgrund ihres spekulativen Charakters wegen des vorrangigen Persönlichkeitsschutzes nicht zu beantworten. 5 Hiergegen wendet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. September 2018 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 12. November 2015 teilweise zu ändern und die Klage, soweit sie noch anhängig ist, abzuweisen. 6 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. 7 Ferner beantragt er im Wege der Anschlussrevision, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. September 2018 teilweise zu ändern und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, soweit es um die Auskunft zu den Fragen 3, 4 Satz 1 und 2 Halbs. 1 und Frage 6 geht und soweit das Verfahren nicht eingestellt wurde. 8 Die Beklagte beantragt, die Anschlussrevision des Klägers zurückzuweisen. II 9 Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit sie die Auskunft auf Frage 9 Satz 1 betrifft. Insoweit verletzt das Berufungsurteil Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO); die Urteile der Vorinstanzen sind insoweit aufzuheben und die Klage des Klägers ist auch insoweit abzuweisen. Im Übrigen ist die Revision der Beklagten unbegründet. Die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet. 10 Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Auskunftsanspruch seine Rechtsgrundlage im Personalaktenrecht findet (1.). Bei der Prüfung des Auskunftsanspruchs legt das Oberverwaltungsgericht zwar entscheidungstragend ein bundesrechtswidriges Verständnis des § 16 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) in der Fassung des Art. 12b des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes (DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) zu Grunde (2.). Die Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), soweit sie die zuerkannten Auskünfte auf die Frage 4 Satz 2 Halbs. 2, Satz 3 und 4 sowie auf die Frage 7 Satz 1, Fragen 8 und 9 Satz 2 betrifft (3.). Für die beantragte Auskunft auf Frage 9 Satz 1 gilt dies nicht (4.). Weitergehende Ansprüche bestehen nicht (5.). 11 1. Anspruchsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachten Auskünfte ist § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) in der im Fall der Leistungsklage maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gültigen Fassung des Art. 11 Nr. 2 des Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU - 2. DSAnpUG-EU) vom 20. November 2019 (BGBl. S. 1626). Änderungen der Rechtslage im Revisionsverfahren, die sich nach Erlass des Berufungsurteils ergeben haben, sind für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beachtlich, wenn das Berufungsgericht, entschiede es nunmehr anstelle des Bundesverwaltungsgerichts, die Rechtsänderung zu beachten hätte (BVerwG, Urteile vom 1. November 2005 - 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.> und vom 23. Oktober 2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367 Rn. 40). Müsste das Berufungsgericht nunmehr entscheiden, hätte es seinem Urteil die jetzt geltende Regelung des § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG zugrunde zu legen. Hiergegen bestehen im Hinblick auf das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot keine Bedenken. § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG wurde gegenüber der zuvor (im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts) geltenden Regelung des § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG sprachlich, aber nicht inhaltlich neu gefasst. 12 Nach § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG kann ein Dritter eine Auskunft ohne Einwilligung des Beamten nur verlangen, wenn die Auskunftserteilung für den Schutz berechtigter, höherrangiger Interessen zwingend erforderlich ist. Die Norm des beamtenrechtlichen Personalaktenrechts enthält nicht lediglich eine an die aktenführende Behörde gerichtete Ermächtigungsgrundlage zur Erteilung von Auskünften an Dritte unter Änderung der auf die Zwecke der Personalverwaltung und Personalwirtschaft gerichteten Bestimmung der Akten (§ 106 Abs. 3 BBG), sondern ist vielmehr Anspruchsgrundlage für den Dritten, die diesem ein Recht auf Auskunft vermittelt (BVerwG, Urteile vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 19 und vom 28. Februar 2019 - 7 C 20.17 - BVerwGE 165, 1 Rn. 16). Der als Jedermannsrecht normierte Auskunftsanspruch ist geeignet, die informationsrechtliche Stellung der Presse auszugestalten. Denn die Vorschrift verweist auf eine umfassende Interessenabwägung, in die dann je nach ihrer Art unterschiedlich zu gewichtende Anliegen und folglich auch das besonders hohe Informationsinteresse der Presse einfließen kann. In dieser Situation ist für einen verfassungsunmittelbaren Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG kein Raum (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 63 ff.). 13 2. Bei der Anwendung des § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG (seinerzeit: Abs. 3 Satz 1 a.F.) hat das Berufungsgericht revisibles Recht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht ist bei der Prüfung des Anspruchs und der dabei vorzunehmenden Interessenabwägung von einem bundesrechtswidrigen Verständnis des § 16 BDG ausgegangen. Die Annahme, aus dem in erster Linie im Innenverhältnis des Beamten zum Dienstherrn bestehenden Verwertungsverbots und der Pflicht zur Vernichtung der Akten gemäß § 16 Abs. 1 und 3 BDG folge ""unmittelbar nichts"" für den geltend gemachten Auskunftsanspruch, verstößt ebenso gegen Bundesrecht wie die Annahme, der Schutzzweck dieser Bestimmungen bestehe nur darin, eine Reaktivierung der Erinnerung des Dienstherrn an das Disziplinarverfahren zu vermeiden. Damit hat das Oberverwaltungsgericht den Schutzgehalt und damit das in die Interessenabwägung gemäß § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG einzustellende Gewicht des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht zutreffend erfasst. Die im Normzweck des § 16 Abs. 1 und 3 BDG zum Ausdruck kommende Wertung zugunsten dieses Grundrechts ist ein bedeutender Abwägungsfaktor, der in die Abwägung der Interessen einzustellen ist. 14 a) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) schützt die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <41 f.>; vgl. auch Kammerbeschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. - BVerfGE 103, 21 <32 f.>). Dies umfasst nicht nur elektronisch speicherbare, sondern sämtliche personenbezogenen Daten (BVerfG, Beschluss vom 9. März 1988 - 1 BvL 49/86 - BVerfGE 78, 77 <84>). Dabei ist grundsätzlich gleichgültig, wo die Information gewonnen wurde oder welchen Inhalt sie hat; das Schutzbedürfnis ergibt sich vor allem aus der Möglichkeit, das Erscheinungsbild eines Menschen in einer bestimmten Situation von diesem abzulösen, datenmäßig zu fixieren - zu ""verdinglichen"" - und jederzeit vor einem unüberschaubaren Personenkreis zu reproduzieren, dabei auch zu verändern oder zu manipulieren (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 - BVerfGE 101, 361 <381>; Beschluss vom 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 u.a. - BVerfGE 106, 28 <39 f.>). Damit hat das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Verhältnis zu den sonstigen Gewährleistungsbereichen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen eigenen Gehalt; es stellt eine eigene Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16.13 - BVerfGE 152, 152 Rn. 83 <""Recht auf Vergessen I"">). 15 Das Recht auf ""informationelle Selbstbestimmung"" ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne hat nicht ein Recht im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft über ""seine"" Daten; er ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit. Information, auch soweit sie personenbezogen ist, stellt ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Das Grundgesetz hat die Spannung Individuum - Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden. Grundsätzlich muss daher der Einzelne Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <43 f.> m.w.N.). Dies gilt insbesondere für Daten des Einzelnen, die sein soziales Verhalten betreffen und insoweit seiner ausschließlichen Verfügungsmöglichkeit entzogen sind, etwa bei strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen, die auch Belange der Allgemeinheit berühren (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1990 - 1 C 29.86 - Buchholz 402.41 Allg. Polizeirecht Nr. 46 S. 8 und vom 11. Dezember 1996 - 1 D 56.95 - BVerwGE 113, 44 <44 f.>). 16 Träger des Grundrechts in allen genannten Aspekten sind auch Amtsträger, und zwar nicht nur bei Informationen mit privatem, sondern auch bei solchen mit amtsbezogenem Inhalt. Die Folgen einer solchen beliebigen Darstellung hinsichtlich des Erscheinungsbildes ""im Amt"" treffen den Einzelnen nicht nur in seinem Amt, sondern regelmäßig zugleich in seiner persönlichen und privaten Existenz (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2004 - 3 C 41.03 - BVerwGE 121, 115 <125 f.>). 17 b) Ausgehend von diesen allgemeinen Grundsätzen ist bei der Beurteilung von presserechtlichen Auskunftsansprüchen der vorliegenden Art u.a. auch die Zeit ein bedeutsamer Gesichtspunkt für die Bestimmung des Schutzgehalts des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt es der verfassungsrechtliche Schutz der Persönlichkeit nicht zu, dass die Medien sich über die aktuelle Berichterstattung hinaus zeitlich unbeschränkt mit der davon betroffenen Person befassen. Das Interesse an der öffentlichen Berichterstattung über eine Person verändert sich mit dem zunehmenden zeitlichen Abstand zu dem die Berichterstattung auslösenden Ereignis. Das Recht des Betroffenen, ""allein gelassen zu werden"", gewinnt im Laufe der Zeit zunehmend an Bedeutung und setzt dem Informationsinteresse Grenzen. Die zeitliche Grenze zwischen der grundsätzlich zulässigen aktuellen Berichterstattung und einer unzulässigen späteren Darstellung oder Erörterung lässt sich dabei nicht allgemein, jedenfalls nicht mit einer nach Monaten und Jahren für alle Fälle fest umrissenen Frist fixieren. Das entscheidende Kriterium liegt darin, ob die betreffende Berichterstattung gegenüber der aktuellen Information eine erhebliche neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Betroffenen zu bewirken geeignet ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Juni 1973 - 1 BvR 536/72 - BVerfGE 35, 202 <233 f.>; Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - BVerfGE 152, 152 Rn. 98). 18 Es ist nicht möglich, den sich durch Zeitablauf verdichtenden Schutzanspruch nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG unter schematischer Übernahme anderweitig geregelter Verwendungs-, Veröffentlichungs- oder Löschungspflichten zu bestimmen. Solche an den Zeitablauf anknüpfenden einfachrechtlichen Regelungen folgen je eigenen Zwecken und können den von Verfassungs wegen gebotenen Ausgleich zwischen den sich gegenüberstehenden Grundrechten nicht leisten. Sie können allerdings im Einzelfall als Orientierungshilfe herangezogen werden, was die eigenständige grundrechtliche Abwägung jedoch nicht ersetzt (BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16.13 - BVerfGE 152, 152 Rn. 126). 19 c) Im Fall presserechtlicher Auskunfts- und Unterlassungsansprüche hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung für das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) angenommen, dass es kein einschränkungsloses Verbot begründet, Informationen über eine getilgte Vorstrafe zu verbreiten; vielmehr ist die im Normzweck des § 51 Abs. 1 BZRG zum Ausdruck kommende Wertung zugunsten des Persönlichkeitsrechts als ein bedeutsamer Abwägungsfaktor in die Güter - und Interessenabwägung einzustellen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 25. Februar 1993 - 1 BvR 172/93 - NJW 1993, 1463 <1464>, vom 24. Januar 2006 - 1 BvR 2602/05 - BVerfGK 7, 217 <219> und vom 12. März 2007 - 1 BvR 1252/02 - BVerfGK 10, 383 <387>; Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - BVerfGE 152, 152 Rn. 126). Dabei ist verfassungsrechtlich nicht gefordert, die Offenlegung einer getilgten Vorstrafe nur dann als zulässig anzusehen, wenn eine konkrete Gefährdung anderer Rechtsgüter oder öffentlicher Interessen droht. Umgekehrt gebietet das Grundrecht auf Pressefreiheit aber auch nicht, dass das Recht, ""mit seiner Straftat allein gelassen zu werden"", immer dann zurückzutreten hat, wenn ein neuer aktueller Anlass gegeben ist, der einen Bezug zu einer vor vielen Jahren begangenen Straftat aufweist. Vielmehr ist in den Fällen, in denen ein neuer aktueller Anlass für die Berichterstattung über eine im Bundeszentralregister getilgte Straftat gegeben ist, eine Güter- und Interessenabwägung zwischen der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Berichterstattungsfreiheit der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen unter umfassender Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. Februar 1993 - 1 BvR 172/93 - NJW 1993, 1463 <1464>). 20 d) Diese Wertung ist auf das disziplinarrechtliche Verwertungsverbot und die damit verbundene Pflicht des Dienstherrn zur Entfernung und Vernichtung des Disziplinarvorgangs nach § 16 Abs. 1 und 3 BDG zu übertragen. 21 § 16 Abs. 1 Satz 1 BDG bestimmt, dass der Verweis nach zwei Jahren, eine Geldbuße, eine Kürzung der Dienstbezüge und eine Kürzung des Ruhegehalts nach drei Jahren sowie eine Zurückstufung nach sieben Jahren bei weiteren Disziplinarmaßnahmen und bei sonstigen Personalmaßnahmen nicht mehr berücksichtigt werden dürfen (Verwertungsverbot). Der Beamte gilt gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 BDG nach dem Eintritt des Verwertungsverbots als von der Disziplinarmaßnahme nicht betroffen (Unbescholtenheitsklausel). Liegen die Voraussetzungen des Verwertungsverbots nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BDG vor (Tilgungsreife), sind gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 BDG von Amts wegen alle Eintragungen in der Personalakte über die Disziplinarmaßnahme zu entfernen und zu vernichten (Tilgungsgebot). Davon ausgenommen sind das Rubrum und die Entscheidungsformel einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung, mit der auf eine Zurückstufung erkannt wurde (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 2, 3 und 6 BDG). Auf Antrag des Beamten unterbleibt die Entfernung oder erfolgt eine gesonderte Aufbewahrung (§ 16 Abs. 3 Satz 4 bis 6 BDG). 22 Die Wirkungen der Tilgungsbestimmungen des § 16 Abs. 1 und 3 BDG sind entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht auf das Innenverhältnis des Beamten zu seinem Dienstherrn beschränkt und deshalb nicht ohne Belang für das Auskunftsersuchen des Dritten gegenüber dem Dienstherrn. Der betroffene Beamte kann sich auch gegenüber dem Rechtsverkehr auf den Eintritt des disziplinarrechtlichen Verwertungsverbots berufen. Dies hat aber nicht zur Folge, dass dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung absoluter Vorrang zukommt und ein abwägungsresistenter Schutzanspruch zu Gunsten des betroffenen Beamten entsteht. Das disziplinarrechtliche Verwertungsverbot und das Tilgungsgebot sind vielmehr als bedeutsame Abwägungsfaktoren auf Seiten des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des betroffenen Beamten in die nach § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG vorzunehmende Interessenabwägung einzustellen. 23 Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass das Strafrecht und das Disziplinarrecht unterschiedliche Zwecke verfolgen (BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 34; Beschlüsse vom 1. März 2012 - 2 B 120.11 - IÖD 2012, 127 <129> und vom 21. Juni 2017 - 2 B 50.16 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 44 Rn. 11). Entscheidend ist, dass die in den jeweiligen Verfahren vorgesehenen Tilgungsbestimmungen in ihrer Zweckrichtung vergleichbar sind. 24 Das Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG bestimmt, dass die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen. Zweck des Verwertungsverbots ist es, den verurteilten Straftäter nach einer gewissen Zeit vom Makel der Bestrafung zu befreien, um seine Resozialisierung zu erleichtern (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1973 - 1 D 62.73 - BVerwGE 46, 205 <206>). Das Verwertungsverbot und das Tilgungsgebot des § 16 BDG verfolgen den vergleichbaren Zweck, den Beamten vom Makel eines vergangenen Fehlverhaltens (dem Dienstvergehen) zu befreien, den Makel ""aus der Welt zu schaffen"". Sie sollen als materiell-rechtliche Schutzmaßnahmen zugunsten des Beamten verhindern, dass sich ein geahndetes Dienstvergehen ohne zeitliche Begrenzung zum Nachteil des Beamten auswirken kann. 25 Dieser Zweck beruht auf der Überlegung, dass nach einem angemessen langen pflichtgemäßen Verhalten des Beamten der Erziehungszweck der vorausgegangenen Maßnahme als erreicht und das Vertrauen in seine Integrität als wiederhergestellt gelten kann. Die verhängte Disziplinarmaßnahme darf nach Ablauf der bestimmten Frist weder bei weiteren Disziplinarmaßnahmen noch bei Personalmaßnahmen Berücksichtigung finden (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1984 - 1 D 113.83 - BVerwGE 76, 237 <241 f.>; Urban/Wittkowski, BDG, 2. Aufl. 2017, § 16 Rn. 2). Die über die Disziplinarmaßnahme entstandenen Aktenvorgänge müssen gemäß § 16 Abs. 3 BDG von Amts wegen aus den Personalakten entfernt und vernichtet werden. Die Entfernung und Vernichtung der Disziplinarvorgänge hat der Gesetzgeber auch im Interesse des Dienstvorgesetzten für geboten gehalten, um diesem den möglichen Vorwurf zu ersparen, er verwende disziplinare Vorgänge nach deren Tilgung weiter zum Nachteil des Beamten (vgl. BT-Drs. V/1693 S. 9 zu § 103a BDO-Entwurf, der später als Vorgängernorm des § 16 BDG in § 119 Abs. 1 Satz 2 BDO 1967 Gesetz wurde). Der Beamte kann sich mit Eintritt der Tilgungsreife der Disziplinarmaßnahme gegenüber dem Dienstherrn und auch gegenüber dem Rechtsverkehr als nicht gemaßregelt bezeichnen (BVerwG, Beschluss vom 11. März 1987 - 1 DB 6.87 - DokBer B 1987, 152); er gilt als unbescholten, wie deklaratorisch in § 16 Abs. 1 Satz 2 BDG - vormals in § 119 Abs. 4 BDO (vgl. BT-Drs. V/1693 S. 9) - festgehalten wird. 26 3. Das Berufungsgericht hat das disziplinarrechtliche Verwertungsverbot und die Pflicht zur Entfernung und Vernichtung des Disziplinarvorgangs nach § 16 Abs. 1 und 3 BDG nicht als relevanten Abwägungsfaktor erwogen. Die Entscheidung stellt sich trotz dieses Abwägungsmangels aber im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), soweit sie die Auskünfte auf die Frage 4 Satz 2 Halbs. 2, Satz 3 und 4 sowie auf die Frage 7 Satz 1, Fragen 8 und 9 Satz 2 betrifft. Die Klage ist insoweit zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Auskunft auf diese Fragen gemäß § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG. Die danach gebotene Interessenabwägung fällt auch unter Berücksichtigung des Normzwecks des § 16 Abs. 1 und 3 BDG zu Gunsten des pressespezifischen Informationsinteresses aus. Das in diesem Fall eröffnete Ermessen hat sich zu einem Anspruch auf Auskunft verdichtet. 27 a) Bei den vom Kläger begehrten Auskünften handelt es sich um Auskünfte aus Personalakten, deren Erteilung tatsächlich nicht unmöglich geworden ist. 28 aa) Ob ein Vorgang Personalakten enthält, richtet sich allein nach dem unmittelbaren inneren Zusammenhang des Vorgangs mit dem konkreten Beamtenverhältnis (materieller Personalaktenbegriff); der Art der Aufbewahrung (formeller Personalaktenbegriff) kommt keine rechtliche Bedeutung zu (BVerwG, Urteile vom 2. April 1981 - 2 C 34.79 - BVerwGE 62, 135 <137> und vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 16; Beschluss vom 4. April 1990 - 2 B 38.90 - Buchholz 237.1 Art. 100 BayLBG Nr. 1 S. 1). 29 Die Disziplinarakte des Beamten mit dem Tarnnamen ""Lothar Lingen"" erfüllt die Voraussetzungen des materiellen Personalaktenbegriffs. Solange das Disziplinarverfahren in Gang ist, wird die Disziplinarakte formell gesondert geführt und Akteneinsicht auf der Grundlage der Disziplinargesetze gewährt. Nach Abschluss des Disziplinarverfahrens ist die Disziplinarakte zur Personalakte zu nehmen, d.h. alle aus Anlass der disziplinarischen Ermittlungen angefallenen Unterlagen. Hierzu gehören auch Unterlagen, die aufgrund von informellen Ermittlungen vor Einleitung eines behördlichen Disziplinarverfahrens gemäß §§ 17 ff. BDG entstanden sind (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 1980 - 2 C 5.78 - BVerwGE 59, 355 <359>; Beschluss vom 8. Mai 2006 - 1 DB 1.06 - Buchholz 232 § 90c BBG Nr. 1 S. 2 m.w.N.; vgl. auch BT-Drs. 12/544 S. 16 f.). Selbst wenn sich Ermittlungsvorgänge im Original oder in Kopie entgegen der gesetzlichen Zweckbestimmung (§ 106 Abs. 1 Satz 4 BBG) unzulässigerweise (auch) in Sachakten des Dienstherrn befänden, wofür hier im Übrigen kein Anhalt besteht, würde es sich weiterhin um Personalaktendaten im materiellen Sinn handeln, die der Regelung des § 111 Abs. 2 BBG unterfielen. Auch in diesem Fall wäre entgegen der Annahme des Klägers kein Raum für einen auf Sachakten bezogenen Auskunftsanspruch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. 30 bb) Die Erteilung der Auskunft aus der Disziplinarakte des Beamten mit dem Tarnnamen ""Lothar Lingen"" ist tatsächlich noch möglich. 31 Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) hat die Beklagte die Disziplinarakte nach Ablauf der Tilgungsfrist des § 16 Abs. 1 BDG nicht gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 BDG vernichtet, sondern mit Rücksicht auf das Klageverfahren versiegelt an das Bundesministerium für Inneres, für Bau und Heimat übersandt. Damit hat die Beklagte der Kollision ihr obliegender widerstreitender Rechtspflichten angemessen Rechnung getragen. Die während eines Verwaltungs- oder Klageverfahrens mit dem Ablauf der Tilgungsfrist entstehende Pflicht des Dienstherrn gemäß § 16 Abs. 3 BDG, die Disziplinarakte von Amts wegen zu vernichten, tritt mit seiner Pflicht, die von einem Dritten geltend gemachte Auskunft nach § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG gegebenenfalls erteilen zu müssen, in Konflikt. Das einfachrechtliche Verwertungsverbot und das Tilgungsgebot genießen - wie ausgeführt - keinen absoluten Vorrang. Die Kollision der widerstreitenden Rechtspflichten des Dienstherrn ist deshalb auf der materiellen Ebene angemessen auszugleichen. Der Ausgleich kann in Konstellationen wie der vorliegenden nur dadurch hergestellt werden, dass der Disziplinarvorgang bis zur bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über das Auskunftsersuchen in eine gesonderte Aufbewahrung genommen wird. Die Disziplinarakte ist im Hinblick auf die eingetretene Pflicht zur Vernichtung der Personalaktendaten nach § 16 Abs. 3 BDG unter Verschluss zu nehmen (etwa durch eine Versiegelung), um die Einsicht oder die Verwendung zu einem anderen Zweck als dem zu verhindern, das streitbefangene Auskunftsbegehren nach § 111 Abs. 2 BBG erfüllen zu müssen. Nach bestandskräftigem Abschluss des Verwaltungsverfahrens oder Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über das Auskunftsbegehren ist die verwahrte Disziplinarakte gemäß § 16 Abs. 3 BDG umgehend vom Dienstherrn zu vernichten und der Beamte entsprechend zu unterrichten (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 5 BDG). Nur diese Verfahrensweise sichert den Rechtsschutz des Auskunftsberechtigten hinreichend. Ihn im Fall des drohenden Ablaufs der Tilgungsfristen während des Verwaltungs- oder Klageverfahrens auf den einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO zu verweisen, wäre nicht gleichermaßen geeignet, wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) zu gewährleisten. 32 b) Bei der nach § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Überwindung der gesetzlich normierten Vertraulichkeit der Personalaktendaten insbesondere zur Wahrung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nur im Ausnahmefall zugelassen hat. Er hat im Spannungsverhältnis zwischen dem Informationsinteresse des Dritten und dem Vertraulichkeitsinteresse des Beamten dem Personalaktendatenschutz einen relativen Vorrang eingeräumt; das Informationsinteresse muss überwiegen (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 66). 33 Neben dem vorrangig bezweckten Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des betroffenen Beamten (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) mit dem dargestellten Gewährleistungsgehalt (s.o. Rn. 13 ff.) ist auf Seiten der Beklagten auch das öffentliche Interesse an der Vertraulichkeit von Disziplinarverfahren bei der Abwägung zu bedenken. Die Vertraulichkeit des Disziplinarverfahrens dient nicht vorrangig dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Beamten, sondern soll die Funktionsfähigkeit des Disziplinarverfahrens gewährleisten. Zweck des Disziplinarverfahrens ist es, das Vertrauen in die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der Beamten und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sicherzustellen (BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 2017 - 2 B 50.16 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 44 Rn. 11). Dabei ist bei der Gewichtung des öffentlichen Interesses an der Vertraulichkeit des Disziplinarverfahrens die Entscheidung des Gesetzgebers zu beachten, dass er im Bundesdisziplinargesetz für das gerichtliche Disziplinarverfahren in Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses nach früherem Recht (§ 73 BDO) den Grundsatz der Öffentlichkeit vorgeschrieben hat (§ 60 Abs. 1 BDG). Diese gesetzgeberische Wertung ist unabhängig davon zu berücksichtigen, ob es zu einem gerichtlichen Verfahren kommt oder die Disziplinarmaßnahme bestandskräftig im behördlichen Disziplinarverfahren verhängt wird. 34 Demgegenüber kann sich der Kläger auf den Schutz der Pressefreiheit als berechtigtes Interesse im Sinne des § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG berufen. Das Oberverwaltungsgericht hat den Gewährleistungsgehalt der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zutreffend erfasst. 35 Die Pressefreiheit umfasst nicht nur ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern garantiert darüber hinaus in ihrem objektiv-rechtlichen Gehalt die institutionelle Eigenständigkeit der Presse. Der Gesetzgeber ist hieraus in der Pflicht, die Rechtsordnung in einer Weise zu gestalten, die der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung der Presse gerecht wird und ihr eine funktionsgemäße Betätigung ermöglicht. Hierzu zählt auch die Schaffung von behördlichen Auskunftspflichten (BVerfG, Urteil vom 5. August 1966 - 1 BvR 586/62 u.a. - BVerfGE 20, 162 <175 f.>; BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 1984 - 7 C 139.81 - BVerwGE 70, 310 <311, 314> und vom 27. November 2013 - 6 A 5.13 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 3 Rn. 22). 36 Eine effektive funktionsgemäße Betätigung der Presse setzt voraus, dass ihre Vertreter in hinreichendem Maß von staatlichen Stellen Auskunft über Angelegenheiten erhalten, die nach ihrem Dafürhalten von öffentlichem Interesse sind. Mit der hohen Bedeutung der Presse für die öffentliche Meinungsbildung in der Demokratie wäre es nicht vereinbar, insoweit eine restriktive Betrachtungsweise an den Tag zu legen. Der Gesetzgeber ist zwar unter besonderen Umständen berechtigt, einzelne behördliche Funktionsbereiche von Auskunftspflichten auszunehmen (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27). Aber er ist nicht berechtigt, ganze Verwaltungsbereiche freizustellen. Dem verfassungsrechtlich anerkannten Vermittlungs- und Kontrollauftrag der Presse ist nur dann in genügender Weise Rechnung getragen, wenn - von einzelnen behördlichen Funktionsbereichen besonderen Charakters abgesehen - Ausschlussgründe einen punktuellen Zuschnitt aufweisen, mit dem der Gesetzgeber konkret umrissenen gegenläufigen Schutzgütern Rechnung trägt, und zwar beschränkt auf das Maß, in dem bei materieller Betrachtung tatsächlich ein Schutzbedarf erkennbar ist. Der Presse müssen zudem trotz der Ausschlussgründe wirksame Informations- und Recherchemöglichkeiten hinsichtlich des betroffenen Verwaltungsbereichs verbleiben. Wäre die Konsequenz eines bestimmten Ausschlussgrundes oder des Zusammenspiels mehrerer von ihnen, dass die Presse sich über die staatliche Betätigung in einem bestimmten Verwaltungsbereich kein aussagekräftiges Urteil mehr bilden könnte, wäre ihr eine effektive funktionsgemäße Betätigung verwehrt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - BVerwGE 151, 348 Rn. 30). 37 Der Gewährleistungsgehalt des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist bei der Auslegung von § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG auch insoweit von Bedeutung, als die Norm verlangt, dass die begehrte Auskunft für den Schutz berechtigter, höherrangiger Interessen des Dritten ""zwingend erforderlich"" ist. Das Merkmal ""zwingend erforderlich"" ist nicht dahin zu verstehen, dass die Auskunftserteilung von einer Inhaltsbewertung des Informationsanliegens abhängt. Eine journalistische Relevanzprüfung ist mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Presse nicht vereinbar. Das Gebot staatlicher Inhaltsneutralität gilt nicht nur für das Stadium der Publikation, sondern auch für das vorgelagerte Stadium der Recherche. Die Presse muss nach ihren publizistischen Kriterien selbst entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 - BVerfGE 101, 361 <389>; Kammerbeschluss vom 28. August 2000 - 1 BvR 1307/91 - NJW 2001, 503 <505>). Es ist Sache der Presse, selbst zu beurteilen, welche Informationen sie für erforderlich hält, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer Berichterstattung im Recherchewege aufzubereiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 2014 - 6 C 35.13 - Buchholz 11 Art. 5 Abs. 1 GG Nr. 3 Rn. 41). Allerdings ist bei der Gewichtung des Informationsinteresses der Presse zu berücksichtigen, dass es vermindert sein kann, wenn die begehrte Information bereits aus anderen öffentlich zugänglichen Informationsquellen anderweitig verfügbar ist. In einem solchen Fall kann das Informationsinteresse die begehrte Auskunftserteilung angesichts der entgegenstehenden Vertraulichkeitsinteressen nicht zwingend erfordern (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 41). 38 c) Bei der nach Maßgabe dieser allgemeinen Grundsätze vorzunehmenden Abwägung zwischen dem pressespezifischen Informationsinteresse des Klägers einerseits und den von der Beklagten zu wahrenden Vertraulichkeitsinteressen andererseits kommt im Streitfall keine andere Entscheidung in Betracht, als die Auskünfte auf Frage 4 Satz 2 Halbs. 2, Satz 3 und 4 sowie auf die Frage 7 Satz 1, Fragen 8 und 9 Satz 2 zu erteilen. 39 Dem pressespezifischen Informationsinteresse des Klägers ist angesichts der hohen Bedeutung der Aufarbeitung der Verbrechen des NSU für das Gemeinwesen ein derart überragend großes Gewicht beizumessen, dass auch unter Berücksichtigung des zugunsten des persönlichen Vertraulichkeitsinteresses streitenden Verwertungsverbots und der daraus folgenden Pflicht zur Vernichtung der Disziplinarakte nach § 16 Abs. 1 und 3 BDG eine andere Entscheidung als die Auskunftserteilung ausgeschlossen ist. 40 aa) Zugunsten der Pressefreiheit fällt ganz maßgebend ins Gewicht, dass im Fokus des Auskunftsverlangens nicht die Person des betroffenen Beamten mit dem Tarnnamen ""Lothar Lingen"" steht, sondern das im öffentlichen Interesse liegende Handeln staatlicher Stellen bei der Aufklärung der Verbrechen des NSU. Diese Zielrichtung seines Anliegens hat der Kläger in der mündlichen Revisionsverhandlung erneut bekräftigt. Er beruft sich damit auf die besondere verfassungsrechtliche Bedeutung der Pressefreiheit. Das Informationsinteresse gilt dem legitimen demokratischen Bedürfnis nach Kontrolle der für die Sicherheit und Ordnung zuständigen Behörden. Hier wird bedeutsam, dass das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 u.a. - BVerfGE 93, 266 <293>). Dieser Schutzgehalt strahlt auch auf die Beurteilung einer Information ein, die zwar eine Person betrifft, sich aber mittelbar auf das Verhalten staatlicher Stellen bezieht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. März 2007 - 1 BvR 1252/02 - BVerfGK 10, 383 <387>). Weiter ist von Gewicht, dass das geltend gemachte Informationsinteresse trotz des verstrichenen Zeitraums seit den Taten des NSU nach wie vor aktuell ist. Die Aufarbeitung der Verbrechen des NSU hat eine hohe Bedeutung für die Allgemeinheit, die fortdauert und nicht an Aktualität verloren hat. Das fortdauernde Informationsinteresse liegt gerade in der Art und Schwere der Verbrechen und der damit im Zusammenhang stehenden legitimen Fragen nach einem behördlichen Versagen und seiner Aufklärung. Diese Fragen sind auch durch nachfolgende Begebenheiten Gegenstand aktueller Berichterstattung, so z.B. im Zusammenhang mit den von Polizeibeamten verfassten Morddrohungen unter der Bezeichnung ""NSU 2.0"". 41 bb) Demgegenüber muss das Recht des betroffenen Beamten auf informationelle Selbstbestimmung, dem - wie dargelegt (s.o. Rn. 13 ff.) - ein besonderes Gewicht zukommt, auch unter Beachtung des zu seinen Gunsten streitenden Normzwecks des § 16 BDG als nachrangig zurücktreten. 42 Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nach dem Inhalt der begehrten Auskünfte auf Frage 4 Satz 2 Halbs. 2, Satz 3 und 4 sowie auf die Frage 7 Satz 1, Fragen 8 und 9 Satz 2 nicht sehr intensiv. Bei den Fragen handelt es sich um geschlossene Fragen, die mit ""ja"" oder ""nein"" oder mit wenigen Worten sachlich, ohne besonders starken Persönlichkeitsbezug beantwortet werden können. Keine andere Beurteilung ergibt sich daraus, dass nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) dem Kläger die Identität des Beamten ""Lothar Lingen"" bekannt ist. Es ist davon auszugehen, dass sich die Presse ihrer Verantwortung bewusst ist und insbesondere die Grundsätze des Pressekodex und die dazu ergangenen Richtlinien beachtet. Die Medien haben insoweit gesteigerte Sorgfaltspflichten. Die Verantwortung für die Beachtung dieser Pflichten liegt dabei grundsätzlich bei den Medien selbst. Diese Sorgfaltspflichten können nicht schon generell zum Maßstab für das Zugänglichmachen der Informationen gemacht werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. September 2015 - 1 BvR 857/15 - NJW 2015, 3708 Rn. 22). Im Übrigen besteht keine Veranlassung für die Annahme einer identifizierenden Berichterstattung. Der Kläger hat erklärt, sich an den vom Deutschen Presserat aufgestellten Pressekodex zu halten und von einer solchen identifizierenden Berichterstattung in jedem Fall Abstand zu nehmen. Wie ausgeführt, hat er in der mündlichen Revisionsverhandlung bekräftigt, dass es ihm nicht um die Person des Beamten geht, sondern um die Frage des Verhaltens der Beklagten bei der Aufarbeitung der Verbrechen des NSU, was ihr Vorgehen im Disziplinarverfahren einschließt. Es besteht kein Anlass, daran zu zweifeln. 43 Weiter ist zu berücksichtigen, dass das Vertraulichkeitsinteresse des betroffenen Beamten grundsätzlich ein größeres Gewicht gewinnt, wenn die gegen ihn verhängte Disziplinarmaßnahme nach § 16 Abs. 1 BDG nicht mehr verwertet werden darf und der Dienstherr verpflichtet ist, die Disziplinarakte gemäß § 16 Abs. 3 BDG zu vernichten. Der Eintritt des Verwertungsverbots und des Tilgungsgebots verstärken das Gewicht hier allerdings nicht in einem solchen Maße, dass es das Gewicht des herausragenden Informationsinteresses der Öffentlichkeit in erheblicher Weise mindert. Im vorliegenden Fall ist eine ganz besondere Ausnahmesituation gegeben. Es geht um die im gesamtgesellschaftlichen Interesse liegende Aufarbeitung schwerwiegender Verbrechen mit fortwährender Aktualität, deren Aufdeckung im Zeitpunkt des Auskunftsersuchens des Klägers im Juni 2014 erst etwas mehr als zweieinhalb Jahre zurücklag. Im Zeitpunkt des Auskunftsersuchens war die gegen den Beamten mit dem Tarnnamen ""Lothar Lingen"" verhängte Disziplinarmaßnahme nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) auch noch nicht getilgt. In dieser Situation und unter Berücksichtigung der geringen Eingriffsintensität der verlangten Auskünfte ist das Recht des Beamten, mit dem Ablauf der Tilgungsfrist mit seinem Dienstvergehen ""allein gelassen zu werden"", gegenüber dem in besonderem Maße gesteigerten Informationsinteresse der Presse geringer zu gewichten und muss zurücktreten. Andernfalls könnte die Presse ihre Kontrollfunktion nicht erfüllen, die ihr auch und gerade hinsichtlich des Handelns staatlicher Stellen obliegt und in der repräsentativen Demokratie unerlässlich ist. 44 Mit den begehrten Auskünften auf die Frage 4 Satz 2 Halbs. 2, Satz 3 und 4 sowie auf die Frage 7 Satz 1, Fragen 8 und 9 Satz 2 ist kein Eingriff in weitere Gewährleistungsbereiche des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verbunden. Es ist nicht erkennbar, dass in der Freigabe dieser Personalaktendaten und der damit eröffneten Möglichkeit einer Berichterstattung überdies ein Eingriff in die Privatsphäre des betroffenen Beamten liegt. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung umfasst auch den Schutz gegen jede weitere Verwendung personenbezogener Daten, zumal in anderen Verwendungszusammenhängen (vgl. BVerfG, Urteile vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <43> und vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11, 15/83 - BVerfGE 67, 100 <143>; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2004 - 3 C 41.03 - BVerwGE 121, 115 <126>). 45 Schließlich wird das öffentliche Interesse an der Vertraulichkeit von Disziplinarverfahren durch die beantragten Auskünfte nicht in relevanter Weise berührt. Es handelt sich nicht um besonders sensible Informationen zu einem Disziplinarverfahren. Konkrete wesentliche Inhalte des Disziplinarverfahrens werden nicht erfragt. Das Interesse gewinnt auch nicht dadurch an Gewicht, dass es nicht zu einem öffentlichen gerichtlichen Verfahren gekommen ist, sondern die Disziplinarmaßnahme bestandskräftig im behördlichen Disziplinarverfahren verhängt wurde. Eine solche Annahme liefe der Funktion der Presse gerade zuwider, wenn die erfragte Information - wie hier - dem legitimen demokratischen Bedürfnis nach Kontrolle der für Sicherheit zuständigen Behörden dienen soll. 46 cc) Im Einzelnen gilt ergänzend Folgendes: 47 (1) Die vom Kläger beantragte Auskunft auf Frage 4 Satz 2 Halbs. 2, Satz 3 und 4 nach der Dauer der Aufklärungsbemühungen im Disziplinarverfahren, der Anzahl der befragten Personen und der Seitenzahl der Ermittlungsakte berührt das persönliche Vertraulichkeitsinteresse des betroffenen Beamten nicht in relevanter Weise. Auf die Frage kann knapp und sachlich geantwortet werden. Auch das öffentliche Interesse an der Vertraulichkeit des Disziplinarverfahrens wird damit nicht in empfindlicher Weise beeinträchtigt. Der Einwand der Revision, der nur indizielle Wert der verlangten Information sei objektiv gering und deshalb nicht ""zwingend erforderlich"" im Sinne des § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG, greift nicht durch. Die inhaltliche Bewertung einer Information entzieht sich - wie ausgeführt - der gerichtlichen Prüfung. Den Gerichten ist es verwehrt, über den Informationswert der verlangten Auskunft mit zu entscheiden und auf diese Weise mittelbar auf den Publikationsinhalt oder den weiteren Rechercheprozess der Presse Einfluss zu nehmen. Der Komplexität und möglichen Zweckfülle von Rechercheprozessen werden staatliche Stellen grundsätzlich nicht gerecht, wenn sie das grundrechtliche Gewicht eines von der Presse geltend gemachten Auskunftsinteresses von einer journalistischen Relevanzprüfung abhängig machen. Sie würden damit auf einen Maßstab zugreifen, den Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht ihnen, sondern der Presse überantwortet (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 2014 - 6 C 35.13 - Buchholz 11 Art. 5 Abs. 1 GG Nr. 3 Rn. 41). 48 Der Kläger kann die begehrte Information auch nicht anderweitig erlangen. Die Disziplinarakte war nicht Gegenstand der NSU-Untersuchungsausschüsse des Bundestages (vgl. BT-Drs. 18/12950 S. 1163). 49 (2) Die vom Kläger beantragte Auskunft auf Frage 7 Satz 1, ob ermittelt wurde, ob der Beamte mit dem Tarnnamen ""Lothar Lingen"" mit den von ihm vernichteten Vorgängen in den Jahren zuvor selbst dienstlich befasst gewesen ist, kann mit ""ja"" oder ""nein"" beantwortet werden. In das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des betroffenen Beamten wird auch durch diese Auskunft nicht in empfindlicher Weise eingegriffen. Die Frage des ""ob"" der dienstlichen Befassung mit den vernichteten Akten ist für sich genommen nicht neu, sondern sie war bereits Gegenstand des sog. ersten NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages (= 2. Untersuchungsausschuss des Bundestages der 17. Wahlperiode, vgl. BT-Drs. 17/14600 S. 773 f.). Damit wurde die Frage des Klägers aber nicht anderweitig beantwortet. Der Abschlussbericht des ersten NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages verhält sich nicht zu dem Auskunftsinteresse des Klägers, das auf das Handeln der Behörde im Disziplinarverfahren gerichtet ist. Er möchte wissen, ob das BfV selbst im Rahmen des Disziplinarverfahrens entsprechende Nachforschungen angestellt hat. Es ist auch nicht erkennbar, dass das öffentliche Interesse an der Vertraulichkeit des Disziplinarverfahrens durch eine Antwort auf diese Frage in erheblicher Weise berührt wird. 50 (3) Gegenstand der beantragten Auskunft auf Frage 8 ist, ob das BfV selbst Ermittlungen zur Mitverantwortlichkeit anderer Personen an der Aktenvernichtung oder ihrem Mitwissen angestellt hat. Diese Frage betrifft - wie vom Berufungsgericht zutreffend ausgeführt - eine zentrale Frage des Geschehens um die Aktenvernichtung und der Frage nach einem Systemversagen bei der Verfolgung und Aufklärung der Straftaten des NSU. Dem Informationsinteresse des Klägers kommt großes Gewicht zu. Demgegenüber wiegen die privaten und öffentlichen Vertraulichkeitsinteressen weniger schwer. Die Frage kann kurz beantwortet werden, ohne Identitäten preiszugeben. Sie ist durch die Abschlussberichte der NSU-Untersuchungsausschüsse des Bundestages nicht bereits beantwortet worden (vgl. BT-Drs. 17/14600 S. 766 ff., 784 f.; BT-Drs. 18/12950 S. 337). Das Auskunftsinteresse des Klägers geht über die darin enthaltenen Informationen hinaus. Es zielt auf das Handeln des BfV im Disziplinarverfahren ab, ob das Bundesamt selbst entsprechende Ermittlungen geführt hat und mit welchen Ergebnissen. 51 (4) Frage 9 Satz 2, wie sie der Kläger selbst nach seiner Erklärung in der mündlichen Revisionsverhandlung hat verstanden wissen wollen und wie sie sich im Kontext zu Frage 9 Satz 1 verstehen lässt, ist auf die Auskunft gerichtet, ob (jedenfalls) außerhalb des BfV stehende Zeugen vernommen worden sind. Die Frage kann kurz mit ""ja"" oder ""nein"" beantwortet werden. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des betroffenen Beamten wird auch durch diese Auskunft nicht in empfindlicher Weise berührt. Es ist auch nicht erkennbar, dass das öffentliche Interesse an der Vertraulichkeit des Disziplinarverfahrens in relevanter Weise beeinträchtigt wird. Es handelt sich um eine allgemeine Auskunft über das ""ob"" eines erhobenen Beweismittels. 52 d) Das in § 111 Abs. 2 Satz 1 BBG eröffnete Ermessen (""dürfen"") ist auf Null reduziert. Andere im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigende, dem Auskunftsanspruch auf Frage 4 Satz 2 Halbs. 2, Satz 3 und 4 sowie auf die Frage 7 Satz 1, Fragen 8 und 9 Satz 2 entgegenstehende Belange (etwa besondere Geheimhaltungsinteressen oder eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung des BfV) sind weder dargetan noch ersichtlich. 53 4. Der Anspruch des Klägers auf Auskunft zu Frage 9 Satz 1 besteht hingegen nicht. Die Frage, inwieweit zur Aufklärung des Fehlverhaltens auch außerhalb des BfV ermittelt wurde, ist nicht hinreichend bestimmt. 54 Nach interessengerechtem Verständnis muss aus der Perspektive des objektiven Empfängerhorizonts klar erkennbar sein, welche Informationen der Antragsteller begehrt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. April 2018 - 6 VR 1.18 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 16 Rn. 9). Aus der Pflicht der Behörde, die Pressetätigkeit ausschließlich durch Offenlegung bestimmter Fakten und Tatsachen aufgrund konkreter Fragen zu unterstützen, folgt eine Begrenzung des Auskunftsrechts der Presse; denn diesem Recht auf Auskunft korrespondiert die Pflicht der Behörde zur Auskunftserteilung. Die Frage darf nicht so allgemein gehalten und ohne Bezug zu einem konkreten Tatsachenkomplex sein, dass zu ihrer Beantwortung eine Sachverhaltserforschung und Untersuchung seitens der Behörde erforderlich wird (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 30). Allerdings finden die an den Auskunftsantrag zu stellenden Anforderungen ihre Grenze dort, wo der Antragsteller nicht in der Lage ist, die begehrte Information zu konkretisieren; der Informationszugang darf nicht unzumutbar erschwert werden. Dabei können die an den Antrag zu stellenden Anforderungen naturgemäß nach der Spezifik der begehrten Information (Presseauskunft, Informationszugang nach dem Umwelt- oder Verbraucherinformationsrecht) und in der konkreten Situation unterschiedlich sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. April 2018 - 6 VR 1.18 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 16 Rn. 9). 55 Davon ausgehend genügt die Frage 9 Satz 1, ""inwieweit"" außerbehördliche Ermittlungen stattgefunden haben, den an ihre Bestimmtheit zu stellenden Anforderungen nicht. Sie ist zu allgemein und zu weit gefasst. Das Fragepronomen ""inwieweit"" lässt keine Antwort mit dem vom Berufungsgericht angenommenen hohen Abstraktionsniveau zu. Nach dem allgemein gebräuchlichen Wortsinn ist darunter ""in welchem Umfang"" oder ""in welchem Maß oder Ausmaß"" zu verstehen. Die Beantwortung der so gestellten Frage macht eine Aktendurchsicht und -recherche nötig, weil sie im Falle von Ermittlungstätigkeiten außerhalb des BfV einen Bericht nach deren Art und Umfang verlangt. Sie käme einer Nachzeichnung des Akteninhalts und damit einer nicht zulässigen Akteneinsicht gleich, die weder einfachrechtlich (§ 111 Abs. 2 Satz 2 BBG) noch verfassungsrechtlich geboten ist. Der Kläger war zu einer weiteren Konkretisierung seines Anliegens in der Lage und ihm war dies auch zumutbar. Er hätte die ihn im Rahmen seiner Recherche interessierenden Ermittlungsmaßnahmen thematisch umreißen können. Dies hätte (ggf. in einem zunächst ersten Schritt) auch in schlagwortartiger Form geschehen können (etwa Beiziehung von Akten, Auskünfte von anderen Behörden). Eine die Anforderungen überspannende Kenntnis von Fachtermini oder vom Gang des behördlichen Disziplinarverfahrens ist dafür nicht erforderlich. 56 5. Die zulässige Anschlussrevision ist unbegründet. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Klage hinsichtlich des Auskunftsantrags zu Frage 3 mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Entscheidung erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Klage ist ebenso wie hinsichtlich der beantragten Auskünfte auf Frage 4 Satz 1, Satz 2 Halbs. 1 und Frage 6 zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keine weitergehenden Auskunftsansprüche. 57 a) Die Klage ist auch hinsichtlich des Auskunftsantrags zu Frage 3 zulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben. Denn es ist zwischen den Beteiligten gerade streitig, ob die beantragte Auskunft bereits in vollem Umfang durch allgemein zugängliche Quellen beantwortet worden ist. Die Klage ist aber auch insoweit unbegründet. Der Kläger hat keinen Auskunftsanspruch. 58 Nach der maßgebenden Sicht des objektiven Empfängerhorizonts ist Gegenstand der Frage, den gegen den Beamten mit dem Tarnnamen ""Lothar Lingen"" erhobenen Disziplinarvorwurf in Erfahrung zu bringen. Nach dem allgemeinen Verständnis benennt der Dienstherr mit dem Begriff des Disziplinarvorwurfs das Fehlverhalten des Beamten, das er zum Anlass nimmt, ein Disziplinarverfahren einzuleiten und disziplinarrechtliche Ermittlungen aufzunehmen. Es handelt sich um den am Anfang des Disziplinarverfahrens stehenden Verdacht in Gestalt eines Formelsatzes. Der Disziplinarvorwurf umfasst nicht die im Laufe oder nach Abschluss der Ermittlungen festgestellten Ergebnisse. Revisionsrechtlich unerheblich sind deshalb die nunmehr in der Begründung der Anschlussrevision formulierten Fragen, wann und wem gegenüber ""Lothar Lingen"" eine Anordnung ausgesprochen hat, hinsichtlich welcher oder wie vieler Akten er die Aktenvernichtung angeordnet hat, wen er wann hätte informieren müssen oder ob im Laufe des Verfahrens weitere Dienstvergehen festgestellt worden sind. 59 Das Auskunftsbegehren unter Frage 3 in dem so zu verstehenden Sinn ist bereits mit den vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Angaben im Bericht des sog. ersten NSU-Untersuchungsausschusses (= 2. Untersuchungsausschuss des Bundestages der 17. Wahlperiode) anderweitig beantwortet worden (vgl. BT-Drs. 17/14600 S. 786). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben des nach § 24 Abs. 3 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG) zur Wahrheit verpflichteten Zeugen F., ehemaliger ... des BfV, zum Disziplinarvorwurf am 5. Juli 2012 vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages nicht richtig oder unvollständig gewesen sein könnten. 60 b) Der Kläger hat weiter keinen Anspruch auf Auskunft auf Frage 4 Satz 1 und Satz 2 Halbs. 1. Die Frage, ""wie genau"" die Aufklärungsbemühungen des BfV aussahen und ""welchen Umfang"" sie hatten, ist ausgehend von den dargestellten Anforderungen (Rn. 54) nicht hinreichend bestimmt formuliert. Die Beantwortung der Frage liefe auf die Erstellung eines Aktenauszugs und damit einer Nachzeichnung des Akteninhalts hinaus, die einer Akteneinsicht gleichkäme, die weder einfachrechtlich (§ 111 Abs. 2 Satz 2 BBG) noch verfassungsrechtlich geboten ist. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es dem Kläger nicht möglich oder zumutbar war, sein Anliegen zu konkretisieren. Wie die Begründung der Anschlussrevision zeigt, hätte er durchaus konkrete Fragen stellen können. Diese nunmehr in der Anschlussrevision formulierten Fragen sind revisionsrechtlich unbeachtlich. 61 c) Ferner hat der Kläger keinen Anspruch auf Auskunft auf Frage 6. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des betroffenen Beamten überwiegt das Informationsinteresse des Klägers. Die Frage hat einen besonders starken Persönlichkeitsbezug und ist geeignet, das Recht des Beamten aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG erheblich zu beeinträchtigen. Die Frage ist auf die Information von Mutmaßungen Dritter über mögliche Motive des Beamten gerichtet. Damit besteht die Gefahr, dass das Erscheinungsbild des betroffenen Beamten ""verdinglicht"" und von anderen manipuliert wird. Deshalb ist dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Beamten der Vorrang vor dem Informationsinteresse der Presse einzuräumen. Dabei ist bedacht worden, dass es zu den verfassungsrechtlich gesicherten Aufgaben der Presse gehört, investigativ - in den Grenzen des Zulässigen - auch über Verdächtigungen von hohem öffentlichen Interesse zu berichten. Denn auch Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten und Verdachtslagen gehören zur sozialen Wirklichkeit, die aufzubereiten und über die zu informieren Merkmal, Freiheit und Aufgabe der Presse ist. Auch unerwiesene Verdächtigungen können unter Umständen von berechtigtem öffentlichen Interesse sein und hierauf gründende Wahrscheinlichkeitswahrnehmungen langfristig individuelles, gesellschaftliches und politisches Handeln beeinflussen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. Juli 2020 - 1 BvR 146/17 - EuGRZ 2020, 495 Rn. 13 m.w.N.). Hier geht es aber darum, dass die begehrte Information darauf abzielt, die Person des betroffenen Beamten selbst zum bloßen Objekt von Gerüchten und Spekulationen zu machen. Dem Interesse des betroffenen Beamten, davon verschont zu bleiben, kommt überwiegendes Gewicht zu. 62 d) Weitergehende Auskunftsansprüche des Klägers bestehen nicht. 63 aa) Die spezielle Regelung des § 111 Abs. 2 BBG als bereichsspezifisches Datenschutzrecht schließt einen Rückgriff auf die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes aus (vgl. BVerwG, Urteile vom 2. April 2003 - 2 WD 21.02 - Buchholz 236.1 § 29 SG Nr. 5 S. 3 und vom 27. Februar 2003 - 2 C 10.02 - BVerwGE 118, 10 <12>). 64 bb) Ein Anspruch nach dem Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG) vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722), geändert durch Art. 44 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) ist nach § 5 Abs. 2 IFG ausgeschlossen. Bei Informationen aus Unterlagen, soweit sie mit dem Dienst- oder Amtsverhältnis in Zusammenhang stehen, kommt dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen von Gesetzes wegen immer der Vorrang im Sinne eines abwägungsresistenten Versagungsgrundes zu (BVerwG, Urteile vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 - BVerwGE 151, 1 Rn. 19, vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 26 und vom 28. Februar 2019 - 7 C 20.17 - BVerwGE 165, 1 Rn. 20). 65 cc) Eine dem Kläger günstigere Entscheidung folgt schließlich nicht aus europarechtlichen Vorgaben. 66 Es besteht kein Anlass, das durch das nationale Recht gefundene Ergebnis am Maßstab des Art. 10 EMRK gesehen zu korrigieren. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die nach innerstaatlichem Recht zum Schutz der Persönlichkeitsrechte vorgesehenen Einschränkungen (Art. 10 Abs. 2 EMRK) bei Beachtung des den Konventionsstaaten zuzubilligenden Beurteilungsspielraums den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (""in einer demokratischen Gesellschaft notwendig"") nicht genügen (zuletzt BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 45 m. w. N.). 67 Keine andere Beurteilung ergibt sich aus Art. 11 GRCh. Denn das Informationsfreiheitsrecht ist - im Gegensatz zu dem hier nicht einschlägigen Umweltinformationsrecht - nicht durch unionsrechtliche Vorgaben vollständig determiniert. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Grundrechte des Grundgesetzes insoweit das Schutzniveau der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht mitgewährleisten (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 46; BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - BVerfGE 152, 152 Rn. 55 ff. <""Recht auf Vergessen I"">). 68 6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1, § 161 Abs. 2 VwGO. Dabei ist berücksichtigt worden, dass sich der Umfang der Auskunftsbegehren in den Instanzen durch Teilrechtskraft und Erledigterklärung verändert hat." bverwg_2020-59,14.10.2020,"Pressemitteilung Nr. 59/2020 vom 14.10.2020 EN Lebensmittelunternehmer muss mit Salmonellen kontaminierte Fleischdrehspieße vom Markt nehmen Der Hersteller von mit Salmonellen kontaminierten Fleischdrehspießen muss die bereits in den Verkehr gebrachten Lebensmittel zurücknehmen. Es kommt nicht darauf an, ob eine Gesundheitsgefährdung der Endverbraucher durch ordnungsgemäßes Durchgaren der Fleischdrehspieße in den Gastronomiebetrieben vermieden werden könnte. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin stellt Fleischdrehspieße her und liefert diese in tiefgefrorenem Zustand an Gastronomiebetriebe aus. Dort werden sie erhitzt und portioniert an Endverbraucher verkauft, etwa als Döner Kebab. Die Fleischdrehspieße sind bei Auslieferung mit dem Hinweis „Vor Verzehr vollständig durchgaren!“ versehen. Nach dem Hygienekonzept der Klägerin werden vor der Auslieferung stichprobenartig Eigenkontrollen vorgenommen und die Proben mikrobiologisch untersucht. Für den Fall einer Salmonellenfeststellung sind unterschiedliche Maßnahmen vorgesehen; eine zwingende Rücknahme der betroffenen Charge sieht das Konzept der Klägerin aber nicht vor. Sie ist der Auffassung, eine Beprobung im Herstellungsprozess betreffe nur die Prozesshygiene und müsse daher zu Abhilfemaßnahmen im Herstellungsverfahren führen. Eine Rücknahme der Lebensmittel sei indes nur veranlasst, wenn diese unsicher seien. Da unter Gastronomen bekannt sei, dass Fleischdrehspieße durcherhitzt werden müssten und auf den Lebensmitteln auch ein entsprechender Hinweis angebracht werde, erweise sich das Endprodukt bei normalen Verwendungsbedingungen nicht als gesundheitsschädlich. Nachdem der Beklagte das Hygienekonzept der Klägerin beanstandet hatte, erhob sie Klage und begehrte die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sei, bei jedem Salmonellenbefall zwingend die betroffene Charge zurückzunehmen und dies in ihrem Hygienekonzept vorzuschreiben. Das Verwaltungsgericht Augsburg hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Die Pflichten eines Lebensmittelunternehmers in Bezug auf mikrobiologische Kriterien ergeben sich aus der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005. Nach Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung ist das Erzeugnis oder die Partie Lebensmittel gemäß Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom Markt zu nehmen, wenn die Untersuchung anhand der Lebensmittelsicherheitskriterien unbefriedigende Ergebnisse liefert. Salmonellen dürfen in Fleischzubereitungen mit den vorgesehenen Untersuchungsverfahren nicht nachweisbar sein. Zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit hat der Hersteller seine Produkte im abgabefertigen Zustand zu beproben. Ergibt die vorgeschriebene Untersuchung eine unzulässige Kontamination mit Salmonellen, ist die betroffene Partie vom Markt zu nehmen. Es kommt nicht darauf an, ob auch die tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 19 und 14 VO (EG) Nr. 178/2002 erfüllt sind. Damit kann sich die Klägerin gegen das Bestehen einer Rücknahmepflicht nicht darauf berufen, dass die Drehspieße vor dem Verzehr des Fleisches durchzugaren sind und auf dieses Erfordernis in der Etikettierung hingewiesen wird. Die Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 enthält für mikrobiologische Kriterien eine Spezialregelung, mit der ein strengerer und präventiver Ansatz verfolgt wird. Mit dem Verweis auf Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 wird lediglich auf die dort geregelte Ausformung der Pflichten des Lebensmittelunternehmers bei dem vom-Markt-Nehmen des betroffenen Lebensmittels Bezug genommen. BVerwG 3 C 10.19 - Urteil vom 14. Oktober 2020 Vorinstanzen: VGH München, 20 BV 17.1560 - Urteil vom 07. Februar 2019 - VG Augsburg, Au 1 K 16.1531 - Urteil vom 04. Juli 2017 -","Urteil vom 14.10.2020 - BVerwG 3 C 10.19ECLI:DE:BVerwG:2020:141020U3C10.19.0 EN Rücknahme von mit Salmonellen kontaminierten Fleischdrehspießen Leitsätze: 1. Die Untersuchung anhand eines Lebensmittelsicherheitskriteriums nach Anhang I Kapitel 1 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 - hier: Salmonellen - setzt nicht voraus, dass die Probe einem bereits in den Verkehr gebrachten Lebensmittel entnommen wurde. Zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheitskriterien muss der Lebensmittelunternehmer die von ihm hergestellten Erzeugnisse im abgabefertigen Zustand beproben. 2. Ergibt die Untersuchung eine Überschreitung der festgelegten Grenzwerte, ist der Lebensmittelunternehmer zur Rücknahme der betroffenen Erzeugnisse verpflichtet. Einer zusätzlichen Prüfung, ob die Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit aus Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 erfüllt sind, bedarf es nicht. Rechtsquellen VO (EG) Nr. 178/2002 Art. 14 Abs. 3, Art. 19 VO (EG) Nr. 2073/2005 Art. 2 Buchst. c, Art. 3 Abs. 1, Art. 7 Abs. 2, Anhang I Kapitel 1 Nr. 1.5 und 1.6 Instanzenzug VG Augsburg - 04.07.2017 - AZ: VG Au 1 K 16.1531 VGH München - 07.02.2019 - AZ: VGH 20 BV 17.1560 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 14.10.2020 - 3 C 10.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:141020U3C10.19.0] Urteil BVerwG 3 C 10.19 VG Augsburg - 04.07.2017 - AZ: VG Au 1 K 16.1531 VGH München - 07.02.2019 - AZ: VGH 20 BV 17.1560 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Kenntner für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Februar 2019 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Rechtsstreit betrifft die Rücknahmepflicht des Lebensmittelunternehmers für mit Salmonellen kontaminierte Lebensmittel. 2 Die Klägerin stellt Fleischdrehspieße her und liefert diese in tiefgefrorenem Zustand an Gastronomiebetriebe aus. Dort werden sie erhitzt und portioniert an den Endverbraucher verkauft, z.B. als Döner Kebab. Die Fleischdrehspieße sind bei Auslieferung mit dem Hinweis ""Vor Verzehr vollständig durchgaren!"" versehen. Eine direkte Abgabe an Endverbraucher durch die Klägerin erfolgt nicht. Nach dem Hygienekonzept der Klägerin werden vor der Auslieferung stichprobenartig Eigenkontrollen vorgenommen und die Proben mikrobiologisch untersucht. Für den Fall eines Salmonellennachweises sind unterschiedliche Maßnahmen vorgesehen, eine zwingende Rücknahme der betroffenen Charge sieht das Konzept der Klägerin aber nicht vor. 3 Nach einer Betriebskontrolle wies das Landratsamt Augsburg die Klägerin auf verschiedene Mängel hin. Es beanstandete dabei auch das Hygienekonzept und führte aus, bei einem positiven Salmonellenbefund müssten die betroffenen Erzeugnisse vom Markt genommen oder zurückgerufen werden. Die Klägerin widersprach dieser Sichtweise und vertrat die Auffassung, eine Beprobung im Herstellungsprozess betreffe nur die Prozesshygiene. Unbefriedigende Untersuchungsergebnisse gäben daher Anlass zu Abhilfemaßnahmen im Herstellungsverfahren. Eine Rücknahme der Lebensmittel sei indes nur veranlasst, wenn diese unsicher seien. Das ausgelieferte Lebensmittel erweise sich unter normalen Verwendungsbedingungen und bei ordnungsgemäßer Durcherhitzung aber als sicher. Nach Rücksprache mit dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz bekräftigte das Landratsamt seine Rechtsauffassung und forderte die Klägerin zur Anpassung ihres Hygienekonzepts auf. 4 Auf die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Augsburg festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet sei, in jedem Fall eines Salmonellenbefalls im Produktionsprozess die betroffene Charge zurückzunehmen bzw. dies in ihrem Hygienekonzept vorzuschreiben. Die Klägerin habe das für die Zulässigkeit der Klage erforderliche Rechtsschutzinteresse an der begehrten Feststellung, weil ein etwaiger Verstoß gegen Rücknahmepflichten den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfülle. Die Klage sei auch begründet. Zwar handle es sich bei einem positiven Salmonellenbefund zumindest auch um ein Lebensmittelsicherheitskriterium, sodass der Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 eröffnet sei. Die Regelung verpflichte aber nicht zwingend zu einer Rücknahme der betroffenen Charge an Fleischdrehspießen. Vielmehr sei diese Maßnahme nur bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des in Bezug genommenen Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 erforderlich. Gastronomen sei aber bekannt, dass eine normale Verwendung der Fleischdrehspieße deren Durcherhitzung voraussetze; überdies sei auf den ausgelieferten Erzeugnissen ein entsprechender Hinweis angebracht. Bei Berücksichtigung der aus Art. 14 Abs. 3 Buchst. a und b der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 folgenden Kriterien liege daher auch bei einem Salmonellenbefall der Fleischdrehspieße ein sicheres Lebensmittel vor. 5 Auf die Berufung des Beklagten hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht den Salmonellenbefund als Lebensmittelsicherheitskriterium bewertet. Zwar werde der Fleischdrehspieß noch vor der Auslieferung und damit während des Herstellungsprozesses beprobt. Das Ergebnis liege aber erst vor, wenn die Erzeugnisse an die Kunden ausgeliefert und damit in den Verkehr gebracht worden seien. Hinsichtlich der bereits ausgelieferten Fleischdrehspieße handle es sich bei dem Salmonellennachweis damit um ein Kriterium, das die Akzeptabilität des Lebensmittels betreffe. Die erstinstanzliche Entscheidung habe jedoch verkannt, dass der Unionsgesetzgeber mit der Einführung der Lebensmittelsicherheitskriterien eine Spezialregelung für die Einstufung eines Lebensmittels als sicher im Hinblick auf das Vorhandensein pathogener Mikroorganismen getroffen habe. Liege ein unbefriedigendes Untersuchungsergebnis vor, müssten die ausgelieferten Fleischdrehspieße deshalb von der Klägerin zurückgenommen werden. Mit der Bezugnahme auf Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 werde nur auf die dort geregelten Rechtsfolgen verwiesen. 6 Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handle es sich bei einem positiven Salmonellenbefund in der Produktion nicht um ein Lebensmittelsicherheitskriterium. Untersuchungsergebnisse, die auf während der Herstellung entnommenen Proben beruhten, lieferten vielmehr stets Prozesshygienekriterien. Ein Lebensmittelsicherheitskriterium sei nur betroffen, wenn die Probenahme im Handel erfolge. Bereits der Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 sei damit nicht eröffnet. Unabhängig davon ergebe sich auch bei dessen Anwendung hier keine Rücknahmeverpflichtung. Durch die Bezugnahme auf Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sei eine Rücknahme bereits ausgelieferter Teile der betroffenen Charge nur erforderlich, wenn das Lebensmittel nicht sicher sei. Durch die normalen Bedingungen der Verwendung eines Fleischdrehspießes und den aufgebrachten Hinweis werde aber gewährleistet, dass die ausgelieferten Lebensmittel sicher im Sinne von Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 seien. Die Annahme, dass Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 eine bloße Rechtsfolgenverweisung enthalte, entstamme der Methodenlehre des BGB und könne auf unionsrechtliche Vorschriften, die autonom ausgelegt werden müssten, nicht übertragen werden. 7 Der Beklagte verteidigt das angegriffene Berufungsurteil und führt ergänzend aus, dass ein Lebensmittelunternehmer nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 zur Untersuchung der Lebensmittelsicherheitskriterien auf allen Stufen verpflichtet sei. Eine Untersuchung auf Salmonellen sei für Fleischzubereitungen im Übrigen nur als Lebensmittelsicherheitskriterium vorgesehen. 8 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren und führt in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aus, zu Recht sei das Berufungsgericht hier von einem Lebensmittelsicherheitskriterium ausgegangen. Auf den Zeitpunkt der Probenahme komme es hierfür nicht an. Die Lebensmittelsicherheitskriterien seien auch dann anwendbar, wenn die Untersuchung des Lebensmittels auf der Stufe des Herstellers erfolge. Zutreffend habe das Berufungsgericht auch bereits aus dem unbefriedigenden Ergebnis anhand der Lebensmittelsicherheitskriterien auf eine Pflicht zur Rücknahme geschlossen. Die in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 benannten Voraussetzungen für Rücknahme oder Rückruf seien abschließend. Eine zusätzliche Risikoabwägung nach Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 finde nicht statt, weil die Lebensmittelsicherheitskriterien ansonsten leerzulaufen drohten. II 9 Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet, das angefochtene Berufungsurteil verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Untersuchung anhand eines Lebensmittelsicherheitskriteriums nach Anhang I Kapitel 1 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 der Kommission vom 15. November 2005 über mikrobiologische Kriterien für Lebensmittel (ABl. L 338 S. 1), in der für das Feststellungsbegehren der Klägerin maßgeblichen aktuellen Fassung der Verordnung (EU) 2020/205 vom 14. Februar 2020 (ABl. L 43 S. 63), setzt nicht voraus, dass die Probe einem bereits in den Verkehr gebrachten Lebensmittel entnommen wurde (1.). Ergibt die Untersuchung eine Überschreitung der festgelegten Grenzwerte, ist der Lebensmittelunternehmer zur Rücknahme der betroffenen Erzeugnisse verpflichtet. Einer zusätzlichen Prüfung, ob die Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit aus Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 S. 1), in der hier maßgeblichen aktuellen Fassung der Verordnung (EU) 2019/1243 vom 20. Juni 2019 (ABl. L 198 S. 241), erfüllt sind, bedarf es nicht (2.). 10 1. Voraussetzung für die Rücknahmepflicht des Lebensmittelunternehmers ist gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005, dass die Untersuchung anhand eines Lebensmittelsicherheitskriteriums nach Anhang I Kapitel 1 unbefriedigende Ergebnisse liefert. Die hierzu erforderliche Probenahme kann auch im Betrieb des Lebensmittelunternehmers durchgeführt werden. 11 a) Mit der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 werden Hygieneanforderungen für Lebensmittelunternehmer in Bezug auf bestimmte Mikroorganismen festgelegt (vgl. Art. 1). Damit zielt die Verordnung auf ein hohes Schutzniveau der Gesundheit der Bevölkerung, weil mikrobiologische Gefahren in Lebensmitteln eine Hauptquelle lebensmittelbedingter Krankheiten beim Menschen darstellen (Erwägungsgrund 1). Die Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 nimmt hierzu die Lebensmittelunternehmer in die Pflicht. Sie haben die benannten Standards einzuhalten (Art. 1 Satz 1 und Art. 3), ein auf den sog. HACCP (Hazard Analysis and Critical Control Point) -Grundsätzen (vgl. hierzu Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene) beruhendes Hygienekonzept einzuführen (vgl. Art. 3 Abs. 1 Satz 2), Untersuchungen anhand der mikrobiologischen Kriterien vorzunehmen (Art. 4) und sind schließlich bei unbefriedigenden Untersuchungsergebnissen zu den vorgeschriebenen Maßnahmen verpflichtet (Art. 7). Hierzu gehören auch Rücknahme und Rückruf von bereits in den Verkehr gebrachten Lebensmitteln (Art. 7 Abs. 2). 12 Wie die Klägerin zutreffend darlegt, ist die Verordnung damit primär an die Lebensmittelunternehmer adressiert. Sie wendet sich aber auch an die Überwachungsbehörden. Sie haben nach Art. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 die Einhaltung der in der Verordnung festgelegten Bestimmungen und Kriterien zu überprüfen (vgl. Kulow/Horn, in: Gorny, Praxishandbuch Lebensmittelhygiene-Recht, Stand: September 2014, II.1, 1.2.2, zu Art. 1). Die Lebensmittelunternehmer müssen ihr Hygienekonzept daher im Einklang mit den einschlägigen Regelungen und den Anweisungen der zuständigen Behörde gestalten (vgl. Erwägungsgrund 6 und 7 der Verordnung Nr. 2073/2005). 13 b) Zur Erreichung der angestrebten Ziele gibt die Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 mikrobiologische Kriterien vor, anhand derer die Lebensmittel - ""Lebensmittelsicherheitskriterien"" (Art. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 2073/2005) - und die Funktionsweise des Herstellungsprozesses - ""Prozesshygienekriterien"" (Art. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 2073/2005) - zu überprüfen sind. 14 Lebensmittelsicherheitskriterien sind damit auf das Erzeugnis bezogen, das als abgabefertiges Produkt in den Verkehr gelangt. Hieraus folgt indes nicht, dass der Lebensmittelunternehmer die geforderte Untersuchung erst nach Abgabe der Erzeugnisse an Händler oder Verbraucher - also bei diesen - durchführen dürfte. Aus der Begriffsbestimmung in Art. 2 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 ist auch nicht abzuleiten, dass eine im Verantwortungsbereich des Lebensmittelunternehmers durchgeführte Kontrolle nie als Untersuchung anhand eines Lebensmittelsicherheitskriteriums verstanden werden dürfte wie die Klägerin meint. Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 hat der Lebensmittelunternehmer vielmehr auf allen Stufen der Herstellung, der Verarbeitung und des Vertriebs die Einhaltung der Lebensmittelsicherheitskriterien sicherzustellen. Zur Gewährleistung dieser Anforderungen muss der Lebensmittelunternehmer die von ihm hergestellten Lebensmittel im abgabefertigen Zustand beproben. Nur so kann er sicherstellen, dass er ein sicheres Lebensmittel in den Verkehr bringt (vgl. Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 178/2002) und keine aus seinem Verantwortungsbereich stammenden Mikroorganismen in die Lebensmittelkette eingebracht werden. Liefert er seine Erzeugnisse aus, bevor die Untersuchungsergebnisse vorliegen, hat er die im Verkehr befindlichen Lebensmittel bei einer festgestellten Grenzwertüberschreitung nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 zurückzunehmen. 15 Für die Einordnung einer Überprüfung des Erzeugnisses als Untersuchung anhand eines Lebensmittelsicherheitskriteriums kommt es auf den Zeitpunkt der Probenahme damit nicht an. Im Übrigen betrifft die hier streitige Rücknahme nur Fälle, in denen die Lebensmittel bereits an Dritte abgegeben wurden. Insoweit sind daher immer im Verkehr befindliche Erzeugnisse betroffen. 16 c) Anhand welcher mikrobiologischer Kriterien die Überprüfung jeweils durchzuführen ist, auf welcher Stufe das Kriterium gilt und welche Grenzwerte maßgeblich sind, ist in Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 geregelt. In Kapitel 1 sind die Vorgaben für Lebensmittelsicherheitskriterien aufgelistet, Kapitel 2 betrifft die Prozesshygienekriterien. 17 Für Hackfleisch/Faschiertes und Fleischzubereitungen aus Geflügelfleisch (Nr. 1.5) oder aus anderen Fleischarten (Nr. 1.6), die zum Verzehr in durcherhitztem Zustand bestimmt sind, sieht Anhang I Kapitel 1 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 als Lebensmittelsicherheitskriterium Salmonellengrenzwerte für in Verkehr gebrachte Erzeugnisse vor. Danach dürfen Salmonellen in 25 g (Geflügelfleisch) bzw. 10 g (andere Fleischarten) nicht nachweisbar sein. Der Lebensmittelunternehmer hat sicherzustellen, dass diese Anforderungen auch auf der Vertriebsstufe erfüllt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 13. November 2014 - C-443/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2370], Reindl - ZLR 2015, 62 Rn. 29). 18 d) Das Berufungsgericht ist deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass auch die noch im Betrieb der Klägerin nach Abschluss des Herstellungsvorgangs entnommenen Proben von im Zeitpunkt der Vorlage des Untersuchungsergebnisses bereits ausgelieferten Fleischdrehspießen Untersuchungen anhand von Lebensmittelsicherheitskriterien nach Anhang I Kapitel 1 Nr. 1.5 bzw. 1.6 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 sind. 19 Diese Einordnung ist der Klägerin im Übrigen günstig, weil es ansonsten an der erforderlichen Untersuchung ihrer Erzeugnisse anhand der Lebensmittelsicherheitskriterien nach Anhang I Kapitel 1 Nr. 1.5 bzw. 1.6 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 fehlen würde. Dann wäre das Hygiene-Konzept der Klägerin in jedem Fall zu beanstanden. 20 Ob die Untersuchung zugleich auch Ergebnisse im Hinblick auf Prozesshygienekriterien liefert, ist dabei ohne Belang. Zu Recht haben der Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses indes darauf hingewiesen, dass Anhang I Kapitel 2 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 eine Untersuchung von Fleischzubereitungen auf Salmonellen als Prozesshygienekriterium nicht vorsieht (vgl. Nr. 2.1.8). Das Prozesshygienekriterium Salmonellen ist vielmehr nur für Schlachtkörper vorgesehen - es gilt für die Stufe der Schlachtkörper, nach dem Zurichten, aber vor dem Kühlen (vgl. Nr. 2.1.3 und 2.1 .4) bzw. nach dem Kühlen (Nr. 2.1.5). Diese Verarbeitungsschritte der Zerlegung nimmt die Klägerin nicht vor; dementsprechend geht es bei ihren Prozessabläufen auch nicht um die Verbesserung der Schlachthygiene oder die Herkunft der Tiere - also die in Nr. 2.1.3 bis 2.1 .5 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 angeordneten Maßnahmen im Fall unbefriedigender Ergebnisse. 21 2. Liefert die Untersuchung anhand der Lebensmittelsicherheitskriterien nach Anhang I Kapitel 1 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 unbefriedigende Ergebnisse, ist das Erzeugnis oder die Partie Lebensmittel (vgl. hierzu Art. 2 Buchst. e der Verordnung Nr. 2073/2005) vom Markt zu nehmen oder zurückzurufen. Eine zusätzliche Prüfung der Lebensmittelsicherheit anhand der in Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vorgegebenen Kriterien findet nicht statt. Mit dem Verweis auf Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 wird lediglich auf die dort geregelte Ausformung von Rücknahme und Rückruf Bezug genommen. 22 a) Zwar ist der Wortlaut der in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 getroffenen Regelung nicht eindeutig. Mit der Bezugnahme auf Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 könnte sprachlich auch eine Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift vorausgesetzt worden sein. 23 Gegen diese Auffassung spricht indes bereits, dass die hierfür maßgebliche Vorschrift des Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 gerade nicht benannt worden ist. Der Verweis auf Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 wird ohne eine Inbezugnahme der dort statuierten Tatbestandsvoraussetzungen auch nicht sinnlos (a.A. Schumann/Hagenmeyer/Hahn, StoffR 2019, 71 <73>); vielmehr ist damit ein Gleichlauf des Verfahrens von Rücknahme und Rückruf in den von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 geregelten Fällen mit den allgemeinen Grundsätzen gewährleistet und eine weitere Ausformung dieser Instrumente in der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 entbehrlich. 24 Insbesondere aber ist die von der Klägerin vertretene Auslegung mit Sinn und System der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 nicht zu vereinbaren. Die in dieser Verordnung festgelegten Lebensmittelsicherheitskriterien würden ihrer praktischen Nützlichkeit (""effet utile"") beraubt, wenn nicht ihr Vorliegen, sondern erst die allgemeine Lebensmittelsicherheit nach Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 für die Rücknahmeverpflichtung maßgeblich wäre. Dieses Auslegungsergebnis ist hinreichend klar, sodass es einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht bedarf. 25 Die Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 gibt eigenständig und als Spezialregelung für mikrobiologische Gefahren in Lebensmitteln (vgl. Erwägungsgrund 3) die Kriterien und Verpflichtungen in ihrem Anwendungsbereich vor. Sie wählt dabei einen präventiven Ansatz, der nicht erst bei einer möglichen Gesundheitsschädlichkeit ansetzt. Vielmehr werden Grenzwerte für Lebensmittelsicherheitskriterien definiert, bei deren Überschreitung das Lebensmittel in Bezug auf den jeweiligen Mikroorganismus als inakzeptabel kontaminiert gilt (Erwägungsgrund 5). Im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 sind damit die dort geregelten Lebensmittelsicherheitskriterien die maßgebliche Größe für die Beurteilung der Frage, ob das Lebensmittel insoweit akzeptabel und für den Verzehr durch Menschen geeignet ist (vgl. Art. 14 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 178/2002 sowie Erwägungsgrund 3 und 5 der Verordnung Nr. 2073/2005; hierzu auch EuGH, Urteil vom 11. April 2013 - C-636/11 [ECLI:​EU:​C:​2013:​227], Berger - NJW 2013, 1725 Rn. 35). 26 Bereits die inakzeptable Kontaminierung einer Probeneinheit führt gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 zwingend dazu, dass das Erzeugnis oder die Partie Lebensmittel vom Markt genommen werden muss, ohne dass weitere Prüfungen zum Gesundheitsschutzniveau erforderlich wären (ebenso VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24. November 2016 - 17 K 1799/13 [ECLI:​DE:​VGGE:​2016:​1124.17K1799.13.00] - juris Rn. 114; Meyer, in: Meyer/Streinz, LFGB-BasisVO, 2. Aufl. 2012, BasisVO Art. 19 Rn. 12; a.A. OVG Lüneburg, Beschluss vom 27. November 2007 - 11 ME 455/07 [ECLI:​DE:​OVGNI:​2007:​1127.11ME455.07.0A] - NVwZ-RR 2008, 474 <475>; Horn, in: Streinz/Kraus, Lebensmittelrechts-Handbuch, Stand: Oktober 2017, II F Rn. 232a; Schumann/Hagenmeyer/Hahn, StoffR 2019, 71 <72>; Wallau, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: August 2017, Bd. II, C 104 LMStRV, § 5 Rn. 16; Weyland, ZLR 2015, 72 <77 ff.>). Die allgemein in Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 benannten Gesichtspunkte sind damit im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 verdrängt. Der Schutzzweck der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 würde konterkariert, wenn Lebensmittel im Verkehr blieben, die eine nicht akzeptable mikrobiologische Kontamination aufweisen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. November 2014 - C-443/13, Reindl - ZLR 2015, 62 Rn. 28). 27 b) Ob die Fleischdrehspieße im Falle der ordnungsgemäßen Durcherhitzung ein ausreichend hohes Gesundheitsschutzniveau erreichen und damit - jedenfalls mit einem, nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 allerdings ohnehin vorgeschriebenen Hinweis - möglicherweise als sicher im Sinne von Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eingestuft werden könnten, ist insofern nicht maßgeblich. Diese Maßnahmen sind nicht geeignet, die im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 maßgebliche Akzeptabilität der Erzeugnisse sicherzustellen. Den im Hinblick auf das Risiko einer etwa bei Betriebsbeginn oder in Stoßzeiten nicht ausreichenden Durcherhitzung der Fleischdrehspieße sowie die Möglichkeit einer Übertragung auf Kleidung und/oder Arbeits- und sonstige Oberflächen vom Beklagten bereits im Berufungsverfahren vorgetragen Zweifeln musste das Berufungsgericht daher nicht weiter nachgehen. 28 Für die streitgegenständlichen Fleischzubereitungen ergibt sich dies im Übrigen ausdrücklich aus Anhang I Kapitel 1 Nr. 1.5 bzw. 1.6 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005. Danach werden Fleischzubereitungen erfasst, die zum Verzehr in durcherhitztem Zustand bestimmt sind. Die Regelung geht also von einer nachfolgenden Durcherhitzung aus, verlangt aber gleichwohl Salmonellenfreiheit. Dieses Lebensmittelsicherheitskriterium gilt nach Spalte 6 für in Verkehr gebrachte Erzeugnisse - und damit auch bereits vor der Durcherhitzung - während der Haltbarkeitsdauer. 29 Mit dem in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 enthaltenen Verweis auf Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ist nur die Verzahnung der angeordneten Maßnahmen mit dem allgemeinen Regime der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 beabsichtigt. Die Verweisung nimmt auf die in Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 im Einzelnen ausgeformten Pflichten des Lebensmittelunternehmers - wie etwa die Notwendigkeit der Unterrichtung der zuständigen Behörde - im Falle einer Verpflichtung zur Rücknahme oder zum Rückruf Bezug (vgl. Kulow/Horn, in: Gorny, Praxishandbuch Lebensmittelhygiene-Recht, Stand: September 2014, II.1, 1.2.2, zu Art. 7 Abs. 2; zur Verantwortung des Lebensmittelunternehmers auch Erwägungsgrund 30 der Verordnung Nr. 178/2002). Nach deutschem Sprachgebrauch handelt es sich damit um eine Rechtsfolgenverweisung. 30 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2020-6,30.01.2020,"Pressemitteilung Nr. 6/2020 vom 30.01.2020 EN Zuckerung bei der Weinherstellung Die Zuckerung eines Weinerzeugnisses in der Gärphase darf nur der Erhöhung des Alkoholgehalts dienen und nicht zu einer Umgehung des Verbots führen, den Wein mit Zucker (Saccharose) zu süßen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist Inhaber eines Weinguts. Er erhielt für seinen Rieslingwein aus dem Jahrgang 2014 eine amtliche Prüfungsnummer für Qualitätswein. Nachdem die Untersuchung der im Rahmen einer Betriebskontrolle entnommenen Proben einen Restzuckergehalt von 17,1 g/l bei einem Glucose-Fructose-Verhältnis von 47 zu 53 ergeben hatte, gab der Kläger an, bei der zweiten Anreicherung vom März 2015 sei der zugegebene Zucker offenbar nicht vollständig vergoren. Mit Bescheid vom 24. September 2015 nahm die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz den Prüfungsbescheid zurück. Entgegen den im Antragsverfahren gemachten Angaben sei der Wein gesüßt und damit unter Anwendung eines nicht zugelassenen önologischen Verfahrens hergestellt worden. Die Zugabe von Saccharose im Rahmen der Anreicherung bewirke eine unzulässige Süßung, wenn eine ausreichende Vergärung des Zuckers nicht stattgefunden habe. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz darf die im Wein vorhandene Restsüße nur von frischen Weintrauben und von Traubenmost, nicht aber von Saccharose-Zugaben herrühren. Die Annahme des Klägers, jegliche Zuckerzugabe, die während der Gärphase nach den gesetzlichen Bestimmungen erfolge, müsse auch im Hinblick auf den im Wein verbleibenden Restzuckergehalt unbedenklich sein, treffe nicht zu. Der vom Kläger noch im März zur Anreicherung zugegebene Kristallzucker sei nur zu 10 % vergoren. Damit liege eine unzulässige Süßung vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Nach den maßgeblichen Vorschriften des europäischen Weinrechts (Art. 3 Abs. 5 i.V.m. Anhang I D Nr. 1 der Verordnung 606/2009/EG) darf Qualitätswein nicht mit Zucker gesüßt werden. In der Gärphase darf dem Erzeugnis zur Erhöhung des natürlichen Alkoholgehalts nach Maßgabe näherer Bestimmungen (Art. 80 Abs. 1 i.V.m. Anhang VIII Teil 1 der Verordnung 1308/2013/EU) Saccharose zugesetzt werden. Sinn und Zweck dieser sogenannten Anreicherung ist die Erhöhung des vorhandenen Alkoholgehalts und nicht der Restsüße; sie darf nicht zu einer Umgehung des Verbots führen, den Wein mit Zucker zu süßen. Von einer Umgehung ist hier auszugehen. Nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts waren nur 10 % der im März 2015 zugegebenen Saccharose zu Alkohol vergoren. Eine Prüfungsnummer darf einem solchen Wein nicht erteilt werden. BVerwG 3 C 6.18 - Urteil vom 30. Januar 2020 Vorinstanzen: OVG Koblenz, 8 A 11751/17 - Urteil vom 27. Februar 2018 - VG Mainz, 1 K 611/16.MZ - Urteil vom 23. Februar 2017 -","Urteil vom 30.01.2020 - BVerwG 3 C 6.18ECLI:DE:BVerwG:2020:300120U3C6.18.0 EN Saccharose-Zugabe bei der Weinherstellung Leitsatz: Die Zuckerung eines Weinerzeugnisses in der Gärphase darf nur der Erhöhung des Alkoholgehalts dienen und nicht zu einer Umgehung des Verbots führen, den Wein mit Saccharose zu süßen. Rechtsquellen VO (EU) 1308/2013 Art. 80 Abs. 1, Anh. II Teil IV, Anh. VIII Teil I VO (EG) 606/2009 Art. 3 Abs. 5, Anh. I Teil D WeinG § 13 Abs. 1, § 15 Nr. 1 und 3, § 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 21 Abs. 1 Nr. 5 WeinV § 15 Abs. 1 Satz 1, § 16 Abs. 1, § 18 Abs. 15 Nr. 1, § 26 Abs. 1 Satz 1, § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Instanzenzug VG Mainz - 23.02.2017 - AZ: VG 1 K 611/16.MZ OVG Koblenz - 27.02.2018 - AZ: OVG 8 A 11751/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 30.01.2020 - 3 C 6.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:300120U3C6.18.0] Urteil BVerwG 3 C 6.18 VG Mainz - 23.02.2017 - AZ: VG 1 K 611/16.MZ OVG Koblenz - 27.02.2018 - AZ: OVG 8 A 11751/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Kenntner für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Februar 2018 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Rechtsstreit betrifft die Saccharose-Zugabe bei der Erzeugung von Qualitätsweinen. 2 Der Kläger ist Inhaber eines Weinguts, er erhielt für seinen Rieslingwein ""Bacharacher Insel Heyles'en Werth"" aus dem Jahrgang 2014 eine amtliche Prüfungsnummer für Qualitätswein. Nachdem die Untersuchung der im Rahmen einer Betriebskontrolle entnommenen Weinproben einen Restzuckergehalt von 17,1 g/l bei einem Glucose-Fructose-Verhältnis von 47 : 53 ergeben hatte, gab der Kläger an, bei der zweiten Anreicherung vom März 2015 sei der zugegebene Zucker offenbar nicht vollständig vergoren. Mit Bescheid vom 24. September 2015 nahm die beklagte Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz den Prüfungsbescheid daraufhin zurück. Entgegen den im Antragsverfahren gemachten Angaben sei der Wein gesüßt und damit unter Anwendung eines für die Vergabe einer Prüfungsnummer nicht zugelassenen önologischen Verfahrens hergestellt worden. Auch die Zugabe von Saccharose im Rahmen der Anreicherung bewirke eine Süßung, wenn eine ausreichende Vergärung des Zuckers nicht stattgefunden habe. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte zurück. 3 Die Klage gegen den Rücknahmebescheid ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die im Wein vorhandene Rest-Süße dürfe nur von frischen Weintrauben und von Traubenmost, nicht aber von Saccharose-Zugaben herrühren. Mit der Zulassung von Saccharose-Zugaben im Rahmen der Anreicherung werde nur die Erhöhung des Alkoholgehalts, nicht aber diejenige des Restzuckergehalts im Wein bezweckt. Die Annahme des Klägers, jegliche Zuckerzugabe, die während der Gärphase nach den gesetzlichen Bestimmungen erfolge, müsse auch im Hinblick auf den im Wein verbleibenden Restzuckergehalt unbedenklich sein, treffe daher nicht zu. Da der vom Kläger im März 2015 zur Anreicherung zugegebene Kristallzucker nur zu 10 % vergoren sei, liege mit dem verbliebenen Restzucker eine unzulässige Süßung vor. Der Wein entspreche nicht den maßgeblichen Rechtsvorschriften, was der Beklagten erst nachträglich durch die Analysen des Landesuntersuchungsamts bekannt geworden sei. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich, sodass der Rücknahmebescheid der Beklagten rechtmäßig ergangen sei. 4 Mit der bereits vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er macht insbesondere geltend, das Berufungsgericht habe verkannt, dass eine vollständige oder weit überwiegende Zucker-Vergärung nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften nicht erforderlich sei. Während der Gärphase sei eine Saccharose-Zugabe erlaubt. Soweit eine Vergärung nicht erfolge, verbleibe der Restzucker als zulässiger potenzieller Alkoholgehalt im Wein. 5 Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und bekräftigt ihre Auffassung, dass bei einer zulässigen Anreicherung im Jungweinstadium darauf geachtet werden müsse, dass die Gärung weiterhin stattfinde. Die vom Kläger vertretene Meinung führe zu einer Aushebelung des Verbots der Süßung von Weinen mit Saccharose. 6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält die Revision in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft für unbegründet. Auch die zulässige Anreicherung eines Jungweins mit Saccharose dürfe nicht zu einer Süßung des Weins mit Saccharose führen. Die Anreicherung sei daher stets mit einem Risiko behaftet, das der Erzeuger zu tragen habe. Zwar könne eine vollständige Vergärung der zugesetzten Saccharose nicht in jedem Fall garantiert werden; zumindest der überwiegende Teil der zugesetzten Saccharose müsse nach Ende des Gärprozesses aber in Alkohol umgewandelt sein. II 7 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das angegriffene Berufungsurteil verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der angefochtene Rücknahmebescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Weinverordnung - WeinV - in der zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids geltenden Fassung vom 4. Januar 2016 (BGBl. I S. 2) i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 5 des Weingesetzes - WeinG - in der Fassung vom 16. Januar 2016 (BGBl. I S. 52). Die Vorschrift ermächtigt auch zur Rücknahme des Prüfungsbescheids (1.). Sie erlaubt die Rücknahme der Entscheidung über die Erteilung einer Prüfungsnummer, wenn nachträglich ein Umstand bekannt wird, der der Erteilung einer Prüfungsnummer entgegengestanden hätte (2.). Die Süßung eines Weins, die auf dem Restzucker einer nicht vollständig vergorenen Saccharose-Zugabe im Rahmen der Anreicherung beruht, kann einen derartigen Umstand begründen. Die Zuckerung eines Weinerzeugnisses in der Gärphase darf nur der Erhöhung des Alkoholgehalts dienen und nicht zu einer Umgehung des Verbots führen, den Wein mit Saccharose zu süßen (3.). Der hier nach Abschluss der Anreicherung im Erzeugnis verbliebene Rest-Zucker liegt jenseits einer bei der Feststellung einer verbotenen Süßung möglicherweise hinzunehmenden Toleranzschwelle (4.). 8 1. Die in § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WeinV enthaltene Ermächtigung zur Rücknahme der Entscheidung über die Erteilung der Prüfungsnummer umfasst auch die Rücknahme des streitgegenständlichen Prüfungsbescheids. 9 Da die Prüfungsnummer gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 WeinV im Prüfungsbescheid erteilt wird, kann die Prüfungsnummer nicht ohne Änderung des Prüfungsbescheids zurückgenommen werden. Die Erteilung der Prüfungsnummer ist Gegenstand des Prüfungsbescheids; sie ist das (positive) Ergebnis der Prüfung. Dies spiegelt die in § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WeinV enthaltene Ermächtigung zur Rücknahme als actus contrarius wider. Anhaltspunkte dafür, dass die Rücknahme von Prüfungsbescheid und Prüfungsnummer in einem formal zweiaktigen Verfahren geschehen müsste, sind weder der Weinverordnung zu entnehmen noch sind Sachgründe hierfür ersichtlich. 10 2. Der angefochtene Rücknahmebescheid nimmt mit der angenommenen Süßung des Weins auf einen der Beklagten nachträglich bekannt gewordenen Umstand Bezug. 11 In seinem Antrag vom 1. Juni 2015 hatte der Kläger eine Süßung des Weins verneint. Anhaltspunkte dafür, dass der Wein gleichwohl gesüßt sein könnte, sind der Beklagten erstmals durch die Analyse der am 13. Juli 2015 entnommenen Proben - und damit nach Erteilung der Prüfungsnummer - bekannt geworden. 12 Darauf, dass aus den Unterlagen über die Anreicherung des Weins möglicherweise schon im Zeitpunkt der Entscheidung über die Erteilung einer Prüfungsnummer auf eine nicht vollständige Vergärung der zugegebenen Saccharose hätte geschlossen werden können, kommt es nicht an. Die Möglichkeit einer Kenntniserlangung steht einer Kenntnis nicht gleich (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2001 - 8 C 8.00 - BVerwGE 112, 360 <363>). Die Beklagte war zu den Berechnungen und Analysen, die einen entsprechenden Rückschluss aus den vorgelegten Unterlagen möglicherweise erlaubt hätten, im Rahmen der Entscheidung über die Erteilung der Prüfungsnummer auch nicht verpflichtet. 13 3. Die Süßung eines Weins, die auf dem Restzucker einer nicht vollständig vergorenen Saccharose-Zugabe im Rahmen der Anreicherung beruht, begründet einen Umstand, der der Erteilung einer Prüfungsnummer entgegengestanden hätte. 14 a) Nach § 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WeinG darf eine amtliche Prüfungsnummer nur für ein Erzeugnis erteilt werden, das den unionsrechtlichen und nationalen Vorschriften entspricht. 15 Das Anwenden von Behandlungsverfahren und das Zusetzen von Stoffen sind gemäß § 13 Abs. 1 WeinG nur zulässig, soweit dies zugelassen oder geregelt ist. Die Süßung eines Qualitätsweins darf gemäß § 16 Abs. 1 WeinV nach Maßgabe des Anhangs I D Nr. 1 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 606/2009 der Kommission vom 10. Juli 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 479/2008 des Rates hinsichtlich der Weinbauerzeugniskategorien, der önologischen Verfahren und der diesbezüglichen Einschränkungen (ABl. L 193 S. 1) nur mit Traubenmost erfolgen. Durch diese Verweisung ist sichergestellt, dass die nationalen Vorgaben denjenigen des maßgeblichen Unionsrechts entsprechen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 3 C 8.06 - BVerwGE 129, 27 Rn. 23; Eichele, ZLR 2018, 571 <573>; Boch, ZLR 2018, 706 <710>). Auch Art. 3 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 606/2009 verweist hinsichtlich der Bedingungen für die Süßung auf Anhang I D. Eine inhaltlich entsprechende Vorgabe sieht auch die ab dem 7. Dezember 2019 - und damit nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt - geltende Delegierte Verordnung (EU) 2019/934 der Kommission vom 12. März 2019 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Anbauflächen, auf denen der Alkoholgehalt der Weine erhöht werden darf, der zugelassenen önologischen Verfahren und der Einschränkungen für die Erzeugung und Haltbarmachung von Weinbauerzeugnissen, des Mindestalkoholgehalts von Nebenerzeugnissen und deren Beseitigung sowie der Veröffentlichung von OIV-Dossiers (ABl. L 149 S. 1) vor (vgl. Art. 3 Abs. 5 i.V.m. Anhang I D dieser Verordnung). Die Süßung eines Qualitätsweins durch die Zugabe von Saccharose entspricht diesen Anforderungen nicht. 16 b) Aus der Zulässigkeit einer Anreicherung folgt nichts Anderes: Diese erlaubt nur eine Erhöhung des Alkoholgehalts (vgl. § 15 Nr. 1 und 3 WeinG). 17 Der im gärfähig befüllten Behältnis festgestellte natürliche Alkoholgehalt u.a. von Jungwein darf - von weiteren Anforderungen abgesehen - nur nach Maßgabe des Anhangs VIII Teil I Abschnitt A und B der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates (ABl. L 347 S. 671) erhöht werden (§ 15 Abs. 1 und 2 WeinV). Auch insoweit gewährleistet die Verweisung einen Gleichlauf mit den unmittelbar anwendbaren Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013, die in Art. 80 Abs. 1 ebenfalls auf den Anhang VIII der Verordnung verweist. Die danach zulässige Erhöhung des natürlichen Alkoholgehalts von Jungwein darf durch die Zugabe von Saccharose vorgenommen werden (vgl. Anhang VIII Teil I Abschnitt B Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1308/2013). Die Zugabe kann gemäß § 18 Abs. 15 Nr. 1 WeinV zwar ""gestaffelt"" in mehreren Arbeitsgängen erfolgen; sie bleibt aber stets auf das Stadium bezogen, in dem die alkoholische Gärung des Erzeugnisses noch nicht beendet ist. 18 Die Zugabe von Saccharose ist damit nur zur Erhöhung des natürlichen Alkoholgehalts zugelassen. Mit ihr soll Weinerzeugern in klimatisch ungünstigen Weinbauzonen die Möglichkeit gegeben werden, den nach der Gärung vorhandenen Alkoholgehalt ihrer Weine innerhalb der vorgegebenen Margen gegenüber dem vorhandenen Alkoholgehalt zu erhöhen, der ohne die Anreicherung allein auf der Grundlage des natürlichen Alkoholgehalts erreicht werden könnte (vgl. Anhang VIII Teil I Abschnitt B Nr. 6 und 7 der VO Nr. 1308/2013). Der zugegebene Zucker muss zusammen mit dem natürlichen Zucker vergoren werden (vgl. Boch, in: Zipfel/Rathke , Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2019, C 400 WeinG § 15 Rn. 9); allein zu diesem Zweck ist die Zugabe von Saccharose zugelassen. 19 Saccharose-Zugaben, die nicht vergoren werden und nach Abschluss der Gärphase als Rest-Zucker im Erzeugnis verbleiben, sind zwar begrifflich von der Definition des ""potenziellen"" Alkoholgehalts umfasst (vgl. Anhang II Teil IV Nr. 14 der Verordnung Nr. 1308/2013). Die Anreicherung mit Saccharose soll aber nicht den potenziellen Alkoholgehalt, also die sogenannte Restsüße, sondern den tatsächlich vorhandenen Alkoholgehalt im Sinne von Anhang II Teil IV Nr. 13 der VO (EU) Nr. 1308/2013 erhöhen. Die Vorschriften über die Anreicherung dürfen nicht so ausgelegt werden, dass sie eine Umgehung des Verbots ermöglichen, Wein mit Saccharose zu süßen (vgl. zum Problem der Süßung durch missbräuchliche Anreicherung bereits Erwägungsgrund 16 der Verordnung Nr. 816/70 des Rates vom 28. April 1970 zur Festlegung ergänzender Vorschriften für die gemeinsame Marktorganisation für Wein sowie Boch, ZLR 2018, 706 <712 f.>). Saccharose-Zugaben zu einem Zeitpunkt und in einer Menge, die eine vollständige Gärung nicht mehr erwarten lassen, dienen hinsichtlich ihres ""überschießenden Teils"" objektiv nicht der Erhöhung des vorhandenen Alkoholgehalts, sondern der Süßung des Weins. Sie verbleiben auch nach der Gärphase als Zusatz im Wein und verstoßen damit gegen das Verbot, Wein mit Saccharose zu süßen. 20 Die allein auf den Begriff des Alkoholgehalts abstellende Auffassung der Revision trägt weder Systematik noch Sinn und Zweck des Regelungsgefüges hinreichend Rechnung. Zwar handelte es sich bei dem Erzeugnis des Klägers im Zeitpunkt der Saccharose-Zugabe um einen Jungwein, weil dessen alkoholische Gärung noch nicht beendet und er noch nicht von seiner Hefe getrennt war (Anhang VII Teil II Nr. 2 der Verordnung Nr. 1308/2013). Hieraus folgt indes nicht, dass jedwede Zuckerzugabe in diesem Stadium unschädlich für die Beurteilung der Süßung sein müsste. Zulässig sind vielmehr nur geregelte Behandlungsverfahren (vgl. § 13 Abs. 1 WeinG). Zweck und Umfang der Zugabe von Saccharose zu Jungwein werden durch die Anreicherungsvorschriften begrenzt. Deren Sinn und Zweck sowie die systematische Abgrenzung von Anreicherung einerseits und Süßung andererseits erfordern ein Verständnis der Anreicherungsvorschriften, mit dem das Süßungsverbot nicht ausgehebelt wird. 21 4. Ob der Weinerzeuger in jedem Fall eine vollständige Vergärung der zugegebenen Saccharose gewährleisten kann und mit welcher Genauigkeit sich feststellen lässt, inwieweit die zugegebene Saccharose vergoren ist, braucht nicht geklärt zu werden. Sollten insoweit in tatsächlicher Hinsicht Unsicherheiten bestehen, mögen sie dazu führen, dass eine gewisse Toleranzschwelle für anreicherungsbedingten Restzucker hinzunehmen ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, an die das Bundesverwaltungsgericht gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), lag hier das Glucose-Fructose-Verhältnis bei 47 : 53; der vom Kläger im März 2015 zugegebene Kristallzucker war nur zu 10 % vergoren (UA S. 3, 9). Damit war eine möglicherweise hinzunehmende Toleranzschwelle weit überschritten. 22 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2020-61,15.10.2020,"Pressemitteilung Nr. 61/2020 vom 15.10.2020 EN Anspruch eines IHK-Mitgliedes auf Austritt seiner Kammer aus dem Dachverband DIHK wegen fortgesetzter Kompetenzüberschreitungen Das Mitglied einer Industrie- und Handelskammer (IHK) kann den Austritt seiner Kammer aus dem Dachverband Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK e.V.) verlangen, wenn dieser mehrfach und nicht nur in atypischen Ausreißerfällen die gesetzlichen Kompetenzgrenzen der Kammern überschritten hat und keine hinreichenden Vorkehrungen bestehen, um die Wiederholung von Kompetenzverstößen zuverlässig zu verhindern. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Die Klägerin ist Mitglied der IHK Nord Westfalen und beanstandet seit 2007 zahlreiche Äußerungen des DIHK, weil sie über die gesetzlichen Kompetenzgrenzen der Kammern hinausgingen. Die Klage ist in allen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem ersten Revisionsurteil vom 23. März 2016 (BVerwG 10 C 4.15 - vgl.  Pressemitteilung 23/2016 ) entschieden, dass ein grundrechtlicher Anspruch auf Austritt der Kammer aus dem Dachverband besteht, wenn dieser - wie der DIHK - in der Vergangenheit mehrfach und nicht nur in atypischen Ausreißerfällen gegen die Kompetenzgrenzen seiner Mitgliedskammern verstoßen hat und wenn mit einer erneuten Missachtung der Kompetenzgrenzen zu rechnen ist. Es hat den Rechtsstreit an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen zu den Reaktionen des Verbandes auf die Kritik an seinen Äußerungen, insbesondere zu einem etwa für die Kammermitglieder verfügbaren verbandsinternen wirksamen und effektiven Schutz gegen grundrechtswidrige Aufgabenüberschreitungen, treffen konnte. Das Oberverwaltungsgericht hat einen Austrittsanspruch der Klägerin erneut verneint. Zwar hätten auch zahlreiche Äußerungen des DIHK seit 2016 die Kompetenzgrenzen seiner Mitgliedskammern überschritten. Auch fehle dem Verband die Einsicht in vergangene Aufgabenüberschreitungen und ein ausreichendes Bewusstsein für die vom Bundesverwaltungsgericht verdeutlichten Grenzen seiner Öffentlichkeitsarbeit. Er habe den Kammermitgliedern in seiner Satzung mittlerweile jedoch einen klagefähigen Anspruch auf Unterlassung weiterer Überschreitungen eingeräumt. Dies rechtfertige trotz des Mangels an Einsicht die Annahme, dass zukünftig weitere Verstöße verhindert werden könnten. Auf die erneute Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht die beklagte Kammer verurteilt, ihren Austritt aus dem DIHK zu erklären. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, schon die Existenz des Klageanspruchs von Kammermitgliedern schließe die Gefahr der Wiederholung von Kompetenzüberschreitungen ungeachtet fehlender Einsicht des Dachverbandes aus, widerspricht dem rechtlichen Maßstab des ersten Revisionsurteils. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht angenommen, die Klagemöglichkeit werde künftige Kompetenzüberschreitungen ausschließen. Es ist lediglich davon ausgegangen, dass die Zivilgerichte dem DIHK ausgehend von - weiteren - konkreten Aufgabenüberschreitungen seine Kompetenzgrenzen weiter verdeutlichen und diese durchsetzen werden. Das wird den im ersten Revisionsurteil erläuterten Anforderungen an einen effektiven Grundrechtsschutz der Kammermitglieder nicht gerecht. BVerwG 8 C 23.19 - Urteil vom 14. Oktober 2020 Vorinstanzen: OVG Münster, 16 A 1499/09 - Urteil vom 12. April 2019 - VG Münster, 9 K 1076/07 - Urteil vom 20. Mai 2009 -","Urteil vom 14.10.2020 - BVerwG 8 C 23.19ECLI:DE:BVerwG:2020:141020U8C23.19.0 EN Anspruch eines Pflichtmitglieds einer Industrie- und Handelskammer auf deren Austritt aus dem Dachverband Leitsätze: 1. Der Anspruch eines Pflichtmitglieds einer Industrie- und Handelskammer auf Austritt der Kammer aus dem Dachverband setzt eine Verbandstätigkeit jenseits der Kammerkompetenzen, die sich nicht auf für die Verbandspraxis atypische Einzelfälle (""Ausreißer"") beschränkt, sowie die konkrete Gefahr einer erneut die Kammerkompetenzen überschreitenden Betätigung des Verbands voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 - 10 C 4.15 - BVerwGE 154, 296 LS 2 und Rn. 18). 2. Diese Gefahr ist nicht schon durch verbandsinterne Maßnahmen ausgeschlossen, die es ermöglichen, Kompetenzüberschreitungen gerichtlich anzugreifen, wenn gleichwohl mit erneuten Überschreitungen zu rechnen ist, sodass eine Fortsetzung der kompetenzwidrigen Verbandspraxis nicht zuverlässig verhindert wird (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 - 10 C 4.15 - BVerwGE 154, 296 Rn. 23 f.). Rechtsquellen GG Art. 2 Abs. 1 IHKG § 1 Abs. 1 und 5 VwGO § 144 Abs. 6 Instanzenzug VG Münster - 20.05.2009 - AZ: VG 9 K 1076/07 OVG Münster - 12.04.2019 - AZ: OVG 16 A 1499/09 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 14.10.2020 - 8 C 23.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:141020U8C23.19.0] Urteil BVerwG 8 C 23.19 VG Münster - 20.05.2009 - AZ: VG 9 K 1076/07 OVG Münster - 12.04.2019 - AZ: OVG 16 A 1499/09 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. April 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 20. Mai 2009 werden geändert. Die Beklagte wird verurteilt, ihren Austritt aus dem Beigeladenen (Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V.) zu erklären. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin - jeweils in allen Rechtszügen - tragen die Beklagte zu zwei Dritteln und der Beigeladene zu einem Drittel. Die Beklagte und der Beigeladene tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Gründe I 1 Die Klägerin ist Pflichtmitglied der beklagten Industrie- und Handelskammer und begehrt deren Austritt aus dem beigeladenen Deutschen Industrie- und Handelskammertag e.V. (DIHK). 2 Der Beigeladene verfolgt als privatrechtlich organisierter Dachverband der deutschen Industrie- und Handelskammern nach seiner Satzung unter anderem den Zweck, in allen das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft in seinem Bereich betreffenden Fragen, einen gemeinsamen Standpunkt der Industrie- und Handelskammern auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene gegenüber der Politik, der Verwaltung, den Gerichten und der Öffentlichkeit zu vertreten. Die Satzung stellt klar, dass die Behandlung allgemeinpolitischer, insbesondere parteipolitischer Fragen nicht zur Zuständigkeit des Beigeladenen gehört. 3 2007 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihren Austritt aus dem Beigeladenen zu erklären. Dieser habe sich in mehreren Veröffentlichungen allgemeinpolitisch zur Klimapolitik geäußert und damit seine satzungsgemäßen Aufgaben und die Kompetenzen seiner Mitgliedskammern überschritten. Der Klägerin stehe als Pflichtmitglied der Beklagten aus Art. 2 Abs. 1 GG ein Recht auf Abwehr von Kompetenzüberschreitungen zu. Die Beklagte lehnte einen Austritt ab. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Verurteilung der Beklagten, ihren Austritt aus dem Dachverband zu erklären und es zu unterlassen, die beanstandeten Äußerungen zu wiederholen, abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung nur hinsichtlich des Antrags auf Verurteilung zum Austritt aus dem Dachverband zugelassen und sie mit Urteil vom 16. Mai 2014 zurückgewiesen. Die Klägerin könne zwar geltend machen, als Pflichtmitglied der Beklagten durch eine Überschreitung der Kammerkompetenzen in ihrem Recht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verletzt zu sein. Eine Verpflichtung der Kammer zum Austritt komme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit jedoch nur als äußerstes Mittel in Betracht. 4 Mit Urteil vom 23. März 2016 - 10 C 4.15 - (BVerwGE 154, 296) hat das Bundesverwaltungsgericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Ein Austrittsanspruch eines Pflichtmitgliedes einer Kammer bestehe nicht nur als ultima ratio, sondern schon dann, wenn die Aufgabenüberschreitung des Dachverbandes kein für die Verbandspraxis atypischer ""Ausreißer"" sei und die konkrete Gefahr erneuter Betätigung jenseits der Kammerkompetenz bestehe. Eine solche Wiederholungsgefahr sei nicht nur bei einer Gefahr völlig gleichartiger Aufgabenüberschreitungen zu bejahen, weil sonst der effektive Grundrechtsschutz durch Variieren der Kompetenzüberschreitungen zu vereiteln wäre. Maßgeblich sei allein, ob mit einer erneuten Missachtung der Kompetenzgrenzen zu rechnen sei oder ob davon ausgegangen werden könne, dass weitere Verstöße unterblieben, etwa weil sie verbandsintern zuverlässig verhindert würden. Dies erfordere eine tatrichterliche Prognose, die sämtliche Indizien für und gegen die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Grundrechtsverletzung in Betracht ziehe. Als Indizien für das Drohen eines erneuten Kompetenzverstoßes kämen mehrfache oder gar häufige Missachtungen der Kompetenzgrenzen in Betracht, ebenso der Mangel an Einsicht in vergangene Aufgabenüberschreitungen und die Weigerung, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung künftiger Überschreitungen zu treffen. Gegen eine Wiederholungsgefahr spreche hingegen, wenn der Dachverband die Kritik an einer Aufgabenüberschreitung konstruktiv aufgenommen, sich davon distanziert und geeignete Vorkehrungen gegen einen erneuten Kompetenzverstoß getroffen habe. Dies sei anzunehmen, wenn der Verband den Mitgliedskammern und deren Pflichtmitgliedern die Möglichkeit eröffne, künftige Überschreitungen der Kammerkompetenzen wirksam zu unterbinden. 5 Der Dachverband habe in der Vergangenheit mehrfach und nicht nur in atypischen Ausnahmefällen die gesetzliche Kammerkompetenz zur Gesamtinteressenwahrnehmung der Gewerbetreibenden durch Äußerungen überschritten. Viele der streitgegenständlichen Äußerungen des Dachverbandes gingen thematisch über die Kammerkompetenzen hinaus, so die bildungspolitische Forderung nach der Einführung von Studiengebühren, Äußerungen zur Hochschulfinanzierung, die Kritik am föderalen Bildungssystem sowie Äußerungen zum Hochwasserschutz, die keinen Wirtschaftsbezug deutlich gemacht hätten. Gleiches gelte für die Äußerungen zum außenpolitischen Auftreten der Bundeskanzlerin, zur Ratsamkeit eines Koalitionsvertrages II und zur wirtschaftlichen und innenpolitischen Situation der Republik Südafrika. Die Stellungnahmen gegen die Einführung des Mindestlohns in Deutschland, gegen die sogenannte Mütterrente, die Sozialagenda und die Herabsetzung des regulären Renteneintrittsalters auf die Vollendung des 63. Lebensjahres seien ungeachtet ihres Bezugs zur Wirtschaft in den Kammerbezirken nicht mehr von der Kammerkompetenz gedeckt gewesen, weil diese sich nach § 1 Abs. 5 IHKG nicht auf die Wahrnehmung sozialpolitischer und arbeitsrechtlicher Interessen erstrecke. Von den Aussagen zur Steuer- und zur Energiepolitik seien diejenigen, die mit konkreten Auswirkungen auf die gewerbliche Wirtschaft in den Mitgliedskammern - wie etwa der Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen - begründet wurden, thematisch nicht zu beanstanden. Allerdings missachteten einige dieser Aussagen das für die Gesamtinteressenwahrnehmung geltende Gebot der Objektivität und Sachlichkeit. Ihm widersprächen etwa die Kommentierung einer steuerpolitischen Forderung als ""der reine Wahnsinn"" sowie die Gleichsetzung des Klimaschutzes mit einer Minderung der Lebensqualität, illustriert durch die polemische Frage, ob wir wieder mit 34 PS über die Alpen nach Italien fahren wollten. Wegen ihrer Einseitigkeit unzulässig seien Forderungen, die sich gegen den Ausstieg aus der Kernenergie richteten, ohne die in den Kammerbezirken vertretenen Gegenauffassungen darzustellen und eine Abwägung der widerstreitenden Positionen erkennen zu lassen. Äußerungen zu in der Öffentlichkeit und auch in der Wirtschaft höchst umstrittenen Fragen müssten auch die Minderheitsauffassung(en) offenlegen und die zur Mehrheitsauffassung führende Abwägung der verschiedenen Positionen erkennbar machen. 6 Ob die weitere Mitgliedschaft des Beklagten im Dachverband wegen faktischer Aufgabenüberschreitungen rechtswidrig sei, könne auf Grundlage der Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend entschieden werden. Zur Prüfung einer konkreten Gefahr eines erneuten kompetenzüberschreitenden Handelns des Dachverbandes müsse das Berufungsgericht die Reaktionen des Dachverbandes auf die Kritik an seinen Äußerungen feststellen und insbesondere klären, ob den Pflichtmitgliedern der Kammern verbandsintern ein wirksamer und effektiver Schutz gegen solche grundrechtswidrigen Aufgabenüberschreitungen zur Verfügung stehe. 7 Im November 2016 hat die Vollversammlung des Verbandes satzungsrechtlich für die Pflichtmitglieder ihrer Mitgliedskammern ein Beschwerderecht gegen Kompetenzüberschreitungen und, nach erfolgloser Beschwerde, ein Klagerecht eingeführt. Anschließend wurde der Verband im zurückverwiesenen Verfahren beigeladen. 8 Die Klägerin hat dort eine Vielzahl weiterer Äußerungen des Beigeladenen aus dem Zeitraum vom ersten Revisionsurteil bis zum November 2018 als kompetenzwidrig beanstandet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 12. April 2019 erneut zurückgewiesen. Die Klägerin habe zurzeit keinen Anspruch auf Austritt der beklagten Kammer aus dem Dachverband. Zwar gingen zahlreiche der von der Klägerin beanstandeten Äußerungen des Beigeladenen über die gesetzlichen Grenzen der Kompetenz der Mitgliedskammern hinaus, beispielsweise die beanstandeten, teils allgemeinpolitischen, teils unsachlichen oder einseitigen Äußerungen des Hauptgeschäftsführers und des Präsidenten des Beigeladenen zur Zusammenarbeit mit dem Iran, zur Ökostromumlage, zur Bundestagswahl, zu einer Großen Koalition, zur Diskussion über die Rolle des seinerzeitigen Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen, zu Einreisebeschränkungen der USA für muslimische Länder und zur Präsidentschaftswahl in Kenia. Von atypischen Ausreißern könne keine Rede sein. Gleichwohl und trotz fehlender Einsicht des Beigeladenen in vergangene Aufgabenüberschreitungen bestehe derzeit keine konkrete Gefahr erneuten kompetenzüberschreitenden Handelns des Dachverbandes. Er habe nämlich mit der Einräumung eines klagefähigen Anspruchs auf Unterlassen weiterer Überschreitungen eine geeignete Maßnahme ergriffen, die die Annahme rechtfertige, dass zukünftig weitere Verstöße verhindert werden könnten. Die Zivilgerichte würden dem Beigeladenen ausgehend von konkreten Aufgabenüberschreitungen seine Kompetenzgrenzen weiter verdeutlichen und diese erforderlichenfalls mit Ordnungsmitteln durchsetzen. 9 Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor, nach den Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts bestehe die Gefahr einer Wiederholung von Kompetenzüberschreitungen des Beigeladenen. Dessen Satzungsänderung habe weitere kompetenzwidrige Äußerungen nicht verhindert. Der Beigeladene habe sich auch nach dem ersten Revisionsurteil in seinen Äußerungen nicht gemäßigt. Es sei nicht ersichtlich, dass ihn das Urteil eines Zivilgerichts stärker beeindrucken werde. Eine nachträgliche gerichtliche Beanstandung ändere nichts daran, dass Kompetenzüberschreitungen des Beigeladenen in Grundrechte der Pflichtmitglieder der Mitgliedskammern eingriffen. Der Klägerin könne eine nachlaufende Rechtsaufsicht über den Verband im Wege der Prozessführung weder grundrechtlich noch wirtschaftlich zugemutet werden. 10 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. April 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 20. Mai 2009 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihren Austritt aus dem Beigeladenen zu erklären. 11 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 12 Sie verteidigt das Berufungsurteil. Das Berufungsgericht habe den jeweiligen Kontext der von ihm beanstandeten Äußerungen nur unzureichend berücksichtigt und die Kompetenzgrenze der Kammern aus § 1 Abs. 5 IHKG zu eng gezogen. Ohne eine Ermittlung der Gesamtzahl der Äußerungen des Beigeladenen im Betrachtungszeitraum habe das Berufungsgericht nicht annehmen dürfen, dass die beanstandeten Äußerungen keine bloßen Ausreißer seien. Die Feststellung fehlender Einsicht in die Kompetenzüberschreitungen vernachlässige die Vorkehrungen gegen einen erneuten Verstoß. Der Klägerin fehle angesichts der vom Beigeladenen geschaffenen sachnäheren und effizienteren Rechtsschutzmöglichkeit das Rechtsschutzbedürfnis für eine auf Austritt der Beklagten gerichtete Klage. 13 Der Beigeladene beantragt ebenfalls, die Revision zurückzuweisen. 14 Er schließt sich dem Vorbringen der Beklagten an und rügt, die vom Berufungsgericht angenommene Bindung an das Urteil vom 23. März 2016 verletze sein Recht auf rechtliches Gehör. Zu Unrecht sei er im ersten Revisionsverfahren nicht beigeladen worden. Die Klägerin habe ihre Revision nicht hinreichend begründet und keine Verfahrensrügen erhoben. Deshalb sei das Revisionsgericht an die Annahme des Berufungsgerichts gebunden, die eröffnete Rechtsschutzmöglichkeit schließe die Gefahr einer Wiederholung von Kompetenzüberschreitungen aus. Unabhängig davon fielen die vom Oberverwaltungsgericht beanstandeten Äußerungen nicht ins Gewicht und stellten allenfalls Ausreißer dar. Außerdem habe der Beigeladene am 25. März 2020 seine Satzung und seine Beschwerdeordnung geändert. Eine Unterlassungsklage wegen Kompetenzüberschreitungen setze nun nicht mehr voraus, dass zuvor ein Beschwerdeverfahren durchlaufen worden sei. 15 Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt das Vorbringen der Beklagten und des Beigeladenen, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. II 16 Die zulässige Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil beruht auf der Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG und erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). 17 1. Die Klägerin hat ihre Revision ordnungsgemäß begründet (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO) und ist dabei auch auf die Frage eingegangen, ob die vom Beigeladenen eingeräumte Rechtsschutzmöglichkeit einen Austrittsanspruch ausschließt. Darüber hinaus konnte sie in zulässiger Weise auf die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde Bezug nehmen, weil diese auch den Anforderungen an eine Revisionsbegründung genügte (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2019 - 4 C 5.18 - juris Rn. 13 m.w.N. [insoweit in Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 21 nicht abgedruckt]). 18 2. Die Klage ist nach wie vor zulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für ihr Begehren, die Beklagte zum Austritt aus dem Beigeladenen zu verurteilen, entfällt nicht wegen der nun eingeräumten Möglichkeit, gegen künftige Äußerungen des Beigeladenen zu klagen. Es wäre nur dann zu verneinen, wenn die Entscheidung im vorliegenden Verfahren ihr offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen könnte und die Nutzlosigkeit eindeutig wäre (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. April 2004 - 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3> und vom 10. Oktober 2019 - 10 C 3.19 - NVwZ 2020, 244 Rn. 14). Das ist hier nicht der Fall. Der von der Klägerin begehrte Austritt der Beklagten aus dem Beigeladenen bannt die Gefahr einer Wiederholung von Eingriffen in ihre Grundrechte vollständig. Ihr Begehren lässt sich nicht auf die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs gegen den Beigeladenen verengen, sondern richtet sich auf eine Austrittserklärung der Beklagten. 19 3. Das Berufungsurteil leidet nicht unter einem Verfahrensmangel im Sinne des § 138 Nr. 3 VwGO. Die Rüge des Beigeladenen, das Berufungsgericht habe mit der Annahme, nach § 144 Abs. 6 VwGO an das Urteil vom 23. März 2016 gebunden zu sein, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verletzt, greift nicht durch. Dabei kann dahinstehen, ob der Beigeladene bereits im ersten Revisionsverfahren nach § 65 Abs. 2 und § 142 Abs. 1 Satz 2 VwGO hätte beigeladen werden müssen und ob daraus eine Einschränkung der Bindung des Berufungsgerichts aus § 144 Abs. 6 VwGO an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts folgen könnte. Der Beigeladene hat jedenfalls sein Recht, einen solchen Gehörsverstoß zu rügen, dadurch verloren, dass er trotz seiner Kenntnis von dem Verfahren, dessen Verlauf und dem Termin der ersten Revisionsverhandlung nicht rechtzeitig auf seine Beiladung hingewirkt hat. Einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann nicht geltend machen, wer es selbst versäumt hat, sich vor Gericht durch die zumutbare Ausschöpfung der vom einschlägigen Prozessrecht eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten Gehör zu verschaffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. August 2010 - 1 BvR 3268/07 - BVerfGK 17, 479 Rn. 28). Einen Antrag auf Beiladung hat der Beigeladene jedoch erstmals nach der Zurückverweisung im erneuten Berufungsverfahren gestellt. Dass er bereits vorher Kenntnis von dem Verfahren, dessen Verlauf und der ersten Revisionsverhandlung hatte, ergibt sich aus der damaligen Sitzungsniederschrift. Ihr zufolge war für die Beklagte auch der Chefjustiziar des Beigeladenen erschienen. Dessen Teilnahme an der damaligen mündlichen Verhandlung und die vorherige Kenntnis des Beigeladenen vom Verfahrensverlauf hat dieser in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat bestätigt. Folglich hätte er seine Beiladung bereits rechtzeitig vor und spätestens in der ersten Revisionsverhandlung beantragen können, um durch eigenen Vortrag auf die rechtlichen Maßstäbe des Revisionsgerichts Einfluss zu nehmen. Nachdem er dort auch nach Erörterung der Sache von einem solchen ihm zumutbaren Antrag abgesehen hat, kann er nicht geltend machen, eine Bindung an die Grundsätze des ersten Revisionsurteils schneide ihm sein rechtliches Gehör ab. Das gilt auch und erst recht, wenn der vom Beigeladenen vorgetragene richterliche Hinweis in der ersten Revisionsverhandlung, eine Beiladung nach § 142 Abs. 1 i.V.m. § 65 Abs. 2 VwGO sei nach den (damaligen) Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten (vor den Satzungsänderungen) nicht notwendig, seinen Chefjustiziar nicht überzeugt haben sollte. Wegen der vorherigen Kenntnis des Beigeladenen vom Verfahrensverlauf konnte dieser Hinweis zu einer naheliegenden Frage ihn nicht überraschen. 20 4. Dem Berufungsurteil liegt gemäß § 144 Abs. 6 VwGO die rechtliche Beurteilung durch das zurückverweisende Revisionsurteil (BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 - 10 C 4.15 - BVerwGE 154, 296) zugrunde. Dieser rechtliche Maßstab bindet nunmehr im selben Umfang auch den erkennenden Senat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. September 2011 - 8 B 32.11 - Rn. 3 f.; GmS-OGB, Beschluss vom 6. Februar 1973 - GmS-OGB 1/72 - BVerwGE 41, 363 <367>; BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1977 - 8 C 49.76 - BVerwGE 54, 116 <121 f.>). 21 a) Danach hat die Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Austritt der beklagten Kammer aus dem Dachverband, wenn sich dieser in einer Weise betätigt, die faktisch seine Aufgaben und zugleich den Kompetenzrahmen seiner Mitgliedskammern überschreitet, und wenn die kompetenzwidrige Tätigkeit sich nicht als atypischer ""Ausreißer"" darstellt, sondern die konkrete Gefahr erneuten kompetenzüberschreitenden Handelns besteht (BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 - 10 C 4.15 - BVerwGE 154, 296 Rn. 18). Nach § 1 Abs. 1 IHKG haben die Kammern das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen. Ihre gesetzlichen Kompetenzen dürfen sie auch gemeinsam in einem Dachverband wahrnehmen. Auch dabei erlaubt § 1 Abs. 1 IHKG allerdings nur Äußerungen zu Sachverhalten, die spezifische Auswirkungen auf die Wirtschaft im jeweiligen Kammerbezirk haben. Es genügt nicht, dass die Folgen einer politischen Entscheidung in irgendeiner weiteren Weise auch die Wirtschaft berühren oder dass die Gewerbetreibenden im Kammerbezirk davon ebenso betroffen sind wie Andere (BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 - 10 C 4.15 - BVerwGE 154, 296 Rn. 28 f.; ebenso bereits Urteile vom 19. September 2000 - 1 C 29.99 - BVerwGE 112, 69 <74 f.> und vom 23. Juni 2010 - 8 C 20.09 - BVerwGE 137, 171 Rn. 24, 30 ff.). Der erforderliche spezifische Wirtschaftsbezug muss sich aus der Äußerung selbst, ihrer Begründung oder ihrem textlichen Zusammenhang ergeben. Er muss umso genauer dargelegt werden, je weniger offenkundig er ist. Die Wahrnehmung sozialpolitischer und arbeitsrechtlicher Interessen fällt nach § 1 Abs. 5 IHKG nicht in die Zuständigkeit der Kammern, sondern ist Gegenstand der Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger sowie der grundrechtlich geschützten Tätigkeit freiwilliger Vereinigungen. Dazu zählen nicht nur die Tarifpartner, sondern beispielsweise auch die freien Wohlfahrtsverbände (BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 - 10 C 4.15 - BVerwGE 154, 296 Rn. 29). 22 Aus § 1 Abs. 1 IHKG ergeben sich auch Vorgaben für die Art und Weise der Gesamtinteressenwahrnehmung. Aus der Verpflichtung, die Interessen der Kammermitglieder und der verschiedenen Branchen und Betriebe abzuwägen und auszugleichen, folgt die Pflicht, das Gesamtinteresse innerhalb der jeweiligen Kammer grundsätzlich im Prozess repräsentativer Willensbildung durch die Vollversammlung zu ermitteln und dabei die satzungsrechtlichen Verfahrensregeln zu beachten. Die Aufgabe, die Behörden durch die Darstellung des Gesamtinteresses zu unterstützen und zu beraten, verlangt von den Kammern, bei allen Äußerungen Objektivität und die notwendige Sachlichkeit und Zurückhaltung zu wahren. Polemisch überspitzte Äußerungen oder Stellungnahmen, die auf eine emotionalisierte Konfliktaustragung zielen, sind unzulässig. Äußerungen zu besonders umstrittenen Themen müssen die nach § 1 Abs. 1 IHKG erforderliche Abwägung erkennen lassen. Bei Mehrheitsentscheidungen sind gegebenenfalls beachtliche Minderheitenpositionen einschließlich von Positionen partikulärer Wirtschaftsstrukturen darzustellen (vgl. ebenda Rn. 29 f.). 23 Dieser vom Berufungsgericht zutreffend herangezogene Maßstab gewährleistet eine Berücksichtigung des textlichen Zusammenhangs einer Äußerung bei ihrer Überprüfung auf Kompetenzüberschreitungen. Der Einwand der Beklagten und des Beigeladenen, das Berufungsurteil gehe an dem Erfordernis einer Gesamtwürdigung einer Aussage im textlichen Zusammenhang vorbei, ist daher nicht berechtigt. In Übereinstimmung mit dem bindenden ersten Revisionsurteil (BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 - 10 C 4.15 - BVerwGE 154, 296 Rn. 35 und 38) hat das Berufungsgericht an Äußerungen des Beigeladenen im Zuge von Live-Interviews keinen abweichenden Maßstab angelegt. Vielmehr hat der Beigeladene auch in derartigen Situationen durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sämtliche seiner Äußerungen die gesetzlichen Kompetenzgrenzen wahren. 24 b) Danach ist revisionsgerichtlich nichts gegen die Annahme des Berufungsgerichts zu erinnern, der Beigeladene habe durch zahlreiche Äußerungen die Kompetenzgrenzen seiner Mitgliedskammern überschritten, sodass von für die Verbandspraxis atypischen Ausnahmefällen (""Ausreißern"") keine Rede sein könne. Die Annahme fortgesetzter Kompetenzverstöße schließt an die Bewertung im ersten Revisionsurteil an. Im dortigen Betrachtungszeitraum bis zum Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts vom 16. Mai 2014 waren ebenfalls mehrfache, nicht als atypische Ausnahmen einzuordnende Überschreitungen der Kammerkompetenzen festzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 - 10 C 4.15 - BVerwGE 154, 296 Rn. 33 ff.). Bis zum erneuten Abschluss der Berufungsinstanz sind nach den Tatsachenfeststellungen des angegriffenen Urteils viele weitere kompetenzüberschreitende Äußerungen des Beigeladenen hinzugekommen. 25 Zahlreiche dieser Äußerungen gehen als allgemeinpolitische Stellungnahmen ohne spezifischen Wirtschaftsbezug schon thematisch über die gesetzlichen Grenzen der Kompetenz zur Gesamtinteressenwahrnehmung hinaus. Dazu zählen beispielsweise die Äußerungen zur Aufwertung des Themas der inneren und äußeren Sicherheit in Europa (Morgenmagazin der ARD vom 22. August 2016), zur Bedeutung der Bundestagswahl als wichtig und spannend und der Notwendigkeit, dass die Bundesregierung die Kraft für notwendige Reformen habe (Nachrichtenagentur Reuters vom 28. Dezember 2016). In diesen Fällen ergab sich ein spezifischer Wirtschaftsbezug auch nicht aus dem textlichen Zusammenhang. Gleiches gilt für die Äußerungen des Beigeladenen zu Einreisebeschränkungen der USA für muslimische Länder, zum einheitlichen Auftreten Europas gegenüber den USA und zu deren Verhältnis zu Mexiko, zur Bedeutung der Themen Aufklärung und Rechtspopulismus in der nächsten Legislaturperiode (Deutschlandfunk vom 5. Februar 2017), zu den innenpolitischen Schwierigkeiten Kenias (International Aktuell 06/2017 vom 30. Oktober 2017), zur Notwendigkeit einer Entscheidung über eine Große Koalition und zur ausreichenden Zahl regierungsfähiger Politiker (Tagesspiegel vom 14. Februar 2018), zur Sicherung der EU-Außengrenzen (Internetseite am 27. Juni 2018) sowie zur Diskussion über die Rolle des damaligen Verfassungsschutzpräsidenten (Tagesspiegel vom 9. November 2018). Wegen eines spezifischen Wirtschaftsbezuges nicht zu beanstanden waren dagegen - entgegen dem Berufungsurteil - die Äußerungen über den Brexit (Deutschlandfunk vom 6. Juli 2016, Morgenmagazin der ARD vom 22. August 2016, Berliner Morgenpost vom 20. März 2017), die Bedeutung einer Regierung, die sich zum internationalen Handel und zum europäischen Binnenmarkt bekenne (Reuters vom 28. Dezember 2016), zur Forderung nach einer Erhöhung der Investitionsquote in Deutschland (Deutschlandfunk am 5. Februar 2017) und zu gesetzlichen Vorgaben für Managergehälter (Berliner Morgenpost vom 20. März 2017). 26 Die Äußerungen zur sozialen Gerechtigkeit in Deutschland, zu den Arbeitsbedingungen von Frauen und dem Equal Pay Day (Berliner Morgenpost vom 20. März 2017), zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen insbesondere im öffentlichen Dienst und zur Verbesserung der Stellung der Arbeitnehmer durch den Fachkräftemangel (Neue Osnabrücker Zeitung vom 26. Januar 2018) fielen nach § 1 Abs. 5 IHKG als Wahrnehmung arbeitsrechtlicher und sozialpolitischer Interessen ungeachtet ihres teilweisen Wirtschaftsbezuges nicht in die Kompetenz der Mitgliedskammern. 27 Wegen der Verletzung des Gebots der Sachlichkeit, der Objektivität und der Zurückhaltung überschritten die Äußerungen des Beigeladenen zur Bedeutung der Erbschaftsteuer und der Vermeidung einer ""Neidsteuer"" (Westfalenpost vom 21. Juni 2016) sowie zur ""an den Haaren herbeigezogenen"" Begründung für die handelspolitischen ""Pirouetten"" der US-Regierung (Trade News 07/2018 vom September 2018) die Kompetenzgrenzen der Kammern. 28 Wegen ihrer Einseitigkeit hat das Berufungsgericht die Äußerungen zum Korrekturbedarf an der Ökostromumlage und zu einem Auslaufen der Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung und der Offshore-Haftungsumlage (Handelsblatt vom 24. Oktober 2016), zur Vermeidung zu strenger Pkw-CO2-Emissionsnormen zum Nachteil der Automobilindustrie und zu einer direkten Quote für Elektrofahrzeuge in den Regulierungsvorschlägen der Europäischen Union (Stellungnahme vom 10. Juli 2018) zu Recht als unzulässig bewertet. Diese Äußerungen zu besonders umstrittenen Themen ließen keine Berücksichtigung der Interessen von Unternehmen im Sektor der erneuerbaren Energien und der Elektromobilität erkennen. Wegen dieser offenkundigen Unausgewogenheit bedurfte es keiner Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts zur Existenz von Minderheitenpositionen in den Mitgliedskammern des Beigeladenen. 29 c) Auch im Übrigen ist die dem Berufungsurteil zugrundeliegende Annahme fortgesetzter Kompetenzüberschreitungen ohne Verstoß gegen Verfahrensrecht zustande gekommen. So hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beigeladenen auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass es einzelne dieser Äußerungen unter einem anderen Aspekt der Kompetenzgrenzen der Mitgliedskammern gewürdigt hat als von der Klägerin vorgetragen. Wegen § 144 Abs. 6 VwGO und der Darstellung des rechtlichen Maßstabs für die Zulässigkeit von Äußerungen der Kammern im ersten Revisionsurteil konnte keiner der Beteiligten von einer Würdigung unter einem der dort genannten Gesichtspunkte überrascht werden (§ 108 Abs. 2, § 104 Abs. 1 und § 86 Abs. 3 VwGO). Die Würdigung der Äußerungen durch das Berufungsgericht verletzt auch nicht den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Seine Bewertungen waren weder willkürlich noch verstießen sie gegen Denkgesetze. 30 Die beträchtliche Zahl der kompetenzüberschreitenden Äußerungen sowohl im Zeitraum seit dem ersten Revisionsurteil als auch im Gesamtzeitraum unter Einschluss der dort beanstandeten Äußerungen rechtfertigt die Bewertung, dass es sich bei ihnen nicht um für die Verbandspraxis atypische Ausnahmen handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 - 10 C 4.15 - BVerwGE 154, 296 Rn. 23). Dies ergibt sich aus der Häufigkeit der Verstöße, die bereits eine fortgesetzte Missachtung von Kompetenzgrenzen erkennen lässt, und nicht erst aus deren Relation zur Gesamtzahl aller Äußerungen im Betrachtungszeitraum. Daher war das Berufungsgericht nicht nach § 86 Abs. 1 VwGO gehalten, diese Relation zu ermitteln. 31 5. Die Prognose des Berufungsgerichts, es drohe keine konkrete Gefahr eines erneuten kompetenzüberschreitenden Handelns des Beigeladenen, verstößt jedoch gegen revisibles Recht. 32 Ob eine den Austrittsanspruch auslösende Wiederholungsgefahr in Gestalt einer konkreten Wahrscheinlichkeit künftiger Aufgabenüberschreitungen besteht, erfordert nach dem bindenden Maßstab des ersten Revisionsurteils eine tatrichterliche Prognose, die sämtliche Indizien für und gegen die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Grundrechtsverletzung in Betracht zieht. Als Indizien für das Drohen eines erneuten Kompetenzverstoßes kommen mehrfache oder häufige Missachtungen der Kompetenzgrenzen in Betracht, ebenso der Mangel an Einsicht in vergangene Aufgabenüberschreitungen und die Weigerung, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung künftiger Überschreitungen zu treffen. Gegen eine Wiederholungsgefahr spricht, wenn der Dachverband die Kritik an einer Aufgabenüberschreitung konstruktiv aufgenommen, sich davon distanziert und geeignete Vorkehrungen gegen einen erneuten Kompetenzverstoß getroffen hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Verband den Mitgliedskammern und deren Pflichtmitgliedern die Möglichkeit eröffnet, künftige Überschreitungen der Kammerkompetenzen wirksam zu unterbinden, beispielsweise durch Einräumung eines Klagerechts gegen den Verband auf Unterlassen weiterer Kompetenzüberschreitungen oder durch die Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle im Verband (BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 - 10 C 4.15 - BVerwGE 154, 296 Rn. 23 f). 33 a) Gerichtlich ist eine auf Indizien gestützte Prognose darauf zu überprüfen, ob sie von einer zutreffenden Konkretisierung des rechtlichen Maßstabs ausgeht, sämtliche danach relevanten Anhaltspunkte berücksichtigt und diese in Übereinstimmung mit dem rechtlichen Maßstab gewichtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1991 - 9 C 22.90 - BVerwGE 88, 312 ). An die ihr zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen ist das Revisionsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO mangels wirksamer Verfahrensrügen gebunden. Die Subsumtion der festgestellten Tatsachen unter den rechtlichen Maßstab unterliegt dagegen der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 - 9 C 64.89 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 165; Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Januar 2020, § 137 Rn. 150 m.w.N.). 34 b) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sämtliche Indizien für und gegen eine Wiederholungsgefahr in die Prognose einer konkreten Gefahr eines erneuten Kompetenzverstoßes einzustellen sind. Es hat zu Recht angenommen, dass die im ersten Revisionsurteil genannten Gesichtspunkte, die gegen eine Wiederholungsgefahr sprechen, nicht stets kumulativ vorliegen müssen. Vielmehr sind eine Einsicht in vergangene Aufgabenüberschreitungen, eine konstruktive Aufnahme der Kritik daran, eine Distanzierung hiervon und geeignete Vorkehrungen des Verbandes gegen einen erneuten Kompetenzverstoß jeweils für sich in die gebotene Würdigung sämtlicher in Betracht kommender Indizien für und gegen eine Wiederholungsgefahr einzustellen (BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 - 10 C 4.15 - BVerwGE 154, 296 Rn. 24, 41). Erst in der Gesamtwürdigung sind Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Indizien zu berücksichtigen. 35 c) Nach den für den Senat bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO), nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts fehlt dem Beigeladenen die Einsicht in die festgestellten vergangenen Aufgabenüberschreitungen. Er hat die Verstöße bis auf wenige Ausnahmen weder in dem verbandsinternen Beschwerdeverfahren der Klägerin noch im gerichtlichen Verfahren zugestanden und die Kompetenzgrenzen der Kammern auch nach dem ersten Revisionsurteil fortgesetzt missachtet. 36 d) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass angesichts der fortgesetzten vielfältigen Aufgabenüberschreitungen und mangels Einsicht in diese Verstöße allein die verbandsinternen Vorkehrungen gegen eine Wiederholungsgefahr sprechen können. Dabei hat es zu Recht die bestehende Beschwerdemöglichkeit für ungeeignet gehalten, weiteren Verstößen vorzubeugen. Auch nach den letzten Satzungsänderungen des Beigeladenen fehlt die erforderliche Unabhängigkeit der Beschwerdestelle, weil nach wie vor ein Leitungsorgan des Beigeladenen über die Beschwerden entscheidet. Eine wirksame verbandsinterne Prävention setzt eine Kontrollinstanz voraus, die gegenüber den Verbandsorganen einschließlich des Vorstands unabhängig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 - 10 C 4.15 - BVerwGE 154, 296 Rn. 24 a.E.). 37 Revisionsrechtlich fehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, schon der satzungsrechtlich eingeräumte, klagefähige Anspruch der Pflichtmitglieder der Kammern auf Unterlassen künftiger Aufgabenüberschreitungen des Dachverbandes schließe eine Wiederholungsgefahr aus. Damit verfehlt es die Anforderungen, die das erste Revisionsurteil an Vorkehrungen zur wirksamen Verhinderung einer erneuten Aufgabenüberschreitung stellt. Gleichzeitig wird es dem Gebot effektiven Grundrechtsschutzes der Kammermitglieder nicht gerecht. 38 Als grundrechtlicher Unterlassungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 GG setzt der Anspruch eines Kammermitglieds auf Austritt seiner Kammer aus dem Dachverband bei Kompetenzüberschreitungen, die - wie hier - über vereinzelte ""Ausreißer"" hinausgehen, nur voraus, dass dem Betroffenen konkret eine rechtswidrige weitere Beeinträchtigung seines Grundrechts droht. Dazu genügt die konkrete Wahrscheinlichkeit einer künftigen, den Rahmen der Kammerkompetenz überschreitenden Tätigkeit des Verbandes (BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 - 10 C 4.15 - BVerwGE 154, 296 Rn. 18 und 23). Danach ist der Austrittsanspruch nicht erst dann gegeben, wenn anzunehmen ist, dass sich die Anzahl künftiger Kompetenzüberschreitungen aufgrund verbandsinterner Vorkehrungen gegen Wiederholungen (vgl. ebenda Rn. 24) schrittweise verringern wird. Er besteht bereits dann, wenn solche Vorkehrungen weitere Verstöße gegen das Grundrecht des Kammermitgliedes nicht zuverlässig verhindern können (vgl. ebenda Rn. 23 und Rn. 24: wirksam unterbinden). 39 Im Widerspruch dazu hält das Berufungsurteil es für ausreichend, dass die Zivilgerichte anlässlich der von ihm in Rechnung gestellten künftigen Klagen dem Beigeladenen ausgehend von konkreten Aufgabenüberschreitungen seine Kompetenzgrenzen weiter verdeutlichen und erforderlichenfalls die Unterlassung weiterer Kompetenzüberschreitungen mithilfe von Ordnungsgeld und Ordnungshaft wirksam erzwingen. Das Berufungsgericht hat damit eine Wiederholungsgefahr trotz einer Mehrzahl zukünftig zu erwartender Kompetenzüberschreitungen verneint. Diese Rechtsanwendung kann sich auch nicht darauf stützen, dass das erste Revisionsurteil ein Klagerecht der Pflichtmitglieder auf Unterlassen weiterer Aufgabenüberschreitungen beispielhaft als mögliche geeignete Vorkehrung gegen erneute Kompetenzverstöße aufgezählt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 - 10 C 4.15 - BVerwGE 154, 296 Rn. 24). Wie sich aus dem Begründungszusammenhang ergibt, wird damit weder die erforderliche Gesamtwürdigung aller Indizien für überflüssig erklärt, noch im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung unterstellt, ein solches Klagerecht genüge stets und unabhängig von der Einsicht des Verbandes in die Kompetenzgrenzen, den nötigen Schutz vor weiteren Aufgabenüberschreitungen zu gewährleisten. Vielmehr wird betont, dass es nicht ausreicht, wenn diese zwar nachträglich angegriffen, aber nicht zuverlässig verhindert werden können. Entscheidend ist, ob davon ausgegangen werden kann, dass weitere Kompetenzverstöße - gleich welcher Art - unterbleiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 - 10 C 4.15 - BVerwGE 154, 296 Rn. 23 f. und 41). 40 Das hat das Berufungsgericht bei der Prüfung der Geeignetheit und Effektivität des Klagerechts nicht berücksichtigt. Es hat übersehen, dass Unterlassungsklagen nur jeweils gleichartige weitere Rechtsverletzungen verhindern können. Dagegen können sie nicht ausschließen, dass es zu variierenden weiteren Aufgabenüberschreitungen kommt, die den effektiven Grundrechtsschutz vereiteln (dazu vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 - 10 C 4.15 - BVerwGE 154, 296 Rn. 23). Dieses Risiko durfte das Berufungsurteil angesichts der von ihm festgestellten Vielfalt fortgesetzter unzulässiger, teils allgemeinpolitischer, teils unsachlicher und teils einseitiger Äußerungen nicht ausblenden. Seine Erwägung, dem Beigeladenen könnten die Kompetenzgrenzen seiner Mitgliedskammern jeweils in weiteren gerichtlichen Entscheidungen verdeutlicht werden, nimmt eine Grundrechtsverletzung durch variierende Kompetenzüberschreitungen in Kauf. 41 6. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts stellt sich auf Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Es hat in tatsächlicher Hinsicht mehrere künftige Kompetenzverstöße prognostiziert und angenommen, dass sich die Verbandspraxis des Beigeladenen erst durch mehrere zivilgerichtliche Verfahren einschließlich einer etwa erforderlichen Anwendung von Zwangsmitteln ändern wird. Daran ändert auch die vom Senat zu berücksichtigende zwischenzeitliche satzungsrechtliche Loslösung des Klagerechts vom verbandsinternen Beschwerdeverfahren nichts. Dies lässt eine Gesamtwürdigung, dass ein künftiger Grundrechtsverstoß zuverlässig verhindert wird, nicht zu. 42 Der Senat kann gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Sache selbst entscheiden, weil die vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen eine abschließende Beurteilung ermöglichen. Danach steht der Klägerin ein Anspruch auf Austritt der Beklagten aus dem Beigeladenen zu. Nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen drohen nach mehrjährigen vielfältigen, trotz gerichtlicher Beanstandungen fortgesetzten Überschreitungen der Kammerkompetenz mangels Einsicht des Beigeladenen weitere Aufgabenüberschreitungen, die durch die von ihm getroffenen Vorkehrungen nicht wirksam verhindert werden können. 43 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2020-63,05.11.2020,"Pressemitteilung Nr. 63/2020 vom 05.11.2020 EN Präimplantationsdiagnostik bei Muskelkrankheit Myotone Dystrophie Typ 1 im Einzelfall zulässig Besteht für Nachkommen eines genetisch vorbelasteten Paares das hohe Risiko, an der klassischen Form der Myotonen Dystrophie Typ 1 zu erkranken, kann im Einzelfall die Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik (PID) erlaubt sein. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik lehnte die von der Klägerin beantragte Zustimmung zur Durchführung einer PID mit Bescheid vom 14. März 2016 ab. Zur Begründung führte sie aus, eine PID dürfe nach dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) nur vorgenommen werden, wenn das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit bestehe. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben. Bei dem Partner der Klägerin liege eine genetische Disposition für die Muskelerkrankung Myotone Dystrophie Typ 1 vor. Charakteristische Symptome seien Muskelsteifheit und eine langsam fortschreitende Muskelschwäche, insbesondere der Gesichtsmuskeln, der Hals- und Nackenmuskulatur sowie der Muskulatur von Unterarmen und -schenkeln. Bei einer ganz beachtlichen Zahl von Patienten zeige sich die Erkrankung aber erst im höheren Lebensalter. Für eine schwere kindliche Form des Krankheitsbildes bestehe lediglich eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, da sie in der Regel nur über die Mutter vererbt werde. Die auf Erteilung der Zustimmung gerichtete Klage ist vor dem Verwaltungsgericht München und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ohne Erfolg geblieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass eine PID nur bei einer Erbkrankheit zulässig sei, die mindestens den Schweregrad der Muskeldystrophie vom Typ Duchenne (DMD) aufweise. Die DMD sei eine schwere und lebensbedrohende genetische Erkrankung, die progredient verlaufe und zu einem Muskelschwund führe, der in den meisten Fällen im jungen Erwachsenenalter zum Tod führe. Die bei dem Partner der Klägerin vorliegende klassische Form der Myotonen Dystrophie Typ 1 erreiche nicht den Schweregrad der DMD. Die Betroffenen seien nicht schon in der Kindheit und im jungen Erwachsenenalter auf intensive Pflege im Alltag angewiesen und erreichten das fortgeschrittene Erwachsenenalter. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Revision der Klägerin stattgegeben und den beklagten Freistaat Bayern verpflichtet, ihren Antrag auf Durchführung einer PID zustimmend zu bewerten. Die Klägerin hat gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 ESchG einen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung der Ethikkommission, weil für ihre Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit besteht. Hinsichtlich des Vorliegens dieser Voraussetzungen ist der Ethikkommission kein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Ihre Entscheidung unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung. Davon ist auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ausgegangen. Anders als der Verwaltungsgerichtshof angenommen hat, lässt sich aus der Vorschrift des § 3 ESchG über die verbotene Geschlechtswahl und der dortigen Einstufung der DMD als einer schwerwiegenden geschlechtsgebundenen Erbkrankheit aber nicht ableiten, dass der Schweregrad der DMD auch Maßstab für die Bewertung einer Krankheit als schwerwiegend i.S.d. § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG ist. Dagegen sprechen der unterschiedliche Wortlaut und Regelungszweck der beiden Normen. Nach der Gesetzesbegründung zu § 3a ESchG sind Erbkrankheiten insbesondere schwerwiegend, wenn sie sich durch eine geringe Lebenserwartung oder Schwere des Krankheitsbildes und schlechte Behandelbarkeit von anderen Erbkrankheiten wesentlich unterscheiden. Über die Zulässigkeit der PID ist in jedem Einzelfall gesondert zu entscheiden. Wenn fraglich ist, ob die Erbkrankheit bereits wegen der genetischen Disposition eines Elternteils hinreichend schwer wiegt, sind auch mit dieser Disposition in Zusammenhang stehende weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen, wie etwa der Umstand, dass die Eltern bereits ein Kind mit der schweren Erbkrankheit haben oder die Frau nach einer Pränataldiagnostik und ärztlichen Beratung einen Schwangerschaftsabbruch gemäß § 218a Abs. 2 StGB hat vornehmen lassen, oder dass der Elternteil mit der genetischen Disposition selbst hieran erkrankt ist. Danach liegen im Fall der Klägerin die Voraussetzungen des hohen Risikos einer schwerwiegenden Erbkrankheit vor. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Nachkommen der Klägerin und ihres Partners an der klassischen Form der Myotonen Dystrophie Typ 1 erkranken, bei 50 Prozent. Es handelt sich um eine multisystemische Erkrankung, die nicht nur die Skelettmuskulatur, sondern auch Auge, Herz, Zentralnervensystem und den Hormonhaushalt betreffen kann. Die Symptome beginnen in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter. Die Krankheit verläuft progredient. Betroffene haben mit erheblichen Beeinträchtigungen in der Lebensgestaltung und einer geringeren Lebenserwartung zu rechnen. Im Fall der Klägerin kommt hinzu, dass ihr Partner selbst deutliche Symptome der Erkrankung zeigt. Fußnote: Embryonenschutzgesetz - Auszug: § 3 Verbotene Geschlechtswahl Wer es unternimmt, eine menschliche Eizelle mit einer Samenzelle künstlich zu befruchten, die nach dem in ihr enthaltenen Geschlechtschromosom ausgewählt worden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Dies gilt nicht, wenn die Auswahl der Samenzelle durch einen Arzt dazu dient, das Kind vor der Erkrankung an einer Muskeldystrophie vom Typ Duchenne oder einer ähnlich schwerwiegenden geschlechtsgebundenen Erbkrankheit zu bewahren, … § 3a Präimplantationsdiagnostik; … (1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2)1 Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht.2 Nicht rechtswidrig handelt auch … (3)1 Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur 1. …, 2. nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und 3. …, vorgenommen werden. … BVerwG 3 C 12.19 - Urteil vom 05. November 2020 Vorinstanzen: VGH München, 20 BV 17.1507 - Urteil vom 14. März 2019 - VG München, M 18 K 16.1738 - Urteil vom 10. Mai 2017 -","Urteil vom 05.11.2020 - BVerwG 3 C 12.19ECLI:DE:BVerwG:2020:051120U3C12.19.0 EN Zustimmung zur Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik Leitsätze: 1. Den Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik ist in Bezug auf das Vorliegen der Voraussetzungen des hohen Risikos einer schwerwiegenden Erbkrankheit gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 ESchG kein Beurteilungsspielraum eingeräumt. 2. Über das Vorliegen der Voraussetzungen des hohen Risikos einer schwerwiegenden Erbkrankheit im Sinne von § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 ESchG ist in jedem Einzelfall gesondert zu entscheiden. Schwerwiegend ist eine Erbkrankheit insbesondere, wenn sich die Erkrankung durch eine geringe Lebenserwartung oder Schwere des Krankheitsbildes und schlechte Behandelbarkeit von anderen Erbkrankheiten wesentlich unterscheidet. 3. Ist fraglich, ob eine Erbkrankheit bereits wegen der nach der genetischen Disposition jedenfalls eines Elternteils zu erwartenden Krankheitsausprägung bei den Nachkommen als schwerwiegend einzustufen ist, sind auch mit der genetischen Disposition in Zusammenhang stehende weitere Belastungen der betroffenen Frau bzw. des Paares zu berücksichtigen. Rechtsquellen ESchG §§ 3, 3a Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 PIDV § 6 Abs. 4 Satz 1 GG Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 2 Instanzenzug VG München - 10.05.2017 - AZ: VG M 18 K 16.1738 VGH München - 14.03.2019 - AZ: VGH 20 BV 17.1507 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 05.11.2020 - 3 C 12.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:051120U3C12.19.0] Urteil BVerwG 3 C 12.19 VG München - 10.05.2017 - AZ: VG M 18 K 16.1738 VGH München - 14.03.2019 - AZ: VGH 20 BV 17.1507 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Prof. Dr. habil. Wysk, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner für Recht erkannt: Die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. März 2019 und des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 10. Mai 2017 werden geändert. Der Bescheid der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik vom 14. März 2016 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die zustimmende Bewertung zu der von ihr beantragten Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik zu erteilen. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, die zustimmende Bewertung zu der von ihr beantragten Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik (im Folgenden: PID) zu erteilen. 2 Sie beantragte unter dem 22. Januar 2016 bei der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik (im Folgenden: Ethikkommission) die Zustimmung zur Vornahme einer PID. Dem Antrag waren mehrere ärztliche Stellungnahmen beigefügt, darunter die Zusammenfassung über ein humangenetisches Beratungsgespräch vom 18. Dezember 2015. Daraus geht hervor, dass beim Partner der Klägerin molekulargenetisch eine Myotone Dystrophie Typ 1 bestätigt worden ist. Die Analyse des DMPK-Gens (Myotone Dystrophie Protein Kinase) habe eine Verlängerung des CTG-Repeats im 3'-untranslatierten Bereich von 500-1000 Repeats ergeben. Er zeige eine deutliche Muskelschwäche und weitere Symptome einer Myotonen Dystrophie, ebenso wie seine ältere Schwester und sein Vater. Im Fall einer Schwangerschaft der Klägerin bestehe eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent für die Geburt eines Kindes mit einer Myotonen Dystrophie Typ 1. 3 Durch Bescheid vom 14. März 2016 lehnte die Ethikkommission den Antrag der Klägerin ab. Eine zustimmende Bewertung zur Durchführung einer PID setze gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) voraus, dass für Nachkommen der Antragstellerin das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit bestehe. Schwerwiegend sei eine Erbkrankheit, wenn sie sich durch eine geringe Lebenserwartung oder Schwere des Krankheitsbildes und schlechte Behandelbarkeit von anderen Erbkrankheiten wesentlich unterscheide. Diese Voraussetzungen seien bei der Klägerin nicht erfüllt. Charakteristische Symptome einer Myotonen Dystrophie Typ 1 seien Muskelsteifheit und langsam fortschreitende Muskelschwäche, speziell der Gesichtsmuskeln, der Hals- und Nackenmuskulatur sowie der Muskeln der Unterarme und im unteren Abschnitt der Beine. Andere Organe könnten ebenfalls betroffen sein. Das Alter bei Krankheitsbeginn und die Art der Symptome hingen stark von der Länge der CTG-Repeatsequenz ab. Bei einer ganz beachtlichen Zahl von Patienten werde die Erkrankung jedoch erst im höheren Lebensalter erkennbar. Insbesondere im Fall der Klägerin bestehe, da die Erkrankung über den Vater vererbt werde, lediglich eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, dass bei den Nachkommen eine schwere kindliche Form des Krankheitsbildes vorliege. 4 Die dagegen erhobene Klage hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 10. Mai 2017 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine zustimmende Bewertung ihres Antrags. Die Ethikkommission habe einen Beurteilungsspielraum. Gerichtlich sei daher lediglich nachprüfbar, ob sie von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen sei, die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums eingehalten und die richtigen Bewertungsmaßstäbe angewendet habe. Das sei hier jeweils zu bejahen. 5 Die Berufung der Klägerin hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 14. März 2019 zurückgewiesen. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen: Schwerwiegend im Sinne von § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG seien nur Erkrankungen, deren Schweregrad mit dem der Muskeldystrophie Typ Duchenne vergleichbar sei. Das ergebe sich aus der Gesetzessystematik. In § 3 Satz 2 ESchG werde zur Konkretisierung des Begriffs ""schwerwiegend"" auf die Muskeldystrophie vom Typ Duchenne Bezug genommen und damit eine Referenzerkrankung zum Verständnis dieses Begriffs im Geltungsbereich des Embryonenschutzgesetzes geschaffen. Die Gesetzesmaterialien stützten diese Auslegung. Für die Einstufung einer Erbkrankheit als schwerwiegend könne jedoch nicht allein auf das Krankheitsbild und die Symptomatik der Muskeldystrophie Typ Duchenne abgestellt werden. Das verbiete der mit § 3a ESchG bezweckte Lebens- und Würdeschutz der Embryonen in vitro. Maßgeblich seien vielmehr die Auswirkungen, die die Erkrankung des Kindes für die gesamte Lebensentwicklung und -gestaltung der Mutter bzw. der Eltern habe. Der Eingriff in die Grundrechte von Embryonen in vitro sei im Fall einer medizinisch schwerwiegenden Erbkrankheit nur gerechtfertigt, weil den Eltern wegen des zu erwartenden hohen Pflegeaufwandes und der großen körperlichen und psychischen Belastung die Erkrankung des Kindes nicht zumutbar sei. Für dieses Normverständnis spreche auch die Begründung zum Präimplantationsdiagnostikgesetz, die auf § 218a Abs. 2 StGB als Anknüpfungspunkt für die ebenfalls als Rechtfertigungsgrund formulierte Regelung des § 3a Abs. 2 ESchG Bezug nehme. Allerdings sehe § 3a Abs. 2 ESchG abweichend von § 218a Abs. 2 StGB keine individuelle Entscheidung nach Unzumutbarkeitskriterien vor. Für die Zulässigkeit einer PID sei daher allein auf die Schwere der Erkrankung abzustellen, die im Sinne einer typisierenden Betrachtung die Unzumutbarkeit für die Eltern indiziere. Dagegen gebe es für eine Berücksichtigung der konkreten familiären Situation bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit keinen normativen Ansatzpunkt. Das in § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG verlangte hohe Risiko sei im Fall von monogenen Erbkrankheiten bei einer Eintrittswahrscheinlichkeit zwischen 25 und 50 Prozent zu bejahen. Die angefochtene Entscheidung der Ethikkommission unterliege der vollen gerichtlichen Überprüfung. Der vom Verwaltungsgericht angenommene Beurteilungsspielraum finde im Gesetz keine Stütze. Danach lägen die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG im Fall der Klägerin nicht vor. Die bei ihrem Partner vorliegende klassische Form der Myotonen Dystrophie Typ 1 erreiche nicht den Schweregrad der Muskeldystrophie Typ Duchenne. Insbesondere seien die Betroffenen nicht schon in der Kindheit und im jungen Erwachsenenalter auf intensive Pflege im Alltag angewiesen. Sie hätten zwar eine eingeschränkte Lebenserwartung, erreichten jedoch das fortgeschrittene Erwachsenenalter. Patienten mit der Muskeldystrophie Typ Duchenne erreichten bei sehr frühem Verlust der Gehfähigkeit und progredientem Krankheitsverlauf bislang nur das dritte Lebensjahrzehnt. Die kongenitale Form der Myotonen Dystrophie Typ 1 dürfte zwar die Kriterien für eine schwerwiegende Erbkrankheit erfüllen. Für sie bestehe hier aber kein hohes Risiko, da sie fast ausschließlich über die mütterliche Keimbahn und nicht über den Vater vererbt werde. 6 Mit der vom Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie macht im Wesentlichen geltend: Der Verwaltungsgerichtshof habe fehlerhaft angenommen, dass eine schwerwiegende Erbkrankheit im Sinne des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG nur vorliege, wenn die Erkrankung im Schweregrad mit der Muskeldystrophie Typ Duchenne vergleichbar sei. Der Begriff der schwerwiegenden Erbkrankheit in § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG könne nicht mit dem in § 3 Satz 2 ESchG gleichgesetzt werden. Der Gesetzgeber habe bei § 3a ESchG bewusst davon abgesehen, bestimmte Krankheiten festzulegen, die die Durchführung einer PID rechtfertigten. Auch erhielten die in § 3a Abs. 3 Satz 1 ESchG normierten Verfahrensanforderungen ihren Sinn gerade dadurch, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG weniger streng seien als die des § 3 Satz 2 ESchG. Gegen eine Gleichsetzung spreche zudem, dass die Gesetzesbegründung zu § 3a ESchG eine eigenständige Erläuterung des Begriffs ""schwerwiegende Erbkrankheit"" enthalte. Zudem werde dort hervorgehoben, dass über die Durchführung der PID in jedem Einzelfall gesondert zu entscheiden sei. Auch habe der Verwaltungsgerichtshof übersehen, dass der Gesetzgeber eine widerspruchsfreie Lösung im Verhältnis zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs in § 218a Abs. 2 StGB bezweckt habe. Die Vornahme einer PID könne eine Spätabtreibung verhindern. Die Einengung auf die Muskeldystrophie Typ Duchenne trage diesem Ziel nicht ausreichend Rechnung. Der Umstand, dass § 218a Abs. 2 StGB auf eine für die Schwangere unzumutbare Situation abstelle, während § 3a ESchG auf bestimmte Krankheitsbilder abhebe, ändere nichts daran, dass die Konfliktlage vergleichbar sei. Unter Zugrundelegung des zutreffenden Maßstabes sei der Klage stattzugeben. Die Klägerin müsste bei einer Schwangerschaft ohne PID mit dem greifbaren Risiko leben, dass nicht nur ihr Partner, sondern auch ihr Kind ein Pflegefall sein würden. 7 Der Beklagte hält das Berufungsurteil im Ergebnis für richtig. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Ethikkommission ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukomme, erscheine zutreffend. Der Verwaltungsgerichtshof gehe selbst davon aus, dass sich § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 3 Nr. 2 ESchG Anhaltspunkte entnehmen ließen, wonach der Gesetzgeber der Ethikkommission einen Beurteilungsspielraum habe einräumen wollen. Die vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommene Orientierung am Schweregrad der Muskeldystrophie Typ Duchenne sei zweifelhaft. § 3 Satz 2 und § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG wiesen inhaltliche Unterschiede auf, die gegen eine Gleichsetzung des Begriffs ""schwerwiegende Erbkrankheit"" sprächen. Unabhängig davon lägen die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG aber nicht vor. Es bestehe weder ein hohes Risiko für eine kindliche Form der Myotonen Dystrophie Typ 1, noch sei ersichtlich, dass im Fall der milder verlaufenden klassischen Form von einer schwerwiegenden Erbkrankheit auszugehen sei. Die von § 3a ESchG und § 218a Abs. 2 StGB in den Blick genommenen Konfliktlagen mögen zwar ähnlich sein, aus rechtlicher und ethischer Sicht bestehe aber ein grundlegender Unterschied. Bei § 218a Abs. 2 StGB gelte es, einen Konflikt zu lösen, den die Schwangere nicht gewollt habe und in den sie unverschuldet geraten sei. Bei der PID werde die Situation, eine Auswahl zulasten der von einer bestimmten Erbkrankheit betroffenen Embryonen in vitro zu treffen, bewusst herbeigeführt. 8 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht merkt in Übereinstimmung mit den Bundesministerien für Gesundheit, der Justiz und für Verbraucherschutz sowie des Innern, für Bau und Heimat an, dass die Bewertung der Ethikkommission der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliege. Die Ethikkommission habe die Aufgabe, die unbestimmten Rechtsbegriffe ""schwerwiegende Erbkrankheit"" und ""hohes Risiko"" im konkreten Einzelfall auszulegen. Die Auslegung habe sich am Willen des Gesetzgebers zu orientieren, wie er in der Gesetzesbegründung zum Präimplantationsdiagnostikgesetz zum Ausdruck komme. Der Gesetzgeber habe bei § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG bewusst auf einen Katalog bestimmter Krankheiten verzichtet. Die Feststellung, ob ausnahmsweise eine PID vorgenommen werden könne, obliege dem behandelnden Arzt nach medizinischer Indikation im jeweiligen Einzelfall und der Bewertung durch die Ethikkommission. II 9 Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat fehlerhaft angenommen, schwerwiegend im Sinne von § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG seien nur Erbkrankheiten, die den Schweregrad der Muskeldystrophie vom Typ Duchenne erreichten. Eine schwerwiegende Erbkrankheit im Sinne der Vorschrift liegt insbesondere vor, wenn sich die Krankheit durch eine geringe Lebenserwartung oder Schwere des Krankheitsbildes und schlechte Behandelbarkeit von anderen Erbkrankheiten wesentlich unterscheidet. Ist fraglich, ob eine Erbkrankheit bereits wegen der nach der genetischen Disposition jedenfalls eines Elternteils zu erwartenden Krankheitsausprägung bei den Nachkommen als schwerwiegend einzustufen ist, sind auch mit der genetischen Disposition in Zusammenhang stehende weitere Belastungen der betroffenen Frau bzw. des Paares zu berücksichtigen. Danach hat die Klage Erfolg (§ 113 Abs. 5 Satz 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin hat gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 ESchG, § 6 Abs. 4 Satz 1 PIDV einen Anspruch auf Erteilung der zustimmenden Bewertung zu der von ihr beantragten Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik, weil die Voraussetzungen des hohen Risikos einer schwerwiegenden Erbkrankheit vorliegen. 10 1. Die Klägerin verfolgt ihr Begehren zulässig im Wege der Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat im Einklang mit revisiblem Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) angenommen, dass die Entscheidung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik nach § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 ESchG, § 6 Abs. 4 Satz 1 PIDV die Voraussetzungen eines Verwaltungsakts gemäß Art. 35 Satz 1 BayVwVfG erfüllt (vgl. auch Begründung zur Verordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, BR-Drs. 717/12 S. 30 ; zur Behördeneigenschaft der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik: Bayerischer Landtag, Begründung zum Gesetz zur Ausführung der Präimplantationsdiagnostikverordnung, Drs. 17/2382 S. 8 ). 11 2. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei einer Verpflichtungsklage regelmäßig der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung. Für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Erteilung der zustimmenden Bewertung zur beantragten Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 ESchG, § 6 Abs. 4 Satz 1 PIDV ergibt sich aus dem materiellen Recht kein abweichender Beurteilungszeitpunkt. Anzuwenden sind danach das Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz - ESchG) vom 13. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2746), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21. November 2011 (BGBl. I S. 2228), und die Verordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Präimplantationsdiagnostikverordnung - PIDV) vom 21. Februar 2013 (BGBl. I S. 323), zuletzt geändert durch Art. 3 der Verordnung vom 2. Juli 2018 (BGBl. I S. 1078). 12 3. Nach § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG darf eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 nur vorgenommen werden, nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat. Entsprechend bestimmt die auf der Grundlage von § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG erlassene Präimplantationsdiagnostikverordnung in § 6 Abs. 4 Satz 1 PIDV, dass die Ethikkommissionen den Antrag auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik zustimmend zu bewerten haben, wenn sie nach Prüfung der in § 5 Abs. 2 PIDV genannten Angaben und Unterlagen unter Berücksichtigung der im konkreten Einzelfall maßgeblichen psychischen, sozialen und ethischen Gesichtspunkte zu dem Ergebnis kommen, dass die in § 3a Abs. 2 ESchG genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Die in § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG normierte Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Präimplantationsdiagnostik nach § 3a Abs. 1 ESchG setzt voraus, dass aufgrund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit besteht. 13 Der Verwaltungsgerichtshof hat zutreffend angenommen, dass die angefochtene Entscheidung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik der vollen verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliegt. Den Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik ist in Bezug auf das Vorliegen der Voraussetzungen des hohen Risikos einer schwerwiegenden Erbkrankheit gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 ESchG kein Beurteilungsspielraum eingeräumt. 14 a) Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert jedem den Rechtsweg, der geltend macht, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Damit wird sowohl der Zugang zu den Gerichten als auch die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gewährleistet. Der Bürger hat einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle, wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich um Eingriffe in geschützte Rechtspositionen oder die Versagung gesetzlich eingeräumter Ansprüche handelt. Aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes folgt grundsätzlich die Pflicht der Verwaltungsgerichte, die angefochtenen Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Das schließt auch eine Bindung an die im Verwaltungsverfahren getroffenen tatsächlichen oder rechtlichen Feststellungen und Wertungen im Grundsatz aus (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2011:​rs20110531.1bvr085707] - BVerfGE 129, 1 <20> m.w.N.). Nur ausnahmsweise ist es daher zu rechtfertigen, der Verwaltungsbehörde bei der Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs einen eigenen, gerichtlicher Kontrolle nur beschränkt zugänglichen Beurteilungsspielraum einzuräumen. Die ausnahmsweise Anerkennung eines Beurteilungsspielraums setzt voraus, dass die Verwaltung gesetzlich ermächtigt ist, abschließend darüber zu befinden, ob die durch einen unbestimmten Gesetzestatbestand oder -begriff gekennzeichneten Voraussetzungen vorliegen. Diese Ermächtigung muss ihrer Art und ihrem Umfang nach den jeweiligen Rechtsvorschriften zumindest konkludent - durch Auslegung - entnommen werden können. Darüber hinaus bedarf die Freistellung der Rechtsanwendung von gerichtlicher Kontrolle stets eines hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Sachgrundes (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <22 f.>; BVerwG, Urteile vom 21. Dezember 1995 - 3 C 24.94 - BVerwGE 100, 221 <225> und vom 30. Oktober 2019 - 6 C 18.18 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​301019U6C18.18.0] - BVerwGE 167, 33 Rn. 12 ff., jeweils m.w.N.). 15 b) Danach ist hier die Annahme eines Beurteilungsspielraums nicht gerechtfertigt. Den gesetzlichen Bestimmungen lässt sich eine Beurteilungsermächtigung für die Verwaltung nicht hinreichend deutlich entnehmen (aa) und es fehlt ein tragfähiger Sachgrund für die Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle (bb). 16 aa) Für die Annahme eines Beurteilungsspielraums genügt nicht, dass der Normgeber die nach § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG zu treffende Entscheidung einer unabhängigen, interdisziplinär zusammengesetzten Ethikkommission übertragen hat (§ 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 3 Nr. 2 ESchG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 und 3 PIDV), deren Mitglieder in ihrer Meinungsbildung und Entscheidungsfindung unabhängig und weisungsfrei sind (§ 4 Abs. 2 Satz 1 PIDV). Zwar kann die Übertragung der Zuständigkeit für Verwaltungsentscheidungen auf ein pluralistisch besetztes, mit besonderer Fachkunde ausgestattetes Kollegialorgan für die Absicht des Gesetzgebers sprechen, der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum zuzuweisen (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. November 1993 - 3 C 38.91 - BVerwGE 94, 307 <311>, vom 16. Mai 2007 - 3 C 8.06 - BVerwGE 129, 27 Rn. 27 und vom 14. Oktober 2015 - 6 C 17.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​141015U6C17.14.0] - BVerwGE 153, 129 Rn. 35, jeweils m.w.N.). Dieser Schluss ist hier aber weder durch den Wortlaut der Regelungen vorgegeben, noch kommt in den Gesetzgebungsmaterialien zum Ausdruck, dass die letztverbindliche Auslegung der in § 3a Abs. 2 ESchG genannten Voraussetzungen des hohen Risikos einer schwerwiegenden Erbkrankheit der Ethikkommission vorbehalten und die verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sein soll (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5451 S. 7 ff.; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 17/6400 S. 11 ff.; Begründung zur Verordnung der Bundesregierung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, BR-Drs. 712/12 S. 10 f., 25 ff.). Die Regelungssystematik des § 3a ESchG spricht gegen die Einräumung eines Beurteilungsspielraums für die Ethikkommission. Gemäß § 3a Abs. 1 ESchG macht sich strafbar, wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht. § 3a Abs. 2 ESchG regelt, unter welchen Voraussetzungen die Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 1 nicht rechtswidrig ist. Der Rechtfertigungstatbestand nach § 3a Abs. 2 ESchG setzt nicht voraus, dass eine zustimmende Bewertung der Ethikkommission vorliegt. Wer entgegen § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt, handelt nach § 3a Abs. 4 ESchG ordnungswidrig. Daraus ergibt sich, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 ESchG von den Strafgerichten in vollem Umfang nachzuprüfen ist (vgl. Frister/Lehmann, JZ 2012, 659 <661>; Pelchen/Häberle, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand Juli 2020, § 3a ESchG Rn. 7). Es ist nicht plausibel, dass demgegenüber die verwaltungsgerichtliche Kontrolle derselben unbestimmten Rechtsbegriffe eingeschränkt sein soll. 17 bb) Es fehlt außerdem an einem hinreichend gewichtigen Sachgrund, der die Einschränkung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes rechtfertigen würde. 18 (1) Die Anforderungen an die Gewichtigkeit des Sachgrundes sind besonders hoch, wenn es - wie hier - um einen Regelungsbereich geht, in dem verschiedene, konfligierende Rechts- und Schutzgüter von Verfassungsrang in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen sind (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130 <142> und vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <22 f.>). 19 Der Normgeber hat mit der Regelung des § 3a ESchG das Ziel verfolgt, die Grundrechtspositionen der betroffenen Frauen bzw. Paare und den Schutz der Embryonen in vitro zu einem verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5451 S. 7). Die Gesetzesbegründung verweist auf die besondere Verantwortung des Staates für den Schutz des geborenen und ungeborenen Lebens und auf den Schutz von Embryonen vor Missbräuchen auf der einen und die Grundrechte auf selbstbestimmte Lebensgestaltung und Fortpflanzungsfreiheit auf der anderen Seite (BT-Drs. 17/5451 S. 2, 7). Die Freiheit eines Paares zur Verwirklichung des Kinderwunsches ist durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt. Berührt sein dürfte zudem Art. 6 Abs. 1 GG. Inmitten stehen des Weiteren das Recht der Frau auf körperliche und seelische Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und ihr Anspruch auf Schutz und Achtung ihrer Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG; vgl. z.B. Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5210 S. 12, 28; Hufen, MedR 2001, 440 <442 ff.>; Müller-Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 548 ff., jeweils m.w.N.). Bei den von einer Präimplantationsdiagnostik betroffenen Embryonen in vitro kommen vor allem das Grundrecht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und die Würdegarantie (Art. 1 Abs. 1 GG) in Betracht (Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5210 S. 12 f., 28). Das Bundesverfassungsgericht hat nicht abschließend entschieden, ob das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte menschliche Leben bereits mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entsteht; es hat dies unter Verweis auf Erkenntnisse der medizinischen Anthropologie aber als naheliegend bezeichnet (BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90 u.a. - BVerfGE 88, 203 <251>). Hiervon ist auch der Gesetzgeber des Embryonenschutzgesetzes vom 13. Dezember 1990 ausgegangen (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen, BT-Drs. 11/5460 S. 6). Weite Teile des Schrifttums nehmen ebenfalls an, dass der grundrechtliche Schutz des Embryos bereits mit der Befruchtung der Eizelle einsetzt (vgl. zum Meinungsstand Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 2 Abs. 2 Rn. 26 ff.; Murswiek/Rixen, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 2 Rn. 143 ff.; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Stand August 2020, Art. 2 Abs. 2 Rn. 24 ff.). Danach dürfte sich die staatliche Pflicht zum Schutz des menschlichen Lebens auch auf Embryonen in vitro erstrecken. Art und Umfang des Schutzes im Einzelnen zu bestimmen, ist Aufgabe des Gesetzgebers (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90 u.a. - BVerfGE 88, 203 <254>). 20 Der Gesetzgeber des Präimplantationsdiagnostikgesetzes hat die Abwägung zwischen den konfligierenden Grundrechtspositionen dahingehend vorgenommen, dass er die Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik eng begrenzt zugelassen hat (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5451 S. 7). Gemäß § 3a Abs. 1 ESchG ist sie grundsätzlich verboten. § 3a Abs. 2 ESchG regelt, unter welchen Voraussetzungen sie ausnahmsweise nicht rechtswidrig ist. Die Zulässigkeit einer Präimplantationsdiagnostik setzt darüber hinaus die Einhaltung des in § 3a Abs. 3 Satz 1 ESchG normierten Verfahrens voraus. Den Ethikkommissionen sind gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG Entscheidungsbefugnisse in einem - wie gezeigt - besonders grundrechtssensiblen Bereich zugewiesen. 21 (2) Es ist kein tragfähiger Sachgrund ersichtlich, der die Einräumung eines Beurteilungsspielraums für die Ethikkommissionen in diesem grundrechtssensiblen Bereich rechtfertigen könnte (ebenso Huber/Lindner, MedR 2016, 502 <506>; Frister/Lehmann, JZ 2012, 659 <661>; Taupitz, in: Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 3a Rn. 62; a.A. Müller-Terpitz, in: Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3a ESchG Rn. 22). 22 (2.1) Er lässt sich nicht schon deshalb bejahen, weil nach § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG mit den interdisziplinär zusammengesetzten Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik ein mit besonderer Sachkunde ausgestattetes Gremium zur Entscheidung berufen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 6 C 18.18 - BVerwGE 167, 33 Rn. 19). 23 (2.2) Ein verwaltungsbehördlicher Beurteilungsspielraum kann vor allem gerechtfertigt sein, wenn das gesetzlich vorgegebene Entscheidungsprogramm vage ist und sich seine fallbezogene Anwendung als besonders schwierig und komplex erweist, weil eine Vielzahl von Bewertungsfaktoren ermittelt, gewichtet und in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden müssen, wofür zudem schwer kalkulierbare Prognosen angestellt werden müssen, oder wenn sich die Entscheidung einer Steuerung durch ein abstrakt-generelles Regelwerk weitgehend entzieht, weil sie von individuellen Einschätzungen und Erfahrungen geprägt ist (BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 - 6 C 16.09 - BVerwGE 138, 186 Rn. 42, vom 14. Oktober 2015 - 6 C 17.14 - BVerwGE 153, 129 Rn. 35 und vom 30. Oktober 2019 - 6 C 18.18 - BVerwGE 167, 33 Rn. 15). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Dass die in § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG genannten Tatbestandsmerkmale der schwerwiegenden Erbkrankheit und des hohen Risikos auslegungsbedürftig sind, rechtfertigt nicht die Annahme eines Beurteilungsspielraums. Die Begriffe lassen sich mit den herkömmlichen juristischen Methoden hinreichend sicher auslegen (vgl. nachstehend unter 5.). Die Prüfung der Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG erreicht auch nicht eine Schwierigkeit oder Komplexität, die die Erkenntnisfähigkeit der Verwaltungsgerichte übersteigt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Gerichte die Aufgabe, die entscheidungsrelevanten tatsächlichen Umstände festzustellen und rechtlich zu würdigen, nicht bewältigen könnten. Sie können auf die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 PIDV) sowie die Sachkunde der vorbefassten Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik zurückgreifen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 3, § 6 Abs. 2 Satz 1 PIDV). Erforderlichenfalls können sie sich zusätzlicher sachverständiger Hilfe bedienen (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2009 - 2 C 33.08 - BVerwGE 134, 108 Rn. 11 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 - BVerwGE 147, 244 Rn. 25). 24 4. Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, schwerwiegend im Sinne von § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG seien nur Erbkrankheiten, die den Schweregrad der Muskeldystrophie vom Typ Duchenne erreichten. Das ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. 25 a) Der Begriff der Erbkrankheiten im Sinne von § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG, der sich an dem allgemein anerkannten Stand der Gendiagnostik ausrichtet, erfasst insbesondere monogen bedingte Erkrankungen (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5451 S. 8). Davon ist auch der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen. 26 b) Anders als von ihm angenommen, lässt sich aus der Vorschrift des § 3 ESchG über die verbotene Geschlechtswahl und der dortigen Einstufung der Muskeldystrophie vom Typ Duchenne als schwerwiegende geschlechtsgebundene Erbkrankheit nicht ableiten, dass der Schweregrad der Muskeldystrophie vom Typ Duchenne auch Maßstab für die Bewertung einer Erbkrankheit als schwerwiegend im Sinne des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG ist. 27 aa) Dagegen spricht bereits der unterschiedliche Wortlaut der beiden Regelungen. 28 Gemäß § 3 ESchG wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer es unternimmt, eine menschliche Eizelle mit einer Samenzelle künstlich zu befruchten, die nach dem in ihr enthaltenen Geschlechtschromosom ausgewählt worden ist (Satz 1). Dies gilt nicht, wenn die Auswahl der Samenzelle durch einen Arzt dazu dient, das Kind vor der Erkrankung an einer Muskeldystrophie vom Typ Duchenne oder einer ähnlich schwerwiegenden geschlechtsgebundenen Erbkrankheit zu bewahren, und die dem Kind drohende Erkrankung von der nach Landesrecht zuständigen Stelle als entsprechend schwerwiegend anerkannt worden ist (Satz 2). In § 3 ESchG bezieht sich der Begriff ""schwerwiegend"" mithin nur auf geschlechtsgebundene Erbkrankheiten. In § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG bezieht er sich dagegen ohne Einschränkung auf Erbkrankheiten. 29 Die Formulierung ""ähnlich schwerwiegende[n] geschlechtsgebundene[n] Erbkrankheit"" in § 3 Satz 2 ESchG nimmt Bezug auf die Muskeldystrophie vom Typ Duchenne. Damit ist eindeutig bestimmt, dass der Schweregrad dieser Erkrankung Maßstab ist für die Einstufung einer geschlechtsgebundenen Erbkrankheit als schwerwiegend im Sinne des § 3 ESchG. Im Unterschied dazu benennt § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG keinen maßstabgebenden Bezugspunkt für den Begriff ""schwerwiegende Erbkrankheit"". Hätte der Schweregrad der geschlechtsgebundenen Erkrankung Muskeldystrophie vom Typ Duchenne auch für die Erbkrankheiten im Sinne des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG maßgeblich sein sollen, hätte nahegelegen, dies im Wortlaut der Norm klar zum Ausdruck zu bringen. 30 bb) Auch die Gesetzesmaterialien stützen die vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommene Auslegung nicht. 31 In der Gesetzesbegründung zu § 3a ESchG heißt es unter ""B. Einzelbegründung"" einleitend: ""Eine Einfügung der Bestimmung nach § 3 empfiehlt sich wegen einer Vergleichbarkeit der Regelungsinhalte: § 3 Satz 2 lässt aus schwerwiegenden genetischen Gründen eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot des Satzes 1 zu, eine Samenzelle für die künstliche Befruchtung nach dem Geschlecht auszuwählen; § 3a will aus entsprechenden Gründen - allerdings für den Fall einer Nichtimplantation bereits befruchteter Eizellen - eine begrenzte Ausnahme vom grundsätzlichen Schutz der Embryonen regeln."" (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5451 S. 8 ). Danach sieht der Normgeber die Vorschriften als vergleichbar an, weil beide als Verbotsregelung mit Ausnahmetatbeständen formuliert sind und weil in beiden Fällen nur aus schwerwiegenden genetischen Gründen eine Ausnahme von dem jeweiligen Verbot zugelassen wird. Dass der Schweregrad der Muskeldystrophie vom Typ Duchenne auch Maßstab für § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG sein soll, ergibt sich daraus nicht. 32 Anderes lässt sich auch nicht aus der Begründung zu § 3a Abs. 2 ESchG entnehmen. Dort heißt es: ""Der Begriff 'schwerwiegende Erbkrankheit' des Kindes nimmt auf eine vom ESchG bereits in § 3 Satz 2 verwendete Formulierung Bezug."" (BT-Drs. 17/5451 S. 8 ). Zwar könnte das bei isolierter Betrachtung auch dahin verstanden werden, dass der Gesetzgeber mit der begrifflichen Anknüpfung an § 3 Satz 2 ESchG eine inhaltliche Gleichsetzung zum Ausdruck bringen wollte. Die nachfolgende Erläuterung in der Gesetzesbegründung erhellt jedoch, dass der Normgeber mit der in § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG verwendeten Formulierung ""schwerwiegende Erbkrankheit"" ein eigenständiges Begriffsverständnis verbindet. Danach sind Erbkrankheiten insbesondere schwerwiegend, wenn sie sich durch eine geringe Lebenserwartung oder Schwere des Krankheitsbildes und schlechte Behandelbarkeit von anderen Erbkrankheiten wesentlich unterscheiden. Die Muskeldystrophie vom Typ Duchenne wird im Kontext dieser Definition - wie auch im sonstigen Begründungstext - nicht genannt. Zudem werden in der Gesetzesbegründung die beiden Voraussetzungen ""geringe Lebenserwartung"" und ""schwere des Krankheitsbildes und schlechte Behandelbarkeit"" in ein Alternativverhältnis gestellt (""oder""). Eine Muskeldystrophie vom Typ Duchenne wird dagegen regelmäßig beide dieser Voraussetzungen erfüllen. Damit würde es zu einer Verengung des vom Normgeber vorgesehenen Anwendungsbereichs von § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG führen, wäre der Maßstab - wie der Verwaltungsgerichtshof meint - im Typ Duchenne zu sehen. All das spricht gegen die Annahme, schwerwiegend im Sinne der Regelung seien nur Erkrankungen, die mindestens den Schweregrad der Muskeldystrophie Typ Duchenne aufwiesen. 33 cc) Gegen eine Übertragung der in § 3 Satz 2 ESchG konkret benannten Erkrankung als Maßstab für den nach § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG erforderlichen Schweregrad der Erbkrankheit spricht zudem der unterschiedliche Regelungszweck der beiden Normen. § 3 ESchG regelt das Verbot, eine Samenzelle für die künstliche Befruchtung nach dem Geschlecht auszuwählen. Eine gezielte Festlegung des Geschlechts des künftigen Kindes ist danach grundsätzlich unzulässig und nur in sehr eng umgrenzten Ausnahmefällen erlaubt. Der Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen hatte zunächst vorgesehen, die Auswahl der Samenzelle zuzulassen, wenn sie dazu dient, eine schwerwiegende geschlechtsgebundene Erbkrankheit des Kindes zu vermeiden (BT-Drs. 11/5460 S. 10). Im Gesetzgebungsverfahren ist die Ausnahmeregelung durch Einfügung der Erkrankung Muskeldystrophie Typ Duchenne als Maßstab für den erforderlichen Schweregrad präzisiert worden. Die Änderung wurde damit begründet, dass sie die Ausnahmen von der sonst verbotenen Geschlechtswahl deutlich eingrenze (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen, BT-Drs. 11/8057 S. 15). 34 Die Vorschrift des § 3a ESchG hat einen anders gelagerten Schutz- und Regelungszweck. Sie dient dem Ziel, die gesetzliche Grundlage für eine begrenzte Anwendung des medizinischen Verfahrens der Präimplantationsdiagnostik zu schaffen. In Ausnahmefällen soll die genetische Untersuchung von Zellen eines Embryos in vitro zulässig sein, um besonders schwere Erbkrankheiten und Chromosomenanomalien erkennen und gegebenenfalls durch eine Nichtimplantation des betroffenen Embryos die Weitergabe der Erkrankung an das Kind verhindern zu können (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5451 S. 2 f.). Das grundsätzliche Verbot der Präimplantationsdiagnostik bezweckt den Schutz der Embryonen in vitro vor Missbräuchen und soll medizinischen wie ethischen Bedenken hinsichtlich der Anwendung der Diagnostik Rechnung tragen. Mit der begrenzten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik nach § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG sollen Frauen bzw. Paare mit Kinderwunsch vor schweren körperlichen und seelischen Belastungen geschützt werden, die entstehen können, weil eines der oder beide Elternteile die genetische Disposition für eine schwerwiegende Erkrankung aufweisen und das hohe Risiko besteht, dass sie diese Erkrankung an ihr Kind weitergeben (BT-Drs. 17/5451 S. 2, 7). Auf eine Auflistung von Krankheiten als Indikation für eine zulässige Präimplantationsdiagnostik hat der Gesetzgeber bewusst verzichtet. Über jeden Fall soll einzeln entschieden werden (BT-Drs. 17/5451 S. 7). Dieses Regelungsziel wird verfehlt, wenn die in § 3 Satz 2 ESchG genannte Referenzerkrankung zum Maßstab für den erforderlichen Schweregrad der Erbkrankheiten im Sinne des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG gemacht wird. 35 dd) Die beiden Regelungen weichen zudem in der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung voneinander ab. § 3 ESchG sieht kein gesondertes Verwaltungsverfahren vor, in dem vor Durchführung der betreffenden künstlichen Befruchtung das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Satz 2 ESchG geprüft wird. Es ist lediglich bestimmt, dass die dem Kind drohende Erkrankung von der nach Landesrecht zuständigen Stelle als entsprechend schwerwiegend anerkannt worden sein muss (§ 3 Satz 2 Halbs. 2 ESchG). Es lag deshalb nahe, zur Konkretisierung des Ausnahmetatbestandes eine Referenzerkrankung zu benennen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen, BT-Drs. 11/8057 S. 15). Demgegenüber bestimmt § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG, dass vor Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG in einem Verwaltungsverfahren zu prüfen ist und überträgt die Verwaltungsentscheidung einem Gremium mit besonderer fachlicher Legitimation. Auch dieser Unterschied spricht gegen eine inhaltliche Gleichsetzung des Begriffs ""schwerwiegend"" in § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG mit dem Schweregrad der in § 3 Satz 2 ESchG benannten Muskeldystrophie Typ Duchenne. 36 ee) Für das Auslegungsergebnis des Verwaltungsgerichtshofs streitet auch nicht das Argument, mit der Anknüpfung an den Begriff ""schwerwiegend"" in § 3 Satz 2 ESchG ließen sich verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Normbestimmtheit ausräumen. Die Regelung des § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 ESchG genügt auch ohne diese Anknüpfung den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots aus Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 2 GG. 37 Nach dem aus dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Bestimmtheitsgebot sind Rechtsvorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Dabei darf sich der Gesetzgeber in gewissem Umfang auch unbestimmter Rechtsbegriffe bedienen, solange ihnen mit den herkömmlichen Methoden der Auslegung ein fassbarer Inhalt gegeben werden kann (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 7. Oktober 1988 - 7 C 65.87 - BVerwGE 80, 270 <275 f.>, vom 12. Mai 1999 - 6 C 14.98 - BVerwGE 109, 97 <102>, vom 21. Juni 2017 - 6 C 4.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​210617U6C4.16.0] - BVerwGE 159, 171 Rn. 10 und vom 24. Januar 2019 - 3 C 7.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​240119U3C7.17.0] - BVerwGE 164, 253 Rn. 23, jeweils m.w.N.). Art. 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit oder Bußgeldbewehrung so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Das schließt die Verwendung von Begriffen, die der Deutung durch den Richter bedürfen, nicht aus. Auch im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht bestehen gegen die Verwendung unbestimmter Begriffe keine Bedenken, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. April 2010 - 7 C 9.09 - juris Rn. 34 und vom 29. Februar 2012 - 9 C 8.11 - BVerwGE 142, 84 Rn. 16, jeweils m.w.N.). Danach erweist sich die Regelung des § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 ESchG als hinreichend bestimmt, weil die Rechtsbegriffe des ""hohen Risikos"" und der ""schwerwiegenden Erbkrankheit"" im Wege der Auslegung konkretisiert werden können (dazu nachstehend unter 5.). 38 5.a) Über das Vorliegen der Voraussetzungen des hohen Risikos einer schwerwiegenden Erbkrankheit nach § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 ESchG ist in jedem Einzelfall gesondert zu entscheiden. Das entspricht - wie gezeigt - dem Willen des Gesetzgebers und findet seinen Niederschlag in den Bestimmungen der Präimplantationsdiagnostikverordnung über das Verfahren zur Beantragung einer Präimplantationsdiagnostik (§ 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 ESchG i.V.m. § 5 f. PIDV). Danach wird die Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik zur Prüfung und Bewertung nach § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG nur auf schriftlichen Antrag der Frau tätig, von der die Eizelle stammt (§ 5 Abs. 1 PIDV). Der Antrag hat alle Angaben und Unterlagen zu enthalten, die die Ethikkommission für die Prüfung des Vorliegens der in § 3a Abs. 2 ESchG genannten Voraussetzungen benötigt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 PIDV). Das sind in den Fällen des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG insbesondere ein ärztlich-humangenetischer Befund über die genetische Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden, einschließlich der Bezeichnung der daraus hervorgehenden Erbkrankheit, sowie Angaben zur Erkrankungswahrscheinlichkeit der Nachkommen und zu der zu erwartenden Krankheitsausprägung (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 PIDV). Die Ethikkommission kann sich zur Prüfung des Antrags und der dafür eingereichten Unterlagen zusätzlich der in § 6 Abs. 2 Satz 1 PIDV benannten Erkenntnismittel bedienen. Dadurch wird sie in die Lage versetzt, sich die notwendige Expertise zur Beurteilung des konkreten Einzelfalls zu verschaffen und zu fundierten Bewertungen zu gelangen (vgl. Begründung zur Verordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, BR-Drs. 717/12 S. 30). Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 PIDV hat die Ethikkommission ihre Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 ESchG unter Berücksichtigung der im konkreten Einzelfall maßgeblichen psychischen, sozialen und ethischen Gesichtspunkte zu treffen. 39 b) Der Wortlaut des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG gibt keinen näheren Aufschluss über die Voraussetzungen, die die Einstufung einer Erbkrankheit als schwerwiegend im Sinne der Norm rechtfertigen. Der erforderliche Schweregrad wird dort nicht konkretisiert. Die Zusammenschau mit der in § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG geregelten zweiten Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Präimplantationsdiagnostik erhellt, dass die Ausnahme des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG nicht auf Erkrankungen beschränkt ist, die zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen können. Gemäß § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG handelt nicht rechtswidrig, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird. § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG sieht keine entsprechende tatbestandliche Begrenzung vor. 40 Den Gesetzesmaterialien kann entnommen werden, dass § 3a ESchG die Grundlage für eine eng begrenzte Anwendung der Präimplantationsdiagnostik schaffen soll. Die Diagnostik soll nur in ""Ausnahmefällen"" bzw. ""in eng definierten Fällen"" zulässig sein (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5451 S. 3, 7). Weiter heißt es zu den in § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG geregelten Fällen, dass es sich um eine ""besonders schwere"" Erbkrankheit handeln muss (BT-Drs. 17/5451 S. 7; s.a. S. 2 <""Weitergabe von besonders schweren Erkrankungen"">). Die Gesetzesbegründung konkretisiert den Begriff ""schwerwiegend"" - wie bereits gezeigt - dahin, dass das Merkmal insbesondere erfüllt ist, wenn sich die Erbkrankheit durch eine geringe Lebenserwartung oder Schwere des Krankheitsbildes und schlechte Behandelbarkeit von anderen Erbkrankheiten wesentlich unterscheidet (BT-Drs. 17/5451 S. 8). Damit hat der Normgeber vor allem Erbkrankheiten in den Blick genommen, die sich bereits im (frühen) Kindesalter manifestieren, zu schweren Störungen der körperlichen und/oder kognitiven Entwicklung oder sogar zu einem frühzeitigen Versterben der betroffenen Kinder führen können sowie unheilbar oder nur schlecht behandelbar sind (vgl. BT-Drs. 17/5451 S. 2: ""Es sind vor allem solche Paare, die bereits ein schwer krankes, vielleicht schon verstorbenes Kind haben ...""). Darauf ist der Anwendungsbereich des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG aber nicht beschränkt. Die Kriterien ""geringe Lebenserwartung"" und ""Schwere des Krankheitsbildes"" werden alternativ und nicht kumulativ genannt. Auch im Übrigen geht aus den Gesetzesmaterialien nicht hervor, dass schwere Erbkrankheiten, die sich jenseits des Kindesalters manifestieren, die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG nicht erfüllen können (BT-Drs. 17/5451 und 17/6400; vgl. auch Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5210 S. 27, 31 f.: Die Empfehlung, die PID bei spätmanifestierenden Krankheiten zu verbieten, hat weder in der Regelung des § 3a ESchG noch in der Gesetzesbegründung einen Niederschlag gefunden). 41 c) Maßgeblich für die Beurteilung der Schwere einer Erbkrankheit ist die im konkreten Einzelfall aufgrund der genetischen Disposition eines der beider Elternteile zu erwartende Krankheitsausprägung bei den Nachkommen. Ist danach fraglich, ob die Erbkrankheit bereits wegen der nach der genetischen Disposition jedenfalls eines Elternteils zu erwartenden Krankheitsausprägung bei den Nachkommen als schwerwiegend einzustufen ist, sind auch mit der genetischen Disposition in Zusammenhang stehende weitere Belastungen der betroffenen Frau bzw. des Paares zu berücksichtigen. 42 aa) Nach der Formulierung des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG ist die mögliche Erbkrankheit des Kindes Bezugspunkt für den zu beurteilenden Schweregrad. Erforderlich ist eine medizinische Indikation, aus der sich ergibt, dass die Krankheit zu schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen bei den Nachkommen führen kann. Grundlage für die Beurteilung der Schwere der zu erwartenden Krankheitsausprägung sind alle krankheitsbezogenen Faktoren, wie insbesondere Art und Schwere des Krankheitsbildes, Zeitpunkt der Manifestation von Krankheitssymptomen (Kindes-/Jugend-/Erwachsenenalter), Krankheitsverlauf, Behandelbarkeit der Erkrankung und Lebenserwartung. 43 bb) Ist danach fraglich, ob die Erbkrankheit hinreichend schwer wiegt, um die Vornahme der beantragten Präimplantationsdiagnostik rechtfertigen zu können, sind auch weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die mit der betreffenden genetischen Disposition in Zusammenhang stehen. 44 (1) Ein Regelungszweck der begrenzten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik ist - wie gezeigt - die Abwendung schwerer Belastungen insbesondere von den betroffenen Frauen, aber auch den Paaren oder Familien insgesamt. Der Gesetzgeber des Präimplantationsdiagnostikgesetzes hatte vor allem die Konfliktlage von Paaren mit einer genetischen Disposition für eine schwerwiegende Erbkrankheit im Blick, die bereits ein schwer krankes, vielleicht schon verstorbenes Kind haben oder bei denen die Frau nach einer Pränataldiagnostik und ärztlichen Beratung einen Schwangerschaftsabbruch gemäß § 218a Abs. 2 StGB hat vornehmen lassen (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5451 S. 2, 7). Das weist darauf hin, dass diese Gesichtspunkte bei der Prüfung des in § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG genannten Merkmals ""schwerwiegend"" Berücksichtigung finden sollen. Das Gleiche gilt für ähnlich schwere Belastungen des Paares, die mit der genetischen Disposition in Zusammenhang stehen, wie etwa der Umstand, dass ein Elternteil selbst erkrankt ist. 45 (2) Der Wortlaut des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG steht dieser Auslegung nicht entgegen. Aus ihm lässt sich kein Verbot ableiten, belastende Umstände der genannten Art in die Beurteilung der Schwere der Erbkrankheit einzubeziehen. Da sie ihre Ursache in der genetischen Disposition eines der oder beider Elternteile haben, findet ihre Berücksichtigung eine ausreichende Stütze in der Gesetzesformulierung. Sie weisen ebenfalls den erforderlichen Krankheitsbezug auf. Denn sie betreffen schwere körperliche oder seelische Belastungen, die die Erbkrankheit für die Betroffenen entweder schon mit sich gebracht hat oder die zukünftig noch zu erwarten sind. 46 (3) Dass bei der Beurteilung der Schwere der Erbkrankheit zusätzlich zu den medizinischen Auswirkungen der Erkrankung für die Nachkommen auch weitere, mit der genetischen Disposition in Zusammenhang stehende Gesichtspunkte berücksichtigungsfähig sind, erlaubt nicht den Schluss, dass im Fall ihres Nichtvorliegens die Einstufung der betroffenen Erbkrankheit als schwerwiegend ausgeschlossen ist. Vielmehr kann und muss dann allein anhand der zu erwartenden Krankheitsausprägung bei den Nachkommen geprüft werden, ob die Erbkrankheit schwerwiegend im Sinne von § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG ist. 47 (4) Aus § 6 Abs. 4 Satz 1 PIDV ergibt sich nichts Anderes. Danach haben die Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik ihre Entscheidung über das Vorliegen der in § 3a Abs. 2 ESchG genannten Voraussetzungen ""unter Berücksichtigung der im konkreten Einzelfall maßgeblichen psychischen, sozialen und ethischen Gesichtspunkte"" zu treffen. Die Formulierung ist im Einklang mit § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG auszulegen. In den Verordnungsmaterialien heißt es, in der Regel bedürfe es auch der Einbeziehung des familiären Hintergrunds des betroffenen Paares, weil sich die Einstufung einer Erbkrankheit als schwerwiegend selten aus der Diagnose allein ergebe (vgl. BR-Drs. 717/1/12 S. 8). Damit reicht die in § 6 Abs. 4 Satz 1 PIDV vorgesehene Einbeziehung psychischer, sozialer und ethischer Gesichtspunkte inhaltlich nicht über die gesetzliche Bestimmung des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG hinaus. Da sich die Berücksichtigungsfähigkeit der familiären Situation des Paares - wie gezeigt - bereits aus § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG ergibt, unterliegt die diesen Regelungsgehalt bloß wiederholende Verordnungsformulierung im Lichte von § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 ESchG, Art. 80 Abs. 1 GG keinen Bedenken (vgl. Pestalozza, MedR 2013, 343 <347>). 48 d) Der Verwaltungsgerichtshof hat zutreffend angenommen, dass das von § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG verlangte ""hohe Risiko"" bei monogenen Erbkrankheiten bejaht werden kann, wenn für die Nachkommen eine Erkrankungswahrscheinlichkeit von 25 bis 50 Prozent (und mehr) besteht. Diese Auslegung wird durch die Gesetzesmaterialien gestützt. In der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik heißt es, bezüglich der betreffenden Krankheit müsse bei dem Paar ein hohes genetisches Risiko vorliegen. Dies sei eine hohe Wahrscheinlichkeit, die vom üblichen Risiko der Bevölkerung in Deutschland wesentlich abweiche. Die Eintrittswahrscheinlichkeit sei nach den Gesetzlichkeiten der Übertragbarkeit und Kombination erblicher Anlagen genetisch einzuschätzen. Eine Wahrscheinlichkeit von 25 bis 50 Prozent werde als hohes Risiko bezeichnet (BT-Drs. 17/5451 S. 8; vgl. zu den monogen vererbten Krankheitsanlagen auch: Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5210 S. 5 f.). Gemäß § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG muss das ""hohe Risiko"" nicht auf einer genetischen Disposition beider Partner beruhen, sondern kann sich auch aus der genetischen Disposition eines Elternteils ergeben (vgl. auch BT-Drs. 17/5451 S. 8). 49 Die Vorgabe einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 25 Prozent dürfte nicht als eine starre Untergrenze zu verstehen sein. Die im Gesetzentwurf zunächst vorgesehene Formulierung ""hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erbkrankheit"" wurde im weiteren Gesetzgebungsverfahren durch die Formulierung ""hohes Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit"" ersetzt. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, die Erkrankungswahrscheinlichkeit des Kindes sei in bestimmten genetischen Fallkonstellationen wie zum Beispiel balancierten Translokationen nur schwer prozentual erfassbar. Das betroffene Elternteil sei selbst nicht erkrankt. Es bestehe aber ein erhöhtes Risiko, Nachkommen mit einer unbalancierten Translokation und damit einer sehr schwerwiegenden Erkrankung zu zeugen (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 17/6400 S. 14). Daraus kann abgeleitet werden, dass gegebenenfalls auch bei einem Risiko für eine schwerwiegende Erbkrankheit, das sich nicht mit mindestens 25 Prozent beziffern lässt, die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG erfüllt sein können. Das Risiko erweist sich in einem solchen Fall als ein ""hohes"", wenn es vom üblichen Risiko der Bevölkerung wesentlich abweicht (s.o.). 50 6. Danach hat die Klägerin gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG, § 6 Abs. 4 Satz 1 PIDV einen Anspruch darauf, dass die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik ihren Antrag auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik zustimmend bewertet. Die Voraussetzungen des hohen Risikos einer schwerwiegenden Erbkrankheit im Sinne von § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG sind in ihrem Fall erfüllt. Dies lässt sich anhand der vom Verwaltungsgerichtshof getroffenen Tatsachenfeststellungen und weiterer Sachverhaltsumstände, die sich aus den Akten ergeben, abschließend beurteilen. Der Senat kann deshalb in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). 51 a) Nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen besteht aufgrund der genetischen Disposition des Partners der Klägerin eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent und damit ein hohes Risiko, dass ihre Nachkommen an der klassischen Form der Myotonen Dystrophie Typ 1 erkranken. Die Myotone Dystrophie Typ 1 ist eine monogen bedingte Erkrankung und somit eine Erbkrankheit im Sinne von § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG. 52 b) Die Krankheit rechtfertigt unter den hier gegebenen Umständen ihre Einstufung als schwerwiegend. 53 aa) Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs handelt es sich um eine multisystemische Erkrankung, die neben der Skelettmuskulatur auch glatte Muskulatur, Auge, Herz, den Hormonhaushalt und das Zentralnervensystem betreffen kann. Im Bereich der Skelettmuskulatur führt sie zu einer Muskelschwäche und abnormen Muskelentspannbarkeit. Betroffen sind hauptsächlich die Gesichtsmuskeln, der Nackenbeuger sowie die distale Muskulatur der Extremitäten (Unterarme und Hände, Unterschenkel und Füße). Im Bereich des Herzens kann sich die Erkrankung in Form von Herzrhythmusstörungen und seltener in einer Herzmuskelschwäche (Kardiomyopathie) äußern. Am Auge entwickelt sich häufig eine Linsentrübung (Katarakt, Grauer Star). Hormonelle Störungen können sich z.B. in einem Diabetes mellitus zeigen. Typisch für die Erkrankung ist, dass die Patienten im Krankheitsverlauf an einer vermehrten Tagesmüdigkeit leiden (UA Rn. 101). Bei der klassischen Form der Myotonen Dystrophie Typ 1 (200 bis 1 000 Repeats) manifestieren sich die ersten Krankheitssymptome in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter. Die Erkrankung verläuft progredient und führt bei den Betroffenen zu erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen und Beeinträchtigungen in der Lebensgestaltung. Sie haben zudem eine geringere Lebenserwartung. Sie müssen damit rechnen, dass sie (nur) das fortgeschrittene Erwachsenenalter erreichen (UA Rn. 105; vgl. auch die Feststellung im erstinstanzlichen Urteil, UA S. 14: ""... zu einer geringeren Lebenserwartung von durchschnittlich 52-54 Jahren führt""). Diese nicht mit einer Verfahrens- oder Gegenrüge angegriffenen tatsächlichen Feststellungen sind für das Revisionsverfahren verbindlich (§ 137 Abs. 2 VwGO). 54 bb) Ob bereits aufgrund dieser erwartbaren Krankheitsausprägung bei den Nachkommen der Klägerin und ihres Partners von einer schwerwiegenden Erbkrankheit auszugehen ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Die Voraussetzung ist jedenfalls erfüllt, weil im Fall der Klägerin erschwerend hinzukommt, dass ihr Partner selbst deutliche Symptome der Erkrankung zeigt. Das lässt sich den von ihr bei der Ethikkommission eingereichten Unterlagen entnehmen und ist zwischen den Beteiligten unstreitig. 55 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2020-64,12.11.2020,"Pressemitteilung Nr. 64/2020 vom 12.11.2020 EN Klagen gegen eine Höchstspannungsfreileitung in Herdecke erfolglos Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute Klagen gegen eine Höchstspannungsfreileitung in der Stadt Herdecke und angrenzenden Gemeinden abgewiesen. Die Kläger wandten sich gegen den Planfeststellungsbeschluss für eine 380-kV-Höchstspannungsfreileitung zwischen der Umspannanlage (UA) Kruckel bis zur UA Garenfeld. Die Leitung soll in der Stadt Herdecke (u.a.) zwischen Wohngebieten in Semberg und Schraberg verlaufen. Auf den Masten sollen auch Leitungen geführt werden, die das Pumpspeicherwerk Herdecke (sog. Koepchenwerk) mit der UA Kruckel verbinden. Die Trasse verläuft überwiegend auf Trassen früherer Leitungen und im Verbund mit anderen, weiterhin bestehenden Freileitungen. Die Klagen blieben erfolglos. Beachtliche Verstöße gegen Verfahrensrecht hat das Bundesverwaltungsgericht verneint. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben ordnet das Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) an. Die Anforderungen des zwingenden Rechts, insbesondere des Immissionsschutzrechts, sind gewahrt. Das Bundesverwaltungsgericht hat auch die Abwägungsentscheidung gebilligt. Die Planfeststellungsbehörde hat es ohne durchgreifenden Fehler abgelehnt, die Leitung entlang der Autobahnen A 45 und A 1 zu führen. Diese Trassenführung hätte zwei Naturschutzgebiete neu betroffen, einen bisher nicht für Freileitungen genutzten Raum in Anspruch genommen, auf rund 8 km Waldflächen beeinträchtigt und die Bündelung von Freileitungen aufgelöst. Angesichts dieser Nachteile durfte sich die Planfeststellungsbehörde für die gewählte Trasse entscheiden, obwohl diese das Wohnumfeld in Herdecke beeinträchtigt. Insbesondere durfte die Behörde bei der Bewertung dieser Beeinträchtigungen berücksichtigen, dass die Leitung einen vorbelasteten Trassenraum nutzt und im Verbund mit anderen Leitungen geführt wird. Die Abwägungsentscheidung war auch i.Ü. nicht zu beanstanden. Dies gilt sowohl für die Entscheidung, das Pumpspeicherwerk nach Kruckel anzubinden als auch für die Entscheidung, die Leitung als Freileitung auf Stahlgittermasten zu führen. BVerwG 4 A 13.18 - Urteil vom 12. November 2020","Urteil vom 12.11.2020 - BVerwG 4 A 13.18ECLI:DE:BVerwG:2020:121120U4A13.18.0 EN Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 12.11.2020 - 4 A 13.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:121120U4A13.18.0] Urteil BVerwG 4 A 13.18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Decker, Prof. Dr. Külpmann und Dr. Hammer für Recht erkannt: Die Klagen werden abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger je zur Hälfte. Gründe I 1 Die Kläger wenden sich als Enteignungsbetroffene gegen einen Planfeststellungsbeschluss für eine Höchstspannungsfreileitung. 2 Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss (PFB) vom 26. Juli 2018 stellt den Plan für die Errichtung und den Betrieb einer 380-kV-Höchstspannungsfreileitung zwischen der Umspannanlage (UA) Kruckel und der UA Garenfeld (Bl. 4319) mit einer Länge von rund 10,8 km sowie Folgemaßnahmen fest. Die Leitung ist der nördlichste Abschnitt des Leitungsvorhabens ""Neubau Höchstspannungsleitung Kruckel - Dauersberg, Nennspannung 380 kV"" (Nr. 19 der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz - EnLAG). 3 Beginnend im Dortmunder Stadtteil Kruckel verläuft die planfestgestellte Trasse in überwiegend südlicher Richtung und erreicht bei Mast 14 die Straße ""Auf dem Schnee"" und damit das Gemeindegebiet der Stadt Herdecke. Die Leitung wird in einer Tallage im Landschaftsschutzgebiet (LSG) Peddenpohl zwischen den besiedelten Gebieten Schraberg und Semberg geführt, dort soll der 87 m hohe Mast 18 errichtet werden. Die Trasse führt im weiteren Verlauf durch ein Gewerbegebiet und den Ortsteil Ostende. Nach Querung der B 54 werden mehrere Masten in ansteigendem Gelände im Waldgebiet Kleff errichtet, u.a. der 87,50 m hohe Mast 24. Auf der Höhe befindet sich das Speicherbecken des Pumpspeicherwerks (PSW) Herdecke, des ehemaligen Koepchenwerks. Bei Mast 26 schwenkt die Trasse nach Osten, folgt dem absteigenden Geländeverlauf, überspannt den in der Gemeinde Hagen liegenden Hengsteysee und quert das Naturschutzgebiet (NSG) Uhlenbruch, das mit zwei Maststandorten in Anspruch genommen wird. Die Trasse verläuft weiter über gewerblich genutzte Flächen in Hagen-Bathey, die Lenne und die Autobahn A 1, bei Mast 41 erreicht sie die UA Garenfeld. Planfestgestellt sind Masten mit einer Höhe zwischen 51 m und 87,50 m; die durchschnittliche Höhe beträgt 63 m. Die Masten werden als Stahlgittermasten in der Bauform Tonne errichtet, bei Mitführung weiterer Leitungen zwischen den Masten 6 und 23 mit fünf Traversen. 4 Die Leitung verläuft nördlich des Hengsteysees überwiegend im Verbund mit anderen Leitungen. Ab Mast 6 wird die Trasse mittig zwischen der Bahnstromleitung DB0451 und der 110-kV-Leitung Kruckel-Volmarstein der AVU Netz GmbH geführt. Bei einer leichten Verschwenkung der AVU-Leitung zwischen Mast 13 und Mast 16 bleibt dieser Verbund bis Mast 20 erhalten. Die Bahnstromleitung verlässt zwischen den Masten 25 und 26 den Trassenraum. 5 Der Plan stellt die Änderung bestehender Leitungen fest. Demontiert werden u.a. eine Höchstspannungsfreileitung zwischen Kruckel und dem Pumpspeicherwerk (Bl. 2308), auf deren Trasse zwischen Mast 6 und Mast 24 die planfestgestellte Leitung errichtet werden soll, und die Höchstspannungsfreileitung Koepchenwerk-Hattingen (Bl. 2313), die im bisherigen Trassenband zwischen den Masten 16 und 24 verläuft, sowie weitere Leitungen. Der Planfeststellungsbeschluss gestaltet auch die Anbindung des PSW Herdecke neu. Das Werk soll künftig nicht mehr an die UA Garenfeld und die UA Kruckel angebunden sein, sondern allein an die UA Kruckel, indem zwei 110-kV-Stromkreise auf den Masten der neuen Leitung (Bl. 4319) mitgenommen werden. 6 Der Kläger zu 1 ist Eigentümer eines Grundstücks in D. (Gemarkung R., Flur ..., Flurstück ...), das für den Standort des Mastes 12 in Anspruch genommen werden soll; ein unmittelbar benachbartes Grundstück des Klägers zu 1 (Flurstück ...) wird zu Wohnzwecken genutzt. Die Klägerin zu 2 ist Eigentümerin von Wohngrundstücken (Gemarkung E., Flur ..., Flurstücke ... und ...) und Gewerbegrundstücken (Gemarkung E., Flur ..., Flurstücke ... und ...) in H., die jeweils überspannt werden sollen. 7 Die Kläger sehen sich durch den Planfeststellungsbeschluss in ihren Rechten verletzt. Sie machen Verfahrensfehler bei der Auslegungsbekanntmachung geltend und stellen die Planrechtfertigung in Abrede. Der Planfeststellungsbeschluss verstoße gegen zwingende Vorschriften des Immissions- und Artenschutzrechts. Die Kläger halten insbesondere räumliche und technische Alternativen für nicht ausreichend abgewogen. Sie verlangen, die Leitung entlang der A 45 und A 1 zu führen und so das Stadtgebiet von Herdecke zu umgehen. Das Pumpspeicherwerk solle an die UA Garenfeld angeschlossen werden, so dass die Masten in Herdecke niedriger und die Zahl der Traversen verringert werden könnte. Nicht ausreichend abgewogen seien die technischen Alternativen eines Erdkabels und der Errichtung von Vollwandkompaktmasten. 8 Die Kläger beantragen, den Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Kruckel - Dauersberg, Bl. 4319, Abschnitt Kruckel - Garenfeld vom 26. Juli 2018 aufzuheben, hilfsweise, den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären, äußerst hilfsweise, den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zu verpflichten, Ansprüche des Klägers oder der Klägerin aus ihren Rechten als eigentumsbetroffene Dritte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. 9 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 10 Die Beigeladene beantragt, die Klage abzuweisen. 11 Sie verteidigen jeweils den Planfeststellungsbeschluss. II 12 Nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 1 Abs. 3 EnLAG i.V.m. Nr. 19 der Anlage zum EnLAG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug. Die Zuständigkeit erstreckt sich auf die planfestgestellte Anbindung des Pumpspeicherkraftwerks. Denn Gegenstand der Planfeststellung sind nach § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW auch notwendige Folgemaßnahmen, also Maßnahmen, die über den Anschluss eines Vorhabens an das bestehende Netz und dessen Anpassung nicht wesentlich hinausgehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2015 - 7 C 11.12 - BVerwGE 151, 213 Rn. 31 und vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - BVerwGE 166, 132 Rn. 35). 13 Die Klage ist unbegründet. Die Kläger können weder die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses noch die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit oder die erneute Entscheidung über mögliche Schutzmaßnahmen zu ihren Gunsten verlangen. Denn der Planfeststellungsbeschluss verletzt sie nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). 14 A. I. Der Planfeststellungsbeschluss entfaltet gegenüber den Klägern enteignungsrechtliche Vorwirkung nach § 45 Abs. 2 Satz 1 EnWG und ist daher auf ihre Klage hin grundsätzlich umfassend zu prüfen. 15 Eigentümer, deren durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Grundeigentum jedenfalls teilweise durch Grunddienstbarkeiten in Anspruch genommen werden soll, haben einen Anspruch auf umfassende gerichtliche Kontrolle eines Planfeststellungsbeschlusses. Ihre Anfechtungsklage hat allerdings keinen Erfolg, wenn ein Rechtsfehler aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für die Eigentumsbetroffenheit nicht erheblich, insbesondere nicht kausal ist. Das ist etwa der Fall, wenn ein als verletzt geltend gemachter öffentlicher Belang nur von örtlicher Bedeutung ist und auch die fehlerfreie Beachtung dieses Belangs nicht zu einer Veränderung der Planung im Bereich des klägerischen Grundstücks führte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 23 f., vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 30 und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 15). 16 II. Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 24 und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 15). Zu berücksichtigen sind allerdings Rechtsänderungen, die zum Fortfall eines vormaligen Rechtsverstoßes des Planfeststellungsbeschlusses führen (BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 255 f. und vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 52). Der Planfeststellungsbeschluss vom 26. Juli 2018 ist daher am Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970, ber. S. 3621) zu messen, in den maßgeblichen Vorschriften zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) (im Folgenden EnWG a.F.). Das Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) vom 21. August 2009 (BGBl. I S. 2870) gilt in seiner Fassung vor der Änderung durch Art. 4 des Gesetzes vom 13. Mai 2019 (BGBl. I S. 706). Da das Planfeststellungsverfahren vor dem 31. Dezember 2015 beantragt worden ist, wird es gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 EnLAG dieser Fassung nach den bis dahin geltenden Vorschriften zu Ende geführt (EnLAG a.F.). Für die Umweltverträglichkeitsprüfung ist nach § 74 Abs. 2 Nr. 2 UVPG das UVPG in der vor dem 16. Mai 2017 geltenden Fassung (UVPG a.F.) anzuwenden. 17 III. Ermächtigungsgrundlage für den Planfeststellungsbeschluss ist § 43 Satz 1 Nr. 1 EnWG a.F. Danach bedürfen Hochspannungsfreileitungen, ausgenommen Bahnfernstromleitungen, mit einer Nennspannung von 110 Kilovolt oder mehr der Planfeststellung. 18 B. Die Bekanntmachung der Auslegung der Planunterlagen war nicht frei von Fehlern. Die Verfahrensfehler haben die Entscheidung in der Sache aber nicht beeinflusst und führen daher nicht zum Erfolg der Klage. 19 I. Nach der Auslegungsbekanntmachung werden ""Stromkreise vorhandener 110-kV-Freileitungen [...] auf dem neuen Mastgestänge mitgeführt"". Entgegen der Auffassung der Kläger führte diese Formulierung nicht in die Irre. 20 Gemäß § 73 Abs. 5 Satz 1 VwVfG NRW i.V.m. § 43 Satz 7 EnWG a.F. haben die Gemeinden, in denen der Plan auszulegen ist, die Auslegung vorher ortsüblich bekanntzumachen. Diese Bekanntmachung muss geeignet sein, eine Anstoßwirkung zu entfalten (BVerwG, Urteil vom 23. April 1997 - 11 A 7.97 - BVerwGE 104, 337 <341 f.>). Dies gilt auch für die Bezeichnung des jeweiligen Vorhabens (BVerwG, Urteil vom 1. September 1999 - 11 A 2.98 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 52 S. 5). Nach Auffassung der Kläger erweckte die Auslegungsbekanntmachung den Eindruck, alle vorhandenen 110-kV-Freileitungen im Trassenraum würden demontiert, künftig auf dem neuen Mastgestänge geführt und der Raum daher von weiteren Freileitungen dieser Spannungsebene vollständig entlastet. Der Vorwurf ist unberechtigt. Die Bekanntmachung spricht nicht davon, dass die Stromkreise sämtlicher vorhandener 110-kV-Leitungen mitgeführt werden. Die von den Klägern angenommene Lesart ergibt auch nicht der Zusammenhang mit dem vorangehenden Satz, der die Trassenräume beschreibt und im Übrigen nicht - etwa durch ein Demonstrativpronomen - in Bezug genommen wird. 21 II. Es bedurfte in der Auslegungsbekanntmachung keiner Angabe, wie viele Stromsysteme mit welcher maximalen Kapazität auf welcher Freileitung planfestgestellt werden sollen. 22 Diese Angaben waren für die vom Gesetz verlangte Anstoßwirkung nicht erforderlich. Ausreichend ist, wenn die Bekanntmachung den Anstoß zu einer näheren Beschäftigung mit den Planunterlagen und gegebenenfalls zur Abgabe von Stellungnahmen gibt, sie soll die Beschäftigung mit den ausgelegten Planunterlagen aber nicht entbehrlich machen (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2019 - 4 A 5.18 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 10 Rn. 21). Die Bekanntmachung informierte die Öffentlichkeit über den zentralen Gegenstand der Planfeststellung - den Bau und den Betrieb einer 380-kV-Höchstspannungsfreileitung in einem bestimmten Gebiet - und darüber, dass auch andere Leitungen betroffen seien. Warum die geforderten weiteren Angaben notwendig sein könnten, legen die Kläger nicht dar. Namentlich hätten auch diese Angaben Planbetroffene nicht in die Lage versetzt, die Immissionen durch elektromagnetische Strahlung oder Lärm bereits nach Lektüre der Auslegungsbekanntmachung einzuschätzen oder gar zu berechnen. Hierzu bedurfte es stets eines Studiums der Planunterlagen. 23 III. 1. Die Bekanntmachung genügte § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG a.F. nicht. Nach dieser Vorschrift hat die zuständige Behörde bei der Bekanntmachung zu Beginn des Beteiligungsverfahrens nach § 9 Abs. 1 UVPG a.F. die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten, welche Unterlagen nach § 6 UVPG a.F. vorgelegt wurden. Der Hinweis soll die betroffene Öffentlichkeit über alle wesentlichen vom Vorhabenträger vorgelegten umweltrelevanten Planunterlagen informieren und ihr dadurch einen Überblick verschaffen, welche Umweltbelange durch den Vorhabenträger einer Prüfung unterzogen wurden und mit welchen Detailinformationen sie im Rahmen der Auslegung rechnen kann. Daran gemessen ist der Hinweis unzureichend, dass ""die ausgelegten Planunterlagen die nach § 6 Abs. 3 UVPG notwendigen Angaben enthalten"". Dies hat der Senat bereits entschieden (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 22). 24 2. Der Verstoß gegen § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG a.F. ist ein relativer Verfahrensfehler, für den nach § 4 Abs. 1a Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG der § 46 VwVfG gilt (stRspr, BVerwG, Urteile vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 47, vom 14. Juni 2017 - 4 A 11.16 u.a. - BVerwGE 159, 121 Rn. 21 und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 23). 25 Nach § 46 VwVfG NRW kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 VwVfG NRW nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Kausalität im Sinne dieser Vorschrift setzt die nach den Umständen des Einzelfalls bestehende konkrete Möglichkeit voraus, dass die angefochtene Entscheidung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre; die bloß abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung genügt nicht. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird nach § 4 Abs. 1a Satz 2 UmwRG eine Beeinflussung vermutet (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 23 m.w.N.). 26 Der Senat hält für ausgeschlossen, dass die angefochtene Entscheidung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre. Die Fehler der Bekanntmachung sind von untergeordnetem Gewicht. § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG a.F. wäre durch eine aussagekräftige Aufzählung der im Zeitpunkt der Auslegung vom Vorhabenträger vorgelegten und sich mit den Umweltauswirkungen des Vorhabens beschäftigenden entscheidungserheblichen Unterlagen zu genügen gewesen (BVerwG, Urteile vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 21 und vom 26. Juni 2019 - 4 A 5.18 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 10 Rn. 20). Indes war schon angesichts des bekanntgegebenen Vorhabens, dem Bau und Betrieb einer 380-kV-Freileitung, offenkundig, dass es zu visuellen Beeinträchtigungen des Wohnumfeldes und des Landschaftsbildes kommen und Fragen des Immissionsschutzes aufgerufen werden könnten. Entsprechend erreichte die Bekanntmachung die geforderte Anstoßwirkung: Es gingen mehr als 900 Einwendungen zu dem Vorhaben ein. Im Übrigen hatten die Medien über das Vorhaben berichtet, es war Gegenstand der Lokalpolitik und wurde auf Veranstaltungen der Beigeladenen und einer Bürgerinitiative erläutert. Der Senat ist überzeugt, dass die Aufnahme der von § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG a.F. geforderten Angaben weder weitere Planbetroffene zu einer Befassung mit den Unterlagen angeregt noch zusätzliche, im Verfahren nicht erörterte Gesichtspunkte ans Licht gebracht hätte. 27 IV. Die Kläger beanstanden die Formulierung, Stromkreise ""vorhandener 110-kV-Freileitungen"" würden auf dem neuen Mastgestänge mitgeführt. Denn die damit (auch) angesprochene Freileitung Koepchenwerk - Gersteinwerk (Bl. 2308) sei im Bestand für einen Betrieb mit 220 kV genehmigt. Der Senat muss nicht entscheiden, ob dennoch von einer 110-kV-Freileitung gesprochen werden durfte, weil die Leitung mit dieser Spannung betrieben wird (PFB S. 41). Es ist offensichtlich, dass ein - unterstellter - Fehler die Entscheidung in der Sache nicht im Sinne von § 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG i.V.m. § 46 VwVfG NRW beeinflusst hat. Der breiten Öffentlichkeit ist unbekannt, mit welcher Spannungsebene bestimmte Leitungen genehmigt werden und ob ihr Betrieb von der Genehmigung abweicht. Sie kann dieser Angabe daher keine Bedeutung für die Frage beimessen, ob sie sich mit den Planunterlagen weiter befassen soll. Dies mag für Fachkreise oder interessierte Bürger mit entsprechendem Erfahrungswissen anders sein. Diese waren indes durch die Bekanntmachung im Übrigen bereits ausreichend zu einer Befassung angestoßen. 28 C. Die Planrechtfertigung liegt vor. 29 I. Die 380-kV-Freileitung ist ein Teilabschnitt des Vorhabens Nr. 19 der Anlage zum EnLAG a.F. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 EnLAG a.F. entspricht es daher den Zielsetzungen des § 1 EnWG a.F. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 EnLAG a.F. steht für dieses Vorhaben die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf fest. Diese Feststellungen sind nach § 1 Abs. 2 Satz 3 EnLAG a.F. für die Planfeststellung nach § 43 EnWG a.F. verbindlich. Die gesetzliche Bedarfsfeststellung gilt auch für einen Abschnitt eines Vorhabens (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 39) und ist vom Gericht zu beachten (BVerwG, Urteile vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 52 und vom 6. April 2017 - 4 A 1.16 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 5 Rn. 19). 30 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschriften bestehen nicht. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht bereits zu anderen Vorhaben nach dem Energieleitungsausbaugesetz entschieden (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 33 und vom 6. April 2017 - 4 A 2.16 u.a. - DVBl 2017, 1039 Rn. 33). Auch die Aufnahme des Vorhabens Nr. 19 in die Anlage zum EnLAG überschreitet die Grenzen des gesetzgeberischen Ermessens nicht. Dass die Bedarfsfeststellung evident unsachlich wäre (vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Juni 1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <347> und vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 25), zeigen die Kläger nicht auf. 31 Dem Vorhaben kann die Planrechtfertigung nicht mit der Begründung abgesprochen werden, es solle nicht nur Strom aus Windkraftanlagen, sondern auch aus Kohlekraftwerken aus dem östlichen Ruhrgebiet transportieren (PFB S. 61). Für die Planrechtfertigung kommt es darauf an, ob das Vorhaben mit den Zielen des Gesetzes übereinstimmt, so dass die Zulassung des Vorhabens im Allgemeinwohlinteresse erforderlich erscheint (BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2001 - 11 C 14.00 - BVerwGE 114, 364 <375>). Dabei ist es nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG dem demokratisch legitimierten, parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten, diejenigen Ziele des Gemeinwohls festzulegen, deren Erreichung erforderlichenfalls auch mittels Enteignung durchgesetzt werden sollen (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139, 3386/08 - BVerfGE 134, 242 Rn. 171). 32 § 1 Abs. 1 EnWG beschränkt das Ziel einer Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität nicht auf Strom aus erneuerbaren Energien wie der Windkraft. Zu dieser gesetzgeberischen Entscheidung steht das von den Klägern angeführte Rechtsgutachten von Ekardt in Widerspruch (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2020 - 4 VR 7.19 - ZNER 2020, 438 Rn. 35). 33 Das ""Wissenschaftliche Gutachten zu Geplante 380-kV-Leitung im Raum Herdecke unter besonderer Berücksichtigung eines Kohleausstiegs"" vom 22. August 2019 von Jarass zieht die Planrechtfertigung gleichfalls nicht in Zweifel. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2007 - 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 Rn. 68 und vom 28. April 2016 - 4 A 2.15 - BVerwGE 155, 81 Rn. 28). Daran geht das zentrale Argument des Gutachtens vorbei, der ""Kohleausstieg"" lasse die Planrechtfertigung entfallen. Denn am 26. Juli 2018 waren die Beratungen der Kommission ""Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung"" (sog. Kohlekommission) zur Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung noch nicht abgeschlossen, geschweige denn gesetzlich umgesetzt. Im Übrigen dürfte das Gutachten von Jarass den in der Rechtsprechung entwickelten Maßstab für die Annahme verfehlen, die gesetzliche Festlegung eines Bedarfs sei evident unsachlich. 34 II. Die Planrechtfertigung ist auch für die Anbindung des PSW Herdecke gegeben. 35 Ist die Planrechtfertigung nicht bereits gesetzlich bestimmt, erfordert sie die Prüfung, ob ein Vorhaben mit den Zielen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes übereinstimmt (fachplanerische Zielkonformität) und ob es für sich in Anspruch nehmen kann, in der konkreten Situation erforderlich zu sein. Das ist nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern bereits dann, wenn es vernünftigerweise geboten ist (BVerwG, Urteile vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 34 und vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 58). Die Planrechtfertigung unterliegt, soweit nicht behördliche Verkehrsprognosen in Rede stehen, uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle (BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 59 und Beschluss vom 23. Oktober 2014 - 9 B 29.14 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 237 Rn. 4). Es kommt also nicht ausschließlich auf die im Planfeststellungsbeschluss angegebene Begründung an (vgl. PFB S. 60 f., 87) (BVerwG, Urteile vom 6. Dezember 1985 - 4 C 59.82 - BVerwGE 72, 282 <285 f.> und vom 24. November 1989 - 4 C 41.88 - BVerwGE 84, 123 <131>). Die Errichtung eines Abschnitts des EnLAG-Vorhabens Nr. 19 warf die Frage auf, ob und wie weitere Leitungen im Trassenraum als Folgemaßnahmen verändert werden sollten. Dies umfasste die notwendige Anbindung des Pumpspeicherwerks an eine Umspannanlage. Damit liegt die Planrechtfertigung vor. Der Verlauf dieser Leitung ist keine Frage der Planrechtfertigung, sondern unterliegt der Abwägung. 36 D. Der Planfeststellungsbeschluss ist hinreichend bestimmt und regelt die Überwachung ausreichend. 37 I. Gemessen an § 37 Abs. 1 VwVfG NRW ist der Planfeststellungsbeschluss ausreichend bestimmt. Er setzt die Zahl der Stromsysteme fest (etwa PFB S. 45), die Zahl der Leiterseile folgt aus der Zahl der Stromsysteme: Drehstrom benötigt drei Leiterseile, Bahnstrom zwei. Auch die Kläger räumen ein, dass sich diese Angaben mit Fachkenntnissen dem Planfeststellungsbeschluss entnehmen lassen. Dass solche Kenntnisse notwendig sind, ist dem Gegenstand der Planfeststellung geschuldet. 38 Der Festsetzung einer maximalen Stromstärke bedurfte es nicht. Die Stromstärke wird durch den Umfang der Leiterseile und deren maximal mögliche Temperatur begrenzt. Eine ausdrückliche Festsetzung war auch nicht zu Gunsten von Planbetroffenen erforderlich. Denn insbesondere die Berechnung der elektromagnetischen Felder ist nach § 3 Abs. 2 Satz 1 der 26. BImSchV ohnehin auf der Grundlage der höchsten betrieblichen Anlagenauslastung vorzunehmen. 39 II. Die Kritik der Kläger an den Festsetzungen zur Überwachung des Vorhabens in Ziff. 5.14.1 der Nebenbestimmungen greift nicht durch. 40 Nach § 43i Abs. 1 Satz 1 EnWG a.F. obliegt es der für die Zulassung zuständigen Behörde, die Einhaltung der genannten Bestimmungen durch geeignete Überwachungsmaßnahmen sicherzustellen. Nach § 43i Abs. 1 Satz 2 EnWG a.F. kann die Überwachung dem Vorhabenträger aufgegeben werden. Dies ist hier geschehen. Dass der in der Nebenbestimmung Nr. 5.14.1 enthaltene Zusatz ""im Rahmen ihrer auch im Übrigen nach dem EnWG obliegenden Eigenüberwachung"" keine Beschränkung enthält, hat der Beklagte klargestellt. Im Übrigen hat die Planfeststellungsbehörde sich in Nr. 5.14.5 ausreichende Überwachungsbefugnisse vorbehalten. 41 E. Die Anforderungen des zwingenden Rechts sind gewahrt. 42 I. Das Immissionsschutzrecht ist beachtet. Das planfestgestellte Vorhaben unterliegt als sonstige ortsfeste Einrichtung nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, bedarf aber nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Der Betreiberpflicht nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG wird jedenfalls dann genügt, wenn der Betrieb keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG hervorruft. Dies ist der Fall. 43 1. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 der 26. BImSchV sind Niederfrequenzanlagen, die nach dem 22. August 2013 errichtet werden, zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen so zu errichten und zu betreiben, dass sie bei höchster betrieblicher Anlagenauslastung in ihrem Einwirkungsbereich an Orten, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, die im Anhang 1a der 26. BImSchV genannten Grenzwerte nicht überschreiten, wobei Niederfrequenzanlagen mit einer Frequenz von 50 Hertz die Hälfte des in Anhang 1a genannten Grenzwertes der magnetischen Flussdichte nicht überschreiten dürfen. Damit betragen die Grenzwerte für die planfestgestellte Leitung für die elektrische Feldstärke 5 kV/m und für die magnetische Flussdichte 100 µT. Diese Grenzwerte sind eingehalten (vgl. PFB S. 113). 44 Die Grenzwerte der 26. BImSchV sind verfassungsgemäß (stRspr, BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 51 f., vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 188 und vom 26. Juni 2019 - 4 A 5.18 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 10 Rn. 87). An dieser Auffassung hält der Senat ungeachtet der Kritik der Kläger fest. Er verweist insoweit auf sein Urteil vom 17. Dezember 2013 a.a.O. sowie sein Urteil vom 21. Januar 2016 a.a.O., auch zu dem im dortigen Verfahren vorgelegten Gutachten. Die Auflage eines Forschungsprogramms des Bundesamts für Strahlenschutz aus dem Jahr 2017 mag ein Klärungsinteresse belegen, zeigt aber nicht, dass die Grenzwerte in verfassungswidriger Weise festgelegt worden sein könnten. 45 2. Koronaeffekte an den Leiterseilen werden Lärmimmissionen bewirken. Diese sind indes keine schädlichen Umwelteinwirkungen. 46 Den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert für anlagenbezogene Lärmimmissionen die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl S. 503). Ihr kommt eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 53 und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 60). 47 a) Der Planfeststellungsbeschluss betrachtet drei Immissionsorte (IO 1, IO 2a, IO 2b), für die er den Schutzanspruch eines allgemeinen Wohngebiets nach Nr. 6.1 Buchst. e TA Lärm mit einem Immissionsrichtwert zur Nachtzeit von 40 dB(A) annimmt. Dieser Richtwert wird an allen drei Immissionsorten bei starkem Schneefall (Emissionsansatz E 2a) geringfügig überschritten (40,4 dB(A); 40,9 dB(A); 41,8 dB(A)) (PFB S. 125). 48 Dies führt nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen. Denn starker Schneefall ist im Trassenraum ein seltenes Ereignis im Sinne der TA Lärm. Ist wegen voraussehbarer Besonderheiten beim Betrieb einer Anlage zu erwarten, dass in seltenen Fällen oder über eine begrenzte Zeitdauer, aber an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und nicht an mehr als jeweils zwei aufeinander folgenden Wochenenden die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 TA Lärm auch bei Einhaltung des Standes der Technik zur Lärmminderung nicht eingehalten werden können, kann nach Nr. 7.2 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm eine Überschreitung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zugelassen werden. Gemäß Nr. 6.3 TA Lärm betragen bei solchen seltenen Ereignissen die Immissionsrichtwerte für den Beurteilungspegel für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in allgemeinen Wohngebieten nachts 55 dB(A). 49 Gestützt auf die Wetterprognose der Station ""Breckerfeld-Wengeberg"" nimmt der Planfeststellungsbeschluss (PFB S. 125) an, es sei in insgesamt maximal acht Nächten im Jahr mit starkem Niederschlag oder Schneefall zu rechnen. Starker Schneefall ist danach in deutlich weniger als zehn Nächten zu erwarten. Selbst ausgehend von acht Ereignissen ""starker Schneefall"" ist bei Verteilung dieser Ereignisse über jeweils sieben Wochentage in den Wintermonaten nicht zu erwarten, dass es an mehr als zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden nachts stark schneit. 50 Die Kläger ziehen die Wetterprognose in Zweifel und haben die Behauptung unter Beweis gestellt, die in der Geräuschprognose des TÜV Hessen im Gutachten L 7588-A (Anhang 4) zugrunde gelegten Niederschlagsstatistiken seien auf den Bereich nördlich des Pumpspeicherwerks, also im Bereich der Masten 1 bis 23, nicht übertragbar. Die Beweisbehauptung ist indes unerheblich. Denn der Planfeststellungsbeschluss stützt seine Annahme zu einem seltenen Ereignis nicht auf die in Anhang 4 des genannten Gutachtens aufgeführten Niederschlagsstatistiken der Messstationen Düsseldorf und Köln-Bonn und Statistiken zu Baden-Württemberg, sondern auf die Wetterprognose der Station ""Breckerfeld-Wengeberg"". Diese liegt 17 km südlich von Herdecke und 16 km west-südwestlich von Garenfeld (vgl. Gutachten L 8313 des TÜV Hessen vom 9. Oktober 2017, S. 6 ff. ). Daran geht der Beweisantrag der Kläger vorbei. Hiervon unabhängig ziehen die Kläger die Übertragbarkeit der Daten nur ins Blaue hinein in Zweifel, wenn sie auf den Straßennamen ""Auf dem Schnee"", die Höhe über NN (252 m) und darauf verweisen, es schneie im Gebiet häufig und stark. Als Anwohner des Gebiets hätte es ihnen jedenfalls oblegen, die letztgenannte Behauptung zu substantiieren. 51 b) Die Kläger verlangen, die im Eigentum der Klägerin zu 2 stehenden Wohngebäude als maßgebliche Immissionsorte zu betrachten. Denn ihre Umgebung entspreche einem allgemeinen Wohngebiet, auf das als Vorbelastung der Lärm umliegender Gewerbegebiete einwirke. 52 Eine Berücksichtigung der Vorbelastung war indes nicht geboten. Denn nach Nr. 4.2 Buchst. c TA Lärm ist eine Berücksichtigung der Vorbelastung nur erforderlich, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte absehbar ist, dass die zu beurteilende Anlage im Falle der Inbetriebnahme relevant im Sinne von Nr. 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm zu einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 TA Lärm beitragen wird. Dies ist in der Regel nicht der Fall, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 TA Lärm um mindestens 6 dB(A) unterschreitet. Für die Wetterlagen der Emissionsansätze EA 0 - trockene Witterung - und EA 1 - leichter Niederschlag - sind bei den direkt überspannten Gebäuden Lärmimmissionen durch die Leitung zwischen 19,8 dB(A) und 30,7 dB(A) zu erwarten; diese Immissionen unterschreiten den Immissionsrichtwert für allgemeine Wohngebiete nach Nr. 6.1 TA Lärm um jedenfalls 9 dB(A). Gleiches gilt für den Emissionsansatz EA 2a - starker Schneefall. Für dieses seltene Ereignis nach Nr. 7.2 TA Lärm beträgt der Immissionsrichtwert nachts nach Nr. 6.3 TA Lärm 55 dB(A), die prognostizierten Lärmimmissionen liegen mehr als 13 dB(A) unterhalb dieses Wertes. Bei starkem Regen - EA 2b > 4,8 mm/h - werden etwaige Lärmimmissionen ohnehin überlagert. 53 Dass die Koronaeffekte der Leitung an den Wohngebäuden der Klägerin zu 2 höhere Lärmimmissionen als an den Immissionsorten IO 2a oder IO 2b bewirken könnten, machen die Kläger nicht geltend. Unsubstantiiert bleibt ihre Behauptung, von in der Nähe liegenden Gewerbebetrieben oder auch vom Gewerbegebiet südlich der N.straße gingen häufig Lärmereignisse aus, so dass Überschreitungen an insgesamt mehr als 14 Kalendertagen nach Nr. 7.2 Abs. 2 Satz 3 TA Lärm zu erwarten seien. 54 Nach dem Vorgesagten erweist sich die unter Beweis gestellte Behauptung als unerheblich, im gesamten O. Weg befinde sich nur Wohnnutzung. Die Kläger stützen mit ihrer Behauptung ihre Annahme, das Gebiet habe den Schutzanspruch eines allgemeinen Wohngebiets. Dieser Schutzanspruch ist indes erfüllt. Den Schutzanspruch eines reinen Wohngebiets reklamieren die Kläger nicht, er scheidet angesichts der örtlichen Verhältnisse im Übrigen auch aus. 55 II. Der Planfeststellungsbeschluss genügt den Anforderungen des Artenschutzes. Der Beschluss erkennt die Gefahren der Leitung für Vögel und ordnet in den Abschnitten am Hengsteysee (Masten Nr. 22 bis 31) und der Querung der Lenne (Masten Nr. 36 bis 39) an, unverzüglich nach Auflage der Erdseile Vogelschutzmarker anzubringen (Ziff. 5.3.17). 56 1. Gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es u.a. verboten, wildlebende Tiere der besonders geschützten Arten zu töten. Zu diesen besonders geschützten Arten gehören die europäischen Vogelarten nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a und b Doppelbuchst. bb BNatSchG, also nach § 7 Abs. 2 Nr. 12 BNatSchG die in Europa natürlich vorkommenden Vogelarten im Sinne des Art. 1 der Richtlinie 2009/147/EG. Für nach § 15 Abs. 1 BNatSchG unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die - wie hier - gemäß § 17 Abs. 1 BNatSchG zugelassen werden, gilt dieses Verbot nach Maßgabe von § 44 Abs. 5 Satz 2 bis 5 BNatSchG. Sind danach (u.a.) europäische Vogelarten betroffen, liegt ein Verstoß gegen das Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch das Vorhaben das Tötungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann. 57 Die Kläger werfen der Vorhabenträgerin vor, die Auswahl der betrachteten Arten im Planfeststellungsverfahren habe nicht den Anforderungen von Bernotat, D., Dierschke, V., Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen - 3. Fassung - Stand 20. September 2016 entsprochen. Es seien weitere Vogelarten zu betrachten gewesen, nämlich die Brandgans (Tadorna tadorna), die Schnatterente (Anas strepera), die Krickente (Anas crecca), die Löffelente (Anas clypeata), die Schellente (Bucephala clangula), der Baumfalke (Falco subbuteo), der Waldwasserläufer (Tringa ochropus) und der Steinkauz (Athene noctua). Die Beigeladene hat auf diesen Vorwurf eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme zum Artenschutz vorgelegt, die sich zu den Vorkommen der einzelnen genannten Vogelarten, ihrer vorhabenspezifischen Mortalität und der artspezifischen Wirksamkeit von Freileitungsmarkern äußert und im Ergebnis eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos verneint. Inhaltliche Einwände gegen diese Einschätzungen haben die Kläger nicht erhoben. 58 Einer Berücksichtigung des Gutachtens steht nicht entgegen, dass es bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht vorlag. Es belegt, dass schon zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses die Anforderungen des zwingenden Rechts gewahrt waren. Dass eine erneute Offenlage erforderlich gewesen sein könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 29 und 31), ist nicht ersichtlich, ebenso wenig, dass die Erkenntnisse für die Abwägungsentscheidung von Bedeutung gewesen sein könnten. Die pauschale Kritik, es fehle eine ausreichende Dokumentation der Brutvogelkartierung (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 2017 - 3 A 4.15 - BVerwGE 160, 263 Rn. 46), führt nicht auf einen Rechtsfehler. Denn die Kläger tragen nicht vor, warum die Ergebnisse der Bestandsaufnahme nicht verwertbar sein könnten (BVerwG, Urteil vom 4. Juni 2020 - 7 A 1.18 - NuR 2020, 709 Rn. 83 f.). 59 2. Die Kläger beanstanden das Prüfintervall von drei Jahren für den Zustand der Vogelschutzmarker als zu lang. Die Kritik mag auf sich berufen, weil ein kürzeres Prüfintervall die Eigentumsbetroffenheit der Kläger nicht veränderte. 60 III. Mit der Rüge, die Leitung wirke erdrückend, zeigen die Kläger keine zu ihren Gunsten zwingende rechtliche Grenze auf. 61 Die Kläger machen eine erdrückende Wirkung der Leiterseile auf ihr Wohneigentum geltend. Diese Kritik greift nicht durch. Denn den Leiterseilen fehlt die massive und bedrängende Wirkung eines Baukörpers (BVerwG, Urteile vom 22. Juni 2017 - 4 A 18.16 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 7 Rn. 44 und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 89). Ob der Mast 18 auf die umliegende Wohnbebauung erdrückend wirkt, kann der Senat offen lassen. Denn für die Eigentumsbetroffenheit der Kläger wäre eine erdrückende Wirkung dieses Mastes ohne Belang. Einem - unterstellten - Rechtsfehler könnte durch eine Verschiebung des Mastes im Trassenverlauf oder die Auferlegung eines Anspruchs nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG NRW Rechnung getragen werden (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 88). 62 IV. Die Kläger beanstanden die Behandlung des Schutzgutes Landschaft im Planfeststellungsbeschluss (PFB S. 82 f.). Dieser beschreibt aufbauend auf der Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU) den Eingriff in die Landschaft, basierend auf einem Untersuchungsraum von etwa 5 000 m um die geplante Freileitung. Im Ergebnis nimmt er an, dass der naturschutzrechtliche Eingriff durch den Rückbau anderer Höchstspannungsfreileitungen kompensiert werde. Die daran geübte Kritik der Kläger mag auf sich beruhen. Sie rügen der Sache nach, dass der Kompensationsflächenbedarf nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 BNatSchG höher sei als angenommen. Dies ist für die Eigentumsbeeinträchtigung der Kläger ohne Bedeutung (BVerwG, Urteile vom 21. März 1996 - 4 C 19.94 - BVerwGE 100, 370 <382>, vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 24 und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 68). Es fehlt jeder Anhaltspunkt, dass die Beigeladene von dem Vorhaben bei einem größeren Kompensationsflächenbedarf abgesehen hätte. 63 V. Es bedurfte keiner weiteren Vorkehrungen für die technische Sicherheit. Denn ein Planfeststellungsbeschluss kann die Bauausführung ausklammern, soweit der Stand der Technik für die zu bewältigenden Probleme geeignete Lösungen zur Verfügung stellt und die Beachtung der entsprechenden technischen Vorgaben gewährleistet ist (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 60 m.w.N.). Nach § 49 Abs. 1 EnWG sind Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Dies wiederholt der Sache nach Nr. 5.1.1 der Nebenbestimmungen. Warum das unzureichend sein könnte, legen die Kläger nicht dar und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Hinweis auf § 50 Satz 1 BImSchG führt gleichfalls nicht auf einen Rechtsfehler (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 190). 64 F. Die Abwägungsentscheidung hält der gerichtlichen Kontrolle im Ergebnis stand. Nach § 43 Satz 4 EnWG a.F. sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Februar 1975 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63 f.> und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 283 Rn. 73). 65 I. Der Planfeststellungsbeschluss entscheidet sich ohne durchgreifenden Rechtsfehler für den planfestgestellten Verlauf der Leitungen. 66 Die Auswahl unter verschiedenen Trassenvarianten ist ungeachtet der rechtlich zwingenden Vorgaben eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten ist die Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit erst überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <11> und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 82). 67 1. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist die Entscheidung für den Verlauf der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung (Bl. 4319). 68 Die Kläger verlangen, das Gebiet der Stadt Herdecke zu umgehen und die Leitung entlang der Autobahnen A 45 und A 1 zu führen. Diese 12,8 km lange Variante A 45/A 1 soll ausgehend von Kruckel dem Verlauf der A 45 nach Osten folgen und - bei sechsmaliger Querung - bis zur Kreuzung mit der K 20 grundsätzlich gebündelt mit der Autobahn verlaufen. Vor dem Westhofener Kreuz verschwenkt die Variante nach Süden, trifft von Norden bei Mast 1030 auf die A 1, wird entlang dieser Autobahn bis zur L 675 bei Mast 1037 geführt und von dort zur UA Garenfeld. Die Variante verläuft auf einer bisher nicht mit Höchstspannungsleitungen bebauten Trasse überwiegend durch Waldgebiete und nähert sich Siedlungsgebieten nur selten an. 69 a) Die Kläger werfen dem Planfeststellungsbeschluss zu Unrecht vor, die Variante A 45/A 1 nach einer Grobanalyse verworfen zu haben. Zwar darf die Planfeststellungsbehörde Alternativen, die ihr aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheinen, schon in einem frühen Verfahrensstadium ausscheiden (stRspr, BVerwG, Urteile vom 25. Januar 1996 - 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <249 f.> und vom 6. April 2017 - 4 A 2.16 u.a. - DVBl 2017, 1039 Rn. 63). Der Planfeststellungsbeschluss deutet ein solches Vorgehen lediglich an (PFB S. 92). Er untersucht die Variante aber als ernsthaft in Betracht kommende Alternative (PFB S. 92 ff.) und räumt auch den für die planfestgestellte Trasse sprechenden Gesichtspunkten der Vorbelastung und des Bündelungsgebots nicht in rechtswidriger Weise einen unbedingten Vorrang ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 35). 70 b) Beruhend auf einer im Januar 2017 vorgelegten Variantenuntersuchung (VU) führt der Planfeststellungsbeschluss im Kern gegen die Variante A 45/A 1 ins Feld, dass die Trasse zwei bisher unbelastete Naturschutzgebiete in Anspruch nehme, auf nicht durch Freileitungen vorgeprägte Siedlungsfreiräume und Eigentumsflächen zugreife, dem Grundsatz widerspreche, bestehende Leitungstrassen zu nutzen, und durch Waldflächen geführt werde (PFB S. 102). Die Argumente sind tragfähig. 71 aa) Die Beeinträchtigung von zwei Naturschutzgebieten nimmt der Planfeststellungsbeschluss ohne Rechtsfehler an (vgl. PFB S. 96). 72 (1) Das NSG Ebberg, gelegen nördlich der A 1 südwestlich des Westhofener Kreuzes, würde auf 160 m und ohne Wuchshöhenbeschränkung zwischen den Masten 1029 und 1030 überspannt. Obwohl damit weder Wald in Anspruch genommen noch die im Gebiet geschützten Tierarten beeinträchtigt werden, durfte der Planfeststellungsbeschluss die Beeinträchtigung dieses Naturschutzgebiets der Variante entgegenhalten. Denn C.1.1.1 (1) Nr. 11 des Landschaftsplans Nr. 6 des Kreises Unna für den Raum Schwerte verbietet die Verlegung oberirdischer Versorgungsleitungen in diesem Naturschutzgebiet. Dieses Verbot trägt zum Zweck des NSG Ebberg bei, das (u.a.) die besondere Eigenart und Schönheit des vielfältigen und stark strukturierten Höhenrückens schützt. 73 (2) Das NSG ""Ruhraue Syburg"" würde auf 560 m überspannt und es würden zwei Maststandorte im Gebiet notwendig. Die Kläger vermissen einen Vergleich dieser Maststandorte mit den Maststandorten im NSG Uhlenbruch auf der planfestgestellten Trasse. 74 Auf der Variante A 45/A 1 befinden sich die Standorte der Masten 1031 und 1032 im NSG Ruhraue Syburg, westlich der A 1 und nördlich der Ruhr, diese liegen aber an der Grenze des Gebiets und nahe der Autobahn. Die Standorte der Masten 30 und 31 der planfestgestellten Trasse im südlich des Hengsteysees gelegenen NSG Uhlenbruch sollen dagegen innerhalb des bewaldeten Teils des Naturschutzgebiets errichtet werden. Dass dieser Unterschied im Text des Planfeststellungsbeschlusses keine Beachtung findet, führt nicht auf einen Abwägungsmangel. Dieser erkennt die Beeinträchtigung des NSG Uhlenbruch (PFB S. 96). Die Maststandorte waren der Planfeststellungsbehörde bekannt, ebenso die Maststandorte der Variante. Eine weitere Betrachtung war nicht notwendig. Der Hinweis der Kläger geht fehl, die Zuwegung zu den Maststandorten und die Baustelleneinrichtung seien im NSG Uhlenbruch schwieriger. Denn diese Zuwegung erfolgt über die Schutzstreifen und asphaltierte Straßen. 75 (3) Die Kläger machen geltend, im Bereich der Ruhraue sei das fachliche Konfliktpotential bei der Antragstrasse und der Variante A 45/A 1 gleich. Dies verfehlt den Ansatz des Planfeststellungsbeschlusses, der - insoweit rechtlich zulässig - die Beeinträchtigung der festgesetzten Naturschutzgebiete betrachtet. Die planfestgestellte Trasse verläuft indes nicht durch die Naturschutzgebiete Lenneaue Kabel und Lennesteilhang Garenfeld, sondern quert die Lenne nördlich dieser Gebiete und verläuft danach östlich zur UA Garenfeld. 76 Darüber hinaus rügen die Kläger, die Variante A 45/A 1 zerschneide auf einer geringeren Länge Biotopflächen als die planfestgestellte Trasse. Der Vergleich übersieht, dass es wegen des Fortbestandes der AVU-Trasse und der DB0451 im Bereich der Verbundfläche VB-A-4510-104 bei einer Zerschneidung durch Freileitungen auch verbliebe, wenn die Variante A 45/A 1 gewählt würde. Zudem berücksichtigt eine isolierte Betrachtung von Querungslängen die Besonderheiten der einzelnen Flächen nicht. So können Querungslängen über einer Wasserfläche (VB-A-4610-011) nicht unbesehen mit solchen über Waldgebieten verglichen werden. 77 (4) Der Planfeststellungsbeschluss hat zutreffend nicht zu Gunsten der Variante A 45/A 1 angenommen, dass bei einer Anbindung des PSW Herdecke nach Kruckel das NSG Uhlenbruch und die Lenneaue komplett entlastet würden. Denn jedenfalls verbliebe die Bahnstromleitung im NSG Uhlenbruch. 78 bb) Die Variante A 45/A 1 verläuft in einem Raum, der bisher nicht durch Höchstspannungsfreileitungen in Anspruch genommen wird. Dies berücksichtigt der Planfeststellungsbeschluss zutreffend zu ihren Lasten. Denn ein solcher Verlauf widerspricht dem Grundsatz 8.2-1 des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 2016 (GV. NRW. 2017, 122) (LEP NRW 2016). Das Ziel, vorhandene Trassenräume zu nutzen, ist auch unabhängig von diesem Grundsatz zu berücksichtigen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 1998 - 11 A 3.98 - BVerwGE 107, 350 <357> und vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 35 sowie Beschluss vom 26. September 2013 - 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 57). 79 Eine Trasse in einem bisher nicht in Anspruch genommenen Raum führt zu einer Inanspruchnahme bisher unbelasteten Eigentums. Eine Neutrassierung verlagert Konflikte, schafft neue und verdoppelt diese in einem gewissen Umfang, da Einwirkungen der bisherigen Trasse in Natur und Landschaft nach deren Abbau zumindest eine geraume Zeit fortwirken (BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 7 VR 4.10 - NVwZ 2010, 1486 Rn. 30 und Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 35). Die Variante A 45/A 1 würde die Beeinträchtigungen sogar auf lange Sicht verdoppeln: Denn im Trassenraum der planfestgestellten Leitung blieben im Bereich der Masten 6 bis 20 die AVU-Leitung und der Masten 6 bis 25 die Bahnstromleitung erhalten. Die Hoffnung der Kläger, diese Leitungen könnten künftig als Erdkabel geführt werden, brauchte in die Abwägung nicht eingestellt zu werden. Sie liegt insbesondere für die im Jahr 2011 errichtete AVU-Freileitung zu weit in der Zukunft. 80 cc) Die Variante A 45/A 1 verfehlt das Gebot, Leitungen zu bündeln. Nach § 1 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG sollen Verkehrswege, Energieleitungen und ähnliche Vorhaben landschaftsgerecht geführt, gestaltet und so gebündelt werden, dass die Zerschneidung und die Inanspruchnahme der Landschaft vermieden oder so gering wie möglich gehalten werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. September 1995 - 11 VR 16.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 6 S. 7 und vom 28. März 2020 - 4 VR 5.19 - juris Rn. 39). 81 Zwar verläuft auch die Variante A 45/A 1 auf einer erheblichen Strecke entlang der Autobahnen. Auf der planfestgestellten Trasse wird indes gleichartige Infrastruktur gebündelt. Der damit erreichte Effekt ist höher als der Effekt einer Bündelung einer Autobahn auf dem Erdboden und einer durch einen Wald und über dem Kopf des Betrachters verlaufenden Freileitung. Im Übrigen wird auf der Trassenvariante A 45/A 1 die Bündelung nicht durchgehalten, sondern zum Schutz des Wohnumfeldes zwischen den Masten 1011 und 1016 (1 600 m) sowie zwischen den Masten 1027 und 1030 (1 050 m) aufgegeben. 82 dd) Die Variante A 45/A 1 quert auf etwa 8 km Wald. Dort müssten Maststandorte versiegelt und Schutzstreifen geschaffen werden, in denen Bäume gefällt oder dauerhaft eingekürzt werden. Die Variantenuntersuchung geht von rund 59 ha neu in Anspruch genommener Waldflächen aus; davon sei ein Drittel von hoher ökologischer Bedeutung, insbesondere naturnahe Buchenwälder und Ahornmischwälder südlich der A 45 (VU S. 40). 83 (1) Die Inanspruchnahme von Wald darf die Planfeststellungsbehörde einer räumlichen Alternative als Nachteil entgegenhalten (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 98). Dies gilt auch für Wald, der kein gesetzlich geschütztes Biotop nach § 30 BNatSchG ist. Die Kläger zeigen ferner keinen Abwägungsfehler mit ihrem Einwand auf, Schutzstreifen beeinträchtigten die Verbundfunktion in strukturreichen Wäldern nicht oder jedenfalls erheblich weniger als Straßen. Für den Planfeststellungsbeschluss war nicht die Verbundfunktion maßgeblich, sondern der Wegfall von Waldflächen auf den Maststandorten und die Beeinträchtigungen im Schutzstreifen. 84 Der Waldbereich würde jedenfalls für die 23 Maststandorte in Anspruch genommen, die gerodet werden müssten. Ob die Schutzstreifen für eine Überspannung im Sinne des Raumordnungsrechts Wald in Anspruch nehmen, kann ebenso offen bleiben wie die Frage, ob es sich um eine Waldumwandlung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 BWaldG, § 39 Abs. 1 Satz 2 LFoG NRW (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 BWaldG) handelt. Darauf stellt der Planfeststellungsbeschluss nicht ab. Allerdings spricht er fehlerhaft von 40 Maststandorten im Wald (PFB S. 97). Dies hält der Senat für einen unbeachtlichen Schreibfehler: Dem Beklagten stand die zutreffende Zahl (23) aus der Variantenbetrachtung (dort S. 45, 50) und dem Kartenmaterial vor Augen. Bei Abfassung des Planfeststellungsbeschlusses ist offenbar versehentlich an einer Stelle die Gesamtzahl der Masten angegeben worden (vgl. PFB S. 101). 85 Der Einwand der Kläger, der Planfeststellungsbeschluss habe für die Variante A 45/A 1 den Möglichkeiten einer Flächenreduktion durch Kompaktmasten nachgehen müssen, führt nicht auf einen Abwägungsfehler. Die bei dieser Variante und gleicher Leiterseilanordnung erreichbare Verringerung der Schutzstreifen änderte nichts an der gleichbleibenden Länge der Leitung in Waldgebieten und der Notwendigkeit eines Schutzstreifens. Eine gesonderte Untersuchung dieser technischen Untervariante war daher entbehrlich. 86 (2) Die Kläger ziehen die Notwendigkeit von Wuchshöhenbeschränkungen im Schutzstreifen in Zweifel. Ihre Kritik berücksichtigt indes nicht die Antworten des Planfeststellungsbeschlusses auf entsprechende Einwendungen (PFB S. 255). Danach ist die Höhe der Masten u.a. abhängig von den Mastabständen, der Geländetopographie und der im Trassenraum vorherrschenden oder geplanten Nutzung. Ausgehend von einer Berechnung der Beigeladenen geht der Beklagte davon aus, dass die Masten durchschnittlich um 18 m auf 85 m erhöht werden müssten, um Wuchshöhenbeschränkungen zu vermeiden; zwei Masten müssten eine Höhe von mehr als 100 m erreichen (vgl. VV Bl. 1836, 1845). Dass der Beklagte sich unter Hinweis auf die hohe visuelle Belastung im näheren Umfeld, ein erhöhtes Anflugrisiko für die Avifauna und den erheblich erhöhten Bauaufwand gegen diese Variante entscheidet (PFB S. 256), leuchtet ein. Dies gilt auch für die visuelle Belastung, die zunimmt, wenn die Masten erhöht und die Leitung über den Wipfeln geführt würde. 87 (3) Nach Auffassung der Kläger nimmt der Planfeststellungsbeschluss zu Unrecht an, das Ziel 7.3-1 LEP NRW 2016 stehe als Ziel der Raumordnung der Variante A 45/A 1 entgegen (PFB S. 98). 88 Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 1 ROG sind bei Entscheidungen öffentlicher Stellen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen von Personen des Privatrechts, die der Planfeststellung bedürfen, Ziele der Raumordnung zu beachten. Sie können auch im Wege der Abwägung nicht überwunden werden, weil sie einer weiteren Abwägung auf einer nachgeordneten Planungsstufe nicht zugänglich sind, sondern strikt binden (BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 56 ff. und vom 16. Dezember 2010 - 4 C 8.10 - BVerwGE 138, 301 Rn. 7). Ziele der Raumordnung sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Raumordnung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums. Auch Plansätze, die eine Regel-Ausnahme-Struktur aufweisen, können diese Merkmale erfüllen, wenn der Plangeber neben der Regel auch die Voraussetzungen einer Ausnahme mit hinreichender Bestimmtheit oder doch Bestimmbarkeit selbst festlegt (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 8.). Es bestehen Zweifel, ob die Festsetzung Z 7.3-1 LEP NRW 2016 ein Ziel der Raumordnung ist, obwohl sie im Ausnahmefall eine Inanspruchnahme von Waldbereichen zulässt (verneinend zur Vorgängervorschrift OVG Münster, Urteile vom 22. September 2015 - 10 D 82/13.NE - ZfBR 2016, 52 <54>, vom 6. März 2018 - 2 D 95/15.NE - juris Rn. 107 ff. und vom 17. Januar 2019 - 2 D 63/17.NE - juris Rn. 91 ff.). Sollte es sich um ein Ziel handeln, müsste es zudem für Waldbereiche Beachtung verlangen, die - wie hier - nicht unter Geltung des Z 7.3-1 Abs. 1 Satz 2 LEP NRW 2016 in Regionalplänen festgestellt worden sind. 89 Die Fragen mögen auf sich beruhen. Sollte Ziffer Z 7.3-1 LEP NRW 2016 als wirksames Ziel der Raumordnung der Variante A 45/A 1 entgegenstehen, weil diese Variante das Gebot des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 1 ROG verletzte, wäre die Ablehnung dieser Variante ohnehin rechtlich geboten. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre die Festsetzung lediglich zu berücksichtigen. Angesichts der ausführlichen Abwägung der Variante A 45/A 1 im Planfeststellungsbeschluss geht der Senat davon aus, dass die Planfeststellungsbehörde so verfahren ist. Sollte sie aber eine - nicht bestehende - rechtliche Bindung angenommen haben, wie die Formulierungen auf S. 97 PFB nahelegen, so wäre dieser Fehler im Abwägungsvorgang nach § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG NRW i.V.m. § 43 Satz 7 EnWG a.F. unerheblich (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Dezember 2015 - 1 BvR 685/12 - NVwZ 2016, 524 Rn. 26 ff.). Denn er hätte sich auf das Abwägungsergebnis nicht ausgewirkt: Der Planfeststellungsbeschluss zeigt eine Vielzahl weiterer Argumente gegen die Trassenvariante auf, denen er durchschlagendes Gewicht beimisst. Zudem wendet er sich aus Gründen gegen die Inanspruchnahme des Waldes, die unabhängig von einer raumordnungsrechtlichen Zielfestlegung Beachtung verlangen. 90 (4) Der Planfeststellungsbeschluss erscheint jedenfalls missverständlich, soweit er annimmt, die Trasse der Variante A 45/A 1 werde erstmalig über den bestehenden Wald hinausragen (PFB S. 99). Denn dies gilt für die Masten, aber nicht für die Leitung. Ein erheblicher Abwägungsfehler liegt hierin nicht: Denn nach dem sachlichen Zusammenhang kam es dem Planfeststellungsbeschluss darauf an, die Belastung in einer Bestandstrasse mit der Belastung in einem bisher nicht vorbelasteten Raum zu vergleichen. 91 ee) Die Variante A 45/A 1 quert mehrfach die Autobahn, um möglichst große Abstände zur Wohnbebauung zu wahren (PFB S. 95). Die Kläger halten den Nachteil für überbewertet, weil solche Querungen häufig seien. Dies mag auf sich beruhen. Der Planfeststellungsbeschluss erkennt Querungen als technisch möglich und misst ihrer Notwendigkeit keine wesentliche Bedeutung bei. Der Gesichtspunkt stützt die Argumentation im Übrigen. Das ist zulässig: Es ist besser, eine Leitung parallel zu einer Autobahn zu führen als diese zu queren. 92 c) Die Kläger halten die von der planfestgestellten Trasse verursachten Belastungen für unzureichend betrachtet und gewichtet und im Vergleich zur Variante A 45/A 1 für unterbewertet. Ihre Kritik führt nicht auf einen erheblichen Abwägungsfehler. 93 aa) Beim Vergleich verschiedener räumlicher Varianten ist die jeweilige Gebiets- und Siedlungsstruktur zu beachten (BVerwG, Urteile vom 6. April 2017 - 4 A 1.16 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 5 Rn. 46 und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 85). Dieser Anforderung ist genügt. 94 (1) Der Planfeststellungsbeschluss beziffert die Zahl der in einem 200 m Abstand liegenden betroffenen Wohngebäude für die Variante A 45/A 1 (knapp 60), während er sich für die planfestgestellte Trasse auf eine qualitative Beschreibung (""zahlreiche Wohngebäude""; ""einige [...] direkt überspannt"") und eine räumliche Zuordnung beschränkt. Der Trassenvergleich umschreibt das Zahlenverhältnis ebenfalls qualitativ (""weit weniger Wohngebäude im unmittelbaren Nahbereich"") (PFB S. 95). 95 Darüber hinaus war eine nummerische Ermittlung und Darstellung in der konkreten Situation nicht geboten: Dem Beklagten war die Lage der planfestgestellten Leitung in der Nähe und oberhalb von Wohngebäuden ebenso bekannt wie die höhere Zahl an betroffenen Wohnnutzungen gegenüber der Variante A 45/A 1. Ein quantitativer Vergleich und damit die Bildung einer Verhältniszahl hätte keine weiteren Erkenntnisse erbracht: Denn der Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt zu Lasten der planfestgestellten Trasse die Vorbelastung des Raums und die Errichtung der Leitung in einem Trassenbündel (PFB S. 95). Diese Aspekte tragen maßgeblich die Einschätzung der Beeinträchtigung als ""jedenfalls nicht erheblich größer"" (PFB S. 96). Dieser Gesichtspunkt hätte in einer Verhältniszahl keinen Ausdruck gefunden oder die Auseinandersetzung lediglich auf die Frage verlagert, um welchen Faktor der Schutzanspruch einer vorbelasteten und mit einem Trassenbündel belegten Wohnnutzung sinkt. Dementsprechend diente der Verweis auf die Zahl der betroffenen Wohngebäude auf der Variante A 45/A 1 nicht dem Vergleich, sondern sollte den Einwand entkräften, die Variante lasse Wohnnutzungen vollkommen unberührt. 96 (2) Zutreffend ist die Angabe des Planfeststellungsbeschlusses, die Antragstrasse führe ""nach den Ausweisungen des Regionalplans über eine Gesamtlänge von 500 m durch Wohnsiedlungsbereiche"" (PFB S. 100). Die Angabe entspricht dem Regionalplan, der den Bereich zwischen Schraberg und Semberg als Wohnsiedlungsbereich ausweist. Dass auch andere, nicht im Regionalplan ausgewiesene Siedlungsbereiche in Herdecke, Dortmund und Hagen betroffen sind, erkennt der Planfeststellungsbeschluss (PFB S. 95). 97 (3) Der Planfeststellungsbeschluss hat die Grundschule Schraberg zur Kenntnis genommen (PFB S. 181), sieht auch im Hinblick auf Vorsorgemaßnahmen aber keinen Anlass zu einer Verlagerung des Trassenraums (PFB S. 208) und nimmt für sich die Einhaltung der Regelungen der 26. BImSchV in Anspruch (PFB S. 206), die Schulen in § 4 Abs. 1 Satz 1 der 26. BImSchV begünstigt. Einer ausdrücklichen Erwähnung bei der Betrachtung der Alternativen bedurfte es nicht. Angesichts der aus der Verwaltungsakte (VV Bl. 1819) ersichtlichen örtlichen Verhältnisse ist im Übrigen nicht erkennbar, warum das schulische Projekt eines Naturerlebnisraums bei Errichtung der Trasse vollständig scheitern müsste. 98 bb) Der Planfeststellungsbeschluss betrachtet die visuelle Beeinträchtigung ohne durchgreifenden Abwägungsfehler. 99 (1) Die optisch bedrängende Wirkung einer Stromleitung ist in der Abwägung zu berücksichtigen, auch wenn sie nicht erdrückend wirkt und damit unzumutbar ist. Die Behörde muss prüfen, welche Trassenführung mit Blick auf diesen Belang Vorteile bietet (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 90.). Dies erkennt der Planfeststellungsbeschluss (PFB S. 98 f.). 100 Die Höhe der Masten ist bei Stahlgittermasten ein sachgerechter Ausgangspunkt. Die Masten sind nach Höhe und Breite bedeutende Bauwerke, die durch ihre Nähe zu einem Grundstück den Blick ""nach oben ziehen"" (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 163 Rn. 89). Den Außenmaßen oder der Flächeninanspruchnahme eines Mastfundamentes kommt dagegen kein eigenständiges Gewicht zu: Deren Größe unterscheidet sich nicht wesentlich von der Größe anderer baulicher Anlagen. Es besteht im Ausgangspunkt auch keine Notwendigkeit, Zahl oder Breite der Traversen zu berücksichtigen. Dies entspricht der Auffassung von GEO et al., Naturschutzfachliche Analyse von küstennahen Stromleitungen, 2009, welche als Maß für die Wirkung die vertikale Ausdehnung der sichtbaren Masten im Blickfeld heranziehen und für die Bemessung des Blickwinkels die obere Masttraverse als besonders auffälliges Bauteil zugrunde legen (ebd. S. 119). Schließlich muss auch die visuelle Wirkung der Leiterseile nicht gesondert betrachtet werden, da diesen die massive Wirkung eines Bauwerks fehlt (BVerwG, Urteile vom 22. Juni 2017 - 4 A 18.16 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 7 Rn. 44 und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 89). 101 (2) Die Kläger beanstanden die Methode zur Bewertung der Belastung. Dies bleibt erfolglos. 102 In den Fachkreisen und der Wissenschaft fehlen allgemein anerkannte Maßstäbe und Methoden für die fachliche Beurteilung einer visuellen Beeinträchtigung. Der Senat muss daher prüfen, ob die von dem Beklagten verwendeten fachlichen Maßstäbe und Methoden vertretbar sind und die Behörde insofern im Ergebnis zu einer plausiblen Einschätzung der fachlichen Tatbestandsmerkmale einer Norm gelangt ist. Dies umfasst die Prüfung, ob die klägerischen Einwände die Methodik, Grundannahmen und Schlussfolgerungen der Behörde substantiell in Frage stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 1 BvR 2523/13 u.a. - BVerfGE 149, 407 Rn. 25 und 28 m.w.N.). 103 Die Umweltverträglichkeitsuntersuchung erfasst die visuelle Beeinträchtigung, indem sie mit jeweils drei qualitativen Stufen (hoch - mittel - schwach) Einwirkungsintensität und Empfindlichkeit des Raums beurteilt. In einer Matrix werden diese Einstufungen kombiniert und in einer Auswirkungsintensität ausgedrückt. Für diese Auswirkungsintensität sind wiederum drei Stufen vorgesehen (hoch - mittel - schwach) (UVU S. 40 ff.). 104 Die Empfindlichkeit des Raums bewertet die Untersuchung in dem Raum ""Auf dem Schnee"" (Masten 12 bis 16) und Semberg/Schraberg (Masten 16 bis 20) als hoch (UVU S. 44). Die Einwirkungsintensität beurteilt sie dagegen als mittel, weil vorhandene Masten um mehr als 15 m erhöht werden. Ob gegen diesen Wert Bedenken bestehen, kann offen bleiben: Denn die Erhöhung der Masten überschreitet diesen Wert. Von Rechts wegen ist eine weitere Differenzierung - etwa die Bildung von drei oder mehr Stufen - nicht geboten. 105 Die Methodik der UVU schließt eine hohe Einwirkungsintensität in einem vorbelasteten Raum aus. Die Bewertung als hohe Intensität soll so einem Neubau in einem nicht vorbelasteten Gebiet vorbehalten bleiben. Es ist zweifelhaft, ob eine visuelle Beeinträchtigung auf einer vorbelasteten Trasse unter keinen Umständen das Gewicht einer solchen Beeinträchtigung auf einer Neubautrasse erreichen kann. Dies kann auf sich beruhen. Denn nach der von der UVU zugrunde gelegten Entscheidungsmatrix bewegt sich bei mittlerer Einwirkungsintensität die für die Abwägung maßgebliche Auswirkungsintensität in der Spannbreite ""mittel-hoch"". Die UVU schließt damit in einem vorbelasteten Raum eine hohe Auswirkungsintensität nicht aus. Bei dieser Methodik können hohe Einwirkungsintensitäten der Beeinträchtigung eines bisher unvorbelasteten Raums vorbehalten bleiben. 106 Die Kläger beanstanden eine doppelte Berücksichtigung der Vorbelastung: Schon die Einstufung der Einwirkungsintensität als ""mittel"" beruhe auf der Vorbelastung. Bei der Auswirkungsintensität werde der Gesichtspunkt erneut betrachtet. Denn die UVU setzte aufgrund der hohen Vorbelastung bei einer Spannbreite (etwa: mittel-hoch) im Regelfall die geringere Auswirkungsintensität an (UVU S. 42). Ob diese mehrfache Berücksichtigung der Vorbelastung zu Fehleinschätzungen führen kann, mag offen bleiben. Denn der Planfeststellungsbeschluss (PFB S. 96, 99) hat weiter schutzmindernd die Trassenbündelung mit zwei weiteren Leitungen, den Aufbau der Trasse mit einem Anstieg zur Mitte hin und die geringere Schutzbedürftigkeit der zeitlich nach den Freileitungen errichteten Wohnbebauung berücksichtigt. Diese Gesichtspunkte stehen selbständig neben der Vorbelastung durch die vorhandenen Freileitungen. Sie tragen die Einschätzung einer mittleren Auswirkungsintensität trotz hoher Empfindlichkeit. 107 (3) Die Kläger meinen, die UVU begrenze den Wirkraum der visuellen Beeinträchtigung des Wohnumfeldes zu Unrecht auf einen Korridor von 200 m beiderseits der Trasse. Dies führt nicht auf einen erheblichen Abwägungsfehler. 108 Die UVU betrachtet in der potentiellen Konfliktanalyse einen Wirkraum bis zu 200 m, weil ein Mast in diesem Raum dominant wirke und einen großen Anteil im Blickfeld (> 25 %) einnehme (UVU S. 37). Für diese Auffassung kann sie sich nicht unmittelbar auf die als Beleg angeführte Arbeit von GEO et al., Naturschutzfachliche Analyse von küstennahen Stromleitungen, 2009 berufen. Denn diese nimmt zwar eine dominante Wirkung von Freileitungen bei einem Radius von 200 m um einen Mast an, allerdings bezogen auf eine Masthöhe h von 25 m (GEO et al. a.a.O. S. 120). Da der Wirkraum von der Höhe der Masten abhängt (a.a.O. S. 118), lässt sich dieser Wert auf eine Leitung mit deutlich höheren Masten nicht unbesehen übertragen. Dies schließt aber nicht aus, dass der Wirkraum in vertretbarer Weise bestimmt ist: Denn er hängt auch von der Strukturvielfalt und dem Relief der Landschaft ab (GEO et al. ebd.). Anders als die von GEO et al. betrachteten, küstennahen Stromleitungen verläuft die planfestgestellte Trasse durch den strukturreichen und reliefierten Raum des Ardey-Rückens, teils durch bewaldetes Gebiet, so dass der Wirkraum der Leitung kleiner ausfällt. Dies gilt auch und gerade für die Trasse zwischen Schraberg und Semberg, die in einem Geländeeinschnitt geführt wird. Angesichts dieser Umstände erscheint ein Wirkraum von 200 m jedenfalls im Ausgangspunkt nachvollziehbar. Er entspricht der visuellen Wirkzone I, wie sie Nohl für Freileitungen im Höchstspannungsbereich im Jahr 1993 angenommen und für die Berechnung von Kompensationsflächen zugrunde gelegt hat (Nohl, Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch mastenartige Eingriffe, August 1993, S. 45). 109 Dies bedarf keiner Vertiefung. Selbst wenn ein Fehler im Abwägungsvorgang vorläge, wäre dieser nach § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG NRW i.V.m. § 43 Satz 7 EnWG a.F. unerheblich. Denn die in einem größer bemessenen Wirkraum betroffenen Gebäude wären weniger stark beeinträchtigt. Dabei nimmt die visuelle Beeinträchtigung nicht linear zur Entfernung ab, vielmehr wirkt ein hoher Gegenstand zwar ästhetisch weit in sein Umfeld hinein, diese Wirkung sinkt mit zunehmender Entfernung aber exponentiell (Nohl a.a.O. S. 17). Die visuelle Beeinträchtigung weiter entfernt liegender Gebäude hätte daher nur deutlich gemindertes Gewicht. Zudem hat der Planfeststellungsbeschluss für das Landschaftsbild einen Untersuchungsraum von 5 000 m um die Leitung betrachtet und dabei auch die jeweilige Nutzung einschließlich der Siedlungen in den Blick genommen. Er hat vor visuellen Beeinträchtigungen außerhalb eines 200 m Wirkraums daher nicht die Augen verschlossen, sich aber für deren Hinnahme entschieden. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass er an der gewählten Trasse festgehalten hätte, wenn er einen - wenn auch kleinen - Teil dieser Beeinträchtigungen auch unter dem Gesichtspunkt einer Beeinträchtigung des Wohnumfeldes gewürdigt hätte. 110 (4) Der Senat hatte keinen Anlass, den Beweisanträgen in diesem Zusammenhang nachzugehen. Die unter Beweis gestellte Behauptung, dass im Bereich einzelner Wohngebiete die Masten der Leitung über eine Entfernung von 200 m (hinaus) seitlich der Trasse den Blick auf sich ziehen, die Horizontlinie übersteigen und deshalb dominant sind, ist nicht erheblich. Auch wenn der danach zu bestimmende Wirkraum größer wäre als in der UVU angenommen, hätte sich dies auf die Abwägungsentscheidung nicht ausgewirkt. Ebenso unerheblich ist die Behauptung, im Gebiet am Ostender Weg befänden sich allein Wohnnutzungen. Auch wenn die Einordnung der UVU (""Gewerbliche Baufläche, Industriegebiet"" ) fehlerhaft sein sollte, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass sich ein solcher Fehler auf die Abwägungsentscheidung nicht ausgewirkt hätte. Denn die Planfeststellungsbehörde hat die Nutzungen in dem von ihr betrachteten Wirkraum von 200 m im Grundsatz zutreffend erfasst und auch weitere Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes erwogen. Eine Fehleinschätzung hinsichtlich eines kleinen Gebiets im Trassenraum hätte sich auf den Vergleich großräumiger Trassen nicht ausgewirkt. 111 cc) Bei der Planfeststellung einer Höchstspannungsfreileitung gehört zu den weiteren erheblichen Belangen in der Abwägung das Interesse an jeglicher Verschonung vor elektromagnetischen Feldern, auch wenn diese die Grenzwerte unterschreiten (BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 7 VR 4.10 - NVwZ 2010, 1486 Rn. 35 und Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 52 f.). Dies erkennt der Planfeststellungsbeschluss (PFB S. 115) und stellt fest, dass bei der Antragstrasse ebenso wie bei der Variante A 45/A 1 die Grenzwerte und Vorsorgeanforderungen für elektromagnetische Felder ""sicher eingehalten"" werden (PFB S. 97). Darin liegt kein Abwägungsfehler. Denn der Belang wird umso gewichtiger, je näher die Belastung an die Grenzwerte heranreicht, sein Gewicht umso geringer, je weiter sie hinter dieser Schwelle zurückbleibt (BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 39 und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 52). An der Wohnbebauung werden am maßgeblichen Immissionsort ein elektrisches Feld mit 1,0 kV/m und eine magnetische Flussdichte von 21,5 µT prognostiziert (PFB S. 113). Diese Werte sind so gering, dass der Planfeststellungsbeschluss die verglichenen Varianten insoweit als gleichrangig ansehen durfte. 112 dd) Unsubstantiiert bleibt der Vorwurf, mögliche Beeinträchtigungen der Bebaubarkeit von Grundstücken seien nicht ausreichend ermittelt. Der Hinweis auf ein Grundstück der Klägerin zu 2 in einem GE-Gebiet genügt nicht. 113 2. Der Planfeststellungsbeschluss sieht vor, das PSW Herdecke unter Wegfall anderer Freileitungen ausschließlich nach Norden an die UA Kruckel anzubinden (Bl. 2308). Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Planfeststellungsbeschluss durfte sich gegen eine Anbindung des Werks nach Garenfeld entscheiden, die (jedenfalls) mit vergleichbaren Betroffenheiten verbunden wäre (vgl. PFB S. 248). Weder musste sich eine solche Anbindung der Behörde aufdrängen noch ist ihr bei Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein erheblicher Fehler unterlaufen. 114 a) Die gerichtliche Kontrolle der Abwägung muss die Struktur der behördlichen Entscheidung berücksichtigen. Der Planfeststellungsbeschluss erwähnt die Anbindung des PSW Herdecke an die UA Kruckel zwar in seinen Ausführungen zu den großräumigen Alternativen und damit zur Ablehnung der Variante A 45/A 1 (PFB S. 100). Maßgeblich für den großräumigen Verlauf waren indes andere Überlegungen (vgl. PFB S. 102: ""insbesondere""). Auf dieser Grundlage war abwägend zu entscheiden, wie das PSW Herdecke als Folgemaßnahme anzubinden sei und damit, ob die mit einer Anbindung an die UA Kruckel verbundenen zusätzlichen Beeinträchtigungen hinzunehmen sind. 115 b) Die Planfeststellungsbehörde hat die Vorteile, die mit einer Anbindung des PSW Herdecke an die UA Garenfeld verbunden wären, ausreichend ermittelt und betrachtet. Diese sind nur von untergeordneter Bedeutung. 116 aa) Der Planfeststellungsbeschluss erkennt, dass eine Anbindung an die UA Garenfeld es erlaubt, die Masten 2 bis 24 niedriger zu bauen, geht aber davon aus, dass die Masthöhen sich bei den Masten 2 bis 23 nur unwesentlich veränderten. Durchschnittlich sinke die Masthöhe um 0,88 m. Allein die Höhe des Mastes 24 sinke erheblich (PFB S. 247 f.). Die Beigeladene hat diese Zahlen zur Überzeugung des Senats in der mündlichen Verhandlung erläutert. Auch oberhalb der mit Flachdächern ausgestatteten Gewerbehallen im Bereich der Masten 21 und 22 bedarf es zur Einhaltung technischer Mindestabstände keiner weiteren Erhöhung, um die 110-kV-Leitungen mitzuführen. Denn die Leitung profitiert hier von der Höhe von Mast 24 und dem abfallenden Gelände. Daher erlauben es die immissionsschutzrechtlich erforderlichen Abstände, die 110-kV-Leitungen unter die 380-kV-Leitung zu hängen. Dass die Erhöhung von Mast 24 in den Durchschnittswert nicht eingerechnet ist, ist eine Frage der Darstellung, führt aber nicht auf einen Rechtsfehler (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. September 2013 - 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 44). Im Übrigen wäre die geforderte Einbeziehung in den Durchschnittswert ihrerseits dem Vorwurf ausgesetzt, die Erhöhung eines einzelnen Mastes künstlich kleinzurechnen. 117 Die Planfeststellungsbehörde war darüber hinaus nicht verpflichtet, die Veränderungen der Höhen der einzelnen Masten qualitativ - etwa nach der vorhandenen Umgebungsbebauung - zu bewerten: Bei sechs Masten käme es zu Erhöhungen (Masten 7, 10, 13, 20, 21, 22). Bei den meisten Masten beträgt die Absenkung unter 10 % der Gesamthöhe (Masten 3, 4, 6, 8, 9, 11, 12, 15, 16, 17, 18, 23), insbesondere bei dem besonders hohen Mast 18 (87 m) wird nahezu keine Verringerung erreicht. Von dem Mast 24 abgesehen wird lediglich bei den Masten 2 - um 9 m auf 57,5 m - und 14 - um 6,5 m auf 56,5 m - eine Verminderung erreicht, die wahrnehmbar sein könnte. Dem brauchte der Beklagte indes nicht weiter nachzugehen. 118 bb) Die Kläger sehen die größere Grundfläche der höheren Masten und die Notwendigkeit zusätzlicher Traversen nicht ausreichend beachtet. Dies führt nicht auf einen Abwägungsfehler: Die größere Grundfläche hat gegenüber der Erhöhung der Masten kein eigenständig abzuwägendes Gewicht. Die Zahl der Traversen war für die visuelle Beeinträchtigung in der konkreten Situation nicht abwägungsbeachtlich. Maßgeblich für die visuelle Beeinträchtigung des Wohnumfeldes, aber auch des Landschaftsbildes ist im Ausgangspunkt die Höhe des Mastes und die höchste Traverse. In der konkreten Situation werden die zusätzlichen Traversen untergehängt, sie bestimmen also den Blick nicht. Sie werden vielmehr in der Höhe montiert, in der die benachbarten, niedrigeren Leitungen verlaufen. Möglicherweise vergrößerten Schutzstreifen oder Überspannungssituationen kommt ebenfalls nur untergeordnetes Gewicht zu. 119 Die Kläger vermissen einen Vergleich der Masttypen: Bei den in Richtung Kruckel verwendeten Tonnenmasten bedürfe es zweier zusätzlicher Traversen, bei den in Richtung Garenfeld verwendeten Zwei-Ebenen-Masten 26 bis 31 nur einer zusätzlichen, aber breiteren Traverse. Einen abwägungsbeachtlichen Gesichtspunkt zeigen sie damit nicht auf. Es fehlen klare ästhetische Vorteile der einen oder anderen Gestaltung. 120 cc) Die Kläger werfen dem Planfeststellungsbeschluss vor, den Vorteil der kürzeren Anbindung zur UA Garenfeld (4,0 km) gegenüber der Anbindung an die UA Kruckel (5,8 km) zu übersehen. Dieser Unterschied war der Planfeststellungsbehörde indes aus den Unterlagen bekannt. Einer gesonderten Gewichtung bedurfte es nicht. Die Länge war nur von untergeordneter Bedeutung, weil in keine der beiden Richtungen eine Neutrassierung erforderlich war. 121 c) Der Planfeststellungsbeschluss stellt diesen Belangen ohne Rechtsfehler die Nachteile einer Anbindung nach Garenfeld abwägend gegenüber. 122 aa) Er nimmt an, dass für eine Anbindung des Pumpspeicherwerks an die UA Garenfeld die Masten 27 und 39 um durchschnittlich 12 m erhöht werden müssten. Dies sei notwendig, um den Sicherheitsabstand zu den überspannten gewerblich genutzten Hallen einzuhalten (PFB S. 247). Der Senat zweifelt nicht an der Richtigkeit dieser Angabe. Den Einwänden von Jarass in einem Kurzgutachten vom 23. März 2020 (GA Bl. 690 ff.) ist die Beigeladene überzeugend unter Hinweis auf die durch unterschiedliche Bauformen notwendigen technischen Sicherheitsabstände entgegengetreten, die größere Abstände erfordern als immissionsschutzrechtlich notwendig wäre. 123 bb) Der Planfeststellungsbeschluss lehnt eine Anbindung an die UA Garenfeld auch aus technischen Gründen ab. Untersuchungen der Verteilnetzbetreiberin hätten gezeigt, dass es in einem solchen Fall zu unzulässigen Überlastungen von Betriebsmitteln kommen werde. Zur Vermeidung müssten weitere Netzausbaumaßnahmen in anderen Netzbereichen erfolgen. Zudem müssten in der UA Garenfeld mit zusätzlichem Aufwand und zusätzlichen Eingriffen weitere Schaltfelder errichtet werden (PFB S. 247). 124 Der Sachbeistand der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung eine Anbindung des Pumpspeicherwerks an die UA Garenfeld als netzlogisch möglich bezeichnet. Dies geht am Planfeststellungsbeschluss vorbei, der eine solche Anbindung nicht technisch ausschließt, sondern Mehraufwand geltend macht. Die mit einem solchen Mehraufwand verbundenen Kosten sind in einer Abwägung zu berücksichtigen, auch wenn sie den Vorhabenträger belasten (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 101 m.w.N.). Einer sonst grundsätzlich erforderlichen Kostenschätzung mit prognostischem Gehalt (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2011 - 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 Rn. 56 und vom 22. Juni 2017 - 4 A 18.16 - UPR 2017, 512 Rn. 29) bedurfte es nicht, weil die Anbindung an die UA Garenfeld mit weiteren Nachteilen verbunden war, denen Vorteile von nur geringem Gewicht durch die Entlastung der Trasse nach Kruckel gegenüberstanden. Im Übrigen hat die Verteilnetzbetreiberin im gerichtlichen Verfahren die aus ihrer Sicht erforderlichen Netzverstärkungsmaßnahmen im Einzelnen benannt. Deren Notwendigkeit haben die sachverständig beratenen Kläger lediglich ins Blaue hinein bestritten. 125 Die Kläger haben die Behauptung unter Beweis gestellt, dass das Pumpspeicherwerk mit zwei Stromsystemen an die UA Garenfeld angeschlossen werden kann, ohne dass es dort zu Betriebsmittelüberlastungen kommt. Einer Beweiserhebung bedurfte es nicht, weil die Behauptung unerheblich ist: Der Planfeststellungsbeschluss hält für maßgeblich, dass ein Netzanschluss in Garenfeld an anderen Stellen im 110-kV-Netz der Verteilnetzbetreiberin - also nicht in der UA Garenfeld - zu unzulässigen Betriebsmittelauslastungen und notwendigen Leitungsneubauten führen würde (PFB S. 245). 126 cc) Die Beigeladene hat geltend gemacht, eine Anbindung über die UA Kruckel an die Netzgruppe Dortmund habe netztechnische Vorteile gegenüber einer Anbindung über die UA Garenfeld an die Netzgruppe Sauerland. Dies beruhe auf dem unterschiedlichen Einspeise- und Verbrauchsverhalten. Eine solche Überlegung ist im Ausgangspunkt geeignet, den Ausschlag zwischen zwei Varianten zu geben, bei denen Dritte jeweils nur in untergeordnetem Umfang betroffen werden. Dieser, im Planfeststellungsbeschluss allenfalls angedeutete Gesichtspunkt (vgl. PFB S. 245) bedarf indes nach dem Vorgesagten keiner Vertiefung. 127 d) Eine Führung als Erdkabel - sei es zur UA Kruckel oder zur UA Garenfeld - brauchte der Planfeststellungsbeschluss nicht zu erwägen: Es liegt auf der Hand, dass die Beigeladene nicht im Verbund mit einer neuen Freileitung eine Leitung als Erdkabel errichtet, die auf der Freileitung mitgeführt werden kann. 128 II. Der Planfeststellungsbeschluss hat sich ohne Rechtsfehler für die technische Variante einer Freileitung auf Stahlgittermasten entschieden. 129 1. Der Planfeststellungsbeschluss entscheidet sich abwägend gegen die Führung der Trasse als Erdkabel (PFB S. 106 ff.). Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn der Beklagte wäre nicht befugt gewesen, von der Beigeladenen gegen deren Willen die Führung einer Trasse als Erdkabel zu fordern: Die Leitung gehört nicht zu den in § 2 Abs. 1 EnLAG oder in § 4 Abs. 1 des Gesetzes über den Bundesbedarfsplan vom 23. Juli 2013 (BGBl. I 2013 S. 2543; 2014 S. 148, 271) (Bundesbedarfsplangesetz - BBPlG) genannten Vorhaben. Der Beklagte konnte daher ein Erdkabel weder nach § 2 Abs. 2 EnLAG noch nach § 4 Abs. 2 Satz 3 BBPlG verlangen. Ein solches Verlangen konnte die Planfeststellungsbehörde auch nicht auf das Abwägungsgebot des § 43 Satz 4 EnWG a.F. stützen. Denn für Vorhaben im Anwendungsbereich des Energieleitungsausbaugesetzes schließt § 2 Abs. 1 und 2 EnLAG diese Befugnis aus und schränkt das Abwägungsgebot insoweit ein (BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2020 - 4 VR 7.19 - ZNER 2020, 438 Rn. 102 ff.). 130 2. Der Planfeststellungsbeschluss wägt nicht die Möglichkeit ab, die Leitung auf sog. Vollwandkompaktmasten zu führen. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. 131 Vollwandkompaktmasten verfügen über einen massiven Mastschaft, der den Masten für Windenergieanlagen ähnelt. Die Kläger erwarten von solchen Masten schmalere Schutzstreifen, einen geringeren Flächenverbrauch und weniger Immissionen durch elektromagnetische Felder. 132 a) Die Planfeststellungsbehörde ist nur verpflichtet, bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativen zu berücksichtigen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Juni 2019 - 4 A 5.18 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 10 Rn. 60 und vom 2. Juli 2020 - 9 A 19.19 - juris Rn. 75). In der konkreten Planungssituation schied die Verwendung von Vollwandkompaktmasten von vornherein aus: Als Ergebnis der Abwägung zwischen verschiedenen großräumigen Varianten verläuft die Trasse auf weiter Strecke im Verbund mit den in Stahlgitterbauweise errichteten Masten der Bahnstromtrasse und der AVU-Trasse. Weil die planfestgestellte Leitung in der Nähe und oberhalb von Wohnnutzungen verläuft, musste die Planung insbesondere visuelle Beeinträchtigungen durch erdrückende oder jedenfalls bedrängende Wirkung der Masten abwägend bewältigen. Auch die Kläger haben diesen Konflikt in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung gerückt. Die Stahlgittermasten waren in dieser Situation geeignet, einen optisch entlastenden Gleichschritt mit den Masten der anderen Leitungen zu erreichen (vgl. PFB S. 99). Sie sind lichtdurchlässig, verschatten Grundstücke allenfalls zu einem Teil und lassen weiterhin einen, wenn auch eingeschränkten Blick auf die dahinterliegende Landschaft oder Bebauung zu (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 89). Alle diese Vorteile gingen durch die Verwendung von Vollwandkompaktmasten verloren, insbesondere wäre ein optischer Gleichschritt und damit eine Regelmäßigkeit des visuellen Eindrucks nicht zu erreichen gewesen. Dennoch eine für das Auge ungewohnte und in Deutschland kaum erprobte Technik einzusetzen, kam nicht ernsthaft in Betracht. 133 Der Senat brauchte keinen Beweis über die Behauptung zu erheben, dass durch den Einsatz von Vollwandkompaktmasten bei gleicher Kapazität der zu tragenden Leitungssysteme das Landschaftsbild geringer beeinträchtigt wird als beim Einsatz von Masten in Stahlgitterbauweise. Die Behauptung ist nicht hinreichend konkret, weil die Beeinträchtigung eines Landschaftsbildes von der jeweils betroffenen Landschaft abhängt. Im Übrigen kommt es auf die Behauptung nicht an: Denn sie berücksichtigt nicht die besondere Situation einer Leitung, die mit anderen Leitungen im Gleichschritt geführt werden soll und deren Masten in Stahlgitterbauweise errichtet sind. 134 b) Es kann danach offen bleiben, ob Vollwandkompaktmasten für ein Vorhaben mit zwei 380-kV-Stromkreisen und zwei 110-kV-Stromkreisen den allgemein anerkannten Regeln der Technik im Sinne des § 49 Abs. 1 EnWG a.F. (vgl. zu diesem Begriff BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 40) entsprechen. Ebenso bedarf keiner Entscheidung, ob nach § 49 Abs. 3 Satz 1 EnWG a.F. davon auszugehen ist, dass Vollwandkompaktmasten die Anforderungen des § 49 Abs. 1 EnWG a.F. erfüllen, wie die Kläger mit Blick auf die Nutzung solcher Masten im Ausland geltend machen. 135 Mangels Entscheidungserheblichkeit bedurfte daher keiner Beweiserhebung, ob Vollwandkompaktmasten im Zeitpunkt der Planfeststellung den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprachen, ob Vollwandkompaktmasten mit vier Stromkreisen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder einem anderen Mitgliedstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Betrieb waren, dass bei Vollwandkompaktmasten niedrigere Masten, schmalere Traversen und geringere Grundflächen als bei Stahlgittermasten erreicht werden und dass im Bereich der Maststandorte 7 bis 23 Vollwandkompaktmasten des Bautyps Donau errichtet werden könnten. 136 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2020-65,12.11.2020,"Pressemitteilung Nr. 65/2020 vom 12.11.2020 EN Kopftuchverbot für Rechtsreferendarin nur auf gesetzlicher Grundlage Eine Rechtsreferendarin kann eine Auflage, die ihr das Tragen eines Kopftuchs bei hoheitlichen Tätigkeiten im Referendariat untersagt, in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren auch dann noch - mit der Fortsetzungsfeststellungsklage - angreifen, wenn die Auflage nach acht Monaten mangels Bedeutung für die weiteren Ausbildungsstationen aufgehoben worden ist. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin ist muslimischen Glaubens und trägt als Ausdruck ihrer religiösen Überzeugung ein Kopftuch. Im September 2014 wurde sie in Bayern zu dem im Oktober beginnenden juristischen Vorbereitungsdienst mit der Auflage zugelassen, dass „bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z.B. Wahrnehmung des staatsanwaltlichen Sitzungsdienstes, Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen in der Zivilstation) keine Kleidungsstücke, Symbole und andere Merkmale getragen werden dürfen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen.“ Der Widerspruch der Klägerin gegen die Auflage blieb erfolglos. Nach der Klageerhebung hob der Beklagte - acht Monate nach Beginn des Referendariats - die Auflage auf, weil die Strafrechtsstation mittlerweile beendet und die Auflage daher nicht mehr erforderlich sei. Daraufhin beantragte die Klägerin festzustellen, dass die Auflage rechtswidrig gewesen ist. Hiermit war sie erstinstanzlich erfolgreich, unterlag aber in der zweiten Instanz. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klage mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Insbesondere liege zwar ein Grundrechtseingriff vor; dieser sei aber nicht tiefgreifend und habe sich auch nicht typischerweise kurzfristig erledigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision der Klägerin das Berufungsurteil aufgehoben und das stattgebende erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt. Es hat zur Begründung insbesondere ausgeführt: Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig, weil die „Kopftuch-Auflage“ einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff darstellt, der sich typischerweise zu kurzfristig erledigt, um Hauptsacherechtsschutz zu erlangen. Die Auflage maß sich zwar Bedeutung für die gesamte zweijährige Referendariatszeit bei, hatte aber typischerweise nur in den ersten beiden Stationen - der Zivil- und der Strafrechtsstation - einen praktischen Anwendungsbereich. Innerhalb dieses Zeitraums ist Hauptsacherechtsschutz - auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsverfahrens - regelmäßig nicht zu erlangen. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet, weil es im maßgeblichen Zeitraum der Geltungsdauer der Auflage von Oktober 2014 bis Mai 2015 in Bayern die erforderliche gesetzliche Grundlage für den mit einer solchen Auflage verbundenen Eingriff in die Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) noch nicht gab; diese gesetzliche Grundlage ist erst im Jahr 2018 mit Art. 11 Absatz 2 Bayerisches Richter- und Staatsanwaltsgesetz i.V.m. Art. 57 Bayerisches Gerichtsverfassungsausführungsgesetz geschaffen worden. BVerwG 2 C 5.19 - Urteil vom 12. November 2020 Vorinstanzen: VGH München, 3 BV 16.2040 - Urteil vom 07. März 2018 - VG Augsburg, Au 2 K 15.457 - Urteil vom 30. Juni 2016 -","Urteil vom 12.11.2020 - BVerwG 2 C 5.19ECLI:DE:BVerwG:2020:121120U2C5.19.0 EN Fortsetzungsfeststellungsklage bei Kopftuchverbot für Rechtsreferendarin Leitsätze: 1. Ein für das Rechtsreferendariat ausgesprochenes Kopftuchverbot, das typischerweise nur für einige Monate einen Anwendungsbereich hat, ist auch nach seiner Erledigung gerichtlich angreifbar; das für die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche besondere Feststellungsinteresse ergibt sich aus der Fallgruppe des schwerwiegenden Grundrechtseingriffs. 2. In Bayern ist erst im Jahr 2018 mit Art. 11 BayRiStAG i.V.m. Art. 57 BayAGGVG die erforderliche gesetzliche und nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2020 - 2 BvR 1333/17 - (BVerfGE 153, 1) verfassungsgemäße Grundlage dafür geschaffen worden, einer Rechtsreferendarin zu verbieten, bei der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenkontakt ein Kopftuch zu tragen. Rechtsquellen GG Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 19 Abs. 4 VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4 BayVwVfG Art. 36 BayJAPO § 46 Abs. 6 BayRiStAG Art. 11 BayAGGVG Art. 57 Instanzenzug VG Augsburg - 30.06.2016 - AZ: VG Au 2 K 15.457 VGH München - 07.03.2018 - AZ: VGH 3 BV 16.2040 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 12.11.2020 - 2 C 5.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:121120U2C5.19.0] Urteil BVerwG 2 C 5.19 VG Augsburg - 30.06.2016 - AZ: VG Au 2 K 15.457 VGH München - 07.03.2018 - AZ: VGH 3 BV 16.2040 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung und Dollinger sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel für Recht erkannt: Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. März 2018 wird aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. Juni 2016 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin ist muslimischen Glaubens und trägt als Ausdruck ihrer religiösen Überzeugung ein Kopftuch. Sie begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit des ihr gegenüber zu Beginn des Rechtsreferendariats ergangenen und später aufgehobenen Verbots, bei hoheitlichen Tätigkeiten im Rechtsreferendariat ein Kopftuch zu tragen. 2 Mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts München vom 3. September 2014 wurde die Klägerin zum juristischen Vorbereitungsdienst mit Beginn zum 1. Oktober 2014 zugelassen. Die Zulassung erfolgte unter der Auflage, dass bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z.B. Wahrnehmung des staatsanwaltlichen Sitzungsdienstes, Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen in der Zivilrechtsstation) keine Kleidungsstücke, Symbole und andere Merkmale getragen werden dürfen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen. 3 Nach Antritt des Vorbereitungsdienstes nahm die Klägerin in der fünfmonatigen Zivilrechtsstation beim Amtsgericht an vier Tagen im November 2014 jeweils gemeinsam mit einer Mitreferendarin an von ihrer Ausbilderin geleiteten mündlichen Verhandlungen teil. Während der Mitreferendarin am 21. November 2014 am Richtertisch u.a. die Einführung in den Sach- und Streitstand übertragen wurde, wohnte die Klägerin der Verhandlung im Zuschauerbereich bei. An den übrigen drei Verhandlungstagen im November wurde die Klägerin genauso behandelt wie ihre Mitreferendarin; beide Referendarinnen saßen im Zuschauerraum und beobachteten den Verlauf der Verhandlungen. 4 Im Januar 2015 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Auflage ein. Der Präsident des Oberlandesgerichts wies den Widerspruch im März 2015 zurück. Im März 2015 begann auch die dreimonatige Strafrechtsstation der Klägerin, die sie bei einem Gericht absolvierte. Mit der im April 2015 erhobenen Klage beantragte die Klägerin zunächst, die Auflage aufzuheben. Nachdem mit Ablauf des Mai 2015 die Strafrechtsstation beendet war, hob der Präsident des Oberlandesgerichts München die Auflage im Juni 2015 auf, weil die Auflage nicht mehr erforderlich sei. Daraufhin beantragte die Klägerin im Juli 2015 festzustellen, dass die Auflage rechtswidrig gewesen ist. 5 Das Verwaltungsgericht entschied im Juni 2016 antragsgemäß. Die Klage sei zulässig, weil sich ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin aus der Präjudizwirkung der beantragten Feststellung für den im Juni 2016 beim Landgericht anhängig gemachten Entschädigungsanspruch aus Amtshaftung ergebe. Die Klage sei auch begründet, weil die Auflage aufgrund des Fehlens einer ihren Erlass rechtfertigenden Rechtsgrundlage rechtswidrig sei. 6 Während des Berufungsverfahrens - im Juli 2017 - nahm die Klägerin die Amtshaftungsklage zurück. Die Berufung der Beklagten war erfolgreich. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: 7 Die von der Klägerin erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage sei bereits unzulässig, weil es an dem hierfür erforderlichen Feststellungsinteresse fehle. Insbesondere sei die Auflage nicht mit einem tiefgreifenden und sich typischerweise kurzfristig erledigenden Grundrechtseingriff verbunden gewesen. Die Wirkung der Auflage sei zeitlich und örtlich sowie auf die Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung beschränkt gewesen. Das Verbot habe sich in ihrem Fall nur auf den Zeitraum einer einzigen mündlichen Verhandlung ausgewirkt. Die streitige Auflage gehöre auch nicht zu den Maßnahmen, die sich typischerweise kurzfristig erledigten. Es sei der Klägerin zumutbar und grundsätzlich auch möglich gewesen, hiergegen gerichtlichen Rechtsschutz auch in der Hauptsache zu erhalten. Dass sich die Auflage vorliegend durch ihre Aufhebung untypisch frühzeitig erledigt habe, ändere daran nichts. 8 Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie beantragt, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. März 2018 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. Juni 2016 zurückzuweisen. 9 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 10 Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Annahme des Berufungsgerichts, die der Klägerin erteilte Auflage bewirke keinen tiefgreifenden Grundrechtseingriff, sodass ihre Fortsetzungsfeststellungsklage wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig sei, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; 1.). Die zulässige Klage ist auch begründet, weil es im Zeitraum der Geltung der streitigen Auflage an der hierfür erforderlichen gesetzlichen Grundlage fehlte, die es der Klägerin untersagt, im Rahmen ihres Rechtsreferendariats bei der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale zu tragen, die die weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung beeinträchtigen können (sog. Kopftuchverbot; 2.). 11 1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig, weil die Klägerin das erforderliche Interesse an der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der ihr gegenüber ergangenen Auflage hat. 12 Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht dann, wenn sich ein angefochtener Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, sofern der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. 13 Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein und sich insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch ergeben. Die gerichtliche Feststellung muss geeignet sein, die betroffene Position des Klägers zu verbessern (BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 2 C 27.15 - BVerwGE 156, 272 Rn. 13 m.w.N.). 14 Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist ein berechtigtes Feststellungsinteresse jedenfalls wegen eines schwerwiegenden Eingriffs in die Religionsfreiheit der Klägerin nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gegeben. 15 Bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen ist im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen, wenn andernfalls kein wirksamer Rechtsschutz gegen solche Eingriffe zu erlangen wäre. Davon ist nur bei Maßnahmen auszugehen, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 32 unter Hinweis auf BVerfG, Beschlüsse vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99 u.a. - BVerfGE 104, 220 <232 f.> und vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <86> m.w.N). 16 Danach steht der Klägerin das erforderliche Interesse für die begehrte Feststellung zu. 17 Das erforderliche Feststellungsinteresse fehlt nicht deshalb, weil der Beklagte die Auflage selbst aufgehoben hat. Der Beklagte hat seinen Bekundungen nach die streitbefangene Auflage nicht wegen einer veränderten Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit, sondern wegen ihrer Entbehrlichkeit in den weiteren Ausbildungsstationen aufgehoben; er hält die Auflage unverändert für rechtmäßig. 18 Das streitgegenständliche Verbot greift, auch wenn es - wie hier - auf die Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung bezogen und hierauf beschränkt ist, in das Grundrecht der Religionsfreiheit, Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, ein. Dieser Eingriff wiegt schwer, fordert er doch von der Adressatin ein Handeln unter Verstoß gegen ein von ihr für sich als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot. Dies gilt unabhängig von der Anzahl der Fälle, in denen sich ein solches Verbot aktualisiert. 19 Die Aufhebung der Auflage durch den Beklagten - nach Beendigung der Strafrechtsstation und zugleich nach Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage - stellt keine untypische frühzeitige Erledigung dar, die der Bejahung eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses entgegensteht. Denn der Zeitraum, für den sich die Auflage Geltung beimaß, war zu kurz, um verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in der Hauptsache zu erlangen (vgl. zum ähnlich gelagerten Fall des Rechtsschutzbedürfnisses einer Verfassungsbeschwerde gegen ein erledigtes Kopftuch-Verbot: BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2020 - 2 BvR 1333/17 - BVerfGE 153, 1 Rn. 75). 20 Zwar war die Auflage ihrem Wortlaut nach nicht auf die Zivilrechts- und die Strafrechtsstation beschränkt, sondern erstreckte sich auf das gesamte Referendariat und erfasste Tätigkeiten in der Zivilrechts- und der Strafrechtsstation nur beispielhaft (""insbesondere""). Allerdings hatte sie außerhalb der Zivilrechts- und der Strafrechtsstation typischerweise keinen Anwendungsbereich. Im Fall der Klägerin beschränkte sich ihr Anwendungsbereich sogar nur auf die Zivilrechtsstation. Denn im Zulassungsbescheid für den Vorbereitungsdienst wurde die Klägerin für die Strafrechtsstation einem Gericht zugewiesen. § 10 GVG schließt aber für Strafsachen ausdrücklich aus, dass Referendare Verfahrensbeteiligte anhören, Beweise erheben und die mündliche Verhandlung leiten. Es kann nicht angenommen werden, dass der hiernach verbleibende Zeitraum zur Erlangung verwaltungsgerichtlichen Hauptsacherechtsschutzes gegen die Auflage ausreichend war, zumal auch der Zeitraum für ein der Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage vorausgehendes Widerspruchsverfahren in die Betrachtung einzubeziehen ist. Dem steht nicht entgegen, dass im streitgegenständlichen Zeitraum der Geltungsdauer der Auflage im beklagten Freistaat die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nicht zwingend, sondern nur fakultativ vorgesehen war. Denn wenn ein Bürger die Erhebung einer gerichtlichen Klage gegen eine ihn beschwerende Verwaltungsentscheidung möglicherweise durch die gesetzlich geregelte vorgerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit dieser Verwaltungsentscheidung vermeiden kann, muss er eine solche normativ vorgesehene Möglichkeit auch tatsächlich wahrnehmen können. 21 2. Die zulässige Klage ist auch begründet. Im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Geltung gab es im beklagten Freistaat Bayern keine gesetzliche Grundlage für die streitgegenständliche Kopftuchauflage. 22 a) Der Eingriff in die Religionsfreiheit durch das Verbot, ein Kopftuch zu tragen, bedarf einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage. Das normative Spannungsverhältnis zwischen den Verfassungsgütern der positiven Religionsfreiheit der von dem Verbot betroffenen Rechtsreferendarin einerseits und dem Grundsatz der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates, dem Grundsatz der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und möglichen Kollisionen mit der grundrechtlich geschützten negativen Religionsfreiheit Dritter andererseits unter Berücksichtigung des Toleranzgebots aufzulösen, obliegt dem demokratischen Gesetzgeber. Er - nicht die Exekutive - hat im öffentlichen Willensbildungsprozess einen für alle zumutbaren Kompromiss zu finden und dabei die einschlägigen Normen des Grundgesetzes zusammen zu betrachten, ihre Interpretation und ihren Wirkungsbereich aufeinander abzustimmen (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2020 - 2 BvR 1333/17 - BVerfGE 153, 1 Leitsätze 2 und 7 sowie Rn. 101 m.w.N.) 23 b) Eine solche gesetzliche Grundlage fehlte hier zur Zeit des Erlasses der streitgegenständlichen Auflage (September 2014) wie des Widerspruchsbescheids (März 2015). 24 Die im Widerspruchsbescheid genannte Rechtsgrundlage - der Ausgangsbescheid benennt keine Rechtsgrundlage für die Auflage - des Art. 36 BayVwVfG i.V.m. § 46 Abs. 6 BayJAPO genügt ersichtlich nicht den dargestellten Anforderungen. Art. 36 BayVwVfG als allgemeine Norm des Verwaltungsverfahrensrechts, wonach u.a. ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung (nur) versehen werden darf, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts sicherstellen soll, ist zwar ein Parlamentsgesetz, beinhaltet aber keine spezifische, die vorliegende Kollision der Verfassungsgüter erfassende und austarierende Regelung. § 46 Abs. 6 BayJAPO, wonach die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst versagt werden kann, wenn Tatsachen vorliegen, die den Bewerber als ungeeignet erscheinen lassen, ist keine parlamentsgesetzliche Norm und außerdem ebenfalls zu unspezifisch. Die vom Verwaltungsgericht des Weiteren noch erwogene entsprechende Anwendung des für Lehrkräfte im Unterricht geltenden Art. 59 Abs. 2 Satz 3 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) für Referendare im juristischen Vorbereitungsdienst kommt ersichtlich nicht in Betracht. Schließlich stellen auch aus allgemeinen gesetzlichen Vorschriften folgenden Neutralitätspflichten für Richter keine taugliche Grundlage dar, die eine solche Auflage gegenüber einer Rechtsreferendarin rechtfertigen; sie erfassen Rechtsreferendarinnen nicht und sind zu unspezifisch. 25 Erst mit Art. 11 BayRiStAG in der Fassung vom 22. März 2018 (GVBl. S. 118 <122>) i.V.m. Art. 57 AGGVG in der Fassung vom 22. März 2018 (GVBl. S. 118 <143>, geändert durch § 2 Nr. 36 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 (GVBl. S. 545 <548>), wonach neben u.a. Richterinnen und Richtern auch Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare in Verhandlungen sowie bei allen Amtshandlungen mit Außenkontakt keine sichtbaren religiös oder weltanschaulich geprägten Symbole oder Kleidungsstücke tragen dürfen, die Zweifel an ihrer Unabhängigkeit, Neutralität oder ausschließlichen Bindung an Recht und Gesetz hervorrufen können, ist die erforderliche gesetzliche und nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2020 - 2 BvR 1333/17 - (BVerfGE 153, 1) verfassungsgemäße Grundlage für den Erlass einer solchen Auflage auch gegenüber einer Rechtsreferendarin geschaffen worden. 26 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2020-66,17.11.2020,"Pressemitteilung Nr. 66/2020 vom 17.11.2020 EN Internationaler Familienschutz in Deutschland auch bei Flüchtlingsstatus in einem anderen EU-Mitgliedstaat Die Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union hindert nicht die Zuerkennung internationalen Familienschutzes im Bundesgebiet. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig - erstmals aufgrund einer Videoverhandlung (§ 102a VwGO) - heute entschieden. Dem Kläger, nach eigenen Angaben somalischer Staatsangehöriger, wurde in Italien internationaler Schutz zuerkannt. Hiernach reiste er in das Bundesgebiet ein, wo er einen weiteren Asylantrag stellte. Seinen drei minderjährigen Kindern, die nach ihm zusammen mit ihrer Großmutter nach Deutschland eingereist waren, wurde hier die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag des Klägers unter Bezugnahme auf die Schutzgewährung in Italien als unzulässig ab. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegte Berufung der beklagten Bundesrepublik zurückgewiesen. Der Unzulässigkeitstatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG sei wegen des bestehenden Anspruchs des Klägers auf Gewährung internationalen Familienschutzes aus § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 AsylG nicht anwendbar. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Unzulässigkeit eines Asylantrages bei Schutzgewähr durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) steht einer (erneuten) Schutzgewährung wegen dem Ausländer selbst drohender Verfolgungs- oder anderer Gefahren entgegen. Sie hindert aber nicht die Zuerkennung des von einem schutzberechtigten Familienangehörigen abgeleiteten internationalen Familienschutzes nach § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG. Neben dem Ziel der Verfahrensvereinfachung dient § 26 AsylG dem Schutz der Familie und der Förderung der Integration der Familienangehörigen. Der deutsche Gesetzgeber hat die Vorgaben des Art. 23 Abs. 2 der Anerkennungsrichtlinie (RL 2011/95/EU) bewusst überschießend durch die Einräumung eines Schutzstatus umgesetzt. Nach § 26 AsylG sind Familienangehörigen eines Schutzberechtigten nicht nur die in Art. 24 bis 35 RL 2011/95/EU genannten Leistungen, darunter die Erteilung eines Aufenthaltstitels, zu gewähren, sondern ist ihnen hierfür der asylrechtliche Status des Schutzberechtigten zuzuerkennen. Hiervon nimmt § 26 AsylG Familienangehörige, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz erhalten haben, unabhängig davon nicht aus, in welcher Reihenfolge die Familienmitglieder eingereist sind. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG bezweckt zwar die Unterbindung unerwünschter Sekundärmigration; dieser kann aber im Falle der Weiterwanderung zum Zwecke der Wiederherstellung der Familieneinheit wegen der Rechte aus Art. 23 RL 2011/95/EU unionsrechtlich wirksam nicht begegnet werden. Ein Nichtgebrauchmachen von bestehenden Möglichkeiten der Familienzusammenführung im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren (Dublin-Verfahren) (hier: Art. 9 Dublin III-VO) führt nach dem Unionsrecht nicht dazu, dass sich ein eigenmächtig weitergereistes Familienmitglied nicht mehr auf die Rechte aus Art. 23 RL 2011/95/EU berufen könnte. Die statusrechtliche Begünstigung des bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Schutzberechtigten steht auch im Einklang mit Art. 3 RL 2011/95/EU, da seine Situation wegen des schutzwürdigen Interesses, den Familienverband zu wahren, grundsätzlich einen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweist. BVerwG 1 C 8.19 - Urteil vom 17. November 2020 Vorinstanzen: OVG Magdeburg, 4 L 201/17 - Urteil vom 19. Februar 2019 - VG Magdeburg, 8 A 413/17 MD - Urteil vom 23. Oktober 2017 -","Urteil vom 17.11.2020 - BVerwG 1 C 8.19ECLI:DE:BVerwG:2020:171120U1C8.19.0 EN Internationaler Familienschutz in Deutschland auch bei Flüchtlingsstatus in einem anderen EU-Mitgliedstaat Leitsatz: Die Gewährung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union hindert nicht die Zuerkennung des von einem schutzberechtigten Familienangehörigen abgeleiteten internationalen Familienschutzes. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG findet in Fällen des § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG keine Anwendung. Rechtsquellen AsylG § 13 Abs. 1, § 26 Abs. 1 bis 3 und 5 Satz 1 und 2, §§ 26a, 29 Abs. 1 Nr. 2 und 3, § 31 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 EMRK Art. 8 GRC Art. 4, 7 und 24 RL 2011/95/EU Art. 3, 23 Abs. 2 RL 2013/32/EU Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Instanzenzug VG Magdeburg - 23.10.2017 - AZ: VG 8 A 413/17 MD OVG Magdeburg - 19.02.2019 - AZ: OVG 4 L 201/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 17.11.2020 - 1 C 8.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:171120U1C8.19.0] Urteil BVerwG 1 C 8.19 VG Magdeburg - 23.10.2017 - AZ: VG 8 A 413/17 MD OVG Magdeburg - 19.02.2019 - AZ: OVG 4 L 201/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Das Revisionsverfahren wird eingestellt, soweit die Beklagte die Revision zurückgenommen hat. Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen die auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützte Ablehnung seines Asylantrags mit dem Ziel der Zuerkennung des internationalen Familienschutzes nach § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG als unzulässig. 2 Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge somalischer Staatsangehöriger. Er ist Vater dreier in den Jahren 2006, 2007 und 2008 geborener Kinder. 3 Auf seinen aus Dezember 2013 datierenden Antrag wurde ihm in Italien internationaler Schutz zuerkannt. Einen im Oktober 2015 im Bundesgebiet gestellten weiteren Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) auf der Grundlage des § 27a AsylG a.F. als unzulässig ab. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Im August 2017 begehrte der Kläger im Hinblick auf den Umstand, dass das Bundesamt seinen drei Kindern im Juni 2017 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hatte, die Zuerkennung internationalen Familienschutzes. Mit Bescheid vom 31. August 2017 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers erneut, nunmehr auf der Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, als unzulässig ab. 4 Auf die von dem Kläger erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den Bescheid aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG sei wegen des bestehenden Anspruchs des Klägers aus § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 AsylG nicht anwendbar. Die Norm erfasse nur den eigenen Anspruch des Ausländers auf Gewährung internationalen Schutzes, nicht hingegen auch einen abgeleiteten Anspruch auf internationalen Familienschutz. § 26 AsylG solle eine rasche und einheitliche Entscheidung ermöglichen, Verwaltungsaufwand vermeiden und Behörden und Verwaltungsgerichte entlasten. Die Norm sei zudem dazu bestimmt, den Familienverband zu schützen und integrationsverstärkend zu wirken. Sie ziele gerade auf eine Gewährung internationalen Schutzes in demselben Mitgliedstaat, weshalb dem Umstand der Schutzgewährung in einem anderen Mitgliedstaat nur ein minderes Gewicht beizumessen sei. Aus § 31 Abs. 4 AsylG lasse sich nicht schließen, dass § 26 AsylG nicht Vorrang gegenüber § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zukommen solle. 5 Zur Begründung ihrer Revision führt die Beklagte im Wesentlichen aus, der Umstand, dass der Gesetzgeber eine Kollisionsnorm allein für § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG, nicht jedoch auch für die weiteren Unzulässigkeitstatbestände geschaffen habe, lasse erkennen, dass bei diesen § 26 AsylG kein Vorrang gebühren solle. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG trage dem Gedanken Rechnung, dass ein Ausländer, der bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationalen Schutz erlangt habe, keiner weiteren Schutzanerkennung mehr bedürfe. Dem Zweck des Familienasyls, allen Angehörigen der Flüchtlingsfamilie zu einer raschen Integration und einem einheitlichen Rechtsstatus zu verhelfen, könne gegenüber dem zentralen Ziel des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, der Unterbindung von Sekundärmigration, kein durchgreifendes Gewicht zukommen. Antragstellern solle es nicht möglich sein, die zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten getroffene Zuständigkeitsbestimmung infrage zu stellen und sich durch illegale Weiterwanderung den schutzgewährenden Mitgliedstaat auszusuchen. Die zuständigkeitsbestimmenden Vorgaben der Art. 9 und 10 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 würden unterlaufen, dürfte der Betreffende nach erfolgreichem Abschluss seines Asylverfahrens in dem gewünschten Mitgliedstaat, in dem Familienangehörige ihren Aufenthalt genommen hätten, erneut ein Asylverfahren betreiben. Keine Bedeutung für die Auslegung des Verhältnisses zwischen § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG und § 26 AsylG komme dem für die Anwendung des Familienasyls herangezogenen Gedanken der Verfahrenserleichterung zu, da der für die Überprüfung der Anwendungsvoraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zu betreibende Aufwand keinesfalls höher, vielmehr regelmäßig niedriger als derjenige für die Prüfung des § 26 AsylG sei. 6 Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat erklärt, sich nicht an dem Verfahren zu beteiligen. II 8 Der Senat entscheidet über die Revision mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten auf der Grundlage einer im Einklang mit § 102a VwGO durchgeführten mündlichen Verhandlung. 9 1. Das Revisionsverfahren ist nach Maßgabe des § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Beklagte ihre Revision nach Maßgabe des § 140 Abs. 1 Satz 1 VwGO zurückgenommen hat. 10 2. Im Übrigen ist die Revision der Beklagten unbegründet. Die Ablehnung des Asylantrags des Klägers als unzulässig ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, der Unzulässigkeitstatbestand der Gewährung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union sei wegen des bestehenden Anspruchs des Klägers auf internationalen Familienschutz nicht anwendbar, steht mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) im Einklang. 11 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens sind das Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 165 der am 27. Juni 2020 in Kraft getretenen Elften Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328). Rechtsänderungen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts eintreten, sind zu berücksichtigen, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Tatsachengericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es diese nunmehr träfe, die aktuelle Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 12). Die hier maßgeblichen Bestimmungen haben sich seit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts allerdings nicht geändert. 12 Die Unzulässigkeit eines Asylantrages bei Schutzgewähr durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) steht einer (erneuten) Schutzgewährung ""aus eigenem Recht"" wegen dem Ausländer im Herkunftsland selbst drohender Gefahren entgegen (a), hindert aber nicht die Zuerkennung des von einem schutzberechtigten Familienangehörigen abgeleiteten internationalen Familienschutzes nach § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG (b). Dabei ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der Kläger die geschriebenen Voraussetzungen sowohl des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als auch des § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG für die Zuerkennung von Familienflüchtlingsschutz erfüllt. 13 a) Einem Ausländer, dem - wie hier dem Kläger - bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz zuerkannt wurde, ist im Falle seiner Weiterwanderung in das Bundesgebiet internationaler Schutz wegen begründeter Furcht vor Verfolgung oder der Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, grundsätzlich nicht ein weiteres Mal zuzuerkennen. 14 Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylG unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Die Norm setzt Art. 33 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180/60) (im Folgenden: RL 2013/32/EU) in nationales Recht um. Danach können die Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig betrachten, wenn ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat. Die Regelung bezweckt, die Zuerkennung asylrechtlicher Schutzstatus in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union auszuschließen und unerwünschte Sekundärmigration zu vermeiden beziehungsweise einzudämmen. 15 Die neuerliche Prüfung und Gewährung internationalen Schutzes im Falle eines Begehrens um Schutz vor Verfolgung oder vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen anderen Staat ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG grundsätzlich ausgeschlossen, wenn dem Ausländer wegen diesem selbst drohender Verfolgungs- oder anderer Gefahren internationaler Schutz bereits in einem anderen Mitgliedstaat zuerkannt wurde. In einer solchen Konstellation ist der Schutzberechtigte regelmäßig auf die Schutzgewährung durch den zuerkennenden Mitgliedstaat der Europäischen Union verwiesen. 16 Dies gilt dann nicht, wenn die Lebensverhältnisse, die ihn in dem anderen Mitgliedstaat als anerkannter Flüchtling erwarteten, den Schutzberechtigten der ernsthaften Gefahr aussetzten, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC zu erfahren (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​296], Ibrahim u. a. - Rn. 101 und Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 und C-541/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​964], Hamed u. Omar - Rn. 34 ff.; vgl. auch BVerwG, Urteile vom 20. Mai 2020 - 1 C 34.19 - juris Rn. 17 und 19 und vom 17. Juni 2020 - 1 C 35.19 - InfAuslR 2020, 402 Rn. 23 ff. und 27). Hierzu fehlt es vorliegend an tatsächlichen Feststellungen. 17 b) Die Gewährung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union hindert indes nicht die Zuerkennung des von einem schutzberechtigten Familienangehörigen abgeleiteten internationalen Familienschutzes, weil § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auf § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG keine Anwendung findet (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Mai 2020 - 10 LA 104/20 - juris Rn. 16 ff.; OVG Münster, Urteil vom 9. Oktober 2019 - 11 A 2229/19.A - juris Rn. 31 ff.; VG Bremen, Urteil vom 18. September 2020 - 2 K 3087/17 - juris Rn. 24; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Mai 2020 - 22 K 16758/17.A. - juris Rn. 26 und 36, Beschluss vom 5. September 2016 - 22 L 2884/16.A - juris Rn. 19 ff. und Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2019 - 22 K 16904/17.A - juris Rn. 34 f.; VG Lüneburg, Urteil vom 15. März 2017 - 8 A 201/16 - juris Rn. 21 ff.; a.A. VG Berlin, Urteil vom 3. Dezember 2018 - 23 K 323.18 A - juris Rn. 18 ff.; VG Hannover, Urteil vom 22. März 2018 - 13 A 12144/17 - juris Rn. 26). Dieses Normverständnis ist das Ergebnis einer Auslegung beider Vorschriften (aa). Eine ausdrückliche gesetzliche Kollisionsregelung steht ihm nicht entgegen (bb). Es steht zudem im Einklang mit Art. 3 RL 2011/95/EU (cc). 18 aa) Während Wortlaut (1) und Gesetzessystematik (2) keine eindeutigen Rückschlüsse auf das Verhältnis beider Normen zulassen, streiten die historisch-genetische (3) und die teleologische (4) Auslegung gegen eine Anwendbarkeit des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auf § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG. 19 (1) Die grammatische Auslegung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG wie auch des § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG lässt einen eindeutigen Schluss auf ein Rangverhältnis beider Normen nicht zu. 20 Ein umfassender Vorrang des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG folgt auch nicht aus dem Umstand, dass § 29 Abs. 1 AsylG die Unzulässigkeit eines ""Asylantrags"" regelt und der Begriff des Asylantrags sowohl nach dem natürlichen als auch nach dem normativen Sprachgebrauch offen für die Einbeziehung der Zuerkennung des internationalen Familienschutzes ist. Für den Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist indes zu bedenken, dass der unionsrechtlich geprägte Begriff des Asylantrages das nationale Rechtsinstitut des internationalen Familienschutzes nicht in den Blick nimmt. 21 (2) Auch die Gesetzessystematik vermittelt kein eindeutiges Bild. 22 Der Umstand, dass § 29 Abs. 1 AsylG die Unzulässigkeit eines ""Asylantrags"" regelt, ohne danach zu differenzieren, ob der Antrag auf dem Antragsteller im Herkunftsland drohende Gefahren oder auf den Schutzstatus eines Stammberechtigten gestützt wird, könnte allerdings für eine Anwendbarkeit des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auf § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG sprechen. Der Begriff ""Asylantrag"" knüpft an § 13 Abs. 1 AsylG an. Danach liegt ein Asylantrag vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG droht. Im nationalen Recht wird das auf die Zuerkennung des internationalen Familienschutzes gerichtete Begehren als von der Stellung eines Asylantrags gleichsam automatisch miterfasst angesehen, ohne dass es eines gesonderten Antrags bedarf (vgl. in diesem Zusammenhang bereits BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1991 - 9 C 48.91 - BVerwGE 88, 326 <328>). Auch hier gilt indes, dass sich § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auf den in einem anderen Mitgliedstaat gewährten internationalen Schutz bezieht, bei dessen Gewährung gerade nicht auch über das Bestehen des nur nach nationalem Recht der Bundesrepublik Deutschland zugebilligten nationalen Familienschutzes entschieden worden ist. 23 (3) Gegen die Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auf § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG streitet hingegen mit starkem Gewicht die historisch-genetische Auslegung des § 26 AsylG, die darauf weist, dass den Angehörigen der (Klein-)Familie des Schutzberechtigten die Herstellung der Familieneinheit auf der Grundlage eines einheitlichen Schutzstatus ermöglicht werden sollte, und nicht erkennen lässt, dass insoweit zwischen Angehörigen, die schutzlos sind, und solchen, denen bereits in einem anderen Staat internationaler Schutz zuerkannt wurde, differenziert werden sollte. 24 Das Institut des Familienasyls wurde in der Bundesrepublik Deutschland richterrechtlich begründet. Eine gesetzliche Vorschrift, die den asylrechtlichen Status des Stammberechtigten auf dessen Ehegatten und Kinder erstreckte, fand sich zunächst nicht (BVerwG, Urteil vom 29. April 1971 - 1 C 42.67 - BVerwGE 38, 87 <88>). Dass in der Praxis der Anerkennungsbehörden und Verwaltungsgerichte in gewissem Umfang auch Angehörigen des Flüchtlings, vor allem der Ehefrau und den abhängigen minderjährigen Kindern, der Status des ausländischen Flüchtlings zuerkannt wurde, gründete in dem Gedanken des Familienschutzes, der sich im nationalen und internationalen Recht durchzusetzen begann, und in der Erfahrung, dass vielfach diejenigen, die von einem Flüchtling abhängig sind, im Verfolgungsland ebenfalls Verfolgungen, zumindest aber schweren Beeinträchtigungen ausgesetzt sind, insbesondere dann, wenn in dem Land ein totalitäres System herrscht (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 1965 - 1 C 5.62 - Buchholz 402.22 Art. 1 GK Nr. 14 S. 8). Politische Verfolgung einzelner Mitglieder einer Familie ist oftmals durch die übergreifenden mittelbaren Wirkungen der Verfolgungsmaßnahme und den häufig alle Familienmitglieder einschließenden Verfolgungsgrund gekennzeichnet. Die Verfolgungsmaßnahme wirkt kraft der gegenseitigen Abhängigkeit sehr oft in die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen der Familienmitglieder hinein. Eine solche mittelbare Wirkung einer gegen einen anderen gerichteten Verfolgungsmaßnahme kann zur Verfolgungsmaßnahme auch gegen den Drittbetroffenen werden (BVerwG, Urteil vom 27. April 1982 - 9 C 239.80 - BVerwGE 65, 244 <249 f.>). Bei der prognostischen Einschätzung der dem Ehegatten oder den minderjährigen Kindern eines politisch Verfolgten drohenden Verfolgung wurde von einer Regelvermutung des Inhalts ausgegangen, dass immer dann, wenn Fälle festgestellt worden sind, in denen ein Staat Repressalien gegen die Ehefrau oder die (minderjährigen) Kinder im Zusammenhang mit der politischen Verfolgung des Ehemannes oder Vaters ergriffen hat, auch der Ehefrau oder den Kindern, über deren Asylanspruch im konkreten Fall zu entscheiden ist, das gleiche Schicksal mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1985 - 9 C 35.84 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 34 S. 101). 25 Mit Art. 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354) schuf der Gesetzgeber in § 7a Abs. 3 AsylVfG a.F. erstmals eine gesetzliche Grundlage für das Familienasyl. Die Regelung zielte auf die ""Entlastung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und der Verwaltungsgerichtsbarkeit, da sie die Möglichkeit eröffnet[e], von einer u.U. schwierigen Prüfung eigener Verfolgungsgründe der Familienangehörigen eines Asylberechtigten abzusehen"". Sie wurde zudem als ""sozial gerechtfertigt"", weil der ""Integration der nahen Familienangehörigen der in der Bundesrepublik Deutschland als Asylberechtigte aufgenommenen politisch Verfolgten"" förderlich erachtet (BT-Drs. 11/6960 S. 29 f.). An dieser auf der gesetzlichen Vermutung einer Verfolgung basierenden Konzeption des Familienasyls hielt der Gesetzgeber im Zuge der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes durch Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 (BGBl. I S. 1126) und der Schaffung des § 26 AsylVfG im Grundsatz fest (BT-Drs. 12/2718 S. 60). Mit der Zuerkennung von Familienabschiebungsschutz für enge Familienangehörige von Flüchtlingen, die (nur) nach § 60 Abs. 1 AufenthG anerkannt waren, durch Art. 3 Nr. 17 Buchst. d des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) stärkte er den in Art. 6 Abs. 1 GG verankerten und dem internationalen Flüchtlingsschutz immanenten Gedanken der Familieneinheit und berücksichtigte er das Interesse an einem einheitlichen Rechtsstatus innerhalb einer Familie (BT-Drs. 15/420 S. 109; vgl. ferner BR-Drs. 22/03 S. 260 f.). 26 Die Neufassung des § 26 AsylG durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) diente der Umsetzung des Art. 23 Abs. 2 dieser Richtlinie in nationales Recht. Zusätzlich zu den im nationalen Recht bewährten Schutzformen des Familienasyls und des Familienflüchtlingsschutzes wurde ein gemeinsamer Status bei subsidiär Geschützten und ihren Familienangehörigen eingeführt. Dies sollte die Rechtsanwendung erleichtern und auch der Tatsache Rechnung tragen, dass bei Familienangehörigen häufig eine vergleichbare Bedrohungslage wie bei dem Stammberechtigten vorliege (BT-Drs. 17/13063 S. 21). § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG zielte darauf, den Familienangehörigen eines Schutzberechtigten zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Familieneinheit und der Wahrung des Minderjährigenschutzes die gleichen Rechte wie dem Stammberechtigten zu vermitteln. Zur Erreichung dieses Zieles beschritt der Gesetzgeber nicht den Weg einer rein aufenthalts- und sozialrechtlichen Umsetzung; stattdessen entschied er sich nicht zuletzt im Interesse einer Verfahrensvereinfachung für eine unionsrechtlich überschießende asylrechtliche Umsetzung der Vorgaben des Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU (BT-Drs. 17/13063 S. 21). 27 Eine durch eine Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG bewirkte Beschränkung des Kreises der durch § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG begünstigten Familienmitglieder auf solche, denen noch nicht in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Schutz zuerkannt wurde, steht mit dieser gesetzgeberischen Konzeption nicht im Einklang. Die Gesetzesmaterialien enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, dass die gewählte Art der Umsetzung der Vorgaben des Art. 23 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU auf die hier in Rede stehende Fallgruppe anderweitig international Schutzberechtigter trotz auch insoweit bestehender Umsetzungspflicht keine Anwendung finden sollte und der Gesetzgeber diesen Personenkreis auf eine rein aufenthaltsrechtliche Umsetzung hätte verweisen wollen. Dafür spricht umso weniger, als die bestehenden Regelungen des Aufenthaltsgesetzes zum Familiennachzug nicht alle von den unionsrechtlichen Vorschriften zur Wahrung des im Aufnahmemitgliedstaat anwesenden Familienverbands umfassten Fallgestaltungen abdecken dürften. 28 (4) Die teleologische Auslegung des § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG unterstreicht das historisch-genetische Normverständnis (a). Sinn und Zweck des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gebieten keine abweichende Betrachtung (b). 29 (a) Der internationale Familienschutz nach § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG ist neben der Vereinfachung des Verfahrens und der Entlastung des Bundesamtes und der Verwaltungsgerichte von mitunter schwierigen und langwierigen Prüfungen der dem Familienangehörigen persönlich drohenden Gefahren maßgeblich der Aufrechterhaltung der Familieneinheit zu dienen bestimmt. 30 Dieser Zweck kommt in gleicher Weise bei Familienangehörigen zum Tragen, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz erhalten haben und wegen der ihnen drohenden Gefahren nicht in das Herkunftsland abgeschoben und ob ihrer im Bundesgebiet bestehenden familiären Bindungen regelmäßig auch nicht in den anderen Mitgliedstaat rückgeführt werden dürfen. Dass der Gesetzgeber die statusrechtliche Gleichstellung und damit die effektive Wahrnehmung der aus dem internationalen Familienschutz erwachsenden Rechte solchen Familienangehörigen ungeachtet des Umstands vorzuenthalten gedachte, dass diese in der Regel rechtmäßig einen auf Dauer angelegten Aufenthalt im Bundesgebiet nehmen werden und daher das Ziel, eine Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz bereits in einem anderen Mitgliedstaat erhalten haben, einzudämmen, nicht (mehr) erreicht werden kann, liegt mit Blick auf die historische Genese des § 26 AsylG jedenfalls nicht nahe. Dagegen spricht nachhaltig, dass der Gesetzgeber für diesen Personenkreis keine Notwendigkeit gesehen hat, die Umsetzung des Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU anderweitig zu regeln. 31 (b) Sinn und Zweck des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gebieten kein abweichendes Normverständnis. 32 Die Norm, die Art. 33 Abs. 1 und 2 Buchst. a RL 2013/32/EU in nationales Recht umsetzt, bezweckt die Vermeidung ineffektiver Doppelprüfungen und divergierender behördlicher wie gerichtlicher Entscheidungen. Sie gründet maßgeblich auf der zentralen Zwecksetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, irreguläre Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen den Mitgliedstaaten einzudämmen (vgl. nur Erwägungsgrund 13 RL 2011/95/EU; ferner EuGH, Urteil vom 17. März 2016 - C-695/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​188], Mirza - Rn. 52; BVerwG, Vorlagebeschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- u. Asylrecht Nr. 81 Rn. 26). Weder Schutzsuchenden noch Schutzberechtigten soll ein Anreiz geboten werden, in einen anderen Mitgliedstaat weiterzuwandern, um in diesem erneut um die Zuerkennung internationalen Schutzes vor in dem Herkunftsland drohenden Gefahren nachzusuchen. 33 Haben Mitglieder einer Kernfamilie (Eltern und ihre minderjährigen Kinder) - aus welchen Gründen auch immer - in unterschiedlichen Mitgliedstaaten internationalen Schutz erhalten, steht der Hauptzweck des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG - die Verhinderung von Sekundärmigration - einem abgeleiteten Schutzstatus indes nicht entgegen. In diesem Fall kann ein gemeinsames Familienleben naturgemäß nur in einem Mitgliedstaat verwirklicht werden. Damit führt die Wiederherstellung der Familieneinheit in einem Mitgliedstaat, der einem Familienmitglied internationalen Schutz gewährt hat, nicht zu einer unionsrechtlich unerwünschten Sekundärmigration, die durch Rückführung in einen anderen Mitgliedstaat verhindert werden muss. Gegen die Annahme einer unionsrechtlich unerwünschten Sekundärmigration sprechen auch die bei der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats vorrangig anzuwendenden familienbezogenen Zuständigkeitskriterien in Art. 8 bis 10 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, die gerade zum Schutz des Wohles des Kindes und des Familienverbands beitragen sollen (EuGH, Urteil vom 2. April 2019 - C-582/17 und C-583/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​280], - Rn. 83; vgl. ferner Erwägungsgründe 13, 14 und 16 sowie Art. 6 Abs. 3 Buchst. a, Art. 11, 16 und 17 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013). Würde in Fällen, in denen von diesen Möglichkeiten der Familienzusammenführung bereits während des Asylverfahrens - aus welchen Gründen auch immer - kein Gebrauch gemacht worden ist und dadurch Mitglieder einer Familie in unterschiedlichen Mitgliedstaaten internationalen Schutz erhalten haben, eine Familienzusammenführung im Bundesgebiet nur auf der Ebene des Aufenthaltstitelrechts ermöglicht, müsste das in einem anderen Mitgliedstaat schutzberechtigte Familienmitglied auf den ihm wegen ihm selbst drohender Gefahren gewährten Schutzstatus im Bundesgebiet verzichten. Die Gesetzesmaterialien lassen einen darauf gerichteten Willen des nationalen Gesetzgebers nicht erkennen. Das Unionsrecht, insbesondere die Art. 23 ff. RL 2011/95/EU enthalten auch keinen Hinweis darauf, dass die an eine Schutzgewähr anknüpfenden Rechte für Familienangehörige nur im Mitgliedstaat der zeitlich ersten Antragstellung oder Schutzzuerkennung bestünden. 34 Eine Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auf § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG hätte zudem unweigerlich Wertungswidersprüche zur Folge. So würden Familienangehörige, denen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union wegen ihnen im Herkunftsland drohender Gefahren internationaler Schutz zuerkannt wurde, in Bezug auf die Gewährung internationalen Familienschutzes und die damit im Bundesgebiet verbundenen Vorteile schlechter gestellt als Familienangehörige, deren Asylantrag in einem anderen Mitgliedstaat keinen Erfolg hatte. Sie benachteiligt auch minderjährige Kinder, denen in einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz zugesprochen wurde, gegenüber im Bundesgebiet nachgeborenen Kindern. Derartige Ungleichbehandlungen ließen sich im Lichte des Rechts auf Achtung des Familienlebens (Art. 8 EMRK, Art. 7 und 24 GRC) nicht damit rechtfertigen, dass ein in einem anderen Mitgliedstaat schutzberechtigter Ausländer in Deutschland keines Schutzes bedarf, weil ihm eine effektive Inanspruchnahme dieser Rechte ohne Aufgabe des wiederhergestellten Familienverbands regelmäßig nicht möglich ist. 35 bb) Das Asylgesetz enthält auch keine das Verhältnis des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG und des § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG ausdrücklich regelnde Kollisionsnorm. Ein Rückgriff auf § 31 Abs. 4 AsylG, dem zufolge für den Fall, dass der Asylantrag nach § 26a AsylG als unzulässig abgelehnt wird, § 26 Abs. 5 AsylG in den Fällen des § 26 Abs. 1 bis 4 AsylG unberührt bleibt, scheidet aus. 36 § 31 Abs. 4 AsylG schließt die Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG auf einen Anspruch auf Familienflüchtlingsschutz nach § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 bis 4 AsylG aus. Die Norm steht in unmittelbarem sachlichem Zusammenhang mit § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG. Denn jedenfalls seit der Einfügung dieser Vorschrift kann ein Asylantrag im Hinblick auf einen sicheren Drittstaat nicht mehr ""nur nach § 26a AsylG"" abgelehnt werden, sondern nur noch im Wege einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 (i.V.m. § 26a) AsylG unter Beachtung der dort genannten Voraussetzungen (vgl. näher BVerwG, Urteil vom 21. April 2020 - 1 C 4.19 - juris Rn. 16). 37 Der Umstand, dass sich der Gesetzgeber im Zuge der grundlegenden Umgestaltung des § 29 Abs. 1 AsylG durch Art. 6 Nr. 7 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) auf die Streichung der nicht mehr erforderlichen Regelung des § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylG in der bis zum 5. August 2016 gültigen Fassung und auf eine bloße ""Anpassung"" des § 31 Abs. 4 Satz 2 AsylG a.F. beschränkt und weder seinerzeit noch in der zeitlichen Folge eine Ergänzung dieser nach seinem ausdrücklichen Willen auf § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG bezogenen Regelung (BR-Drs. 266/16 S. 53) um weitere Kollisionsnormen vorgenommen hat, weist darauf, dass sich der Regelungsinhalt des § 31 Abs. 4 AsylG nicht auf die übrigen Unzulässigkeitstatbestände erstreckt. Auch die auf Fälle des § 26a AsylG beschränkte, ursprüngliche Intention des Gesetzgebers, durch § 31 Abs. 4 AsylG ""klarzustellen"", dass Familienangehörigen, denen aus eigenem Recht wegen der Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht, die Berufung auf abgeleitete Rechte aus § 26 AsylG nicht abgeschnitten ist (BT-Drs. 15/420 S. 110; vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwG, Urteil vom 6. Mai 1997 - 9 C 56.96 - BVerwGE 104, 347 <348 ff.>), lässt keine unmittelbaren Rückschlüsse auf vom Wortlaut nicht erfasste Fallkonstellationen zu. 38 Im Lichte dieses Normverständnisses ist im Ergebnis Raum weder für die Annahme eines Umkehrschlusses des Inhalts, dass § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG in den Fällen einer Unzulässigkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht unberührt bleiben soll, noch für eine analoge Anwendung des § 31 Abs. 4 AsylG. 39 cc) Die statusrechtliche Begünstigung des bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union schutzberechtigten Familienangehörigen steht auch im Einklang mit Art. 3 RL 2011/95/EU. 40 Danach können die Mitgliedstaaten günstigere Normen zur Entscheidung darüber, wer als Flüchtling gilt und zur Bestimmung des Inhalts des internationalen Schutzes erlassen oder beibehalten, sofern sie mit dieser Richtlinie vereinbar sind. Eine günstigere Norm ist mit der Richtlinie 2011/95/EU vereinbar, wenn sie die allgemeine Systematik oder die Ziele der Richtlinie nicht gefährdet. Unvereinbar sind demgegenüber nationale Normen, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an Drittstaatsangehörige oder Staatenlose vorsehen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen (EuGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 - C-542/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2452], M’Bodj - Rn. 44). Unterfallen Familienangehörige eines anerkannten Flüchtlings keinem der in Art. 12 RL 2011/95/EU geregelten Ausschlussgründe und weist ihre Situation wegen der Notwendigkeit, den Familienverband zu wahren, einen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes auf, so gestattet es Art. 3 RL 2011/95/EU einem Mitgliedstaat, diesen Schutz auf andere Angehörige dieser Familie zu erstrecken (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2018 - C-652/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​801], Ahmedbekova und Ahmedbekov - Rn. 74). 41 Der Situation eines in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union schutzberechtigten Familienangehörigen, der internationalen Familienschutz begehrt, ist wegen des schutzwürdigen Interesses, den Familienverband wiederherzustellen, ein Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes regelmäßig, so auch hier, nicht abzusprechen. 42 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 155 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor." bverwg_2020-7,30.01.2020,"Pressemitteilung Nr. 7/2020 vom 30.01.2020 EN Kein Anspruch auf Zugang zu Informationen über Aufsichtsmaßnahmen bei Tiertransporten Ein Anspruch auf Zugang zu Informationen über behauptete Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen besteht weder nach dem Umweltinformationsrecht noch nach dem Verbraucherinformationsgesetz. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, ein eingetragener Verein, der sich u.a. für den Tierschutz bei Transporten einsetzt, begehrt von der beklagten Aufsichtsbehörde Einsicht in deren Akten über die Kontrolle von Transporten von Puten zur beigeladenen Geflügelschlachterei. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Das Verwaltungsgericht verpflichtete den Beklagten zur Akteneinsicht gemäß dem Umweltinformationsgesetz und das Oberverwaltungsgericht nach dem Verbraucherinformationsgesetz. Auf die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen hat das Bundesverwaltungsgericht das Berufungsurteil geändert und die Klage abgewiesen. Bei den begehrten Informationen handelt es sich nicht um Umweltinformationen im Sinne des Umweltinformationsrechts. Das Merkmal der Umwelt erfasst u.a. Tiere als Teil der natürlichen Lebensräume und die Artenvielfalt, tierschutzrechtliche Belange aber nicht. Das Verbraucherinformationsgesetz berücksichtigt Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorschriften ebenfalls nicht. Sein Zweck ist der Verbraucherschutz und nicht der Tierschutz. Ein Informationszugang nach diesem Gesetz wegen Abweichungen vom Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch scheidet aus, weil lebende Tiere regelmäßig keine Lebensmittel sind. BVerwG 10 C 11.19 - Urteil vom 30. Januar 2020 Vorinstanzen: OVG Lüneburg, 2 LC 58/17 - Urteil vom 27. Februar 2018 - VG Oldenburg, 5 A 268/14 - Urteil vom 11. Januar 2017 -","Urteil vom 30.01.2020 - BVerwG 10 C 11.19ECLI:DE:BVerwG:2020:300120U10C11.19.0 EN Zugang zu Informationen nach dem Verbraucherinformationsgesetz und dem Umweltinformationsgesetz Leitsätze: 1. Nach dem Verbraucherinformationsgesetz besteht kein Anspruch auf Zugang zu Informationen zu Verstößen gegen tierschutzrechtliche Vorschriften. 2. Das Merkmal der Umweltbestandteile in § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG erfasst tierschutzrechtliche Belange nicht. Rechtsquellen AEUV Art. 13, 191 Abs. 1 VO (EG) Nr. 178/2002 Art. 2 VO (EG) Nr. 882/2004 Art. 2 Nr. 10 UIRL Art. 2 Nr. 1 Buchst. a) GG Art. 20a UIG § 2 Abs. 3 Nr. 1 LFGB § 2 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 2, § 39 Abs. 1 VIG §§ 1, 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 4 und 5, § 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e) NUIG § 2 Abs. 5, § 3 Abs. 2 Instanzenzug VG Oldenburg - 11.01.2017 - AZ: VG 5 A 268/14 OVG Lüneburg - 27.02.2018 - AZ: OVG 2 LC 58/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 30.01.2020 - 10 C 11.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:300120U10C11.19.0] Urteil BVerwG 10 C 11.19 VG Oldenburg - 11.01.2017 - AZ: VG 5 A 268/14 OVG Lüneburg - 27.02.2018 - AZ: OVG 2 LC 58/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2020 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Schemmer, Dr. Günther und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 27. Februar 2018 und des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 11. Januar 2017 werden geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens aus allen drei Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gründe I 1 Der Kläger, ein eingetragener Verein, der sich unter anderem für den Tierschutz bei Tiertransporten einsetzt, begehrt von der beklagten Aufsichtsbehörde Einsicht in deren Akten zu Verstößen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen bei Transporten von Puten zur beigeladenen Geflügelschlachterei. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. 2 Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zur Akteneinsicht gemäß dem (Landes-)Umweltinformationsgesetz verpflichtet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen mit Urteil vom 27. Februar 2018 zurückgewiesen. Die begehrten Informationen seien zwar keine Umweltinformationen im Sinne des Umweltinformationsrechts. Das Merkmal der Umwelt erfasse nur die Artenvielfalt, nicht aber den Tierschutz. Der Schutz sei zudem auf wildwachsende Pflanzen und wildlebende Tiere beschränkt. Es bestehe jedoch ein Anspruch auf Akteneinsicht nach dem Verbraucherinformationsgesetz. Umfasst seien hiervon alle Daten über das nationale und unionsrechtliche Lebensmittel- und Futtermittelrecht. Zwar seien Nutztiere keine Lebensmittel. Die Vorschriften des Gesetzes gälten aber für lebende Tiere, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienten, soweit das Gesetz dies bestimme. Eine solche Bestimmung sei § 39 Abs. 1 LFGB, der Aufgaben und Maßnahmen der Überwachungsbehörden bei Verstößen auch im Zusammenhang mit Schlachttieren regele. Die Kontroll-Verordnung (EG) 882/2004 erstrecke die Aufgaben der Überwachungsbehörden auf die Einhaltung der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz. 3 Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen. 4 Der Beklagte macht geltend: Die begehrten Informationen über tierschutzrechtliche Verstöße seien keine Informationen über nicht zulässige Abweichungen von lebensmittelrechtlichen Vorschriften im Sinne des Verbraucherinformationsgesetzes. Das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch gelte nicht für lebende, der Gewinnung von Lebensmitteln erst dienende Tiere. Zweck des Verbraucherinformationsgesetzes sei der Schutz der Verbraucher vor Gefahren für die menschliche Gesundheit durch Lebensmittel und vor Täuschung beim Verkehr mit Lebensmitteln. Damit stünden die beantragten Informationen über Kontrollen bei Verstößen gegen Transport- und Standzeiten bei lebenden Puten nicht in Zusammenhang. 5 Die Beigeladene macht geltend: Die von dem Kläger begehrten Informationen beträfen keine Erzeugnisse im Sinne des Verbraucherinformationsgesetzes. Der dort in Bezug genommene § 2 Abs. 1 LFGB erfasse grundsätzlich keine lebenden Tiere. Es bestehe auch kein Auskunftsanspruch hinsichtlich des Herstellens von Erzeugnissen und Verbraucherprodukten. Dieser Tatbestand erfasse nur die plan- und rezepturgemäßen Herstellungsvorgänge, nicht jedoch einzelne angebliche Abweichungen von vorgegebenen Prozessen. 6 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 27. Februar 2018 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 11. Januar 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen. 7 Der Kläger beantragt, die Revisionen zurückzuweisen. 8 Er verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts und macht zudem geltend: Es bestehe auch ein Anspruch nach dem Umweltinformationsgesetz. Das Wohlergehen der Nutz- und Schlachttiere sei als Umweltbestandteil geschützt. 9 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht trägt vor: Der Anwendungsbereich des Verbraucherinformationsgesetzes sei nicht eröffnet, weil lebende Tiere grundsätzlich nicht als Lebensmittel anzusehen seien. Die anderweitige Auslegung von § 4 Abs. 1 Nr. 1 LFGB durch das Oberverwaltungsgericht stehe mit Sinn und Zweck und dem Wortlaut der Vorschrift nicht im Einklang. Eine Erweiterung ergebe sich nicht aus § 39 Abs. 1 LFGB. Hierbei handele es sich lediglich um eine Zuständigkeitsanordnung. Es bestehe aber ein Anspruch auf Information nach dem Umweltinformationsgesetz. Daten über Transporte lebender Nutztiere seien Informationen über Umweltbestandteile im Sinne dieses Gesetzes. II 10 Die Revisionen sind zulässig und begründet. Das angegriffene Urteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es beruht auf dieser Verletzung und stellt sich auch nicht als im Ergebnis richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Senat kann selbst entscheiden, weil weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). 11 1. Das Urteil verstößt gegen Bundesrecht, soweit das Oberverwaltungsgericht einen Anspruch auf Informationszugang nach dem Gesetz zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (Verbraucherinformationsgesetz) i.d.F. der Bekanntmachung vom 17. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2166, 2725), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154), - VIG - bejaht hat. 12 a) Ein Anspruch auf Zugang zu Informationen zu Verstößen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen bei Transporten von Puten zur beigeladenen Geflügelschlachterei besteht nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a und c VIG. Nach dieser Vorschrift hat jeder Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über von den nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen (a) des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs und des Produktsicherheitsgesetzes und (c) unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich der genannten Gesetze sowie über Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit diesen Abweichungen getroffen worden sind, die bei einer Stelle im Sinne des Absatzes 2 vorhanden sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Verstöße gegen Regelungen über lebende Tiere - unter Einschluss des Tierschutztransportrechts und des Tierschutzschlachtrechts - unterfallen entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht dem Lebensmittel- und Futtermittelrecht. 13 Nach § 2 Abs. 2 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB) i.d.F. der Bekanntmachung vom 3. Juni 2013 (BGBl. I S. 1426), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2147), sind Lebensmittel solche im Sinne des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 S. 1). Lebende Tiere gehören nach Art. 2 UAbs. 3 Buchst. b dieser Verordnung nicht zu den Lebensmitteln, soweit sie nicht für das Inverkehrbringen zum menschlichen Verzehr hergerichtet worden sind. Das Lebensmittel wird also grundsätzlich vom geschlachteten Tier gewonnen. Nur wenn lebende Tiere - wie etwa Austern - für das Inverkehrbringen zum menschlichen Verzehr hergerichtet werden, werden sie zu Lebensmitteln im Sinne des Gesetzes (vgl. Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand Juli 2019, Art. 2 EG-Lebensmittel-Basisverordnung Rn. 3). 14 Anderes folgt nicht aus § 4 Abs. 1 Nr. 1 LFGB. Danach gelten die Vorschriften dieses Gesetzes für Lebensmittel auch für lebende Tiere, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, soweit dieses Gesetz dies bestimmt. Mit dieser Vorschrift wird der Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs in Einzelfällen auch auf lebende Tiere ausgedehnt. Eine derartige Erweiterung um lebende Tiere sieht § 10 Abs. 2 LFGB vor, wonach es verboten ist, lebende Tiere in den Verkehr zu bringen, wenn in oder auf ihnen bestimmte Stoffe mit pharmakologischer Wirkung oder deren Umwandlungsprodukte vorhanden sind. Dies dient der Umsetzung von Bestimmungen der Richtlinie 96/23/EG des Rates vom 29. April 1996 über Kontrollmaßnahmen hinsichtlich bestimmter Stoffe und Rückstände in lebenden Tieren und tierischen Erzeugnissen (ABl. L 125 S. 10); aus Gründen der Lebensmittelsicherheit hielt der Gesetzgeber eine Kontrolle von Nutztieren vor der Schlachtung etwa wegen verabreichter verbotener Wachstumshormone für notwendig (vgl. BT-Drs. 15/3657 S. 60; vgl. auch Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand Juli 2019, § 10 LFGB Rn. 46). Eine umfassende Einbeziehung lebender Tiere in den Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs ist damit jedoch nicht verbunden. 15 Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts bewirkt auch § 39 Abs. 1 LFGB keine Erweiterung des Anwendungsbereichs des Gesetzes auf lebende Tiere. Nach dieser Vorschrift ist die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes, der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes über Erzeugnisse und lebende Tiere im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 LFGB Aufgabe der zuständigen Behörden. Die Vorschrift enthält keine materiellen Regelungen, sondern regelt nur die Zuständigkeit der Lebensmittelüberwachungsbehörden für deren Vollzug. Das gilt auch in Ansehung der Bestimmungen zu lebenden Tieren, für die § 4 Abs. 1 Nr. 1 LFGB wie gezeigt nur in bestimmten - hier nicht gegebenen - Fällen eine Geltung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs vorsieht. 16 Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Überwachungsbehörden neben der Einhaltung der Vorschriften des Lebensmittelrechts nach der sog. Kontroll-Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (ABl. L 165 S. 1) ebenso wie nach der Nachfolge-Verordnung (EU) 2017/625 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 (ABl. L 95 S. 1) auch die Einhaltung von Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz zu überprüfen haben. Richtig ist, dass diese Verordnungen Kontrollen im Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs vorsehen. Ihr Anwendungsbereich geht aber darüber hinaus, indem sie - schon ausweislich ihrer Überschriften, aber auch ihrer Erwägungsgründe - zusätzlich der Überwachung nach dem Tierschutzrecht dienen. Dadurch werden die in Bezug genommenen tierschutzrechtlichen Vorschriften nicht zu lebensmittelrechtlichen. Die Gewährleistung tierschutzrechtlicher Bestimmungen liegt außerhalb des Anwendungsbereichs des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs und damit auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Verbraucherinformationsgesetzes. 17 Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Verbraucherinformationsgesetzes auf tierschutzrechtliche Belange widerspräche auch seinem Gesetzeszweck. Nach § 1 VIG bezweckt das Gesetz den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor gesundheitsschädlichen oder sonst unsicheren Erzeugnissen und die Verbesserung vor Täuschung beim Verkehr mit Erzeugnissen im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs. Es dient mithin dem Gesundheitsschutz sowie der Lauterkeit des Verkehrs mit Verbraucherprodukten. Insoweit soll die Fähigkeit des Verbrauchers zur eigenverantwortlichen Kaufentscheidung gestärkt werden (vgl. Schoch, NVwZ 2012, 1497 <1498>). Die Auffassung, auch die Produktionsbedingungen von tierischen Lebensmitteln seien unabhängig davon, ob das Tier bereits geschlachtet worden sei oder noch lebe, einzubeziehen (vgl. Rossi, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, § 1 VIG Rn. 7), weist keinen Bezug zu gesundheitsschädlichen Erzeugnissen oder zu einer Täuschung beim Verkehr mit ihnen auf und überschreitet deshalb die Zielsetzung des Gesetzes. 18 b) Der behauptete Informationsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VIG. Nach dieser Vorschrift hat jeder Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über die Kennzeichnung, die Herkunft, die Verwendung, das Herstellen und das Behandeln von Erzeugnissen und Verbraucherprodukten, die bei einer Stelle im Sinne des Absatzes 2 vorhanden sind. Die Auffassung des Berufungsgerichts, Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorschriften über den Tiertransport zum Schlachthof unterfielen jedenfalls dem ""Herstellen"" von Lebensmitteln, geht fehl. 19 Von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VIG sind allein Informationen über den regelgerechten Herstellungsprozess eines Lebensmittels umfasst. Das ergibt sich sowohl aus Sinn und Zweck der Vorschrift, dem Verbraucher Kenntnis über Herkunft und Herstellung von Lebensmitteln zu verschaffen, als auch aus der Systematik des § 2 Abs. 1 VIG. Das Verbraucherinformationsgesetz unterscheidet zwischen nicht zulässigen Abweichungen von Herstellungsvorschriften, über die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG, und zugelassenen Abweichungen, über die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VIG zu informieren ist. Soweit der regelgerechte Herstellungsprozess in Rede steht, sind daher die beiden genannten Normen nicht einschlägig, sondern § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VIG. Das wird durch § 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e VIG bestätigt. Hiernach ist der Anspruch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG wegen entgegenstehender öffentlicher Belange in der Regel ausgeschlossen, wenn die Informationen vor mehr als fünf Jahren seit der Antragstellung entstanden sind. Diese zeitliche Beschränkung besteht für nicht zulässige Abweichungen vom Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, nicht aber für Informationen über den Herstellungsprozess im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 VIG. Informationsansprüche über Verletzungen lebensmittelrechtlicher Vorschriften zeitlich zu beschränken, ist zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit geboten, da der objektive Informationswert umso geringer ist, je weiter sie zurückliegen; von einem Verstoß in der Vergangenheit lässt sich mit zunehmendem zeitlichen Abstand immer weniger auf die aktuelle Situation des betroffenen Unternehmens schließen (zu § 40 LFGB vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 - 1 BvF 1/13 - BVerfGE 148, 40 Rn. 58). Das würde unterlaufen, wenn Informationen über Abweichungen vom regelgerechten Herstellungsprozess nicht nur § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG unterfielen, sondern zugleich § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VIG. 20 2. Das Berufungsurteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Ohne Bundesrechtsverstoß hat das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Akteneinsicht nach dem Niedersächsischen Umweltinformationsgesetz vom 7. Dezember 2006 (Nds. GVBl. S. 580), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Juni 2016 (Nds. GVBl. S. 94), - NUIG - verneint. 21 Das Niedersächsische Umweltinformationsgesetz ist Landesrecht, das als solches nicht der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt. Es nimmt aber in § 2 Abs. 5 und § 3 Satz 2 NUIG auf Vorschriften des Umweltinformationsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. Oktober 2014 (BGBl. I S. 1643), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 17 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) - UIG - Bezug, das seinerseits der Umsetzung der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (Umweltinformationsrichtlinie - UIRL -, ABl. L 41 S. 26) dient. Ob die vom Oberverwaltungsgericht gefundene Auslegung des Niedersächsischen Umweltinformationsgesetzes mit dem Umweltinformationsgesetz und der Umweltinformationsrichtlinie in Einklang steht, ist eine Frage des revisiblen Bundesrechts (stRspr, vgl. zum Unionsrecht BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2008 - 4 C 13.07 - BVerwGE 130, 223 Rn. 9). 22 Das Berufungsgericht hat die begehrten Informationen zu tierschutzrechtlichen Verstößen bei Transport und Aufenthalt der Puten im Verantwortungsbereich der Beigeladenen nicht als Umweltinformationen im Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs. 5 NUIG i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG gewertet. Dies begegnet keinen Bedenken. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG und Art. 2 Nr. 1 Buchst. a UIRL sind Umweltinformationen unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen. Tierschutzrechtliche Informationen gehören nicht dazu. Sie beziehen sich insbesondere nicht auf das Schutzgut der Artenvielfalt und ihrer Bestandteile, selbst wenn diese Begriffe - wie es geboten ist - weit ausgelegt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2008 - 4 C 13.07 - BVerwGE 130, 223 <227>; EuGH, Urteile vom 17. Juni 1998 - C-321/96 [ECLI:​EU:​C:​1998:​300], Mecklenburg/Pinneberg - Rn. 19 und vom 12. Juni 2003 - C-316/01 [ECLI:​EU:​C:​2003:​343], Glawischnig - Rn. 24). 23 Anderes lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus der Entstehungsgeschichte der Umweltinformationsrichtlinie herleiten. Die Richtlinie hat die Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt (ABl. L 158 S. 56) - UIRL a.F. - ersetzt, ohne dass damit eine Einschränkung ihres Anwendungsbereichs einhergehen sollte. Daraus mag zu folgern sein, dass jedenfalls gesicherte Schutzaspekte der alten Fassung die Auslegung der neuen Fassung bestimmen. Die Umweltinformationsrichtlinie a.F. enthielt in Art. 2 Buchst. a zu ""Informationen über die Umwelt"" statt des Begriffs ""Artenvielfalt"" das Merkmal ""Tier- und Pflanzenwelt"". Dies sollte nach verbreiteter Ansicht die gesamte Tier- und Pflanzenwelt einschließlich der Nutz- und Haustiere umfassen (vgl. Klein, Umweltinformation im Völker- und Europarecht, 2011, S. 254) und wäre damit weiter als der Begriff der Artenvielfalt, sofern dieser nur auf den Schutz wildlebender Pflanzen und wildlebender Tiere bezogen wird (etwa Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2019, § 2 UIG Rn. 34). Hierzu muss nicht abschließend Stellung genommen werden. Geschützt ist jedenfalls nur die Art als solche. Beim Artenschutz geht es um den Erhalt der Biodiversität, mithin insbesondere um den Schutz bedrohter Arten. Das hatte auch schon die alte Fassung der Umweltinformationsrichtlinie im Blick. In Gefangenschaft gehaltene Tiere sind daher nur erfasst, wenn es sich hierbei um bedrohte Arten handelt (vgl. VGH München, Urteil vom 24. Mai 2011 - 22 B 10.18 75 - DVBl 2011, 1045). Dies gilt auch dann, wenn die Tierart nicht mehr in natürlichen Lebensräumen vorkommt, sondern beispielsweise nur noch in einem Zoo oder in Gefangenschaft als Nutztier existiert. Um solch einen Artenschutz geht es bei den hier in Rede stehenden Puten nicht. 24 Aus dem Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 25. Juni 1998 - Aarhus-Konvention (AK) - lässt sich nichts anderes ableiten. Die Umweltinformationsrichtlinie hatte die Umweltinformationsrichtlinie 90/313 ersetzt, um den Anforderungen der Aarhus-Konvention zu genügen. Die Umweltinformationsrichtlinie dient daher der Umsetzung von Art. 4 AK, der den Zugang zu Informationen über die Umwelt regelt (vgl. Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, 4. Aufl. 2019, 6. Kap. Rn. 39). Das Ziel der Aarhus-Konvention ist der Schutz des Rechts jeder Person gegenwärtiger und künftiger Generationen auf ein Leben in einer ihrer Gesundheit und Wohlbefinden zuträglichen Umwelt (Art. 1). Die in Art. 4 Abs. 1 AK genannten ""Informationen über die Umwelt"" werden in Art. 2 Nr. 3 Buchst. a AK definiert. Art. 2 Nr. 1 Buchst. a der Umweltinformationsrichtlinie entspricht dieser Begriffsbestimmung. 25 Eine am Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - orientierte Auslegung der Umweltinformationsrichtlinie bestätigt, dass Informationen zu tierschutzrechtlichen Verstößen keine Umweltinformationen sind. Art. 191 Abs. 1 AEUV schützt Tiere als Teil der natürlichen Umwelt unter dem Aspekt der Biodiversität. Diesem unionsrechtlichen Umweltbegriff unterfällt ebenfalls der Artenschutz (vgl. Epiney, Umweltrecht der EU, 4. Aufl. 2019, 1. Kap. Rn. 5 ff.). Der darüber hinausgehende Schutz des Wohlergehens des einzelnen Tieres als fühlendes Wesen tritt erst mit der tierschutzrechtlichen Querschnittsklausel des Art. 13 AEUV hinzu (vgl. Calliess, in: Ruffert/Calliess, 5. Aufl. 2016, AEUV, Art. 13 Rn. 2, Art. 191 Rn. 9; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand Oktober 2019, Art. 13 AEUV Rn. 7). Diese Trennung zwischen Artenschutz und Tierschutz setzt die frühere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union fort, der vor Inkrafttreten von Art. 13 AEUV im Zusammenhang mit möglichen Leiden von Nutztieren betont hatte, dass das Unionsrecht keinen allgemeinen Grundsatz des Wohlergehens der Tiere kenne, allerdings ein Interesse festzustellen sei, das die Gemeinschaft der Gesundheit und dem Schutz der Tiere entgegenbringe (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - C-189/01 [ECLI:​EU:​C:​2001:​420], Jippes u.a. - Rn. 71 ff.). 26 Nach nationalem Recht verhält es sich nicht anders. So ist die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG, die sich zunächst nur auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen bezog, um den Tierschutz erweitert worden (BGBl. I 2002, S. 2862). Diese Ergänzung zeigt, dass der Tierschutz nicht zum Umweltschutz zu rechnen ist (vgl. Kloepfer, Umweltrecht, 4. Aufl. 2016, § 1 Rn. 136 f.; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Grundgesetz, 13. Aufl. 2014, Art. 20a Rn. 2 und 23 ff.). 27 Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung der Frage, ob dem Begriff der Umweltbestandteile in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a UIRL auch der Tierschutz von Nutz- und Schlachttieren unterfällt, bedarf es angesichts des eindeutigen Auslegungsergebnisses nicht. 28 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2020-71,02.12.2020,"Pressemitteilung Nr. 71/2020 vom 02.12.2020 EN Chromosomen-Screening ohne Zustimmung der Ethikkommission unzulässig Genetische Untersuchungen an in vitro erzeugten Embryonen im Blastozystenstadium (ca. 5 Tage nach der Befruchtung) auf numerische Chromosomenaberrationen erfüllen die Voraussetzungen einer Präimplantationsdiagnostik (PID) nach dem Embryonenschutzgesetz (ESchG). Sie dürfen daher nicht ohne zustimmende Bewertung einer Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik vorgenommen werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Beklagte untersagte der Klägerin mit Bescheid vom 2. Juni 2015, in ihrer Zweigniederlassung in München Trophektodermdiagnostiken durchzuführen, ohne dass die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik in jedem Einzelfall eine zustimmende Bewertung abgegeben hat. Die dagegen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Die von der Klägerin beabsichtigte Untersuchung von muralen Trophektodermzellen einer Blastozyste sei eine genetische Untersuchung von Zellen eines Embryos i.S.v. § 3a Abs. 1 ESchG und unterliege damit gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG dem Erfordernis der vorherigen zustimmenden Bewertung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik. Dass die Klägerin die Diagnostik vornehmen wolle, um festzustellen, ob die in vitro befruchtete Eizelle fähig sei, sich in der Gebärmutter einzunisten, und damit die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft trotz des ovariellen Alters der Eizelle zu erhöhen, ändere daran nichts. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zurückgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass es sich bei der Trophektodermdiagnostik der Klägerin um eine PID i.S.d. § 3a Abs. 1 ESchG handelt. Die Vorschrift definiert die PID als genetische Untersuchung von Zellen eines Embryos in vitro vor seinem Transfer in die Gebärmutter. Diese Voraussetzungen sind bei der Diagnostik der Klägerin erfüllt. Die Blastozysten, denen die muralen Trophektodermzellen entnommen werden sollen, sind Embryonen i.S.v. § 8 Abs. 1 ESchG. Danach gilt als Embryo die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an. Entwicklungsfähigkeit meint die Fähigkeit der befruchteten Eizelle zur Zellteilung. Unerheblich ist insoweit, ob die jeweilige Blastozyste die Fähigkeit zur Nidation hat. Murale Trophektodermzellen sind unabhängig vom Grad ihrer Ausdifferenzierung Zellen eines Embryos i.S.d. § 3a Abs. 1 ESchG. Die Vorschrift soll den Embryo in vitro davor schützen, ohne rechtfertigenden Grund nicht in den Uterus transferiert zu werden. Für diesen Zweck kommt es nicht darauf an, ob die untersuchten Zellen pluripotent oder nicht mehr pluripotent sind. Auch der von der Klägerin verfolgte Untersuchungszweck ist hierfür ohne Bedeutung. Schließlich sind die beabsichtigten Untersuchungen genetische Untersuchungen im Sinne der Vorschrift. Nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen handelt es sich bei den von der Klägerin angewandten Untersuchungsverfahren um zytogenetische Verfahren, die der Feststellung chromosomaler Fehlverteilungen dienen. BVerwG 3 C 6.19 - Urteil vom 02. Dezember 2020 Vorinstanzen: VGH München, 20 B 18.290 - Urteil vom 30. November 2018 - VG München, M 18 K 15.2602 u.a. - Urteil vom 07. September 2016 -","Urteil vom 02.12.2020 - BVerwG 3 C 6.19ECLI:DE:BVerwG:2020:021220U3C6.19.0 EN Voraussetzungen einer Präimplantationsdiagnostik nach § 3a Abs. 1 ESchG Leitsatz: Die Untersuchung muraler Trophektodermzellen eines in vitro erzeugten Embryos auf chromosomale Fehlverteilungen (Chromosomen-Screening) ist eine Präimplantationsdiagnostik im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG. Sie darf daher nicht ohne die zustimmende Bewertung einer Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik vorgenommen werden. Rechtsquellen ESchG §§ 3a, 8 PIDV § 2 Nr. 3, § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Instanzenzug VG München - 07.09.2016 - AZ: VG M 18 K 16.1370 VGH München - 30.11.2018 - AZ: VGH 20 B 18.290 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 02.12.2020 - 3 C 6.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:021220U3C6.19.0] Urteil BVerwG 3 C 6.19 VG München - 07.09.2016 - AZ: VG M 18 K 16.1370 VGH München - 30.11.2018 - AZ: VGH 20 B 18.290 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Kenntner für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. November 2018 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin wendet sich gegen die Untersagungsanordnung der Beklagten, Trophektodermdiagnostiken ohne Zustimmung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik durchzuführen. 2 Sie betreibt die Zweigniederlassung ""synlab MVZ Humane Genetik München"" und nahm dort in der Vergangenheit Untersuchungen zur Feststellung numerischer Chromosomenaberrationen bei in vitro erzeugten Embryonen im Blastozystenstadium (ca. fünf Tage nach der Befruchtung) vor. 3 Nach vorheriger Anhörung untersagte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 2. Juni 2015, in ihrer Zweigniederlassung Trophektodermbiopsien durchzuführen, ohne dass die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik in jedem Einzelfall eine zustimmende Bewertung abgegeben hat. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die von der Klägerin in der Vergangenheit vorgenommene und weiterhin beabsichtigte Trophektodermdiagnostik sei eine Präimplantationsdiagnostik im Sinne von § 3a Abs. 1 des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) und unterliege daher gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG dem Erfordernis der vorherigen Zustimmung durch die Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik. Die Untersagungsanordnung sei geeignet und erforderlich, um die künftige Einhaltung der Vorgaben des § 3a ESchG durchzusetzen. Die mit der Maßnahme verbundenen Belastungen in Form etwaiger finanzieller Mehrbelastungen und zeitlicher Verzögerungen für die Klägerin stünden nicht außer Verhältnis zum Zweck der Anordnung, eine Verletzung der Rechtsordnung zu unterbinden. 4 Mit Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 30. Juni 2015 wurde die Zweigniederlassung der Klägerin als Zentrum für Präimplantationsdiagnostik zugelassen. 5 Die gegen den Bescheid vom 2. Juni 2015 erhobene Anfechtungsklage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 30. November 2018 im Wesentlichen ausgeführt: Die Untersagung finde ihre Rechtsgrundlage in Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Bayerischen Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) i.V.m. § 3a Abs. 4 ESchG. Danach könnten die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklichten, zu unterbinden. Die formell rechtmäßige Untersagungsanordnung sei auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Die von der Klägerin beabsichtigte Untersuchung muraler Trophektodermzellen zur Feststellung chromosomaler Fehlverteilungen bei in vitro erzeugten Embryonen erfülle die Voraussetzungen einer Präimplantationsdiagnostik im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG. Die Durchführung der Untersuchung ohne zustimmende Bewertung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik verstoße gegen § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG und stelle gemäß § 3a Abs. 4 ESchG eine Ordnungswidrigkeit dar. § 3a Abs. 1 ESchG definiere als Präimplantationsdiagnostik die genetische Untersuchung von Zellen eines Embryos in vitro vor seinem Transfer in den Uterus. Murale Trophektodermzellen seien Zellen eines Embryos im Sinne der Vorschrift. Gemäß § 8 Abs. 1 Alt. 1 ESchG gelte als Embryo im Sinne des Gesetzes bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an. Dieses Stadium hätten die Blastozysten, denen die zu untersuchenden Zellen entnommen würden, bereits überschritten. Für die rechtliche Einstufung als Embryo im Sinne von § 3a Abs. 1 und § 8 Abs. 1 ESchG komme es nicht darauf an, ob die jeweilige Blastozyste die Fähigkeit habe, sich in der Gebärmutter einzunisten. Zellen im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG seien entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur pluripotente Zellen, sondern jede Art von Zellen, die im Zeitpunkt der Zellentnahme zum Embryo gehörten. Im Blastozystenstadium seien dies alle Zellen der Blastozyste einschließlich muraler Trophektodermzellen. Ob die Zellen (noch) totipotent, pluripotent oder nicht mehr pluripotent seien, sei im Rahmen des § 3a Abs. 1 ESchG ohne Bedeutung. Weder dem Wortlaut der Norm noch den Gesetzesmaterialien lasse sich eine Beschränkung auf pluripotente Zellen entnehmen. Aus der Systematik des Embryonenschutzgesetzes und der Präimplantationsdiagnostikverordnung (PIDV) ergebe sich dies ebenfalls nicht. Der Regelungszweck spreche dagegen, nicht mehr pluripotente Trophektodermzellen aus dem Anwendungsbereich von § 3a Abs. 1 ESchG auszunehmen. Ziel des § 3a ESchG sei es, Embryonen in vitro davor zu schützen, dass sie aufgrund einer genetischen Untersuchung nicht in die Gebärmutter eingepflanzt würden und in der Folge abstürben (Verwerfung). Die Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik solle daher nur ausnahmsweise unter den in § 3a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 ESchG geregelten Voraussetzungen zulässig sein. Es mache keinen Unterschied, ob der Embryo aufgrund der Untersuchung einer totipotenten, pluripotenten oder nicht mehr pluripotenten Zelle nicht implantiert und verworfen werde. Auch bei den von der Klägerin beabsichtigten Untersuchungen könne es zu Verwerfungsentscheidungen kommen. Dass sie die Diagnostik vornehmen wolle, um festzustellen, ob die in vitro befruchtete Eizelle sich in der Gebärmutter einnisten könne, und damit die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft trotz des höheren Alters der Frau zu erhöhen, führe zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. § 3a Abs. 1 ESchG differenziere nicht nach dem Zweck der Untersuchung. Das Auslegungsergebnis stehe im Einklang mit Verfassungsrecht. Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG liege nicht vor. Das grundsätzliche Verbot der Präimplantationsdiagnostik mit den in § 3a Abs. 2 ESchG geregelten Ausnahmen greife auch nicht unverhältnismäßig in Grundrechte ein. 6 Mit ihrer Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Das Berufungsurteil beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung des § 3a ESchG. Bei der von ihr beabsichtigten Trophektodermdiagnostik mache das Verfahren nach § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG keinen Sinn und sei verfassungswidrig. Es sei unsicher, ob sie für ihre Diagnostik eine zustimmende Bewertung der Ethikkommission nach § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 ESchG erhalten könne, da die Auffassung vertreten werde, dass das ovarielle Alter der Eizelle als Indikation nicht ausreiche. Es sei ein Wertungswiderspruch, wenn eine Präimplantationsdiagnostik zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen werde, vorgenommen werden dürfe, jedoch genetische Untersuchungen zur Feststellung einer schwangerschaftstauglichen Blastozyste verboten wären. Der Wertungswiderspruch lasse sich durch eine Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG ausräumen, die murale Trophektodermzellen von dem Begriff ""Zellen eines Embryos"" ausnehme. Hilfsweise könne die Vorschrift dahin ausgelegt werden, dass eine Untersuchung zur Feststellung nicht schwangerschaftstauglicher Embryonen nicht darunterfalle. Schließlich könne der Wertungswiderspruch dadurch vermieden werden, dass die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG bejaht würden und damit gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG ein Anspruch auf ein positives Votum der Ethikkommission bestehe. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, § 3a Abs. 1 ESchG erstrecke sich auch auf totipotente Zellen, könne nicht überzeugen. Wäre die Untersuchung einer totipotenten Zelle gemäß § 3a Abs. 2 ESchG gerechtfertigt, ergebe sich ein Widerspruch zu der in § 2 ESchG bestimmten Strafbarkeit der Untersuchung. Wegen der danach gebotenen teleologischen Reduktion des Begriffs ""Zellen eines Embryos"" könne nicht mehr mit dem Normwortlaut argumentiert werden, um murale Trophektodermzellen in den Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG einzubeziehen. Zudem habe der Gesetzgeber mit dem Begriff an den Sachverhalt anknüpfen wollen, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2010 zugrunde gelegen habe. Dort sei es um genetische Untersuchungen an pluripotenten Zellen gegangen. Der Begriff ""entwicklungsfähig"" in § 8 Abs. 1 ESchG sei dahin zu verstehen, dass die befruchtete Eizelle die Fähigkeit zur Nidation haben müsse. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass § 3a Abs. 1 und Abs. 2 ESchG aufeinander bezogen seien und nicht isoliert ausgelegt werden könnten. Aus § 3a Abs. 2 ESchG lasse sich ableiten, dass der Gesetzgeber die Indikation ""ovarielles Alter der Eizelle"" im Regelungsprogramm des § 3a ESchG nicht miterfasst habe. Das spreche dafür, die Trophektodermdiagnostik auch aus dem Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG auszunehmen. Darüber hinaus sei bei der Normauslegung die Begriffsbestimmung des § 2 Nr. 3 Buchst. b PIDV in den Blick zu nehmen, die murale Trophektodermzellen nicht umfasse. Eine Untersuchung zur Feststellung nicht schwangerschaftstauglicher Blastozysten sei auch keine genetische Untersuchung im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG. § 3a ESchG ziele auf den Schutz von Embryonen, die zumindest schwangerschaftstauglich seien. Bei der Nichtimplantation eines Embryos, der nicht die Fähigkeit zur Nidation habe, handele es sich nicht um eine Verwerfungsentscheidung, die § 3a ESchG verhindern wolle. Der Verwaltungsgerichtshof habe zudem den Grundrechtsschutz der potentiellen Eltern unzulässig auf Art. 2 Abs. 1 GG reduziert. Richtigerweise sei auch auf Art. 6 Abs. 1 GG abzustellen. Jedenfalls sei das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG betroffen. Soweit der Verwaltungsgerichtshof einen Grundrechtsschutz des Embryos in vitro durch Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG annehme, sei dies nicht überzeugend. Eine nicht schwangerschaftstaugliche Blastozyste dürfe in der grundrechtlichen Abwägung keinen stärkeren Schutz erhalten als eine schwangerschaftstaugliche Blastozyste oder sogar als ein lebensfähiger Embryo bzw. Fetus. 7 Die Beklagte hält die Revision für unbegründet und schließt sich dem Vorbringen der beteiligten Landesanwaltschaft Bayern an. 8 Die Landesanwaltschaft Bayern teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Diagnostik der Klägerin unter § 3a Abs. 1 ESchG falle und gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG einer zustimmenden Bewertung der Ethikkommission bedürfe. Der Gesetzgeber habe die Untersuchungsmethode des Chromosomen-Screenings wegen ovariellen Alters der Eizelle durch § 3a ESchG mitgeregelt. Als Rechtfertigungstatbestand komme § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG in Betracht. 9 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält das angefochtene Urteil in Übereinstimmung mit den Bundesministerien für Gesundheit, der Justiz und für Verbraucherschutz sowie des Innern, für Bau und Heimat gleichfalls für zutreffend. Der Gesetzgeber habe eine grundsätzliche Regelung zur Präimplantationsdiagnostik treffen wollen. Ob die untersuchten Zellen pluripotent oder nicht mehr pluripotent seien, sei für ihn nicht von Bedeutung gewesen. Der Verordnungsgeber habe den Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG nicht einschränken wollen und dürfen. Das Embryonenschutzgesetz verfolge den Zweck, jeder Manipulation menschlichen Lebens bereits im Vorfeld zu begegnen. Insbesondere sollten das Leben und die körperliche Integrität des noch nicht implantierten Embryos geschützt werden. Dementsprechend seien auch genetische Untersuchungen zum Zweck der Feststellung der Entwicklungsfähigkeit von Embryonen vom Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG erfasst. II 10 Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung revisiblen Rechts. Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) angenommen, dass der angegriffene Bescheid der Beklagten rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Untersuchung muraler Trophektodermzellen eines in vitro erzeugten Embryos auf chromosomale Fehlverteilungen (Chromosomen-Screening) ist eine Präimplantationsdiagnostik im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG. Die Klägerin darf die Untersuchung daher gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG nicht ohne die zustimmende Bewertung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik vornehmen. 11 1. Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass die streitige Untersagungsanordnung ihre Rechtsgrundlage in Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG findet. Die Auslegung und Anwendung von irrevisiblem Landesrecht ist für das Revisionsgericht bindend (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Revisionsgerichtlich zu prüfen ist jedoch, ob der Verwaltungsgerichtshof die sich bei der Anwendung des Landesrechts stellenden bundesrechtlichen Fragen zur Auslegung und Anwendung von § 3a Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG zutreffend beurteilt hat. 12 2. Er ist davon ausgegangen, dass die Trophektodermdiagnostik der Klägerin eine Präimplantationsdiagnostik im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG ist. Das steht mit Bundesrecht im Einklang. 13 § 3a Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz - ESchG) vom 13. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2746), zuletzt geändert durch das Präimplantationsdiagnostikgesetz vom 21. November 2011 (BGBl. I S. 2228), definiert die Präimplantationsdiagnostik als genetische Untersuchung von Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer. Die von der Klägerin beabsichtigte Untersuchung muraler Trophektodermzellen eines in vitro erzeugten Embryos auf numerische Chromosomenaberrationen erfüllt diese Voraussetzungen. 14 a) Die in vitro befruchteten Eizellen im Blastozystenstadium, denen die zu untersuchenden muralen Trophektodermzellen entnommen werden sollen, sind Embryonen im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG. 15 Gemäß § 8 Abs. 1 ESchG gilt als Embryo im Sinne dieses Gesetzes bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an (Alt. 1), ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag (Alt. 2). § 3a ESchG enthält keine eigene Definition des Embryonenbegriffs. Maßgeblich ist daher die Begriffsbestimmung des § 8 Abs. 1 ESchG. Das Merkmal ""entwicklungsfähig"" im Sinne der Definition des § 8 Abs. 1 Alt. 1 ESchG meint die Fähigkeit der befruchteten Eizelle zur Zellteilung. Nicht verlangt ist die Fähigkeit zur Einnistung in der Gebärmutter. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Alt. 1 ESchG, der nicht auf das Stadium der Einnistung abstellt (vgl. z.B. § 2 Abs. 1 ESchG), sowie aus der Regelung des § 8 Abs. 2 ESchG. Nach dieser Bestimmung gilt die befruchtete menschliche Eizelle in den ersten vierundzwanzig Stunden nach der Kernverschmelzung als entwicklungsfähig, es sei denn, dass schon vor Ablauf dieses Zeitraums festgestellt wird, dass sich diese nicht über das Einzellstadium hinaus zu entwickeln vermag. Das zeigt, dass unter ""entwicklungsfähig"" im Sinne von § 8 Abs. 1 Alt. 1 und Abs. 2 ESchG die Fähigkeit der befruchteten Eizelle zu verstehen ist, sich zu teilen. Die Gesetzesmaterialien bestätigen diese Auslegung (vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen, BT-Drs. 11/5460 S. 12 ; Bericht der Bundesregierung zur Frage eines gesetzgeberischen Handlungsbedarfs beim Embryonenschutzgesetz, BT-Drs. 13/11263 S. 14 ). Gegen ein Abstellen auf die Fähigkeit zur Nidation spricht zudem, dass mit Blick auf das nach § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG vorgesehene Verfahren vor der betreffenden Untersuchung feststehen muss, ob die Voraussetzungen einer Präimplantationsdiagnostik im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG vorliegen. 16 Danach handelt es sich bei in vitro erzeugten Blastozysten um Embryonen im Sinne des § 3a Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 Alt. 1 ESchG. Der Verwaltungsgerichtshof hat verbindlich festgestellt (§ 137 Abs. 2 VwGO), dass eine befruchtete menschliche Eizelle mit dem Erreichen des Blastozystenstadiums ihre Fähigkeit zur Zellteilung bewiesen hat. 17 b) Er hat auch ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass murale Trophektodermzellen, an denen die Klägerin die Untersuchungen vornehmen möchte, ""Zellen eines Embryos"" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG sind. Das gilt unabhängig davon, ob murale Trophektodermzellen nach dem Grad ihrer Ausdifferenzierung als pluripotent oder nicht mehr pluripotent anzusehen sind. Die Auslegung der Vorschrift anhand ihres Wortlauts und der Entstehungsgeschichte (bb), der Gesetzessystematik (cc) sowie ihres Regelungszwecks (dd) ergibt, dass mit dem Begriff ""Zellen eines Embryos"" keine Beschränkung auf pluripotente Zellen verbunden ist. Er umfasst auch nicht mehr pluripotente Zellen. Offenbleiben kann, ob totipotente Zellen vom Anwendungsbereich der Vorschrift auszunehmen sind (aa). 18 aa) Der Verwaltungsgerichtshof hat zugrunde gelegt, dass der Begriff ""Zellen eines Embryos"" in § 3a Abs. 1 ESchG auch totipotente Zellen umfasse (UA Rn. 51 und Rn. 55 f.). Die Klägerin ist der Auffassung, wegen der Strafbarkeit der Untersuchung totipotenter Zellen nach § 2 und § 6 ESchG (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2010 - 5 StR 386/09 - BGHSt 55, 206 Rn. 22) sei § 3a Abs. 1 ESchG dahin auszulegen, dass totipotente Zellen nicht erfasst seien. Die Frage bedarf hier keiner abschließenden Klärung. Sie ist für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erheblich. Dass es sich bei muralen Trophektodermzellen um totipotente Zellen handeln könnte - also Zellen mit der Fähigkeit, sich zu einem Individuum zu entwickeln (vgl. § 8 Abs. 1 Alt. 2 ESchG) -, macht die Klägerin nicht geltend. Sie meint vielmehr, murale Trophektodermzellen seien ausdifferenzierte, nicht mehr pluripotente Zellen. Wären totipotente Zellen aus gesetzessystematischen Erwägungen vom Zellbegriff des § 3a Abs. 1 ESchG auszunehmen, ergibt sich daraus nicht, dass nicht mehr pluripotente murale Trophektodermzellen gleichfalls aus dem Anwendungsbereich der Norm auszuschließen wären. Der Begriff ""Zellen eines Embryos"" ist, wie nachstehend dargelegt, nicht beschränkt auf pluripotente Zellen. 19 bb) Der Gesetzeswortlaut enthält keinen Ansatzpunkt dafür, dass murale Trophektodermzellen bzw. nicht mehr pluripotente Zellen vom Zellbegriff des § 3a Abs. 1 ESchG auszunehmen sind. Er nimmt keine Eingrenzung auf bestimmte embryonale Zellen vor. 20 Die Gesetzesmaterialien stützen die Wortlautauslegung. Der Begründung zum Präimplantationsdiagnostikgesetz lässt sich nicht entnehmen, dass der Normgeber mit dem Begriff ""Zellen eines Embryos"" eine Beschränkung auf bestimmte Zellen bezweckt hat. Der Begründungstext verhält sich weder zum Grad der Ausdifferenzierung der Zellen noch grenzt er sie in anderer Weise ein (vgl. BT-Drs. 17/5451 S. 7 ff.). Anderes ergibt sich auch nicht, soweit es im Allgemeinen Teil der Begründung heißt, bei dem Verfahren der Präimplantationsdiagnostik werde das Erbgut eines Embryos durch die Entnahme von ein bis zwei Zellen ca. drei Tage nach der Befruchtung hinsichtlich bestimmter krankheitsrelevanter Mutationen oder Chromosomenanomalien untersucht. Hierbei handelt es sich um eine einleitende Beschreibung des Verfahrens der Präimplantationsdiagnostik, die den damaligen Stand der medizinischen Technik nachzeichnet (vgl. BT-Drs. 17/5451 S. 7). Aus dem genannten Zeitpunkt der Zellentnahme (ca. drei Tage nach der Befruchtung) kann weder abgeleitet werden, dass die Blastozystenbiopsie (ca. fünf Tage nach der Befruchtung) als Möglichkeit der Gewinnung von genetischem Material für eine Präimplantationsdiagnostik im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG ausgeschlossen werden soll (vgl. Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5210 S. 5), noch weist dies darauf hin, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff ""Zellen eines Embryos"" eine Beschränkung auf pluripotente Zellen bezweckt hat oder genetische Untersuchungen muraler Trophektodermzellen vom Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG ausnehmen wollte. 21 Für eine solche Regelungsabsicht spricht auch nicht die Bezugnahme der Gesetzesmaterialien auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2010 - 5 StR 386/09 -. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik mittels Blastozystenbiopsie und anschließender Untersuchung der entnommenen pluripotenten Trophoblastzellen auf schwere genetische Schäden keine nach § 2 Abs. 1 ESchG strafbare Verwendung menschlicher Embryonen ist (BGH, Urteil vom 6. Juli 2010 - 5 StR 386/09 - BGHSt 55, 206). Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der historische Gesetzgeber bei der Vorschrift des § 2 Abs. 1 ESchG eine Präimplantationsdiagnostik an pluripotenten Zellen, die den Embryo selbst nicht beeinträchtige, nicht vor Augen gehabt habe und daher nicht von einem Verbot ausgegangen werden könne (BGH, Urteil vom 6. Juli 2010 a.a.O. Rn. 23 und Rn. 35 f.). Der Bundesgerichtshof hat seine Entscheidung mit dem Hinweis versehen, ""dass eine eindeutige gesetzliche Regelung der Materie wünschenswert wäre"" (BGH, Urteil vom 6. Juli 2010 a.a.O. Rn. 29). In der Begründung zum Präimplantationsdiagnostikgesetz heißt es, der Bundesgerichtshof habe mit seinem Urteil vom 6. Juli 2010 festgestellt, dass die Präimplantationsdiagnostik zur Entdeckung schwerer genetischer Schäden nach geltendem Recht unter bestimmten Voraussetzungen straffrei sei. Eine eindeutige gesetzgeberische Grundentscheidung, ob und inwieweit die Präimplantationsdiagnostik in Deutschland Anwendung finden solle, stehe jedoch aus. § 3a ESchG schaffe die gesetzliche Grundlage für eine eng begrenzte Anwendung der Präimplantationsdiagnostik in Deutschland. Mit § 3a Abs. 1 ESchG werde die Grundentscheidung für ein grundsätzliches Verbot der Präimplantationsdiagnostik getroffen. § 3a Abs. 2 und 3 ESchG bestimmten die Voraussetzungen, unter denen die Diagnostik ausnahmsweise zulässig sei (vgl. BT-Drs. 17/5451 S. 2 f., 7 f.). Danach bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber die Präimplantationsdiagnostik nur beschränkt auf den vom Bundesgerichtshof beurteilten Sachverhalt der Untersuchung pluripotenter Trophoblastzellen regeln wollte. Um Rechtsklarheit und -sicherheit herzustellen, sollte das Embryonenschutzgesetz vielmehr um eine Vorschrift ergänzt werden, die die Voraussetzungen der Präimplantationsdiagnostik insgesamt festlegt. 22 cc) Gesetzessystematische Erwägungen führen zu keinem anderen Auslegungsergebnis. 23 (1) Aus den weiteren Vorschriften des Embryonenschutzgesetzes lässt sich nicht ableiten, dass Untersuchungen an muralen Trophektodermzellen oder an nicht mehr pluripotenten Zellen vom Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG ausgenommen sind. Die Regelungen enthalten keine Bestimmung des Begriffs ""Zellen eines Embryos"" im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG. Auch sonst ergibt sich aus ihnen kein Anhaltspunkt, der auf den Ausschluss muraler Trophektodermzellen aus dem Zellbegriff des § 3a Abs. 1 ESchG hinweist. 24 (2) Auch § 2 Nr. 3 der Verordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Präimplantationsdiagnostikverordnung - PIDV) vom 21. Februar 2013 (BGBl. I S. 323), zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Juli 2018 (BGBl. I S. 1078), steht dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. 25 Gemäß § 2 Nr. 1 PIDV ist Präimplantationsdiagnostik im Sinne der Verordnung die genetische Untersuchung von Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer (§ 3a Abs. 1 ESchG). Gemäß § 2 Nr. 2 PIDV ist reproduktionsmedizinische Maßnahme im Sinne der Verordnung die künstliche Befruchtung mit anschließender Gewinnung und Aufbereitung von Zellen. Gemäß § 2 Nr. 3 PIDV sind Zellen im Sinne der Nummern 1 und 2 Stammzellen, die a) einem in vitro erzeugten Embryo entnommen worden sind und die Fähigkeit besitzen, sich in entsprechender Umgebung selbst durch Zellteilung zu vermehren, und b) sich selbst oder deren Tochterzellen sich unter geeigneten Bedingungen zu Zellen unterschiedlicher Spezialisierung, jedoch nicht zu einem Individuum zu entwickeln vermögen. Die Formulierung des § 2 Nr. 3 PIDV ist angelehnt an die Definition von ""pluripotenten Stammzellen"" in § 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen (Stammzellgesetz - StZG) vom 28. Juni 2002 (BGBl. I S. 2277), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626; vgl. Begründung zur Präimplantationsdiagnostikverordnung, BR-Drs. 717/12 S. 16). In der Begründung zur Präimplantationsdiagnostikverordnung heißt es, durch § 2 Nr. 3 PIDV sei sichergestellt, dass Untersuchungen an Zellen im Rahmen der Verordnung nur an pluripotenten und nicht an totipotenten Zellen durchgeführt werden dürften. Insoweit werde das bereits nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 ESchG bestehende Verbot der missbräuchlichen Verwendung von totipotenten Zellen eines Embryos bekräftigt (BR-Drs. 712/12 S. 16). Danach lässt sich aus der Begriffsbestimmung des § 2 Nr. 3 PIDV nicht ableiten, dass die einem in vitro erzeugten Embryo im Blastozystenstadium entnommenen muralen Trophektodermzellen keine Zellen im Sinne von § 2 Nr. 1 PIDV sein können. Der Verordnungsgeber hat mit der Definition klarstellen wollen, dass keine genetischen Untersuchungen an totipotenten Zellen durchgeführt werden dürfen. Es ist nicht ersichtlich, dass er Untersuchungen an muralen Trophektodermzellen vom Verbot des § 3a Abs. 1 ESchG ausnehmen wollte. § 2 Nr. 3 PIDV dient der Abgrenzung von totipotenten und pluripotenten Zellen. Dass der Verordnungsgeber mit der Definition auch eine Abgrenzung von nicht mehr pluripotenten Zellen bezweckt haben könnte, ist nicht erkennbar. Dementsprechend erlaubt die Begriffsbestimmung nicht den Schluss, Untersuchungen an muralen Trophektodermzellen seien nicht erfasst, weil es sich nicht um pluripotente Zellen handele. Denn es gibt keine Anhaltspunkte, dass der Verordnungsgeber vor Augen gehabt haben könnte, Trophektodermzellen seien nicht mehr pluripotent. 26 Für dieses Verständnis des § 2 Nr. 3 PIDV spricht auch die Normenhierarchie. Die Verordnungsermächtigung in § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG enthält keine Ermächtigung, das Nähere zu den Begriffen ""Präimplantationsdiagnostik"" oder ""Zellen eines Embryos"" zu bestimmen. Davon ist erkennbar auch der Verordnungsgeber ausgegangen. § 1 PIDV regelt den Anwendungsbereich der Verordnung im Einklang mit § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 bis 4 ESchG. § 2 Nr. 1 PIDV nimmt Bezug auf den Begriff der Präimplantationsdiagnostik nach § 3a Abs. 1 ESchG und wiederholt lediglich die gesetzliche Definition. Es gibt daher keinen Grund anzunehmen, der Verordnungsgeber habe einen von der Regelung des § 3a Abs. 1 ESchG abweichenden Zellbegriff definieren wollen. 27 dd) Schließlich stützen auch Sinn und Zweck der Norm die Auslegung, dass murale Trophektodermzellen unabhängig vom Grad ihrer Ausdifferenzierung zu den ""Zellen eines Embryos"" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG zählen. 28 (1) § 3a ESchG soll den in vitro erzeugten Embryo davor schützen, dass er ohne rechtfertigenden Grund nach § 3a Abs. 2 ESchG und zustimmende Bewertung der Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik nach § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG aufgrund einer genetischen Untersuchung nicht in den Uterus der Frau transferiert wird, von der die Eizelle stammt, und nachfolgend verworfen wird. Für diesen Zweck kommt es nicht darauf an, ob die untersuchten Zellen pluripotent oder nicht mehr pluripotent sind. Der betroffene Embryo ist in beiden Fällen gleich schutzbedürftig und schutzwürdig im Sinne der Vorschrift. 29 (2) Der von der Klägerin verfolgte Untersuchungszweck führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Sie möchte die in Rede stehende Diagnostik vornehmen, um festzustellen, ob der in vitro erzeugte Embryo fähig ist, sich im Uterus einzunisten und zu entwickeln, und damit die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft trotz des erhöhten Alters der Frau, von der die Eizelle stammt, zu erhöhen. Ausgehend davon, dass mit zunehmendem Alter der Frau die Wahrscheinlichkeit von numerischen Chromosomenaberrationen (Aneuploidien) der Eizelle steige, beabsichtigt sie, die der Blastozyste entnommenen muralen Trophektodermzellen mittels eines Chromosomen-Screenings auf das Vorhandensein von Aneuploidien zu untersuchen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs führen Aneuploidien mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit zu einer fehlenden Entwicklungsfähigkeit des Embryos. In Einzelfällen könne es mit einer geringen statistischen Wahrscheinlichkeit auch zu einer Schwangerschaft mit einem behinderten Kind kommen. Das gelte für die isolierte, ""freie"" Trisomie 21. Ähnliches gelte - zum Teil mit einer noch geringeren Wahrscheinlichkeit - für die Trisomien 8, 13 sowie 18 und für Veränderungen bei Geschlechtschromosomen wie der Monosomie X. Alle diese Chromosomenaberrationen ließen sich mit der Untersuchungsmethode der Klägerin feststellen und könnten gegebenenfalls zu der Entscheidung der betroffenen Frau bzw. des Paares führen, den Embryo wegen der erkannten genetischen Auffälligkeit nicht in den Uterus zu transferieren, sondern zu verwerfen (UA Rn. 74). Danach steht für das Revisionsverfahren verbindlich fest (§ 137 Abs. 2 VwGO), dass die von der Klägerin geplanten Untersuchungen zur Nichtimplantation eines in vitro gezeugten, schwangerschaftsfähigen Embryos führen können. Die Nichtimplantation von Embryonen aufgrund der Feststellung einer Chromosomenaberration soll aber nach dem Regelungszweck des § 3a ESchG nur unter den Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 ESchG erlaubt sein und nachdem eine zustimmende Bewertung der Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik vorliegt (§ 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG). Dem widerspricht eine Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG, die nicht mehr pluripotente Trophektodermzellen von dem Begriff ""Zellen eines Embryos"" ausnimmt. 30 Jenseits der Nichtimplantationsentscheidungen, auf die der Verwaltungsgerichtshof abgestellt hat, erfasst der Schutzzweck des § 3a ESchG die von der Klägerin geplanten Untersuchungen auch, soweit diese auf die Feststellung von Chromosomenaberrationen zielen, die (sehr) wahrscheinlich zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen. Das lässt sich aus § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG ableiten. Danach handelt nicht rechtswidrig, wer eine Präimplantationsdiagnostik zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird. Daraus geht hervor, dass genetische Untersuchungen an embryonalen Zellen mit dem Ziel, eine Tot- oder Fehlgeburt zu vermeiden, in den Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG fallen. Schließlich ist der Schutzzweck der Norm auch berührt, wenn die Untersuchungen zur Feststellung von Aneuploidien vorgenommen werden, die mit (sehr) hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass der Embryo nicht die Fähigkeit hat, sich im Uterus einzunisten. Es liegt auf der Hand, dass die Feststellung einer solchen Aneuploidie zu der Entscheidung führen kann, den betroffenen Embryo nicht zu implantieren und ihn zu verwerfen. Aus der fehlenden Nidationsfähigkeit ergibt sich nicht, dass der Embryo rechtlich nicht geschützt wäre. Wie gezeigt, setzt der Schutz von in vitro erzeugten Embryonen nach § 3a Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 Alt. 1 ESchG bereits in einem sehr frühen Entwicklungsstadium der befruchteten Eizelle ein. 31 (3) Die Nichteinbeziehung muraler Trophektodermzellen in den Begriff ""Zellen eines Embryos"" hätte zur Folge, dass ihre genetische Untersuchung nicht gemäß § 3a Abs. 1 ESchG verboten wäre. Damit fänden auch § 3a Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 ESchG keine Anwendung. Insbesondere bedürften Trophektodermdiagnostiken keiner zustimmenden Bewertung einer Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik nach § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 ESchG und sie unterlägen nicht dem Erfordernis des § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ESchG, wonach eine Präimplantationsdiagnostik nur in einer dafür zugelassenen Einrichtung vorgenommen werden darf. Dieses Ergebnis wäre mit dem Regelungszweck des § 3a ESchG nicht vereinbar. 32 c) Die von der Klägerin beabsichtigte Diagnostik ist auch eine Untersuchung im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs handelt es sich bei den vorgesehenen Verfahren zur Feststellung von Chromosomenaberrationen (""Next Generation Sequencing"" oder ""array Comparative Genomic Hydridisation"") um zytogenetische Untersuchungen (UA Rn. 79). Diese gehören - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - zu den genetischen Untersuchungen im Sinne der Vorschrift. Das zeigt der Vergleich mit der Begriffsbestimmung im Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz - GenDG) vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2529, ber. 3672), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626). Nach der Definition des § 3 Nr. 1 Buchst. a GenDG ist die genetische Untersuchung eine genetische Analyse zur Feststellung genetischer Eigenschaften. Dazu zählt auch die Analyse der Zahl und der Struktur der Chromosomen (zytogenetische Analyse, § 3 Nr. 2 Buchst. a GenDG). 33 d) An den Voraussetzungen einer Präimplantationsdiagnostik im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG fehlt es nicht deshalb, weil die von der Klägerin beabsichtigte genetische Untersuchung darauf zielt, festzustellen, ob der jeweilige Embryo in vitro die Fähigkeit hat, eine Schwangerschaft herbeizuführen. Die Legaldefinition der Präimplantationsdiagnostik sieht keine Differenzierung nach Ziel oder Zweck der genetischen Untersuchung vor. Ebenso wenig kommt es für das Vorliegen einer Präimplantationsdiagnostik im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG auf den Anlass oder die Indikation für die Vornahme der Untersuchung an. Danach führt es auch nicht zum Ausschluss aus dem Anwendungsbereich der Regelung, dass die Klägerin mit ihrer Diagnostik Nachteile für die Herbeiführung einer Schwangerschaft ausgleichen oder mindern möchte, die durch das ovarielle Alter von Eizellen entstehen können. 34 3. Die mit der Einstufung als Präimplantationsdiagnostik verbundene Rechtsfolge des Prüfverfahrens nach § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG stellt das Auslegungsergebnis nicht in Frage. Die Durchführung des Verfahrens ist bei dem von der Klägerin beabsichtigten Chromosomen-Screening nicht von vornherein aussichtslos. 35 a) Die Einbeziehung der streitigen Diagnostik in den Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG führt gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG dazu, dass die Klägerin sie in jedem Einzelfall erst vornehmen darf, nachdem die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 ESchG geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob es mit Verfassungsrecht vereinbar wäre, wenn für ein Chromosomen-Screening, das mit dem ovariellen Alter der in vitro befruchteten Eizelle begründet wird, eine zustimmende Bewertung nicht erlangt werden könnte, weil dieser Sachverhalt von keiner der Fallgruppen des § 3a Abs. 2 ESchG erfasst würde. Die Frage bedarf in diesem Streitverfahren keiner Vertiefung, da - wie nachstehend unter b) dargelegt - nicht ausgeschlossen ist, dass die von der Klägerin beabsichtigte Diagnostik die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG erfüllen kann. Besteht danach die Möglichkeit, dass ein entsprechender Antrag auf Durchführung der Präimplantationsdiagnostik (vgl. § 5 PIDV) eine zustimmende Bewertung erhält, begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, die Klägerin auf die Einhaltung des Verfahrens nach § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG zu verweisen. Ob der Antrag nach § 5 Abs. 2 und § 6 Abs. 4 Satz 1 PIDV im Ergebnis zustimmend zu bewerten ist, hat die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik in jedem Einzelfall zu prüfen. Die jeweilige Antragstellerin kann die Entscheidung der Kommission gegebenenfalls in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren überprüfen lassen. 36 b) Gemäß § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG handelt nicht rechtswidrig, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird. Der Wortlaut der Regelung schließt nicht aus, dass die Durchführung eines Chromosomen-Screenings zur Minderung eines wegen des Alters der Frau bestehenden Risikos von Chromosomenfehlverteilungen beim Embryo gerechtfertigt sein kann. Viele numerische Chromosomenstörungen sind letal, das heißt sie führen zu Fehl- oder Totgeburten (vgl. Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5210 S. 6). Eine Präimplantationsdiagnostik mit dem Ziel, solche chromosomalen Fehlverteilungen festzustellen, erfüllt danach das Kriterium des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG ""zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos, die zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird"". Die Gesetzesmaterialien zu § 3a ESchG stehen der Auslegung nicht entgegen. Dort heißt es, dass bestimmte Chromosomenanomalien die häufigste Ursache für eine Fehl- oder Totgeburt darstellten, ohne dass chromosomale Veränderungen bei den Eltern vorliegen würden (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5451 S. 8). 37 Auch das in § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG genannte Erfordernis ""mit hoher Wahrscheinlichkeit"" spricht nicht dagegen, dass die Durchführung eines Chromosomen-Screenings, das mit dem höheren Alter der Frau begründet wird, nach § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG gerechtfertigt sein kann. Dem Wortlaut nach ist verlangt, dass die ""schwerwiegende Schädigung des Embryos"" - hier also die betreffende chromosomale Fehlverteilung - mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird. Ob das der Fall ist, beurteilt sich anhand der Krankheitsausprägung und Schwere der Chromosomenaberrationen. Auf die Wahrscheinlichkeit, mit der Aneuploidien bei Eizellen von Frauen höheren Alters zu erwarten sind, käme es danach nicht weiter an. Möglich ist allerdings auch eine Auslegung, die das Kriterium ""mit hoher Wahrscheinlichkeit"" auf die Eintrittswahrscheinlichkeit der Chromosomenstörung bezieht. Dafür kann der Zusammenhang mit § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG sprechen, wonach ""das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit"" bestehen muss. Nach den Gesetzesmaterialien meint der Begriff ""hohes Risiko"" eine hohe Wahrscheinlichkeit, die vom üblichen Risiko der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland wesentlich abweicht (BT-Drs. 17/5451 S. 8). Auch bei dieser Auslegung ist nicht ausgeschlossen, dass ein auf die Indikation ""ovarielles Alter"" gestütztes Chromosomen-Screening im Sinne von § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG erlaubt sein kann. Die Begründung zur Präimplantationsdiagnostikverordnung steht dem nicht entgegen. Es heißt dort zwar, dass die Wahrscheinlichkeit im Sinne von § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG höher sein müsse als beim Durchschnitt gleichaltriger Frauen, ""d.h. das Alter der Frau, von der die Eizelle stammt, allein reicht nicht als Annahme aus"" (vgl. BR-Drs. 717/12 S. 29 ). Der Verordnungsgeber ist allerdings gemäß § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG nicht ermächtigt, das Nähere zu den Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG zu bestimmen. Aus der Gesetzesbestimmung selbst ergibt sich nicht, dass die Wahrscheinlichkeit höher als beim Durchschnitt gleichaltriger Frauen sein muss und ein höheres Alter der Frau keine ausreichende Indikation sein kann. Dementsprechend lässt sich dies auch der Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 PIDV nicht entnehmen. Nach dieser Vorschrift ist bei einem auf § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG gestützten Antrag auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik eine ärztliche Beurteilung der Annahme vorzulegen, dass eine schwerwiegende Schädigung des Embryos zu erwarten ist, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird. 38 Gemäß § 3a Abs. 6 ESchG erstellt die Bundesregierung alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik (Satz 1). Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung (Satz 2). Es ist dem Gesetzgeber vorbehalten, zu prüfen, ob im Hinblick auf Erfahrungen mit Anträgen auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik wegen des höheren Alters der Frau weiterer Regelungsbedarf besteht. 39 4. Danach unterliegt die Einstufung der von der Klägerin beabsichtigten Diagnostik als Präimplantationsdiagnostik im Sinne von § 3a Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. 40 a) Der Verwaltungsgerichtshof hat zutreffend angenommen, dass die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots eingehalten sind. Nach dem aus dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Bestimmtheitsgebot sind Rechtsvorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Dabei darf sich der Gesetzgeber in gewissem Umfang auch unbestimmter Rechtsbegriffe bedienen, solange ihnen mit den herkömmlichen Methoden der Auslegung ein fassbarer Inhalt gegeben werden kann (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 7. Oktober 1988 - 7 C 65.87 - BVerwGE 80, 270 <275 f.>, vom 12. Mai 1999 - 6 C 14.98 - BVerwGE 109, 97 <102>, vom 21. Juni 2017 - 6 C 4.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​210617U6C4.16.0] - BVerwGE 159, 171 Rn. 10 und vom 24. Januar 2019 - 3 C 7.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​240119U3C7.17.0] - BVerwGE 164, 253 Rn. 23, jeweils m.w.N.). Art. 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit oder Bußgeldbewehrung so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Das schließt die Verwendung von Begriffen, die der Deutung durch den Richter bedürfen, nicht aus. Auch im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht bestehen gegen die Verwendung unbestimmter Begriffe keine Bedenken, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. April 2010 - 7 C 9.09 - juris Rn. 34 und vom 29. Februar 2012 - 9 C 8.11 - BVerwGE 142, 84 Rn. 16, jeweils m.w.N.). Danach sind die Regelungen des § 3a Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG hinreichend bestimmt. Die Einbeziehung der Trophektodermdiagnostik der Klägerin in den Anwendungsbereich des § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 ESchG lässt sich, wie gezeigt, durch Auslegung ermitteln. 41 b) Das Erfordernis einer zustimmenden Bewertung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG greift auch nicht unverhältnismäßig in Grundrechte der Klägerin ein. Das grundsätzliche Verbot der Präimplantationsdiagnostik nach § 3a Abs. 1 ESchG ist zum Schutz von in vitro erzeugten Embryonen vor einer missbräuchlichen Nichtimplantation gerechtfertigt. Liegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme von dem Verbot nach § 3a Abs. 2 ESchG vor, hat die jeweilige Antragstellerin - antragsberechtigt ist die Frau, von der die Eizelle stammt (§ 5 Abs. 1 PIDV) - einen Anspruch auf Erteilung einer zustimmenden Bewertung durch die Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik (§ 6 Abs. 4 Satz 1 PIDV). Der Einwand der Klägerin, die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik sei fachlich nicht geeignet, über Anträge auf Durchführung der von ihr beabsichtigten Diagnostik zu entscheiden, ist unbegründet. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 PIDV setzen sich die Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik aus vier Sachverständigen der Fachrichtung Medizin, jeweils einem oder einer Sachverständigen der Fachrichtungen Ethik und Recht sowie jeweils einem Vertreter der für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe behinderter Menschen auf Landesebene maßgeblichen Organisationen zusammen. Nach Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Präimplantationsdiagnostikverordnung (BayAGPIDV) vom 17. Dezember 2014 (GVBl 2014 S. 542) setzen sich die vier medizinischen Sachverständigen bei der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik aus je einer Fachärztin oder einem Facharzt für a) Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit dem Schwerpunkt gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, b) Humangenetik, c) Kinder- und Jugendmedizin und d) Psychiatrie und Psychotherapie zusammen. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 PIDV kann die Ethikkommission zur Prüfung eines Antrags auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik und der dafür eingereichten Unterlagen unter anderem Sachverständige beiziehen und/oder Gutachten anfordern. Danach ist nicht ersichtlich, dass der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik die erforderliche Sachkunde zur Prüfung und Bewertung des Antrags fehlen könnte. Das gilt auch, soweit ein Antrag auf die Durchführung eines Chromosomen-Screenings zur Feststellung von Chromosomenstörungen gerichtet ist, die mit dem höheren Alter der Antragstellerin begründet werden. 42 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2020-73,04.12.2020,"Pressemitteilung Nr. 73/2020 vom 04.12.2020 EN Radfahrverbot nach Trunkenheitsfahrt Ist die Frist für die Tilgung der strafgerichtlichen Ahndung der Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad im Fahreignungsregister abgelaufen, darf die Annahme fehlender Radfahreignung nicht darauf gestützt werden, dass der Betroffene ein vor Ablauf der Tilgungsfrist gefordertes Fahreignungsgutachten nicht beigebracht hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger wandte sich gegen die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge. Nachdem er am 8. Juni 2013 mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,88 Promille auf einem Fahrrad am Straßenverkehr teilgenommen hatte, verurteilte ihn das Amtsgericht München mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 4. Juli 2013 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB) zu einer Geldstrafe. Als er auch der erneuten Aufforderung der Beklagten vom 10. Januar 2017 nicht nachkam, binnen drei Monaten ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Klärung der Fragen vorzulegen, ob er auch zukünftig ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde und ob er zukünftig mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch unter Alkoholeinfluss mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen werde, entzog ihm die Beklagte mit Bescheid vom 23. Mai 2017 die Fahrerlaubnis aller Klassen und untersagte ihm außerdem das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auf öffentlichem Verkehrsgrund; den Sofortvollzug ordnete die Beklagte nicht an. Diese Regelungen stützte die Beklagte darauf, dass der Kläger das Fahreignungsgutachten nicht beigebracht habe, das sie nach seiner Trunkenheitsfahrt zu Recht von ihm gefordert habe; deshalb dürfe sie gemäß § 11 Abs. 8 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen und nicht fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen schließen. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht München abgewiesen. Auf die beschränkt auf die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge zugelassene Berufung des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil geändert und die angegriffenen Bescheide insoweit aufgehoben. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Untersagung sei, da es sich um einen Dauerverwaltungsakt handele, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Zu diesem Zeitpunkt sei die strafgerichtliche Ahndung der Trunkenheitsfahrt des Klägers aber bereits im Fahreignungsregister zu tilgen gewesen; sie habe deshalb nicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Ebenso wenig habe noch gemäß § 11 Abs. 8 FeV berücksichtigt werden dürfen, dass der Kläger das wegen der Trunkenheitsfahrt zu Recht von ihm geforderte Fahreignungsgutachten nicht vorgelegt habe. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Es hat die Annahme des Berufungsgerichts bestätigt, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vom Kläger angegriffenen Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist, da es sich um einen Dauerverwaltungsakt handelt. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist für die Tilgung der strafgerichtlichen Ahndung seiner Trunkenheitsfahrt im Fahreignungsregister bereits abgelaufen; daher hat sie nicht mehr zu Lasten des Klägers verwertet werden dürfen. Der Umstand, dass die Tilgungsreife zum Zeitpunkt einer rechtmäßigen Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens und auch zum Zeitpunkt der Untersagung noch nicht eingetreten war, rechtfertigt auch mit Blick auf § 11 Abs. 8 FeV keine andere Beurteilung. Zwar darf die Fahrerlaubnisbehörde nach dieser Bestimmung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn das von ihm geforderte Fahreignungsgutachten nicht beigebracht wird. Doch lässt sich weder dieser Bestimmung noch anderen Regelungen entnehmen, dass damit auch das in § 29 Abs. 6 und 7 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) angeordnete Verwertungsverbot für im Fahreignungsregister zu tilgende Eintragungen durchbrochen wird. Die Nichtbeibringung des Gutachtens hat keine gegenüber der zu tilgenden Anlasstat eigenständige Bedeutung für die Beurteilung der Fahreignung des Betroffenen. BVerwG 3 C 5.20 - Urteil vom 04. Dezember 2020 Vorinstanzen: VGH München, 11 B 19.1274 - Urteil vom 17. Januar 2020 - VG München, M 26 K 17.5985 - Urteil vom 12. Dezember 2018 -","Urteil vom 04.12.2020 - BVerwG 3 C 5.20ECLI:DE:BVerwG:2020:041220U3C5.20.0 EN Verwertungsverbot nach einer Trunkenheitsfahrt auf dem Fahrrad Leitsätze: 1. Die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist ein Dauerverwaltungsakt. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer solchen Untersagung ist auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen. 2. Unterliegt die im Fahreignungsregister gespeicherte Eintragung zur Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad wegen Ablaufs der gesetzlichen Frist einem Verwertungsverbot, darf die Annahme fehlender Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nicht gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darauf gestützt werden, dass der Betroffene ein vor Ablauf der Frist gefordertes Fahreignungsgutachten nicht beigebracht hat. Rechtsquellen StVG §§ 2 f., § 28 Abs. 3 Nr. 1 und 4, § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 5 Satz 2, Abs. 6 Satz 1 und 3, Abs. 7 Satz 1 und 2, § 65 Abs. 3 Nr. 2 FeV § 3 Abs. 1 und 2, § 11 Abs. 8, § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c bis e GG Art. 80 Abs. 1 Satz 2 Instanzenzug VG München - 12.12.2018 - AZ: VG M 26 K 17.5985 VGH München - 17.01.2020 - AZ: VGH 11 B 19.1274 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 04.12.2020 - 3 C 5.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:041220U3C5.20.0] Urteil BVerwG 3 C 5.20 VG München - 12.12.2018 - AZ: VG M 26 K 17.5985 VGH München - 17.01.2020 - AZ: VGH 11 B 19.1274 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Kenntner für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Januar 2020 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge. 2 Er hatte am 8. Juni 2013 mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,88 Promille auf einem Fahrrad am Straßenverkehr teilgenommen. Deshalb verurteilte ihn das Amtsgericht München mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 4. Juli 2013 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB) zu einer Geldstrafe. 3 Nachdem der Kläger der von der Beklagten am 10. Januar 2017 erneut an ihn gerichteten Aufforderung nicht nachgekommen war, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Klärung der Fragen vorzulegen, ob er auch zukünftig ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde, sodass dadurch die Eignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen ausgeschlossen sei, und ob er zukünftig mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch unter Alkoholeinfluss mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen werde, sodass dadurch auch seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen sei, entzog ihm die Beklagte mit Bescheid vom 23. Mai 2017 die Fahrerlaubnis (1.), forderte ihn auf, den Führerschein unverzüglich abzugeben (2.), drohte ihm bei Nichtabgabe ein Zwangsgeld an (3.) und untersagte ihm das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen auf öffentlichem Verkehrsgrund (4.); den Sofortvollzug ordnete die Beklagte nicht an. Zur Begründung der hinsichtlich der Nummern 1 und 4 des Bescheids auf § 11 Abs. 8 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) gestützten Verfügung verwies sie darauf, dass der Kläger das Gutachten nicht vorgelegt habe, dessen Beibringung sie zu Recht von ihm gefordert habe. 4 Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Bayerische Verwaltungsgericht München abgewiesen. Die Beklagte habe gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen und fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen schließen dürfen, da er das rechtmäßig geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorgelegt habe. Diese Gutachtensanforderung habe auf die Trunkenheitsfahrt vom 8. Juni 2013 gestützt werden dürfen. Die Eintragung im Fahreignungsregister sei gemäß § 29 Abs. 8 Satz 2 StVG erst mit Ablauf des 4. Juli 2018 nicht mehr für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge und mit Ablauf des 4. Juli 2023 nicht mehr für eine Fahrerlaubnisentziehung verwertbar gewesen. 5 Auf die beschränkt auf die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge zugelassene Berufung des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit dort das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge untersagt worden war. Zur Begründung heißt es: Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Dauerverwaltungsakts sei, nachdem die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet hätten, der Zeitpunkt, zu dem das vollständig abgesetzte Urteil von der Geschäftsstelle zum Zweck der Zustellung zur Versendung gebracht worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe die Beklagte aus der Nichtvorlage des geforderten Gutachtens nicht mehr gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Klägers schließen dürfen. Zwar sei die Beibringungsanordnung vom 10. Januar 2017 bei deren Erlass durch die Trunkenheitsfahrt vom 8. Juni 2013 gerechtfertigt gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Straftat noch im Fahreignungsregister eingetragen und die Beklagte gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV verpflichtet gewesen, die deshalb bestehenden Fahreignungszweifel aufzuklären. Doch dürfe der Kläger mittlerweile die Vorlage des geforderten Gutachtens verweigern; die Anlasstat sei nun getilgt und dürfe ihm daher nicht mehr entgegengehalten werden. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 StVG würden Entscheidungen über eine Straftat in fünf Jahren getilgt. Die vor dem 30. April 2014 in das Fahreignungsregister eingetragene Straftat des Klägers sei zum 1. Mai 2019 tilgungsreif geworden; nach § 29 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 7 Satz 1 StVG und nach § 29 Abs. 7 Satz 2 StVG könne sie ihm nicht mehr vorgehalten und zu seinem Nachteil verwertet werden. Auch wenn man davon ausginge, § 11 Abs. 8 FeV könne nach der Tilgung der Anlasstat weiter zur Anwendung kommen, weil die Gutachtensanordnung zuvor ergangen sei, ergäbe sich nichts Anderes. Ein Festhalten an der Untersagung wäre unverhältnismäßig. Sie müsste von der Beklagten auf Antrag sofort aufgehoben werden, da sie nach Tilgung der Anlasstat nicht mehr berechtigt sei, im Verfahren auf Aufhebung der Untersagung erneut ein Gutachten anzufordern. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV könne nicht entsprechend auf das Verbot des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge angewendet werden, da diese Regelung eine Fahrerlaubnisentziehung voraussetze. Auch der Umstand, dass dem Kläger mittlerweile bestandskräftig die Fahrerlaubnis entzogen worden sei, könne nicht dazu führen, dass die Beklagte von ihm gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens zur Klärung der Frage anfordern dürfe, ob das Verbot des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge aufzuheben sei. Diese Regelung erlaube nach einer Fahrerlaubnisentziehung die Anforderung eines Gutachtens nur zur Klärung der Frage, ob der Betroffene Kraftfahrzeuge sicher führen könne. Der Einwand der Beklagten, bei einer solchen Auslegung würden Personen, die ein negatives Gutachten vorgelegt und solche, die eine Beibringung verweigert hätten, ungleich behandelt, rechtfertige kein anderes Ergebnis. Die Ungleichbehandlung könne nicht dazu führen, dass Tilgungsvorschriften für die zugrundeliegenden Delikte nicht beachtet und tilgungsreife Verstöße verwertet würden. 6 Die Beklagte macht zur Begründung ihrer - vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen - Revision geltend: Sie habe gemäß § 3 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Klägers schließen dürfen. Komme es für die Rechtmäßigkeit einer auf § 11 Abs. 8 FeV gestützten Verfügung darauf an, ob die Gutachtensanforderung zu Recht erfolgt sei, sei das nach der Sach- und Rechtslage beim Erlass der Anforderung zu beurteilen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Trunkenheitsfahrt des Klägers noch verwertbar gewesen. Es könne dahinstehen, welcher Beurteilungszeitpunkt im Allgemeinen maßgeblich sei, wenn die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge angefochten werde. Selbst wenn auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen wäre, hätte das nicht zur Folge, dass die Tilgung der Trunkenheitsfahrt die Rechtmäßigkeit der Untersagung entfallen lasse. Für deren Verwertbarkeit komme es allein auf den Zeitpunkt der Begutachtungsanordnung an. Zwar sei bei Dauerverwaltungsakten regelmäßig davon auszugehen, dass maßgeblich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sei. Das liege aber nicht immer so; eine solche Ausnahme sei auch hier zu machen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass es für die Verwertbarkeit der Anlasstat allein auf den Zeitpunkt der Gutachtensanforderung ankomme und ein späteres Verwertungsverbot die Rechtmäßigkeit nicht nachträglich entfallen lasse. Bei der Anwendung von § 11 Abs. 8 FeV werde die mangelnde Fahreignung nicht aus der getilgten Tat, sondern aus der Weigerung hergeleitet, ein zu Recht gefordertes Gutachten vorzulegen. Das sei eine neue, unabhängig von der Tilgung der Anlasstat zu berücksichtigende Tatsache. Außerdem führe die Berücksichtigung einer zwischenzeitlichen Tilgung zu einem Wertungswiderspruch gegenüber Betroffenen, die einer berechtigten Gutachtensanforderung nachgekommen seien. Bei Vorlage eines negativen Gutachtens hätte eine spätere Tilgung der Anlasstat keine Rolle gespielt. Die unberechtigte Weigerung, ein Gutachten vorzulegen, sei der Vorlage eines negativen Gutachtens gleichzustellen. Entgegen dem Berufungsgericht sei die Aufrechterhaltung der Untersagung schließlich nicht unverhältnismäßig. Sie dürfe in einem Aufhebungsverfahren trotz Tilgung der Anlasstat ein medizinisch-psychologisches Gutachten vom Kläger fordern. Da im Fahrerlaubnisrecht Regelungen zur Aufhebung einer bestandskräftigen Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge fehlten, sei auf Art. 49 Abs. 1 oder Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG zurückzugreifen. Die danach erforderliche nachträgliche Änderung der Sachlage sei aber nicht eingetreten, denn die fehlende Fahreignung des Klägers stehe gemäß § 3 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV fest. Solange es keine Belege für deren Wiedererlangung gebe, etwa durch ein positives Fahreignungsgutachten, kämen daher ein Wiederaufgreifen des Verfahrens oder ein Widerruf der Untersagung nicht in Betracht. Auch bei einer entsprechenden Anwendung der §§ 11 ff. FeV wäre sie berechtigt, vom Kläger ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu fordern. Die Rechtsgrundlage dafür ergebe sich, da ihm die Fahrerlaubnis wegen Alkoholmissbrauchs bestandskräftig entzogen worden sei, aus § 3 Abs. 2 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV. Außerdem könne die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge eine Begutachtungsanordnung rechtfertigen; es sei im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV sonst klärungsbedürftig, ob Alkoholmissbrauch nicht mehr bestehe. 7 Der Kläger tritt der Revision entgegen und verteidigt das Berufungsurteil: Die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge sei ein Dauerverwaltungsakt; maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit sei deshalb der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Folgte man der Rechtsansicht der Beklagten, blieben die gesetzlichen Tilgungsvorschriften und deren Schutzzweck unbeachtet. Seit seiner Trunkenheitsfahrt im Jahr 2013 sei er nicht mehr im Straßenverkehr auffällig geworden. Er habe sich damit bewährt, sodass eine medizinisch-psychologische Begutachtung nicht mehr erforderlich sei. 8 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht trägt in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vor: Ob es sich bei der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge gemäß § 3 FeV um einen Dauerverwaltungsakt handele, für dessen Rechtmäßigkeit auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen sei, könne dahinstehen. Hier sei die Tilgung der Anlasstat schon deswegen irrelevant, weil die Untersagung nicht unmittelbar auf diese Tat gestützt worden sei, sondern auf die Weigerung des Klägers, das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten fristgerecht beizubringen. Dabei handele es sich, wie in der Rechtsprechung anerkannt sei, um eine neue Tatsache, die unabhängig von der Tilgung der Anlasstat zu berücksichtigen sei. Die Aufrechterhaltung der Untersagung sei auch nicht unverhältnismäßig. Die Berechtigung der Fahrerlaubnisbehörde, die Vorlage eines Fahreignungsgutachtens zu fordern, ergebe sich aus § 3 Abs. 2 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV. Wegen des nach § 11 Abs. 8 FeV zu ziehenden Schlusses auf die Nichteignung sei davon auszugehen, dass beim Kläger in der Vergangenheit Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit vorgelegen habe. Damit sei, wie in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV vorausgesetzt, sonst zu klären, ob Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit nicht mehr bestehe. Für eine Anwendung der Art. 49, 51 BayVwVfG sei wegen des Anwendungsvorrangs der Fahrerlaubnis-Verordnung kein Raum. Selbst bei einem Rückgriff auf diese Vorschriften habe der Kläger keinen Anspruch auf eine Aufhebung der Untersagung, da es mit Blick auf § 11 Abs. 8 FeV an einer neuen Sach- oder Rechtslage fehle. § 3 FeV habe in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage. II 9 Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zutreffend nimmt der Verwaltungsgerichtshof an, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vom Kläger angegriffenen Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge sei auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (1.). Unterliegt in diesem Zeitpunkt die im Fahreignungsregister gespeicherte Eintragung zur Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad wegen Ablaufs der gesetzlichen Frist einem Verwertungsverbot, darf die Annahme fehlender Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nicht gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darauf gestützt werden, dass der Betroffene ein vor Ablauf der Frist gefordertes Fahreignungsgutachten nicht beigebracht hat (2.). 10 1. Der Zeitpunkt, auf den bei der verwaltungsgerichtlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage abzustellen ist, richtet sich in erster Linie nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 15. November 2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 13 und vom 29. Mai 2019 - 6 C 8.18 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​290519U6C8.18.0] - BVerwGE 165, 251 Rn. 16, jeweils m.w.N.). Maßgeblich bei der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist danach der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung und bei einem Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung der Zeitpunkt, zu dem die Geschäftsstelle das vollständig abgesetzte Urteil zum Zwecke der Zustellung zur Versendung gebracht hat (vgl. Schübel-Pfister, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 101 Rn. 11 m.w.N.). 11 a) Die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist ein Dauerverwaltungsakt, da sich die Regelungswirkung nicht in einem einmaligen Verbot oder einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage in der Vergangenheit erschöpft, sondern sich das angeordnete Verbot fortlaufend verlängert und aktualisiert (vgl. BT-Drs. 8/2034 S. 34 zum Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung). Ist aber ein behördlich verfügtes Ge- oder Verbot auf Fortwirkung und Dauer angelegt, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit regelmäßig - das heißt, soweit sich aus dem maßgeblichen materiellen Recht nichts anderes ergibt - auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. September 2013 - 3 C 15.12 - BVerwGE 148, 28 Rn. 9, vom 7. November 2018 - 7 C 18.18 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​071118U7C18.18.0] - Buchholz 451.224 § 36 KrWG Nr. 2 Rn. 15 und vom 13. Juni 2019 - 3 C 28.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​130619U3C28.16.0] - BVerwGE 166, 32 Rn. 11). Das gilt ungeachtet dessen, dass über eine Anfechtungsklage zu entscheiden ist. Denn regelmäßig geht es dem Betroffenen bei der Anfechtung einer Regelung mit Dauerwirkung vor allem darum, deren Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. allg. zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bei Dauerverwaltungsakten: Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 113 Rn. 43 ff. m.w.N.). Im Revisionsverfahren ist das Bundesverwaltungsgericht unter den Voraussetzungen des § 137 Abs. 2 VwGO an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. 12 b) Aus dem materiellen Recht - hier also dem Straßenverkehrsgesetz und der Fahrerlaubnis-Verordnung - ergibt sich für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nichts anderes. Zwar ist für die Fahrerlaubnisentziehung und ebenso für die Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, anerkannt, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist (stRspr, vgl. zur Fahrerlaubnisentziehung u.a. BVerwG, Urteile vom 23. Oktober 2014 - 3 C 3.13 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2014:​231014U3C3.13.0] - Buchholz 442.10 § 3 StVG Nr. 16 Rn. 13 und vom 18. Juni 2020 - 3 C 14.19 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2020:​180620U3C14.19.0] - NJW 2020, 2974 Rn. 10; zur Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen: BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 2.10 - BVerwGE 137, 10 Rn. 11; vgl. auch Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 3 StVG Rn. 32 m.w.N.). 13 Das hat seine Rechtfertigung darin, dass dies rechtsgestaltende Verwaltungsakte in dem Sinne sind, dass dem Betroffenen eine durch einen vorangegangenen Hoheitsakt gewährte Rechtsstellung ganz oder teilweise wieder entzogen wird. Diese Entscheidung wirkt zwar mittelbar auch in die Zukunft - ohne Fahrerlaubnis darf ein Kraftfahrzeug auf öffentlichen Straßen nicht geführt werden (§ 2 Abs. 1 StVG) -, ihr Regelungsgehalt ist aber primär auf die mit dem vorangegangenen Hoheitsakt herbeigeführte Gestaltung der Rechtslage bezogen. Dementsprechend ist zu klären, ob die dafür zu erfüllenden rechtlichen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorlagen (vgl. zum Widerruf der ärztlichen Approbation wegen Unwürdigkeit: BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2019 - 3 B 7.18 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​310719B3B7.18.0] - Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 118 Rn. 9; zum Widerruf der Genehmigung für den Betrieb einer Eisenbahninfrastruktur: BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 - 3 C 8.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​110419U3C8.16.0] - Buchholz 442.09 § 6 AEG Nr. 1 Rn. 10; zur Streichung aus der Architektenliste: BVerwG, Beschluss vom 30. September 2005 - 6 B 51.05 - GewArch 2006, 77; zum Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis: BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 24.06 - Buchholz 420.5 WaffG Nr. 93 Rn. 35, jeweils m.w.N.). 14 Hinzu kommt, dass das Fahrerlaubnisrecht für die (Neu-)Erteilung einer Fahrerlaubnis nach vorheriger Entziehung und ebenso für die Wiedergewährung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, formalisierte Verfahren vorsieht (vgl. § 20 Abs. 1 FeV sowie § 28 Abs. 5 und § 29 Abs. 4 FeV). Das rechtfertigt es, den Betroffenen, der sich auf eine Änderung der Sach- oder Rechtslage beruft, auf diese Verfahren zu verweisen (vgl. für den Widerruf der ärztlichen Approbation wegen Unwürdigkeit: BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2019 - 3 B 7.18 - Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 118 Rn. 13 m.w.N.; für die Gewerbeuntersagung mit Blick auf § 35 Abs. 6 GewO: BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 - 8 C 6.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​150415U8C6.14.0] - BVerwGE 152, 39 m.w.N.). An einem solchen eigenständigen Wiedererteilungsverfahren fehlt es dagegen bei der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge; das Straßenverkehrsgesetz und die Fahrerlaubnis-Verordnung enthalten keine den § 20 Abs. 1, § 28 Abs. 5 und § 29 Abs. 4 FeV funktional entsprechende Regelung. Dieser Umstand wird dadurch nicht ausgeglichen, dass der von der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge Betroffene - wie der von einem sonstigen belastenden Verwaltungsakt Betroffene - eine Änderung der Sach- oder Rechtslage gegebenenfalls in einem Verfahren auf Aufhebung des gegen ihn ergangenen Verbotes geltend machen kann (vgl. §§ 49, 51 VwVfG und die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen). Auch § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV führt nicht zur Maßgeblichkeit eines früheren Zeitpunkts. Nach dieser Vorschrift darf die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen oder das geforderte Fahreignungsgutachten nicht fristgerecht beibringt. Ob die Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens zu Recht erfolgt ist, ist nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Ergehens zu beurteilen (BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​171116U3C20.15.0] - BVerwGE 156, 293 Rn. 14). Das gilt aber nur für die Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens, nicht für die hierauf gestützte Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde, hier das Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen. Die in der Aufforderung festgelegte Frist ist keine Ausschlussfrist. Ein im maßgebenden Zeitpunkt vorliegendes positives Fahreignungsgutachten muss berücksichtigt werden, auch wenn der Betroffene es erst nach Ablauf der Frist beigebracht hat (VGH München, Beschluss vom 7. August 2018 - 11 CS 18.12 70 [ECLI:​DE:​BAYVGH:​2018:​0807.11CS18.1270.00] - ZfSch 2018, 594 Rn. 16; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 1 FeV Rn. 54). 15 2. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof zutreffend angenommen, dass sich die angefochtene Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge als rechtswidrig erweist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Mit Ablauf des 4. Juli 2018 war die im Fahreignungsregister gespeicherte Eintragung der strafgerichtlichen Ahndung der Trunkenheitsfahrt für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nicht mehr verwertbar (a). Daraus, dass die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 FeV bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen darf, wenn er sich weigert, ein von ihr rechtmäßig gefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, ergibt sich kein vom Ablauf der Tilgungsfrist oder einem sonstigen Verwertungsverbot unabhängiger und insoweit eigenständiger Anknüpfungspunkt für Eignungszweifel oder die Annahme mangelnder Fahreignung (b). Danach kann offenbleiben, 0b die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach der Trunkenheitsfahrt des Klägers auf einem Fahrrad und die an dessen Nichtvorlage anknüpfende Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG i.V.m. § 3 Abs. 2, § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c und § 11 Abs. 8 FeV auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage beruhten (c). 16 a) Die Beklagte hat die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auf §§ 3 i.V.m. 11 Abs. 8 FeV gestützt. 17 aa) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV in der hier maßgeblichen aktuellen Fassung vom 21. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3083) hat die Fahrerlaubnisbehörde, erweist sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen oder Tieren, ihm das Führen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen. Nach § 3 Abs. 2 FeV finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Führer eines Fahrzeugs oder Tieres zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist. 18 Zu den für entsprechend anwendbar erklärten Regelungen gehört auch § 11 Abs. 8 FeV. Wie dargelegt, darf die Behörde nach dieser Vorschrift auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht vorlegt. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Schluss auf die fehlende Eignung nur gerechtfertigt, wenn die Anforderung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (vgl. u.a. BVerwG, Urteile vom 28. April 2010 - 3 C 2.10 - BVerwGE 137, 10 Rn. 14 und vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 - BVerwGE 156, 293 Rn. 19, jeweils m.w.N.). Ob das der Fall war, ist bei einer gegen die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge gerichteten Anfechtungsklage nicht anders als im Falle der Anfechtung einer Fahrerlaubnisentziehung oder der Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, inzident zu überprüfen. 19 bb) Als am 10. Januar 2017 die Aufforderung an den Kläger erging, ein medizinisch-psychologisches Gutachten unter anderem zu seiner Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge beizubringen, waren die Voraussetzungen von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV erfüllt. Nach dieser Bestimmung ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr geführt wurde. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht nur durch das Führen eines Kraftfahrzeuges, sondern ebenso durch das Führen eines sonstigen Fahrzeuges unter erheblichem Alkoholeinfluss erfüllt (so zur Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad: BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 3 C 32.07 - BVerwGE 131, 163 Rn. 15 ff. sowie Beschluss vom 20. Juni 2013 - 3 B 102.12 - Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 20 Rn. 7). 20 cc) Zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Vorlage des Fahreignungsgutachtens und ebenso auch noch zum Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung - hier des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2017, mit dem die Regierung von Oberbayern die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge bestätigt hat - war die im Fahreignungsregister gespeicherte Eintragung der rechtskräftigen Ahndung der Trunkenheitsfahrt, auf die die Beklagte ihre Eignungszweifel gestützt hatte, noch zulasten des Klägers verwertbar. Diese Eintragung unterlag jedoch, was ihre hier streitige Berücksichtigung für die Beurteilung der Eignung des Klägers zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge betrifft, mit Ablauf des 4. Juli 2018 einem Verwertungsverbot. 21 Nach der Übergangsregelung des § 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG werden Entscheidungen, die nach § 28 Abs. 3 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden und - wie hier - nicht von Nummer 1 erfasst sind, bis zum Ablauf des 30. April 2019 nach den Bestimmungen des § 29 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung getilgt und gelöscht. Diese Regelung kommt hier zur Anwendung, da der Strafbefehl vom 4. Juli 2013 ausweislich der Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes am 22. August 2013 in das Verkehrszentralregister eingetragen worden war, das ab dem 1. Mai 2014 dann als Fahreignungsregister weitergeführt wurde. 22 Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) werden die im Register gespeicherten Eintragungen nach Ablauf der in Satz 2 bestimmten Fristen getilgt. Nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a StVG a.F. betragen die Tilgungsfristen fünf Jahre bei Entscheidungen wegen Straftaten mit Ausnahme von Entscheidungen wegen Straftaten unter anderem nach § 316 StGB und Entscheidungen, in denen die Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 69 und 69b StGB oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB angeordnet worden ist. Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVG a.F. betragen die Tilgungsfristen in allen übrigen Fällen zehn Jahre. Diese Regelung kommt im Falle des Klägers zur Anwendung, der vom Amtsgericht wegen seiner Trunkenheitsfahrt nach § 316 Abs. 1 und 2 StGB verurteilt wurde. Zu laufen beginnt die Tilgungsfrist (Absatz 1) gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 1 StVG a.F. bei Strafbefehlen mit dem Tag der Unterzeichnung durch den Richter. Danach begann die zehnjährige Tilgungsfrist hier am 4. Juli 2013 zu laufen; die Voraussetzungen einer Anlaufhemmung nach § 29 Abs. 5 StVG a.F. lagen - nachdem das Amtsgericht dem Kläger die Fahrerlaubnis nicht entzogen hat - nicht vor. 23 Ergänzend zu den genannten Regelungen zur Dauer der Tilgungsfrist und zu deren Beginn sind die Verwertungsbeschränkungen nach § 29 Abs. 8 StVG a.F. zu beachten. Gemäß § 29 Abs. 8 Satz 1 StVG a.F. dürfen, wenn eine Eintragung im Verkehrszentralregister getilgt ist, die Tat und die Entscheidung dem Betroffenen für die Zwecke des § 28 Abs. 2 StVG a.F. nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden. Dieses ab Tilgung einsetzende Verwertungsverbot wird durch § 29 Abs. 8 Satz 2 StVG a.F. modifiziert und im Ergebnis zeitlich vorverlagert. Nach dieser Regelung dürfen Eintragungen über gerichtliche Entscheidungen, die - wie im Falle des Klägers - einer zehnjährigen Tilgungsfrist unterliegen, nach Ablauf eines Zeitraums, der einer fünfjährigen Tilgungsfrist nach den Vorschriften dieses Paragraphen entspricht, nur noch für ein Verfahren übermittelt und verwertet werden, das die Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat. Für ein Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, dürfen sie nicht mehr verwertet werden. 24 Da das Verfahren seit der beschränkten Zulassung der Berufung nur noch die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge und dementsprechend die Eignung zum Führen solcher Fahrzeuge zum Gegenstand hat, greift in Bezug auf die Trunkenheitsfahrt des Klägers und deren rechtskräftige Ahnung bereits nach Ablauf eines Zeitraums, der einer fünfjährigen Tilgungsfrist entspricht und damit hier mit Ablauf des 4. Juli 2018, ein Verwertungsverbot. Dieses aufgrund von § 29 Abs. 8 Satz 2 StVG a.F. bereits vor Ablauf des 30. April 2019 eingetretene Verwertungsverbot bleibt davon unberührt, dass gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 4 StVG ab dem 1. Mai 2019 in Bezug auf die Eintragung des rechtskräftigen Strafbefehls im Fahreignungsregister die Regelungen des § 29 StVG in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung gelten. 25 b) Der Umstand, dass dieses Verwertungsverbot noch nicht bestand, als die Beklagte den Kläger zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufforderte, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar darf - wie gezeigt - die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er ein von ihr zu Recht gefordertes Fahreignungsgutachten nicht beigebracht hat; zugleich ist nach ständiger Rechtsprechung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beibringensaufforderung auf den Zeitpunkt ihres Ergehens abzustellen. Doch lässt sich weder § 11 Abs. 8 FeV noch anderen Regelungen im Straßenverkehrsgesetz oder in der Fahrerlaubnis-Verordnung entnehmen, dass damit auch ein im Straßenverkehrsgesetz angeordnetes Verwertungsverbot für im Fahreignungsregister zu tilgende und zu löschende oder aus anderen Gründen, etwa - wie hier - gemäß § 29 Abs. 8 Satz 2 StVG a.F. oder § 29 Abs. 7 Satz 2 StVG nicht berücksichtigungsfähige Eintragungen, durchbrochen wird. Auch in Bezug auf die Annahme eines Verwertungsverbotes steht die Auffassung des Berufungsgerichts danach im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; a.A. u.a. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Januar 2011 - OVG 1 S 233.10 [ECLI:​DE:​OVGBEBB:​2011:​0118.OVG1S233.10.0A] - NJW 2011, 1832; OVG Bautzen, Beschluss vom 29. September 2016 - 3 A 222/16 [ECLI:​DE:​OVGSN:​2016:​0929.3A222.16.0A] - juris Rn. 5 f.; OVG Saarlouis, Beschluss vom 5. Februar 2018 - 1 B 12/18 - Blutalkohol 2018, 318 <319>). 26 aa) Die Rechtfertigung dafür, auf der Grundlage von § 11 Abs. 8 FeV von fehlender Fahreignung des Betroffenen auszugehen, liegt darin, dass er sich dadurch, dass er einer zu Recht an ihn gerichteten Aufforderung der Fahrerlaubnisbehörde nicht nachgekommen ist, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, seiner Obliegenheit entzogen hat, zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 12. März 1985 - 7 C 26.83 - BVerwGE 71, 93 <96>). Diese Obliegenheit folgt daraus, dass der Betroffene durch eine oder mehrere Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr oder sonstige in seiner Person liegende Ursachen, etwa gesundheitliche Beeinträchtigungen (vgl. dazu die Anlagen 4 und 5 zur Fahrerlaubnis-Verordnung), den Grund für Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen und/oder fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen gelegt hat. Die nach §§ 11 ff. FeV gebotene Aufklärung solcher Eignungszweifel ist nur möglich, wenn der Betroffene hieran mitwirkt, sich also auch einer zu Recht von der Fahrerlaubnisbehörde von ihm geforderten ärztlichen Untersuchung oder medizinisch-psychologischen Begutachtung unterzieht. § 11 Abs. 8 FeV ist insoweit letztlich ein in normative Form gebrachter Beweiswürdigungsgrundsatz. 27 bb) Weder dem Straßenverkehrsgesetz noch der Fahrerlaubnis-Verordnung ist der Wille des Normgebers zu entnehmen, dass sich die Regelung des § 11 Abs. 8 FeV mit der dort vorgesehenen Anknüpfung der Annahme fehlender Fahreignung an die nicht fristgerechte Beibringung eines rechtmäßig geforderten Gutachtens auch gegenüber einem gesetzlichen Verwertungsverbot durchsetzen soll. § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG, der bestimmt, dass die Tat und die Entscheidung der betroffenen Person für die Zwecke des § 28 Abs. 2 StVG nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden dürfen, wenn eine Eintragung im Fahreignungsregister gelöscht ist, enthält keine Ausnahme mit Blick auf die § 11 Abs. 8 FeV zugrundeliegende Anknüpfung für die Annahme fehlender Fahreignung. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats enthält § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG ein absolutes Verwertungsverbot, das etwa auch das Tattagprinzip nach § 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG überlagert und begrenzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 - 3 C 14.19 - NJW 2020, 2974 Rn. 20 ff.). Das gilt gleichermaßen für die Regelung des § 29 Abs. 7 Satz 2 StVG. Sie hat - wie gezeigt - aufgrund der in den Nummern 1 und 2 angeordneten Verwertungsbeschränkungen zur Folge, dass die Eintragung des gegen den Kläger ergangenen Strafbefehls bereits nach Ablauf eines Zeitraums, der einer fünfjährigen Tilgungsfrist entspricht, nicht mehr zur Beurteilung seiner Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge herangezogen werden darf, also auch unabhängig davon, dass eine Löschung noch nicht erfolgt ist, da in Bezug auf die Beurteilung seiner Eignung zum Führen fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge für diese Eintragung eine zehnjährige Tilgungsfrist gilt. Der gleiche Befund ergibt sich in Bezug auf § 29 Abs. 8 Satz 1 und 2 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 geltenden alten Fassung, der - wie gezeigt - für Alteintragungen wie die im Falle des Klägers zur Anwendung kommt. Auch dort wird keine Ausnahme von dem in § 29 Abs. 8 StVG a.F. angeordneten Verwertungsverbot in Bezug auf § 11 Abs. 8 FeV gemacht. 28 Wenn aber die Registereintragungen zur Anlasstat und ihrer strafgerichtlichen Ahndung nicht mehr zum Nachteil des Betroffenen verwertet werden dürfen, ist nicht ersichtlich, warum für die aufgrund dieser Tat angeordnete Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens etwas Anderes gelten soll. Vielmehr wäre auch mit dem Rückgriff auf § 11 Abs. 8 FeV letztlich eine Verwertung der Tat zum Nachteil des Betroffenen verbunden, die § 29 Abs. 7 Satz 1 und 2 StVG und ebenso die Vorgängerregelungen aber gerade verbieten. 29 cc) Dafür, dass der Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens beim Bestehen eines Verwertungsverbots in Bezug auf die zur Anlasstat gespeicherte Registereintragung keine gegenüber der Anlasstat eigenständige Bedeutung zukommt, spricht überdies die rechtliche Einordnung dieser Aufforderung. Sie ist lediglich eine, der eigentlichen Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde vorausgehende und sie vorbereitende Maßnahme zur Sachverhaltsaufklärung (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 - BVerwGE 156, 293 Rn. 17 m.w.N.). Zugleich findet - wie § 28 Abs. 3 StVG mit seinem Katalog der im Fahreignungsregister zu speichernden Eintragungen zu entnehmen ist - die Weigerung des Betroffenen, ein von der Fahrerlaubnisbehörde gefordertes Fahreignungsgutachten beizubringen, im Fahreignungsregister keinen eigenständigen Niederschlag. Gleiches galt, wie § 28 Abs. 3 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 geltenden Fassung zeigt, auch für das Verkehrszentralregister. Eingetragen wird und wurde in das Register vielmehr lediglich die aus der Nichtbeibringung des Gutachtens von der Fahrerlaubnisbehörde gezogene rechtliche Konsequenz in Gestalt eines Verbotes oder einer Beschränkung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge (vgl. § 28 Abs. 3 Nr. 4 StVG) und/oder einer entsprechenden Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. § 28 Abs. 3 Nr. 6 StVG), soweit sie unanfechtbar oder für sofort vollziehbar erklärt wurden. 30 dd) Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass das Unterbleiben eines Rückgriffs auf § 11 Abs. 8 FeV zu einem Wertungswiderspruch gegenüber Betroffenen führe, die einer berechtigten Gutachtensaufforderung nachgekommen seien und ein negatives medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt hätten. Zwar trifft es zu, dass nicht anders als die Entziehung einer Fahrerlaubnis auch die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auf die Feststellung der alkoholbedingten Nichteignung in einem vorgelegten negativen Gutachten hätte gestützt werden dürfen, ohne dass dem die spätere Tilgung oder ein sonstiges Verwertungsverbot in Bezug auf die Anlasstat hätte entgegengehalten werden können. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Verwertbarkeit eines beigebrachten Gutachtens nicht davon abhängt, ob die behördliche Anordnung zu Recht erfolgt ist. Hat der Betroffene das von ihm geforderte Gutachten vorgelegt, hat sich dadurch die Anordnung in der Weise erledigt, dass vonseiten der Behörde rechtswidrig erlangten Erkenntnissen nicht mehr gesprochen werden kann. Zudem schafft das Ergebnis des Gutachtens eine neue Tatsache, die selbstständige Bedeutung hat. Einem Verwertungsverbot steht schließlich auch das Interesse der Allgemeinheit entgegen, vor Führern von Fahrzeugen geschützt zu werden, die sich aufgrund festgestellter Tatsachen als ungeeignet erwiesen haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 2.10 - BVerwGE 137, 10 Rn. 19 m.w.N.). Gestützt ist die Annahme fehlender Fahreignung nach der Vorlage eines negativen Gutachtens auf eine sachverständige Äußerung und Prognose zum zukünftigen Verhalten des Betroffenen, die auf dessen Untersuchung und psychologische Exploration zurückgehen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 3 C 32.07 - BVerwGE 131, 163 Rn. 19 ff.). Dagegen beruht im Falle des § 11 Abs. 8 FeV die Annahme fehlender Fahreignung allein auf dem Umstand, dass der Betroffene einer rechtmäßigen Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens nicht nachgekommen ist, und damit auf dessen mangelnder Mitwirkung an der Aufklärung berechtigter Eignungszweifel. Darin liegt, ungeachtet der in § 11 Abs. 8 FeV angeordneten Rechtsfolge, eine deutlich schmalere Tatsachengrundlage als bei einem negativen Fahreignungsgutachten. 31 ee) Schließlich würde es der Systematik des § 2 Abs. 9 StVG widersprechen, käme über § 11 Abs. 8 FeV der Weigerung des Betroffenen, einer berechtigten Aufforderung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nachzukommen, ein Gewicht zu, das auch ein gesetzliches Verwertungsverbot in Bezug auf die Eintragung der Anlasstat und der sie ahndenden strafgerichtlichen Entscheidung im Fahreignungsregister überwindet. Gemäß § 2 Abs. 9 Satz 1 StVG dürfen die Registerauskünfte, Führungszeugnisse, Gutachten und Gesundheitszeugnisse - gemeint sind die nach den Absätzen 7 und 8 von der Fahrerlaubnisbehörde unter anderem mit Blick auf die Erteilung, Verlängerung oder Änderung einer Fahrerlaubnis einzuholenden Unterlagen - nur zur Feststellung oder Überprüfung der Eignung oder Befähigung verwendet werden. Sie sind nach § 2 Abs. 9 Satz 2 StVG spätestens nach zehn Jahren zu vernichten, es sei denn, mit ihnen in Zusammenhang stehende Eintragungen im Fahreignungsregister oder im Zentralen Fahrerlaubnisregister sind nach den Bestimmungen für diese Register zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt zu tilgen oder zu löschen. Eine entsprechende Regelung für die Anordnung, ein Fahreignungsgutachten beizubringen, enthält das Gesetz nicht. Auch die Berechtigung der Behörde, gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen zu schließen, muss aber zeitlich begrenzt sein. Sie erhält eine solche Begrenzung durch die Vorschriften über die Tilgung und Verwertbarkeit der in das Fahreignungsregister einzutragenden Entscheidungen über die Anlasstat. Auch aus diesem Grund kann die Nichtbeibringung des Gutachtens keine gegenüber der Anlasstat eigenständige Bedeutung für die Beurteilung der Fahreignung des Betroffenen haben. Zudem ist kein überzeugender Grund dafür zu erkennen, weshalb der Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens ein höheres eigenständiges Gewicht zukommen sollte als dem Gutachten selbst. 32 c) Der Verwaltungsgerichtshof hat offengelassen, ob die Untersagung außerdem deshalb rechtswidrig ist, weil § 3 FeV in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG keine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage findet (UA Rn. 22). Auch aus Sicht des erkennenden Senats ist das nicht zweifelsfrei; doch bedarf diese Frage, da sie nicht entscheidungserheblich ist, auch in der Revision keiner abschließenden Entscheidung. 33 aa) Die Beklagte hat die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf § 3 Abs. 2 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV und die wegen der Nichtvorlage anschließend erfolgte Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auf § 3 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV gestützt. 34 § 3 FeV bedarf für den Eingriff in die Rechte des Betroffenen, der mit jeder der beiden Maßnahmen verbunden ist (vgl. zum Eingriff durch die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens in das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht: BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1993 - 1 BvR 689/92 - BVerfGE 89, 69 <84>), einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung, die den Anforderungen von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügt. Danach müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Dem Gesetzgeber wird damit aufgegeben, die Tendenz und das Programm der Rechtsverordnung so weit zu umreißen, dass deren Zweck und möglicher Inhalt feststehen. Dabei genügt, dass sie sich mithilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 1991 - 1 BvR 1469/86 - BVerfGE 85, 97 <104 f.>). 35 bb) Dass § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG diesen Anforderungen genügt, ist keineswegs eindeutig (zweifelnd auch Rebler/Müller, DAR 2014, 690 <695>; die Verfassungskonformität der Regelung dagegen bejahend: OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. April 2008 - 12 ME 35/08 - NJW 2008, 2059 und OVG Münster, Beschluss vom 23. April 2015 - 16 E 208/15 - juris Rn. 4 ff.; offengelassen von Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 3 FeV Rn. 10). 36 In § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG ermächtigt der Gesetzgeber das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zu erlassen über Maßnahmen, um die sichere Teilnahme sonstiger Personen am Straßenverkehr zu gewährleisten, sowie die Maßnahmen, wenn sie bedingt geeignet oder ungeeignet oder nicht befähigt zur Teilnahme am Straßenverkehr sind. Klar ist zwar, dass ""sonstige Personen"" im Sinne dieser Regelung auch solche sind, die fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Straßenverkehr führen. Dagegen lässt sich näherer Aufschluss darüber, welche Maßnahmen aus Sicht des Gesetzgebers der Verordnungsgeber danach unter welchen Voraussetzungen vorsehen darf, weder dem Wortlaut dieser Regelung noch der Gesetzesbegründung entnehmen. Indes sind für die Prüfung, ob eine Verordnungsermächtigung dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügt (""im Gesetz""), nicht nur die Ermächtigungsnorm selbst und deren Begründung, sondern auch die weiteren Vorschriften des Gesetzeswerkes in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 1991 - 1 BvR 1469/86 - BVerfGE 85, 97 <105>). Dementsprechend kann daraus, dass gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 4 StVG im Fahreignungsregister auch Daten über unanfechtbare oder sofort vollziehbare Verbote oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen, gespeichert werden, auch mit Blick auf Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entnommen werden, dass diese Maßnahmen aus Sicht des Gesetzgebers zu denen gehören, deren Ausgestaltung er dem Verordnungsgeber über § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG eröffnen will. Denselben Schluss rechtfertigen § 29 Abs. 5 Satz 2 StVG, der den Beginn der Tilgungsfrist bei von der nach Landesrecht zuständigen Behörde verhängten Verboten oder Beschränkungen regelt, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen, sowie § 50 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b StVG, wonach im örtlichen Fahrerlaubnisregister Daten über Verbote und Beschränkungen, ein Fahrzeug zu führen, gespeichert werden dürfen; auch hier wird vom Gesetzgeber die Möglichkeit solcher Maßnahmen vorausgesetzt. 37 An vergleichbaren Anknüpfungspunkten im Straßenverkehrsgesetz fehlt es indes, was mögliche Gründe für Zweifel an der Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge und die Maßnahmen angeht, die von der Fahrerlaubnisbehörde zur Aufklärung von Eignungszweifeln zu treffen sind oder im Ermessenswege getroffen werden können. Die Verordnungsermächtigung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG ist deutlich allgemeiner und zudem knapper gehalten als das in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c, q und r StVG in Bezug auf das Führen von Kraftfahrzeugen der Fall ist. In diesen Bestimmungen hat der Gesetzgeber den Verordnungsgeber zur Regelung der Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, die Beurteilung der Eignung durch Gutachten sowie die Feststellung und Überprüfung der Eignung durch die Fahrerlaubnisbehörde nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4, 7 und 8 StVG (Buchst. c) sowie zur Regelung der Maßnahmen bei bedingt geeigneten oder ungeeigneten oder bei nicht befähigten Fahrerlaubnisinhabern nach § 3 Abs. 1 StVG ermächtigt (Buchst. q). Darüber hinaus erteilt der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. r StVG die Befugnis, im Verordnungswege Regelungen zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht zu treffen. Hinzu kommt, dass der Verordnungsgeber in Bezug auf das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge anders als das aufgrund von § 2 StVG hinsichtlich des Führens von Kraftfahrzeugen der Fall ist, nicht an eine gesetzliche Regelung und Eingriffsgrundlage anknüpfen kann, die - wenn auch nur in recht allgemeiner Form - selbst Vorgaben für die Eignung und Befähigung zum Führen solcher Fahrzeuge (vgl. § 2 Abs. 4 und 5 StVG) und zur Anordnung der Beibringung von Gutachten bei Zweifeln an der Eignung oder Befähigung zum Führen (vgl. § 2 Abs. 8 StVG) enthält. Ebenso fehlt es für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge an vergleichbaren Regelungen wie denen des § 3 StVG zur Entziehung der Fahrerlaubnis bei fehlender Eignung oder Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Das Straßenverkehrsgesetz regelt schließlich nicht - auch nicht im Wege einer Verordnungsermächtigung (vgl. § 3 Abs. 7 StVG) - für welche Dauer das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge verboten werden darf und/oder unter welchen Voraussetzungen ein solches Verbot wieder aufzuheben ist. 38 cc) Näherer Überprüfung bedürfte aus Sicht des erkennenden Senats zudem, inwieweit es mit Blick auf das gegenüber Kraftfahrzeugen in der Regel geringere Gefährdungspotenzial des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vereinbar ist, wenn § 3 Abs. 2 FeV für die Klärung von Eignungszweifeln ohne weitere Differenzierung umfassend auf die strengen Anforderungen der §§ 11 ff. FeV verweist, die auf die Prüfung der Eignung und Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgerichtet sind. Aufgeworfen ist damit zugleich die Frage, inwieweit bestehenden Unterschieden im Rahmen der vorgegebenen entsprechenden Anwendung der §§ 11 ff. FeV Rechnung getragen werden kann und, ob und inwieweit die §§ 11 ff. FeV auch im Verfahren zur Aufhebung eines Verbots, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, anzuwenden sind. 39 dd) Eine Gesamtschau ergibt: Das Straßenverkehrsgesetz und die Fahrerlaubnis-Verordnung regeln das Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, nur punktuell. Die vorhandenen Regelungen werfen eine Reihe von Auslegungsfragen auf, auch solche des Verfassungsrechts. Aus Sicht des Senats sind in erster Linie der Gesetz- und der Verordnungsgeber berufen, für Klarheit zu sorgen. Die Teilnahme am Straßenverkehr mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen, insbesondere mit dem Fahrrad, kann für die private Lebensgestaltung des Einzelnen von erheblicher Bedeutung sein. 40 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2020-74,11.12.2020,"Pressemitteilung Nr. 74/2020 vom 11.12.2020 EN Grenzen der Erhebung eines jugendhilferechtlichen Kostenbeitrags bei jungen Menschen aus ihrem in einer Werkstatt für behinderte Menschen erzielten Einkommen Maßgeblich für die Berechnung des Kostenbeitrags, den junge Menschen bei vollstationären Leistungen der Jugendhilfe zu erbringen haben, ist das durchschnittliche Monatseinkommen des Vorjahres. Stammt das Einkommen aus einer Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen, die dem Zweck der Jugendhilfeleistung dient, hat der Jugendhilfeträger nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob er von der Erhebung eines Kostenbeitrags ganz oder teilweise absieht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die 1993 geborene Klägerin ist mit einem höheren Grad als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Ab Dezember 2014 arbeitete sie in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Hierfür erhielt sie ein monatliches Nettoentgelt von durchschnittlich 88 €. Für die ihr gleichzeitig gewährte Hilfe für junge Volljährige in Form der vollstationären Unterbringung in einem Wohnheim zog der beklagte Landkreis sie für den Zeitraum von Januar 2015 bis Juli 2016 zu einem monatlichen Kostenbeitrag i.H.v. 75 Prozent ihres Einkommens heran. Diesen Beitrag setzte er im Widerspruchsbescheid auf durchschnittlich 67 € im Monat fest und verlangte von der Klägerin eine Nachzahlung i.H.v. 1 373,95 €. Die dagegen von der Klägerin erhobene Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen. Der streitige Kostenbeitragsbescheid ist rechtswidrig, weil der Beklagte bei der Berechnung des Einkommens der Klägerin die gesetzliche Regelung nicht angewendet hat, wonach das durchschnittliche Monatseinkommen maßgeblich ist, das die kostenbeitragspflichtige Person in dem Kalenderjahr erzielt hat, welches dem jeweiligen Kalenderjahr der Leistung vorangeht (§ 93 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Achtes Buch - SGB VIII -). Diese Bestimmung ist entgegen der Ansicht des Beklagten auch anzuwenden, wenn junge Menschen für vollstationäre Leistungen der Jugendhilfe zu Kostenbeiträgen i.H.v. 75 Prozent ihres Einkommens (§ 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII) herangezogen werden. Der Umstand, dass das Abstellen auf den Vorjahreszeitraum teilweise als rechtspolitisch verfehlt angesehen wird und in der Gesetzgebung seit längerem Änderungen geplant sind, ist für die Auslegung des geltenden Rechts nicht erheblich. Der Beklagte hat außerdem zu Unrecht von dem ihm gesetzlich (§ 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII) eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht. Danach kann ein geringerer Kostenbeitrag erhoben oder gänzlich von der Erhebung abgesehen werden, wenn das Einkommen aus einer Tätigkeit stammt, die dem Zweck der Jugendhilfeleistung dient. Diese Voraussetzung für die Ermessensausübung war hier erfüllt. Zweck der Hilfe für junge Volljährige ist in erster Linie die Unterstützung der Persönlichkeitsentwicklung und die Förderung einer selbstständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung. Diesem Zweck diente auch die Tätigkeit der Klägerin in einer Werkstatt für behinderte Menschen. BVerwG 5 C 9.19 - Urteil vom 11. Dezember 2020 Vorinstanzen: OVG Bautzen, 3 A 751/18 - Urteil vom 09. Mai 2019 - VG Dresden, 1 K 2114/16 - Urteil vom 18. April 2018 -","Urteil vom 11.12.2020 - BVerwG 5 C 9.19ECLI:DE:BVerwG:2020:111220U5C9.19.0 EN Kostenbeitrag für Einkommen aus einer Werkstatt für behinderte Menschen Leitsätze: 1. Für die Berechnung des Kostenbeitrags, den junge Menschen bei vollstationären Leistungen der Jugendhilfe einzusetzen haben, ist gemäß § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII das durchschnittliche Monatseinkommen des Vorjahres maßgeblich. 2. Der Jugendhilfeträger hat gemäß § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob er von der Erhebung eines Kostenbeitrags ganz oder teilweise absieht, wenn das Einkommen aus einer Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen stammt, die dem Zweck der Jugendhilfeleistung dient. Rechtsquellen VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbs. 1 SGB VIII § 1 Abs. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 3, §§ 34, 41 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 93 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2, 3 und 4 Satz 1, § 94 Abs. 6 Satz 1, 2 und 3 Instanzenzug VG Dresden - 18.04.2018 - AZ: VG 1 K 2114/16 OVG Bautzen - 09.05.2019 - AZ: OVG 3 A 751/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 11.12.2020 - 5 C 9.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:111220U5C9.19.0] Urteil BVerwG 5 C 9.19 VG Dresden - 18.04.2018 - AZ: VG 1 K 2114/16 OVG Bautzen - 09.05.2019 - AZ: OVG 3 A 751/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner für Recht erkannt: Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. Mai 2019 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über die Erhebung von Kostenbeiträgen für die Gewährung von Hilfe für junge Volljährige. 2 Die 1993 geborene Klägerin ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt und wird von einer Berufsbetreuerin betreut. Der beklagte Landkreis ist Träger der Jugendhilfe und gewährte ihr Hilfe für junge Volljährige in Form der vollstationären Unterbringung in einem Wohnheim für behinderte Menschen. Seit Dezember 2014 arbeitete sie in einer von einem freien Träger betriebenen Werkstatt für behinderte Menschen, für die der Kommunale Sozialverband S. als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (Sozialhilfeträger) die Kosten trug. In dem hierüber mit dem freien Träger abgeschlossenen Werkstattvertrag waren ein vom Arbeitsergebnis abhängiges Arbeitsentgelt sowie ein Arbeitsförderungsgeld vereinbart. Von Dezember 2014 bis Juli 2016 erzielte die Klägerin für ihre Tätigkeit Entgelte von durchschnittlich rund 134 € im Monat. Davon wurden ihr nach Abzug eines ""Kostenbeitrags"", der an den Sozialhilfeträger abgeführt und später von diesem an den Beklagten überwiesen wurde, monatlich im Durchschnitt rund 95 € ausgezahlt. 3 Mit Leistungsbescheid vom 15. Februar 2016 setzte der Beklagte ab dem 1. Dezember 2014 einen monatlichen Kostenbeitrag fest, den er ohne Berücksichtigung der an den Sozialhilfeträger abgeführten Beträge aus dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoeinkommen der Klägerin abzüglich eines pauschalen Betrages in Höhe von 25 Prozent berechnete. Auf den Widerspruch der Klägerin änderte er den Leistungsbescheid mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2016. Den für Dezember 2014 festgesetzten Kostenbeitrag hob er auf und setzte für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Juli 2016 monatliche Kostenbeiträge fest, deren Berechnung er das in den jeweiligen Monaten erzielte und um die an den Sozialhilfeträger abgeführten Beträge verminderte Einkommen der Klägerin zugrunde legte, woraus sich eine Verpflichtung der Klägerin zu einer Nachzahlung in Höhe von 1 373,95 € ergab. 4 Die dagegen erhobene Klage hat in beiden Vorinstanzen Erfolg gehabt. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung insbesondere darauf abgestellt, sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem systematischen Zusammenhang des § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII folge, dass auch bei der Heranziehung kostenbeitragspflichtiger junger Menschen wie der Klägerin Kostenbeiträge auf der Grundlage des durchschnittlichen Monatseinkommens des Vorjahres zu berechnen und festzusetzen seien. Außerdem habe der Beklagte nicht gemäß § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden, ob von der Erhebung eines Kostenbeitrags ganz oder teilweise abgesehen werden solle. Der Ermessenstatbestand sei erfüllt, weil die Tätigkeit der Klägerin in der Werkstatt für behinderte Menschen zu einem wesentlichen Teil der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und damit zugleich der ihr gewährten Jugendhilfeleistung diene. 5 Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er macht im Wesentlichen geltend, § 93 Abs. 4 SGB VIII sei vom Wortlaut her zu weit gefasst und aus teleologischen Gründen nur auf die Berechnung des Einkommens bei solchen Kostenbeitragspflichtigen anwendbar, die zu Unterhaltsleistungen verpflichtet seien, nicht aber bei den jungen Menschen selbst. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des § 93 Abs. 4 SGB VIII die Abrechnungsmodalitäten bei kostenbeitragspflichtigen jungen Menschen nicht verändern wollen, bei denen die Anwendung dieser Vorschrift zu unbilligen und aus pädagogischer Sicht nicht sinnvollen Ergebnissen führe. Die Ermessensregelung in § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII sei ihrem Wortlaut nach sowie aus systematischen und teleologischen Gründen eng auszulegen und erfasse nur Tätigkeiten, bei denen ein gemeinnütziges Engagement im Vordergrund stehe. 6 Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und unterstützt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Revision des Beklagten. II 8 Die Revision ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es steht im Einklang mit den streitigen Regelungen des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 29. August 2013 (BGBl. I S. 3464). Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass für die Berechnung des Kostenbeitrags, den junge Menschen bei vollstationären Leistungen der Jugendhilfe einzusetzen haben, gemäß § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII das durchschnittliche Monatseinkommen des Vorjahres maßgeblich ist und dass der Jugendhilfeträger gemäß § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat, ob er von der Erhebung eines Kostenbeitrags ganz oder teilweise absieht, wenn das Einkommen aus einer Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen stammt, die dem Zweck der Jugendhilfeleistung dient. 9 Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass die Klägerin für den hier in Rede stehenden Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Juli 2016 als junge Volljährige i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII dem Grunde nach gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. Nr. 5 Buchst. b und § 92 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB VIII aus ihrem Einkommen nach Maßgabe der §§ 93 und 94 SGB VIII zu einem Kostenbeitrag zu den ihr gemäß § 41 i.V.m. § 34 SGB VIII gewährten vollstationären Leistungen heranzuziehen ist. 10 Sie gehen, was die Kostenbeteiligung der Höhe nach betrifft, auch übereinstimmend zu Recht davon aus, dass für die Berechnung des Einkommens § 93 Abs. 1 SGB VIII maßgeblich ist, weil § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII mit dem Begriff ""Einkommen"" darauf verweist. Einigkeit besteht insofern zutreffenderweise auch darüber, dass nur solche Einkünfte in Geld oder Geldeswert gemäß § 93 Abs. 1 SGB VIII als Einkommen zu berücksichtigen sind, die der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich zugeflossen sind (vgl. zu dem insoweit geltenden Zuflussprinzip z.B. BVerwG, Urteil vom 19. März 2013 - 5 C 16.12 - Buchholz 436.511 § 93 SGB VIII Nr. 4 Rn. 23 f.). 11 Unstreitig ist schließlich zu Recht, dass, wie bereits vom Verwaltungsgericht (UA S. 8 ff.) ausgeführt, zwischen dem Einkommen aus der Werkstatt für behinderte Menschen und der Jugendhilfeleistung keine Zweckidentität i.S.d. § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII besteht. Streit besteht zwischen den Beteiligten allein darüber, ob bei der Ermittlung des zugrunde zu legenden Einkommens § 93 Abs. 4 SGB VIII anzuwenden ist (1.) und ob der Beklagte verpflichtet war, von dem ihm in § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen (2.). Beides ist der Fall. 12 1. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass bei der Berechnung des Kostenbeitrags der Klägerin § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII anzuwenden ist. Danach ist das durchschnittliche Monatseinkommen maßgeblich, das die kostenbeitragspflichtige Person in dem Kalenderjahr erzielt hat, welches dem jeweiligen Kalenderjahr der Leistung vorangeht. § 93 Abs. 4 SGB VIII findet auch dann Anwendung, wenn sich der Umfang der Heranziehung wie im Fall der Klägerin nach § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII richtet, der bestimmt, dass u.a. junge Menschen bei vollstationären Leistungen nach Abzug der in § 93 Abs. 2 SGB VIII genannten Beträge 75 Prozent ihres Einkommens als Kostenbeitrag einzusetzen haben. Das folgt aus Wortlaut (a), Systematik (b) sowie Sinn und Zweck des § 93 Abs. 4 SGB VIII (c), die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion im Hinblick auf den vom Gesetzgeber mit § 93 Abs. 4 SGB VIII verfolgten Zweck liegen nicht vor (d). 13 a) Für die Geltung des § 93 Abs. 4 SGB VIII bei der Heranziehung junger Menschen spricht bereits der klare Wortlaut der Vorschrift. Dieser stellt auf das Monatseinkommen der ""kostenbeitragspflichtigen Person"" ab und erfasst damit uneingeschränkt alle kostenbeitragspflichtigen Personen, die nach § 92 Abs. 1 SGB VIII aus ihrem Einkommen heranzuziehen sind. Das sind gemäß § 92 Abs. 1 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII auch junge Menschen i.S.d. § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII. 14 b) Das Wortlautverständnis wird durch die systematische Stellung des Absatzes 4 innerhalb des § 93 SGB VIII sowie durch das Verhältnis von § 93 zu § 94 SGB VIII bestätigt (aa). § 94 Abs. 6 SGB VIII steht dem nicht entgegen (bb). 15 aa) Binnensystematisch ergänzt § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII den Einkommensbegriff in § 93 Abs. 1 SGB VIII. § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII bestimmt sowohl den maßgeblichen Zeitraum (""Kalenderjahr [...], welches dem jeweiligen Kalenderjahr der Leistung oder Maßnahme vorangeht"") als auch die Art und Weise der Berechnung des Einkommens (""das durchschnittliche Monatseinkommen"") und ist deshalb Teil des Einkommensbegriffs des § 93 Abs. 1 SGB VIII. Überdies spricht, wie das Oberverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf das Verwaltungsgericht Hannover (Urteil vom 14. Dezember 2018 - 3 A 7642/16 - juris Rn. 25) zu Recht ausführt, für eine Anwendbarkeit des § 93 Abs. 4 SGB VIII bei der Heranziehung junger Menschen gemäß § 94 Abs. 6 SGB VIII die systematische Stellung der §§ 93 und 94 SGB VIII innerhalb des Zweiten Abschnitts des Achten Kapitels des SGB VIII. Die §§ 91 bis 94 SGB VIII regeln jeweils selbstständige Voraussetzungen für die Erhebung von Kostenbeiträgen für stationäre und teilstationäre Leistungen sowie vorläufige Maßnahmen und bauen grundsätzlich aufeinander auf. So normiert § 93 SGB VIII die Berechnung des Einkommens, die Voraussetzung für die Ermittlung des Umfangs der Heranziehung nach § 94 SGB VIII ist. Das rechtfertigt die Annahme, dass die Einkommensberechnungsregelungen des § 93 SGB VIII grundsätzlich für die Heranziehungsregelungen in § 94 SGB VIII gelten, soweit dort nichts anderes geregelt ist. 16 bb) § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII wird nicht durch die Regelung über den Umfang der Heranziehung junger Menschen in § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII verdrängt. 17 In diese Richtung weist bereits der Wortlaut des § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII, der zwar ausdrücklich die Anwendbarkeit der Abzugsregelung des § 93 Abs. 2 SGB VIII regelt, zu § 93 Abs. 4 SGB VIII aber keine Regelung trifft. 18 Dafür, dass § 93 Abs. 4 SGB VIII auch bei der Heranziehung junger Menschen nach § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII anzuwenden ist, spricht maßgeblich die systematische Auslegung der Regelung. § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII bezieht sich mit der Wendung ""[...] haben [...] 75 Prozent ihres Einkommens [...] einzusetzen"" auf den Einkommensbegriff in § 93 Abs. 1 SGB VIII. Von dieser Bezugnahme ist auch § 93 Abs. 4 SGB VIII umfasst, der § 93 Abs. 1 SGB VIII durch die Festlegung des maßgeblichen Zeitraums sowie der Berechnungsweise ergänzt und damit Teil des Einkommensbegriffs ist. Aus dem Umstand, dass in § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich nur die Abzugsregelung des § 93 Abs. 2 SGB VIII genannt wird, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Daraus folgt nur, dass § 93 Abs. 3 SGB VIII bei der Heranziehung junger Menschen gemäß § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII nicht gilt, sondern durch einen prozentualen Abschlag von 25 Prozent ersetzt wird (vgl. BT-Drs. 16/9299 S. 19). Die Bezugnahme des § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII auf den Einkommensbegriff des § 93 Abs. 1 und 4 SGB VIII bleibt davon unberührt. Das gilt umso mehr, als auch die übrigen Absätze des § 94 SGB VIII uneingeschränkt auf § 93 SGB VIII Bezug nehmen, sodass es einer hinreichend eindeutigen Regelung bedurft hätte, wenn der Gesetzgeber davon mit § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII über die Nichtanwendung von § 93 Abs. 3 SGB VIII hinaus hätte abweichen wollen. 19 Die Gesetzgebungsgeschichte des § 94 Abs. 6 SGB VIII und des § 93 Abs. 4 SGB VIII bestätigt diese Auslegung. Nach der Einführung des heutigen § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII durch Art. 1 Nr. 20 Buchst. b des Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz - KiföG) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2403) führte der darin sinngemäß angeordnete Ausschluss des § 93 Abs. 3 SGB VIII zwar zunächst nur dazu, dass das bei der Ermittlung des Kostenbeitrags zugrunde zu legende Einkommen lediglich nach § 93 Abs. 1 und 2 SGB VIII zu bestimmen war. Daraus folgt für das Verhältnis zu § 93 Abs. 4 SGB VIII jedoch nichts, weil diese Regelung erst später durch das Gesetz zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetz - KJVVG) vom 29. August 2013 (BGBl. I S. 3464) eingefügt worden ist. In der Gesetzesbegründung dazu fehlt aber jeglicher Hinweis darauf, dass § 93 Abs. 4 SGB VIII für die Heranziehung von jungen Menschen nach § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII nicht gelten soll (vgl. BT-Drs. 17/13023 S. 14 f.). Dies wiegt umso schwerer, als der Gesetzgeber mit dem Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetz nicht nur § 93 Abs. 4 SGB VIII, sondern auch in § 94 Abs. 6 SGB VIII die Sätze 2 und 3 angefügt und mit dieser neuen Ermessensregelung die Heranziehung u.a. junger Menschen zu einem Kostenbeitrag modifiziert hat, ohne hierfür zugleich die Geltung des § 93 Abs. 4 SGB VIII auszuschließen oder seine entsprechende Vorstellung zumindest in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck zu bringen. 20 Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht im Hinblick auf § 1 Abs. 1 SGB VIII, wonach jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit hat. Denn die in § 94 Abs. 6 SGB VIII neu angefügten Sätze 2 und 3 sollen ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/13023 S. 15) gerade der Übernahme von Eigenverantwortung durch die jungen Menschen Rechnung tragen, sodass der Gesetzgeber die in § 1 Abs. 1 SGB VIII formulierten Ziele der Kinder- und Jugendhilfe bei der Ausgestaltung der Kostenbeitragsregelung nicht außer Acht gelassen hat. 21 Durch die Anwendung des § 93 Abs. 4 SGB VIII wird der Zweck des § 94 Abs. 6 SGB VIII, junge Menschen im Hinblick auf ihre Verselbstständigung und Vorbereitung auf ein eigenverantwortliches Leben an ihrem notwendigen Lebensunterhalt zu beteiligen, der im Rahmen ihrer vollstationären Unterbringung vom Jugendhilfeträger voll finanziert wird, nicht infrage gestellt. Die Heranziehung nach Maßgabe des durchschnittlichen Monatseinkommens des Vorjahres verlangt einen anderen Umgang mit dem erzielten Einkommen, lässt sich aber ebenso als geeignet ansehen, eine eigenverantwortliche Lebensführung zu unterstützen (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 3. Februar 2017 - 1 K 568/16 - juris Rn. 29 f.; VG Hannover, Urteil vom 14. Dezember 2018 - 3 A 7642/16 - juris Rn. 29 f.; VGH München, Urteil vom 25. September 2019 - 12 BV 18.12 74 - juris Rn. 37). 22 c) Entgegen der Ansicht des Beklagten gebietet auch der Zweck des § 93 Abs. 4 SGB VIII kein anderes Verständnis. Mit der Einführung des § 93 Abs. 4 SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetz im Jahr 2013 verfolgte der Gesetzgeber insbesondere die Zielsetzungen, den in der Praxis bestehenden Unsicherheiten über den für die Berechnung maßgeblichen Zeitraum zu begegnen und gleichzeitig im Interesse der Verwaltungsvereinfachung die Erhebung eines Kostenbeitrags zeitnah zur Leistung oder Maßnahme zu ermöglichen, um die kostentragungspflichtigen Kommunen in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Belastung zu entlasten (vgl. BT-Drs. 17/13023 S. 14 f.). Anlass für die Schaffung einer Berechnungsregelung, die auf das durchschnittliche Monatseinkommen des Jahres abstellt, das der Jugendhilfeleistung vorangeht, waren zwar die Schwierigkeiten bei der Heranziehung Selbstständiger, deren Tätigkeit häufig durch hohe Schwankungen im Umsatz gekennzeichnet ist. Die Regelung ist aber nicht auf Selbstständige beschränkt worden. Im Vordergrund standen vielmehr unabhängig von bestimmten Gruppen von Leistungspflichtigen die Verwaltungsvereinfachung und leistungsnahe Entlastung der Jugendhilfeträger als solche, für die der Gesetzgeber als mögliche Folge auch eine komplette Freistellung der Kostenbeitragspflichtigen in Kauf genommen hat. Sachliche Unterschiede, die eine unterschiedliche Behandlung bei der Heranziehung von Unterhaltspflichtigen einerseits und jungen Menschen andererseits zwingend gebieten würden, sind vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich. 23 d) Dieses Auslegungsergebnis zu § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII ist nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu korrigieren. Deren Voraussetzungen liegen nicht vor. 24 Die Befugnis zur Korrektur des Wortlauts einer Vorschrift steht den Gerichten nur begrenzt zu. Sie ist u.a. dann gegeben, wenn die Beschränkung des Wortsinns einer gesetzlichen Regelung aufgrund des vom Gesetzgeber mit ihr verfolgten Regelungsziels geboten ist, die gesetzliche Regelung also nach ihrem Wortlaut Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll. In einem solchen Fall ist eine zu weit gefasste Regelung im Wege der sogenannten teleologischen Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen. Ob eine planwidrige Gesetzeslücke als Voraussetzung einer teleologischen Reduktion vorliegt, ist nach dem Plan des Gesetzgebers zu beurteilen, der dem Gesetz zugrunde liegt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 25. März 2014 - 5 C 13.13 - Buchholz 436.36 § 8 BAföG Nr. 14 Rn. 25, vom 23. April 2015 - 5 C 10.14 - BVerwGE 152, 60 Rn. 21 und vom 28. Februar 2019 - 5 C 1.18 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr. 4 Rn. 15). 25 Gemessen daran lässt sich schon nicht feststellen, dass die Regelung in § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII über die damit verfolgten Zwecke des Gesetzgebers hinausgeht. Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass diese Berechnungsmodalitäten bei der Heranziehung junger Menschen keine Anwendung finden sollten und lediglich übersehen worden wäre, dass die Regelung alle Kostenbeitragspflichtigen erfasst. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die damit bezweckte Verwaltungsvereinfachung in der Gruppe junger Menschen von vornherein nicht erreicht werden könnte oder dass die Anwendung des § 93 Abs. 4 SGB VIII dem Ziel der Jugendhilfe zuwiderlaufen würde, den jungen Menschen bei einer eigenverantwortlichen Lebensführung zu unterstützen. 26 Darüber hinaus setzt eine teleologische Reduktion voraus, dass sich dem Plan des Gesetzgebers mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt, in welcher Weise die gesetzliche Regelung einzuschränken ist, um den Gesetzeszweck zu erreichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 5 C 5.19 - BVerwGE 168, 15 Rn. 15). Daran fehlt es hier, weil neben der vom Beklagten anstelle der Berücksichtigung des Vorjahreseinkommens befürworteten monatlichen Heranziehung aus dem Einkommen im Hilfezeitraum auch andere Lösungen, etwa die Berechnung anhand des zu Beginn des Jahres oder einer Beschäftigung erzielten monatlichen Durchschnittseinkommens, denkbar sind. 27 Weil der Beklagte zur Ermittlung der monatlichen Kostenbeiträge der Klägerin für das Jahr 2015 nicht, wie nach § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII geboten, deren durchschnittliches Monatseinkommen aus dem Jahr 2014 und für das Jahr 2016 deren monatliches Durchschnittseinkommen aus dem Jahr 2015 zugrunde gelegt hat, ist die angegriffene Kostenerhebung rechtswidrig, soweit der Beklagte zu hohe monatliche Kostenbeiträge sowie eine überhöhte Nachzahlung festgesetzt hat. Der Senat ist hier allerdings nicht gehalten, die zutreffende Höhe des monatlichen Kostenbeitrags und einer etwaigen Nachzahlung zu ermitteln. Denn der angegriffene Kostenbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist auch aus anderen Gründen rechtswidrig und deshalb insgesamt aufzuheben. 28 2. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Kostenerhebung auch deshalb rechtswidrig ist, weil der Beklagte das ihm in § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt hat. Danach kann ein geringerer Kostenbeitrag als nach § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII erhoben oder gänzlich von der Erhebung des Kostenbeitrags abgesehen werden, wenn das Einkommen aus einer Tätigkeit stammt, die dem Zweck der Leistung dient. Das ist hier der Fall. 29 Die Tätigkeit der Klägerin dient dem Zweck der ihr gewährten Hilfe für junge Volljährige, die gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 34 SGB VIII auf die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung sowie einer selbstständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung des jungen Menschen gerichtet ist. Das Oberverwaltungsgericht hat für den Senat verbindlich (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass die Arbeit der Klägerin in der Werkstatt für behinderte Menschen zum Ziel hat, ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln und ihr eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen, und ist auf der Grundlage dieser Tatsachenfeststellung zu Recht davon ausgegangen, dass diese Tätigkeit dem Zweck der ihr gewährten Hilfe für junge Volljährige dient. 30 Der Tatbestand des § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII ist nicht im Hinblick auf § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB VIII einschränkend dahin auszulegen, dass das Ermessen nur bei Tätigkeiten im sozialen und kulturellen Bereich eröffnet wäre. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist eine enge Auslegung des § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII nicht schon deshalb geboten, weil es sich um eine ""Ausnahmeregelung"" handeln würde. Dabei kann dahinstehen, ob § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII als solche zu qualifizieren ist. Denn auch Ausnahmevorschriften sind nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen auszulegen und können je nach der ihnen innewohnenden Zweckrichtung einer einschränkenden oder ausdehnenden Auslegung zugänglich sein (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 7. November 1995 - 9 C 73.95 - BVerwGE 100, 23 <30>, vom 26. November 2003 - 9 C 4.03 - BVerwGE 119, 258 <260> und vom 16. März 2005 - 9 C 7.04 - BVerwGE 123, 132 <136 f.>). 31 Der Wortlaut des § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII ist insofern offen, als er uneingeschränkt alle Tätigkeiten erfasst, die dem Zweck der Leistung dienen. Gemäß § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB VIII gilt die Ermessensregelung des Satzes 2 allerdings insbesondere, wenn es sich um eine Tätigkeit im sozialen oder kulturellen Bereich handelt, bei der nicht die Erwerbstätigkeit, sondern das soziale oder kulturelle Engagement im Vordergrund stehen. Dem Beklagten ist einzuräumen, dass das Wort ""insbesondere"" üblicherweise vom Gesetzgeber verwendet wird, um Regelbeispiele einzuführen, die die Auslegung der Tatbestandsmerkmale steuern sollen, auf die sie sich beziehen (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 33.17 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 21 Rn. 16). In § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB VIII hat der Gesetzgeber jedoch keine derartigen Regelbeispiele festgelegt. Die dort genannten Beispiele haben keinen Leitbildcharakter. Das Wort ""insbesondere"" wird hier vielmehr im Sinne von ""das ist stets dann der Fall, wenn"" verwendet und nicht im Sinne einer Definition des Merkmals ""Tätigkeiten, die dem Zweck der Leistung dienen"" in § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII. Wie sich aus der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 17/13023 S. 15) und den dort ausdrücklich angeführten Beispielen eindeutig ergibt, soll die Ermessensregelung nach dem Willen des Gesetzgebers für alle Fälle der Aufnahme einer bezahlten Tätigkeit gelten, ""in denen der junge Mensch Eigeninitiative ergreift und sich verantwortungsbewusst gegenüber seinem Leben und seiner Zukunft zeigt"". Dies entspricht dem sich ebenfalls aus der Gesetzesbegründung ergebenden Zweck des § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII, den rechtlichen Spielraum zum Absehen von einer Kostenbeteiligung im Einzelfall im Vergleich zur vorherigen Rechtslage zu erweitern und solche Kostenbeteiligungen auszuschließen, die im Widerspruch zum Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe stehen. Dass § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII bereits eine Härtefallregelung vorsieht, steht dem nicht entgegen, weil der Gesetzgeber den Handlungsspielraum bei der Heranziehung junger Menschen in Kenntnis dieser Regelung erweitern, also gerade darüber hinausgehen wollte. 32 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO." bverwg_2020-75,15.12.2020,"Pressemitteilung Nr. 75/2020 vom 15.12.2020 EN Anspruch auf Informationszugang trotz Vielzahl von Anträgen Der Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz ist nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der Antragsteller zahlreiche Informationsanträge stellt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger begehrt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Informationen zu dessen Förderprogramm für die Luftfahrtforschung. Nach Angaben des Bundesministeriums hat der Kläger hierzu mehr als 140 Anträge nach dem Informationsfreiheitsgesetz gestellt; hinzu kommen mehr als 150 Dienstaufsichtsbeschwerden. Den streitgegenständlichen Antrag lehnte das Bundesministerium u.a. wegen Rechtsmissbrauchs ab. Das Verwaltungsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Obgleich das Informationsfreiheitsgesetz keine Missbrauchsklausel enthalte, könne einem Antrag der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden. Die Ablehnung eines Informationszugangsantrags wegen Rechtsmissbrauchs müsse sich wegen des grundrechtlichen Schutzes der Informationsfreiheit aber auf Extremfälle beschränken. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Ein missbräuchliches Informationsbegehren ist nur anzunehmen, wenn positiv festgestellt wird, dass es einem Antragsteller in Wirklichkeit nicht um die begehrte Information geht. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Das Berufungsgericht hat vielmehr festgestellt, dass der Kläger ein sachliches Informationsinteresse hat. BVerwG 10 C 24.19 - Urteil vom 15. Dezember 2020 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 12 B 8.17 - Urteil vom 12. Juli 2018 - VG Berlin, 2 K 111.15 - Urteil vom 09. März 2017 -","Urteil vom 15.12.2020 - BVerwG 10 C 24.19ECLI:DE:BVerwG:2020:151220U10C24.19.0 EN Anspruch auf Informationszugang trotz Vielzahl von Anträgen Leitsatz: Das Informationsfreiheitsgesetz wird nach Abschluss des Vergabeverfahrens nicht durch Vorschriften der Vergabeverordnung verdrängt. § 5 Abs. 2 Satz 2 VgV ist eine Vertraulichkeitsregelung im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG. Rechtsquellen IFG § 1 Abs. 3, § 3 Nr. 4 VgV § 5 Abs. 2 Satz 2 GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 Instanzenzug VG Berlin - 09.03.2017 - AZ: VG 2 K 111.15 OVG Berlin-Brandenburg - 12.07.2018 - AZ: OVG 12 B 8.17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 15.12.2020 - 10 C 24.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:151220U10C24.19.0] Urteil BVerwG 10 C 24.19 VG Berlin - 09.03.2017 - AZ: VG 2 K 111.15 OVG Berlin-Brandenburg - 12.07.2018 - AZ: OVG 12 B 8.17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2020 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger begehrt von dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Informationen zu dessen Förderprogramm für die Luftfahrtforschung. 2 Der Kläger ist Erfinder. Seit Dezember 2011 hat er mehr als 140 Anträge nach dem Informationsfreiheitsgesetz gestellt sowie über 150 Dienstaufsichtsbeschwerden erhoben. 3 Im Sommer 2014 beantragte er Zugang zu denjenigen Unterlagen, die mit der Ausschreibung und Vergabe des Förderprogramms für die Luftfahrtforschung IV-3 bis V-1 in Zusammenhang stehen. Das Bundesministerium lehnte den Antrag unter Hinweis auf frühere Auskunftserteilungen sowie wegen Rechtsmissbrauchs und unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands ab. 4 Die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Informationszugangs zu den Unterlagen für das Förderprogramm für die Luftfahrtforschung IV-3 und IV-4 als unzulässig abgewiesen, weil diese Informationen der Beklagten nicht vorlägen. Im Hinblick auf die Unterlagen zum Förderprogramm V-1 hat es der Klage überwiegend stattgegeben und eine rechtsmissbräuchliche Antragstellung sowie einen Vorrang vergaberechtlicher Vorschriften verneint. 5 Die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 12. Juli 2018 zurückgewiesen. Das Informationsfreiheitsgesetz werde nicht gemäß § 1 Abs. 3 IFG durch vergaberechtliche Informationsansprüche verdrängt. Es gehe um ein abgeschlossenes Vergabeverfahren, für das die einschlägigen Vorschriften der Vergabeverordnung nur Regelungen zur nachwirkenden Vertraulichkeit vorsähen. Das Informationsbegehren des Klägers sei nicht rechtsmissbräuchlich. Zwar könne beim Vollzug des Informationsfreiheitsgesetzes der Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten sein. Es müsse sich für einen objektiven Betrachter aber die sichere Erkenntnis gewinnen lassen, dass es dem Antragsteller nicht um den Erkenntnisgewinn durch Offenlegung der Informationen gehe, sondern er andere, von der Rechtsordnung missbilligte Ziele verfolge und den Informationsanspruch als Vorwand verwende. Wegen der grundgesetzlichen Meinungs- und Informationsfreiheit könne eine missbräuchliche Antragstellung erst bei einer Gefahr der Funktionsbeeinträchtigung staatlicher Einrichtungen angenommen werden. Allein die Vielzahl von Anträgen und der damit verbundene Verwaltungsaufwand genüge nicht. Davon ausgehend habe der Kläger ein sachliches Informationsinteresse. Er begehre die Informationen, um die Förderung des gesamten Luftfahrtforschungsprogramms einschließlich der Praxis ihm gegenüber zu durchdringen. 6 Die Beklagte führt zur Begründung ihrer Revision aus, die Art und Weise der Antragstellungen belege die querulatorische Natur des klägerischen Antragsverhaltens. Das Berufungsgericht überspanne die Anforderungen an eine missbräuchliche Rechtsausübung. Die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze zum behördenbezogenen Rechtsmissbrauch im Umweltinformationsrecht seien sinngemäß auch im Informationsfreiheitsrecht heranzuziehen. Das Urteil beruhe zudem auf Verfahrensmängeln. 7 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Juli 2018 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. März 2017 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen. 8 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. 9 Er verteidigt das Urteil des Berufungsgerichts. II 10 Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Berufungsgericht hat im Ergebnis mit Recht erkannt, dass dem Informationszugangsanspruch des Klägers, soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat, weder der Einwand des Rechtsmissbrauchs (1.) noch Vorschriften des Vergaberechts entgegenstehen (3.). Auch den Verfahrensrügen der Beklagten hält das Berufungsurteil stand (2.). 11 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass dem Informationszugangsanspruch des Klägers der Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht entgegengehalten werden kann. Das verstößt zwar gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), soweit es ein missbräuchliches Informationsbegehren erst bei einer den Bestand des Staates gefährdenden Funktionsbeeinträchtigung seiner Einrichtungen annehmen will. Hierauf beruht das Urteil aber nicht, weil das Berufungsgericht ohne den Rechtsverstoß keine andere Entscheidung getroffen hätte. Ein Informationsanspruch ist ausgeschlossen, wenn es dem Antragsteller nicht um den Erkenntnisgewinn durch Offenlegung der Informationen geht, sondern er allein andere und von der Rechtsordnung missbilligte Ziele verfolgt. Hierauf hat das Berufungsgericht im Weiteren seine Entscheidung tragend und insoweit ohne Bundesrechtsverstoß gestützt und ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers verneint. 12 a) Der Senat hat mit Urteilen vom 24. November 2020 (- BVerwG 10 C 12.19 bis 10 C 15.19 -) entschieden, dass einem Antrag auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz grundsätzlich der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden kann. Insofern gilt für den Anspruch auf Informationszugang nichts anderes als für jeden anderen Rechtsanspruch. Es handelt sich um einen allgemeinen Rechtsgedanken, der der gesamten Rechtsordnung zugrunde liegt und der in §§ 226, 242 BGB für einen Teilbereich der Rechtsordnung seinen Ausdruck gefunden hat. Der Anspruch auf Informationszugang kann allerdings nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen als rechtsmissbräuchlich abgelehnt werden. Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung ist nur dann begründet, wenn es dem Antragsteller nicht um die begehrte Information geht, er vielmehr ausschließlich andere und von der Rechtsordnung missbilligte Zwecke verfolgt. Diese Voraussetzungen sind etwa dann gegeben, wenn das Informationsbegehren den Zweck verfolgt, die informationspflichtige Behörde lahmzulegen. Aus dem Umstand, dass das rheinland-pfälzische Landesrecht insofern anderes regelt (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 Landestransparenzgesetz Rheinland-Pfalz vom 27. November 2015 (GVBl. 2015 S. 383) und dazu LT-Drs. 16/5173 S. 45 sowie BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2016 - 7 C 7.14 - NVwZ 2016, 1814 Rn. 18), folgt für das Bundesrecht nichts. Zudem hat der Antragsteller sein Informationsinteresse nicht darzulegen; es wird vom Gesetz vermutet. Es ist Sache der informationspflichtigen Behörde, gegen diese Vermutung den Beweis des Gegenteils zu führen. Ihre Darlegung ist hierbei nicht auf Umstände beschränkt, die das konkrete Verfahren betreffen; die Feststellung informationsfremder Zwecke kann sich aus anderen Umständen ergeben. Auch das Gericht muss im Streitfall eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände vornehmen. 13 Diese Anforderungen an eine missbräuchliche Antragstellung hat auch das Berufungsgericht angenommen. Unzutreffend leitet es allerdings aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 2018 - 7 C 30.15 - (Buchholz 404 IFG Nr. 26; hierzu Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 14. März 2019 - 1 BvR 1977/18 -) ab, dass ein von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten nur jenseits der Grenzen der Meinungsbildungs- und Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG angenommen werden und der Staat eine Überschreitung erst bei einer seinen Bestand gefährdenden Funktionsbeeinträchtigung seiner Einrichtungen annehmen könne. Das Bundesverwaltungsgericht hat (a.a.O. Rn. 32) allein einen verfassungsrechtlichen Bestandsschutz des Informationsfreiheitsgesetzes verneint, weil § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG zwar eröffnet (so BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2017 - 1 BvR 1978/13 - BVerfGE 145, 365 Rn. 21), die Allgemeinzugänglichkeit nach dem Informationsfreiheitsgesetz aber grundsätzlich zurückgenommen werden kann. 14 Im Zuge der Prüfung, ob das Antragsverhalten des Klägers rechtsmissbräuchlich ist, hat das Berufungsgericht das Kriterium der bestandsgefährdenden Funktionsbeeinträchtigung staatlicher Einrichtungen indes nicht weiter berücksichtigt, weshalb sein Urteil hierauf nicht beruht. 15 b) Die Rechtsanwendung durch das Berufungsgericht begegnet im Übrigen keinen bundesrechtlichen Bedenken. Insbesondere sind ihm keine Verfahrensfehler unterlaufen. 16 Das Berufungsgericht hat die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO nicht deshalb verletzt, weil es davon abgesehen hat, sämtliche Verwaltungsvorgänge zum Antragsverhalten des Klägers beizuziehen und zu würdigen. Einen dahingehenden Beweisantrag hat die Beklagte nicht gestellt. Von Amts wegen hatte das Berufungsgericht eine Beiziehung der Verwaltungsvorgänge nicht zu veranlassen. Denn es wäre Sache der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten gewesen, im Einzelnen aufzuzeigen, aus welchen weiteren Vorgängen sich ein missbräuchliches Verhalten des Klägers ergeben soll. Das hat die Beklagte nur beispielhaft getan, die Beiziehung weiterer Unterlagen aber nicht begehrt. 17 Den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) hat das Berufungsgericht gleichfalls nicht verletzt. Das Berufungsgericht hat den Umstand zahlreicher Dienstaufsichtsbeschwerden und weiterer Beschwerden des Klägers zur Kenntnis genommen und berücksichtigt. Es hat aber nicht die von der Revision gewünschten Schlussfolgerungen gezogen. 18 Schließlich hat das Berufungsgericht nicht den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt. Seine Auffassung, der Kläger verfolge mit seinem Antragverhalten keine gesetzesfremden Motive, übergeht nicht entscheidungserheblichen Akteninhalt, nimmt keine aktenwidrigen Tatsachen an und verstößt nicht gegen Denkgesetze (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2019 - 7 C 27.17 - NVwZ 2019, 1601 Rn. 56). Seine Annahme, der Kläger habe den Eindruck, die Beklagte versuche, ihm nach Möglichkeit keine Informationen zu geben, war auf dessen Mitteilung und damit auf eine aktenkundige Tatsache gestützt. 19 2. Ob über den vom Gesetzgeber für eine Teilstattgabe normierten Versagungsgrund des § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG hinaus ein allgemeiner und im Informationsfreiheitsgesetz nicht ausdrücklich geregelter Einwand unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands in Betracht kommen kann, kann dahinstehen, weil sich die Beklagte hierauf im Klageverfahren nicht berufen hat. 20 3. Das Berufungsgericht hat schließlich ohne Bundesrechtsverstoß angenommen, dass dem Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz vergaberechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Weder gehen vergaberechtliche Bestimmungen gemäß § 1 Abs. 3 IFG dem Informationsfreiheitsgesetz vor noch begründen sie einen dem Informationszugangsanspruch entgegenstehenden Versagungsgrund. 21 a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird das Informationsfreiheitsgesetz nach § 1 Abs. 3 IFG durch Normen verdrängt, die einen mit § 1 Abs. 1 IFG abstrakt-identischen sachlichen Regelungsgehalt aufweisen und sich als abschließende Regelung verstehen. Sowohl ausgehend vom Wortlaut des § 1 Abs. 3 IFG als auch mit Blick auf Sinn und Zweck der Regelung, den Vorrang des Fachrechts gegenüber dem allgemeinen Informationszugangsrecht zu gewährleisten, ist hierfür maßgeblich, ob die anderweitige Regelung dem sachlichen Gegenstand nach Regelungen über den Zugang zu amtlichen Informationen trifft. Darüber hinaus ist ausschlaggebend, ob die andere Regelung diesen Zugang nicht nur im Einzelfall, sondern allgemein oder doch typischerweise gestattet und an nach dem Informationsfreiheitsgesetz Informationspflichtige adressiert ist. Die anderweitige Regelung muss dem Einzelnen allerdings keinen individuellen, gerichtlich durchsetzbaren Informationszugangsanspruch verleihen (BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2020 - 10 C 16.19 - NVwZ 2020, 1680 Rn. 9 ff.). 22 Danach gehen vergaberechtliche Vorschriften, die sich auf ein abgeschlossenes Vergabeverfahren beziehen, dem Informationsfreiheitsgesetz nicht vor (vgl. Debus, in: Hrsg. Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand November 2020, § 1 IFG Rn. 209 ff.; Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 339 f.). Der hier maßgebliche § 5 Abs. 2 Satz 2 der Vergabeverordnung (VgV) vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624) regelt nicht den Zugang zu Informationen, sondern schließt ihn aus. Nach dieser Bestimmung sind die Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträge und Angebote einschließlich ihrer Anlagen sowie die Dokumentation über Öffnung und Wertung der Teilnahmeanträge und Angebote auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens vertraulich zu behandeln. Demnach begründet § 5 Abs. 2 Satz 2 VgV gerade keine behördliche Informationspflicht, sondern ist eine Vertraulichkeitsregelung im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG. 23 b) Das Berufungsgericht hat den Versagungsgrund des § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 2 VgV verneint, weil die von der Beklagten begehrten Schwärzungen zum Schutz der Rechte Dritter von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts umfasst seien. Dieser Erwägung ist die Revision nicht entgegengetreten. 24 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2020-76,15.12.2020,"Pressemitteilung Nr. 76/2020 vom 15.12.2020 EN Über Zugang zu Unterlagen der Werftenförderung muss neu verhandelt werden Über den Zugang zu Unterlagen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur Förderung einer - mittlerweile insolventen - Werft in Mecklenburg-Vorpommern muss neu verhandelt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin, ehemalige Hauptgesellschafterin der Werft, begehrt auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes Zugang zu verschiedenen Sitzungsprotokollen über Förderentscheidungen des Bundes und des Landes Mecklenburg-Vorpommern sowie zu Papieren, die eine von diesen mit der Abwicklung der Werftenförderung beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erarbeitet hat. Das Bundeswirtschaftsministerium lehnte den Antrag weitgehend ab. Die Vorinstanzen haben der Klage überwiegend stattgegeben. Die gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts gerichteten Revisionen der beklagten Bundesrepublik Deutschland und der beiden Beigeladenen, des Landes Mecklenburg-Vorpommern sowie der beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft führten zur Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht. Einerseits kann sich die Beklagte als „Herrin des Geheimnisses“ nicht auf das Berufsgeheimnis der von ihr und dem Land Mecklenburg-Vorpommern mandatierten Wirtschaftsprüfer berufen. Die begehrten Informationen unterliegen auch keiner durch Rechtsvorschrift geregelten Vertraulichkeitspflicht. Dem 2014 in Kraft getretenen Werftenförderungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern lässt sich für die zwischen 2009 bis 2012 erstellten Unterlagen keine solche Pflicht entnehmen. Andererseits fehlt es bislang an tatsächlichen Feststellungen zu den Fragen, ob mit der beigeladenen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eine Vertraulichkeitsabrede getroffen wurde und ob zumindest hinsichtlich eines Teils der von der Klägerin begehrten Unterlagen Umstände vorliegen, die nicht nur ein berechtigtes Interesse der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, sondern auch ein dringliches öffentliches Interesse an einer vertraulichen Behandlung rechtfertigen. BVerwG 10 C 25.19 - Urteil vom 15. Dezember 2020 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 12 B 34.18 - Urteil vom 01. August 2019 - VG Berlin, 2 K 348.16 - Urteil vom 19. Juli 2018 -","Urteil vom 15.12.2020 - BVerwG 10 C 25.19ECLI:DE:BVerwG:2020:151220U10C25.19.0 EN Informationszugang zu Unterlagen der Werftenförderung Leitsätze: 1. Herr des Geheimnisses hinsichtlich der Verschwiegenheitspflicht des Wirtschaftsprüfers ist allein der Auftraggeber; ist dieser eine informationspflichtige Stelle, kann er sich nicht auf einen Anspruchsausschluss nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO berufen. 2. Nach der Rezeptionsnorm des § 3 Nr. 4 IFG kann sich auch aus vor und nach dem Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes erlassenem Landesrecht ein Informationsversagungsgrund ergeben. 3. An der Vertraulichkeit einer Information besteht das im Rahmen von § 3 Nr. 7 IFG erforderliche objektiv schutzwürdige Interesse, wenn eine Behörde zur ordnungsgemäßen Erfüllung öffentlicher Aufgaben von hohem Gewicht auf die Erhebung und Übermittlung von nicht anders erlangbaren Informationen durch mit spezifischen Kenntnissen und Fertigkeiten ausgestattete Dritte angewiesen und auf Seiten dieser Dritten ein besonderes Vertraulichkeitsinteresse anzuerkennen ist (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 23 Rn. 25). 4. Wer im Rahmen unterstützender Sekretariatstätigkeiten ohne eigene Entscheidungs- oder Gestaltungsmöglichkeiten büromäßig mit Unterlagen umgeht, ist nicht Bearbeiter im Sinne von § 5 Abs. 4 IFG. 5. Eine amtliche Tätigkeit im Sinne des § 5 Abs. 4 IFG übt ein Bearbeiter auch dann aus, wenn er zwar selbst kein Behördenangehöriger ist, jedoch im behördlichen Auftrag tätig wird. Rechtsquellen IFG § 1 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 3 Nr. 3 Buchst. b, Nr. 4, Nr. 7, § 5 Abs. 4, § 6 Satz 1 und 2 WPO § 43 Abs. 1 Satz 1 WFG M-V § 12 Abs. 1 Instanzenzug VG Berlin - 19.07.2018 - AZ: VG 2 K 348.16 OVG Berlin-Brandenburg - 01.08.2019 - AZ: OVG 12 B 34.18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 15.12.2020 - 10 C 25.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:151220U10C25.19.0] Urteil BVerwG 10 C 25.19 VG Berlin - 19.07.2018 - AZ: VG 2 K 348.16 OVG Berlin-Brandenburg - 01.08.2019 - AZ: OVG 12 B 34.18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2020 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. August 2019 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Klägerin fordert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Zugang zu Informationen zur Werftenförderung im Zusammenhang mit der fehlgeschlagenen Sanierung der P. GmbH und ihren Vorgängergesellschaften. Sie ist ehemalige Hauptgesellschafterin der P. GmbH. 2 Die Klägerin beantragte Zugang zu den Protokollen über Sitzungen und Beratungen des Interministeriellen Bürgschaftsausschusses und der weiteren Bürgschaftsausschüsse sowie zu von der Beigeladenen zu 2 - einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft - erarbeiteten Stellungnahmen, Beurteilungen, Anmerkungen, Berichten sowie sonstigen Kommentaren im Zusammenhang mit dem Sanierungskonzept der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K. Die Beklagte und der Beigeladene zu 1, das Land Mecklenburg-Vorpommern, hatten die Beigeladene zu 2 auch mit der Abwicklung der Werftenförderung beauftragt. Die von der Klägerin begehrten Dokumente sind im Zeitraum von 2009 bis 2012 entstanden. 3 Die Beklagte lehnte den Antrag überwiegend ab. Der nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen stattgegeben. Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen zurückgewiesen. Dem Anspruch auf Informationszugang stehe kein Berufsgeheimnis im Sinne des § 3 Nr. 4 IFG wegen der Verschwiegenheitspflicht des Wirtschaftsprüfers entgegen. Bediene sich die öffentliche Hand, wie hier, eines Verwaltungshelfers, könne sich die informationspflichtige Behörde ebenso wenig auf die allgemeine Verschwiegenheitspflicht des Berufsstandes berufen wie auf ihre eigene allgemeine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beauftragung einheitlich mit dem Beigeladenen zu 1 erfolgt sei. Etwas Anderes folge auch nicht aus § 12 Abs. 1 WFG M-V, wonach Vorgänge der Werftenförderung der Vertraulichkeit unterliegen. Zum einen erfasse die Vorschrift die hier in Rede stehende Werftenförderung nicht, weil sie erst später erlassen worden sei und nicht rückwirkend gelte. Zum anderen sei es mit der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern unvereinbar, wenn ein vom Bundesgesetzgeber für seinen Zuständigkeitsbereich eröffneter Informationszugang nachträglich durch Landesrecht wieder verschlossen würde. Auf einen Anspruchsausschluss nach § 3 Nr. 4 IFG in Verbindung mit dem Bankgeheimnis könne sich die Beklagte ebenfalls nicht berufen. Soweit die Informationen im Schwerpunkt die Kundenbeziehungen der P. GmbH zu ihren finanzierenden Banken beträfen, habe der Insolvenzverwalter erklärt, dass keine Bedenken gegen die Weitergabe bestünden. Der Anspruch auf Informationszugang werde auch nicht nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG wegen der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen ausgeschlossen. Einer Vielzahl der noch im Streit befindlichen Dokumente fehle die Qualität vertraulicher Informationen, weil die Beigeladene zu 2 darin lediglich den Beratungsgegenstand sachverständig vor- und aufbereitet habe. Die Beklagte habe zudem nicht dargelegt, dass die begehrten Informationen den Beratungsverlauf in Vertraulichkeit beanspruchender Weise widerspiegelten oder ihre Offenlegung nachteiligen Einfluss auf künftige Beratungsprozesse bei Fördermaßnahmen haben könnte. Auch ein Ausschluss nach § 3 Nr. 7 IFG greife nicht. Die Beigeladene zu 2 stehe im Lager der Beklagten und sei deshalb kein ""Dritter"" im Sinne dieser Vorschrift. Der Schutz personenbezogener Daten nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG sei gewahrt, nachdem die Klägerin auf die Angabe von Namen, Anschriften, E-Mail-Adressen und Telekommunikationsdaten natürlicher Personen verzichtet habe, soweit es sich dabei nicht um Mitarbeiter der Beklagten, des Beigeladenen zu 1 oder der Beigeladenen zu 2 handele. Die an der Aufgabenerfüllung beteiligten Mitarbeiter der Beigeladenen zu 2 seien Bearbeitern einer Behörde im Sinne des § 5 Abs. 4 IFG gleichzusetzen. Weiter sei weder plausibel dargelegt noch erkennbar, dass die begehrten Dokumente schützenswertes geistiges Eigentum oder Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zu 2 oder Dritter enthielten. 4 Zur Begründung ihrer Revision führt die Beklagte aus: Dem Informationszugangsanspruch stehe § 3 Nr. 4 IFG in Verbindung mit dem Berufsgeheimnis des Wirtschaftsprüfers entgegen. Beauftrage die öffentliche Hand einen Wirtschaftsprüfer, sei sie wie jeder andere Auftraggeber auf die Vertraulichkeit des Mandatsverhältnisses angewiesen. Aufgrund des einheitlichen Mandatsverhältnisses sei das Berufsgeheimnis auch im Verhältnis zwischen der Beigeladenen zu 2 und dem Beigeladenen zu 1 zu wahren. Das Berufungsurteil sei auch insoweit fehlerhaft, als es § 12 WFG M-V nicht als Rechtsnorm im Sinne des § 3 Nr. 4 IFG berücksichtigt habe. Das Berufungsurteil beruhe darüber hinaus auf einer Verletzung von § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG. Das Bekanntwerden der begehrten Informationen beeinträchtige die Beratung von Behörden. Überdies sei die Beigeladene zu 2 ""Dritte"" im Sinne des Ausschlussgrundes des § 3 Nr. 7 IFG. Würde die vereinbarte Vertraulichkeit nicht gewahrt, müsste die Beklagte befürchten, dass Wirtschaftsprüfer nicht mehr zur Kooperation mit ihr bereit wären. Das Berufungsurteil verletze auch § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG. Das Interesse der Mitarbeiter der Beklagten und der Beigeladenen zu 1 und 2 an einer Geheimhaltung ihrer personenbezogenen Daten überwiege das Informationsinteresse der Klägerin. Jedenfalls soweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Vertragspartner der P. GmbH, der Banken und Kreditversicherer sowie der Nachfolgegesellschaften der P. GmbH betroffen seien, stehe dem begehrten Informationszugang auch § 6 Satz 2 IFG entgegen. Die Beklagte sei dem geforderten Mindestmaß an Plausibilisierung nachgekommen. Im Drittbeteiligungsverfahren hätten die Betroffenen keine weitergehenden Angaben gemacht. 5 Der Beigeladene zu 1 schließt sich zur Begründung seiner Revision diesen Ausführungen an und führt ergänzend aus: Das Oberverwaltungsgericht habe § 12 Abs. 1 WFG M-V bundesrechtswidrig nicht als Ausschlussgrund anerkannt. Mit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2014 unterfielen die begehrten Informationen dieser Vorschrift. 6 Die Beigeladene zu 2 führt zur Begründung ihrer Revision ergänzend aus: Das Oberverwaltungsgericht habe den Anwendungsbereich von § 3 Nr. 4 IFG rechtsfehlerhaft verkürzt. Die Beigeladene zu 2 sei von der Beklagten und dem Beigeladenen zu 1 aufgrund ihres spezifischen Fachwissens im Werftensegment als Wirtschaftsprüferin eingeschaltet worden. Damit sei der inhaltliche Kernbereich der Tätigkeit als Wirtschaftsprüferin betroffen, der maßgeblicher Anknüpfungspunkt für den Berufsgeheimnisschutz nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO sei. Die angegriffene Entscheidung verletze zudem die Rechte der Beigeladenen zu 2 im Hinblick auf ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Das Oberverwaltungsgericht verlange von der Beigeladenen zu 2 einen Vortrag, der auf eine Preisgabe der betroffenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse hinauslaufe. 7 Die Beklagte, der Beigeladene zu 1 und die Beigeladene zu 2 beantragen jeweils, die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. August 2019 und des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Juli 2018 zu ändern und die Klage, soweit das Verfahren nicht als teilweise erledigt eingestellt worden ist, insgesamt abzuweisen. 8 Die Klägerin beantragt, die Revisionen zurückzuweisen. 9 Sie verteidigt das angegriffene Urteil. II 10 Die Revisionen haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 11 Hinsichtlich der Verneinung von Anspruchsausschlussgründen nach § 3 Nr. 4 IFG (Berufsgeheimnis des Wirtschaftsprüfers; landesrechtlich geregelte Vertraulichkeitspflicht) verstößt das Berufungsurteil gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), stellt sich aber insoweit aus anderen Gründen als richtig dar (1.). Bezüglich der Ablehnung eines Anspruchsausschlussgrundes nach § 3 Nr. 7 IFG verstößt das Berufungsurteil ebenfalls gegen Bundesrecht. Insoweit erweist sich das Urteil jedoch weder aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig, noch kann der Senat abschließend in der Sache entscheiden; dies nötigt zur Zurückverweisung (2.). Mit Bezug auf Anspruchsausschlussgründe nach § 3 Nr. 3 Buchst. b und Nr. 4 IFG (Bankgeheimnis) sowie § 6 Satz 1 und 2 IFG steht das Berufungsurteil mit Bundesrecht in Einklang. Dies gilt auch hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten nach § 5 IFG mit der Maßgabe, dass kein Zugang zu personenbezogenen Daten nicht sachbearbeitender Büromitarbeiter gewährt wird (3.). 12 1. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass sich die Beklagte nicht auf Anspruchsausschlussgründe nach § 3 Nr. 4 IFG berufen kann, und zwar weder wegen eines Berufsgeheimnisses des Wirtschaftsprüfers (a) noch wegen einer landesrechtlich geregelten Vertraulichkeitspflicht (b). 13 a) Dem Informationszugangsanspruch der Klägerin nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG kann die Beklagte nicht nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung - WPO) i.d.F. der Bekanntmachung vom 5. November 1975 (BGBl. I S. 2803), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1403), die Verschwiegenheitspflicht der Wirtschaftsprüfer - hier der Beigeladenen zu 2 - entgegenhalten. 14 Allerdings hält die Begründung des Berufungsgerichts insofern der Überprüfung nicht stand. Es verneint einen Anspruchsausschluss nach § 3 Nr. 4 IFG unter dem Gesichtspunkt des Berufsgeheimnisses, weil die Beigeladene zu 2 von der Beklagten und dem Beigeladenen zu 1 mit der Abwicklung des Subventionsverhältnisses beauftragt worden sei und deshalb der Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 3 IFG unterfalle; daraus leitet es ab, dass eine berufsbedingte Verschwiegenheitspflicht des Privaten, dessen sich die Behörde bediene, den Zugang zu Informationen nicht sperren könne. Diese Begründung verletzt revisibles Recht. § 1 Abs. 1 Satz 3 IFG erweitert den Kreis der informationspflichtigen Stellen um diejenigen Personen des Privatrechts, derer sich eine Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient (vgl. zum Ganzen Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 234 f.). Eine Beschränkung der gesetzlichen Anspruchsausschlussgründe - hier desjenigen nach § 3 Nr. 4 IFG - ergibt sich daraus jedoch nicht. 15 Das Berufungsurteil erweist sich in dieser Hinsicht jedoch aus anderen Gründen als richtig. Ein Anspruchsausschlussgrund nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO besteht nicht, weil sich die Beklagte als ""Herrin des Geheimnisses"" nicht auf das Berufsgeheimnis der von ihr und dem Beigeladenen zu 1 mandatierten Beigeladenen zu 2 berufen kann. 16 § 3 Nr. 4 IFG überlässt als Rezeptionsnorm den besonderen Geheimnisschutz den in Bezug genommenen Spezialvorschriften. Was nach anderen Vorschriften geheim gehalten werden muss, bleibt auch unter der Geltung des Informationsfreiheitsgesetzes geheim (BVerwG, Urteile vom 29. Oktober 2009 - 7 C 21.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 2 Rn. 25 und vom 29. Juni 2017 - 7 C 22.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 24 Rn. 12 m.w.N.). 17 § 3 Nr. 4 IFG nennt ausdrücklich Berufsgeheimnisse. Ein Berufsgeheimnis stellt auch die Verschwiegenheitspflicht von Wirtschaftsprüfern nach § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO dar. Der Schutzbereich dieser Verschwiegenheitspflicht ist jedoch personell begrenzt und schützt regelmäßig nur den Auftraggeber des Wirtschaftsprüfers (BGH, Beschluss vom 5. Juli 2017 - VI ZR 325.15 - juris Rn. 31 m.w.N.). Ein geschütztes eigenes Geheimhaltungsinteresse des Wirtschaftsprüfers selbst besteht in der Regel nicht. Anderes kann allenfalls ausnahmsweise angenommen werden, wenn es sich um höchstpersönliche Wahrnehmungen oder um vertrauliche Hintergrundinformationen handelt (vgl. Maxl, in: Hense/Ulrich, WPO, 3. Aufl. 2018, § 43 Rn. 254; zum Berufsgeheimnis des Rechtsanwalts vgl. auch BGH, Urteil vom 30. November 1989 - III ZR 112/88 - BGHZ 109, 260 <269>). Auch der Schutz Dritter ist von § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO nicht bezweckt, weil der Wirtschaftsprüfer zu Dritten in keinem besonderen Vertraulichkeitsverhältnis steht (vgl. Maxl, in: Hense/Ulrich, WPO, 3. Aufl. 2018, § 43 Rn. 242; zur anwaltlichen Verpflichtung zur Verschwiegenheit vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 7 C 23.18 - Buchholz 404 IFG Nr. 33 Rn. 30 m.w.N.). 18 Dispositionsberechtigt hinsichtlich der Verschwiegenheitspflicht des Wirtschaftsprüfers (""Herr des Geheimnisses"") ist in der Konsequenz im Regelfall allein der Auftraggeber bzw. Mandant als derjenige, der von der Verschwiegenheitspflicht geschützt werden soll (für das Anwaltsgeheimnis in diesem Sinne BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 7 C 23.18 - Buchholz 404 IFG Nr. 33 Rn. 30 m.w.N.; näher BGH, Urteil vom 30. November 1989 - III ZR 112/88 - BGHZ 109, 260 <268 f.> m.w.N.). Die Verschwiegenheitspflicht des Wirtschaftsprüfers stellt sicher, dass sich der jeweilige Auftraggeber darauf verlassen kann, dass mandatsbezogene Informationen vom Wirtschaftsprüfer ohne sein Einverständnis Dritten gegenüber nicht offenbart werden. 19 Demgegenüber ergibt sich aus der Verschwiegenheitspflicht nach § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO zur Frage des Umgangs eines oder mehrerer Auftraggeber mit den vom Wirtschaftsprüfer zur Verfügung gestellten Informationen nichts. Deshalb kann sich die Beklagte als Auftraggeberin der Beigeladenen zu 2 nicht auf einen Anspruchsausschluss nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO berufen. Daran ändert nichts, dass sowohl die Beklagte als auch der Beigeladene zu 1 als Auftraggeber der Beigeladenen zu 2 aufgetreten sind. Die Verschwiegenheitspflicht nach § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO schützt beide Auftraggeber jeweils nur in ihrem Verhältnis gegenüber der Beigeladenen zu 2. 20 b) Nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Finanzierung der Werften in Mecklenburg-Vorpommern (WFG M-V) vom 16. Dezember 2013 (GVOBl. M-V S. 720), der die Vertraulichkeit der Anträge und des Bewilligungsverfahrens der Werftenförderung nach diesem Gesetz regelt, besteht ebenfalls kein Anspruchsausschluss. 21 Allerdings kann auch insofern der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hält § 12 WFG M-V deshalb nicht für eine ""Rechtsvorschrift"" im Sinne des § 3 Nr. 4 Alt. 1 IFG, weil eine Informationspflicht der Bundesbehörden nicht nachträglich durch bereichsspezifisches Landesrecht geändert werden dürfe. Das verkennt den Begriff der Rechtsvorschrift. Wie gezeigt, liegt § 3 Nr. 4 IFG das Regelungskonzept zugrunde, dass nach dem Informationsfreiheitsgesetz geheim bleibt, was nach anderen Vorschriften geheim gehalten werden muss (oben Rn. 16). Deshalb kann sich auch aus der Anwendung von Landesrecht ein Informationsversagungsgrund ergeben, und zwar auch aus erst später erlassenem Landesrecht. Darin liegt keine unzulässige dynamische Verweisung; die Rechtsfolge des § 3 Nr. 4 IFG knüpft nicht an den Tatbestand anderer Rechtsvorschriften an, sondern akzeptiert außerhalb des Informationsfreiheitsgesetzes getroffene gesetzliche Entscheidungen und die hierauf beruhenden Einzelakte (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Oktober 2009 - 7 C 21.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 2 Rn. 25 und - 7 C 22.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 43 ff.). 22 Das Berufungsurteil erweist sich jedoch auch in dieser Hinsicht aus anderen Gründen als richtig. Ein Anspruchsausschlussgrund nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 12 Abs. 1 WFG M-V scheidet aus, weil sich - worauf auch das Berufungsgericht ergänzend hinweist - letztere Vorschrift als Bestandteil der diesbezüglichen gesetzlichen Gesamtregelung ausschließlich auf das Verfahren der Werftenförderung nach Maßgabe des am 1. April 2014 in Kraft getretenen Werftenförderungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern bezieht (vgl. § 1 Satz 1 WFG M-V). Für eine tatbestandliche Erstreckung auch auf Sachverhalte, die dem Anwendungsbereich des Werftenförderungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern nicht unterliegen, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Vorliegend geht es um den Zugang zu Dokumenten, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bereits im Zeitraum von 2009 bis 2012, also vor Inkrafttreten des Werftenförderungsgesetzes zum 1. Januar 2014, entstanden sind. Für solche Dokumente ist § 12 Abs. 1 WFG M-V nicht einschlägig. 23 2. Hinsichtlich der Ablehnung eines Anspruchsausschlussgrundes nach § 3 Nr. 7 IFG verstößt das Berufungsurteil ebenfalls gegen Bundesrecht. Insoweit erweist sich das Urteil weder aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig, noch kann der Senat abschließend in der Sache entscheiden; dies nötigt zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Nach § 3 Nr. 7 IFG besteht kein Anspruch auf Informationszugang bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht. 24 a) Das Berufungsgericht begründet die Verneinung dieses Versagungsgrundes damit, dass die Beigeladene zu 2 als Verwaltungshelferin nach § 1 Abs. 1 Satz 3 IFG im Lager der Beklagten stehe und insoweit kein Dritter im Sinne der Vorschrift sei. Zudem habe sie die Informationen der Beklagten nicht freiwillig übermittelt, sondern ihre Erarbeitung und Übermittlung vertraglich geschuldet. 25 Diese Begründung verletzt Bundesrecht. Wie bereits dargelegt, erweitert § 1 Abs. 1 Satz 3 IFG den Kreis der nach dem Informationsfreiheitsgesetz materiell informationspflichtigen Stellen, beschränkt aber nicht die gesetzlichen Anspruchsausschlussgründe. Zudem will § 3 Nr. 7 IFG etwa den Informanten schützen, dessen Vertrauensschutz der Gesetzgeber besonders in den Blick nimmt (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 11). Auch er stellt sich ""ins Lager"" der Behörde und wird als auf Grundlage eines zivilrechtlichen Vertrages tätiger Verwaltungshelfer qualifiziert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 2010 - 6 A 5.09 - Buchholz 402.7 BVerfSchG Nr. 13 Rn. 20 f. m.w.N.). 26 Auch die Überlegung, die Beigeladene zu 2 habe die Informationen wegen des bestehenden Auftragsverhältnisses nicht freiwillig übermittelt, vermag nicht zu überzeugen. Zum einen ist Freiwilligkeit für sich genommen kein Tatbestandsmerkmal von § 3 Nr. 7 IFG, zum anderen kann die von der Beigeladenen zu 2 privatautonom eingegangene rechtsgeschäftliche Verpflichtung, für die Beklagte tätig zu werden, die Freiwilligkeit ihres Verhaltens nicht in Zweifel ziehen. 27 b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind solche Informationen vertraulich im Sinne des § 3 Nr. 7 IFG, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Dies setzt eine Übereinkunft über die Vertraulichkeit zwischen der informationspflichtigen Stelle und dem Dritten voraus. Darüber hinaus ist ein objektiv schutzwürdiges Interesse an der Vertraulichkeit erforderlich. Die Gesetzessystematik und der Zweck der Vorschrift gebieten eine in diesem Sinne einschränkende Auslegung. § 3 IFG schützt ausweislich der amtlichen Überschrift besondere öffentliche Belange. Die in den Nummern 1 bis 8 geregelten Ausschlusstatbestände sind nach der Vorstellung des Gesetzgebers eng zu verstehen (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 9). Damit wäre nicht vereinbar, wenn bereits der Umstand, dass eine Information vertraulich erhoben oder übermittelt wird, für sich genommen ohne Hinzutreten eines objektiv anzuerkennenden Schutzbedürfnisses zum Ausschluss des Informationszugangs führte. Für ein einschränkendes Verständnis spricht auch, dass das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang fortbestehen muss. Die Vertraulichkeit soll mithin nur bei einem berechtigten Interesse geschützt sein. Zudem soll ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/4493 S. 11) die vertraulich übermittelte Information nicht als solche, sondern im öffentlichen Interesse der Aufgabenerfüllung der Behörden geschützt werden, die in besonderem Maße auf Informationen der Bürger angewiesen sind, welche regelmäßig nur unter der Bedingung der Verschwiegenheit zu erlangen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 23 Rn. 24 m.w.N.). 28 Ein objektiv schutzwürdiges Interesse an der Vertraulichkeit einer Information liegt jedenfalls dann vor, wenn dem Informanten bei deren Offenbarung Nachteile drohen und deshalb (zukünftig) die ordnungsgemäße Erfüllung der behördlichen Aufgabe, welche auf die vertrauliche Übermittlung von Informationen angewiesen ist, gefährdet ist (BVerwG, Urteil vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 23 Rn. 25 m.w.N.). Ein objektiv schutzwürdiges Interesse an der Vertraulichkeit einer Information besteht im Anschluss hieran auch dann, wenn eine Behörde zur ordnungsgemäßen Erfüllung öffentlicher Aufgaben von hohem Gewicht auf die Erhebung und Übermittlung von Informationen, die anders nicht zu erlangen wären, durch mit spezifischen Kenntnissen und Fertigkeiten ausgestattete Dritte angewiesen ist und auf Seiten dieser Dritten ein besonderes Vertraulichkeitsinteresse anzuerkennen ist. 29 Feststellungen zum Vorliegen dieser Voraussetzungen hinsichtlich der Beauftragung der Beigeladenen zu 2 hat das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung nicht getroffen. Ebenfalls fehlen Feststellungen zu dem weiteren Tatbestandsmerkmal des § 3 Nr. 7 IFG, wonach ein anzuerkennendes Vertraulichkeitsinteresse im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbestehen muss. Dies nötigt zur Zurückverweisung der Sache. Bei der vom Berufungsgericht hiernach zu treffenden anderweitigen Entscheidung wird hinsichtlich der Frage, ob auf Seiten der Beigeladenen zu 2 ein besonderes Vertraulichkeitsinteresse anzuerkennen ist, auch danach zu unterscheiden sein, welche der übernommenen Aufgaben spezifische Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzen und auf welchen Aufgabenbereich sich von der Klägerin begehrte Unterlagen beziehen. 30 3. Mit Bezug auf Anspruchsausschlussgründe nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG (a), § 3 Nr. 4 IFG in Verbindung mit dem Bankgeheimnis (b) und § 6 Satz 1 und 2 IFG (c) steht das Berufungsurteil mit Bundesrecht in Einklang. Dies gilt auch hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten nach § 5 IFG mit der Maßgabe, dass kein Zugang zu personenbezogenen Daten nicht sachbearbeitender Büromitarbeiter gewährt wird (d). 31 a) Das Berufungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass ein Anspruchsausschluss nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG nicht gegeben ist. Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. 32 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterfällt dem Schutz der Beratung nur der eigentliche Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung als solcher. Ausgenommen sind das Beratungsergebnis und der Beratungsgegenstand. Der Begriff der Beratung erfasst die Vorgänge interner behördlicher Meinungsäußerung und Willensbildung, die sich inhaltlich auf die Entscheidungsfindung beziehen. Der Schutz gilt danach vor allem dem Beratungsprozess als solchem, also der Besprechung, Beratschlagung und Abwägung, mithin dem eigentlichen Vorgang des Überlegens. Zum demgegenüber nicht geschützten Beratungsgegenstand können insbesondere Sachinformationen oder gutachterliche Stellungnahmen im Vorfeld gehören, also die Tatsachengrundlagen und die Grundlagen der Willensbildung (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2019 - 7 C 34.17 - Buchholz 404 IFG Nr. 34 Rn. 13 m.w.N.). 33 In zeitlicher Hinsicht schließt es § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG nicht auf Dauer aus, amtliche Informationen zugänglich zu machen. Der Ausschluss greift nur, solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Mithin wird der Informationszugang grundsätzlich nur aufgeschoben. Hierbei bildet der Abschluss des Verfahrens keine unüberwindbare zeitliche Grenze. Vielmehr ist maßgeblich, ob die nachträgliche Publizität die offene Willensbildung im Beratungsprozess beeinträchtigen kann, indem sie eine einengende Vorwirkung ausübt. Dies ist im Wege einer Prognose zu ermitteln, bei der die informationspflichtige Behörde die Darlegungslast für das Vorliegen des Ausschlussgrundes trägt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2019 ebenda Rn. 20 m.w.N.). 34 Hiernach unterfallen die von der Beigeladenen zu 2 erstellten Unterlagen, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nur sachverständige Grundlagen der Beratung bzw. den Beratungsgegenstand darstellen, nicht dem Schutzbereich des § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG. Hinsichtlich der von der Klägerin ebenfalls zur Einsichtnahme begehrten Protokolle des Lenkungsausschusses ""Unternehmensfinanzierung"" stellt das Berufungsgericht fest, die Beklagte habe weder konkret angegeben, dass sie den Beratungsverlauf in Vertraulichkeit beanspruchender Weise im Sinne beratschlagender Ausführungen widerspiegeln, noch dargelegt, dass ihr Bekanntwerden lange nach der Bürgschaftsentscheidung und dem Scheitern der Sanierung zukünftig mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer ernsthaften und konkreten Gefährdung des behördlichen Beratungsprozesses führen werde. Die dieser Würdigung zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Revisionen mit keiner Verfahrensrüge angegriffen. Sie sind für den Senat bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Auf dieser Grundlage ist ein Verstoß gegen die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Maßstäbe für die Auslegung des § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG nicht ersichtlich. 35 b) Für eine Versagung des Informationszugangs nach § 3 Nr. 4 IFG zur Wahrung des Bankgeheimnisses (vgl. hierzu Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 3 Rn. 234 m.w.N.) ist nichts ersichtlich. Zum einen hat das Berufungsgericht bindend festgestellt, der Insolvenzverwalter über das Vermögen der P. GmbH habe gegen die Weitergabe der begehrten Informationen seinerseits keine Bedenken erhoben. Zudem geht es im Zuge der Inanspruchnahme der Beklagten nicht darum, einen nach dem Bankgeheimnis zur Verschwiegenheit verpflichteten Geheimnisträger um die Herausgabe einer Information anzugehen oder in eine Vertrauensbeziehung zwischen Bank und Kunde einzudringen. 36 c) Zur Frage eines Anspruchsausschlusses wegen des Schutzes geistigen Eigentums nach § 6 Satz 1 IFG stellt das Berufungsgericht fest, dass die Beklagte als eigene - gegebenenfalls urheberrechtlich geschützte - Werke der Beigeladenen zu 2 in Betracht kommende Dokumente oder Teile davon schon nicht näher bezeichnet hat. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). 37 Hinsichtlich des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 6 Satz 2 IFG hat das Berufungsgericht in tatsächlicher Hinsicht schon nicht festgestellt, dass die noch im Streit stehenden Informationen derartige Geheimnisse der Beigeladenen zu 2 enthalten. Jedenfalls könne nicht festgestellt werden, dass ihre Offenlegung Rückschlüsse darauf zuließe. Hinsichtlich des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Dritter bleibe der Vortrag der Beklagten vielmehr (zu) pauschal und ermögliche keine Zuordnung zu bestimmten Informationen. 38 Ein Verstoß des Berufungsurteils gegen Bundesrecht ist auch insoweit nicht zu erkennen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch § 6 Satz 2 IFG geschützt, wenn der Geheimnisträger ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung hat. Ein solches Interesse ist anzuerkennen, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, den Konkurrenten exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Hierfür muss die prognostische Einschätzung nachteiliger Auswirkungen im Fall des Bekanntwerdens der Informationen nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 - BVerwGE 150, 383 Rn. 28 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2020 - 10 C 22.19 - juris Rn. 13 ff. m.w.N.). Dies hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. 39 Soweit die Beklagte im Revisionsverfahren noch darauf verweist, die von ihr nach § 8 Abs. 1 IFG im Verwaltungsverfahren beteiligten etwaigen betroffenen Dritten hätten keine Angaben gemacht, die der vom Berufungsgericht verlangten Detailtiefe genügten, geht dies zu ihren Lasten, denn sie ist darlegungspflichtig. 40 Gegen einen unverändert fortbestehenden Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen spricht zudem der Zeitablauf von sieben Jahren seit der Insolvenz der P. GmbH. Der erforderliche Wettbewerbsbezug einer Information kann fehlen, wenn die Informationen abgeschlossene Vorgänge ohne Bezug zum heutigen Geschäftsbetrieb betreffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2020 - 10 C 22.19 - juris Rn. 13 m.w.N.). Insoweit wird vermutet, dass Informationen nach Ablauf von fünf Jahren nicht mehr aktuell sind und mangels fortbestehender Wettbewerbsrelevanz nicht mehr dem Berufsgeheimnisschutz unterliegen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 - Buchholz 404 IFG Nr. 32 Rn. 46 und vom 30. Oktober 2019 - 10 C 20.19 - Buchholz 404 IFG Nr. 36 Rn. 21; vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-15/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​464], Baumeister - Rn. 54). Auch insofern fehlt es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts an Darlegungen der Beklagten, die geeignet gewesen wären, die Vermutung zu widerlegen. 41 d) Mit der Maßgabe, dass ein etwaiger Informationszugangsanspruch der Klägerin den Zugang zu personenbezogenen Daten nicht sachbearbeitender Büromitarbeiter der Beklagten sowie der Beigeladenen zu 1 und 2 nicht umfasst, wird das Berufungsurteil auch den Anforderungen an den Schutz personenbezogener Daten nach § 5 IFG gerecht. 42 Zutreffend verweist das Berufungsgericht darauf, dass nach § 5 Abs. 4 IFG Name, Titel, akademischer Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung, Büroanschrift und -telekommunikationsnummer von Bearbeitern vom Informationszugang nicht ausgeschlossen sind, soweit sie Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit sind und kein Ausnahmetatbestand erfüllt ist. Die in § 5 Abs. 4 IFG aufgeführten personenbezogenen Daten, die in einem funktionalen Zusammenhang mit der Erfüllung einer konkreten Aufgabe durch einen Bearbeiter stehen, werden grundsätzlich nicht von § 5 Abs. 1 IFG geschützt, weil sie regelmäßig nur dessen amtliche Funktion betreffen (vgl. Entwurfsbegründung, BT-Drs. 15/4493 S. 14) und in diesem Rahmen ein übermäßiger Anonymisierungsaufwand vermieden werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 7 C 27.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 22 Rn. 14 ff.; vgl. auch Debus, NJW 2015, 981 <983>). 43 Bearbeiter im Sinne des § 5 Abs. 4 IFG sind aber nicht alle Bediensteten einer informationspflichtigen Stelle, sondern nur diejenigen, die mit dem Verwaltungsvorgang befasst gewesen sind, zu dem Informationszugang begehrt wird. Der Begriff der Bearbeitung bezeichnet nämlich die Erledigung einer konkreten Aufgabe (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 7 C 27.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 22 Rn. 14 f. m.w.N.). Eine Befassung in diesem Sinne ist bei einer sachbearbeitenden Tätigkeit im Rahmen eines konkreten Vorgangs zu bejahen. Ein bloß büromäßiger Umgang mit Unterlagen im Rahmen unterstützender Sekretariatstätigkeiten ohne eigene Entscheidungs- oder Gestaltungsmöglichkeiten genügt demgegenüber nicht. 44 Nicht erforderlich ist, dass ein Bearbeiter im Sinne des § 5 Abs. 4 IFG Amtsangehöriger der informationspflichtigen Behörde oder sonst Angehöriger einer nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes informationspflichtigen Stelle ist. Anknüpfungspunkt für den Informationszugang ist vielmehr, dass personenbezogene Daten von Bearbeitern als Ausdruck und Folge einer konkreten amtlichen Tätigkeit in Unterlagen enthalten sind, die bei einer nach dem Informationsfreiheitsgesetz informationspflichtigen Stelle vorliegen (vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 5 Rn. 105 m.w.N.). Eine amtliche Tätigkeit im auch nach § 5 Abs. 4 IFG maßgeblichen funktionellen Sinne (zum funktionellen Behördenbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2019 - 7 C 23.17 - Buchholz 404 IFG Nr. 31 Rn. 15 m.w.N.) übt ein Bearbeiter auch dann aus, wenn er zwar selbst kein Behördenangehöriger ist, jedoch im behördlichen Auftrag tätig wird. Ungeachtet des § 5 Abs. 4 IFG gilt zudem nach § 5 Abs. 3 IFG, dass das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs in der Regel dann überwiegt, wenn sich die Angabe auf Name, Titel, akademischen Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung, Büroanschrift und -telekommunikationsnummer beschränkt und der Dritte - nicht notwendigerweise im behördlichen Auftrag - als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise eine Stellungnahme in einem Verfahren abgegeben hat. 45 Nach allem trifft die Annahme des Berufungsgerichts zu, dass der nach § 5 IFG gebotene Schutz personenbezogener Daten gewährleistet ist, wenn auf zugänglich zu machenden Unterlagen auf eine Schwärzung von Namen, Büroanschrift und dienstlicher bzw. geschäftlicher E-Mail-Adresse von Bearbeitern der Beklagten, des Beigeladenen zu 1 und der Beigeladenen zu 2 verzichtet wird. Zu weitgehend ist es allerdings, diesen Verzicht auf deren sämtliche Mitarbeiter unter Einschluss solcher Mitarbeiter zu erstrecken, die ohne eigene Entscheidungs- bzw. Gestaltungsmöglichkeiten die Bearbeiter lediglich büromäßig unterstützen. Hinsichtlich gutachterlicher oder sachverständiger Tätigkeiten der Beigeladenen zu 2 kommt zudem die Regelung des § 5 Abs. 3 IFG zum Tragen." bverwg_2020-78,17.12.2020,"Pressemitteilung Nr. 78/2020 vom 17.12.2020 EN Nachzug zu einem subsidiär Schutzberechtigten bei Eheschließung nach Verlassen des Herkunftslandes? Einem Nachzug des Ehegatten eines subsidiär Schutzberechtigten steht der Umstand, dass die Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde, nicht entgegen, wenn der besondere Schutz von Ehe und Familie die Gestattung einer Wiederaufnahme der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet gebietet. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Kläger, eine Mutter und ihr im März 2016 geborener Sohn, begehren für die Klägerin die Erteilung eines Visums zum Zwecke des Familiennachzugs zu ihrem subsidiär schutzberechtigten Ehemann bzw. Vater, dem Beigeladenen. Dieser und die Klägerin flohen eigenen Angaben zufolge im Jahr 2012 aus Syrien nach Jordanien. Dort schlossen sie im Juli 2014 die Ehe. Im September 2015 reiste der Beigeladene in das Bundesgebiet ein. Nach Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus wurde ihm im November 2017 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Alt. 2 AufenthG erteilt. Im März 2019 erteilte die beklagte Bundesrepublik dem Kläger ein nationales Visum zum Familiennachzug. Ein entsprechender Antrag der Klägerin blieb ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die insoweit erhobene Klage abgewiesen. Auf die Sprungrevision der Kläger hat der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts das Urteil aufgehoben und das Verfahren an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Ein Anspruch des Ehegatten auf Erteilung eines Visums zum Zwecke des Familiennachzugs zum subsidiär Schutzberechtigten scheidet gemäß § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG in der Regel aus, wenn die Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde. Dies ist der Fall, wenn sie erst nach Verlassen des Herkunftslandes eingegangen wurde. Eine Ausnahme von diesem Regelausschlussgrund kann sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht allein aus Situationen ergeben, die ihren Grund unmittelbar in der allgemeinen Lage im Herkunftsland des subsidiär Schutzberechtigten haben. Der besondere Schutz von Ehe und Familie gebietet es vielmehr, das Interesse an der Wiederherstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit dem subsidiär Schutzberechtigten bereits bei der Prüfung eines Ausnahmefalles angemessen zu berücksichtigen. Dabei ist von maßgeblicher Bedeutung, ob der Familie eine Fortdauer der räumlichen Trennung zumutbar und eine Wiederaufnahme der familiären Lebensgemeinschaft in dem Aufenthaltsstaat des den Nachzug begehrenden Ehegatten möglich und zumutbar ist. Bei der Bemessung der zumutbaren Trennungsdauer ist dem Wohl eines gemeinsamen Kleinkindes besonderes Gewicht beizumessen. Dem Verwaltungsgericht war daher Gelegenheit zu geben, die insoweit erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachzuholen. Mit Blick auf die in § 36a Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorgesehene Beschränkung der Erteilung von monatlich höchstens 1 000 Visa kann es zudem geboten sein, die Beklagte zugleich für den Fall einer Nichtberücksichtigung bei der Auswahlentscheidung nach § 36a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zur Erteilung eines Visums zum Zwecke einer Aufnahme aus dem Ausland nach Maßgabe des § 22 Satz 1 AufenthG zu verpflichten, sofern der Schutz von Ehe und Familie verfassungsrechtlich ein solches Gewicht erreicht, dass der Nachzug im konkreten Einzelfall ausnahmsweise geboten ist. Demgegenüber steht der Erteilung eines Visums zum Zwecke des Nachzugs zu dem subsidiär Schutzberechtigten nach Maßgabe des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG entgegen, dass der Ehegatte nicht sonstiger Familienangehöriger im Sinne der Norm ist. BVerwG 1 C 30.19 - Urteil vom 17. Dezember 2020 Vorinstanz: VG Berlin, 38 K 43.19 V - Urteil vom 28. Juni 2019 -","Urteil vom 17.12.2020 - BVerwG 1 C 30.19ECLI:DE:BVerwG:2020:171220U1C30.19.0 EN Ausnahme von dem Regelausschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG Leitsätze: 1. Eine Ehe ist nicht im Sinne des Regelausschlussgrundes des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ""vor der Flucht"" geschlossen, wenn sie erst nach Verlassen des Herkunftslandes eingegangen wurde. 2. Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG vermittelt subsidiär Schutzberechtigten und ihren Familienangehörigen keinen unbedingten, unmittelbaren grundrechtlichen Anspruch auf eine sofortige Familienzusammenführung im Bundesgebiet. Ob eine Ehe vor oder nach dem Verlassen des Herkunftslandes geschlossen worden ist, ist dem Grunde nach ein taugliches Differenzierungskriterium für die Ausgestaltung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten. Die Regelungen für den Familiennachzug müssen das grundrechtlich geschützte Interesse der Angehörigen der Kernfamilie des subsidiär Schutzberechtigten an der (Wieder-)Herstellung ihrer familiären Lebensgemeinschaft in einen angemessenen Ausgleich zu entgegenstehenden öffentlichen Interessen bringen. Differenzierungen in Bezug auf die Voraussetzungen für den Familiennachzug zu Flüchtlingen und zu solchen subsidiär Schutzberechtigten, deren Ehe noch vor der Flucht geschlossen worden ist, müssen auch nach Art und Gewicht gerechtfertigt sein (Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG). 3. Eine Ausnahme von dem Regelausschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG kann nicht nur aus Umständen hergeleitet werden, die ihren Grund unmittelbar in der allgemeinen Lage im Herkunftsland des subsidiär Schutzberechtigten haben. Ein Ausnahmefall liegt im Vorfeld eines unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG folgenden Familiennachzugsanspruchs auch dann vor, wenn die für den Ausschluss von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36a Abs. 1 Satz 1 oder 2 AufenthG herangezogenen Gründe einen Ausschluss nach Art oder Reichweite nicht (mehr) rechtfertigen. 4. Die Bundesrepublik Deutschland kann für den Fall der Nichtberücksichtigung von Angehörigen der Kernfamilie eines subsidiär Schutzberechtigten bei der Auswahlentscheidung nach § 36a Abs. 2 Satz 1 AufenthG verpflichtet sein, diesen ein Visum zum Zweck ihrer Aufnahme aus dem Ausland nach Maßgabe des § 36a Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 22 Satz 1 Alt. 2 AufenthG zu erteilen, wenn besondere Umstände des Einzelfalles eine Fortdauer der räumlichen Trennung mit Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG nicht länger vereinbar erscheinen lassen (Fortführung von BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2019 - 1 B 26.19 - Buchholz 402.242 § 36 AufenthG Nr. 6 Rn. 13). 5. Ehegatten sind keine ""sonstigen Familienangehörigen"" im Sinne des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, da der Ehegattennachzug in speziellen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes abschließend geregelt ist. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 EMRK Art. 8 Abs. 1, Art. 14 RL 2003/86/EG Art. 3 Abs. 2 Buchst. c, Art. 4 Abs. 1 Buchst. a AufenthG § 6 Abs. 3 Satz 1, § 22 Satz 1 Alt. 2, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c bis g, § 36 Abs. 2 Satz 1, § 36a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Satz 3 und 4, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 2, Abs. 3 Nr. 1 Instanzenzug VG Berlin - 28.06.2019 - AZ: VG 38 K 43.19 V Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 17.12.2020 - 1 C 30.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:171220U1C30.19.0] Urteil BVerwG 1 C 30.19 VG Berlin - 28.06.2019 - AZ: VG 38 K 43.19 V In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Juni 2019 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Kläger begehren die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin ein Visum zum Zwecke des Familiennachzugs zu dem Beigeladenen zu 2 zu erteilen. 2 Die Klägerin ist die Ehefrau, der im März 2016 in Jordanien geborene Kläger der Sohn des Beigeladenen zu 2. Die Vorgenannten sind syrische Staatsangehörige. Die Klägerin und der Beigeladene zu 2 verließen die Syrische Arabische Republik nach eigenen Angaben im Jahr 2012. In der Folge nahmen sie ihren Aufenthalt im Haschemitischen Königreich Jordanien. Dort gingen sie ihrem Bekunden zufolge im November 2012 die Ehe nach religiösem Ritus ein. Die förmliche Eheschließung vor einem Scharia-Gericht erfolgte im Juli 2014. 3 Der Beigeladene zu 2 reiste im September 2015 in das Bundesgebiet ein. Auf seinen im November 2015 gestellten Asylantrag erkannte ihm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) im November 2016 den subsidiären Schutzstatus zu. Seine gegen die Ablehnung seines Asylantrags im Übrigen erhobene Klage ist bei dem Verwaltungsgericht B. anhängig. Die Ausländerbehörde des Beigeladenen zu 1 erteilte ihm im November 2017 eine bis zum Mai 2021 befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG. 4 Bereits im April 2016 beantragten die Kläger die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug zu dem Beigeladenen zu 2. Im März 2019 erteilte die Beklagte dem Kläger ein Visum zum Nachzug zu seinem Vater. Demgegenüber lehnte sie die Erteilung des von der Klägerin begehrten Visums zum Ehegattennachzug mit der Begründung ab, die Ehe sei nicht bereits vor der Flucht geschlossen worden. 5 Das Verwaltungsgericht hat die insoweit erhobene Klage abgewiesen. Ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Visums nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 36a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AufenthG sei gemäß § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen, weil sie und der Beigeladene zu 2 ihre Ehe nicht bereits vor der Flucht, sondern erst nach Verlassen des Herkunftslandes geschlossen hätten. Die Anwendung des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG stehe in Widerspruch weder zu Unionsrecht noch zu Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Ausnahme von dem Regelausschlussgrund liege nicht vor, da eine solche nur in Bezug auf Situationen anzunehmen sei, die ihren Grund unmittelbar in der allgemeinen Lage im Herkunftsland des subsidiär Schutzberechtigten hätten. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, da diese Vorschrift auf den in den §§ 28, 30 und 36a AufenthG abschließend geregelten Nachzug zum subsidiär schutzberechtigten Ehegatten nicht anwendbar sei. Jedenfalls sei die Klägerin als Ehefrau des Beigeladenen zu 2 keine sonstige Familienangehörige im Sinne der Norm. Im Übrigen fehle es an einer außergewöhnlichen Härte. Aus den vorstehenden Erwägungen habe auch der Kläger keinen Anspruch darauf, dass der Klägerin nach den vorstehenden Normen ein Visum zum Familiennachzug erteilt werde. 6 Die Kläger, die im Oktober 2019 bei der Beklagten die Erteilung eines Visums nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 22 AufenthG beantragt haben, machen zur Begründung ihrer Sprungrevision unter anderem geltend, die Erteilung eines Visums nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 36a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AufenthG sei nicht nach § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen. Der Begriff der Flucht sei weit auszulegen. Jedenfalls sei eine Ausnahme von dem Regelausschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG anzunehmen. Ein Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens über die Erteilung eines Visums stehe der Klägerin auch nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu. Dessen Anwendbarkeit sei hier nicht durch § 36a AufenthG ausgeschlossen. Die Klägerin sei insbesondere sonstige Familienangehörige im Sinne der Norm. 7 Die Beklagte verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts. Insbesondere sei die Erteilung eines Visums gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 36a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AufenthG durch § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen. Bei der Prüfung einer Ausnahme von der Regelversagung seien zwar auch grund- und menschenrechtliche Belange im Sinne des Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zu berücksichtigen; von einem atypischen Ausnahmefall sei indes in Bezug auf die Kläger nicht auszugehen. 8 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht an dem Verfahren. II 9 Die (Sprung-)Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat einen Ausschluss des Anspruchs der Klägerin gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 36a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AufenthG mit einer Begründung angenommen, die mit § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG nicht vereinbar ist. Eine Ausnahme von diesem Regelausschlussgrund kann sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht nur aus Situationen ergeben, die ihren Grund unmittelbar in der allgemeinen Lage im Herkunftsland des subsidiär Schutzberechtigten haben. Der besondere Schutz von Ehe und Familie gebietet es vielmehr, bei der Prüfung eines Ausnahmefalles auch das Interesse an der Wiederherstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit dem subsidiär Schutzberechtigten angemessen zu berücksichtigen (1.). In Ermangelung tatrichterlicher Feststellungen insbesondere zu der objektiven Möglichkeit und der subjektiven Zumutbarkeit einer (Wieder-)Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft in Jordanien, aber auch zu den besonderen und allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 36a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AufenthG ist dem Senat eine abschließende Entscheidung in der Sache (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO) nicht möglich; die Sache ist daher an das Verwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (1.3). Dieses wird auch darüber zu befinden haben, ob eine Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung eines Visums nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 22 Satz 1 AufenthG geboten ist (2.). Die Erteilung eines Visums nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG auf der Grundlage des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG scheidet hingegen aus (3.). 10 Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 1 C 31.14 - BVerwGE 153, 353 Rn. 9). Rechtsänderungen, die nach der angefochtenen Entscheidung eintreten, sind vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, falls sie das Gericht der Vorinstanz, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 27.14 - NVwZ 2016, 71 Rn. 10). Abweichendes gilt nur, wenn und soweit aus Gründen des materiellen Rechts ausnahmsweise auf einen anderen Zeitpunkt abzustellen ist, etwa bei einer hier nicht erfolgten Beantragung einer rückwirkenden Verpflichtung oder Neubescheidung. Danach ist über das Begehren der Kläger auf der Grundlage des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 7 des am 12. Dezember 2020 in Kraft getretenen Gesetzes vom 3. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2744), zu entscheiden. 11 Gegenstand des Verfahrens ist ausgehend von dem in der Revisionsverhandlung bekräftigten Klageantrag das Begehren, der Klägerin nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ein nationales Visum zum Zwecke des Familiennachzugs zu dem Beigeladenen zu 2 zu erteilen. Die Erteilung richtet sich nach § 6 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nach den für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Vorschriften, hier somit nach § 36a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 36a Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 22 Satz 1 und § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. 12 1. Gemäß § 36a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann dem Ehegatten oder dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG besitzt, aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Nach § 36a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG liegen humanitäre Gründe im Sinne dieser Vorschrift insbesondere vor, wenn die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft seit langer Zeit nicht möglich ist oder ein minderjähriges lediges Kind betroffen ist. Gemäß § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AufenthG in der Regel ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde. Im Einklang mit § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG geht das Verwaltungsgericht davon aus, der Ausschlussgrund sei in der Regel erfüllt, wenn die Ehe erst nach Verlassen des Herkunftslandes geschlossen wurde (1.1). Bundesrecht verletzt indes seine Rechtsauffassung, eine Ausnahme von der Regel könne nur in solchen Situationen vorliegen, die ihren Grund unmittelbar in der allgemeinen Lage im Herkunftsland des subsidiär Schutzberechtigten hätten (1.2). 13 1.1 Ohne Verstoß gegen § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass eine Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde, wenn sie erst nach Verlassen des Herkunftslandes eingegangen wurde (a). Dieses Normverständnis steht mit höherrangigem Recht im Einklang (b). 14 a) Auf ein entsprechendes Verständnis des Regelausschlussgrundes weisen vor allem der Wortlaut (aa) und die Entstehungsgeschichte (bb) des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG. 15 aa) In grammatischer Hinsicht knüpft der Begriff ""Flucht"" an das Verb ""flüchten"" an, dessen Bedeutung mit ""plötzlich und sehr eilig fliehen"", ""sich einer drohenden Gefahr durch Flucht zu entziehen versuchen"" oder ""sich durch Flucht irgendwohin in Sicherheit bringen"" umschrieben wird. Er beschreibt keinen Zeitpunkt, sondern einen Zeitabschnitt. Die Flucht beginnt an dem Ort, an dem die Gefahr droht, und endet an einem Ort, an dem die fluchtauslösende Gefahr nicht mehr droht. Die Präposition ""vor"" bezeichnet in ihrer temporalen Bedeutung einen Zeitpunkt, der einem anderen Zeitpunkt oder einem Vorgang vorausgeht. Sie ist insoweit von den Präpositionen ""während"" oder ""nach"" abzugrenzen. Daran gemessen wurde eine Ehe im Sinne des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG vor der Flucht geschlossen, wenn sie vor dem Zeitpunkt des Aufbruchs von dem Ort geschlossen wurde, an dem die die Flucht veranlassende Gefahr drohte. Der Ort, an dem die Gefahr drohte, ist bei landesweiten Gefahren in aller Regel das Herkunftsland der Flüchtenden. 16 bb) Dieses Verständnis wird durch die historische Genese des Familiennachzugsneuregelungsgesetzes gestützt. 17 Für die Annahme, das Merkmal ""vor der Flucht"" schließe solche Ehen von dem Familiennachzug regelmäßig aus, die erst nach Verlassen des Herkunftslandes geschlossen wurden, spricht die Begründung des Entwurfs des Familiennachzugsneuregelungsgesetzes. Bereits im Abschnitt ""Lösung"" wird ausgeführt, dass Ehen, die erst nach der Flucht aus dem Herkunftsland geschlossen wurden, in der Regel nicht zum Familiennachzug berechtigten (BT-Drs. 19/2438 S. 3); Hintergrund war dabei, zur Schonung der beschränkten Kapazität der Aufnahme- und Integrationssysteme die Zahl der potentiell Anspruchsberechtigten zu begrenzen und der - mitunter auch missbräuchlichen - Schaffung von Nachzugstatbeständen vorzubeugen. Im Rahmen der Begründung zu § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG heißt es hierzu: ""Ehen, die nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurden, berechtigen nicht zum Ehegattennachzug zum subsidiär Schutzberechtigten. Anderes gilt für nach dem Verlassen des Herkunftslandes geborene Kinder"" (BT-Drs. 19/2438 S. 24). Die Begriffe ""Flucht"" und ""Verlassen des Herkunftslandes"" werden hier ersichtlich gleichbedeutend verwendet. Auch dies legt den Schluss nahe, dass nach dem Willen der Bundesregierung diejenigen Ehen von einem Nachzug ausgenommen werden sollten, die nicht bereits vor Verlassen des Herkunftslandes geschlossen wurden. In diesem Sinne berichtete der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat in der 968. Sitzung des Bundesrats am 8. Juni 2018, die Bundesregierung habe sich darauf verständigt, ""dass nur die Ehegatten berücksichtigt werden können, deren Ehe vor Beginn der Flucht geschlossen wurde"" (BR, StenBer 968. Sitzung S. 163). 18 Dass sich der Gesetzgeber diese Konzeption zu eigen gemacht hat, wird durch weitere Äußerungen im parlamentarischen Verfahren bestätigt. So bekundete etwa Marcus Weinberg MdB (CDU/CSU-Fraktion) in der zweiten Beratung des Gesetzes im Deutschen Bundestag, ""der Anspruch besteh[e] zum Beispiel nicht in dem Fall, in dem die Ehe erst während der Flucht geschlossen wurde"" (BT, 19. WP, 40. Sitzung vom 15. Juni 2018, StenBer S. 3959 B). 19 cc) Die teleologische Auslegung steht dem sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte ergebenden Inhalt des Regelausschlussgrundes jedenfalls nicht entgegen. Um der beschränkten Kapazität der Aufnahme- und Integrationssysteme von Staat und Gesellschaft und deren anhaltender Belastung durch eine große Anzahl in der Bundesrepublik Deutschland Schutzsuchender Rechnung zu tragen (BT-Drs. 19/2438 S. 1 bis 3), schließt § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG solche Ehen vom Ehegattennachzug in der Regel aus, die der Gesetzgeber im Hinblick auf einen Nachzug als weniger schutzwürdig ansieht, etwa weil noch keine eheliche Lebensgemeinschaft geführt worden ist, die fluchtbedingt unterbrochen wurde, oder die Ehe in Kenntnis der Trennung und der Tatsache geschlossen wurde, dass die Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft von der nicht selbstverständlichen Gewährung des Familiennachzugs abhängt. Diese typisierende Annahme trifft zwar bei in Transitstaaten geschlossenen Ehen und daraus hervorgegangenen Kindern nicht ohne Weiteres und uneingeschränkt zu. Die Besonderheiten dieser Fallgruppe, die auch auf Unionsebene bei der Reform verschiedener Rechtsakte nunmehr Berücksichtigung finden sollen (vgl. etwa Art. 2 Nr. 9 des Vorschlags der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes sowie zur Änderung der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen vom 13. Juli 2016 (COM(2016) 466 final)), können indes keine dem Wortlaut und dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufende Auslegung des Regelausschlussgrundes begründen. Vielmehr ist diesen Besonderheiten dadurch Rechnung zu tragen, dass sie mit Gewicht in die Prüfung einzustellen sind, ob ein Ausnahmefall vorliegt, der das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigt. 20 b) Diese Differenzierung zwischen Ehen, die vor, und solchen, die nach dem Verlassen des Herkunftslandes geschlossen wurden, knüpft mit der Unterscheidung nach dem Zeitpunkt der Eheschließung dem Grunde nach an ein taugliches Differenzierungskriterium für die Ausgestaltung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten an; insoweit steht die Norm mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG (aa) und Art. 3 Abs. 1 GG (bb) sowie mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rückwirkungsverbot jedenfalls unter Berücksichtigung der von dem Regelausschlussgrund belassenen Möglichkeit einer Ausnahme (cc) im Einklang. Die vorstehenden Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze sind völkerrechtsfreundlich auszulegen. Hierbei sind auch die Europäische Menschenrechtskonvention und sonstige völkerrechtliche Vertragswerke wie der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 (BGBl. 1973 II S. 1533) (IPbpR) und das von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 20. November 1989 verabschiedete Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention - KRK) (BGBl. 1992 II S. 121, 990) heranzuziehen (BVerfG, Urteil vom 12. Juni 2018 - 2 BvR 1738/12, 1395/13, 1068/14 und 646/15 - BVerfGE 148, 296 Rn. 126 ff.; Kammerbeschluss vom 22. Januar 2018 - 1 BvR 2616/17 - FamRZ 2018, 593 Rn. 7; Beschluss vom 29. Januar 2019 - 2 BvC 62/14 - BVerfGE 151, 1 Rn. 61 f.). Diese Pakte und die Kinderrechtskonvention gewähren keine selbständigen, hier über die grundrechtlich geschützten Positionen hinausgehenden Nachzugsansprüche. 21 aa) § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG in der vorstehenden Auslegung begegnet im Lichte des Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG und des Art. 8 EMRK keinen durchgreifenden Bedenken, zumal dem Grundrechtsschutz von Ehe und Familie erforderlichenfalls durch die Annahme eines Ausnahmefalles Rechnung getragen werden kann (dazu s. unten unter 1.2). 22 Gemäß Art. 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Weder Art. 6 Abs. 1 GG noch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG begründen indes einen unbedingten, unmittelbaren grundrechtlichen Anspruch ausländischer Ehegatten oder Familienangehöriger auf Nachzug zu ihren berechtigt in der Bundesrepublik Deutschland lebenden ausländischen Ehegatten oder Familienangehörigen (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84, 313/84 - BVerfGE 76, 1 ). Das Grundgesetz überantwortet es vielmehr weitgehend der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt festzulegen, in welcher Anzahl und unter welchen Voraussetzungen Ausländern der Zugang zum Bundesgebiet ermöglicht wird (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84, 313/84 - BVerfGE 76, 1 <47>). Allerdings begründet Art. 6 GG in seiner Funktion als ""wertentscheidende Grundsatznorm"" die Pflicht des Staates, Ehe und Familie zu schützen. Dieser Pflicht entspricht ein Anspruch des Trägers der Grundrechte aus Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden ehelichen und familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen in einer Weise berücksichtigen, die der großen Bedeutung entspricht, welche das Grundgesetz dem Schutz von Ehe und Familie beimisst (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84, 313/84 - BVerfGE 76, 1 ). Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinen im Bundesgebiet lebenden nahen Angehörigen ständigen Aufenthalt zu nehmen (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84, 313/84 - BVerfGE 76, 1 <50>). Der personale Bezug, den Ehe und Familie als betroffene Grundrechtsgüter aufweisen, sowie der hohe Rang, der ihnen im Gefüge des Grundgesetzes zukommt, treffen auf einen dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Ausländerrechts zukommenden weiten Gestaltungsspielraum und Einschätzungsvorrang der politischen Organe hinsichtlich künftiger Verhältnisse und Entwicklungen. Diese widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen sind von dem Gesetzgeber mit dem Ziel eines schonenden Ausgleichs gegeneinander abzuwägen. Die betreffenden einfachrechtlichen Normen müssen insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Demgemäß muss die Vorenthaltung des Familiennachzugs zur Erreichung des hiermit verfolgten legitimen Zwecks geeignet und erforderlich sein und in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen stehen (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84, 313/84 - BVerfGE 76, 1 <50 ff.>). 23 Die dem Familiennachzugsneuregelungsgesetz zugrunde liegende Annahme des Gesetzgebers, zur Verhinderung einer Überforderung der Aufnahme- und Integrationssysteme von Staat und Gesellschaft (BT-Drs. 18/7538 S. 1 und BT-Drs. 19/2438 S. 1) bedürfe es einer Begrenzung des Ehegattennachzugs, ist ein im Ansatz legitimer Grund und grundsätzlich vertretbar. Sie stellt sich als Einschätzung künftigen Geschehens dar, die dem weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zuzurechnen ist. Der Regelausschluss des Nachzugs derjenigen Ehegatten, deren Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde, ist geeignet, dieses legitime Ziel zu erreichen, auch wenn er hier lediglich der eigentlichen numerischen Beschränkung auf monatlich 1 000 Visa (§ 36a Abs. 2 Satz 2 AufenthG) vorgelagert ist und lediglich den Kreis derjenigen verkleinert, unter denen bei Vorliegen humanitärer Gründe gegebenenfalls eine Auswahlentscheidung zu treffen ist. Es kann bei einer dem Gesetzgeber zuzubilligenden typisierenden Betrachtung, welchen ""Nachfluchtehen"" er auch wegen anzunehmender Zusammenführungsalternativen eine geringere Schutzwürdigkeit zumisst, auch nicht festgestellt werden, dass für die Vorauswahl andere Mittel zur Verfügung gestanden hätten oder verfügbar geworden wären, welches es erlaubten, das Ziel der Regelung ohne beachtliche Nachteile für die Aufnahme- und Integrationskapazität in einer Ehe und Familie der Betroffenen weniger belastenden Art und Weise zu erreichen. Das Kriterium der Eheschließung nach Beginn der Flucht stellt sich dem Grunde nach angesichts der Rückausnahme in Ausnahmefällen zudem nicht als unangemessen dar. Insbesondere ist die Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Eheschließung nicht auf einen absoluten Ausschluss eines Ehegattennachzugs gerichtet (vgl. insoweit BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84, 313/84 - BVerfGE 76, 1 <65 f.>). Wenngleich auch der Regelausschluss vielfach eine schwere Belastung gerade für junge Ehen darstellt, handelt es sich bei den stammberechtigten Ehegatten um Ausländer, deren Bleiberecht nach der typisierenden und generalisierenden Betrachtung des Gesetzgebers eher auf einen vorübergehenden, auf die Dauer des Erfordernisses der Gewährung subsidiären Schutzes begrenzten Zeitraum angelegt ist und deren Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse nicht bereits ein Ausmaß erlangt hat, das demjenigen der Eingliederung von langjährig und auf unbestimmte Zeit im Bundesgebiet aufhältigen Ausländern entspricht. Die hohe Anzahl der in den zurückliegenden Jahren im Bundesgebiet Schutzsuchenden und die ebenfalls hohe Zuerkennungsquote durften dem Gesetzgeber Veranlassung geben, den Nachzug von Angehörigen der Kernfamilie zu subsidiär Schutzberechtigten so zu bemessen, dass deren Integration gelingen kann und die Aufnahmesysteme der staatlichen Institutionen deren Aufnahme und Integration bewältigen können, und in der Konsequenz auch bestimmten Familienangehörigen den Nachzug zu verwehren. Der Gesetzgeber war mit Blick auf den bei generalisierender Betrachtung nur für einen vorübergehenden Zeitraum gewährten subsidiären Schutz insbesondere nicht gehindert, für den Regelfall typisierend anzunehmen, dass es Ehegatten, deren Ehe erst nach Verlassen des Herkunftslandes geschlossen wurde, die mithin bei Antritt der Flucht nicht davon ausgehen konnten, ein von dem späteren Ehegatten abgeleitetes Aufenthaltsrecht zu erlangen, und deren räumliche Trennung auf der mehr oder weniger freiwilligen Entscheidung eines der Ehegatten beruht, den Transitstaat zu verlassen, deutlich eher zuzumuten ist, die eheliche Lebensgemeinschaft im Ausland fortzuführen, als Ehegatten, deren eheliche Lebensgemeinschaft bereits im Herkunftsland geführt und denen die Fortführung dieser Gemeinschaft fluchtbedingt unmöglich wurde. Die Möglichkeit der Annahme einer Ausnahme von dem Regelausschlussgrund und die in § 36a Abs. 1 Satz 4 AufenthG vorbehaltene Anwendung der §§ 22 und 23 AufenthG stellen jedenfalls bei einer grundrechtskonformen Auslegung sicher, dass von der Typisierungsbefugnis oder der Einschätzungsprärogative nicht mehr gedeckten und in diesem Sinne atypischen Umständen des Einzelfalles, aber auch den grundrechtlichen Anforderungen aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK angemessen Rechnung getragen werden kann. 24 bb) Die in § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG angelegte Ungleichbehandlung von vor und nach dem Verlassen des Herkunftslandes geschlossenen Ehen steht bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung nur auf Regelfälle auch im Einklang mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. 25 Dieser gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2019 - 1 B 29.19 - Buchholz 130 § 10 StAG Nr. 12 Rn. 10 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240 <252 f.> m.w.N.). 26 (1) Die Unterscheidung nach dem Zeitpunkt der Eheschließung ist im Grundsatz sachlich gerechtfertigt. Sie beruht auf der typisierenden Annahme des Gesetzgebers, dass bereits vor der Flucht geschlossene Ehen im Hinblick auf einen Familiennachzug regelmäßig schutzwürdiger sind als Ehen, die erst nach der Flucht - häufig vom Zufluchtsland aus und in Kenntnis der zunächst bestehenden Trennung - geschlossen worden sind. Das Differenzierungskriterium ist dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen. Es erweist sich für Regelfälle geringerer Schutzwürdigkeit der familiären Bindungen als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht und ist geeignet dazu beizutragen, einer Überforderung der Aufnahme- und Integrationssysteme von Staat und Gesellschaft durch den Nachzug einer Mehrzahl von Familienangehörigen der in den zurückliegenden Jahren aufgenommenen Schutzberechtigten vorzubeugen. Dass dieses Ziel in den Regelfällen durch andere Maßnahmen in einer Ehe und Familie der Betroffenen weniger belastenden Art und Weise zu erreichen gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Das Differenzierungskriterium steht auch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen. Das Instrument des Regelausschlusses erlaubt es, im konkreten Einzelfall relevanten Umständen, die das generelle Überwiegen der öffentlichen Belange gegenüber dem privaten Nachzugsinteresse der von dem Regelausschluss erfassten Personengruppe beseitigen, angemessen zu begegnen. Das gilt namentlich in Fällen, in denen die typisierende Annahme geringerer Schutzwürdigkeit nicht (vollständig) greift, etwa weil die eheliche Lebensgemeinschaft in einem Transitland bereits über einen längeren Zeitraum gelebt worden ist und/oder das Paar gemeinsame Kinder hat. 27 (2) Der Umstand, dass Ehegatten anerkannter Flüchtlinge, deren Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde, keinem § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG entsprechenden Regelausschlussgrund unterliegen, musste dem Gesetzgeber nicht Veranlassung geben, von dieser Norm insgesamt Abstand zu nehmen. Dies folgt bereits daraus, dass der Ehegattennachzug zu anerkannten Flüchtlingen den Regelungen der Richtlinie 2003/86/EG unterliegt, der nationale Gesetzgeber mithin an deren Vorgaben gebunden ist, während diese Richtlinie ihrem Art. 3 Abs. 2 Buchst. c zufolge auf den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten keine Anwendung findet. Zudem ist der Aufenthalt im Aufnahmestaat beim subsidiären Schutz - im Unterschied zum Flüchtlingsschutz - eher temporärer Natur (vgl. Europäische Kommission, Mitteilung vom 6. April 2016 (COM(2016) 197 final S. 12)) und unterliegt eine dauerhafte Integration in die Gesellschaft des Aufenthaltsstaates mithin strengeren Voraussetzungen. Der nationale Gesetzgeber war daher nicht dem Grunde nach gehindert, beim Familiennachzug zwischen dem Flüchtlings- und dem subsidiären Schutzstatus in angemessener Weise zu differenzieren. 28 (3) Der Umstand, dass der Familiennachzug zu Ausländern, hinsichtlich derer die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festgestellt wurden, keinem § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG entsprechenden Regelausschluss unterliegt, weist nicht auf eine gleichheitswidrige Benachteiligung der Ehegatten subsidiär Schutzberechtigter. § 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG knüpft den im Ermessen stehenden Ehegattennachzug daran, dass der Nachzugswillige selbst die Voraussetzungen für die Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen bzw. aus politischen Interessen der Bundesrepublik erfüllt, wobei ein dringender humanitärer Grund auch anzunehmen sein kann, wenn sich die Familieneinheit auf absehbare Zeit nur im Bundesgebiet herstellen lässt (BT-Drs. 15/420 S. 81). § 36a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AufenthG knüpft zwar ebenfalls an das Vorliegen humanitärer Gründe an; § 36a Abs. 2 Satz 2 AufenthG unterwirft den Ehegattennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten jedoch zusätzlich einer zahlenmäßigen Beschränkung und einer hiermit einhergehenden Auswahlentscheidung. Die rechtliche Ausgestaltung der betreffenden Nachzugsregelungen ist - etwa in Bezug auf das Wohnraumerfordernis (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) - so verschieden, dass es schon an der direkten Vergleichbarkeit beider Konstellationen fehlt. Der zur Typisierung grundsätzlich befugte Gesetzgeber war nicht gehalten, für beide Fallgruppen gleiche Nachzugsregelungen zu schaffen. Systematisch bedenklichen Schlechterstellungen nach § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG vom Familiennachzug Ausgeschlossener (z.B. in Fällen, in denen die Familieneinheit auf absehbare Zeit nur im Bundesgebiet hergestellt werden kann) ist bei der Prüfung eines Ausnahmefalles Rechnung zu tragen. 29 (4) Keinen durchgreifenden Bedenken im Lichte von Art. 3 Abs. 1 GG begegnet schließlich die Schlechterstellung von Ehegatten subsidiär Schutzberechtigter, deren Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde, gegenüber Ehegatten von Ausländern, deren Nachzug sich nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c bis g AufenthG beurteilt. Die Besserstellung der letztgenannten Gruppe gründet zum einen in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/86/EG, dem zufolge die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in Kapitel IV sowie in Art. 16 RL 2003/86/EG genannten Bedingungen gemäß dieser Richtlinie dem Ehegatten des Zusammenführenden die Einreise und den Aufenthalt gestatten, während die Richtlinie 2003/86/EG - wie dargelegt - ihrem Art. 3 Abs. 2 Buchst. c zufolge keine Anwendung findet, wenn dem Zusammenführenden der Aufenthalt in einem Mitgliedstaat aufgrund des ihm zuerkannten subsidiären Schutzstatus im Sinne des Art. 2 Buchst. f RL 2011/95/EU genehmigt wurde; insoweit wird an eine unionsrechtlich zumindest als möglich vorausgesetzte und sachlich gerechtfertigte Unterscheidung angeknüpft. Zum anderen ist dem nationalen Gesetzgeber ein gewisser Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage einzuräumen, ob und in welchem Umfang Unterschiede zwischen Sachverhalten, die im Übrigen ähnlich sind, eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 2006 - 6 B 9.06 - Buchholz 448.0 § 1 WPflG Nr. 26 Rn. 12). Der Umfang dieses Spielraums hängt von den Umständen, dem Gegenstand und dem Hintergrund der betreffenden Behandlung ab (EGMR, Urteil vom 6. November 2012 - Nr. 22341/09, Hode und Abdi/Vereinigtes Königreich - Rn. 45). Ebenso wie es ein legitimes Ziel für eine Differenzierung darstellen kann, Anreize für den Zuzug bestimmter Gruppen von Ausländern zu schaffen, kann es gerechtfertigt sein, anderen Gruppen von Ausländern den Nachzug zu erschweren. Der Gesetzgeber war nicht gehalten, den Ehegattennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten unter denselben Voraussetzungen zu gewähren wie den Ehegattennachzug zu Ausländern, an deren Aufenthalt im Bundesgebiet auch ein öffentliches Interesse besteht. Dem widerstreitet nicht, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hinsichtlich einer im britischen Recht vorgesehenen Beschränkung des Ehegattennachzugs zu Flüchtlingen auf vor der Flucht geschlossene Ehen auf eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gegenüber Ehegatten von Studenten und Arbeitnehmern und damit auf eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 EMRK erkannte (EGMR, Urteil vom 6. November 2012 - Nr. 22341/09, Hode und Abdi/Vereinigtes Königreich - Rn. 55 f.). Zum einen betraf das betreffende Urteil nicht den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten; zum anderen hatte der Gerichtshof keine Veranlassung, in die von ihm vorgenommene Abwägung auch das maßgebliche Interesse (hier des deutschen Gesetzgebers) einzustellen, einer Überforderung der Aufnahme- und Integrationssysteme von Staat und Gesellschaft durch den Nachzug einer Vielzahl von Familienangehörigen der in den zurückliegenden Jahren aufgenommenen Schutzberechtigten vorzubeugen. 30 cc) Dass der Regelausschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG an die Schließung einer Ehe nach dem Verlassen des Herkunftslandes anknüpft, stellt auch keine mit Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbare echte Rückwirkung, sondern eine zulässige unechte Rückwirkung dar. 31 Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet, etwa, wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden (""tatbestandliche Rückanknüpfung""). Normen mit unechter Rückwirkung sind verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Allerdings können sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen ihrer Zulässigkeit ergeben. Diese Grenzen sind indes erst überschritten, wenn die von dem Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder nicht erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020 - 1 BvR 1679/17, 2190/17 - juris Rn. 127 ff.). Für die Gewichtung der Gründe des Gesetzgebers bleibt von Bedeutung, dass Normen mit unechter Rückwirkung grundsätzlich zulässig sind, gerade weil der Gesetzgeber einen weiten Spielraum benötigt, um in demokratischer Verantwortung seinen Gemeinwohlverpflichtungen gerecht werden zu können (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020 - 1 BvR 1679/17, 2190/17 - juris Rn. 131 f.). 32 Daran gemessen durfte der Gesetzgeber das gesetzliche Ziel, einer Überforderung der Aufnahme- und Integrationssysteme von Staat und Gesellschaft durch den Nachzug einer Mehrzahl von Familienangehörigen der in den zurückliegenden Jahren aufgenommenen Schutzberechtigten vorzubeugen, höher gewichten als deren etwaiges Vertrauen auf die Ermöglichung eines Nachzugs auch in Fällen einer Eheschließung nach Verlassen des Herkunftslandes. Jedenfalls bei verfassungskonformer Auslegung stellt § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG sicher, dass einem schutzwürdigen Interesse der Betroffenen an einem Unterbleiben der tatbestandlichen Rückanknüpfung angemessen über die Annahme einer Ausnahme von dem Regelausschlussgrund, in besonderen Härtefällen auch durch eine Aufnahme aus dem Ausland nach § 36a Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 22 Satz 1 AufenthG Rechnung getragen werden kann. 33 1.2 Der besondere Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG und Art. 8 EMRK gebietet es, das Interesse der Angehörigen der Kernfamilie des subsidiär Schutzberechtigten an der (Wieder-)Herstellung ihrer familiären Lebensgemeinschaft bereits bei der Prüfung einer Ausnahme von dem Regelausschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG und auch schon im Vorfeld unmittelbar aus der Verfassung ableitbarer Nachzugsansprüche zu berücksichtigen. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, eine Ausnahme von dem Regelausschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG könne nur in solchen Situationen vorliegen, die ihren Grund unmittelbar in der allgemeinen Lage im Herkunftsland des subsidiär Schutzberechtigten hätten, verletzt Bundesrecht. 34 Liegen besondere Umstände vor, die eine Gestattung des Ehegattennachzugs gebieten, so sind diese auch dann in die vorzunehmende Auslegung des Regelfalles nach § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG und dessen verfassungsrechtlich gebotene Einschränkung in Fällen, in denen die für einen Ausschluss vom Familiennachzug sprechenden Gründe nicht von hinreichendem Gewicht sind, einzustellen, wenn sie ihren Grund nicht unmittelbar in der allgemeinen Lage im Herkunftsland des subsidiär Schutzberechtigten und seines Ehegatten haben. Für die von dem Verwaltungsgericht angenommene Einschränkung der Umstände, die eine Ausnahme von der Regel zu begründen geeignet sind, bieten Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG keine zureichenden Anhaltspunkte. Spezifisch ehe- und familienbezogene Gesichtspunkte sind nicht erst im Rahmen des gemäß § 36a Abs. 1 Satz 4 AufenthG unberührt bleibenden § 22 Satz 1 Alt. 2 AufenthG, sondern zuvörderst innerhalb des § 36a AufenthG und dort nicht allein bei der Auslegung der humanitären Gründe des § 36a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, sondern gerade auch bei der Prüfung einer Ausnahme von dem Regelausschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG zu berücksichtigen, um die Reichweite dieses Regelausschlussgrundes auch in Umfang und Maß auf ein Maß zu beschränken, das die grundsätzlich gerechtfertigten Beschränkungen angemessen mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG in Einklang bringt. Allein ein solches Verständnis stellt zudem sicher, dass ein Nachzug der betreffenden Angehörigen grundsätzlich der Kontingentierung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten zum Zwecke des § 36a Abs. 2 Satz 2 AufenthG unterfällt. 35 Der besondere Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG und Art. 8 EMRK gebietet es, das Interesse der Betroffenen an der Wiederherstellung der familiären Lebensgemeinschaft angemessen zu berücksichtigen. Zwar garantiert dieses Grundrecht einem Ausländer weder ein Recht auf Einreise in ein bestimmtes Land noch ein Recht auf Aufenthalt in diesem (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84, 313/84 - BVerfGE 76, 1 <47>; vgl. EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 - Nr. 55597/09, Nunez/Norwegen - Rn. 70). Ebenso wenig begründet er eine generelle Verpflichtung des Staates, die Wahl des Familienwohnsitzes durch ein verheiratetes Paar zu respektieren und Ehegatten, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, zur Niederlassung zu akzeptieren (vgl. EGMR, Urteil vom 28. Mai 1985 - Nr. 9214/80, 9473/81 und 9474/81, Abdulaziz, Cabales und Balkandali/Vereinigtes Königreich - Rn. 68) bzw. eine Familienzusammenführung auf seinem Gebiet zu gestatten (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84, 313/84 - BVerfGE 76, 1 <55>; vgl. EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 - Nr. 55597/09, Nunez/Norwegen - Rn. 70 und EGMR , Urteil vom 3. Oktober 2014 - Nr. 12738/10, Jeunesse/Niederlande - Rn. 107). Die Reichweite der Verpflichtung eines Staates, Angehörige von dort lebenden Personen auf seinem Gebiet aufzunehmen, ist vielmehr Gegenstand einer nicht auf normativer Ebene abschließend vorwegzunehmenden, sondern im Rahmen der Anwendung des einfachen Rechts durchzuführenden einzelfallbezogenen Abwägung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten Interessen der betroffenen Personen andererseits. Zu den öffentlichen Interessen zählen unter anderem die effektive Kontrolle von Zuwanderung (vgl. EGMR, Urteil vom 8. November 2016 - Nr. 56971/10, El Ghatet/Schweiz - Rn. 44) und die Vermeidung einer zu erwartenden Belastung der öffentlichen Kassen (vgl. EGMR, Urteil vom 11. Juni 2013 - Nr. 52166/09, Hasanbasic/Schweiz - Rn. 59). Als private Interessen sind in die Abwägung einzustellen unter anderem das Ausmaß, in dem das Familienleben bei einer Versagung des Zuzugs tatsächlich unterbrochen würde, das Ausmaß der Bindungen im Bundesgebiet wie auch im Herkunftsstaat bzw. in einem aufnehmenden Drittstaat, insbesondere die Dauer des Aufenthalts der jeweiligen Familienangehörigen, der aufenthaltsrechtliche Status (vgl. EGMR, Urteil vom 26. April 2007 - Nr. 16351/03, Konstatinov/Niederlande - Rn. 49 und EGMR , Urteil vom 3. Oktober 2014 - Nr. 12738/10, Jeunesse/Niederlande - Rn. 108), eine etwaige wirtschaftliche (vgl. EGMR, Urteil vom 26. April 2007 - Nr. 16351/03, Konstatinov/Niederlande - Rn. 49), soziale, kulturelle und sprachliche (vgl. EGMR , Urteil vom 21. September 2016 - Nr. 38030/12, Khan/Deutschland - Rn. 40) Integration im Bundesgebiet und das Bestehen etwaiger (unüberwindbarer) rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse für ein Leben der Familie in ihrem Herkunftsland oder in einem aufenthaltsgewährenden Drittland (vgl. EGMR, Entscheidung vom 8. März 2016 - Nr. 25960/13, I.A.A. u.a./Vereinigtes Königreich - Rn. 43 ff. und Urteil vom 8. November 2016 - Nr. 56971/10, El Ghatet/Schweiz - Rn. 45). Maßgeblich ist, ob die Einreise in das Bundesgebiet im Ergebnis das angemessenste Mittel zur Entwicklung des Familienlebens ist. Das Ergebnis der normativ zu ermöglichenden Abwägung muss einen fairen Ausgleich der widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen widerspiegeln (vgl. EGMR , Urteil vom 3. Oktober 2014 - Nr. 12738/10, Jeunesse/Niederlande - Rn. 121). Sind minderjährige Kinder betroffen, so ist deren Wohl in den Mittelpunkt der Überlegungen zu stellen und vorrangig zu berücksichtigen (vgl. EGMR , Urteil vom 3. Oktober 2014 - Nr. 12738/10, Jeunesse/Niederlande - Rn. 109 und EGMR, Urteil vom 8. November 2016 - Nr. 56971/10, El Ghatet/Schweiz - Rn. 46). Zu den insoweit besonders zu beachtenden Umständen zählen deren Alter, ihre Situation in dem Aufenthaltsland und das Ausmaß, in dem sie von ihren Eltern abhängig sind (vgl. EGMR , Urteil vom 3. Oktober 2014 - Nr. 12738/10, Jeunesse/Niederlande - Rn. 118). Einzustellen ist überdies, ob und unter welchen Umständen ein Elternteil unwiderruflich beschlossen und bewusst entschieden hat, seine Familienangehörigen im Herkunftsland oder in einem aufnehmenden Drittstaat zurückzulassen (EGMR, Urteil vom 21. Dezember 2001 - Nr. 31465/96, Şen/Niederlande - Rn. 39), inwieweit dadurch jede Absicht auf zukünftige Familienzusammenführung aufgegeben worden ist, sowie ob das Familienleben zu einer Zeit begründet wurde, zu der den beteiligten Personen bekannt war, dass die Aufnahme wegen des Aufenthaltsstatus des Stammberechtigten von Beginn an unsicher war (vgl. EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 - Nr. 55597/09, Nunez/Norwegen - Rn. 70 und EGMR , Urteil vom 3. Oktober 2014 - Nr. 12738/10, Jeunesse/Niederlande - Rn. 108). Erfolgte die Ausreise aus begründeter Furcht vor Verfolgung (vgl. EGMR, Urteil vom 10. Juli 2014 - Nr. 2260/10, Tanda-Muzinga/Frankreich - Rn. 74; offengelassen EGMR, Urteil vom 1. Dezember 2005 - Nr. 60665/00, Tuquabo-Tekle u.a./Niederlande - Rn. 47), so ist dem Ausländer die Trennung von seiner Familie nicht entgegenzuhalten. Entsprechendes hat zu gelten, wenn das Verlassen des Herkunftslandes oder des aufnehmenden Gastlandes in der begründeten Befürchtung erfolgte, anderenfalls ernsthaften Schaden zu nehmen. 36 Danach ist für die Beantwortung der Frage, ob die aus Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG folgende Berücksichtigungspflicht es im Einzelfall gebietet, eine Ausnahme von dem Regelausschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG anzunehmen, von maßgeblicher Bedeutung, ob der Familie erstens eine Fortdauer der räumlichen Trennung zumutbar und ob ihr zweitens eine Wiederaufnahme der familiären Lebensgemeinschaft in dem Aufenthaltsstaat des den Nachzug begehrenden Ehegatten möglich und zumutbar ist. Bei der Bemessung der zumutbaren Trennungsdauer der Ehegatten kommt dem Wohl eines gemeinsamen Kleinkindes besonderes Gewicht zu. Dessen Belange sind regelmäßig geeignet, die von den Ehegatten hinzunehmende Trennungszeit maßgeblich zu verkürzen. Ist den Ehegatten eine (Wieder-)Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft in dem Aufenthaltsstaat des Nachzugswilligen möglich und zumutbar, so übersteigen Wartezeiten von fünf Jahren bis zu einem Nachzug in das Bundesgebiet vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles noch nicht das verfassungsrechtlich hinzunehmende Höchstmaß (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84, 313/84 - BVerfGE 76, 1 <52 ff.>); sind die Ehegatten indes Eltern eines Kleinkindes, so kann dessen Wohl es bereits nach Ablauf einer Trennungszeit von drei Jahren gebieten, einen Ausnahmefall anzunehmen, mit der Folge, dass der Weg frei wird für eine ermessensgerechte Priorisierungs- und Auswahlentscheidung in dem nach § 36a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorgegebenen Rahmen. Scheidet die Wiederherstellung der familiären Lebensgemeinschaft in dem Aufenthaltsstaat des nachzugswilligen Ehegatten demgegenüber auf absehbare Zeit aus, gewinnen die humanitären Belange an der Wiederherstellung der Familieneinheit gerade im Bundesgebiet erhebliches Gewicht. Dies gilt jedenfalls in Fällen, in denen die Weiterreise des subsidiär schutzberechtigten Familienangehörigen nicht als Betätigung eines Willens zu einer auch dauerhaften Trennung von der Familie unter endgültiger Aufgabe von Nachzugsansprüchen zu werten oder aus den Umständen, etwa der für sich allein nicht ausschlaggebenden Ehebestandsdauer, zu folgern ist, dass eine Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen worden ist, etwaige Nachzugsmöglichkeiten zu eröffnen. Fehlt es an solchen besonderen Umständen des Einzelfalles, verringern sich mit zunehmender Trennungsdauer auch die Unterschiede zu den vor der Flucht geschlossenen Ehen und wächst das Gewicht der grundrechtlich geschützten Belange an einer - dann objektiv nur im Bundesgebiet möglichen - Familienzusammenführung. Jedenfalls bei Eheschließung vor der Einreise in das Unionsgebiet liegt ohne Hinzutreten besonderer, eine Verkürzung oder Verlängerung der Trennungszeiten bewirkender Umstände dann eine Ausnahme von dem Regelausschluss des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG regelmäßig bereits bei einer mehr als vierjährigen Trennung von dem Ehegatten und einer mehr als zweijährigen Trennung von einem auf die Sorge beider Elternteile angewiesenen Kleinkind vor. 37 1.3 Nach diesen Grundsätzen steht das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit nicht im Einklang mit Bundesrecht, als es das Nichtvorliegen eines Ausnahmefalles nach § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG allein unter Hinweis auf das Nichtvorliegen besonderer herkunftslandbezogener Umstände verneint und die vorstehend bezeichneten Gründe - von seinem Ansatz aus folgerichtig - nicht geprüft hat. Der Senat kann in Bezug auf § 36a AufenthG mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen nicht beurteilen, ob sich die klageabweisende Entscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), oder in der Sache zugunsten der Kläger durchentscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), so dass der Rechtsstreit zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 38 a) Das Verwaltungsgericht hat schon keine hinreichend tragfähigen Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die familiäre Lebensgemeinschaft zwischen den Klägern und dem im Bundesgebiet lebenden subsidiär Schutzberechtigten, dem Beigeladenen zu 2, nur im Bundesgebiet hergestellt werden kann oder es Letzterem möglich und zumutbar wäre, die familiäre Lebensgemeinschaft durch Rückkehr in das Haschemitische Königreich Jordanien herzustellen. 39 Diese Feststellung ist nicht schon deswegen entbehrlich, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Beigeladenen zu 2 subsidiären Schutz gewährt hat. Dessen Asylantrag wäre allerdings mit Blick auf die dort gemeinsam mit seiner Familie verbrachte Voraufenthaltszeit als unzulässig abzulehnen gewesen (§ 29 Abs. 1 Nr. 4, § 27 AsylG i.V.m. Art. 35 RL 2013/32/EU), wenn er von einem Transitstaat wiederaufgenommen worden und ihm der Aufenthalt dort zumutbar gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2019 - 1 C 28.18 - Buchholz 402.251 § 29 AsylG Nr. 7 Rn. 12 ff.). Die insoweit vom Bundesamt vorzunehmende Prüfung war allerdings bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz (hier: November 2016) und entfaltet jedenfalls keine Tatbestands- oder Bindungswirkung für den hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Familiennachzugsantrag. Die Gewährung subsidiären Schutzes kann aber geeignet sein, Indizwirkung im Sinne einer widerleglichen Vermutung dafür zu entfalten, dass der Beigeladene zu 2 die Familieneinheit mit den Klägern nicht im Haschemitischen Königreich Jordanien herstellen kann. 40 Das Verwaltungsgericht hat auch keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob besondere Umstände des Einzelfalles vorliegen, welche ein Abweichen von den vorstehend benannten Regelfristen für einen atypischen Fall, die namentlich mit Blick auf die Dauer der Trennung des Beigeladenen zu 2 von seinem minderjährigen Kind bereits überschritten waren, rechtfertigen oder gar gebieten. Auch wenn sich solche besonderen Umstände nach dem bisherigen Vorbringen der Beteiligten zumindest nicht aufdrängen, kann der Senat dieser Prüfung nicht vorgreifen. 41 b) Für eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits fehlt es jedenfalls an tragfähigen tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu dem (Nicht-)Vorliegen der besonderen wie auch der allgemeinen Voraussetzungen eines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung, die die Beklagte nach § 36a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AufenthG zu treffen hat. 42 § 36a Abs. 1 Satz 3 AufenthG schließt zwar einen direkten Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zwecke des Familiennachzugs aus, schon aus Gründen effektiven Rechtsschutzes in Bezug auf grundrechtlich fundierte Rechtspositionen indes nicht einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung nach § 36a Abs. 2 AufenthG. 43 Gelangt das Verwaltungsgericht zu der Bewertung, dass nach § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG kein Regel-, sondern ein Ausnahmefall vorliegt, wird es zunächst ausdrückliche Feststellungen zu den weiteren Regelausschlussgründen nach § 36a Abs. 3 Nr. 2 bis 4 AufenthG zu treffen haben, deren Vorliegen sich nach dem bisherigen Vorbringen allerdings nicht aufdrängt. 44 Von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig hat das Verwaltungsgericht auch keine umfassenden Feststellungen zu dem Vorliegen humanitärer Gründe nach § 36a Abs. 2 Satz 1 AufenthG getroffen. Allerdings liegt nach seinen Feststellungen mit Blick auf den Kläger jedenfalls der humanitäre Grund der Betroffenheit eines minderjährigen ledigen Kindes vor (§ 36a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG); dieser Umstand ist wegen dessen Betreuungsbedürftigkeit auch bei dem Nachzugsbegehren der Klägerin zu berücksichtigen. Für die Gewichtung dieses Umstands und für die Frage, ob die Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft seit langer Zeit ""nicht möglich"" ist (§ 36a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG), bedarf es der Klärung, ob es dem Beigeladenen zu 2 möglich und zumutbar wäre, die familiäre Lebensgemeinschaft durch Rückkehr in das Haschemitische Königreich Jordanien herzustellen (s. vorstehend a). 45 Für einen Familiennachzugsanspruch bedarf es weiterhin der - hier naheliegenden - ausdrücklichen Feststellung, dass die Kläger und der Beigeladene zu 2 beabsichtigen, die familiäre Lebensgemeinschaft im Sinne des § 27 Abs. 1 AufenthG wiederherzustellen. Weil ein Nachzug zu dem volljährigen Beigeladenen zu 2 in Rede steht, ist auch § 36a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG nicht anzuwenden, so dass Feststellungen zu dem Regelerteilungserfordernis eines gesicherten Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) und zu dem Zur-Verfügung-Stehen ausreichenden Wohnraums (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) oder zur Frage erforderlich sind, ob von diesen Voraussetzungen abgesehen werden kann (§ 29 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) oder abzusehen ist (§ 29 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AufenthG), weil die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft in einem Staat, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist und zu dem der Ausländer oder seine Familienangehörigen eine besondere Bindung haben, nicht möglich ist (s. oben a). 46 2. Ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Visums bzw. einer Aufenthaltserlaubnis nach § 22 Satz 1 AufenthG kann nicht festgestellt werden; auch insoweit ist der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen. 47 a) Ein solcher Anspruch ist hier der Sache nach Gegenstand auch des Revisionsverfahrens, weil insoweit aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt ein Aufenthaltstitel begehrt wird, der aus humanitären Erwägungen eine Familienzusammenführung im Bundesgebiet ermöglicht. Wegen der Besonderheiten seiner Normstruktur und der in § 36a Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 AufenthG selbst vorgenommenen Verschränkung humanitärer und auf die Familieneinheit bezogener Aspekte ist hier auch eine abschnittsübergreifende Betrachtung der Anspruchsgrundlagen für die begehrte Titelerteilung angezeigt. 48 § 36a Abs. 1 AufenthG vermittelt dem Ausländer allein einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung. § 36a Abs. 1 Satz 3 AufenthG steht der Annahme nicht nur eines individuellen Rechtsanspruchs auf Familiennachzug (BT-Drs. 19/2438 S. 2, 16, 21 f. und 23) nach dieser Norm entgegen, sondern soll auch ein ""intendiertes Ermessen"" oder eine Ermessensreduzierung auf Null (Hailbronner, Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat des Deutschen Bundestages am 11. Juni 2018, Wortprotokoll 19/17 S. 19; Zeitler, in: HTK-AuslR, § 36a AufenthG Abs. 1 Rn. 47, Stand 28. Januar 2020) ausschließen. Daher kann es bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 36a Abs. 1 Satz 1 AufenthG in besonderen Härtefällen, in denen die Verweigerung des Nachzugs grundrechtswidrig wäre, mit Blick auf die in § 36a Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorgesehene Beschränkung der Erteilung von monatlich höchstens 1 000 Visa im Einzelfall geboten sein, für den Fall einer Nichtberücksichtigung bei der Auswahlentscheidung nach § 36a Abs. 2 Satz 2 AufenthG zugleich eine Verpflichtung zur Erteilung eines Visums gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zum Zwecke der Aufnahme aus dem Ausland nach § 22 Satz 1 AufenthG auszusprechen. 49 b) Nach § 22 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer für die Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. § 36a Abs. 1 Satz 4 AufenthG, dem zufolge unter anderem § 22 AufenthG unberührt bleibt, erstreckt die Aufnahme aus dem Ausland im Einzelfall auch auf Angehörige der Kernfamilie subsidiär Schutzberechtigter. Dies ist etwa der Fall, wenn sich die Aufnahme des Familienangehörigen aufgrund eines Gebotes der Menschlichkeit aufdrängt und eine Situation vorliegt, die ein Eingreifen zwingend erforderlich macht, etwa bei Bestehen einer erheblichen und unausweichlichen Gefahr für Leib und Leben des Familienangehörigen im Ausland (BT-Drs. 19/2438 S. 22). Dringende humanitäre Gründe im Sinne des § 22 Satz 1 Alt. 2 AufenthG liegen zum einen dann vor, wenn sich der Ausländer aufgrund besonderer Umstände in einer auf seine Person bezogenen Sondersituation befindet, sich diese Sondersituation deutlich von der Lage vergleichbarer Ausländer unterscheidet, der Ausländer spezifisch auf die Hilfe der Bundesrepublik Deutschland angewiesen ist oder eine besondere Beziehung des Ausländers zur Bundesrepublik Deutschland besteht und die Umstände so gestaltet sind, dass eine baldige Ausreise und Aufnahme unerlässlich sind (BT-Drs. 15/420 S. 77; Nr. 22.1.1.2. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 ). Sie sind aber zum anderen auch dann gegeben, wenn besondere Umstände des Einzelfalles eine Fortdauer der räumlichen Trennung der Angehörigen der Kernfamilie des subsidiär Schutzberechtigten mit Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG nicht länger vereinbar erscheinen lassen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. März 2018 - 2 BvR 1266/17 - juris Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2019 - 1 B 26.19 - Buchholz 402.242 § 36 AufenthG Nr. 6 Rn. 13; Thym, NVwZ 2018, 1340 <1343>; vgl. zum Darlegungserfordernis BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. Februar 2018 - 2 BvR 1459/17 - InfAuslR 2018, 200 Rn. 15). Der Zeitpunkt, ab dem den Ehegatten und ihren minderjährigen ledigen Kindern eine weitere Trennung nicht länger zuzumuten ist, ist wiederum maßgeblich davon abhängig, ob diesen eine (Wieder-)Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft in dem Aufenthaltsstaat der Nachzugswilligen möglich und zumutbar ist. Die Schwelle, bei deren Erreichen die Versagung einer Familienzusammenführung im Bundesgebiet mit Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG schlechthin unvereinbar ist, aus humanitären Gründen mithin ein - vom Kontingent des § 36a Abs. 2 Satz 2 AufenthG unabhängiger - Aufenthaltstitel nach § 22 Satz 1 AufenthG zu gewähren ist, liegt indes höher als jene, die durch Annahme eines Ausnahmefalles in den Fällen des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG den Zugang zu einer (kontingentgebundenen) Auswahlentscheidung (§ 36a Abs. 2 Satz 2 AufenthG) eröffnet. 50 3. Die Klägerin hat jedenfalls keinen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Sie ist - wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat - als Ehegattin des subsidiär schutzberechtigten Beigeladenen zu 2, deren Nachzugsanspruch nach den §§ 28, 30 und 36a AufenthG ausdrücklich und in Bezug auf § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG abschließend geregelt ist, nicht ""sonstige Familienangehörige"" im Sinne des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG (BT-Drs. 19/2438 S. 20 und S. 21 ). Die ergänzende Anwendung auch der §§ 22, 23 AufenthG (§ 36a Abs. 1 Satz 4 AufenthG) erfasst etwaige Härtefälle und lässt keinen Raum für eine - direkte oder analoge - Anwendung dieser Regelung in besonderen Härtefällen oder zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Konventions-, Unions- oder Verfassungsrecht. 51 4. Aus den vorbezeichneten Gründen scheidet im Ergebnis ein weitergehender Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Visums an die Klägerin aus; die auf das Kind bezogenen Besonderheiten und die Interessen des Kindes sind ungeschmälert bereits bei dem Anspruch der Klägerin selbst zu berücksichtigen. 52 5. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten." bverwg_2021-10,03.02.2021,"Pressemitteilung Nr. 10/2021 vom 03.02.2021 EN Wissenschaftsfreiheit garantiert nicht Beibehaltung einer Leitungsfunktion im Bereich der Krankenversorgung Die grundgesetzlich geschützte Wissenschaftsfreiheit gewährleistet nicht, dass der in einer sog. Funktionsbeschreibung festgelegte Tätigkeitsbereich einer Universitätsprofessorin an einem Universitätsklinikum - neben deren Aufgaben in Forschung und Lehre an der Universität - nach einer Umstrukturierung des Klinikums weiterhin eine Leitungsfunktion im Bereich der Krankenversorgung umfasst. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin ist als habilitierte Humanmedizinerin mit der Lehrbefugnis für „Innere Medizin“ im hessischen Landesdienst an einer Universität und an einem Universitätsklinikum tätig. Die ursprüngliche Funktionsbeschreibung, die auf die Ausschreibung der Stelle Bezug nimmt, beinhaltete auch Leitungsfunktionen in der Kranken­versorgung des Universitätsklinikums. Nach strukturellen Änderungen in diesem Bereich teilte der Präsident der Universität der Klägerin mit, dass im Hinblick auf die Neustrukturierung Art und Umfang der Dienstaufgaben überprüft und „soweit erforderlich unter ausdrücklicher Anpassung der ursprünglichen Funktionsbeschreibung“ geändert würden; dadurch entfiel für sie ein Teil der zuvor bestimmten Verantwortlichkeiten in der Krankenversorgung. Dagegen wendet sich die Klägerin. Das Berufungsgericht hat ihrer Klage stattgegeben. Sie sei als Anfechtungsklage zulässig. Die ursprüngliche Funktionsbeschreibung sei ein Verwaltungsakt, weil der Klägerin mit den darin zugewiesenen Leitungsaufgaben eine subjektive Rechtsposition zugewiesen worden sei. Die darin eingreifende Änderung ihres Tätigkeitsbereichs durch die neue Funktionsbeschreibung sei formell rechtswidrig, weil hierfür nicht der Präsident der Universität, sondern das Präsidium der Universität zuständig sei. Auf die Revision des beklagten Landes und des beigeladenen Universitätsklinikums hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage der Klägerin ist nicht als Anfechtungsklage zulässig und die Funktionsbeschreibung stellt keinen Verwaltungsakt dar. Die gegenteilige Annahme des Berufungsurteils verstößt gegen revisibles Recht. Zwar gehört das Hochschulrecht grundsätzlich zum vom Revisionsgericht nicht überprüfbaren Landesrecht. Doch liegt dem Berufungsurteil eine nach allgemeinen revisionsrechtlichen Grundsätzen zu beanstandende Auslegung des Inhalts der Funktionsbeschreibung zugrunde; zudem wird der Gewährleistungsgehalt der bundes-(verfassungs-) rechtlich garantierten und damit revisionsgerichtlicher Beurteilung unterliegenden Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) verkannt. Die Tätigkeit eines Hochschullehrers an einer Universitätsklinik ist regelmäßig - wie auch bei anderen Ärzten ohne Wissenschaftsauftrag - in die Krankenversorgung und deren Organisationsstruktur eingeordnet; diese ist nicht unabänderlich. Soweit ein Hochschullehrer im Bereich der Krankenversorgung tätig ist, garantiert ihm die Wissenschaftsfreiheit lediglich einen angemessenen Tätigkeitsbereich, der nach Umfang und Inhalt eine hinreichende Grundlage an medizinischen Erkenntnissen dafür bietet, dass der Hochschullehrer sein Fach in Forschung und Lehre vertreten kann. Das Berufungsurteil enthält - vom seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Tatsachenfeststellungen dazu, ob der Tätigkeitsbereich, der der Klägerin aufgrund der geänderten Funktionsbeschreibung verbleibt, nach Umfang und Inhalt so gestaltet ist, dass die Klägerin ihr Fach in Forschung und Lehre angemessen vertreten kann. Daher war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen trifft und diese seiner erneuten Entscheidung zugrundelegt. BVerwG 2 C 4.19 - Urteil vom 03. Februar 2021 Vorinstanzen: VGH Kassel, 1 A 710/17 - Urteil vom 21. Februar 2019 - VG Gießen, 5 K 2635/11.Gl - Urteil vom 28. November 2013 -","Urteil vom 03.02.2021 - BVerwG 2 C 4.19ECLI:DE:BVerwG:2021:030221U2C4.19.0 EN Reichweite der Wissenschaftsfreiheit eines Universitätsprofessors der Medizin im Bereich der Krankenversorgung Leitsatz: Die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) gewährleistet einem Universitätsprofessor, dem als Mediziner auch Aufgaben in der Krankenversorgung an einem Universitätsklinikum übertragen worden sind, die Beibehaltung dieser Aufgaben nur insoweit, als sie - quantitativ wie qualitativ - als Anschauungs- und Betätigungsmaterial eine notwendige Voraussetzung für die angemessene Vertretung seines Faches in Forschung und Lehre darstellen. Dazu gehören Leitungsfunktionen nicht. Rechtsquellen GG Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 33 Abs. 5 HSchulG HE § 68 Abs. 1 Instanzenzug VG Gießen - 28.11.2013 - AZ: VG 5 K 2635/11.GI VGH Kassel - 21.02.2019 - AZ: VGH 1 A 710/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 03.02.2021 - 2 C 4.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:030221U2C4.19.0] Urteil BVerwG 2 C 4.19 VG Gießen - 28.11.2013 - AZ: VG 5 K 2635/11.GI VGH Kassel - 21.02.2019 - AZ: VGH 1 A 710/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung und Dollinger sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel für Recht erkannt: Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Februar 2019 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Klägerin ist Universitätsprofessorin für das Fach Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie. Sie wendet sich gegen die Änderung ihres Aufgabenbereichs in der Krankenversorgung. 2 Die Klägerin wurde unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit mit Wirkung vom 1. Juni 2005 für die Dauer von sechs Jahren zur Universitätsprofessorin (Besoldungsgruppe W 2) an einer hessischen Universität, der Beigeladenen zu 2., ernannt. In der Planstelleneinweisung vom Mai 2005 wird als Funktionsbeschreibung die Stellenausschreibung zugrunde gelegt; in der Stellenausschreibung war u.a. ausgeführt worden, dass mit der Professur die angemessene Vertretung des Faches in Forschung, Lehre und Krankenversorgung verbunden sei und es sich um eine eingeordnete Professur, integriert in zwei Kliniken, handele, die mit der fachaufsichtlichen Leitung der gastroenterologischen Funktions- und Bettenbereiche in mehreren Kliniken verbunden sei. Die Klägerin wurde für den Zeitraum ab Juli 2005 dem Universitätsklinikum, der heutigen Beigeladenen zu 1., zur Dienstleistung zugewiesen. Diese beschloss Anfang März 2011 eine Neustrukturierung des klinischen Bereichs, in dem die Klägerin tätig war. 3 Nachdem der Dekan des Fachbereichs Medizin (des Beigeladenen zu 3.) hierdurch Belange von Forschung und Lehre berührt sah und die Anrufung der Ständigen Kommission für Forschung und Lehre angekündigt hatte, fand am 31. März 2011 ein Gespräch u.a. zwischen dem Präsidenten der Universität, dem Dekan des Fachbereichs und dem damaligen Vorsitzenden der Geschäftsführung des Universitätsklinikums statt, bei dem Letzterer die Neustrukturierung erläuterte. Mit Schreiben vom Folgetag an den Präsidenten und den Dekan sicherte er den Umfang der künftigen Befugnisse der Klägerin zu. In einem über das Gespräch vom 31. März 2011 von einer Bediensteten der Beigeladenen zu 2. erstellten Aktenvermerk vom 4. April 2011 wurde festgehalten, dass die Universität und der Fachbereich Medizin nach den Erläuterungen der Beigeladenen zu 1. davon ausgingen, dass die Aufgaben der Klägerin in Forschung und Lehre durch die Neustrukturierung nicht beeinträchtigt werden. Zu der ursprünglich angekündigten Anrufung der Ständigen Kommission für Forschung und Lehre kam es in der Folgezeit nicht. 4 Das beklagte Land ernannte die Klägerin am 26. April 2011 mit Wirkung zum 1. Juni 2011 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Universitätsprofessorin (Besoldungsgruppe W 2). Mit Schreiben vom 27. April 2011 teilte der Universitätspräsident der Klägerin u.a. mit, dass Art und Umfang ihrer durch die ursprüngliche Einweisungsverfügung vom Mai 2005 festgelegten Dienstaufgaben im Hinblick auf die Neustrukturierung des klinischen Bereichs ""vorsorglich mit sofortiger Wirkung - soweit erforderlich unter ausdrücklicher Anpassung der ursprünglichen Funktionsbeschreibung"" dem neuen klinischen Aufgabenprofil angepasst werden müssten. In demselben Schreiben wurde die Klägerin in eine freie Planstelle der Besoldungsgruppe W 2 eingewiesen; dabei wurde auf die angepasste Funktionsbeschreibung Bezug genommen. 5 Der Widerspruch der Klägerin ""gegen die Planstelleneinweisungsverfügung vom 27.04.2011"" blieb erfolglos. 6 Ein Ende März 2011 von der Klägerin gegen die Beigeladene zu 1. angestrengtes Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Neustrukturierung blieb ohne Erfolg (VGH Kassel, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 B 12046/11 - NVwZ-RR 2012, 201). Ein Hauptsacheverfahren schloss sich nicht an. 7 Die erstinstanzlich teilweise erfolgreiche Klage auf Aufhebung des Bescheids vom 27. April 2011, ""insoweit hierdurch die Funktionsbeschreibung der Stelle der Klägerin vom 19.05.2005 eingeschränkt wird"", ist in der Berufungsinstanz in vollem Umfang abgewiesen worden. Das Bundesverwaltungsgericht hat dieses - das erste - Berufungsurteil auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin aufgehoben und die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen (BVerwG, Beschluss vom 24. Januar 2017 - 2 B 107.15 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 141). 8 Der Verwaltungsgerichtshof hat nunmehr - in seinem zweiten Berufungsurteil - die Änderung der Funktionsbeschreibung im Bescheid vom 27. April 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids aufgehoben. Dabei ist er von einer statthaften Anfechtungsklage ausgegangen, weil die angegriffene Änderung der Funktionsbeschreibung ein Verwaltungsakt sei. Zwar gehe es um eine teilweise Beschränkung der Aufgaben der Klägerin in der Krankenversorgung und damit - lediglich - bei einer Zusatzaufgabe zu Forschung und Lehre. Andererseits könne bei medizinischen Hochschullehrern kein scharfer Trennungsstrich zwischen diesen Bereichen gezogen werden. Veränderungen des Aufgabenzuschnitts im Bereich der Krankenversorgung seien eher als Umsetzung einzuordnen. Allerdings bestehe im Fall der Klägerin die Besonderheit, dass ein Teil der von ihr im Bereich der Krankenversorgung wahrzunehmenden Aufgaben - die fachaufsichtliche Leitung gastroenterologischer Funktions- und Bettenbereiche in mehreren Kliniken - in der ursprünglichen Funktionsbeschreibung ausdrücklich aufgeführt sei. Diese ausdrückliche Festlegung vermittele der Klägerin ein subjektives Recht an dem so beschriebenen konkret-funktionellen Amt. Das folge aus dem Wesen der Funktionsbeschreibung. Die Bestimmung der dienstlichen Aufgaben in der Funktionsbeschreibung habe im Hinblick auf die Wissenschaftsfreiheit grundrechtssichernde Bedeutung. Die Klage sei auch begründet, weil die Änderung der Funktionsbeschreibung bereits formell rechtswidrig sei. Der Präsident der Hochschule sei hierfür nicht zuständig. Die Änderung einer Funktionsbeschreibung sei keine beamtenrechtliche, sondern eine hochschulrechtliche Entscheidung gewesen. Für sie sei das Präsidium der Hochschule zuständig. 9 Hiergegen richten sich die bereits vom Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revisionen des beklagten Landes und der Beigeladenen zu 1., mit denen diese jeweils beantragen, das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Februar 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 28. November 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen. 10 Die Klägerin beantragt, die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1. zurückzuweisen. 11 Die Beigeladenen zu 2. und 3. haben keinen Antrag gestellt. II 12 Die Revisionen des beklagten Landes und der Beigeladenen zu 1. sind mit der Maßgabe begründet, dass das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 13 Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Funktionsbeschreibung ist § 68 Abs. 1 des Hessischen Hochschulgesetzes (HSchulG HE) in der hier maßgeblichen Fassung vom 14. Dezember 2009 (GVBl. I S. 666). 14 Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 HSchulG HE richten sich Art und Umfang der Aufgaben, die Angehörige des wissenschaftlichen Personals nach den §§ 61 bis 67 desselben Gesetzes wahrnehmen, nach der Ausgestaltung des Dienstverhältnisses sowie nach der Funktionsbeschreibung der Stelle. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 HSchulG HE steht diese Festlegung unter dem Vorbehalt einer Überprüfung in angemessenen Abständen. Neben der selbstständigen Wahrnehmung ihres Fachs in Wissenschaft, Kunst, Lehre und Forschung (§ 61 Abs. 1 Satz 1 HSchulG HE) kann es zu den wahrzunehmenden Aufgaben der Professoren gemäß § 61 Abs. 1 Satz 3 HSchulG HE auch gehören, in medizinischen und anderen Einrichtungen mitzuwirken, die mittelbar Forschung und Lehre dienen. Dem entsprechend umfasste die ursprüngliche, der Klägerin im Jahr 2005 erteilte Funktionsbeschreibung wie nun die streitgegenständliche, abgeänderte Funktionsbeschreibung vom 27. April 2011 gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 und 2 HSchulG HE auch Art und Umfang der Aufgaben der Klägerin im Bereich der Krankenversorgung, die sie aufgrund ihrer auf § 123a Abs. 2 des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) und § 25a Abs. 5 Satz 4, Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 des Gesetzes für die hessischen Universitätskliniken (UniKlinG HE) vom 15. Dezember 2005 (GVBl. I S. 843) gestützten Zuweisung zur Dienstleistung an die Beigeladene zu 1. bei dieser erfüllt. 15 1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die ausschließlich den Bereich der Krankenversorgung betreffende Änderung der der Klägerin im Jahr 2005 erteilten Funktionsbeschreibung sei als Verwaltungsakt zu qualifizieren - mit der Folge, dass die Klage der Klägerin als Anfechtungsklage statthaft ist -, überspannt die Tragweite der Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und verletzt deshalb Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). 16 a) Für die Reichweite der Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG bei auch in der Krankenversorgung tätigen Professoren der Hochschulmedizin gelten die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätze (grundlegend Beschluss vom 8. April 1981 - 1 BvR 608/79 - BVerfGE 57, 70 <95 ff.>; vgl. auch Beschluss vom 24. Juni 2014 - 1 BvR 3217/07 - BVerfGE 136, 338 Rn. 55): 17 aa) Hiernach liegen die Hauptaufgaben der Hochschulen - und damit auch des dort tätigen wissenschaftlichen Personals - auf dem Gebiet der Forschung und Lehre. Daneben können nach den Hochschulgesetzen der Länder den Hochschulen damit zusammenhängende weitere Aufgaben übertragen werden. Die Krankenversorgung ist eine derartige, der Universität vom Staat zusätzlich übertragene staatliche Aufgabe. Dies hat rechtliche Folgen für die Stellung der Hochschullehrer, die in der Krankenversorgung an der Universität tätig werden. Soweit sie Kranke in Universitätskliniken behandeln, sind sie nicht in erster Linie akademische Forscher und Lehrer. Vielmehr ist die Krankenversorgung auch für den einzelnen medizinischen Professor eine Zusatzaufgabe, die neben seine Aufgabe, die medizinische Forschung und Lehre zu betreiben, tritt. 18 Aus dieser besonderen Stellung der Krankenversorgung sowohl im Aufgabenbereich der Universität als auch im Tätigkeitsfeld des einzelnen medizinischen Hochschullehrers ergibt sich, dass der Bereich der Krankenversorgung nicht ohne weiteres den verfassungsrechtlichen Garantien unterliegt, welche im Bereich der Selbstverwaltung wissenschaftsrelevanter Angelegenheiten und im Rahmen der Tätigkeit des Hochschullehrers in der wissenschaftlichen Forschung und Lehre Geltung beanspruchen. Das Grundrecht des an der Universität tätigen Wissenschaftlers aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG betrifft zunächst nur dessen wissenschaftliche Arbeit und Entfaltung in den der Universität gestellten, den Kernbereich akademischer Selbstverwaltung bildenden Aufgaben in Forschung und Lehre. So wie die Universität als solche im Bereich der Krankenversorgung eine staatliche Aufgabe wahrnimmt, ist auch die Stellung des medizinischen Hochschullehrers bei der Krankenversorgung nicht diejenige des rein wissenschaftlich tätigen akademischen Forschers und Lehrers, sondern die eines neben anderen Ärzten in die ärztliche Krankenhausorganisation eingegliederten Mediziners. 19 Daraus folgt, dass Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG dem beamteten medizinischen Hochschullehrer keinen Anspruch auf Beibehaltung einer bestimmten Tätigkeit im Bereich der Krankenversorgung vermittelt, erst Recht keinen Anspruch auf eine Leitungsfunktion. Veränderungen bei den wahrzunehmenden Aufgaben in der Krankenversorgung sind mangels Außenwirkung keine Verwaltungsakte, sondern nach den Grundsätzen der Umsetzung zu behandeln. 20 bb) Ein Anspruch auf Beibehaltung des bisherigen Aufgabenbereichs in der Krankenversorgung ergibt sich im Streitfall auch nicht aufgrund der vom Berufungsgericht angeführten (vermeintlichen) Besonderheiten des Falls der Klägerin. 21 Das Berufungsgericht verweist darauf, dass in der ausdrücklichen Festlegung eines bestimmten Aufgabenbereichs in der Krankenversorgung in der ursprünglichen Funktionsbeschreibung vom Mai 2005 eine Besonderheit zu sehen sei, die der Klägerin ein Recht am konkret-funktionellen Amt auch bezogen auf die Krankenversorgung vermittle. An diese Auslegung der erwähnten Funktionsbeschreibung durch das Berufungsgericht ist der Senat in tatsächlicher Hinsicht nicht gebunden (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO). Sie ist rechtsfehlerhaft, weil sie gegen Auslegungsgrundsätze verstößt und auf einer unvollständigen Würdigung der Tatsachen beruht (stRspr, vgl. zuletzt etwa BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2019 - 2 C 50.16 - Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 27 Rn. 15 m.w.N.). Die Bedeutung, die das Berufungsgericht der erwähnten Funktionsbeschreibung (auch) hinsichtlich der Aufgaben eines medizinischen Hochschulprofessors in der Krankenversorgung mit der Begründung ihrer grundrechtssichernden Funktion für die Wissenschaftsfreiheit beimisst, verkennt nicht nur den dargestellten Gewährleistungsgehalt des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Das Berufungsgericht hat zudem unberücksichtigt gelassen, dass die Funktionsbeschreibung vom Mai 2005 - entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 68 Abs. 1 HSchulG HE - einen Vorbehalt der Überprüfung in angemessenen Zeitabständen enthält. Dieser voraussetzungslose Überprüfungsvorbehalt schließt es aber gerade aus, dass ausnahmsweise ein Anspruch auf Beibehaltung eines einmal übertragenen Tätigkeitsbereichs im Bereich der Krankenversorgung entsteht. Ausgehend vom objektiven Empfängerhorizont (§ 133 BGB analog) musste die Klägerin mit einer turnusmäßigen Überprüfung und damit Änderung des Aufgabenbereichs in der Krankenversorgung rechnen. 22 cc) Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass sich im Fachbereich Humanmedizin Forschung, Lehre, Ausbildung und Krankenversorgung überschneiden. In der täglichen Praxis lässt sich kein scharfer Trennungsstrich zwischen der wissenschaftlichen Tätigkeit eines medizinischen Hochschullehrers in Forschung und Lehre einerseits und seiner Arbeit in der Krankenbehandlung an seiner Klinik andererseits ziehen. Die Krankenversorgung ist der Universität gerade deshalb als zusätzliche Aufgabe übertragen, weil sie in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der medizinischen Wissenschaft steht. Die in der Krankenversorgung gewonnenen Erkenntnisse bilden eine wichtige Grundlage für die Forschung und Lehre im medizinischen Bereich, sowohl auf diagnostischem wie auf therapeutischem Gebiet; akademische Lehre in der Medizin lässt sich ohne Demonstration am Krankenbett kaum durchführen. In der täglichen Praxis des medizinischen Hochschullehrers werden sich daher seine wissenschaftlichen Aufgaben und seine Aufgaben in der Krankenversorgung oft vermischen. 23 Aus dieser Verflechtung folgt, dass das Grundrecht des medizinischen Hochschullehrers aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auf Wissenschaftsfreiheit auch bei seiner Tätigkeit in der Krankenbehandlung und -versorgung nicht gänzlich ausgeklammert werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. April 1981 - 1 BvR 608/79 - BVerfGE 57, 70 <98 f.>). Dies verlangt, dass Aufgaben in der Krankenversorgung, die einem Hochschullehrer übertragen werden, diesem hinreichendes Anschauungs- und Betätigungsmaterial bieten, das es ihm erlaubt, seine Rechte in Forschung und Lehre angemessen wahrzunehmen. Hierzu gehört ein für die angemessene Vertretung des Fachs in Forschung und Lehre - in quantitativer wie qualitativer Hinsicht - hinreichendes Maß an ärztlicher Tätigkeit in Diagnostik und Therapie, einschließlich der Befugnis zur Sichtung und Auswertung klinischer Daten. Dies betrifft zunächst die Art der übertragenen Aufgaben, d.h. die Aufgabenwahrnehmung in der die Professur betreffenden medizinischen Fachrichtung - etwa hier: Innere Medizin - und innerhalb der Fachrichtung in der jeweiligen Fachspezialisierung - hier: Gastroenterologie. Dasselbe gilt für das Spektrum der Aufgaben, d.h. die Bandbreite der Aufgaben des jeweiligen Arbeitsgebiets der medizinischen Fachrichtung. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. November 2013 (UA S. 19 ff.) - zutreffend - auf eine Reihe von insoweit relevanten Gesichtspunkten hingewiesen: eine hinreichende Patientenzahl, eine hinreichende Anzahl von selbst vorzunehmenden Untersuchungen, den Zugang zu Patientendaten und den Zugang zu Patienten am Krankenbett, um diese für eine Aufnahme in den Forschungs- und Lehrbereich zu werben. Hingegen gehören Leitungsfunktionen von vornherein nicht zu diesem notwendigen Bereich; Forschung und Lehre im Sinne des oben beschriebenen grundrechtlich geschützten Gewährleistungsgehalts sind - jedenfalls grundsätzlich - unabhängig von der hierarchischen Einordnung des Hochschullehrers in die Organisation der Krankenversorgung möglich. 24 dd) Soweit Aufgaben in der Krankenversorgung über diesen für Forschung und Lehre notwendigen Bereich hinausgehen, gelten für einen beamteten Hochschullehrer keine anderen Regeln als für einen Beamten, der sich nicht auf die Wissenschaftsfreiheit, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, berufen kann. Ihm steht ein auf sein Statusamt bezogener Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung zu, der von Art. 33 Abs. 5 GG geschützt ist. Der Beamte hat einen Anspruch auf Übertragung eines seinem Amt im statusrechtlichen Sinne entsprechenden funktionellen Amtes, eines ""amtsangemessenen Aufgabenbereichs"" (BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 1985 - 2 BvL 16/82 - BVerfGE 70, 251 <266>; BVerwG, Urteile vom 11. Juli 1975 - 6 C 44.72 - BVerwGE 49, 64 <67 f.>, vom 5. Juni 2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1 Rn. 25 und vom 19. Mai 2016 - 2 C 14.15 - BVerwGE 155, 182 Rn. 21). Dementsprechend können Beamte verlangen, dass ihnen Funktionsämter - zum einen ein abstrakt-funktionelles und zum anderen ein konkret-funktionelles Amt, d.h. ein entsprechender Dienstposten - übertragen werden, deren Wertigkeit ihrem Amt im statusrechtlichen Sinne entspricht (BVerwG, Urteile vom 22. Juni 2006 - 2 C 26.05 - BVerwGE 126, 182 Rn. 9, vom 18. September 2008 - 2 C 8.07 - BVerwGE 132, 31 Rn. 14 und vom 19. Mai 2016 - 2 C 14.15 - BVerwGE 155, 182 Rn. 21). Zum Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung gehört ein Anspruch auf einen bestimmten Aufgabenkreis innerhalb des statusgemäßen Aufgabenspektrums, nicht aber auf hierin nicht zwingend angelegte Leitungsfunktionen. Dementsprechend steht dem Beamten auch kein Anspruch auf Beibehaltung seines Aufgabenbereichs zu und hat die Veränderung seines Aufgabenbereichs als Umsetzung auch keine regelnde Außenwirkung und damit keinen Verwaltungsaktcharakter (grundlegend: BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1980 - 2 C 30.78 - BVerwGE 60, 144). 25 b) Gemessen an diesen Grundsätzen halten die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Verwaltungsaktqualität der Änderung der Funktionsbeschreibung aus dem Jahr 2005 betreffend die Aufgaben in der Krankenversorgung revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht verkennt die Tragweite des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG dadurch, dass es die der Klägerin im Jahr 2005 übertragenen Aufgaben in der Krankenversorgung uneingeschränkt den aus der Wissenschaftsfreiheit folgenden Maßgaben unterstellt, also im Bereich der Krankenversorgung nicht zwischen dem für Forschung und Lehre unerlässlichen Mindestbestand und dem darüberhinausgehenden Bereich unterscheidet. 26 2. Auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen kann der Senat über das Klagebegehren nicht abschließend entscheiden, so dass die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden muss (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 27 Für das erneute Berufungsverfahren weist der Senat darauf hin: Das Begehren der Klägerin ist und war im gesamten gerichtlichen Verfahren auf Durchsetzung ihres Anspruchs auf amtsangemessene Beschäftigung als Hochschulprofessorin im Bereich der Krankenversorgung gerichtet, den sie durch die im Jahr 2011 vorgenommene Änderung der Funktionsbeschreibung von 2005 beeinträchtigt sieht (vgl. schon BVerwG, Beschluss vom 24. Januar 2017 - 2 B 107.15 - Buchholz 11 Art 33 Abs. 5 GG Nr. 141 Rn. 10). Dieses Begehren, das von dem Klageantrag der Klägerin erfasst ist (§ 88 VwGO), ist mit der Leistungsklage zu verfolgen, gerichtet auf Verurteilung des beklagten Landes zur Gewährleistung einer amtsangemessenen Beschäftigung im Bereich der Krankenversorgung, ggf. unter Aufhebung der Funktionsbeschreibung aus dem Jahr 2011, wenn und soweit diese dem Begehren entgegensteht. 28 Für dieses Begehren ist das beklagte Land passivlegitimiert, weil die Klägerin als Hochschullehrerin im Landesdienst steht (§ 60 Abs. 1 Satz 1 HSchulG HE) und die Verpflichtung zur amtsangemessenen Beschäftigung den Dienstherrn auch im Rahmen der Zuweisung an eine private Einrichtung (§ 123a Abs. 2 BRRG, § 25a Abs. 5 Satz 4 UniKlinG HE) trifft. Für den Dienstherrn handelt der Präsident der Universität, der Dienstvorgesetzter des Personals der Hochschule ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 HSchulG HE), in Wahrnehmung seiner staatlichen Aufgabe in Personalangelegenheiten (§ 60 Abs. 1 Halbs. 2 HSchulG HE). 29 Der Anspruch der Klägerin aus Art. 33 Abs. 5 GG auf amtsangemessene Beschäftigung als Universitätsprofessorin (W 2) geht nicht weiter als ihr Anspruch aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auf angemessene Vertretung ihres Faches in Forschung und Lehre, einschließlich der insoweit erforderlichen Aufgabenwahrnehmung bei der Krankenversorgung. Einem Hochschullehrer ist hiernach im Bereich der Krankenversorgung ein angemessener Tätigkeitsbereich zu garantieren, der nach Umfang und Inhalt eine hinreichende Grundlage an medizinischen Erkenntnissen dafür bietet, dass der Hochschullehrer sein Fach in Forschung und Lehre vertreten kann (vgl. oben Rn. 23). 30 Nach diesen Maßgaben wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob der in der Funktionsbeschreibung aus dem Jahr 2011 festgelegte Tätigkeitsbereich der Klägerin im Bereich der Krankenversorgung der Beigeladenen zu 1. nach Inhalt und Umfang eine hinreichende Grundlage dafür bietet, dass sie ihr Fach Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie in Forschung und Lehre angemessen vertreten kann. Für die Beurteilung dieser Frage bedarf es als Grundlage der rechtlichen Bewertung (auch) medizinischer Sachkunde, über die die Gerichte regelmäßig nicht verfügen, so dass es hier wohl eines Sachverständigengutachtens bedarf. 31 Sollte sich ergeben, dass die Änderung der Funktionsbeschreibung im Jahr 2011 einer amtsangemessenen Beschäftigung der Klägerin entgegensteht, weil die dort vorgesehenen Aufgaben in der Krankenversorgung hinter dem für Forschung und Lehre Notwendigen zurückbleiben, müsste das Berufungsgericht die Änderung der Funktionsbeschreibung insoweit aufheben. Sollte sich ergeben, dass die Änderung der Funktionsbeschreibung im Jahr 2011 einer amtsangemessenen Beschäftigung der Klägerin nicht entgegensteht, die praktische Umsetzung aber hinter dem Geregelten zurückbleibt, müsste ggf. - auf einen dies aufgreifenden Antrag der Klägerin - zur entsprechenden Umsetzung verurteilt werden. Der Präsident der Universität müsste dann mit den ihm zustehenden Befugnissen die Umsetzung dieser Verpflichtung sicherstellen. 32 Der Senat weist weiter darauf hin, dass er mit Blick auf die den an dem Gespräch vom 31. März 2011 beteiligten Vertretern von Hochschule und Fakultät gegebenen Erläuterungen nebst nachfolgender schriftlicher Zusicherung der Beigeladenen zu 1. und mit Blick auf die sodann unterbliebene Anrufung der Ständigen Kommission für Forschung und Lehre davon ausgeht, dass bei der Umstrukturierung des klinischen Bereichs im Jahr 2011 alle für den vorliegenden Streitgegenstand erforderlichen hochschulrechtlichen Beteiligungserfordernisse erfüllt worden sind. Gegen das in tatsächlicher Hinsicht anzunehmende Einvernehmen des Fachbereichs Medizin hat die Klägerin auch nicht um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht, weder mit einem gegen den Fachbereich gerichteten Eilverfahren gemäß § 123 VwGO noch in der Hauptsache mit einer allgemeinen Leistungsklage gemäß § 43 Abs. 2 VwGO. Ihr Ende März 2011 gestellter Eilantrag richtete sich allein gegen die Beigeladene zu 1. 33 Schließlich weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht die zwischen zwei Senaten des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs streitige Frage der Einordnung der Änderung der Funktionsbeschreibung als beamtenrechtliche oder als hochschulrechtliche Entscheidung - sollte sie aus der Sicht des Berufungsgerichts weiterhin entscheidungsrelevant sein - jedenfalls nicht mit der Begründung des im vorliegenden Revisionsverfahren angegriffenen und nunmehr aufgehobenen Berufungsurteils offen lassen kann, dass eine Anrufung des Großen Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs deshalb entbehrlich sei, weil letztlich das Bundesverwaltungsgericht entscheide. Das wird der gesetzlichen Vorgabe des § 12 i.V.m. § 11 Abs. 2 VwGO ersichtlich nicht gerecht." bverwg_2021-12,17.02.2021,"Pressemitteilung Nr. 12/2021 vom 17.02.2021 EN Kein Drittschutz der Natura 2000-Vorschriften zugunsten des Eigentümers geschützter Flächen Der Eigentümer von Grundstücken, die in einem Natura 2000-Gebiet (FFH-Gebiet) liegen, ist nicht berechtigt, einen Verstoß gegen Vorschriften des Gebietsschutzes zu rügen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger wendet sich gegen die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Asphaltmischanlage. Er ist Eigentümer benachbarter Grundstücksflächen, die zum FFH-Gebiet ""Obere Schwentine"" in Schleswig-Holstein gehören. Die Vorinstanzen haben die auf Aufhebung der Genehmigung gerichtete Klage abgewiesen. Auch die Revision des Klägers blieb ohne Erfolg. Die Vorschriften der Europäischen Union und des nationalen Rechts über den Schutz von Natura 2000-Gebieten dienen dem Ziel, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen zu bewahren oder wiederherzustellen. Einen Bezug zu den Interessen des Einzelnen lassen sie nicht erkennen. Anders als Naturschutzverbände sind Einzelne nicht berechtigt, Verstöße gegen Naturschutzrecht unabhängig von einer Verletzung in eigenen Rechten geltend zu machen. Auch das Grundrecht auf Eigentum gebietet es nicht, die im öffentlichen Interesse erlassenen Schutzvorschriften für Natura 2000-Gebiete zugunsten des Eigentümers unter Schutz gestellter Grundstücke als drittschützend auszulegen und ihm ein Klagerecht einzuräumen. BVerwG 7 C 3.20 - Urteil vom 17. Februar 2021 Vorinstanzen: OVG Schleswig, 5 LB 3/19 - Urteil vom 28. November 2019 - VG Schleswig, 6 A 56/13 - Urteil vom 22. September 2016 -","Urteil vom 17.02.2021 - BVerwG 7 C 3.20ECLI:DE:BVerwG:2021:170221U7C3.20.0 EN Kein Drittschutz der Natura 2000-Vorschriften zugunsten des Eigentümers geschützter Flächen Leitsatz: Der Eigentümer von Grundstücken, die in einem Natura 2000-Gebiet liegen, ist im Rahmen eines Nachbarrechtsstreits nicht berechtigt einen Verstoß gegen die zur Umsetzung der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 S. 7) - FFH-RL - erlassenen Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes zu rügen (Fortführung von BVerwG, Urteil vom 26.  April 2007 - 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 31). Rechtsquellen GG Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BNatschG §§ 32 ff. RL 92/43/EWG Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 3 AK Art. 9 Abs. 2 und 3 Instanzenzug VG Schleswig - 22.09.2016 - AZ: VG 6 A 56/13 OVG Schleswig - 28.11.2019 - AZ: OVG 5 LB 3/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 17.02.2021 - 7 C 3.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:170221U7C3.20.0] Urteil BVerwG 7 C 3.20 VG Schleswig - 22.09.2016 - AZ: VG 6 A 56/13 OVG Schleswig - 28.11.2019 - AZ: OVG 5 LB 3/19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2021 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. November 2019 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen die der Beigeladenen mit Bescheid vom 15. November 2012 erteilte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Asphaltmischanlage. Er ist Eigentümer benachbarter Grundstücke, die innerhalb des Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebietes ""Obere Schwentine"" (FFH DE 1830-391) in Schleswig-Holstein liegen. Die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für die Asphaltmischanlage durchgeführte FFH-Verträglichkeitsprüfung kam zu dem Ergebnis, dass erhebliche Beeinträchtigungen des mindestens 350 m entfernten Schutzgebietes durch die Anlage ausgeschlossen werden könnten. 2 Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhob der Kläger Klage, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 22. September 2016 abgewiesen hat. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 28. November 2019 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, dass der Kläger - gestützt auf Naturschutzrecht - eine Aufhebung der Genehmigung nicht verlangen könne. Ein etwaiger Verstoß gegen die §§ 33, 34 BNatSchG verletze den Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten. Die naturschutzrechtliche Unterschutzstellung von in seinem Eigentum stehenden Flächen verleihe ihm keine eigenen Abwehrrechte. 3 Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts hat der Kläger Revision eingelegt, zu deren Begründung er ausführt: Der Eigentümer von Grundstücken, die in einem Natura 2000-Gebiet liegen, müsse gerichtlich überprüfen lassen können, ob die habitatschutzrechtlichen Vorschriften eingehalten würden, weil nur unter dieser Voraussetzung die ihm durch diese Vorschriften auferlegten Eigentumsbeschränkungen verhältnismäßig seien. Die Verneinung eines Klagerechts stehe zudem im Widerspruch zu Unions- und Völkerrecht. Er sei Teil der betroffenen Öffentlichkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 2 AK. Aus der Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union ergebe sich, dass er sich auf Verstöße gegen Vorschriften der FFH-Richtlinie berufen könne und ihm ein Klagerecht nach Art. 9 Abs. 2 und 3 AK zustehe. 4 Der Kläger beantragt, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. November 2019 aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. 5 Beklagter und Beigeladene beantragen jeweils, die Revision zurückzuweisen. 6 Sie verteidigen das angegriffene Urteil. II 7 Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einem Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Kläger kann sich als Eigentümer von Grundstücken, die in einem Natura 2000-Gebiet liegen, nicht auf die zur Umsetzung der Vorschriften der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 S. 7) - FFH-RL - erlassenen Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes berufen. Ein solches Klagerecht ergibt sich weder aus nationalem Recht (A.), noch aus Unionsrecht oder aus Unionsrecht in Verbindung mit der Aarhus-Konvention (AK) (B.). 8 A. Eine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) hinsichtlich der Vorschriften der §§ 32 ff. BNatSchG kommt nicht in Betracht. 9 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dienen die zum Schutz von Natura 2000-Gebieten erlassenen Vorschriften der §§ 32 ff. BNatSchG, auf die sich der Kläger beruft, allein dem Schutz der natürlichen Lebensräume und der Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse einschließlich der europäischen Vogelarten; sie sind nicht dazu bestimmt, private Belange zu schützen (BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 31). Soweit auch Menschen von den auf den Schutz der genannten Umweltgüter zielenden rechtlichen Vorgaben profitieren - sei es in Gestalt einer Steigerung der empfundenen Lebensqualität, namentlich bei der Befriedigung von Erholungsbedürfnissen, sei es in sonstiger Weise -, liegt darin jeweils ein bloßer Rechtsreflex. Den Personen wird aber keine wehrfähige individuelle Rechtsposition eingeräumt (vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 4. Juli 2018 - 8 A 47/17 - NuR 2019, 348 <351>). 10 2. Aus dem verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nichts Anderes. Das Grundrecht auf Eigentum nach Art. 14 GG gebietet es insbesondere nicht, die allein im öffentlichen Interesse erlassenen Schutzvorschriften für Natura 2000-Gebiete zugunsten des Eigentümers unter Schutz gestellter Grundstücke als individualschützend auszulegen und diesem ein auf §§ 32 ff. BNatSchG gestütztes Klagerecht einzuräumen. Entgegen der Auffassung des Klägers sind mit der Unterschutzstellung eines Gebietes verbundene Einschränkungen der Eigentümerrechte, die eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen, nicht erst dann verhältnismäßig, wenn dem Eigentümer ein Klagerecht gegenüber Verletzungen der für das Gebiet geltenden naturschutzrechtlichen Schutzvorschriften zugestanden wird. 11 a) Maßgeblich für die Verhältnismäßigkeit der mit der naturschutzrechtlichen Unterschutzstellung im Eigentum Privater stehender Flächen verbundenen Ver- und Gebote sowie der dem jeweiligen Eigentümer auferlegten Duldungspflichten (vgl. § 65 BNatSchG) ist vielmehr, ob die Schutzgebietsausweisung - gemessen an den verfassungslegitimen Schutzzielen des Naturschutzrechts - geeignet, erforderlich und im Lichte der freiheitssichernden Funktion der Eigentumsgarantie (vgl. hierzu nur Papier/Shirvani, in: Maunz/Dürig, GG, Stand August 2020, Art. 14 Rn. 1 f. m.w.N.) angemessen ist. Hierbei gilt, dass der Schutz der Natur eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang darstellt (vgl. nur Papier/Shirvani, a.a.O., Art. 14 Rn. 529 ff. m.w.N.) und sich eine gesteigerte Sozialbindung des Eigentums (vgl. Art. 14 Abs. 2 GG) an einem unter Naturschutz gestellten Grundstück aus der Situationsgebundenheit, also der Lage und Beschaffenheit des betreffenden Grundstücks, ergibt (vgl. zum Denkmalschutzrecht BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100, 226 <242>). 12 Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass nicht jede dem Schutzregime widersprechende Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets die Schutzwürdigkeit der betreffenden Flächen und damit den die Beschränkung der Eigentümerbefugnisse rechtfertigenden Grund entfallen lässt. Anderes dürfte erst dann gelten, wenn ein Gebiet - gegebenenfalls auch als Folge einer erheblichen Beeinträchtigung von dritter Seite - endgültig nicht mehr geeignet ist, einen Beitrag zur Verwirklichung der Ziele der FFH-Richtlinie und der zu ihrer Umsetzung ergangenen nationalen Bestimmungen zu leisten (vgl. EuGH, Urteil vom 3. April 2014 - C-301/12 [ECLI:​EU:​C:​2014:​214], Cascina Tre Pini - Rn. 29 f.). In einem solchen Fall kann sich der Eigentümer - auch im Hinblick auf das der Eigentumsgarantie innewohnende Gebot effektiven Rechtsschutzes (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. März 1989 - 4 C 36.85 - BVerwGE 81, 329 <341> m.w.N.) - gegen den Fortbestand der mit der naturschutzrechtlichen Unterschutzstellung verbundenen Eigentumsbeschränkung gerichtlich zur Wehr setzen. Derartiges wurde hier jedoch nicht geltend gemacht. 13 b) Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtsstellung des Denkmaleigentümers, dem durch die Denkmalschutzgesetze der Länder Pflichten auferlegt werden, die (ebenfalls) Bestimmungen über Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen, lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers nichts Anderes ableiten. Hiernach sind Abwehrrechte des Denkmaleigentümers gegen die denkmalrechtliche Genehmigung eines benachbarten Vorhabens, das die Denkmaleigenschaft seines Gebäudes beeinträchtigt, durch die Besonderheit des Denkmalschutzrechts begründet. Diese liegt darin, dem Eigentümer nicht nur Beschränkungen der Verfügungsbefugnis, sondern eine Pflicht zur Erhaltung und Pflege des Denkmals aufzuerlegen, obgleich dessen Unterschutzstellung allein im öffentlichen Interesse liegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 2009 - 4 C 3.08 - BVerwGE 133, 347 Rn. 11 ff.). Vergleichbare Erhaltungs- oder Pflegepflichten wie den Denkmaleigentümer treffen den Eigentümer eines in einem Natura 2000-Gebiet gelegenen Grundstückes nicht. Das Oberverwaltungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass der Eigentümer von FFH-Schutzflächen lediglich alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, zu unterlassen (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG) und Maßnahmen der zuständigen Naturschutzbehörde zu dulden (§ 65 BNatSchG, § 48 Abs. 1 LNatSchG) hat. Sofern der Eigentümer selbst Maßnahmen durchführt, werden ihm die Kosten erstattet (§ 48 Abs. 2 LNatSchG). 14 Auch der Hinweis des Klägers auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum gegenseitigen Nachbarschutz innerhalb eines Baugebietes unter Rückgriff auf die Figur der bau- und bodenrechtlichen Schicksalsgemeinschaft führt nicht weiter. Abgesehen davon, dass sich diese für das spezifische Regelungsgefüge des Bauplanungsrechts entwickelte Rechtsprechung schon nicht ohne weiteres auf andere Rechtsgebiete übertragen lässt, setzt ein von konkreten Beeinträchtigungen unabhängiger Drittschutz (Gebietserhaltungsanspruch hinsichtlich der Nutzungsart) voraus, dass die in Rede stehenden Grundstücke in einem für ein Plangebiet typischen wechselseitigen Austauschverhältnis stehen (vgl. hierzu nur BVerwG, Beschluss vom 15. September 2020 - 4 B 46.19 - juris Rn. 6 m.w.N.). Eine derartige Wechselseitigkeit der Nutzungsmöglichkeiten und Nutzungsbeschränkungen wird im Verhältnis der Grundstücke des Klägers zum Vorhabengrundstück der Beigeladenen durch die habitatschutzrechtlichen Vorschriften nicht begründet. Im Übrigen gebietet Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auch für den Bereich des Baurechts nicht, in jeder Hinsicht nachbarlichen Drittschutz vorzusehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. August 1996 - 4 C 13.94 - BVerwGE 101, 364 <372> und vom 21. April 2009 - 4 C 3.08 - BVerwGE 133, 347 Rn. 15). 15 B. Ein Klagerecht des Klägers lässt sich auch nicht aus Unionsrecht oder aus Unionsrecht in Verbindung mit der Aarhus-Konvention ableiten. 16 1. Die unionsrechtlichen Vorschriften der FFH-Richtlinie verleihen dem Einzelnen - im Einklang mit der Auslegung der nationalen Vorschriften der §§ 32 ff. BNatSchG - keine subjektiven Rechte. 17 a) Die FFH-Richtlinie hat nach ihrem Art. 2 Abs. 1 zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen beizutragen. Nach Art. 2 Abs. 2 FFH-RL zielen die aufgrund der Richtlinie getroffenen Maßnahmen darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen. Ausgehend von diesen Regelungen legt der Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) in seinem Urteil vom 8. November 2016 - C-243/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​838], slowakischer Braunbär II - (Rn. 43) mit Blick auf Art. 6 Abs. 3 der FFH-RL - nach dem für Pläne oder Projekte, die ein Natura 2000-Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten, eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen ist - dar, dass die Vorschrift einen Beitrag zur Verwirklichung des mit den aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen verfolgten Zieles leiste. Der Gerichtshof nimmt zudem auch auf das weitere Ziel Bezug, ein hohes Niveau des Umweltschutzes für die nach der FFH-Richtlinie geschützten Gebiete zu gewährleisten (EuGH, a.a.O.). In diesem Sinne hat bereits die Generalanwältin Kokott im Verfahren ""Herzmuschelfischerei"" darauf hingewiesen, dass keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass durch die FFH-Richtlinie Rechte des Einzelnen begründet würden. Anders als Regelungen über die Qualität der Umgebungsluft oder des Wassers sei der Schutz des gemeinsamen Naturerbes zwar von besonderem Interesse, führe aber zu keinem Anspruch zugunsten Einzelner (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 29. Januar 2004 - C-127/02 [ECLI:​EU:​C:​2004:​60], Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging - Rn. 143). 18 Hinweise darauf, dass der Gerichtshof den Vorschriften der FFH-Richtlinie individualschützenden Charakter beimessen könnte, enthält auch die neueste Rechtsprechung nicht. Einen individuellen Rechtsschutz hält der Gerichtshof allgemein unter der Voraussetzung für geboten, dass natürliche oder juristische Personen unmittelbar von einer Verletzung von Richtlinienbestimmungen betroffen sind (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2019 - C-197/18 [ECLI:​EU:​C:​2019:​824], Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland - Rn. 32). Um festzustellen, ob dies der Fall ist, sind die Zielsetzung sowie die einschlägigen Bestimmungen der maßgeblichen Richtlinie zu prüfen (EuGH, a.a.O., Rn. 35; vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 30. November 2020 - 9 A 5.20 - NuR 2020, 119 Rn. 44 m.w.N.). In Anwendung dieser Grundsätze hat der Gerichtshof zur Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (ABl. L 375 S. 1) - Nitrat-RL - ausgeführt, dass diese Richtlinie unter anderem die menschliche Gesundheit und die rechtmäßige Nutzung der Gewässer schütze. Hieraus leite sich ab, dass eine über ein Grundwasserentnahme- und ‑nutzungsrecht verfügende natürliche oder juristische Person von einer Rechtsverletzung unmittelbar betroffen sei (EuGH, a.a.O., Rn. 36 ff.). In entsprechender Weise hat er in seinem Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 [ECLI:​EU:​C:​2020:​391], Nordrhein-Westfalen - (Rn. 128 ff.) mit Blick auf das Ziel der Wasserrahmenrichtlinie (Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik - WRRL, ABl. L 327 S. 1), das Grundwasser als Ressource für die menschliche Nutzung vor Verunreinigungen zu schützen, die unmittelbare Betroffenheit derjenigen anerkannt, die zur Grundwasserentnahme und -nutzung legitimiert sind. 19 An einer in vergleichbarer Weise auf die menschliche Gesundheit oder die Nutzung der natürlichen Ressourcen bezogenen Zielsetzung fehlt es der FFH-Richtlinie. In diesem Sinne weist der Gerichtshof zur Auslegung von Art. 4 WRRL darauf hin, dass die aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangenen Rechtsvorschriften in den meisten Fällen auf das allgemeine Interesse und nicht auf den alleinigen Schutz der Rechtsgüter Einzelner gerichtet seien (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:​EU:​C:​2017:​987], Protect - Rn. 47; vgl. zuvor auch schon EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - C-115/09 [ECLI:​EU:​C:​2011:​289], Trianel - Rn. 46). 20 b) Entgegen der Auffassung des Klägers und der in diese Richtung gehenden Überlegungen des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 19. Juli 2019 - V ZR 177/17 - (NuR 2020, 50) ergibt sich Abweichendes auch nicht daraus, dass der Gerichtshof in einem Verbandsklageverfahren davon spricht, die praktische Wirksamkeit der FFH-Richtlinie verlange, dass ""die Bürger"" sich vor Gericht auf sie berufen und die nationalen Gerichte sie als Bestandteil des Unionsrechts berücksichtigen können (EuGH, Urteil vom 8. November 2016 - C-243/15, slowakischer Braunbär II - Rn. 44). Diese Ausführungen erfolgen unter ausdrücklicher Bezugnahme auf eine ältere - ebenfalls in einem Verbandsklageverfahren ergangene - Entscheidung des Gerichtshofs zu der der Ermittlung der unmittelbaren Betroffenheit einer Person vorgelagerten Frage der Beachtlichkeit einer Richtlinienbestimmung, hier Art. 6 Abs. 3 FFH-RL, in einem gerichtlichen Verfahren als verbindliches Recht (EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - C-127/02, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging - Rn. 66 und 69). Eine entsprechende Differenzierung findet sich in der bereits zitierten Entscheidung zur Nitrat-Richtlinie. Auch hier stellt der Gerichtshof in einem ersten Schritt fest, dass es mit dem verbindlichen Charakter einer Richtlinie unvereinbar sei, grundsätzlich auszuschließen, dass sich betroffene Personen darauf berufen können, und die praktische Wirksamkeit einer den Mitgliedstaaten durch eine Richtlinie auferlegten Verpflichtung abgeschwächt sei, wenn ""die Bürger"" sich vor Gericht nicht hierauf berufen könnten (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2019 - C-197/18, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland - Rn. 30 f.). Sodann schränkt der Gerichtshof jedoch in einem zweiten Schritt ein, dass ""zumindest natürliche oder juristische Personen, die unmittelbar von einer Verletzung ... betroffen sind"" - und damit gerade nicht ""die Bürger"" schlechthin -, die Einhaltung der entsprechenden Verpflichtung nötigenfalls gerichtlich einfordern können müssen und untersucht im Weiteren die Voraussetzungen, unter denen von einer solchen unmittelbaren Betroffenheit auszugehen ist (EuGH, a.a.O., Rn. 32 und 35 ff.). 21 2. Das Unionsrecht - in Verbindung mit der Aarhus-Konvention - gebietet es auch nicht, dass der Kläger Verstöße gegen Regelungen der FFH-Richtlinie unabhängig von einer Verletzung in eigenen Rechten gerichtlich geltend machen kann. 22 a) Der Gerichtshof stellt die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers für das in Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 1 AK neben der Interessentenklage ausdrücklich aufgeführte Regelungsmodell der dem Individualrechtsschutz dienenden Verletztenklage nicht infrage (EuGH, Urteile vom 12. Mai 2011 - C-115/09, Trianel - Rn. 38 ff., 44 ff., vom 16. April 2015 - C-570/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​231], Gruber - Rn. 32 ff. und vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:​EU:​C:​2015:​683], Kommission/Deutschland - Rn. 32 f.). Eine auch dem Individualkläger offenstehende Popularklage fordert das Unionsrecht - auch in Verbindung mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 47 der Grundrechte-Charta (GRCh) - nicht. Die gebotene Effektivität des Rechtsschutzes bei der Rüge der Verletzung von Vorschriften des Unionsumweltrechts ist in erster Linie durch die Ausgestaltung der verfahrensrechtlichen Stellung der Umweltverbände sicherzustellen, denen schon nach Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 3 Satz 2 und 3 AK eine besondere Rolle zugewiesen ist (EuGH, Urteil vom 8. November 2016 - C-243/15, slowakischer Braunbär II - Rn. 58 ff.; vgl. zum Ganzen auch BVerwG, Urteil vom 28. November 2019 - 7 C 2.18 - BVerwGE 167, 147 Rn. 14). 23 b) Ein Klagerecht des Klägers lässt sich auch nicht gestützt auf Art. 9 Abs. 3 AK herleiten. Nach dieser Norm stellt jede Vertragspartei der Aarhus-Konvention sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen. Die Vorschrift enthält indes keine unbedingte und hinreichend genaue Verpflichtung, die die rechtliche Situation Einzelner unmittelbar regeln könnte. Da nur ""Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen"", Inhaber der in Art. 9 Abs. 3 AK vorgesehenen Rechte sind, hängen die Durchführung und die Wirkungen dieser Vorschrift vom Erlass eines weiteren Rechtsakts ab. Bei der hiernach gebotenen gesetzlichen Festlegung von Kriterien, nach denen ein Mitglied der Öffentlichkeit Zugang zu gerichtlichen Überprüfungsverfahren hat, kommt den Mitgliedstaaten ein Gestaltungsspielraum zu. Dieser ist zwar insoweit eingeschränkt, als Art. 9 Abs. 3 AK in Verbindung mit Art. 47 GRCh die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte, insbesondere der Vorschriften des Umweltrechts, zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urteile vom 8. März 2011 - C-240/09 [ECLI:​EU:​C:​2011:​125], slowakischer Braunbär I - Rn. 45 f. und vom 20. Dezember 2017 - C-664/15, Protect - Rn. 45; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 21 und 37). Das schließt aber hinsichtlich Individualklägern auch in diesem Regelungszusammenhang die Entscheidung für die Verletztenklage nicht aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2019 - 7 C 2.18 - BVerwGE 167, 147 Rn. 14 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteile vom 12. Mai 2011 - C-115/09, Trianel - Rn. 38 ff. und 44 ff., vom 16. April 2015 - C-570/13, Gruber - Rn. 32 ff. und vom 15. Oktober 2015 - C-137/14, Kommission/Deutschland - Rn. 32 f.). 24 Auf der Grundlage der dargestellten Rechtsprechung des Gerichtshofs verbleibt kein Raum für einen vernünftigen Zweifel, so dass es des vom Kläger angeregten Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV nicht bedarf. 25 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2021-13,18.02.2021,"Pressemitteilung Nr. 13/2021 vom 18.02.2021 EN Gewährleistung des wirtschaftlichen Existenzminimums am Ort des internen Schutzes nur in dem durch Art. 3 EMRK geforderten Umfang Von einem Ausländer, dem in einem Teil seines Herkunftslandes Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden droht, kann in Bezug auf die materiellen Existenzbedingungen vernünftigerweise bereits dann erwartet werden, sich an einem für ihn erreichbaren sicheren Landesteil niederzulassen (Ort des internen Schutzes nach § 3e AsylG), wenn sein wirtschaftliches Existenzminimum dort ohne Verstoß gegen Art. 3 EMRK gewährleistet ist; dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die allgemeinen Lebensverhältnisse im Herkunftsstaat auf einem niedrigen Niveau befinden. So hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, ein nach eigenen Angaben 1996 geborener afghanischer Staatsangehöriger, stammt aus der Provinz Nangarhar. Sein im November 2015 gestellter Asylantrag und die nachfolgend erhobene Klage blieben ohne Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat die auf den subsidiären Schutz beschränkte Berufung zurückgewiesen, weil dem Kläger jedenfalls in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif interner Schutz zur Verfügung stehe. Diese Städte könne er legal und sicher erreichen, auch drohe ihm dort weder Verfolgung noch die Gefahr eines ernsthaften Schadens. Die Niederlassung dort sei für ihn zumutbar und könne daher von ihm auch ""vernünftigerweise erwartet"" werden. Maßstab hierfür sei, dass dort ein die Gewährleistungen des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC wahrendes Existenzminimum gewährleistet sei und auch keine anderweitige schwerwiegende Verletzung grundlegender Grund- oder Menschenrechte oder eine sonstige unerträgliche Härte drohe. Dies müsse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden können; die Bundesrepublik Deutschland trage insoweit die materielle Beweislast. Weitergehende Anforderungen an die Qualität der Lebensverhältnisse am Ort des internen Schutzes (z.B. ein auf Dauer gesichertes Leben zumindest etwas oberhalb des Existenzminimums) seien aus dem System des internationalen Schutzes nicht abzuleiten. Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat den Maßstab des Berufungsgerichts bestätigt. Ob eine Niederlassung in einem sicheren Landesteil bei umfassender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zumutbar ist („vernünftigerweise erwartet werden kann""), erfordert neben der Abwesenheit einer begründeten Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden oder einer anderweitigen schwerwiegenden Verletzung grundlegender Grund- oder Menschenrechte u.a., dass das wirtschaftliche Existenzminimum des Ausländers unter Berücksichtigung sowohl der allgemeinen Lebensverhältnisse am Ort des internen Schutzes als auch seiner persönlichen Umstände gewährleistet ist. Erforderlich, aber auch ausreichend hierfür ist die Sicherung der Existenz auf einem Mindestniveau, das eine Verletzung des Art. 3 EMRK vermeidet. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der Subsidiarität des externen internationalen Flüchtlingsschutzes gegenüber der internen Schutzgewähr im Herkunftsstaat, aus der Zielsetzung des internen Schutzes, Schutz vor flüchtlingsrechtlich relevanten Gefahren zu gewährleisten, sowie aus der Entstehungsgeschichte des § 3e AsylG und der durch diesen umgesetzten unionsrechtlichen Regelungen, die insoweit an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anknüpfen. Für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bestand hier keine Veranlassung. Soweit teilweise darauf abgestellt wird, dass der Ausländer am Ort des internen Schutzes ein „(relativ) normales Leben“ führen können muss, weist dies angesichts des allgemeinkundig niedrigen Niveaus der allgemeinen Lebensverhältnisse in Afghanistan in der vorliegenden Konstellation nicht auf eine entscheidungserhebliche, durch den EuGH klärungsbedürftige Maßstabsdifferenz. BVerwG 1 C 4.20 - Urteil vom 18. Februar 2021 Vorinstanzen: VGH Mannheim, A 11 S 2376/19 - Urteil vom 29. November 2019 - VG Stuttgart, A 6 K 7215/16 - Urteil vom 24. Mai 2019 -","Urteil vom 18.02.2021 - BVerwG 1 C 4.20ECLI:DE:BVerwG:2021:180221U1C4.20.0 EN Zumutbarkeit der Niederlassung nur bei Sicherung des wirtschaftlichen Existenzminimums am Ort des internen Schutzes Leitsätze: 1. Die Niederlassung in einem sicheren Landesteil (§ 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG) kann i.S.d. § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG vernünftigerweise erwartet werden (Zumutbarkeit der Niederlassung), wenn bei umfassender wertender Gesamtbetrachtung der allgemeinen wie der individuellen persönlichen Verhältnisse am Ort des internen Schutzes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keine anderen Gefahren oder Nachteile drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer für den internationalen Schutz relevanten Rechtsgutbeeinträchtigung gleichkommen, und auch sonst keine unerträgliche Härte droht. Der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz am Ort des internen Schutzes ist dabei eine hervorgehobene Bedeutung beizumessen. 2. Das wirtschaftliche Existenzminimum muss am Ort des internen Schutzes nur auf einem Niveau gewährleistet sein, das eine Verletzung des Art. 3 EMRK nicht besorgen lässt. Darüber hinausgehende Anforderungen sind keine notwendige Voraussetzung der Zumutbarkeit einer Niederlassung. 3. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge trägt die Darlegungs- und materielle Beweislast dafür, dass das wirtschaftliche Existenzminimum bei der gebotenen Prognose gewährleistet ist. Rechtsquellen AsylG § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 3, §§ 3b, 3c und 3e, 4 AufenthG § 60 Abs. 5 und 7 EMRK Art. 3 GRC Art. 4 RL 2004/83/EG Art. 8 RL 2011/95/EU Art. 4 Abs. 4, Art. 8 Abs. 1 VwGO § 101 Abs. 2, § 137 Abs. 2 Instanzenzug VG Stuttgart - 24.05.2019 - AZ: VG A 6 K 7215/16 VGH Mannheim - 29.11.2019 - AZ: VGH A 11 S 2376/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 18.02.2021 - 1 C 4.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:180221U1C4.20.0] Urteil BVerwG 1 C 4.20 VG Stuttgart - 24.05.2019 - AZ: VG A 6 K 7215/16 VGH Mannheim - 29.11.2019 - AZ: VGH A 11 S 2376/19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 18. Februar 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29. November 2019 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger, ein nach eigenen Angaben 1996 geborener afghanischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens aus der Volksgruppe der Paschai, begehrt die Zuerkennung subsidiären Schutzes. 2 Der Kläger stammt aus einem Dorf in der Provinz Nangarhar. Er verließ Afghanistan im September 2015 und reiste nach eigenen Angaben Mitte Oktober 2015 in das Bundesgebiet ein. Zur Begründung seines im November 2015 gestellten Asylantrages gab er im Kern an, als Mitarbeiter des UN World Food Programme über seinen Vater einen Drohbrief der Taliban erhalten zu haben, die ihn aufgefordert habe, seine Arbeit für das Hilfsprogramm einzustellen und sich den Taliban anzuschließen. Er sei daraufhin nicht mehr in sein Heimatdorf zurückgekehrt und ausgereist. 3 Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag mit Bescheid vom 24. Oktober 2016 ab, drohte dem Kläger unter Setzung einer Ausreisefrist die Abschiebung nach Afghanistan an und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Dem Kläger drohe schon keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung, und es bestehe jedenfalls in einigen, für ihn auch erreichbaren Städten Afghanistans zumutbarer interner Schutz. Das Verwaltungsgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. 4 Der Verwaltungsgerichtshof hat die von ihm hinsichtlich der Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes zugelassene Berufung des Klägers mit Urteil vom 29. November 2019 zurückgewiesen und zur Begründung im Kern ausgeführt: Ob dem Kläger in seiner Heimatregion mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens und seiner körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) gedroht habe, könne offenbleiben, weil diesem in den drei größeren Städten Afghanistans (Kabul, Herat und Mazar-e Sharif) interner Schutz (§ 3e Abs. 1 AsylG) zur Verfügung stehe. Der Kläger sei in den genannten Städten frei von begründeter Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden; insbesondere sei dort nicht mit einem fortbestehenden Verfolgungsinteresse durch die Taliban zu rechnen. Diese drei Städte seien für den Kläger jedenfalls auf dem Luftweg sicher und legal zu erreichen; für den Zuzug bestünden auch keine rechtlichen oder administrativen Zuzugshindernisse. 5 Von dem Kläger könne vernünftigerweise auch erwartet werden, dass er sich in einer der drei Städte niederlasse (Zumutbarkeit der Niederlassung). Die Zumutbarkeit der Niederlassung erfordere mehr als die bloße Freiheit von Verfolgung und ernsthaftem Schaden. Die Lebensbedingungen und sonstigen Umstände am Ort des internen Schutzes dürften auch nicht so sein, dass sich der Betroffene gezwungen sehe, den vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden sicheren Landesteil (wieder) zu verlassen, weil er dort nicht menschenwürdig leben könne. Die Niederlassung in einem sicheren Landesteil sei jedenfalls dann zumutbar, wenn bei umfassender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ein die Gewährleistungen des Art. 3 EMRK wahrendes Existenzminimum gesichert sei und auch keine anderweitige schwerwiegende Verletzung grundlegender Grund- oder Menschenrechte oder eine sonstige unerträgliche Härte drohe. Am Ort des internen Schutzes müsse die Existenz des Betroffenen in dem Sinne gewährleistet sein, dass der Betroffene auf Basis der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinde; bewirkte die Situation am vermeintlichen Schutzort einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK, scheide interner Schutz aus. Welche Gewährleistungen genau aus den Grund- und Menschenrechten folgten und ob diese einer Niederlassung konkret entgegenstünden, sei jeweils unter umfassender Berücksichtigung des Einzelfalles zu prüfen; zu den zu berücksichtigenden Umständen gehörten objektive Gesichtspunkte, darunter insbesondere die wirtschaftlichen und humanitären Verhältnisse einschließlich der Gesundheitsversorgung, und subjektive Umstände, wie etwa Alter, Geschlecht, familiärer und biografischer Hintergrund, Gesundheitszustand, finanzielle Situation bezogen auf Vermögen und Erwerbsmöglichkeiten sowie Leistungen aus Hilfsangeboten für Rückkehrer, Fähigkeiten/Ausbildung/Berufserfahrung, das Vorhandensein von tragfähigen sozialen Beziehungen/Netzwerken am Ort des internen Schutzes, Kenntnisse zumindest einer der am Ort des internen Schutzes gesprochenen Sprachen sowie ggf. die Volkszugehörigkeit. Diese Mindestanforderungen entsprächen jenen, die aus Völker- und Unionsrecht folgten, das darauf abstelle, ob der Betroffene an dem infrage kommenden Ort einer durch Art. 3 EMRK verbotenen Behandlung ausgesetzt wäre, also ein Leben unterhalb eines menschenwürdigen Existenzminimums ausgeschlossen sei. Soweit in den Handreichungen des Hohen Flüchtlingskommissars (UNHCR), im Schrifttum oder in der Rechtsprechung teils vertreten werde, dass die Sicherung des wirtschaftlichen Existenzminimums über einen unabdingbaren, durch Art. 3 EMRK gekennzeichneten Grund- und Menschenrechtsschutz hinauszugehen habe, sei dem nicht zu folgen. Allerdings müsse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit feststehen, dass nach den allgemeinen Verhältnissen am Ort der Niederlassung das so definierte Existenzminimum gewahrt sei; insoweit trage die Beklagte die (materielle) Beweislast für die Umstände, welche die Niederlassung am Ort des internen Schutzes als zumutbar erscheinen ließen. Nach diesen Grundsätzen seien die tatsächlichen Erkenntnisse zur Lage in Afghanistan dahin zu bewerten, dass es dem Kläger, für den besondere, individuell gefahrerhöhende Merkmale oder Erschwerungen bei der Lebensunterhaltssicherung nicht festzustellen seien, gelingen werde, sein Existenzminimum hinreichend zu sichern. 6 Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG und macht geltend: An die Zumutbarkeit der Niederlassung seien über die Wahrung des Existenzminimums hinausgehende Anforderungen zu stellen. Das Berufungsgericht sei bei seiner Bewertung der allgemeinen Lebensverhältnisse mithin von einem bundesrechtswidrig zu strengen Maßstab ausgegangen und habe infolgedessen unzureichende tatsächliche Feststellungen zur Zumutbarkeit der Niederlassung getroffen. Bereits aus dem Wortlaut, der auf die Zumutbarkeit der ""Niederlassung"" (""settlement"") abstelle, folge, dass eine dauerhafte Ansiedlung mit echter wirtschaftlicher und kultureller Teilhabe, die mit jener der am Ort ansässigen Bevölkerung vergleichbar sei, möglich sein müsse. 7 Der Schutzsuchende könne nicht in sein ""altes Leben"" zurückkehren und insoweit am Ort des internen Schutzes an seine frühere Lebenssituation anknüpfen. Hierin sieht sich der Kläger durch die vom Berufungsgericht dargestellte, weitergehende Anforderungen stellende Rechtsprechung bestätigt. 8 Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Für die Zumutbarkeit des internen Schutzes sei das Berufungsgericht gerade nicht davon ausgegangen, dass auch ein ""Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums"" zumutbar sei, sondern habe im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Gerichtshofs der Europäischen Union darauf abgestellt, dass bei der Zumutbarkeitsbetrachtung neben einer (drohenden) Gefährdung des Art. 3 EMRK auch anderweitige schwerwiegende Verletzungen grundlegender Grund- und Menschenrechte oder sonstige unerträgliche Härten zu berücksichtigen seien. Wenn in Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse am Ort des internen Schutzes eine Niederlassung aus Gründen als unzumutbar einzustufen sei, die bei Personen, die am Herkunftsort leben, keine für den Flüchtlingsschutz relevante Gefahr im Sinne der §§ 3 und 4 AsylG bildeten, ergäbe sich ein unzulässiger Wertungswiderspruch. 9 Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich nicht am Verfahren beteiligt. II 10 Die Revision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht entschieden, dass von dem Kläger - in dem für die Berufungsentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt - vernünftigerweise erwartet werden konnte, sich in einem der im Berufungsurteil bezeichneten Orte des internen Schutzes niederzulassen (1.). Insbesondere hat er für die Beurteilung der Anforderungen, welche für den internen Schutz an die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz zu stellen sind, einen zutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt (2.). Dem Kläger stehen nationale Abschiebungsverbote nicht zur Seite (3.). Die Revision hat auch im Übrigen keinen Erfolg (4.). 11 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des auf die Gewährung subsidiären Schutzes gerichteten Klagebegehrens ist das Asylgesetz (AsylG) in seiner aktuellen Fassung (derzeit: in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 , zuletzt geändert durch das am 1. Januar 2021 in Kraft getretene Neunundfünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen vom 9. Oktober 2020 ). Rechtsänderungen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz eintreten, sind im Revisionsverfahren zu berücksichtigen, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Tatsachengericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es diese nunmehr träfe, die aktuelle Fassung zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 12). Die maßgeblichen Bestimmungen haben sich seit der Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht geändert. 12 Wegen des maßgeblichen Zeitpunktes für die Beurteilung der Sachlage hat die Entwicklung der Verhältnisse im Herkunftsstaat seit November 2019 außer Betracht zu bleiben; für das Revisionsverfahren unerheblich ist mithin, dass das Berufungsgericht angesichts der gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Afghanistan infolge der COVID-19-Pandemie seine Rechtsprechung modifiziert hat und auch im Falle eines leistungsfähigen, erwachsenen Mannes ohne Unterhaltsverpflichtungen bei Rückkehr aus dem westlichen Ausland die hohen Anforderungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK derzeit regelmäßig als erfüllt sieht, wenn in seiner Person keine besonderen begünstigenden Umstände vorliegen (VGH Mannheim, Urteil vom 17. Dezember 2020 - A 11 S 2042/20 [ECLI:​DE:​VGHBW:​2020:​1217.A11S2042.20.00] - juris; a.A. weiterhin VGH München, Urteil vom 26. Oktober 2020 - 13a B 20.31087 - juris). 13 1. Einer Zuerkennung subsidiären Schutzes für den Kläger, für den das Berufungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) an seinem Herkunftsort nicht abschließend geprüft, aber auch nicht verneint hat, steht entgegen, dass er - vorbehaltlich der gesondert zu behandelnden wirtschaftlichen Existenzbedingungen (2.) - nach § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG auf die Städte Kabul, Herat und Mazar-e Sharif als Orte des internen Schutzes verwiesen werden kann. Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage eines mit Bundesrecht vereinbaren Maßstabes verfahrensfehlerfrei zu der Bewertung gelangt, dass der Kläger in diesen Landesteilen keine begründete Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden hat (§ 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG) (1.1), er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann (1.2) und er dort aufgenommen wird (1.3). 14 1.1 a) Ob einem Ausländer in einem anderen Landesteil keine für den internationalen Schutz relevanten Gefahren drohen, ist regelmäßig nur dann entscheidungserheblich, wenn die in einem anderen Landesteil drohenden Gefahren nicht von dem Staat ausgehen. Erwägungsgrund 27 Satz 2 RL 2011/95/EU geht davon aus, dass bei staatlicher Verfolgung eine Vermutung dafür bestehen soll, dass dem Antragsteller kein wirksamer Schutz zur Verfügung steht. Geht eine Gefahrenlage im Sinne der § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 AsylG von einem anderen Akteur, etwa einer Partei oder Organisation, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrscht, aus (§ 3c Nr. 2 AsylG) und besteht sie nur in einem Teil seines Herkunftslandes, setzt der Verweis auf einen anderen Landesteil als Ort des internen Schutzes voraus, dass dem Ausländer dort nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erneut eine für internationalen Schutz beachtliche Gefahrenlage droht. 15 Die Tatsache der Verfolgung oder eines ernsthaften Schadens in einem Landesteil ist nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor neuerlicher Verfolgung oder Gefahr eines ernsthaften Schadens auch am Ort des internen Schutzes begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die Feststellung einer allgemeinen Änderung der innenpolitischen Verhältnisse im Heimatland kann nicht erst dann als ""stichhaltiger Grund"" im Sinne des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU für die Widerlegung dieser Vermutung herangezogen werden, wenn auch die Dauerhaftigkeit dieser Änderung im Sinne der dazu bei der Bestimmung des Wegfalls der Umstände im Rahmen des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU entwickelten Grundsätze festgestellt wird; die stichhaltigen Gründe im Sinne des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU dienen der Entkräftung einer den Antragsteller privilegierenden Beweislastregel, an die sich - auch bei festgestelltem Wegfall der Privilegierung - eine umfassende Prüfung der geltend gemachten Schutzgründe anzuschließen hat (BVerwG, Beschluss vom 17. September 2019 - 1 B 43.19 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​170919B1B43.19.0] - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 120). Diese Prüfung selbst folgt dann den Grundsätzen, welche der Gerichtshof der Europäischen Union für die Prüfung aufgestellt hat, ob eine begründete Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden besteht (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - C-175/08 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2010:​105], Abdulla u.a. - Rn. 55 ff., 93; s.a. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 Rn. 18 ff.). 16 b) In Beachtung dieser Grundsätze ist das Berufungsgericht unter eingehender Würdigung hinreichend genauer und aktueller Informationen (§ 3e Abs. 2 Satz 2 AsylG) zu den am Ort des internen Schutzes bestehenden allgemeinen Verhältnissen, insbesondere auch unter Berücksichtigung von Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) und des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO), zu der Feststellung gelangt, dass dem Kläger an den benannten Orten des internen Schutzes insbesondere weder eine Gefahr (""real risk"") (erneuter) Verfolgung durch die Taliban droht noch dort für ihn - ungeachtet der teils prekären Sicherheitslage - eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts besteht. Gegen diese Feststellungen sind zulässige und begründete Revisionsrügen nicht vorgebracht, so dass sie für den Senat bindend sind (§ 137 Abs. 2 VwGO). 17 1.2 Die vom Berufungsgericht angenommenen Orte des internen Schutzes sind für den Kläger tatsächlich sicher und legal erreichbar. 18 a) Tatsächliche Erreichbarkeit setzt voraus, dass es nutzbare Verkehrsverbindungen vom Ort eines eigenen Aufenthalts (Herkunftsregion; Ort des externen Schutzgesuches) zum Ort des internen Schutzes gibt, die ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten und auch zu Kosten, die aufzubringen dem Ausländer nicht unmöglich oder unzumutbar sind, genutzt werden können. Durch § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG/Art. 8 Abs. 1 RL 2011/95/EU überholt ist eine zu einer früheren Rechtslage ergangene Rechtsprechung, dass vorübergehende Rückkehrhindernisse, etwa unterbrochene Verkehrsverbindungen, unschädlich seien (so noch BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 20). 19 ""Legal"" erreichbar ist ein Ort des internen Schutzes, wenn er unter Nutzung legal nutzbarer Verkehrsverbindungen erreicht werden kann. Dem Ausländer wird kein illegales Verhalten abverlangt, um zum Ort des internen Schutzes zu gelangen. Er muss aber die Transportmittel oder die Reiseroute selbst nicht rechtlich völlig frei wählen und nutzen können; Anmeldungs- oder Genehmigungsvorbehalte sind jedenfalls dann unschädlich, wenn sie aus legitimen Gründen (etwa Sicherheitszwecken) aufgestellt sind und der Ausländer eine tatsächliche, reale Möglichkeit hat, die entsprechenden Genehmigungen auch zu erhalten. Unschädlich sind Straßenkontrollen auf dem Reiseweg oder sonstige administrative Reisebeschränkungen, die die Fortbewegung als solche nicht (nachhaltig) beeinträchtigen. Der Zugang in die Gebiete des internen Schutzes mit dem Ziel des Zuzuges darf schließlich nicht rechtlich entweder vollständig untersagt oder nur unter sachlich nicht gerechtfertigten Voraussetzungen (z.B. Genehmigungen) möglich sein, die der Ausländer tatsächlich nicht oder nur unter für ihn unzumutbaren Bedingungen erfüllen kann. 20 ""Sicher"" ist ein Ort des internen Schutzes erreichbar, wenn Transportmittel oder eine Reiseroute zur Verfügung stehen, bei deren Nutzung der Ausländer sich nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr aussetzen muss, dem Zugriff von verfolgungsmächtigen Akteuren ausgesetzt zu werden oder einen ernsthaften Schaden zu erleiden. 21 b) Das Berufungsgericht hat unter Beachtung dieser Grundsätze - den Senat bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO) - festgestellt, dass die von ihm benannten Orte des internen Schutzes tatsächlich sicher und legal erreichbar sind, und zwar jedenfalls auf dem Luftweg. Dabei hat es im Einklang mit Bundesrecht (§ 77 AsylG) für den Ort, von dem aus die Reise anzutreten ist, auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung abgestellt. 22 1.3 Der Kläger konnte auch damit rechnen, an den Orten des internen Schutzes aufgenommen zu werden. 23 a) Am Ort des internen Schutzes findet ein Ausländer ""Aufnahme"", wenn er nach dessen legaler Erreichbarkeit nicht nur erstmaligen Zugang erhält, sondern dort legal seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen kann. Der dauernde Aufenthalt darf mithin nicht kraft Gesetzes oder durch administrative Beschränkungen vollständig untersagt oder von Voraussetzungen abhängig sein, die von dem Ausländer tatsächlich nicht oder nur unter für ihn unzumutbaren Bedingungen erfüllt werden können. Es darf mithin kein illegaler Aufenthalt und in dem Sinne unbeständiger Aufenthalt sein, so dass der Ausländer jederzeit mit seiner Beendigung rechnen muss; unschädlich sind aufenthaltsbegrenzende Maßnahmen, Befristungen oder sonstige Voraussetzungen, die tatsächlich nicht durchgesetzt werden und deren Nichtbeachtung geduldet wird. 24 Aus dem Begriff des ""Aufnahme Findens"" ergeben sich jenseits der Möglichkeit einer mehr als vorübergehenden, hinreichend gesicherten physischen Präsenz am Ort des internen Schutzes keine weitergehenden Anforderungen an die Qualität des Aufenthalts. Der interne Schutz soll lediglich wirksam und nicht nur vorübergehender Art sein (Erwägungsgrund 26 RL 2011/95/EU). Die ""Aufnahme"" ist aber von der Zumutbarkeit der Niederlassung zu unterscheiden. ""Aufnahme"" besagt nichts zu den Aufnahmebedingungen und umfasst schon begrifflich insbesondere nicht positive Maßnahmen am Aufnahmeort, etwa gezielte Unterstützungs- und Integrationsmaßnahmen, die Ermöglichung einer diskriminierungsfreien, gleichberechtigten Teilhabe am öffentlichen Leben oder sonstige Maßnahmen sozioökonomischer Integration (a.A. Marx, AsylG, 10. Aufl. 2019, § 3e Rn. 24 ff.; Wittmann, in: Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 7. Edition, Stand 1. Januar 2021, § 3e AsylG Rn. 51). Dies bestätigen nicht zuletzt die englische und die französische Sprachfassung des Art. 8 Abs. 1 RL 2011/95/EU (""gain admittance""; ""obtenir l'autorisation d'y pénétrer""). Solange tatsächlich die physische Präsenz am Ort des internen Schutzes legal möglich oder doch verlässlich geduldet wird, sind auch Fragen der Aufnahmefähigkeit eines Ortes oder Landesteils erst und allein im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit der Niederlassung zu berücksichtigen, wenn sie sich auf die Lebensverhältnisse und Aufnahmebedingungen von Binnenflüchtlingen oder Rückkehrern auswirken und zugleich bewirken, dass diese das nach Art. 3 EMRK zu wahrende Mindestniveau unterschreiten. 25 b) Aus den nicht mit der Verfahrensrüge angegriffenen und damit bindenden Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) des Berufungsgerichts ergibt sich weder, dass der Zuzug noch der nachfolgende Aufenthalt in den als Orte des internen Schutzes benannten Städten kraft Gesetzes oder in der administrativen Praxis beschränkt wäre. 26 2. Das Berufungsgericht ist im Einklang mit Bundesrecht auch zu der Bewertung gelangt, dass von dem Kläger vernünftigerweise erwartet werden kann, sich in einer der genannten Städte niederzulassen (Zumutbarkeit der Niederlassung). 27 Die Frage der Zumutbarkeit der Niederlassung erfordert eine umfassende wertende Gesamtbetrachtung der allgemeinen wie der individuellen Verhältnisse unter Berücksichtigung der in § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG genannten Dimensionen (2.1). Hierbei sind auch und gerade die wirtschaftlichen Verhältnisse in den Blick zu nehmen, die der Ausländer am Ort der Niederlassung zu gewärtigen hat. Erforderliche, aber auch hinreichende Voraussetzung für die Niederlassung ist, dass das wirtschaftliche Existenzminimum auf einem Niveau gewährleistet ist, das eine Verletzung des Art. 3 EMRK nicht besorgen lässt; darüber hinausgehende Anforderungen sind nicht notwendige Voraussetzung der Zumutbarkeit der Niederlassung (2.2). Der Senat kann entscheiden, ohne dass es für die vorliegende Fallkonstellation eines Landes mit - wie hier Afghanistan - hoher Armut zuvor einer weiteren Klärung durch den EuGH bedarf (2.3). Auf der Grundlage dieser Maßstäbe hat das Berufungsgericht die Zumutbarkeit der Niederlassung ohne Bundesrechtsverstoß bejaht (2.4). 28 2.1 Die Zumutbarkeit der Niederlassung tritt selbständig neben die Sicherheit vor (neuerlicher) Verfolgung oder der Gefahr eines ernsthaften Schadens (§ 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG). Zumutbar ist die Niederlassung dann, wenn am Ort des internen Schutzes auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit andere Gefahren oder Nachteile drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer für den internationalen Schutz relevanten Rechtsgutbeeinträchtigung gleichkommen. Ist interner Schutz indes zumutbar in Anspruch zu nehmen, liegen die Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes nicht vor. 29 § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG dient indirekt dem Refoulement-Schutz. Der Ausländer soll wegen der allgemeinen Verhältnisse, die für ihn am von Verfolgung freien, sicheren Ort des internen Schutzes herrschen, nicht gezwungen sein, die Verfolgungssicherheit aufzugeben, in das ursprüngliche Verfolgungsgebiet zurückzukehren oder sich in einen anderen Landesteil zu begeben, in dem möglicherweise Verfolgung oder andere Formen von schwerem Schaden drohen (s. Nr. 21 UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz: ""Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative"" im Zusammenhang mit Artikel 1 A (2) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, HCR/GIP/03/04 vom 23. Juli 2003 - nachfolgend: UNHCR-Richtlinie 2003; EGMR, Urteile vom 28. Juni 2011 - Nr. 8319/07, 11449/07 [ECLI:​CE:​ECHR:​2011:​0628JUD000831907], Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich - Rn. 267 ff., vom 27. Juni 2013 - Nr. 68335/10 [ECLI:​CE:​ECHR:​2013:​0627JUD006833510], N.M.B./Schweden - Rn. 37 und - Nr. 28379/11 [ECLI:​CE:​ECHR:​2013:​0627JUD002837911], D.N.M./Schweden - Rn. 54; BVerfG, Beschlüsse vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315 <343 f.> und vom 10. November 1989 - 2 BvR 403/84 u.a. - BVerfGE 81, 58 <65 f.>; Kammerbeschluss vom 24. März 1997 - 2 BvR 1024/95 - InfAuslR 1997, 273 <275 f.>). 30 Die Zumutbarkeit der Niederlassung am Ort des internen Schutzes bleibt mithin eingebettet in den flüchtlingsrechtlichen Zusammenhang. Sie zielt nicht darauf, die in völker- und unionsrechtlichen Kodifikationen enthaltenen Grund- oder Menschenrechte umfassend zu verwirklichen; jenseits der Missachtung grundlegender Menschenrechtsstandards scheidet ein Gebiet nicht schon dann als Ort internen Schutzes aus, wenn dort ""irgendein bürgerliches, politisches oder sozioökonomisches Menschenrecht vorenthalten wird"" (Nr. 28 UNHCR-Richtlinie 2003). Die Vorenthaltung von Grund- oder Menschenrechten bürgerlicher, politischer, sozialer und kollektiver Natur, die nach Art oder Wiederholung nicht so gravierend sind, dass sie weder für sich noch in der Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen als Verfolgungshandlung (§ 3a Abs. 1 AsylG) zu werten sind, reicht regelmäßig nicht aus; umgekehrt macht eine als Verfolgungshandlung zu qualifizierende Beeinträchtigung grundlegender Menschenrechte die Niederlassung am Ort des internen Schutzes grundsätzlich auch dann unzumutbar, wenn die schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte nicht im Sinne des § 3a Abs. 3 AsylG auf einen Verfolgungsgrund (§ 3b AsylG) zurückzuführen ist oder nicht von einem verfolgungsmächtigen Akteur (§ 3c AsylG) ausgeht. Entsprechendes gilt über § 4 Abs. 3 AsylG beim subsidiären Schutz. Der vorliegende Fall gibt dabei keinen Anlass zur abschließenden Erörterung der Frage, unter welchen Voraussetzungen in Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 3a Abs. 1 AsylG nicht erfüllt sind, die Nichtbeachtung von Menschenrechten am Ort des internen Schutzes eine Niederlassung unzumutbar macht. 31 Ob auch diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist nach § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG unter Berücksichtigung der allgemeinen Gegebenheiten am Ort des internen Schutzes, insbesondere der wirtschaftlichen und humanitären Verhältnisse einschließlich der Gesundheitsversorgung, sowie der persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 RL 2011/95/EU zu prüfen, also insbesondere von familiärem und sozialem Hintergrund, Geschlecht und Alter. Nr. 25 UNHCR-Richtlinie 2003 nennt als maßgebliche Faktoren Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale oder andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- und Arbeitshintergrund und -möglichkeiten sowie ggf. erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen. Maßstab für die Zumutbarkeit ist mithin nicht eine ""(hypothetische) vernünftige Person"" oder eine von individuellen Besonderheiten abstrahierende Betrachtungsweise. In den Blick zu nehmen sind die jeweils schutzsuchende Person und ihre konkreten Möglichkeiten, am Ort des internen Schutzes (über)leben zu können. Diese konkret-individuelle Betrachtungsweise wirkt sich indes nicht - gar notwendig oder regelmäßig - darauf aus, welche Lebens- und Entfaltungschancen auf welchem Niveau gewährleistet sein müssen; sie prägt die Beurteilung, ob das menschenrechtlich zumutbare Mindestniveau auch in jedem Einzelfall gewahrt werden kann. 32 Die Berücksichtigung der allgemeinen Gegebenheiten am Ort des internen Schutzes prägt im Rahmen der hiernach vorzunehmenden Gesamtschau auch, welche Gewährleistungen konkret aus den Grund- und Menschenrechten folgen. Das Berufungsgericht geht im Anschluss an den UNHCR (Nr. 25 UNHCR-Richtlinie 2003) davon aus, dass die Niederlassung am Ort des internen Schutzes im Einzelfall ausnahmsweise unzumutbar sein kann, obwohl keine Verletzung von Grund- oder Menschenrechten droht, etwa wenn sie für den Betroffenen aus anderen Gründen eine unerträgliche Härte bedeutete, weil er aus kulturellen oder ethnischen Gründen isoliert wäre oder durch die Mehrheitsbevölkerung erheblich diskriminiert würde, so dass ein Leben ohne unerträgliche Härten nicht möglich wäre. 33 2.2 Die vom Senat bislang offengelassene Frage (BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 35 und vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 20; Beschluss vom 14. November 2012 - 10 B 22.12 - NVwZ 2013, 282 <283>), welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards den Zumutbarkeitsmaßstab prägen, ist im Einklang mit dem Berufungsgericht in Bezug auf das wirtschaftliche Existenzminimum dahin zu beantworten, dass die Wahrung des durch Art. 3 EMRK geforderten Existenzminimums nicht nur notwendige, sondern auch hinreichende Voraussetzung für die Zumutbarkeit der Niederlassung ist. Der Senat verkennt dabei nicht, dass das Schrifttum weit überwiegend, wenngleich in teils unklarem Umfang eine wirtschaftliche Existenzsicherung oberhalb des durch Art. 3 EMRK Gebotenen für angezeigt hält (s. nur Bergmann, in: ders./Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 3e AsylG Rn. 3; Dörig, in: ders. , Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2. Aufl. 2020, § 19 Rn. 151 f.; Kluth, in: ders./Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 28. Edition, Stand 1. Januar 2021, § 3e AsylG Rn. 8; Lehmann, NVwZ 2007, 508 <513 f.>; Marx, AsylG, 10. Aufl. 2019, § 3e Rn. 28 f., 30; ders., ZAR 2017, 304 <306 ff.>; Möller, in: Hofmann , Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 3e AsylG Rn. 7; Wittmann, in: Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 7. Edition, Stand 1. Januar 2021, § 3e AsylG Rn. 44 ff.; a.A. Hailbronner, Ausländerrecht, § 3e AsylG Rn. 14 f., Stand Juni 2014). 34 Die materiellen Existenzbedingungen am Ort des internen Schutzes haben für die Zumutbarkeit eine besondere Bedeutung (2.2.1). Über das durch Art. 3 EMRK geforderte Existenzminimum hinausgehende, weitergehende Anforderungen ergeben sich weder aus dem Wortlaut des § 3e Abs. 1 AsylG noch aus dem Gebot des § 3e Abs. 2 AsylG, die allgemeinen Lebensverhältnisse des Herkunftslandes zu berücksichtigen (2.2.2). Die Funktion, die dem internen Schutz im System des internationalen Schutzes zukommt, weist - nicht zuletzt im Vergleich mit den Gründen, die schutzbegründend wirken können - gegen einen oberhalb des aus Art. 3 EMRK folgenden Mindeststandard für die wirtschaftlichen Lebensverhältnisse am Ort des internen Schutzes (2.2.3). Entsprechendes gilt für die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU (2.2.4). Gegenteiliges folgt nicht aus der UNHCR-Richtlinie 2003 und hieran anknüpfender Rechtsprechung (2.2.5). Die Entstehungsgeschichte des Art. 8 RL 2011/95/EU, dessen Umsetzung § 3e AsylG dient, bekräftigt die Anknüpfung an den durch Art. 3 EMRK geprägten Mindestschutzstandard (2.2.6). 35 2.2.1 Das Berufungsgericht hat - im Rahmen der gebotenen Gesamtschau - zutreffend der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz am Ort des internen Schutzes eine hervorgehobene, isolierbare Bedeutung beigemessen. Dies knüpft an, an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (s. nur EGMR , Urteile vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06 [ECLI:​CE:​ECHR:​2008:​0228JUD003720106], Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125 ff. und vom 27. Mai 2008 - Nr. 26565/05 [ECLI:​CE:​ECHR:​2008:​0527JUD002656505], N./Vereinigtes Königreich - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 - Nr. 8319/07 und 11449/07 - Rn. 212) und des Senats (s. nur BVerwG, Urteile vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 23, 25 und vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 32; Beschluss vom 13. Februar 2019 - 1 B 2.19 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​130219B1B2.19.0] - juris), gemäß der eine Abschiebung ausgeschlossen ist, wenn am Abschiebungszielort oder am Ort des internen Schutzes wegen der dort herrschenden humanitären Bedingungen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des Art. 3 EMRK droht. 36 2.2.2 Der Wortlaut des § 3e AsylG enthält keine ausdrücklichen Regelungen, welche für die Zumutbarkeit der Niederlassung ein bestimmtes Mindestniveau für die wirtschaftlichen Existenzbedingungen vorgeben oder gar definieren, und weist jedenfalls nicht darauf, dass das wirtschaftliche Existenzminimum auf einem höheren als dem durch Art. 3 EMRK garantierten Niveau gewährleistet sein müsse. 37 a) Aus dem Begriff der Niederlassung folgt zwar, dass - in zeitlicher Hinsicht - am Ort des internen Schutzes ein perspektivisch dauerhafter Aufenthalt muss begründet werden können und die Möglichkeit eines nur vorübergehenden Verweilens unter kurzzeitiger Unterbrechung einer fortdauernden Flucht nicht ausreicht (s.a. OVG Bremen, Urteil vom 26. Mai 2020 - 1 LB 56/20 [ECLI:​DE:​OVGHB:​2020:​0526.1LB56.20.00] - juris Rn. 74). Dies prägt auch den bei der erforderlichen Prognose, ob die wirtschaftliche Existenz ohne Verletzung des Art. 3 EMRK gesichert werden kann, in den Blick zu nehmenden Zeitraum. In sachlicher Hinsicht folgt aus diesem Begriff indes nicht, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen - in dann begründungsbedürftigem Umfang - oberhalb der Schwelle des durch Art. 3 EMRK definierten Existenzminimums zu liegen hätten. Dies gilt auch für die Sicherung des existenziellen Grundbedürfnisses Wohnen und dort insbesondere den Schutz vor schlechter Witterung; eine eigene, dauerhaft zur alleinigen Verfügung stehende Wohnung ist nicht erforderlich, wenn durch den Zugang zu wechselnden Unterkünften Obdachlosigkeit hinreichend sicher vermieden werden kann (a.A. OVG Bremen, Urteil vom 26. Mai 2020 - 1 LB 56/20 - juris Rn. 74 ff., 92); auch Sammel- oder Lagerunterkünfte, die ein sicheres, witterungsfestes Obdach bieten und auch sonst eine menschenwürdige Unterkunft gewährleisten, sind nicht ausgeschlossen. 38 b) Das Gebot, die allgemeinen Verhältnisse des Herkunftslandes zu berücksichtigen (§ 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG), weist im Ergebnis weder für sich allein noch in Verbindung mit dem Begriff der ""Niederlassung"" darauf, dass die wirtschaftlichen Existenzbedingungen oberhalb der Schwelle des Art. 3 EMRK liegen müssen, um eine Niederlassung zumutbar zu machen. 39 Das Berücksichtigungsgebot hat vorrangig den Sinn klarzustellen, dass Maßstab für die hinzunehmenden Lebensverhältnisse jedenfalls nicht jene sind, die in dem externen Zufluchtsland herrschen, in dem um internationalen Schutz nachgesucht wird. Die allgemeinen Lebensverhältnisse in dem Herkunftsland mögen ungeachtet dessen, dass Art. 3 EMRK einen absoluten, abwägungsfesten Mindeststandard umschreibt, innerhalb enger Grenzen auch auf die Konkretisierung dieses Mindeststandards einwirken. Die Berücksichtigung der allgemeinen Verhältnisse verknüpft die Zumutbarkeit der Niederlassung aber nicht mit der Gewährleistung wirtschaftlicher Lebensbedingungen oberhalb der Schwelle des Existenzminimums. Dies scheidet schon wegen des relativen Bezuges auf die - lediglich zu berücksichtigenden - allgemeinen Gegebenheiten am Ort des internen Schutzes aus (offen noch BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 35 unter Berufung auf The House of Lords, Urteil vom 15. Februar 2006 - Januzi v. Secretary of State for the Home Department & Others - 2006 UKHL 5, Rn. 47). 40 Ebenso wie bei Herkunftsstaaten, die - wie Afghanistan - durch ein hohes Maß an Armut gekennzeichnet sind, die Berücksichtigung der Lebensverhältnisse keine Unterschreitung des durch Art. 3 EMRK geforderten Existenzminimums gestattet, ist in Bezug auf andere Herkunftsstaaten hinsichtlich der materiellen Existenzbedingungen eine Anhebung des Schutzstandards angezeigt. Der auch in Nr. 29 UNHCR-Richtlinie 2003 (s.a. VwGH Wien, Entscheidungen vom 8. August 2017 - Ra 2017/19/0118 [ECLI:​AT:​VWGH:​2017:​RA2017190118.L00] - Rn. 22 ff. und vom 23. Januar 2018 - Ra 2018/18/0001 [ECLI:​AT:​VWGH:​2018:​RA2018180001.L00] - Rn. 16; s.a. Nedwed, Interner Schutz am Beispiel Afghanistan, in: Filzwieser/Taucher , Asyl- und Fremdenrecht, Jahrbuch 2018, Wien/Graz 2018, 287 <300 f.>) benannte Maßstab, dass die Verhältnisse in dem Gebiet ein für das betreffende Land ""relativ normales Leben ermöglichen"" müssen, ist nicht hinreichend bestimmbar. Namentlich bleibt für regelmäßig sozial inhomogene Gesellschaften unklar, auf welches Segment der Umgebungsgesellschaft abzustellen ist. Auch die im nationalen Recht in dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) vorausgesetzte Einheit von physischem und soziokulturellem Existenzminimum ist nicht auf den flüchtlingsrechtlichen Zumutbarkeitsbegriff des § 3e Abs. 1 AsylG zu übertragen; sie folgt aus speziellen Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts (BVerfG, Urteile vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. [ECLI:​DE:​BVerfG:​2010:​ls20100209.1bvl000109] - BVerfGE 125, 175 <223, 228>, vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 u.a. [ECLI:​DE:​BVerfG:​2012:​ls20120718.1bvl001010] - BVerfGE 132, 134 Rn. 64 und vom 5. November 2019 - 1 BvL 7/16 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2019:​ls20191105.1bvl000716] - BVerfGE 152, 68 Rn. 119; Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12 u.a. [ECLI:​DE:​BVerfG:​2014:​ls20140723.1bvl001012] - BVerfGE 137, 34 Rn. 117). 41 2.2.3 Durchgreifend gegen einen Mindeststandard für die wirtschaftliche Existenzsicherung oberhalb des durch Art. 3 EMRK Gebotenen spricht, dass der interne Schutz als negative Voraussetzung internationalen Schutzes außerhalb des eigenen Herkunftslandes auf den Schutz des Einzelnen vor Verfolgung (§§ 3a, 3b AsylG) oder einem ernsthaften Schaden (§ 4 AsylG) bezogen ist und damit im weiteren Sinne dem Refoulement-Schutz dient; er bildet kein Surrogat für den außerhalb des Herkunftsstaates gewährten Schutz (dazu Wittmann, in: Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 7. Edition, Stand 1. Januar 2021, § 3e AsylG Rn. 45 ff.). Die Lebensverhältnisse am Ort des internen Schutzes und insbesondere die Sicherung der materiellen Existenz dürfen nicht so schlecht sein, dass der Betroffene keinen anderen Ausweg sieht, als sich in Gebiete zu begeben, in denen ihm Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden droht. 42 a) Diese Funktion begründet und begrenzt die Berücksichtigung auch nicht verfolgungsbedingter Dimension bei der Zumutbarkeit einer Niederlassung am Ort des internen Schutzes. Wird in dem menschenrechtlich gebotenen Umfang die wirtschaftliche Existenz auf einem Niveau gesichert, das eine Verletzung des Art. 3 EMRK nicht besorgen lässt, fehlt es an einem existenziellen Druck, in die Herkunftsregion zurückzukehren. Weitergehende Anforderung an das Niveau der Existenzsicherung (so etwa OVG Bremen, Urteil vom 26. Mai 2020 - 1 LB 56/20 - juris Rn. 68 ff., 74 ff.) bewirkten eine begründungsbedürftige Besserstellung gegenüber solchen Bewohnern, die ohne anderweitige Verfolgung oder ernsthaften Schaden bereits an dem Ort des internen Schutzes leben. Jedenfalls bei Existenzbedingungen, die das Mindestniveau nach Art. 3 EMRK wahren, können Lebensbedingungen, die von am Ort des internen Schutzes bereits Lebenden dauerhaft hinzunehmen sind, nicht für Binnenflüchtlinge als unzumutbar eingestuft werden. 43 b) Keine andere Beurteilung folgt daraus, dass Binnenflüchtlinge wegen der bereits erlittenen oder drohenden Verfolgung oder ernsthaften Schädigung ihre Herkunftsregion haben verlassen müssen und ihre dort bestehenden ökonomischen und soziokulturellen Bindungen haben aufgeben müssen. 44 Diesem Umstand ist - wie der Sache nach vom Berufungsgericht erkannt - zunächst dadurch Rechnung zu tragen, dass nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU eine erlittene Verfolgung oder ernsthafter Schaden ein ernsthafter Hinweis auf eine begründete Verfolgungsfurcht oder eine tatsächliche Gefahr sind, ernsthaften Schaden zu erleiden, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. 45 Die verfolgungs- oder gefahrenbedingt erzwungene ""Entwurzelung"" aus der Herkunftsregion ist zudem bei der Prognose zu berücksichtigen, ob es am Ort des internen Schutzes gelingen wird, das durch Art. 3 EMRK garantierte Existenzminimum aus eigener Kraft oder durch die gesicherte Unterstützung Dritter zu erlangen. Schwierigkeiten bei der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz, die etwa aus der Fremdheit am Ort des internen Schutzes, der unzureichenden Vernetzung dort oder ausbleibender Unterstützung durch Familie, Clan oder Volksgruppe folgen können, gehören zu den Umständen, die nach § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG bei der konkret-individuellen Betrachtung zu berücksichtigen sind. Die Mindestsicherung auf dem durch Art. 3 EMRK gebotenen Niveau muss zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) auch für den zeitlich erweiterten Prognosespielraum, der aus dem Begriff der Niederlassung als mehr als kurzfristiger Aufenthaltnahme folgt, feststehen. 46 Zutreffend hat das Berufungsgericht insoweit darauf abgestellt, dass die Darlegungs- und materielle Beweislast für die Sicherung des Existenzminimums - anders als bei der Prüfung drohender Verfolgung eines nicht vorverfolgt ausgereisten Schutzsuchenden (BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 31.18 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​040719U1C31.18.0] - Buchholz 402.251 § 3 AsylG Nr. 3 Rn. 27) - bei der Beklagten liegt und nicht der Schutzsuchende darzulegen oder gar ggf. zu beweisen hat, dass er seine Existenzgrundlage nicht wird sichern können und deswegen der realen, nicht durch ihm zumutbare Bemühungen zur eigenen Existenzsicherung abwendbaren Gefahr nicht mit Art. 3 EMRK vereinbarer Lebensbedingungen ausgesetzt sein wird (so auch Nr. 34 UNHCR-Richtlinie 2003). Dabei ist sicherzustellen, dass die wirtschaftliche Existenz auf dem durch Art. 3 EMRK geforderten Niveau auch in der ersten Phase des Aufenthalts am Ort des internen Schutzes prognostisch gesichert sein muss; eine auch nur zeitweilige Unterschreitung dieses Niveaus ist selbst in einer Phase allfälliger anfänglicher Schwierigkeiten auszuschließen. Ein wie auch immer bestimmter ""Sicherheitsaufschlag"" auf das durch Art. 3 EMRK gewährleistete wirtschaftliche Existenzminimum als Zumutbarkeitsvoraussetzung für die Inanspruchnahme internen Schutzes hingegen ist auch nicht zur ""Abfederung"" von Prognoseschwierigkeiten oder -unsicherheit zu rechtfertigen. 47 Ist die wirtschaftliche Existenz am Ort des internen Schutzes nicht hinreichend gesichert, kommt es für die Unzumutbarkeit der Niederlassung zudem nicht darauf an, ob auch dies im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG auf einen verfolgungsmächtigen Akteur zurückzuführen ist (vgl. - für die Zuerkennung subsidiären Schutzes - BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2020 - 1 C 11.19 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2020:​200520U1C11.19.0] - InfAuslR 2020, 363 Rn. 12). Bei den Rechtsfolgen wird insoweit die Vorverfolgung oder Vorschädigung des Binnenflüchtlings in seiner Heimatregion berücksichtigt; denn ihm ist im Gegensatz zu Personen, die allein wegen menschenrechtswidriger Existenzbedingungen den Ort des internen Schutzes verlassen, dann der internationale Schutz zuzuerkennen. 48 2.2.4 Der Ausschluss der Zumutbarkeit der Niederlassung erst bei Gefährdung des durch Art. 3 EMRK garantierten wirtschaftlichen Existenzminimums ergibt sich der Sache nach klar aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Zuerkennung subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat wegen der dort herrschenden Lebensverhältnisse die Befugnis ausschließt, einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als unzulässig abzulehnen (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2019:​219], Ibrahim u.a. -; Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2019:​964], Hamed und Omar -). 49 Allerdings betrifft diese Rechtsprechung nicht die Auslegung des Art. 8 Abs. 1 RL 2011/95/EU; es geht - vordergründig - um die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Beurteilung eines Schutzgesuches bzw. die Befugnis, einen Schutzsuchenden auf die Inanspruchnahme der Schutzgewähr durch einen anderen Mitgliedstaat zu verweisen. Nach dieser Rechtsprechung hindert eine Unzulässigkeitsentscheidung nicht die Nichtbeachtung sekundärrechtlicher Garantien (etwa aus Art. 26 ff. RL 2011/95/EU); sie ist bei anderweitiger Schutzgewähr nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU erst dann ausgeschlossen, wenn die Lebensverhältnisse, die ihn in dem anderen Mitgliedstaat als anerkannter Flüchtling erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzten, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC zu erfahren. Die Wahrung der unionsrechtlichen Zuständigkeitsordnung zwischen den Mitgliedstaaten ist aus flüchtlings- oder menschenrechtlicher Perspektive indes nicht an höhere, auf die Wahrung des aus Art. 3 EMRK folgenden, insoweit mit Art. 4 GRC identischen Mindestniveaus beschränkte Voraussetzungen zu binden als der Verweis auf den internen Schutz im Herkunftsstaat. Dass innerhalb der EU die Möglichkeit besteht, die unionsrechtlich garantierten Rechte auf dem regelmäßig eröffneten Rechtsweg durchzusetzen, ändert daran nichts. Denn insoweit geht das Unionsrecht über das flüchtlings- und menschenrechtlich Gebotene hinaus. 50 2.2.5 Weitergehende Anforderungen für das in Art. 8 RL 2011/95/EU geregelte und in § 3e AsylG in das nationale Recht umgesetzte Konzept des internen Schutzes ergeben sich für die Sicherung des wirtschaftlichen Existenzminimums nicht aus Nr. 22 ff. UNHCR-Richtlinie 2003 und der in der Begriffsbildung hieran anknüpfenden Rechtsprechung etwa des britischen House of Lords und österreichischer Gerichte (s.o. 2.2.2 b). 51 a) Die Europäische Union gewährleistet allerdings das Recht auf Asyl u.a. nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) (Art. 18 GRC). Die Gemeinsame Asylpolitik der Europäischen Union muss u.a. mit der Genfer Flüchtlingskonvention in Einklang stehen (Art. 78 Abs. 1 Satz 2 AEUV); die Genfer Flüchtlingskonvention bildet einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen (Erwägungsgrund 4 RL 2011/95/EU); Konsultationen mit dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge können den Mitgliedstaaten wertvolle Hilfe bei der Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 1 GFK bieten (Erwägungsgrund 22 RL 2011/95/EU). Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union stützt sich das Gemeinsame Europäische Asylsystem auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (s. etwa EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2011:​865], N.S. u.a. - Rn. 75 ff.). 52 Diese Bindung des unionsrechtlichen Flüchtlingsschutzes an die Grundsätze und Vorgaben der Genfer Flüchtlingskonvention gilt indes zuvörderst den völkervertragsrechtlich bindenden, ausdrücklichen Regelungen der Konvention selbst und einer hieran anknüpfenden, übereinstimmenden Staatenpraxis. Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge hat zwar die Durchführung des Abkommens zu überwachen (Art. 35 Abs. 1 GFK); dies umschließt die Möglichkeit, Richtlinien zur Auslegung und Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention vorzulegen, die für die Auslegung und Anwendung der Konvention Leit- und Orientierungsfunktion haben und so auch auf die Auslegung des Unionsrechts ausstrahlen. Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge ist aber nicht zum Erlass ergänzender Regelungen oder zur authentischen, völkerrechtlich auch im Detail bindenden Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention befugt und berufen. Seine Richtlinien und Stellungnahmen sind auch nicht als Wiedergabe einer Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung (Art. 31 Abs. 3 Buchst. b Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge) oder gar einer völkergewohnheitsrechtlich bindenden Anwendungspraxis zu werten. Dies gilt namentlich dann, wenn es - wie vorliegend - um die Voraussetzungen der Anwendung eines Konzepts wie dem des internen Schutzes (bzw. der internen Fluchtalternative) geht, das in Art. 1 A Nr. 2 GFK nicht ausdrücklich geregelt wird. Die UNHCR-Richtlinie 2003 selbst bezeichnet sich als ""Hilfsmittel zur Rechtsauslegung für Regierungen, Vertreter der Rechtsberufe, Entscheidungsträger und die Richterschaft sowie für UNHCR-Mitarbeiter [...], die vor Ort mit der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft befasst sind"". Bei dem Konzept des internen Schutzes, das mit der erstmaligen Kodifizierung auf Unionsebene durch Art. 8 RL 2004/83/EG zu einem eigenständig auszulegenden, unionsrechtlichen Konzept geworden ist, ist diese Richtlinie zwar zu berücksichtigen; sie ist aber nicht als authentische Interpretation zu Grunde zu legen. 53 b) Der Senat entnimmt Nr. 29 UNHCR-Richtlinie 2003 schon nicht eine klare UNHCR-Positionierung, nach der ein wirtschaftliches Existenzminimum oberhalb der Schwelle des durch Art. 3 EMRK Geforderten nicht nur flüchtlingspolitisch wünschenswert, sondern flüchtlings- oder menschenrechtlich durch die Genfer Flüchtlingskonvention geboten sei. Im Einklang mit der vorstehend entfalteten Auslegung sieht es auch Nr. 29 UNHCR-Richtlinie 2003 als unzumutbar an, eine schutzsuchende Person auf einen Ort zu verweisen, ""[a]n dem sie wirtschaftliche Not oder ein Leben unterhalb eines annehmbaren Existenzminimums erwartet"". Betont wird weiterhin, dass ""ein voraussichtlich niedriger Lebensstandard oder eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation kein ausreichender Grund sein [kann], um ein vorgeschlagenes Gebiet als unzumutbar abzulehnen"". Nicht näher begründet wird die dann folgende Feststellung unklaren Geltungsanspruchs, dass ""[d]ie Verhältnisse in dem Gebiet [...] ein für das betreffende Land relativ normales Leben ermöglichen [müssen]"". Schon der nachfolgende Satz relativiert diese Aussage, wenn eine Neuansiedlung nicht schlechthin und absolut, sondern nur ""möglicherweise"" nicht zumutbar sei, wenn es der Person ohne familiäre Bindungen und ohne informelles soziales Netz ""nicht auf andere Weise gelingen würde, ein relativ normales Leben mit mehr als dem bloßen Existenzminimum zu führen"". Jedenfalls wird nicht ausgeführt, welcher flüchtlings- oder menschenrechtliche Rechtsgrund eine generelle Heraufsetzung des zu gewährleistenden Existenzminimums rechtfertigen soll, nach welchen Kriterien sich ein ""relativ normales Leben mit mehr als dem bloßen Existenzminimum"" bemisst und ob dies auch dann gilt, wenn die Verhältnisse im Herkunftsstaat insgesamt von Armut, Not und Entbehrung geprägt sind. Dies bleibt letztlich auch in jenen Judikaten offen, welche für den Maßstab an die Zumutbarkeit der Niederlassung in Bezug auf die wirtschaftlichen Existenzbedingungen sachlich und sprachlich an Nr. 29 UNHCR-Richtlinie 2003 anknüpfen. 54 c) Soweit Nr. 29 UNHCR-Richtlinie 2003 dahin zu verstehen sein sollte, dass der Verweis auf den internen Schutz nur dann zumutbar ist, wenn das wirtschaftliche Existenzminimum auf einem Niveau oberhalb des durch Art. 3 EMRK Gebotenen gewährleistet ist, bindet dies jedenfalls nicht für die Auslegung des Art. 8 Abs. 1 RL 2011/95/EU. Diese Auslegung geht - wenngleich in unklarem Umfang - über das nach Art. 3 EMRK menschenrechtlich Gebotene hinaus, das allerdings stets zu gewährleisten ist. Einen menschen- oder flüchtlingsrechtlich tragfähigen Grund, insoweit von der durch Wortlaut und Systematik vorgeprägten Auslegung des Zumutbarkeitsbegriffs abzuweichen, sieht der Senat nicht. Das Ziel der Vermeidung nicht näher spezifizierter ""unbilliger Härten"" rechtfertigt dies allzumal dann nicht, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse in dem Herkunftsland allgemein von Armut und problematischen Lebensverhältnissen geprägt werden. 55 2.2.6 Die Entstehungsgeschichte der Regelungen zum Konzept des internen Schutzes weist klar darauf, dass in Bezug auf die wirtschaftlichen Lebensverhältnisse lediglich die Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK ausgeschlossen sein muss; jedenfalls ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Zumutbarkeit der Niederlassung an die Sicherung des wirtschaftlichen Existenzminimums auf einem höheren als dem durch Art. 3 EMRK gebotenen Niveau geknüpft sein sollte. 56 a) § 3e AsylG dient der Umsetzung des Art. 8 RL 2011/95/EU (Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 15. April 2013, BT-Drs. 17/13063 S. 20). Die dort im Vergleich zur Vorläufervorschrift ausgewiesenen inhaltlichen Änderungen beschränken sich auf die Erreichbarkeit des Zufluchtsgebietes; Hinweise auf eine - unionsrechtlich veranlasste - Veränderung der auf die Wahrung des Existenzminimums bezogenen Voraussetzungen der Zumutbarkeit ergeben sich nicht. 57 b) Der Entwurf der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu der späteren Regelung des Art. 8 RL 2004/83/EG (KOM(2001) 510 endg., ABl. C 51 E vom 26. Februar 2002, S. 325) stellt allein darauf ab, dass am Ort des internen Schutzes neben der Sicherheit vor Verfolgung auch sonst keine begründete Furcht davor besteht, ""einen sonstigen ernsthaften nicht gerechtfertigten Schaden zu erleiden"". Der nicht aufgegriffene Änderungsantrag Nr. 32 des Europäischen Parlaments (Protokoll vom 22. Oktober 2002, ABl. C 300 E vom 11. Dezember 2003, S. 134 <141>) sah vor, dass der Ort des internen Schutzes einen ""wirksamen Schutz vor Zurückweisung in de[m] Bereich bieten [müsse], in dem die Person Verfolgung fürchtet"" und ""[d]ie Umstände in dem Bereich [des] internen Schutzes [...] zumindest den gleichen Grad an Schutz der grundlegenden Menschenrechte wie die Genfer Konvention bieten [müssen]""; dies konzentriert sich auf den Schutz der grundlegenden Menschenrechte und damit in Bezug auf die wirtschaftlichen Existenzbedingungen auf das durch Art. 3 EMRK vorgezeichnete Niveau. 58 c) Der Kommissionsvorschlag für die Neufassung der Anerkennungsrichtlinie durch die Richtlinie 2011/95/EU zielte darauf, das in Art. 8 RL 2004/83/EG geregelte Konzept des internen Schutzes so umzugestalten, dass es mit einer jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK vereinbar ist (KOM(2009) 551 endgültig vom 21. Oktober 2009, S. 8, 31 - unter Hinweis auf EGMR, Urteil vom 11. Januar 2007 - Nr. 1948/04 [ECLI:​CE:​ECHR:​2007:​0111JUD000194804], Sheekh/Niederlande -). Dazu wurde u.a. die sichere und legale Reise in den Landesteil des internen Schutzes als Tatbestandsvoraussetzung aufgenommen und die vernünftigerweise bestehende Erwartung des Aufenthalts dort durch den Begriff der Niederlassung ersetzt. Die in der Begründung herangezogene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stellt für den Ort des internen Schutzes neben der Erreichbarkeit und Niederlassungsmöglichkeit nur darauf ab, ob dort eine Verletzung des Art. 3 EMRK droht. Eine Bezugnahme auf die UNHCR-Richtlinie 2003 oder sonst eine Gewährleistung wirtschaftlicher Lebensverhältnisse oberhalb des durch Art. 3 EMRK garantierten Niveaus erfolgte weder in dem Kommissionsentwurf, noch ist sie sonst im Rechtsetzungsverfahren erkennbar. Die Wiederaufnahme der Formulierung, dass eine Niederlassung ""vernünftigerweise erwartet"" werden könne, betont die durch Art. 8 Abs. 2 Satz 1 RL 2011/95/EU vorgegebene konkret-individuelle Betrachtungsweise, hat aber keinen unionsrechtlich erkennbaren Bezug zu den Mindeststandards der wirtschaftlichen Existenzbedingungen am Ort der Niederlassung. 59 Dieser an der Wahrung des menschenrechtlich - hier aus Art. 3 EMRK - Gebotenen zur Vermeidung eines durch schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen bewirkten indirekten Zwanges zur Rückkehr in die Verfolgungsgebiete orientierte, menschenrechtliche Ansatz übernimmt mithin nicht eine möglicherweise weitergehende Auffassung der Nr. 29 UNHCR-Richtlinie 2003. Der Senat geht dabei davon aus, dass diese Richtlinie den an der Rechtsetzung beteiligten Organen der Europäischen Union bekannt gewesen und auf deren Übernahme bewusst, weil insoweit nicht als von Art. 18 GRC bzw. Art. 78 AEUV geboten, verzichtet worden ist. 60 2.3 Gründe, den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV anzurufen, bestehen jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation eines Herkunftsstaates, in dem die Lebensverhältnisse allgemein von großer Armut geprägt sind, nicht. 61 Der Senat sieht auch in Ansehung der UNHCR-Richtlinie 2003 und der hieran anknüpfenden Rechtsprechung von Gerichten anderer (vormaliger) Mitgliedstaaten keinen vernünftigen Zweifel daran, dass ein Schutz der wirtschaftlichen Existenz oberhalb des durch Art. 3 EMRK Gebotenen nicht zwingende Voraussetzung der Zumutbarkeit der Niederlassung am Ort des internen Schutzes ist. Allerdings hat der Gerichtshof der Europäischen Union bislang nicht ausdrücklich zu dieser Rechtsfrage entschieden (so auch European Asylum Support Office , Country Guidance: Afghanistan, Guidance note and common analysis, June 2019, S. 131). Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Unzumutbarkeit der Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat (dazu 2.2.4) und die Entstehungsgeschichte des Art. 8 RL 2011/95/EU (2.2.6) lassen indes in Bezug auf die Lebensverhältnisse klar und eindeutig einen Rückgriff allein auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK und damit als ebenso notwendige wie (grundsätzlich) hinreichende Bedingung erkennen, dass bei Ausschluss einer drohenden Verletzung des Art. 3 EMRK eine Niederlassung zumutbar ist. 62 Der Senat sieht sich hierin durch den rechtebasierten Ansatz von EASO zur Beurteilung der Erwartbarkeit der Niederlassung (EASO, Country Guidance: Afghanistan, Guidance note and common analysis, June 2019, S. 131 f.) bestätigt. In seinem Länderbericht Afghanistan knüpft EASO ebenfalls an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK an, verlangt, dass die allgemeinen Lebensbedingungen für den Antragsteller am Ort des internen Schutzes nicht unangemessen sind oder in irgendeiner Weise einer nach Art. 3 EMRK verbotenen Behandlung gleichkommen (""the general living conditions for the applicant in the proposed area of IPA would not be 'unreasonable or in any way amount to treatment prohibited by Article 3 [of ECHR]' ""), und stellt u.a. darauf ab, dass ""[b]ei der Anwendung des Angemessenheitstests festgestellt werden [sollte], dass die Grundbedürfnisse des Antragstellers wie Lebensmittel, Unterkunft und Hygiene befriedigt"" werden (""In applying the reasonableness test, it should be established that the basic needs of the applicant would be satisfied, such as food, shelter and hygiene."") (EASO, ebd., S. 132). 63 Ob und unter welchen Bedingungen zweifelhaft werden kann, ob zusätzlich auch geboten ist, dass der Ausländer am Ort des internen Schutzes ein ""(relativ) normales Leben"" führen können muss, bewirkt in der vorliegenden Fallkonstellation jedenfalls keine entscheidungserhebliche und deshalb möglicherweise durch Vorlage klärungsbedürftige Maßstabsdifferenz. Diese aus der UNHCR-Richtlinie 2003 übernommene Maßstabsumschreibung setzt als etwaige Maßstabserweiterung die Feststellung voraus, dass sich ein Schutzsuchender, dessen wirtschaftliche Existenzgrundlage am Ort des internen Schutzes ohne Gefährdung des aus Art. 3 EMRK Gebotenen gewährleistet ist, wegen der am Ort des internen Schutzes allgemein herrschenden, allgemein materiell guten bis hervorragenden Lebensverhältnisse durch ein Leben am wirtschaftlichen Existenzminimum ungeachtet ihm zumutbarer Abstriche bei der Existenzsicherung in seinen Lebensumständen so weit von der prägenden Normalität der Umgebungsgesellschaft entfernt, dass nicht einmal mehr ein ""relativ"" normales Leben erreichbar ist und es zu einer diskriminierenden Ausgrenzung kommt. Dies hat das Berufungsgericht tatrichterlich nicht festgestellt und kann wegen des allgemeinkundig niedrigen Niveaus der allgemeinen Lebensverhältnisse in Afghanistan hier ausgeschlossen werden. 64 2.4 Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage seines - ohne Bundesrechtsverstoß bestimmten - Maßstabes rechtsfehlerfrei dahin erkannt, dass der Kläger durch die wirtschaftlichen Lebensverhältnisse am Ort des internen Schutzes nicht der Gefahr ausgesetzt sein wird, dass seine Rechte aus Art. 3 EMRK verletzt werden, und es ihm deshalb auch insoweit zumutbar ist, sich dort niederzulassen. 65 a) Das Berufungsgericht hat zunächst im Einklang mit der von der Rechtsprechung des Senats (s. etwa BVerwG, Urteile vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 25, vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 Rn. 25 und vom 4. Juli 2019 - 1 C 45.18 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​040719U1C45.18.0] - BVerwGE 166, 113 Rn. 12 f.; Beschluss vom 8. August 2018 - 1 B 25.18 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​080818B1B25.18.0] - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 58 Rn. 11) aufgegriffenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (zu Art. 3 EMRK) (EGMR , Urteil vom 13. Dezember 2016 - Nr. 41738/10 [ECLI:​CE:​ECHR:​2016:​1213JUD004173810], Paposhvili/Belgien - Rn. 174) und des Gerichtshofs der Europäischen Union (zu der insoweit inhaltsgleichen Regelung des Art. 4 GRC) (EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - C-578/16 PPU [ECLI:​EU:​C:​2017:​127], C.K. u.a. - Rn. 68) die Voraussetzungen zutreffend konkretisiert, unter denen die allgemeine wirtschaftliche Lage und die Versorgungslage betreffend Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung die Rechte des Schutzsuchenden aus Art. 3 EMRK gefährden. Dies ist dann der Fall, wenn er seinen existenziellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach findet oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhält bzw. - nach einer neueren Formulierung des Gerichtshofs der Europäischen Union - sich die betroffene Person ""unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not"" befindet, ""die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre"" (EuGH, Urteile vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. - Rn. 89 ff. und - C-163/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​218], Jawo - Rn. 90 ff.). Weiterer Klärungsbedarf besteht nicht und wird von den Beteiligten auch nicht geltend gemacht. 66 b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht in Auswertung des herangezogenen Erkenntnismaterials und in hinreichender Auseinandersetzung auch mit entgegenstehenden Bewertungen im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung des Tatsachenmaterials die Prognose getroffen, dass der Kläger seinen existenziellen Lebensunterhalt werde sichern können. Durchgreifende Verfahrens- oder Sachrügen sind insoweit nicht erhoben worden. 67 3. Gründe dafür, dass dem Kläger hilfsweise ein im Berufungs- und Revisionsverfahren etwa zu beachtender (BVerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 C 15.10 - juris Rn. 18 ff.; Beschluss vom 10. Oktober 2011 - 10 B 24.11 - juris), gegenüber dem dort begehrten subsidiären Schutz nachrangiger Anspruch auf nationalen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zustehen könnte, sind im Revisionsverfahren nicht - auch nicht hilfsweise - geltend gemacht worden. Sie sind nach Vorstehendem jedenfalls mit Blick auf solche Abschiebungsverbote auszuschließen, die an die wirtschaftlichen Existenzbedingungen anknüpfen. Materielle Existenzbedingungen am Ort des internen Schutzes, welche die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausfüllen, schließen jedenfalls die Zumutbarkeit nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG aus. 68 4. Die Abschiebungsandrohung und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots begegnen ebenfalls keinen revisionsrechtlich beachtlichen Bedenken. 69 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor." bverwg_2021-15,01.03.2021,"Pressemitteilung Nr. 15/2021 vom 01.03.2021 EN Keine analoge Anwendung der Nr. 6100 und Nr. 6140 GOZ für die Eingliederung eines Lingualretainers Für das Einsetzen eines festsitzenden Lingualretainers können im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung, die nach Nr. 6030 bis Nr. 6080 (Maßnahmen zur Umformung des Kiefers bzw. zur Einstellung des Kiefers in den Regelbiss einschließlich Retention) der Anlage 1 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) abgerechnet wird, nicht zusätzlich die Gebührennummern 6100 (Eingliederung eines Klebebrackets) und 6140 (Eingliederung eines Teilbogens) der Anlage 1 GOZ in analoger Anwendung berechnet werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einem beihilferechtlichen Verfahren entschieden. Der Kläger ist Beamter des Landes Nordrhein-Westfalen und erhält für sich und seine berücksichtigungsfähigen Familienangehörigen Beihilfe zu den krankheitsbedingten Aufwendungen. Die Beihilfestelle lehnte die Bewilligung einer Beihilfe für die kieferorthopädische Behandlung seiner Tochter teilweise ab, weil die vom Kieferorthopäden angesetzten Gebühren für die Eingliederung eines festsitzenden, an der Zahninnenseite angeklebten Lingualretainers neben den sog. Kernpositionen für kieferorthopädische Maßnahmen nach Nr. 6030 bis Nr. 6080 Anlage 1 GOZ nicht vorgesehen sei. Der hiergegen erhobenen Klage hat das Oberverwaltungsgericht stattgegeben. Die Revision des beklagten Landes hatte Erfolg. Beihilfe wird für notwendige kieferorthopädische Behandlungen in einem angemessenen Umfang gewährt. Aufwendungen hierfür sind angemessen, wenn sie nach Maßgabe der einschlägigen zivilrechtlichen Regelungen, hier der GOZ, vom behandelnden Zahnarzt in Rechnung gestellt werden durften. Ist dies in strittigen Auslegungsfragen weder im konkreten Fall noch sonst abschließend durch die Zivilgerichte geklärt und hat die Beihilfestelle vor Entstehen der Aufwendungen auf ihre Auslegung des Gebührenrechts hingewiesen, haben die Verwaltungsgerichte dessen Anwendung stets selbst in vollem Umfang nachzuprüfen. Danach hat der Kläger keinen Anspruch auf Beihilfe für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers in analoger Anwendung von Nr. 6100 und Nr. 6140 Anlage 1 GOZ. Eine solche analoge Anwendung setzt nach der GOZ voraus, dass sie in Bezug auf selbständig berechenbare zahnärztliche Leistungen erfolgt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ). Die Frage, ob eine Leistung, die gleichzeitig oder im Zusammenhang mit anderen Leistungen erbracht wird, selbständig berechnungsfähig ist, beurteilt sich auch im Rahmen einer analogen Anwendung von Gebührenvorschriften neben den Berechnungsbestimmungen des Gebührenverzeichnisses selbst vor allem nach Maßgabe des sog. Doppelberechnungsverbots (§ 4 Abs. 2 Satz 2 bis 4 GOZ). Hieran gemessen kommt eine analoge Anwendung von Nr. 6100 und Nr. 6140 Anlage 1 GOZ für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers nicht in Betracht, weil jedenfalls diese Leistung eine besondere Ausführung von Maßnahmen zur Umformung des Kiefers bzw. zur Einstellung des Kiefers in den Regelbiss einschließlich Retention (Nr. 6030 bis Nr. 6080 Anlage 1 GOZ) darstellt. Dies ergibt eine Auslegung nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik der Regelungen. BVerwG 5 C 7.19 - Urteil vom 26. Februar 2021 Vorinstanzen: OVG Münster, 1 A 2252/16 - Urteil vom 23. November 2018 - VG Arnsberg, 13 K 3816/15 - Urteil vom 19. September 2016 -","Urteil vom 26.02.2021 - BVerwG 5 C 7.19ECLI:DE:BVerwG:2021:260221U5C7.19.0 EN Angemessenheit einer zahnärztlichen Gebührenforderung Leitsätze: 1. Die materiell-rechtliche Berechtigung einer ärztlichen Gebührenforderung ist in vollem Umfang vom Verwaltungsgericht zu prüfen, wenn sie weder im Einzelfall im Verhältnis von Beihilfeberechtigtem und behandelndem Arzt zivilgerichtlich festgestellt worden noch die Auslegung der ihr zugrundeliegenden Gebührenregelung allgemein höchstrichterlich geklärt ist und der Dienstherr zudem rechtzeitig für Klarheit über die von ihm favorisierte Auslegung der objektiv zweifelhaften Gebührenvorschrift gesorgt hat. 2. Für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers können neben den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ nicht zusätzlich auch die Nummern 6100 und 6140 Anlage 1 GOZ in entsprechender Anwendung nach § 6 Abs. 1 GOZ abgerechnet werden. Rechtsquellen GOZ § 4 Abs. 2 Satz 2 bis 4, § 6 Abs. 1 Satz 1, Nummern 6030 bis 6080, 6100, 6140 Anlage 1 GVG § 17 Abs. 2 Satz 1 Instanzenzug VG Arnsberg - 19.09.2016 - AZ: VG 13 K 3816/15 OVG Münster - 23.11.2018 - AZ: OVG 1 A 2252/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 26.02.2021 - 5 C 7.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:260221U5C7.19.0] Urteil BVerwG 5 C 7.19 VG Arnsberg - 19.09.2016 - AZ: VG 13 K 3816/15 OVG Münster - 23.11.2018 - AZ: OVG 1 A 2252/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner für Recht erkannt: Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. November 2018 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 19. September 2016 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über den Umfang von Beihilfeleistungen für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers (Kleberetainers), der nach Abschluss der aktiven Phase einer kieferorthopädischen Behandlung verhindern soll, dass sich die Zähne in ihre ursprüngliche Stellung zurückbewegen. 2 Der Kläger ist Beamter des Landes Nordrhein-Westfalen und für seine Tochter mit einem Bemessungssatz von 80 v. H. beihilfeberechtigt. Diese befand sich seit dem Jahr 2012 in kieferorthopädischer Behandlung. Bei der Abrechnung von im Jahr 2015 erbrachten Behandlungsleistungen setzte der Kieferorthopäde u.a. für die Eingliederung eines Lingualretainers die Nummer 6100 (Eingliederung eines Klebebrackets) des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) und die dortige Nummer 6140 (Eingliederung eines Teilbogens) zusätzlich zur Nummer 6050 (Maßnahmen zur Umformung eines Kiefers einschließlich Retention, hoher Umfang) an. 3 Die hierfür beantragte Beihilfe lehnte die Beihilfestelle teilweise ab, da die Gebührenordnung eine Gebühr für die Eingliederung bzw. Entfernung von Retainern nicht vorsehe. Der dagegen gerichtete Widerspruch des Klägers blieb mit der Begründung erfolglos, dass der Beklagte schon durch den Runderlass des Finanzministeriums für das Land Nordrhein-Westfalen zum zahnärztlichen Gebührenrecht vom 16. November 2012 seine Rechtsauffassung zu der hier umstrittenen Gebührenfrage mitgeteilt habe. 4 Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen, da der Beklagte seine Rechtsauffassung, dass Maßnahmen zur Retention bereits in den kieferorthopädischen Kernziffern (Nummern 6030 bis 6080 des Gebührenverzeichnisses) berücksichtigt seien, rechtzeitig klargestellt habe. Dies sei eine vertretbare Auslegung, die auch von einigen Zivilgerichten geteilt werde. Eine eigenständige Bewertung der zivilrechtlichen Lage durch das Verwaltungsgericht habe in einem solchen Falle nicht zu erfolgen. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Beihilfebescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides verpflichtet, dem Kläger zu den Aufwendungen aus der Rechnung des Kieferorthopäden eine weitere Beihilfe in Höhe von 145,89 Euro für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers zu gewähren. Eine Auslegungsfrage des zahnärztlichen Gebührenrechts sei in einer beihilferechtlichen Streitigkeit von den Verwaltungsgerichten im Rahmen der Angemessenheit selbstständig und voll zu prüfen, wenn es - wie hier - an einer höchstrichterlichen oder einheitlichen Rechtsprechung der Zivilgerichte fehle und der Dienstherr - im Einzelfall oder in allgemeiner Form - rechtzeitig für Klarheit über die von ihm für richtig befundene Auslegung der streitigen Gebührennummer gesorgt habe. Nach dieser Prüfung seien für die Eingliederung eines Lingualretainers neben den Nummern 6030 bis 6080 des Gebührenverzeichnisses Gebühren entsprechend den Nummern 6100 und 6140 des Gebührenverzeichnisses anzusetzen, ohne dass es sich dabei um ausgeschlossene Doppelleistungen nach § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ handele. Die Gebührentatbestände der Nummern 6030 bis 6080 des Gebührenverzeichnisses regelten keine Gebühr für eine Komplex- oder Zielleistung, sondern eine pauschale Grundgebühr, welche die (auch intellektuelle) Gesamtleistung des Kieferorthopäden als solche honoriere, aber nicht die kieferorthopädischen Einzelleistungen umfasse. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Analogbewertung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ seien erfüllt. 5 Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Er rügt eine Verletzung von Bundesrecht, weil die analoge Anwendung der Nummern 6100 und 6140 des Gebührenverzeichnisses auf die Eingliederung eines Kleberetainers unzulässig sei. 6 Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts. II 7 Die Revision des Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht nicht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es verletzt § 6 Abs. 1 Satz 1 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) vom 22. Oktober 1987 (BGBl. I S. 2316), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 5. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2661). Dies führt nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO zur Änderung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. 8 Grundlage für den geltend gemachten Beihilfeanspruch sind § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 Abs. 2 der Verordnung über Beihilfen in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfenverordnung NRW - BVO NRW) vom 5. November 2009 (GV. NRW. S. 602), die für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt durch die Verordnung vom 10. Dezember 2014 (GV. NRW. S. 890) geändert worden ist. Danach sind beihilfefähig die notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfange (u. a.) in Krankheitsfällen zur Wiedererlangung der Gesundheit, zur Besserung und Linderung von Leiden und zur Beseitigung oder zum Ausgleich angeborener oder erworbener Körperschäden. Für kieferorthopädische Leistungen gilt dies grundsätzlich nur, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Zwischen den Beteiligten steht die grundsätzliche Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die bei der Tochter des Klägers erfolgte Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers zu Recht nicht im Streit. Ihr Streit konzentriert sich ausschließlich darauf, ob es sich bei den hierfür angerechneten Gebühren um angemessene Aufwendungen gehandelt hat. Dies ist nicht der Fall. 9 Die Angemessenheit von Aufwendungen im Anwendungsbereich beihilferechtlicher Vorschriften richtet sich auch dann nach dem Gebührenrecht für Ärzte und Zahnärzte, wenn die Beihilfevorschriften - wie hier jedenfalls im maßgeblichen Zeitraum - nicht ausdrücklich auf die Gebührenordnungen verweisen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 30. Mai 1996 - 2 C 10.95 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 12 S. 18 und vom 22. Januar 2009 - 2 C 129.07 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 33 Rn. 11). Die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für ärztliche Leistungen knüpft grundsätzlich an den Leistungsanspruch des Arztes an und setzt voraus, dass dieser seine Leistungen unter zutreffender Auslegung der Gebührenordnung in Rechnung gestellt hat. 10 Die Auslegung der Gebührenordnung und damit die Frage der materiell-rechtlichen Berechtigung einer ärztlichen Gebührenforderung unterliegt - wovon das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist - der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, wenn die Berechtigung weder im Einzelfall im Verhältnis von Beihilfeberechtigtem und behandelndem Arzt zivilgerichtlich festgestellt worden noch die Auslegung der ihr zugrundeliegenden Gebührenregelung allgemein höchstrichterlich geklärt ist und der Dienstherr zudem rechtzeitig für Klarheit über die von ihm favorisierte Bedeutung der objektiv zweifelhaften Gebührenvorschrift gesorgt hat (1.). Die vom Oberverwaltungsgericht befürwortete analoge Anwendung der Nummern 6100 und 6140 Anlage 1 GOZ auf die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers steht jedoch nicht in Einklang mit § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ (2.). 11 1. Ob der Arzt seine Forderung zu Recht geltend gemacht hat, ist eine der Beihilfegewährung vorgreifliche Rechtsfrage, die nach der Natur des Rechtsverhältnisses zwischen Arzt und Patient dem Zivilrecht zuzuordnen ist. Den Streit über die Berechtigung einer ärztlichen Liquidation entscheiden letztverbindlich die Zivilgerichte. Damit ist für die Entscheidung, ob nach den Maßstäben des Beihilferechts Aufwendungen für ärztliche Leistungen angemessen sind, die Auslegung des ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte maßgebend. Deren Beurteilung im konkreten Fall präjudiziert die Angemessenheit der Aufwendungen für ärztliche Leistungen im beihilferechtlichen Sinne. Hat das Zivilgericht - in welcher Instanz auch immer - den Beamten rechtskräftig zur Begleichung der Honorarforderung eines Arztes verurteilt, ist die Vergütung regelmäßig angemessen im Sinne des Beihilferechts. Gleiches gilt, wenn es eine einschlägige und eindeutige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den sich im konkreten Fall stellenden gebührenrechtlichen Fragen gibt. Ist dies nicht der Fall, hat der Dienstherr zu prüfen, ob die vom Arzt geltend gemachten Ansprüche nach materiellem Recht begründet sind. Dabei sind Aufwendungen für ärztliche oder zahnärztliche Leistungen, deren Berechnung auf einer zweifelhaften Auslegung der einschlägigen Gebührenordnung beruht, unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht zu Gunsten des Beihilfeberechtigten schon dann als angemessen anzusehen, wenn der vom Arzt in Rechnung gestellte Betrag bei objektiver Betrachtung einer zumindest vertretbaren Auslegung der Gebührenordnung entspricht und der beihilfepflichtige Dienstherr nicht rechtzeitig für Klarheit über seine Auslegung gesorgt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2017 - 2 C 19.16 - BVerwGE 160, 114 Rn. 17 f., 22 m.w.N.). 12 Nach diesen Grundsätzen lässt sich hier die Angemessenheit der Aufwendungen nicht bejahen. Eine Entscheidung über die Berechtigung der Gebührenforderung ist im ordentlichen Rechtsweg nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht ergangen. Zudem ist nicht in Frage gestellt, dass die hier in Rede stehende Auslegung des Gebührenrechts zweifelhaft und nicht im ordentlichen Rechtsweg höchstrichterlich geklärt ist, der Beklagte aber auf seine Rechtsauffassung hierzu rechtzeitig hingewiesen hat. Dies hat zur Folge, dass die Anwendung des Gebührenrechts durch den Dienstherrn vollumfänglich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu klären ist (so schon BVerwG, Urteil vom 21. September 1995 - 2 C 33.94 - NWVBl 1996, 100 = juris Rn. 12). 13 Anders als der Beklagte im Anschluss an das Verwaltungsgericht sowie in Anlehnung an obergerichtliche Rechtsprechung (OVG Bautzen, Urteil vom 24. August 2018 - 2 A 887/16 - juris Rn. 21) meint, kommt eine Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte zugunsten des Dienstherrn auf die bloße Vertretbarkeit seiner Auffassung nicht in Betracht. Ein Abweichen von der umfassenden verwaltungsgerichtlichen Prüfung der sich hier stellenden zivilrechtlichen Vorfrage (§ 17 Abs. 2 Satz 1 GVG) berührt grundsätzlich zugleich den grundrechtlichen Anspruch des Beihilfeberechtigten auf eine vollständige rechtliche Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen nach Art. 19 Abs. 4 GG und bedarf einer hinreichend tragfähigen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Juli 2010 - 1 BvR 1634/04 - NVwZ 2010, 1482 Rn. 51 ff.). Hierfür fehlt es bereits an einer ausreichenden normativen Grundlage. Der Vertretbarkeitsmaßstab wird aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 45 BeamtStG) hergeleitet. Eine ihr vergleichbare Pflichtenstellung des Beamten, objektive Unklarheiten der Gebührenordnung im Beihilfeverfahren in bestimmten Fällen zu seinen Lasten hinzunehmen, existiert nicht. Sie liefe letztlich auf ein faktisches Hindernis in Bezug auf die Wahrnehmung von Beihilfeansprüchen hinaus, das seinem Gewicht nach eine unzumutbare Verkürzung der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen den Dienstherrn bewirkte (vgl. auch OVG Koblenz, Urteil vom 29. Juni 2016 - 2 A 10634/15 - juris Rn. 34). 14 Ebenso wenig ist Raum für den von dem Beklagten postulierten Vorrang einer zivilgerichtlichen Vorabklärung der Berechtigung des ärztlichen Honoraranspruchs durch den Beamten. Dieser ist nicht gehalten, sich einem zivilgerichtlichen Verfahren über die Berechtigung der Gebührenforderung auszusetzen und dieser unter Hinweis auf die von ihm für unzutreffend gehalten Auslegung des Gebührenrechts durch die Beihilfestelle entgegenzutreten, um letztlich seinen Beihilfeanspruch nur um den Preis einer Niederlage im zivilgerichtlichen Verfahren durchsetzen zu können. 15 2. Als rechtliche Grundlage für die hier ärztlicherseits geltend gemachte Gebührenforderung kommt allein § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. den Nummern 6100 und 6140 der Anlage 1 GOZ in Betracht. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ können selbstständige zahnärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis (Anlage 1 der Verordnung) nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass die Abrechnung der Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers nur nach Maßgabe dieser sog. Analogbewertung erfolgen kann, weil diese Behandlung nicht ausdrücklich als eigenständige berechenbare Leistung in einer Ziffer des Gebührenverzeichnisses aufgeführt ist. Eine Analogbewertung scheitert jedoch bereits daran, dass die Eingliederung des hier in Rede stehenden Retainers nicht - was erforderlich wäre - selbstständig berechnungsfähig ist. Auf die weitere Frage, ob sie mit den Leistungen nach den Nummern 6100 und 6140 der Anlage 1 GOZ nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertig ist, kommt es nicht mehr an. 16 Grundvoraussetzung einer Analogbewertung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ ist, dass die abzurechnende Leistung eine selbstständige zahnärztliche Leistung darstellt. Dabei kommt diesem tatbestandlichen Merkmal in § 6 Abs. 1 GOZ keine andere Bedeutung zu als dem gleichlautenden Begriff in § 4 Abs. 2 GOZ (vgl. für das Verhältnis der Parallelbestimmungen in § 4 Abs. 2, § 6 Abs. 2 der Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ -: BGH, Urteile vom 13. Mai 2004 - III ZR 344/03 - BGHZ 159, 142 <143> und vom 21. Januar 2010 - III ZR 147/09 - NJW-RR 2010, 1355 Rn. 7). 17 Prinzipiell kommen alle im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistungen als selbstständige zahnärztliche Leistungen in Betracht. Für die Frage, welche von mehreren gleichzeitig oder im Zusammenhang erbrachten Leistungen selbstständig berechnungsfähig sind, ist - neben Berechnungsbestimmungen im Gebührenverzeichnis selbst - vor allem § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ in den Blick zu nehmen. Nach dieser Bestimmung kann der Zahnarzt für eine Leistung, die Bestandteil (Alt. 1) oder eine besondere Ausführung (Alt. 2) einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Der Bestimmung in § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ kommt eine klare abrechnungstechnische Bedeutung zu, die unmittelbar einleuchtet: Der Zahnarzt darf eine Leistung, die sich mit dem Inhalt einer von ihm gleichfalls vorgenommenen anderen Leistung überschneidet, nicht zweimal abrechnen (vgl. auch für die Parallelbestimmungen in der GOÄ: BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2017 - 2 C 19.16 - Buchholz 239.1 § 33 BeamtVG Nr. 2 Rn. 26 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 5. Juni 2008 - III ZR 239/07 - BGHZ 177, 43 Rn. 6 ff. m.w.N.). 18 Dies zugrunde gelegt können die Nummern 6100 und 6140 Anlage 1 GOZ für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers nicht mehr in Ansatz gebracht werden, weil sich die Eingliederung eines solchen Retainers als Maßnahme der Retention mit dem Inhalt der vom behandelnden Kieferorthopäden hier berechneten Nummer 6050 Anlage 1 GOZ überschneidet und daher dem sog. Doppelberechnungsverbot unterliegt. Eine solche Überschneidung ergibt sich zwar nicht bereits daraus, dass die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 GOZ Bestandteil der mit der Nummer 6050 Anlage 1 GOZ abgerechneten Leistung ist (a). Sie folgt aber jedenfalls daraus, dass es sich bei ihr um eine besondere Ausführung dieser anderen Leistung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GOZ handelt (b). Unterliegt die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers damit dem Doppelberechnungsverbot, kann sie auch nicht ausnahmsweise entsprechend der Nummern 6100 und 6140 Anlage 1 GOZ neben der Nummer 6050 Anlage 1 GOZ berechnet werden (c). 19 a) Die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers ist nicht im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 GOZ Bestandteil einer mit der Nummer 6050 Anlage 1 GOZ abgerechneten Leistung. Nach § 4 Abs. 2 Satz 4 GOZ ist eine Leistung methodisch notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung, wenn sie inhaltlich von der Leistungsbeschreibung der anderen Leistung (Zielleistung) umfasst und auch in deren Bewertung berücksichtigt worden ist. Diese Vorschrift knüpft nach ihrem Wortlaut zum einen an die ausdrückliche Erstreckung des Doppelberechnungsverbots auf operative Leistungen durch § 4 Abs. 2 Satz 3 GOZ und die dort erwähnten ""methodisch notwendigen operativen Einzelschritte"" an. Zum anderen verweist sie mit dem Begriff ""Bestandteil"" aber auch auf die Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 GOZ (vgl. dazu auch BR-Drs. 566/11 S. 43). Daraus ist zu schließen, dass mit ihr zugleich definiert wird, wann eine zahnärztliche Leistung im Sinne dieser Bestimmung als Bestandteil einer anderen Leistung anzusehen ist. Hierfür muss sie einerseits inhaltlich auf der Grundlage der Kenntnisse medizinischer Wissenschaft und Praxis (""methodisch"") als Teil eines bestimmten Umfangs von Einzelverrichtungen wie auch andererseits der Bewertung nach von der anderen Gebührenposition erfasst sein. Dies ist in inhaltlicher Hinsicht nicht schon dann anzunehmen, wenn eine Leistung im Einzelfall nach den Regeln der ärztlichen Kunst im Zusammenhang mit der Erbringung der Zielleistung durchzuführen ist. Vielmehr kommt es hierfür darauf an, ob sie nach ihrem technischen Ablauf oder anderen für die Leistungserbringung bestimmenden (methodischen) Faktoren notwendiger- oder typischerweise anfällt, um diese Zielleistung erbringen zu können und damit für diese eine unerlässliche Voraussetzung (""Conditio sine qua non"") ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2008 - III ZR 239/07 - BGHZ 177, 43 Rn. 9; Clausen, in: Clausen/Makoski, GOÄ/GOZ, 1. Aufl. 2019 § 4 GOZ Rn. 36; Liebold/Raff/Wissing, DER Kommentar BEMA/GOZ, 2020, § 4 GOZ Rn. 4 und 7; Sandvoß, ArztR 2005, 228). 20 Vor diesem Hintergrund ist die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers nicht als Bestandteil der in Nummer 6050 Anlage 1 GOZ beschriebenen Leistung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 GOZ anzusehen. Die dort erwähnte Retention der Zahnstellung im Anschluss an Maßnahmen zur Umformung des Kiefers muss jedenfalls nicht regelhaft und typisch mit einem fest eingesetzten Retentionsgerät durchgeführt werden, da hierfür auch herausnehmbare Apparaturen in Betracht kommen (vgl. dazu auch Liebold/Raff/Wissing, DER Kommentar BEMA/GOZ, 2020, GOZ-Nr. 6030 bis 6050 Nr. 1). Von dieser Beurteilung sind auch die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung des Senats übereinstimmend ausgegangen. 21 b) Die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers erweist sich aber jedenfalls als eine besondere Ausführung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GOZ der in Nummer 6050 Anlage 1 GOZ beschriebenen Leistung. 22 Mit § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GOZ soll die gesonderte Berechnungsfähigkeit solcher Leistungen ausgeschlossen werden, die die Leistungsbeschreibung einer Gebührennummer des Gebührenverzeichnisses erfüllen und lediglich eine besondere Art und Weise ihrer Erbringung darstellen. Dabei geht es nicht um das Verhältnis zwischen einer Regelmethodik oder Standardleistung und der Abweichung hiervon durch eine ""besondere"" Leistung, also auch nicht um die Frage, was die typische und was die atypische Form der Leistungserbringung ist. Vielmehr ist eine Leistungsausführung dann als besonders anzusehen, wenn sie sich als bloße methodische bzw. technische Variation oder Modifikation der beschriebenen Zielleistung erweist (vgl. Clausen, in: Clausen/Makoski, GOÄ/GOZ, 1. Aufl. 2019 § 4 GOZ Rn. 31; Liebold/Raff/Wissing, DER Kommentar BEMA/GOZ, 2020, § 4 GOZ Rn. 5 und 9). Dies ist dann zu bejahen, wenn die Beschreibung der Zielleistung im Gebührenverzeichnis ergibt, dass die in Rede stehende Leistungsausführung ihrer technischen oder methodischen Eigenart nach bereits davon mit umfasst ist, etwa weil die Leistungsbeschreibung offen lässt, mit welchen Techniken oder Methoden eine Leistung zu erbringen bzw. ein Behandlungsziel zu erreichen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 - III ZR 147/09 - NJW-RR 2010, 1355 Rn. 11; Liebold/Raff/Wissing, DER Kommentar BEMA/GOZ, 2020, § 4 GOZ Rn. 10). Dies zugrunde gelegt ergibt die Auslegung der Nummer 6050 Anlage 1 GOZ einschließlich der in Nummer 6080 Anlage 1 GOZ enthaltenen übergreifenden Abrechnungsbestimmungen anhand der allgemeinen Auslegungsregeln, dass Nummer 6050 Anlage 1 GOZ als Zielleistung im Sinne von § 4 Abs. 2 GOZ anzusehen (aa) und die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers auch kraft unmittelbarer und ausdrücklicher normativer Wertung in den Berechnungsbestimmungen im Sinne einer besonderen Ausführungsart in der Leistungsbeschreibung dieser Gebührennummer enthalten ist (bb). 23 aa) Schon dem klaren Normtext nach haben die Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ im gebührenrechtlichen Sinne handwerkliche oder behandlungstechnische zahnärztliche Leistungen zum Gegenstand und beinhalten nicht - wie das Oberverwaltungsgericht meint - lediglich eine pauschale Grundgebühr für die (auch intellektuelle) Gesamtleistung des Kieferorthopäden. Sie können deshalb auch Bezugspunkt des Doppelberechnungsverbots nach § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ sein. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung der Absätze 2 und 3 der Abrechnungsbestimmungen in der Nummer 6080 Anlage 1 GOZ. Absatz 2 - wie im Übrigen auch der Absatz 4 - beschreibt den Inhalt der Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ ausdrücklich im Plural mit dem Begriff ""Leistungen"". Absatz 3 präzisiert dies in der Sache dahingehend, dass die Maßnahmen im Sinne der Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ alle Leistungen der Kieferumformung bzw. -einstellung einschließlich der Retention umfassen. Damit können indes nur die handwerklichen bzw. behandlungstechnischen Einzelleistungen gemeint sein, die zur Erreichung dieser Behandlungsziele - also auch der Retention - eingesetzt werden. Auch mit Blick auf die Gesamtsystematik der Verordnung hält sich der Verordnungsgeber genau an den Sprachgebrauch (""umfassen""), den er durchgängig in Bezug auf die Beschreibung einer Leistung und ihres Inhalts verwendet (vgl. nur § 4 Abs. 2 Satz 4 GOZ). Davon, dass auch die Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ zahnärztliche Leistungen zum Inhalt und damit den Charakter einer Zielleistung haben können, geht zudem ersichtlich die Verordnungsbegründung aus, wenn es dort heißt, es werde ""der Leistungsinhalt der Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 ... näher beschrieben"" (BR-Drs. 566/11 S. 62). Es kommt hinzu, dass dort in Bezug auf den im Jahr 2011 eingefügten Absatz 3 der Abrechnungsbestimmungen zur Nummer 6080 Anlage 1 GOZ ausdrücklich von ""Behandlungsmethoden"" und ""Therapiegeräten"" die Rede ist und damit noch einmal der Bezug zu behandlungstechnischen Einzelleistungen hergestellt wird. 24 bb) Ist danach davon auszugehen, dass in den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ die Beschreibung einer Mehrzahl von behandlungstechnischen Einzelleistungen zu sehen ist, ergibt sich anhand der allgemeinen Auslegungsregeln ebenfalls, dass diese sich inhaltlich spezifizieren lassen. Erfasst sind danach gebührenrechtlich sämtliche Behandlungsleistungen, die im Zusammenhang mit dem jeweiligen Behandlungsziel - unter Einschluss der Retention - stehen, an das der im Leistungstext genannte Begriff der ""Maßnahme"" anknüpft, und die diesem zugeordnet werden können. Dies beinhaltet alle hierauf bezogenen Einzelleistungen, ohne dass der behandelnde Zahnarzt insoweit auf eine bestimmte Methodik oder Ausführungsweise festgelegt wird. Eingeschlossen ist damit auch die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers. 25 Diese Auslegung folgt bereits aus dem Normtext der hier in Rede stehenden Reglungen des Gebührenverzeichnisses. Maßgeblich ist auch insoweit der Wortlaut der Absätze 2 und 3 der Abrechnungsbestimmungen in der Nummer 6080 Anlage 1 GOZ. Danach umfasst die Leistungsbeschreibung ""alle Leistungen zur Kieferumformung und Retention bzw. zur Einstellung des Unterkiefers in den Regelbiss innerhalb eines Zeitraumes von bis zu vier Jahren, unabhängig von den angewandten Behandlungsmethoden oder den verwendeten Therapiegeräten"", soweit sie sich den im Behandlungsplan festgelegten Maßnahmen zuordnen lassen. Erfasst wird damit schon dem Wortsinn nach (""alle"") ausnahmslos das vollständige Leistungsspektrum zur Erreichung der Kieferumformung bzw. -einstellung einschließlich der Retention in allen behandlungstechnischen Variationen innerhalb des Vierjahreszeitraums. Der Leistungsumfang ist ausdrücklich unabhängig von den angewandten Behandlungsmethoden und verwendeten Therapiegeräten und schließt daher Methoden und Geräte jedweder Art in der aktiven Behandlungsphase (Kieferumformung bzw. -einstellung) wie auch der passiven Behandlungsphase (Retention) ein. Das bedeutet abrechnungstechnisch zugleich, dass die Gebühren nach den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ die Anwendung sämtlicher dieser Techniken im maßgeblichen Zeitraum erfassen und sie deshalb unabhängig von der konkreten Behandlungsweise weder mehrfach in Ansatz gebracht werden noch hiervon erfasste Einzelleistungen gesondert abgerechnet werden dürfen. Dass dies auch für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers dem Willen des Verordnungsgebers entspricht, ergibt sich aus der Verordnungsbegründung, in der diese Behandlungsgeräte ausdrücklich erwähnt und in den Kreis der besonderen Behandlungsmethoden und Therapiegeräte einbezogen sind (BR-Drs. 566/11 S. 62). 26 Nicht zu folgen ist demgegenüber der auch vom Kläger vertretenen Ansicht, mit Absatz 3 der Abrechnungsbestimmung zu Nummer 6080 Anlage 1 GOZ solle ausschließlich ein zeitraumbezogener Ausschluss einer Mehrfachleistung der Gebühren nach den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ für den Fall der Eingliederung eines Retentionsgerätes, also beim Übergang von der aktiven zur passiven Behandlungsphase bzw. eines Wechsels etwa von einem herausnehmbaren zu einem festsitzenden Retentionsgerät, normiert werden (vgl. Liebold/Raff/Wissing, DER Kommentar BEMA/GOZ, 2020, GOZ-Nr. 6030 bis 6050 Nr. 2.2; Bundeszahnärztekammer, Stellungnahme ""Eingliederung eines festsitzenden Retainers"", S. 2; a.A. Kommentierung der PKV zur GOZ (Gebührenteil), Stand 27. Januar 2021, S. 191). Einer derartigen Interpretation steht bereits der Wortlaut der Regelung entgegen, der - wie dargelegt - terminologisch ersichtlich eine umfassende Leistungsbeschreibung zum Ausdruck bringt. Bereits insoweit spricht nichts dafür, dass der Verordnungsgeber lediglich ein zeitraumbezogenes Mehrfachleistungsverbot hat zum Ausdruck bringen wollen. 27 Auch der mit Blick auf die Systematik des Gebührenverzeichnisses formulierte Einwand, dass die in den Nummern 6090 bis 6180 Anlage 1 GOZ aufgeführten Abrechnungspositionen praktisch bedeutungslos wären, wenn die Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ als Umschreibung des kompletten Leistungsspektrums einer Kieferumformung bzw. -einstellung einschließlich der Retention angesehen werden, greift nicht durch. 28 Zwar trifft es zu, dass nach Absatz 4 der Abrechnungsbestimmung zu Nummer 6080 Anlage 1 GOZ neben den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ nur die Nummern 6190 bis 6260 Anlage 1 GOZ nicht berechnungsfähig sind, woraus im Wege eines Umkehrschlusses notwendig die Abrechenbarkeit sämtlicher übriger Leistungen des Abschnitts G Anlage 1 GOZ neben den Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ folgt. Dass dies auch dem Willen des Verordnungsgebers entspricht, lässt sich der Verordnungsbegründung entnehmen (BR-Drs. 566/11 S. 62). Daraus folgt, dass die Leistungen nach den Nummern 6090 bis 6180 Anlage 1 GOZ im Rahmen der aktiven Behandlungsphase einer Kieferumformung bzw. -einstellung auch neben den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ ansatzfähig sind. 29 Diese abrechnungstechnische Verselbstständigung ist jedoch nicht systemwidrig und stellt auch die Auslegung des Inhalts der Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ, nach der alle Leistungen zur Erreichung der dort genannten Behandlungsziele erfasst werden, nicht in Frage. Denn der Verordnungsgeber hat es in der Hand, auch Leistungen gesondert zu beschreiben und damit auch ihre Abrechenbarkeit zu regeln, die in einem so engen Zusammenhang zu einer anderen gebührenrechtlich definierten Leistung stehen, dass man ihre Selbstständigkeit in Frage stellen könnte. Er kann desgleichen - wie im Fall der Nummern 6090 bis 6180 Anlage 1 GOZ - positiv bestimmen, dass Leistungen neben einer anderen Leistung abgerechnet werden können, obwohl sie ""an sich"" von dieser bereits erfasst werden. Der Verordnungsgeber ist damit auch im Fall kieferorthopädischer Leistungen frei darin, zusätzlich zu einer Gebühr, die eine Gesamtheit von behandlungstechnischen Leistungen abbildet, auch noch einzelne dieser Leistungen daneben zur Abrechnung zu stellen. Insoweit liegt dann ein Regelungszusammenhang vor, in dem sich weder Fragen der Selbstständigkeit der Leistung noch solche nach der Reichweite des Zielleistungsprinzips stellen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 - III ZR 147/09 - NJW-RR 2010, 1355 Rn. 7). 30 c) Unterliegt demgemäß die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers als besondere Ausführung einer Leistung nach den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ dem Doppelberechnungsverbot nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GOZ, ist sie keine nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ entsprechend berechenbare selbstständige zahnärztliche Leistung. Auf die im Zusammenhang mit § 4 Abs. 2 Satz 4 GOZ relevante Frage, inwieweit ein Leistungsteil tatsächlich in den Punktebewertungen der Zielleistung berücksichtigt worden ist, kommt es nicht mehr an, da hier ein solcher Fall gerade nicht gegeben ist. Von diesem Ergebnis ist nicht deshalb abzuweichen, weil die hier für eine analoge Anwendung herangezogenen Nummern 6100 (Eingliederung eines Klebebrackets) und 6140 (Eingliederung eines Teilbogens) Anlage 1 GOZ mit ihrem spezifischen Leistungsinhalt ihrerseits dem Grunde nach dem Leistungsinhalt Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ angehören, aber gleichwohl durch den Verordnungsgeber verselbstständigt worden sind. Diese besondere und ersichtlich als Ausnahme normierte gebührenrechtliche Verselbstständigung kann nicht unbesehen auf andere Leistungen im Zusammenhang mit der Retention nach einer Kieferumformung bzw. -einstellung (hier der Eingliederung eines Kleberetainers) im Wege einer Analogberechnung übertragen werden, weil dies in ihren Auswirkungen zu einer nicht statthaften Aufgabe der Selbstständigkeit der ärztlichen Leistung als Voraussetzung für ihre Abrechenbarkeit und damit des Doppelberechnungsverbots führen würde (vgl. BGH, Urteile vom 13. Mai 2004 - III ZR 344/03 - BGHZ 159, 142 <150 f.> und vom 21. Januar 2010 - III ZR 147/09 - NJW-RR 2010, 1355 Rn. 8). 31 Dem lässt sich auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Gebührenordnung nach ihrer Novellierung im Jahr 2011 keinen Anspruch mehr auf Vollständigkeit erhebt, sondern Lücken in Kauf nimmt, die gerade durch eine Vereinfachung der Analogberechnung kompensiert werden sollten. Denn zum einen hat der Verordnungsgeber auch vor diesem Hintergrund das Erfordernis einer selbstständigen zahnärztlichen Leistung als Voraussetzung einer Analogberechnung ausdrücklich nicht aufgegeben (vgl. BR-Drs. 566/11 S. 45). Zum anderen hat er den Katalog der verselbstständigten Einzelleistungen gerade nicht erweitert, sondern mit dem neu eingefügten Absatz 3 der Abrechnungsbestimmungen zur Nummer 6080 Anlage 1 GOZ auch normativ nochmals verdeutlicht, dass die Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ (im Übrigen) alle Einzelleistungen zur Kieferumformung und -einstellung einschließlich der Retention umfassen. Dass er dabei auch die festsitzenden Lingualretainer im Blick hatte, ergibt sich - wie dargelegt - aus der Verordnungsbegründung. 32 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2021-17,05.03.2021,"Pressemitteilung Nr. 17/2021 vom 05.03.2021 EN Beihilfeleistungen für Fahrten auch anlässlich einer ambulanten Operation nur bei ärztlicher Verordnung Nach der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) sind Aufwendungen für Fahrten auch anlässlich einer ambulanten Operation im Krankenhaus oder in der Arztpraxis einschließlich der Vor- und Nachbehandlung nur dann beihilfefähig, wenn eine ärztliche Verordnung vorliegt, die bescheinigt, dass die Beförderung aus medizinischen Gründen notwendig ist. Dies gilt auch dann, wenn für die Fahrten ein privates Kraftfahrzeug benutzt wird. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist gegenüber der beklagten Bundesrepublik Deutschland beihilfeberechtigt. Er begehrt von dieser die Erstattung von Aufwendungen für Fahrten, die im Jahr 2017 mit einem privaten Kraftfahrzeug von seiner Wohnung zu dem rund 90 km entfernten Krankenhaus zurückgelegt worden sind, in dem er sich sechs ambulanten operativen Eingriffen am Auge und zwölf ambulanten Nachkontrollen zu unterziehen hatte. Die Beihilfestelle der Beklagten lehnte seinen Antrag ab, da keine der Fahrten ärztlich verordnet war. Hiergegen wandte der Kläger ein, das Erfordernis einer ärztlichen Verordnung sei eine überflüssige Förmlichkeit, weil sich jedenfalls in Fällen ambulanter Operationen die Notwendigkeit der Fahrten aus einer von ihm vorgelegten Bescheinigung des Krankenhauses über die Behandlungstermine ergäbe. Der darauf gestützte Widerspruch und die Klage vor dem Verwaltungsgericht blieben erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht ist dagegen der Argumentation des Klägers gefolgt und hat seiner Berufung stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht diese Entscheidung geändert und das erstinstanzliche klageabweisende Urteil wiederhergestellt. Aufwendungen für Fahrten zum Ort einer medizinischen Behandlung sind nach dem eindeutigen Wortlaut des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV (heute § 31 Abs. 1 Satz 1 BBhV) nur dann beihilfefähig, wenn die Fahrt ihrer Art nach unter den dort aufgeführten Katalog fällt und ärztlich verordnet ist. Wie sich aus dem Zusammenhang mit dem allgemeinen Grundsatz, dass Beihilfe nur zu notwendigen Aufwendungen gewährt wird (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV), ergibt, bezieht sich die ärztliche Verordnung auf die medizinische Notwendigkeit der Beförderung und nicht - wie der Kläger und das Oberverwaltungsgericht meinen - auf die medizinische Notwendigkeit der Behandlung. Deshalb folgt aus einer Bescheinigung des Krankenhauses über die Behandlungstermine noch nicht die medizinische Notwendigkeit der Fahrt. Dass die Beförderung als solche aus medizinischen Gründen notwendig ist, bedarf vielmehr - auch wenn sie mit einem privaten PKW durchgeführt werden soll - einer Bestätigung durch eine ärztliche Verordnung. Das gilt auch für die im Streit stehenden Fahrten anlässlich einer ambulanten Operation. Eine Reduzierung des Anwendungsbereiches der Vorschrift scheidet aus. Dagegen spricht insbesondere der Sinn und Zweck der Regelung. Danach sollen Beihilfeberechtigte durch den Dienstherrn von aus Anlass eines konkreten Krankheitsfalles anfallenden Fahrtkosten nur bei medizinischer Notwendigkeit der Beförderung selbst freigestellt werden. Die ärztliche Verordnung soll gewährleisten, dass die medizinische Notwendigkeit durch einen Sachkundigen beurteilt und dadurch die Beihilfestelle zur Verwaltungsvereinfachung von eigenen Prüfungen entlastet wird. Die daraus folgende Leistungsbegrenzung auf ärztlich verordnete Fahrten findet im Bundesbeamtengesetz eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage. Auch verstößt sie weder gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung noch gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn.   BVerwG 5 C 14.19 - Urteil vom 05. März 2021 Vorinstanzen: OVG Koblenz, 10 A 11063/19 - Urteil vom 18. Oktober 2019 - VG Trier, 6 K 4029/18 - Urteil vom 11. Februar 2019 -","Urteil vom 05.03.2021 - BVerwG 5 C 14.19ECLI:DE:BVerwG:2021:050321U5C14.19.0 EN Beihilfeleistungen für Fahrten auch anlässlich einer ambulanten Operation nur bei ärztlicher Verordnung Leitsätze: 1. Aufwendungen für Fahrten auch anlässlich einer ambulanten Operation im Krankenhaus oder in der Arztpraxis einschließlich der Vor- und Nachbehandlung sind nur bei Vorlage einer ärztlichen Verordnung über die medizinische Notwendigkeit der Beförderung beihilfefähig. Das gilt auch für Fahrten, die mit einem privaten Kraftfahrzeug durchgeführt werden. 2. Die Leistungsbegrenzung auf ärztlich verordnete Fahrten steht mit höherrangigem Recht in Einklang. Rechtsquellen BBhV § 6 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BBG §§ 78, 80 Abs. 6 Satz 1 und 2 Nr. 2 Buchst. c SGB V § 60 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5 VwGO § 86 Abs. 1 Satz 1, § 113 Abs. 5 Satz 1 Krankentransport-Richtlinie § 2 Abs. 3, § 7 Abs. 4 Instanzenzug VG Trier - 11.02.2019 - AZ: VG 6 K 4029/18.TR OVG Koblenz - 18.10.2019 - AZ: OVG 10 A 11063/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 05.03.2021 - 5 C 14.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:050321U5C14.19.0] Urteil BVerwG 5 C 14.19 VG Trier - 11.02.2019 - AZ: VG 6 K 4029/18.TR OVG Koblenz - 18.10.2019 - AZ: OVG 10 A 11063/19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 5. März 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Oktober 2019 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 11. Februar 2019 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über die Beihilfefähigkeit von Fahrtkosten. 2 Der Kläger ist gegenüber der beklagten Bundesrepublik Deutschland beihilfeberechtigt. Im Jahr 2017 musste er sich mehreren ambulanten operativen Eingriffen am Auge unterziehen. Diese sowie die anschließend jeweils erforderlichen ambulanten Nachkontrollen ließ er in einem rund 90 km von seiner Wohnung entfernten Krankenhaus durchführen. Für die Fahrten zwischen Wohnung und Krankenhaus wurde ein privates Kraftfahrzeug benutzt. 3 Den Antrag des Klägers, ihm die für die Fahrten entstandenen Aufwendungen zu erstatten, lehnte die Beihilfestelle der Beklagten mit der Begründung ab, dass keine der Fahrten ärztlich verordnet gewesen sei, wie dies in der einschlägigen Bestimmung der Bundesbeihilfeverordnung gefordert werde. Der Kläger hält dieses Erfordernis für eine überflüssige Förmlichkeit, weil sich jedenfalls in Fällen ambulanter operativer Eingriffe einschließlich der Nachbehandlung die Notwendigkeit der jeweiligen Fahrt aus der von ihm vorgelegten Bescheinigung des Krankenhauses über die Behandlungstermine ergebe. Sein darauf gestützter Widerspruch und seine im Wesentlichen mit der gleichen Begründung vor dem Verwaltungsgericht erhobene Verpflichtungsklage blieben ohne Erfolg. 4 Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung des Klägers stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zur Neubescheidung des Beihilfeantrags verpflichtet. Es ist der Ansicht, die Bindung der Beihilfefähigkeit von Fahrtkosten an die Vorlage einer ärztlichen Verordnung verstoße bei Fahrten mit privaten Kraftfahrzeugen oder öffentlichen Verkehrsmitteln gegen höherrangiges Recht. Die Anordnung, eine ärztliche Verordnung für Fahrten zu Krankenbehandlungen vorzulegen, deren Kosten dem Grunde nach beihilfefähig seien, diene der Begrenzung der Beihilfefähigkeit der Fahrtkosten auf den notwendigen und angemessenen Umfang. Bei Fahrten mit privaten Kraftfahrzeugen oder öffentlichen Verkehrsmitteln werde dieser Zweck im Allgemeinen bereits durch die Rechnung für die notwendige ärztliche Behandlung erfüllt. Denn die Nutzung dieser Verkehrsmittel sei für den Beihilfeberechtigten grundsätzlich die wirtschaftlich günstigste Möglichkeit, um zu dem Ort der Durchführung einer medizinisch notwendigen Behandlung zu gelangen, wenn dieser nicht fußläufig zu erreichen sei. Somit stelle das Erfordernis einer ärztlichen Verordnung in diesem Fall ein im Allgemeinen überflüssiges Formerfordernis dar, das die Beihilfegewährung unnötig erschwere und dadurch lediglich ""Abschreckungswirkung"" bei der Beantragung der Beihilfe zu dem Grunde nach beihilfefähigen Aufwendungen entfalte. 5 Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV. 6 Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. II 7 Die Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es steht nicht in Einklang mit § 31 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung - BBhV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 326), vor dem hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 25. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2403). Der entscheidungstragenden Annahme des Oberverwaltungsgerichts, Aufwendungen für Fahrten mit einem privaten Kraftfahrzeug zu einer ambulanten Operation oder Nachbehandlung in einem nicht fußläufig erreichbaren Krankenhaus seien ohne Vorlage einer ärztlichen Verordnung für diese Fahrten beihilfefähig, ist nicht zu folgen. Das Oberverwaltungsgericht hat einen entsprechenden Beihilfeanspruch des Klägers zu Unrecht bejaht. 8 Das Begehren des Klägers auf Bewilligung einer Beihilfe zu den Aufwendungen für die im Zeitraum vom 19. Mai bis 4. September 2017 durchgeführten Fahrten von seiner Wohnung zum Krankenhaus und zurück ist nach § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BBhV in der vorgenannten Fassung (a.F.) zu beurteilen. Denn für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 21. November 2017 - 5 C 2.16 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 53 Rn. 8 m.w.N.). Auf den Streitfall nicht anwendbar ist deshalb § 31 Abs. 1 Satz 1 BBhV in der geltenden Fassung des Art. 1 der Verordnung vom 1. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2713), obgleich diese Vorschrift mit dem Regelungsgehalt des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. insoweit übereinstimmt. 9 Die Beteiligten streiten auch im Revisionsverfahren nicht darüber, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BBhV a.F. mit Ausnahme der ärztlichen Verordnung der jeweiligen Fahrt erfüllt sind. Im Streit steht allein die Frage, ob es einer solchen Verordnung auch bedarf, wenn für die Fahrt - wie hier - ein privates Kraftfahrzeug benutzt wird. Dies hat das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht verneint (1.). Die Leistungsbegrenzung auf ärztlich verordnete Fahrten ist mit höherrangigem Recht vereinbar (2.). 10 1. Aufwendungen für Fahrten auch anlässlich einer ambulanten Operation im Krankenhaus oder in der Arztpraxis einschließlich der Vor- und Nachbehandlung sind nach § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. nur bei Vorlage einer ärztlichen Verordnung über die medizinische Notwendigkeit der Beförderung beihilfefähig (a). Das gilt auch für Fahrten, die mit einem privaten Kraftfahrzeug durchgeführt werden (b). 11 a) Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. setzt die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Fahrten im Krankheitsfall, die ihrer Art nach unter den Katalog des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. fallen, eine ärztlich verordnete Fahrt voraus. 12 Die ärztliche Verordnung muss inhaltlich auf die medizinische Notwendigkeit der Fahrt bezogen sein und nicht - wie der Kläger und das Oberverwaltungsgericht meinen - auf die medizinische Notwendigkeit der Behandlung. Es reicht also nicht aus, dass die an einen bestimmten Ort gebundene medizinische Behandlung, deren Ermöglichung bzw. Realisierung die Fahrt dient, medizinisch notwendig ist. Entscheidend ist vielmehr, dass der Gesundheitszustand der Person, für die Beihilfe begehrt wird, auch deren Beförderung als solche aus medizinischer Sicht erforderlich macht und dies durch einen Arzt bescheinigt wird. Eine - wie hier vom Kläger vorgelegte - Bescheinigung des Krankenhauses über die Behandlungstermine genügt mithin nicht. Sie steht der ärztlichen Bestätigung über die medizinische Notwendigkeit der Fahrt nicht gleich. 13 Das erschließt sich aus dem systematischen Zusammenhang mit dem in § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV verankerten allgemeinen Grundsatz, dass Beihilfe nur zu notwendigen Aufwendungen gewährt wird. Für die Anerkennung der Aufwendungen für Fahrten als beihilfefähig bedeutet dies, dass der Beihilfeberechtigte oder der berücksichtigungsfähige Angehörige, zu dessen Aufwendungen eine Beihilfe begehrt wird, aus medizinischen Gründen auf die Benutzung eines Fortbewegungsmittels, d.h. eines Verkehrs- oder Transportmittels, angewiesen ist. Die Bindung der Beihilfefähigkeit an eine ärztliche Verordnung trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass Aufwendungen, die auf einer solchen Verordnung beruhen, aufgrund der Sachkunde des Arztes regelmäßig auch als medizinisch geboten anzusehen sind (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22. August 2018 - 5 B 3.18 - NVwZ-RR 2019, 112 Rn. 9 m.w.N.). 14 Allein ein solches Normverständnis entspricht auch der sich aus den Gesetzesmaterialien ermittelten Zielsetzung des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. Mit der Einführung des Erfordernisses einer ärztlichen Verordnung sollten die beihilferechtlichen Regelungen zu den Fahrtkosten auch insoweit an das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung angepasst werden, als Krankenkassen gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (Art. 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482) - SGB V -, für den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) die Kosten für bestimmte, ihrer Art nach im Gesetz genannte Fahrten ebenfalls kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nur übernehmen, ""wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind"" (vgl. Begründung zur Bundesbeihilfeverordnung vom 13. Februar 2009). Ob und inwieweit das zutrifft, ist von dem behandelnden Arzt zu entscheiden (vgl. BT-Drs. 15/1525 S. 94). 15 b) Die Verordnungspflicht des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. besteht nach dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift auch dann, wenn Fahrten zum Ort einer medizinischen Behandlung unter Benutzung eines privaten Kraftfahrzeuges ausgeführt werden sollen. Das gilt auch für die im Streit stehenden Fahrten anlässlich einer ambulanten Operation oder Nachbehandlung im Krankenhaus. 16 Die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteile vom 14. Juni 2012 - 5 A 1.12 - Buchholz 262 § 6 TGV Nr. 1 Rn. 21 und vom 23. April 2015 - 5 C 10.14 - BVerwGE 152, 60 Rn. 21 m.w.N.) des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. sind im Hinblick auf derartige Fahrten entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht gegeben. Eine dafür erforderliche planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor. Es ist nicht erkennbar, dass § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. insoweit seinem Wortlaut nach Sachverhalte erfasst, welche die Vorschrift entsprechend dem ihr nach dem erkennbaren Willen des Verordnungsgebers zugedachten Anwendungsbereich nicht erfassen soll. Vielmehr sprechen Sinn und Zweck der Regelung gegen eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. um derartige Fahrten. Die Vorschrift dient dazu - wie dargelegt - sicherzustellen, dass Beihilfeberechtigte durch den Dienstherrn von Fahrtkosten, die aus Anlass eines konkreten Krankheitsfalles anfallen, nur bei medizinischer Notwendigkeit der Beförderung selbst freigestellt werden. Im Übrigen sollen Beamte und Versorgungsempfänger solche Fahrtkosten aus ihrer Regelalimentation bestreiten. Die in diesem Zusammenhang vorgeschriebene ärztliche Verordnung gewährleistet, dass die medizinische Notwendigkeit durch einen Sachkundigen beurteilt und dadurch die Beihilfestelle zur Verwaltungsvereinfachung von eigenen Prüfungen entlastet wird (vgl. hierzu auch VG Düsseldorf, Urteil vom 29. Juni 2020 - 13 K 6587/19 - juris Rn. 26). Diesen Zwecken würde es zuwiderlaufen, wenn Fahrten mit einem privaten Kraftfahrzeug anlässlich einer ambulanten Operation im Krankenhaus oder in der Arztpraxis einschließlich der Vor- und Nachbehandlung von der Verpflichtung zur Vorlage einer ärztlichen Verordnung ausgenommen würden. 17 2. § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. steht mit diesem Inhalt - entgegen der Rechtsansicht des Oberverwaltungsgerichts - mit höherrangigem Recht im Einklang. Die daraus folgende Leistungsbegrenzung auf ärztlich verordnete Fahrten beruht auf einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage (a). Sie verletzt zudem weder den allgemeinen Gleichheitssatz (b) noch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (c). 18 a) Die Regelung des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. findet die erforderliche gesetzliche Ermächtigung (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 23. November 2017 - 5 C 6.16 - Buchholz 270.1 § 22 BBhV Nr. 2 Rn. 9 und vom 14. Dezember 2017 - 5 C 17.16 - BVerwGE 161, 105 Rn. 17, jeweils m.w.N.) in § 80 Abs. 6 Satz 1 und 2 Nr. 2 Buchst. c Bundesbeamtengesetz - BBG - vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2232). Danach kann das Bundesministerium des Innern als zuständiger Verordnungsgeber durch Rechtsverordnung die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Fahrtkosten in Anlehnung an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - beschränken. Diese Anlehnung kann auf unterschiedliche Weise umgesetzt werden. Der Verordnungsgeber kann hierzu auf konkrete Regelungen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung verweisen und die damit verbundenen Leistungsbegrenzungen vollständig in das Beihilferecht übertragen. Er kann sich aber auch - so wie hier - an dem Inhalt der einschlägigen Regelungen des Krankenversicherungsrechts orientieren und diese in einer eigenen Verordnungsregelung verarbeiten. Dabei steht es ihm grundsätzlich frei, die Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung vollständig oder modifiziert und differenzierend in das Beihilferecht zu inkorporieren (vgl. zu einer vergleichbaren landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage BVerwG, Urteil vom 21. November 2017 - 5 C 2.16 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 53 Rn. 19). 19 In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben ist die Beschränkung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Fahrten, deren medizinische Notwendigkeit durch eine ärztliche Verordnung bescheinigt wird, von der Ermächtigungsnorm gedeckt. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung am 1. Januar 2004 bindet auch § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V - wie bereits dargelegt - die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht für Fahrkosten ausdrücklich daran, dass die im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer Krankenkassenleistung erforderliche Fahrt selbst aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig ist. Dass die ärztliche Verordnung als Leistungsvoraussetzung nicht in § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V selbst, sondern in der gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen Richtlinie über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten (Krankentransport-Richtlinie) - hier in der maßgeblichen Fassung vom 22. Januar 2004 (BAnz 2004 Nr. 18 S. 1 342) - geregelt ist, steht dem nicht entgegen. Gleiches gilt für eine etwaige Diskrepanz zwischen der beihilferechtlichen Forderung nach einer ärztlichen Verordnung auch im Fall der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeuges für eine ihrer Art nach gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. als beihilfefähig anerkannte Fahrt und dem sich aus § 2 Abs. 3 und § 7 Abs. 4 Krankentransport-Richtlinie ergebenden Verzicht auf eine derartige Verordnung im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung. Denn die vorgeschriebene Anlehnung an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - ermöglicht es dem Verordnungsgeber grundsätzlich auch, gegebenenfalls über die Regelungen des Krankenversicherungsrechts und die damit verbundenen Leistungsbegrenzungen hinauszugehen. 20 b) Der Vergleich mit den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung kann - entgegen der Auffassung des Klägers - auch keinen Gleichheitsverstoß begründen. Soweit darin, dass für Fahrten gesetzlich Krankenversicherter bei Fahrten der hier in Rede stehenden Art eine Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Krankentransport-Richtlinie nicht erforderlich ist und nach § 7 Abs. 4 Krankentransport-Richtlinie nicht ausgestellt wird, überhaupt eine Ungleichbehandlung von Beihilfeberechtigten und deren berücksichtigungsfähigen Angehörigen liegt, ist diese gerechtfertigt. 21 Das Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG wird in der Regel und so auch hier durch Unterschiede in der Leistungsgewährung nach den Beihilfevorschriften des Bundes und den Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - SGB V - nicht verletzt. Denn die Krankheitsvorsorge aufgrund von Beihilfe und ergänzender Privatversicherung unterscheidet sich im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Verankerung, die Finanzierung, die Leistungsvoraussetzungen, das Leistungsspektrum und die Leistungsformen grundlegend von der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - Buchholz 270.1 § 25 BBhV Nr. 1 Rn. 16 m.w.N.). 22 c) Schließlich ist die Beschränkung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Fahrten auf solche, die ärztlich verordnet wurden, mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn vereinbar. 23 Die verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete und einfachrechtlich in § 78 BBG normierte Fürsorgepflicht fordert keine lückenlose Erstattung aller krankheitsbedingten Kosten, die durch die Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung nicht gedeckt sind. Ein für bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen vorgesehener Leistungsausschluss oder eine Leistungsbegrenzung ist mit Blick auf die Fürsorgepflicht nur zu beanstanden, wenn dadurch der nicht zur Disposition des Dienstherrn stehende Wesenskern der Fürsorgepflicht betroffen ist, weil der Beamte bzw. Versorgungsempfänger mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleibt, die er durch die Regelalimentation und eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann (vgl. stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - Buchholz 270.1 § 25 BBhV Nr. 1 Rn. 19 f. m.w.N.). Ein derartiges Betroffensein scheidet unter anderem bei Aufwendungen aus, die sich als mittelbare (Folge-)Kosten einer Krankheit darstellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 5 C 3.12 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 43 Rn. 21 m.w.N.). Zu diesen gehören der Art nach auch die in Rede stehenden Fahrtkosten. Jedenfalls ist das beihilferechtliche Unterbleiben der Erstattung von Fahrtkosten, die auf nicht verordnete Fahrten zurückgehen, nicht geeignet, die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern zu berühren. 24 3. Abschließend weist der Senat aus Gründen der Klarstellung auf Folgendes hin: Für den Fall, dass ein Beihilfeanspruch des Klägers bestünde, entspräche die angefochtene Entscheidung insofern nicht den bundesrechtlichen Vorgaben, als das Oberverwaltungsgericht lediglich eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung ausgesprochen hat. Bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Rechtsgrundlagen besteht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BBhV ein Rechtsanspruch, der sich regelmäßig und so auch im vorliegenden Zusammenhang der Fahrtkosten auf die Gewährung eines bestimmten Geldbetrages erstreckt. Dessen Höhe ist - soweit es erforderlich ist - von den Tatsachengerichten im Rahmen ihrer aus § 113 Abs. 5 Satz 1, § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO folgenden Verpflichtung zur Spruchreifmachung selbst - gegebenenfalls mit Hilfestellung der zuständigen Beihilfebehörde - zu ermitteln und festzustellen. Das schließt im Fall eines etwaigen Obsiegens des Beihilfeberechtigten den Erlass eines Bescheidungsurteils grundsätzlich - und so auch hier - aus. 25 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2021-18,17.03.2021,"Pressemitteilung Nr. 18/2021 vom 17.03.2021 EN MPU auch nach einmaliger Trunkenheitsfahrt mit hoher Blutalkoholkonzentration und fehlenden Ausfallerscheinungen Zur Klärung von Zweifeln an der Fahreignung ist auch dann ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, wenn der Betroffene bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug zwar eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille aufwies, bei ihm aber trotz einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille oder mehr keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen festgestellt wurden. In einem solchen Fall begründen, wie § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) voraussetzt, sonst Tatsachen die Annahme von (künftigem) Alkoholmissbrauch. Die dadurch hervorgerufenen Zweifel an der Fahreignung hat die Fahrerlaubnisbehörde nach dieser Vorschrift durch die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu klären. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger begehrt die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. Nach einer Trunkenheitsfahrt, bei der die Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille ergeben hatte, verurteilte ihn das Strafgericht wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB) und entzog ihm die Fahrerlaubnis. Als der Kläger bei der beklagten Stadt Kassel die Neuerteilung der Fahrerlaubnis beantragte, forderte sie ihn gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FeV auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Klärung der Frage beizubringen, ob er trotz der Hinweise auf Alkoholmissbrauch ein Fahrzeug sicher führen könne und nicht zu erwarten sei, dass er ein Kraftfahrzeug unter einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholeinfluss führen werde. Weil der Kläger ein solches Gutachten nicht vorlegte, lehnte die Beklagte seinen Neuerteilungsantrag gestützt auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ab. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Kassel abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof das Urteil geändert und die Beklagte verpflichtet, die beantragte Fahrerlaubnis ohne vorherige Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens zu erteilen. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts genüge bei der dem Kläger vorzuhaltenden einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille allein das Fehlen von Ausfallerscheinungen nicht, um als sonstige Tatsache im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu rechtfertigen. Der Verordnungsgeber habe den Aspekt des mangelnden Wirkungsempfindens aufgrund bestehender Giftfestigkeit bereits bei der Festlegung des Grenzwertes von 1,6 Promille in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV berücksichtigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil geändert und die Berufung des Klägers gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen. Gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV durfte die Beklagte auf die Nichteignung des Klägers schließen, da er ihr kein positives medizinisch-psychologischen Gutachten vorgelegt hatte. Sie hatte von ihm auf der Grundlage von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV zu Recht die Beibringung eines solchen Gutachtens gefordert. Nach dieser Regelung ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung einer Fahrerlaubnis an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne liegt vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts steht § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV der Anwendung der von der Beklagten herangezogenen Regelung nicht entgegen. Aus dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und c FeV lässt sich nicht entnehmen, dass dem Buchstaben c eine ""Sperrwirkung"" in dem Sinne zukommt, dass bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille und Anhaltspunkten für eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung ein Rückgriff auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV ausscheidet. Bei Personen, die aufgrund ihres Trinkverhaltens eine hohe Alkoholgewöhnung erreicht haben, besteht eine erhöhte Rückfallgefahr. Die Giftfestigkeit führt u.a. dazu, dass der Betroffene die Auswirkungen seines Alkoholkonsums auf die Fahrsicherheit nicht mehr realistisch einschätzen kann. Deshalb liegt in dem Umstand, dass der Betroffene trotz eines bei seiner Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug festgestellten hohen Blutalkoholpegels keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen aufwies, eine aussagekräftige Zusatztatsache im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c Alt. 2 FeV. Dieser zusätzliche tatsächliche Umstand rechtfertigt auch mit Blick auf den Buchstaben c, der demgegenüber allein das Erreichen von 1,6 Promille genügen lässt, die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand kann von einer außergewöhnlichen Alkoholgewöhnung ausgegangen werden, wenn der Betroffene bei seiner Trunkenheitsfahrt eine Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille oder mehr aufwies. Außerdem muss festgestellt und dokumentiert worden sein, dass er dennoch keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zeigte. Diese Voraussetzungen waren im Falle des Klägers erfüllt. Fußnote: Aus der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) :   § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV : Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.   § 13 Satz 1 FeV : Zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass… 1. ein ärztliches Gutachten (§ 11 Absatz 2 Satz 3) beizubringen ist, wenn … 2. ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn a) … sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen, b) wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr begangen wurden, c) ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr …. geführt wurde, … BVerwG 3 C 3.20 - Urteil vom 17. März 2021 Vorinstanzen: VGH Kassel, 2 A 641/19 - Urteil vom 22. Oktober 2019 - VG Kassel, 2 K 1637/18.KS - Urteil vom 12. November 2018 -","Urteil vom 17.03.2021 - BVerwG 3 C 3.20ECLI:DE:BVerwG:2021:170321U3C3.20.0 EN Leitsatz: Zur Klärung von Zweifeln an der Fahreignung ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, wenn der Betroffene bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug zwar eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille aufwies, bei ihm aber trotz einer BAK von 1,1 Promille oder mehr keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen festgestellt wurden. Bei solchen Anhaltspunkten für eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung und eine damit einhergehende erhöhte Wiederholungsgefahr begründen sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV). Rechtsquellen StVG § 2 Abs. 2 und 4 FeV § 11 Abs. 1 und 8, § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und c, § 20 Abs. 1, Anlage 4 Nr. 8.1 und 8.2 Instanzenzug VG Kassel - 12.11.2018 - AZ: VG 2 K 1637/18.KS VGH Kassel - 22.10.2019 - AZ: VGH 2 A 641/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 17.03.2021 - 3 C 3.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:170321U3C3.20.0] Urteil BVerwG 3 C 3.20 VG Kassel - 12.11.2018 - AZ: VG 2 K 1637/18.KS VGH Kassel - 22.10.2019 - AZ: VGH 2 A 641/19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2021 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Kenntner für Recht erkannt: Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Oktober 2019 wird geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 12. November 2018 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger begehrt die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. 2 Er wurde am 12. November 2016 um 02:40 Uhr als Fahrer eines Pkw im Rahmen einer Verkehrskontrolle überprüft. Da die Polizeibeamten Alkoholgeruch bemerkten, wurde beim Kläger um 03:15 Uhr eine Blutprobe entnommen; sie wies eine Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille auf. Im ""Vorläufigen Blutalkoholgutachten"" des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Gießen und Marburg wird ergänzend ausgeführt, dass die Rückrechnung auf den Zeitpunkt des Vorfalls je nach dem zugrunde gelegten Rückrechnungswert eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,35 Promille und maximal 1,62 Promille ergebe. 3 Das Amtsgericht Kassel verurteilte den Kläger wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB) rechtskräftig zu einer Geldstrafe, entzog ihm die Fahrerlaubnis (§§ 69, 69a StGB) und ordnete für die Neuerteilung eine Sperrfrist von neun Monaten an. 4 Im Mai 2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Sie forderte ihn daraufhin gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Frage beizubringen, ob er trotz der Hinweise auf Alkoholmissbrauch im Sinne der Anlage 4 ein Fahrzeug der Gruppe 1 sicher führen könne und nicht zu erwarten sei, dass er ein Kraftfahrzeug unter einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholeinfluss führen werde. Der Kläger sei nach seinen Angaben im Strafverfahren selbst über den hohen Promillewert erschrocken gewesen und habe sich nicht betrunken gefühlt. Bei der Polizeikontrolle und der ärztlichen Untersuchung habe er keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen gezeigt. Damit lägen zusätzliche Tatsachen vor, die die Annahme künftigen Alkoholmissbrauchs begründeten. Es sei nicht auszuschließen, dass sich der Kläger auch künftig fahrtüchtig fühlen werde, obwohl er alkoholbedingt nicht in der Lage sei, ein Fahrzeug sicher zu führen. 5 Nachdem der Kläger ein solches Gutachten nicht innerhalb der gesetzten Frist beigebracht hatte, lehnte die Beklagte seinen Antrag mit Bescheid vom 19. Dezember 2017 gestützt auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ab. Dass er das von ihm zu Recht geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorgelegt habe, zeige, dass er Mängel verbergen wolle, die seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschlössen. 6 Seine nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Kassel abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht angenommen, dass zusätzliche Tatsachen die Annahme künftigen Alkoholmissbrauchs begründeten und damit die Voraussetzungen von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV erfüllt seien. Nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung sei von Alkoholmissbrauch u.a. dann auszugehen, wenn es - wie beim Kläger - zu einer einmaligen Fahrt unter hoher Alkoholkonzentration (ohne weitere Anzeichen einer Alkoholwirkung) gekommen sei. Von einem hohen Blutalkoholwert, dessen Erreichen oder Überschreiten auf hohe Trinkfestigkeit schließen lasse, sei ab 1,3 Promille auszugehen. Der Kläger habe ein Kraftfahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,35 Promille geführt. Der Verdacht einer Alkoholproblematik werde durch zusätzliche Tatsachen erhärtet. Nach den von der Polizei bei der Verkehrskontrolle getroffenen Feststellungen und dem ärztlichen Untersuchungsbericht seien beim Kläger trotz seines hohen Alkoholisierungsgrads nahezu keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen feststellbar gewesen. 7 Auf die Berufung des Klägers hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof die erstinstanzliche Entscheidung geändert, die angegriffenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die beantragte Fahrerlaubnis ohne vorherige Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens zu erteilen. Zur Begründung wird ausgeführt: Allein das Fehlen von Ausfallerscheinungen bei der einmaligen Alkoholfahrt des Klägers mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille genüge nicht, um als sonstige Tatsache im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu rechtfertigen. Diese Bestimmung sei eine Auffangregelung für Fallkonstellationen, die nicht unter § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b bis e FeV fielen. Inhalt und Grenzen ergäben sich aus dem Vergleich mit den dort erfassten anderen Fallgruppen, in denen im Zusammenhang mit Alkohol die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung vorgesehen sei. Eine Alkoholmissbrauch kennzeichnende hohe Alkoholkonzentration werde vom Verordnungsgeber auch beim Fehlen alkoholbedingter Ausfallerscheinungen an den in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV genannten Wert von 1,6 Promille gekoppelt. Entscheidend für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach einer Alkoholauffälligkeit im Straßenverkehr sei die Rückfallwahrscheinlichkeit. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV liege die Erwartung zugrunde, bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille führten bereits die Strafe und die Fahrerlaubnisentziehung dazu, dass der mit der Trunkenheitsfahrt dokumentierte Alkoholmissbrauch nicht mehr bestehe. Über die Absenkung dieses Grenzwertes müsse der Verordnungsgeber entscheiden. Der Verkehrsgerichtstag habe im Jahr 2016 gefordert, nach einer einmaligen Auffälligkeit im Straßenverkehr bereits ab 1,1 Promille die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung vorzusehen. Diesen Vorschlag habe der Verordnungsgeber bislang nicht aufgegriffen. 8 Zur Begründung ihrer Revision macht die Beklagte geltend: § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV sei so zu verstehen, dass diese Bestimmung, wenn es - wie hier - nur zu einer einmaligen Alkoholfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille gekommen sei, die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gestatte, wenn zusätzliche konkrete Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorlägen. Aus der Systematik der Buchstaben b und c folge nicht, dass eine einmalige Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille im Rahmen des Buchstaben a Alternative 2 überhaupt keine Berücksichtigung finden dürfe; vielmehr dürfe dieser Umstand in eine Gesamtschau einbezogen werden. Das Bundesverwaltungsgericht habe anerkannt, dass das Fehlen von Ausfallerscheinungen, das auf eine gewisse Giftfestigkeit schließen lasse, ein relevanter Anhaltspunkt sein könne. Beim Kläger seien keine Ausfallerscheinungen aufgetreten. Das belege eine hohe Alkoholgewöhnung und spreche dafür, dass er auch in der Zukunft nicht fähig sei, seine Alkoholisierung zutreffend einzuschätzen. 9 Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. 10 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht trägt in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vor: Auch wenn - wissenschaftlich gesehen - das Fehlen von Ausfallerscheinungen bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille gegebenenfalls für eine hohe Alkoholgewöhnung sprechen könne, sei dieser Umstand nicht als zusätzliche Tatsache im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV zu werten. Der Vorrang des Buchstaben c greife auch bei einem Fehlen von Ausfallerscheinungen. Mit der dort vorgenommenen Absenkung des Promillewertes habe die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille auch bei Ersttätern ohne weitere Auffälligkeiten ermöglicht werden sollen. Über die Forderung des Verkehrsgerichtstags, den im Buchstaben c genannten Promillewert auf 1,1 Promille zu senken, habe das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur noch nicht abschließend entschieden. Das erfordere eine umfassende Diskussion, die noch nicht abgeschlossen sei; das Thema werde voraussichtlich in der nächsten Legislaturperiode abschließend bearbeitet. II 11 Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Änderung des angegriffenen Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung des Klägers. Die Annahme des Berufungsgerichts, das Fehlen von Ausfallerscheinungen bei der einmaligen Trunkenheitsfahrt des Klägers mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille genüge nicht, um als sonstige Tatsache im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu rechtfertigen (UA S. 6), verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Zur Klärung von Zweifeln an der Fahreignung ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, wenn der Betroffene bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug zwar eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille aufwies, bei ihm aber trotz einer BAK von 1,1 Promille oder mehr keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen festgestellt wurden. Bei solchen Anhaltspunkten für eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung und eine damit einhergehende erhöhte Wiederholungsgefahr begründen sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV). Da der Kläger das hiernach erforderliche Gutachten nicht fristgerecht beibrachte, durfte die Beklagte gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen. Sie musste deshalb die beantragte Neuerteilung der Fahrerlaubnis ablehnen. 12 1. Maßgeblich für die Beurteilung des vom Kläger verfolgten Verpflichtungsbegehrens auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Anwendung finden damit die rechtlichen Regelungen, die auch das Berufungsgericht zugrunde zu legen hätte, wenn es zum Zeitpunkt des revisionsgerichtlichen Urteils entschiede (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 3 C 1.13 - BVerwGE 149, 74 Rn. 13 m.w.N.). Anzuwenden sind daher das Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.d.F. vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310), zum maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch das Gesetz über Änderungen im Berufskraftfahrerqualifikationsrecht vom 26. November 2020 (BGBl. I S. 2575), sowie die Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1980), zum maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch die Verordnung über die Ausbildung und Prüfung auf Kraftfahrzeugen mit Automatikgetriebe und zur Änderung weiterer Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 16. November 2020 (BGBl. I S. 2704). 13 2. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 FeV gelten für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung die Vorschriften für die Ersterteilung. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG müssen Fahrerlaubnisbewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein. Die Eignung besitzt nach § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG sowie § 11 Abs. 1 Satz 1 und 3 FeV, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Die Anforderungen sind insbesondere dann nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vorliegt, wodurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird (§ 11 Abs. 1 Satz 2 FeV). Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV ist bei Alkoholmissbrauch die Eignung ausgeschlossen; er liegt vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Von Eignung kann gemäß Nr. 8.2 der Anlage 4 nach Beendigung des Missbrauchs ausgegangen werden; er kann angenommen werden, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist. 14 3. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist der Umstand, dass bei der Trunkenheitsfahrt des Klägers und der anschließenden Blutentnahme keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen festgestellt wurden, obwohl die Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille - und damit einen Zustand, der von den Strafgerichten als absolute Fahruntüchtigkeit bewertet wird - aufgewiesen hatte, eine sonstige Tatsache im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV, die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründet. Dieser zur hohen Blutalkoholkonzentration hinzutretende Umstand, der für die Frage bedeutsam ist, ob beim Kläger das erhöhte Risiko einer weiteren Trunkenheitsfahrt und damit eines erneuten Alkoholmissbrauchs besteht, rechtfertigte die an ihn ergangene Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. 15 a) Gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Alkoholabhängigkeit, jedoch Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen (Buchst. a), wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden (Buchst. b), ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde (Buchst. c), die Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchstaben a bis c genannten Gründen entzogen war (Buchst. d) oder sonst zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr besteht (Buchst. e). 16 b) Die Beklagte war berechtigt, vom Kläger auf der Grundlage von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu fordern. In dem Umstand, dass der Kläger trotz des hohen Blutalkoholpegels bei der Polizeikontrolle und der anschließenden Blutentnahme nahezu keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen gezeigt hatte, durfte die Beklagte eine sonstige Tatsache im Sinne dieser Regelung sehen, die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründet (ebenso OVG Magdeburg, Beschluss vom 22. April 2020 - 3 M 30/20 - Blutalkohol 2020, 241 <242>; OVG Greifswald, Beschluss vom 19. März 2019 - 3 M 291/18 - NordÖR 2019, 250 = juris Rn. 23 ff.; VGH München, Beschluss vom 11. März 2019 - 11 ZB 19.448 - juris Rn. 11 ff.; VGH Mannheim, Urteil vom 7. Juli 2015 - 10 S 116/15 - Blutalkohol 2015, 71 = juris Rn. 44 ff.; OVG Münster, Beschluss vom 21. Januar 2015 - 16 B 1374/14 - DAR 2015, 606 = juris Rn. 4 ff. sowie Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 13 FeV Rn. 21). 17 In der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist geklärt, dass eine Gutachtensanforderung nur dann auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV gestützt werden kann, wenn Zusatztatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung der Wertungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV geeignet sind, die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen. Mit den Tatbeständen des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV erfasst der Verordnungsgeber verschiedene Lebenssachverhalte, die die Fahrerlaubnisbehörde je selbständig zur Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verpflichten. Diese Tatbestände stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Vielmehr hat der Verordnungsgeber mit ihnen einen Rahmen geschaffen, bei dessen Ausfüllung auch die jeweils anderen Tatbestände und die ihnen zugrundeliegenden Wertungen zu berücksichtigen sind. Das gilt namentlich für die Tatbestände des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV. Lag die Blutalkoholkonzentration, mit der ein Fahrzeug geführt wurde, unter 1,6 Promille und wurde keine wiederholte Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen, ist nach diesen Bestimmungen die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht ohne Weiteres gerechtfertigt. Diese Grundentscheidung des Verordnungsgebers ist nicht anders als im Rahmen eines Regelbeispielkatalogs bei der Auslegung des Tatbestands von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV zu beachten. Eine einmalig gebliebene Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille genügt ohne zusätzliche aussagekräftige Umstände nicht, um als sonstige Tatsache im Sinne dieses Tatbestands die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen (BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 3 C 24.15 - Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 24 Rn. 16). 18 Ein zusätzlicher Umstand im Sinne dieser Rechtsprechung, der als sonstige Tatsache im Sinne des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV gewertet werden darf (""Zusatztatsache""), liegt entgegen dem Berufungsgericht darin, dass der Kläger trotz der bei ihm festgestellten Blutalkoholkonzentration, die nach Rückrechnung auf den Tatzeitpunkt mindestens 1,35 Promille betrug, sowohl bei der Polizeikontrolle selbst als auch bei der anschließenden Blutentnahme keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen gezeigt hatte. 19 aa) § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV verpflichtet die Fahrerlaubnisbehörde, vom Betroffenen die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu fordern, wenn nach Maßgabe der in den Buchstaben a bis e konkretisierten Voraussetzungen berechtigte Zweifel an der Fahreignung des Betroffenen im Zusammenhang mit einer Alkoholproblematik bestehen. Das medizinisch-psychologische Gutachten dient der Klärung dieser Eignungszweifel; die sachverständige Begutachtung des Betroffenen soll der Fahrerlaubnisbehörde eine fachlich fundierte Grundlage für ihre Entscheidung über die beantragte Erteilung oder Verlängerung einer Fahrerlaubnis verschaffen. 20 Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne liegt nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vor, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden. 21 Die Frage, ob ein solcher die Fahreignung ausschließender Alkoholmissbrauch zu befürchten ist, ist auf der Grundlage einer Prognose zu beantworten. Deren Gegenstand ist, ob Zweifel daran bestehen, dass der Betroffene künftig das Führen eines Kraftfahrzeugs und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum in der gebotenen Weise trennen wird. Die Regelung des § 13 FeV zielt - nicht anders als § 14 FeV in Bezug auf Betäubungsmittel - auf Gefahrenabwehr und nicht auf die Sanktionierung eines vom Betroffenen in der Vergangenheit gezeigten Fehlverhaltens im Straßenverkehr. Eine solche Sanktionierung ist regelmäßig - und so auch hier - bereits in einem Strafverfahren zur Ahndung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit erfolgt, die der Betroffene mit der Trunkenheitsfahrt begangen hat. § 13 FeV soll für die Zukunft alkoholbedingte Risiken für die Verkehrssicherheit soweit wie möglich ausschalten. 22 Dementsprechend ist auch die Regelung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV darauf ausgerichtet, anknüpfend an einen in der Vergangenheit begangenen Alkoholmissbrauch und damit in Zusammenhang stehende Begleitumstände zu klären, ob sie durchgreifende Zweifel an der künftigen Beachtung des in der Nr. 8.1 zum Ausdruck kommenden Gebotes rechtfertigen, einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum und das Führen eines Fahrzeugs zu trennen (vgl. zum Erfordernis einer Prognose wegen gelegentlichen Cannabiskonsums BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 - 3 C 14.17 - BVerwGE 165, 215 Rn. 35 ff.; wegen des Mischkonsums von Alkohol und Cannabis BVerwG, Urteil vom 14. November 2013 - 3 C 32.12 - BVerwGE 148, 230 Rn. 16 und wegen einer Trunkenheitsfahrt auf dem Fahrrad BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 3 C 32.07 - BVerwGE 131, 163 Rn. 14). Es geht der Sache nach um die Klärung der Frage, ob Wiederholungsgefahr besteht. Das ist zugleich entscheidend dafür, was als sonstige Tatsache im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV gewertet werden kann. 23 Für die Beantwortung der Frage, wann im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen, ist außerdem von Bedeutung, dass es im Rahmen von § 13 FeV noch nicht um die Entscheidung über die Erteilung oder Verlängerung einer Fahrerlaubnis als solche geht, sondern um eine diese Entscheidung vorbereitende Aufklärungsmaßnahme. § 13 FeV regelt dementsprechend, in welchen Fällen einer Alkoholproblematik Eignungszweifel gerechtfertigt sind, und bestimmt, wann die Fahrerlaubnisbehörde vom Betroffenen deshalb die Beibringung eines ärztlichen (§ 13 Satz 1 Nr. 1 FeV) oder aber - wie hier - eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (§ 13 Satz 1 Nr. 2 FeV) zu fordern hat. § 13 FeV greift demgemäß nicht erst dann, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde bereits feststeht. In einem solchen Fall wäre sie nicht auf die Anforderung eines ärztlichen (§ 13 Satz 1 Nr. 1 FeV) oder medizinisch-psychologischen Gutachtens (§ 13 Satz 1 Nr. 2 FeV) verwiesen, sondern dürfte den Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis auf der Grundlage von § 11 Abs. 7 FeV unmittelbar ablehnen. Für eine Gutachtensanforderung gemäß § 13 FeV genügen sachlich fundierte Zweifel an der Fahreignung. 24 bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV, der die Fahrerlaubnisbehörde nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt erst ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille zur Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verpflichtet, dem Rückgriff auf den Buchstaben a Alternative 2 nicht entgegen. Aus dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und c FeV lässt sich nicht entnehmen, dass dem Buchstaben c eine ""Sperrwirkung"" in dem Sinne zukommt, dass nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille ein Rückgriff auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV von vornherein ausscheidet. Dies lässt außer Acht, dass nach den medizinisch-toxikologischen Erkenntnissen der Alkoholforschung, von denen sich der Verordnungsgeber bei seiner Regelung leiten ließ, bei Personen, die aufgrund ihres Trinkverhaltens eine hohe Alkoholgewöhnung erreicht haben, das deutlich erhöhte Risiko einer erneuten Trunkenheitsfahrt besteht. Ihre Giftfestigkeit führt unter anderem dazu, dass sie die Auswirkungen ihres Alkoholkonsums auf ihre Fahrsicherheit nicht mehr realistisch einschätzen können. Deshalb liegt in dem Umstand, dass ein Betroffener - wie der Kläger - trotz eines bei seiner Trunkenheitsfahrt festgestellten Blutalkoholpegels von 1,1 Promille oder mehr keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen aufgewiesen hat, eine Zusatztatsache im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV. Dieser zusätzliche Umstand und das dadurch indizierte Risikopotenzial rechtfertigen auch mit Blick auf den Buchstaben c, der eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille beim Führen eines Fahrzeugs genügen lässt, ohne dass es dann noch auf das Vorliegen zusätzlicher Tatsachen ankommt, die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. 25 (1) Bereits der Wortlaut von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV (""... sonst Tatsachen ..."") und die systematische Stellung der Bestimmung innerhalb der Gesamtregelung des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV machen deutlich, dass der Verordnungsgeber dieser Bestimmung eine Auffangfunktion jenseits der insbesondere in den Buchstaben b und c erfassten Fällen einer Alkoholproblematik zugedacht hat. Das setzt allerdings Zusatztatsachen voraus, die unter Berücksichtigung der Wertungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen vermögen (so bereits BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 3 C 24.15 - Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 24 Rn. 16). 26 (2) Auch aus der Entstehungsgeschichte der Buchstaben a und c lässt sich die ""Sperrwirkung"" nicht herleiten, die das Berufungsgericht der im Buchstaben c genannten Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille beimisst. 27 (a) Vor dem Inkrafttreten der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 18. August 1998 (BGBl. I S. 2214) erfolgte die Beurteilung der Fahreignung auf der Grundlage der vom Bundesminister für Verkehr erlassenen Richtlinien für die Prüfung der körperlichen und geistigen Eignung von Fahrerlaubnisbewerbern und -inhabern (Eignungsrichtlinien). 28 Die Eignungsrichtlinien vom 1. Dezember 1982 (VkBl 1982 S. 496) enthielten - insoweit von der Grundstruktur her nicht anders als später die Fahrerlaubnis-Verordnung mit deren Anlage 4 - in einer Anlage 1 einen Katalog von Mängeln und Untersuchungsanlässen mit den Untersuchungsarten (Mängelkatalog). In Nr. 10 des Kataloges der Untersuchungsarten für das Führen von Kfz der Klassen 1, 2, 3, 4, 5 sowie für Fahrerlaubnisse nach § 15d StVZO war bei wiederholten Verkehrszuwiderhandlungen unter Alkoholeinfluss eine MPU vorgesehen (a.a.O. S. 501). Das wurde durch die Fußnote 7 dahingehend erweitert, dass die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung auch bei erstmals alkoholauffälligen Kraftfahrern mit einer Blutalkoholkonzentration von 2 Promille oder mehr in Frage kommen könne, wenn sonstige Umstände des Einzelfalls den Verdacht auf überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung nahelegten, wie z.B. Alkoholfahrt bereits in den Tagesstunden oder unfallfrei oder unauffällig über eine längere Fahrstrecke, unauffälliges Verhalten bei der Verkehrskontrolle, Vermerk über das Fehlen gravierender alkoholtypischer Ausfallerscheinungen im Blutabnahmeprotokoll, sonstige Hinweise auf normabweichendes Trinkverhalten oder Auffälligkeiten unter Alkoholeinfluss (a.a.O. S. 502). 29 Bereits nach den Eignungsrichtlinien in der Fassung von 1982 durfte die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung also schon nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt erfolgen. Notwendige Voraussetzung dafür war damals eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 2 Promille. Aber auch das allein wurde noch nicht als ausreichend angesehen; es mussten noch weitere Anhaltspunkte hinzukommen. Zu den relevanten Zusatzmerkmalen wurde bereits unter der Geltung der Eignungsrichtlinien eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung gezählt, die etwa das Fehlen von alkoholbedingten Ausfallerscheinungen nahelege. 30 (b) Diese Vorgaben wurden mit der Änderung der Eignungsrichtlinien vom 30. Oktober 1989 (VkBl 1989 S. 786) dadurch verschärft, dass durch eine Neufassung der Fußnote 7 der dort angegebene ""Schwellenwert"" von 2 auf 1,6 Promille abgesenkt wurde. Dort hieß es nun, dass die Anordnung einer MPU nun auch bei erstmals alkoholauffälligen Kraftfahrern bereits mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr in Betracht komme, wenn sonstige Umstände des Einzelfalls den Verdacht auf überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung nahelegen, wie z.B. Alkoholfahrt bereits in den Tagesstunden oder unfallfrei oder unauffällig über eine längere Fahrstrecke, unauffälliges Verhalten bei der Verkehrskontrolle, Vermerke über das Fehlen gravierender alkoholtypischer Ausfallerscheinungen im Blutabnahmeprotokoll, sonstige Hinweise auf normabweichendes Trinkverhalten oder Auffälligkeiten unter Alkoholeinfluss. Bei einer Blutalkoholkonzentration von 2 Promille oder mehr komme auch ohne das Vorliegen solcher Umstände regelmäßig eine MPU in Betracht. 31 Gestützt wurde diese Absenkung auf gesicherte neue Erkenntnisse der Alkoholforschung. Mittlerweile werde in der Fachliteratur übereinstimmend davon ausgegangen, dass Blutalkoholkonzentrationen über 1,5 Promille in der Regel mit deutlich normabweichenden Trinkgewohnheiten verbunden seien. Wenn ein Fahrer mit einem solchen Alkoholisierungsgrad überhaupt noch in der Lage sei, sein Kraftfahrzeug in Gang zu setzen und - z.B. in der Großstadt - mehrere Kilometer unauffällig zu fahren, müsse er über eine ungewöhnliche Giftfestigkeit verfügen, d.h. zum Kreis der Vieltrinker gehören. Das gelte - auch ohne das Kriterium unauffälliger Fahrweise - insbesondere für Kraftfahrer mit 2 Promille und mehr. Von verschiedenen Autoren werde daher darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Personenkreis in der Regel nicht mehr um trinkende Fahrer, sondern um fahrende Trinker handele. Auch die Untersuchungen über die Rückfallquoten zeigten, dass diejenigen, die mit 1,6 Promille und mehr aufgefallen seien, im gleichen Zeitraum doppelt so häufig erneut auffällig würden wie Kraftfahrer mit geringeren Blutalkoholkonzentrationen. Im Interesse der Verkehrssicherheit sei es daher geboten, vor der Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis schon nach erstmaligem Entzug wegen Alkoholauffälligkeit die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen durch eine MPU zu klären, wenn der Betroffene zu der Risikogruppe überdurchschnittlich alkoholgewöhnter Kraftfahrer gehöre. Das sei unumgänglich bei Kraftfahrern, die mit Blutalkoholkonzentrationen von 2 Promille und mehr aufgefallen seien, während es vertretbar erscheine, bei Kraftfahrern mit Blutalkoholkonzentrationen zwischen 1,6 und 1,99 Promille auf das Vorliegen zusätzlicher Anhaltspunkte für eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung abzustellen (a.a.O. S. 787). 32 Die Neufassung der Fußnote 7 und die Begründung dafür zeigen, dass der Richtliniengeber in Kraftfahrern mit einer überdurchschnittlichen Alkoholgewöhnung - nach wie vor - ein erhöhtes Risiko für die Verkehrssicherheit sah. Diesem Risiko sollte nun durch ein gestuftes System bei der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung begegnet werden, für das der Richtliniengeber zwei unterschiedliche ""Schwellenwerte"" vorsah: Auf der Grundlage des damaligen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes hielt er ab einer Blutalkoholkonzentration von 2 Promille eine medizinisch-psychologische Untersuchung stets - und damit, anders als bisher, ohne Zusatzmerkmale - für zwingend erforderlich. Bereits ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille - und damit nicht mehr erst bei 2 Promille - durfte nun die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gefordert werden, wenn zusätzliche Anhaltspunkte für eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung vorlagen. Zu diesen Anhaltspunkten rechnet der Richtliniengeber - wie bisher - eine unauffällige Fahrweise und das Fehlen alkoholtypischer Ausfallerscheinungen bei der Blutabnahme trotz einer hohen Blutalkoholkonzentration. 33 (c) Dieses zweistufige System bei der Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens übernahm der Verordnungsgeber in die Fahrerlaubnis-Verordnung, mit der er die Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (ABl. L 237 S. 1) - die sogenannte 2. Führerscheinrichtlinie - in das nationale Recht umsetzte. Dabei gliederte er das Fahrerlaubnisrecht aus der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) aus und fasste es mit den bisher in Richtlinien enthaltenen Bestimmungen in der neuen Fahrerlaubnis-Verordnung zusammen (vgl. BR-Drs. 433/98 S. 209 f.). 34 Der vom Bundesministerium für Verkehr vorgelegte Entwurf der Fahrerlaubnis-Verordnung sah, die Regelungen der Eignungsrichtlinien damit inhaltlich übernehmend, in seinem § 13 Nr. 2 Buchst. c FeV vor, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen sei, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 2 Promille oder einer Atemalkoholkonzentration von 1,0 mg/l oder mehr geführt wurde. Nach § 13 Nr. 2 Buchst. d FeV in der Entwurfsfassung war eine MPU vorzulegen, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde und weitere Umstände des Einzelfalls den Verdacht auf überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung nahelegen (vgl. BR-Drs. 443/98 S. 26 f.). In der Entwurfsbegründung hieß es dazu, dass Absatz 1 Nummer 2 die Fälle regele, in denen ein medizinisch-psychologisches Gutachten beigebracht werden müsse. Dies sei insbesondere der Fall bei Fragestellungen im Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch (Nummer 2 Buchstabe a), da es hierbei im Wesentlichen um die Beurteilung des Alkoholtrinkverhaltens des Betroffenen und den Umgang mit dem Alkohol gehe (Frage des kontrollierten Alkoholkonsums, Trennen von Trinken und Fahren) und eine Verhaltensprognose erforderlich sei. Nummer 2 Buchstabe b bis d übernähmen die bisherigen Zuweisungsbestimmungen aus dem Mängelkatalog der Eignungsrichtlinien des Bundes (vgl. BR-Drs. 443/98 S. 261). 35 Im Zuge der Beratungen des Entwurfs wurden diese aus den Eignungsrichtlinien übernommenen Regelungen verschärft. Nach der auf einen Vorschlag des Bundesrates zurückgehenden Neufassung von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV erfolgt die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nun bereits dann, wenn ein Kraftfahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr geführt wurde. Die Absenkung des im Entwurf des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV noch vorgesehenen Promillewertes von 2 auf 1,6 Promille wurde damit begründet, dass nach einhelliger Auffassung in Wissenschaft und Literatur die bisher in der Fußnote 7 der Anlage 1 der Eignungsrichtlinien zu § 12 StVZO enthaltene Differenzierung, eine medizinisch-psychologische Untersuchung bei einer Blutalkoholkonzentration von 2,0 Promille oder mehr bzw. bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille bis 1,99 Promille und zusätzlichen Anhaltspunkten anzuordnen, nicht mehr dem aktuellen Forschungsstand entspreche. Vielmehr sei davon auszugehen, dass alkoholauffällige Kraftfahrer bereits mit einer Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille über deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Trinkfestigkeit verfügten. Da diese Personen doppelt so häufig rückfällig würden wie Personen mit geringeren Blutalkoholkonzentrationen, sei das Erfordernis zusätzlicher Verdachtsmomente nicht mehr vertretbar. Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht habe entschieden, dass es die dem Urteil vom 7. April 1992 - 4 L 238/91 - zugrundeliegenden grundsätzlichen Ausführungen eines Gutachtens in diesem Sinne künftig in anhängigen Verfahren berücksichtigen werde. Insbesondere die obligatorische Beibringung eines Gutachtens ab einer BAK von 1,6 Promille ohne weitere Auffälligkeiten werde seitdem in der ständigen Rechtsprechung des OVG bestätigt. Das werde auch zunehmend in anderen Ländern praktiziert und sei bisher gerichtlich nicht beanstandet worden (vgl. BR-Drs. 443/98 [Beschluss] S. 5 f.). 36 Wie diese Begründung belegt, ging der Normgeber bei der Absenkung des ""Schwellenwertes"" nach wie vor davon aus, dass das Fehlen von Ausfallerscheinungen trotz einer hohen Blutalkoholkonzentration auf deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten hindeute und es rechtfertige, beim Betroffenen eine deutlich erhöhte Rückfallgefahr anzunehmen. Solche Umstände begründen nach der Wertung des Verordnungsgebers - wie bisher - zugleich Zweifel an der Fahreignung. Die maßgebliche Änderung bestand darin, dass die Fahrerlaubnisbehörde aufgrund der vom Bundesrat durchgesetzten Änderung des Entwurfs bei einer erstmaligen Trunkenheitsfahrt nunmehr ohne weiteres und damit unabhängig von Zusatztatsachen eine medizinisch-psychologische Untersuchung bereits bei einer Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille und nicht mehr erst ab 2,0 Promille anzuordnen hat. Die zur Begründung für diese Herabsetzung des ""Schwellenwertes"" angeführten neuen Erkenntnisse der Alkoholforschung dienten als Rechtfertigung dafür, weshalb bei Blutalkoholkonzentrationen von 1,6 Promille und mehr das Erfordernis von Zusatztatsachen von nun an entfallen sollte. Dagegen kann dieser Begründung ebenso wenig wie den Motiven für die in die Fahrerlaubnis-Verordnung aufgenommene Neuregelung entnommen werden, dass das Fehlen von Ausfallerscheinungen trotz einer starken Alkoholisierung - abweichend von der bisherigen und in der Begründung des Entwurfs ausdrücklich bekräftigten rechtlichen Bewertung - ab sofort nicht mehr als Zusatztatsache berücksichtigt werden dürfe. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV eröffnet hierfür die Rechtsgrundlage. Der Regelungszweck des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV, alkoholbedingte Risiken für die Verkehrssicherheit soweit wie möglich auszuschließen, spricht daher für die Anwendungsmöglichkeit des Auffangtatbestands des Buchstaben a auf erstmalige Trunkenheitsfahrten mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille und damit gegen eine ""Sperrwirkung"" des Buchstaben c. Unschädlich ist, dass der Verordnungsgeber keinen unteren ""Schwellenwert"" normiert hat. Dieser Wert kann anhand des Grenzwerts für die alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers im Sinne von § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 316 StGB sowie auf der Grundlage der Begutachtungsrichtlinien und deren Kommentierung bestimmt werden. 37 (3) Diese systematische Zuordnung der Regelungen in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 und Buchst. c FeV steht im Einklang mit den Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung, die nach der Anlage 4a zur Fahrerlaubnis-Verordnung die Grundlage für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in medizinisch-toxikologischer Hinsicht sind. Auch ihnen lässt sich nicht entnehmen, dass aus medizinisch-toxikologischer Sicht die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt erst dann gerechtfertigt ist, wenn beim Betroffenen eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6 Promille festgestellt wurde. 38 Gemäß Nr. 3.13.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Stand: 31. Dezember 2019), die seit der Anforderung des medizinisch-psychologischen Gutachtens durch die Beklagte unverändert geblieben ist, kann (Alkohol-)Missbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinn insbesondere in folgenden Fällen angenommen werden: - in jedem Fall (ohne Berücksichtigung der Höhe der Blutalkoholkonzentration), wenn wiederholt ein Fahrzeug unter unzulässig hoher Alkoholwirkung geführt wurde, - nach einmaliger Fahrt unter hoher Alkoholkonzentration (ohne weitere Anzeichen einer Alkoholwirkung), - wenn aktenkundig belegt ist, dass es bei dem Betroffenen in der Vergangenheit im Zusammenhang mit der Verkehrsteilnahme zu einem Verlust der Kontrolle des Alkoholkonsums gekommen ist. 39 Die Trunkenheitsfahrt des Klägers ist aufgrund der bei ihm für den Tatzeitpunkt festgestellten Blutalkoholkonzentration der in den Begutachtungsleitlinien genannten zweiten Fallgruppe (""einmalige Fahrt unter hoher Alkoholkonzentration"") zuzuordnen. In der ihm rund 30 Minuten nach der Verkehrskontrolle entnommenen Blutprobe wurde eine Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille festgestellt. Die Rückrechnung auf den Zeitpunkt des Vorfalls ergab nach dem Bericht des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Gießen und Marburg je nach dem zugrunde gelegten Rückrechnungswert eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,35 und höchstens 1,62 Promille. 40 (4) Nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand, wie er u.a. in den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung und deren Kommentierung aus fachwissenschaftlicher Sicht zu entnehmen ist, kann von einer außergewöhnlichen Alkoholgewöhnung und der damit einhergehenden erhöhten Gefahr einer erneuten Trunkenheitsfahrt ausgegangen werden, wenn der Betroffene bei der zurückliegenden Trunkenheitsfahrt eine Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille oder mehr aufwies, er aber trotz dieser hohen Blutalkoholkonzentration keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zeigte. 41 Ein erster Anhaltspunkt für die Einstufung eines solchen bei einer Trunkenheitsfahrt festgestellten Wertes als ""hohe Alkoholkonzentration"" im Sinne der Begutachtungsleitlinien liegt in dem Umstand, dass nach der strafgerichtlichen Rechtsprechung bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille von absoluter Fahruntüchtigkeit auszugehen ist (grundlegend dazu BGH, Beschluss vom 28. Juni 1990 - 4 StR 297/90 - BGHSt 37, 89 <92 ff.>). Das führt in aller Regel, ohne dass es zusätzlich noch eines alkoholbedingten Fahrfehlers bedarf, zu einer strafgerichtlichen Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB und zur Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Fahreignung gemäß §§ 69, 69a StGB. Der in § 69 StGB verwendete Begriff der Ungeeignetheit stimmt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs inhaltlich mit demselben in den einschlägigen Bestimmungen des Straßenverkehrs- und Fahrerlaubnisrechts überein. Maßstab für die Entziehung der Fahrerlaubnis sei deshalb entsprechend der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung auch hier die in die Zukunft gerichtete Beurteilung der Gefährlichkeit des Kraftfahrers für den öffentlichen Straßenverkehr (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 27. April 2005 - GSSt 2/04 - BGHSt 50, 93 <100>; vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 3 C 24.15 - Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 24 Rn. 25). 42 Vor allem aber ist die Höhe des bei einer Trunkenheitsfahrt festgestellten Alkoholpegels nicht nur für die Beurteilung der Fahrtüchtigkeit, sondern auch für das Bestehen einer Rückfall- und Wiederholungsgefahr und damit im Rahmen von § 13 FeV für Zweifel an der (künftigen) Einhaltung des Gebots einer Trennung des Führens von Kraftfahrzeugen und einem die Fahrsicherheit beeinträchtigen Alkoholkonsum von Bedeutung. Davon hat sich - wie gezeigt - auch der Verordnungsgeber bei den in der Fahrerlaubnis-Verordnung in Bezug auf Alkoholmissbrauch getroffenen Regelungen leiten lassen. Auch er geht davon aus, mit einer hohen Alkoholgewöhnung und einer damit verbundenen ungewöhnlichen Giftfestigkeit erhöhe sich das Risiko, dass dem Betroffenen erneut Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne zur Last fallen werde. 43 Zur Konkretisierung der Höhe des für eine Anwendung von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV mit Blick auf die Begutachtungsleitlinien anzusetzenden Schwellenwertes (""... einmalige Fahrt unter hoher Alkoholkonzentration""...) kann auf deren Kommentierung durch Sachverständige aus dem medizinisch-toxikologischen Bereich Bezug genommen werden (Schubert/Huetten/Reimann/Graw [Hrsg.], Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Aufl. 2018). Dort wird im Abschnitt über Alkoholmissbrauch (Stephan/Brenner-Hartmann a.a.O. S. 246 ff.) zu dem in den Begutachtungsleitlinien verwendeten Begriff der ""hohen Blutalkoholkonzentration"" ausgeführt, dass man bei Alkoholkonzentrationen von 1,1 Promille ohne Weiteres von hohen BAK-Werten im Sinne der Begutachtungsleitlinien sprechen könne, deren Erreichen bzw. Überschreiten bereits auf eine hohe und ungewöhnliche Trinkfestigkeit schließen lasse, die durch ein über dem gesellschaftlichen Durchschnittskonsum liegendes Trinkverhalten erworben worden sein müsse (a.a.O. S. 249 m.w.N.). Das einmalige Erreichen/Überschreiten der 1,6 Promille-Grenze sei auch ohne aktive Verkehrsteilnahme als Beleg für einen gesundheitsschädigenden bzw. missbräuchlichen Umgang mit dem Alkohol anzusehen und der Bereich zwischen 1,1 und 1,6 Promille - ohne oder in Verbindung mit einer aktiven Verkehrsteilnahme - könne als Übergangsbereich gelten. Werde im Straßenverkehr - mit oder ohne Ausfallerscheinungen - ein solcher BAK-Wert erreicht, werde hierdurch der Verdacht auf längerfristigen missbräuchlichen Umgang mit Alkohol begründet (a.a.O. S. 249 f.). Es gebe empirisch keine Belege dafür, dass diese Fallgruppe (1,1 Promille und Zusatztatsachen aus vorangegangener Trunkenheitsfahrt) prognostisch günstiger zu werten sei als die Auffälligen mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder darüber (a.a.O. S. 257 f. m.w.N.). 44 (5) Eine zu einer solchen Blutalkoholkonzentration hinzutretende Zusatztatsache im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV, der Aussagekraft in Bezug auf künftigen Alkoholmissbrauch zukommt, liegt im Fehlen von alkoholbedingten Ausfallerscheinungen trotz dieser Blutalkoholkonzentration (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 3 C 24.15 - Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 24 Rn. 28). 45 Das kommt auch in dem Klammerzusatz zum Ausdruck, den die Begutachtungsleitlinien bei den dort als zweite Fallgruppe für Alkoholmissbrauch angeführten Fällen - ""nach einmaliger Fahrt unter hoher Alkoholwirkung (ohne weitere Anzeichen einer Alkoholwirkung)"" - enthalten. Dieser Klammerzusatz solle - so die Kommentierung der Begutachtungsleitlinien - deutlich machen, dass das Erreichen oder Überschreiten des nach der derzeitigen Rechtslage in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV genannten Blutalkoholwertes von 1,6 Promille für die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens in jedem Fall für das Vorliegen einer auch bei Trinkgewohnten ungewöhnlich hohen Blutalkoholkonzentration und damit für Alkoholmissbrauch im Sinne der Begutachtungsleitlinien spricht (vgl. Stephan/Brenner-Hartmann a.a.O. S. 251). Damit soll es beim Erreichen oder Überschreiten einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille nicht mehr darauf ankommen, ob außerdem auch noch alkoholbedingte Ausfallerscheinungen fehlten. Dagegen trägt der Klammerzusatz nicht die Annahme, dass das Fehlen von alkoholbedingten Ausfallerscheinungen unterhalb eines Blutalkoholpegels von 1,6 Promille keine aussagekräftige Zusatztatsache im Rahmen von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV sein kann. 46 (6) Die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV waren bei der an den Kläger gerichteten Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, erfüllt. Dabei hängt das Gewicht, das die nach dieser Bestimmung erforderliche Zusatztatsache aufweisen muss, maßgeblich davon ab, in welchem Maße die bei der Trunkenheitsfahrt festgestellte Blutalkoholkonzentration den in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV genannten Wert von 1,6 Promille unterschreitet, bei dem nach dem Buchstaben c die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auch ohne das Vorliegen von Zusatztatsachen zu erfolgen hat. Für die Anwendung von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV ist außerdem erforderlich, dass das Vorliegen einer solchen Zusatztatsache - hier das Fehlen von alkoholbedingten Ausfallerscheinungen trotz einer hohen Blutalkoholkonzentration - im Zusammenhang mit der begangenen Trunkenheitsfahrt aktenkundig festgestellt und dokumentiert wurde. 47 Hier war im Polizeibericht über die Verkehrskontrolle vermerkt, die Fahrweise sei auf der Beobachtungsstrecke von 150 m sicher gewesen, der Kläger habe das Haltezeichen sofort beachtet und normal gebremst. Das Aussteigen aus dem Fahrzeug sei normal, die Kleidung geordnet, die Sprache und der Gang seien unauffällig gewesen; es hätten auch sonst keine Auffälligkeiten bestanden. Der Arzt, der die Blutprobe entnommen hatte, hatte in seinem Untersuchungsbericht vom 12. November 2016 angegeben, beim Kläger seien die Finger-F-Pr(obe) und die Nasen-F-Pr(obe) sicher und die Sprache deutlich, das Bewusstsein klar, der Denkablauf geordnet und die Stimmung unauffällig gewesen. Das genügt unter den hier gegebenen Umständen den oben genannten Anforderungen. 48 4. Erweist sich danach die von der Beklagten an den Kläger gerichtete Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, als rechtmäßig, war die Beklagte gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV berechtigt, von der mangelnden Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen, da er ein solches Gutachten nicht fristgerecht beigebracht hat. 49 Nach dieser Bestimmung darf die Fahrerlaubnisbehörde, wenn sich der Betroffene - wie hier - weigert, sich untersuchen zu lassen, bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Das setzt nach ständiger Rechtsprechung allerdings voraus, dass die Anforderung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (vgl. dazu u.a. BVerwG, Urteile vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 - BVerwGE 156, 293 Rn. 19 und vom 28. April 2010 - 3 C 2.10 - BVerwGE 137, 10 Rn. 14, jeweils m.w.N.). 50 Das war hier bei der Anforderung des Gutachtens - aus den aufgezeigten Gründen - der Fall. Die Eintragung der strafgerichtlichen Verurteilung wegen der Trunkenheitsfahrt im Fahreignungsregister ist auch nicht tilgungsreif; sie darf zum Nachteil des Klägers verwertet werden (zur Anwendung des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV nach Eintritt eines Verwertungsverbots gemäß § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2020 - 3 C 5.20 -). Der Kläger hat daher zu dem für die Entscheidung über die Revision der Beklagten maßgeblichen Zeitpunkt ohne die Vorlage eines ihm eine günstige Prognose bescheinigenden medizinisch-psychologischen Gutachtens keinen Anspruch auf die beantragte Neuerteilung der Fahrerlaubnis. 51 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO." bverwg_2021-19,23.03.2021,"Pressemitteilung Nr. 19/2021 vom 23.03.2021 EN Wassergebühren in Kassel müssen erneut überprüft werden Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute eine Klage gegen einen Wassergebührenbescheid der Stadt Kassel an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. In dem Verfahren ging es insbesondere um die Frage, ob in der Gebührenkalkulation eine sogenannte Konzessionsabgabe nach dem Energiewirtschaftsgesetz für die Benutzung öffentlicher Verkehrswege durch die Wasserleitungen berücksichtigt werden darf. Die Wasserversorgung für die Stadt Kassel wurde früher von einer auch für die Energieversorgung zuständigen privatrechtlichen Gesellschaft durchgeführt, die Eigentümerin der Versorgungsanlagen und -leitungen war und für die Inanspruchnahme der öffentlichen Verkehrsflächen Konzessionsabgaben an die Stadt Kassel zahlte. Nach einer kartellrechtlichen Beanstandung der Wasserpreise als überhöht wurde die Wasserversorgung neu organisiert und obliegt seit dem Jahr 2012 einem Eigenbetrieb der Stadt. Die Wasserleitungen und -einrichtungen blieben im Eigentum der Versorgungsgesellschaft, die diese an den Eigenbetrieb verpachtet und daneben umfangreiche technische und kaufmännische Dienstleistungen für den Betrieb der Wasserversorgung erbringt. Hierfür erhält sie von dem Eigenbetrieb ein Entgelt, das nach dem Pacht- und Dienstleistungsvertrag auch die Erstattung der Konzessionsabgabe beinhaltet, die die Gesellschaft weiterhin für ihre Wasserleitungen zahlt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat die von der Beklagten erhobenen Wassergebühren als rechtswidrig angesehen. Entgelte für Fremdleistungen, wie das hier zwischen dem Eigenbetrieb und der Versorgungsgesellschaft vereinbarte Entgelt, dürften nur in der für die Wasserversorgung erforderlichen Höhe in die Gebührenkalkulation einfließen. Fremdleistungsentgelte seien dabei in der Regel erforderlich, wenn sie den Vorgaben der Anlage zur Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21. November 1953 (Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten) entsprächen. Dies sei jedoch nicht der Fall, weil die Stadt durch die gewählte Organisationsform selbst Kosten schaffe, die letztlich vom Gebührenzahler finanziert würden und in den allgemeinen Haushalt flössen. Das widerspreche Nr. 4 Abs. 2 der Leitsätze für die Preisermittlung, weil danach nur solche Kosten zu berücksichtigen seien, die bei wirtschaftlicher Betriebsführung zur Erstellung der Leistungen entstünden. Diese Auslegung des bundesrechtlichen Preisrechts hat das Bundesverwaltungsgericht beanstandet. Der Verwaltungsgerichtshof hätte bei der Prüfung des zwischen dem Eigenbetrieb und der Versorgungsgesellschaft vereinbarten Entgelts nicht - wie geschehen - die Stadt Kassel in den Blick nehmen dürfen, sondern hätte nach § 5 Abs. 1 der genannten Verordnung auf die angemessenen Kosten des Auftragnehmers - hier also der rechtlich selbständigen Versorgungsgesellschaft - abstellen müssen. Für diese sind aber Konzessionsabgaben betriebsbedingte Kosten, die zwangsläufig mit der Leistungserbringung anfallen. Mit der Feststellung, dass die Konzessionsabgabe im Rahmen des an die Versorgungsgesellschaft geleisteten Entgelts preisrechtlich zulässig ist, ist allerdings noch nicht geklärt, ob sie auch bei der Gebührenkalkulation berücksichtigt und auf die Endverbraucher umgelegt werden kann. Dies hängt von weiteren Voraussetzungen des Kommunalabgabenrechts ab, die sich allein nach dem hessischen Landesrecht beurteilen und über die im Revisionsverfahren deshalb nicht zu entscheiden ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat das angefochtene Urteil daher aufgehoben und die Sache an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. BVerwG 9 C 4.20 - Urteil vom 23. März 2021 Vorinstanzen: VGH Kassel, 5 A 1305/17 - Urteil vom 11. Dezember 2018 - VG Kassel, 6 K 412/13.KS - Urteil vom 27. März 2017 -","Urteil vom 23.03.2021 - BVerwG 9 C 4.20ECLI:DE:BVerwG:2021:230321U9C4.20.0 EN Preisrechtliche Zulässigkeit einer Konzessionsabgabe Leitsätze: 1. Die Vorschriften der Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen und die in ihrer Anlage aufgeführten Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (LSP) gehören als bundesrechtliche Normen zum einfachgesetzlichen revisiblen Recht. 2. Bei der preisrechtlichen Prüfung eines Fremdleistungsentgelts am Maßstab des Selbstkostenpreises ist auf die angemessenen Kosten und die wirtschaftliche Betriebsführung des Auftragnehmers abzustellen; eine Beurteilung aus Sicht des Auftraggebers stellt einen unzulässigen Perspektivwechsel dar. 3. Die Berücksichtigung einer Wasserkonzessionsabgabe im Rahmen eines Fremdleistungsentgelts verstößt nicht gegen das öffentliche Preisrecht. Rechtsquellen KAG HE § 10 Abs. 2 VO PR Nr. 30/53 § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 8 LSP Nr. 4 Abs. 2, Nr. 34 EnWG § 48 Abs. 1, § 117 GG Art. 103 Abs. 1 VwGO § 108 Abs. 2, § 113 Abs. 1 Satz 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Instanzenzug VG Kassel - 27.03.2017 - AZ: VG 6 K 412/13.KS VGH Kassel - 11.12.2018 - AZ: VGH 5 A 1305/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 23.03.2021 - 9 C 4.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:230321U9C4.20.0] Urteil BVerwG 9 C 4.20 VG Kassel - 27.03.2017 - AZ: VG 6 K 412/13.KS VGH Kassel - 11.12.2018 - AZ: VGH 5 A 1305/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2021 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini und Dr. Dieterich sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Sieveking und Prof. Dr. Schübel-Pfister für Recht erkannt: Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Dezember 2018 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Kläger, die Eigentümer eines Grundstücks im Stadtgebiet der Beklagten sind, wenden sich gegen die Heranziehung zu Wassergebühren. 2 Die Aufgabe der öffentlichen Wasserversorgung in der beklagten Stadt wird seit April 2012 von einem Eigenbetrieb der Beklagten wahrgenommen. Sie war zuvor privatrechtlich organisiert und wurde seit 1929/1930 von einer städtischen Aktiengesellschaft betrieben. Diese war auch für die öffentliche Energieversorgung zuständig und Eigentümerin der entsprechenden Versorgungsinfrastrukturanlagen. Sie zahlte auf der Grundlage eines 1996 mit der Stadt geschlossenen Konzessionsvertrags für die Inanspruchnahme der öffentlichen Straßen und Verkehrswege durch die Versorgungsleitungen Konzessionsabgaben. Im Jahr 2011 wurden die Versorgungsaufgaben einschließlich der öffentlichen Wasserversorgung auf die S. ... GmbH (NSG) als Gesamtrechtsnachfolgerin übertragen. An dieser Gesellschaft ist eine Eigengesellschaft der Beklagten zu 75,1 % beteiligt. 3 Nach einer kartellrechtlichen Beanstandung der Wasserpreise als missbräuchlich überhöht wurde die öffentliche Wasserversorgung mit Wirkung zum 1. April 2012 neu organisiert und teilweise rekommunalisiert. Seitdem ist sie Aufgabe des Eigenbetriebs der Stadt. Die NSG blieb Eigentümerin der Wasserinfrastrukturanlagen und zahlt weiterhin Konzessionsabgaben an die Stadt auf der Grundlage des Konzessionsvertrags, der hinsichtlich der Aufgabe der Wasserversorgung entsprechend angepasst, im Übrigen aber nicht geändert wurde. Zwischen der Stadt (Eigenbetrieb) und der NSG wurde ein Pacht- und Dienstleistungsvertrag geschlossen. Danach verpachtet die NSG die für die öffentliche Wasserversorgung erforderlichen Infrastrukturanlagen an den Eigenbetrieb und verpflichtet sich zur Erbringung von umfangreichen technischen und kaufmännischen Dienstleistungen; der Eigenbetrieb ist aufsichts- und weisungsbefugt und für die Gebührenfestsetzung zuständig. Als Gegenleistung erhält die NSG ein Pacht- und Dienstleistungsentgelt, das sich nach den Vorschriften des öffentlichen Preisrechts bemisst und in dem auch die an die Stadt gezahlte Konzessionsabgabe berücksichtigt wird. 4 Am 1. April 2012 trat die Wasserversorgungssatzung der Beklagten in Kraft. Die darin festgesetzte verbrauchsabhängige Benutzungsgebühr für die Inanspruchnahme der Wasserversorgung beträgt 2 € pro m³ und entspricht damit der Höhe nach dem zuvor geltenden Verbrauchspreis. 5 Auf der Grundlage dieser Satzung wurden die Kläger mit Bescheid des Magistrats der Beklagten vom 23. November 2012 zu Wassergebühren für den Zeitraum vom 1. April bis 2. November 2012 in Höhe von insgesamt 281,29 € herangezogen; zudem wurden monatliche Vorausleistungsbeträge für Januar bis November 2013 festgesetzt. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren haben die Kläger am 11. April 2013 Klage erhoben. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, der Magistrat der Stadt sei für den Erlass des Bescheids sachlich nicht zuständig gewesen; in den Wassergebühren seien nicht gebührenfähige Kosten für eine Konzessionsabgabe und für den Brandschutz, eine Wagnisvergütung sowie ein unangemessen hoher kalkulatorischer Zinssatz enthalten; zudem beruhe der Bescheid auf einer rechtsmissbräuchlichen Scheinrekommunalisierung. 6 Das Verwaltungsgericht Kassel hat der Klage stattgegeben und den angefochtenen Bescheid mit der Begründung aufgehoben, die in die Gebührenkalkulation eingestellte Konzessionsabgabe falle nicht unter die erforderlichen gebührenfähigen Kosten; ob noch weitere Kostenansätze zu Unrecht in die Gebührenkalkulation eingestellt worden seien, könne danach dahinstehen. 7 Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof Kassel mit Urteil vom 11. Dezember 2018 zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Die Wasserversorgungssatzung der Beklagten stelle keine wirksame satzungsrechtliche Grundlage für den angefochtenen Bescheid dar, weil der Gebührensatz für die Verbrauchsgebühr dem Kostenüberschreitungsverbot nicht gerecht werde. Die Erstattung der Konzessionsabgabe im Rahmen des an die NSG gezahlten Pacht- und Dienstleistungsentgelts sei nicht als betriebsbedingter Kostenaufwand in der Kalkulation ansatzfähig. Die von der NSG gegenüber dem Eigenbetrieb erbrachten Leistungen seien Fremdleistungen i.S.v. § 10 Abs. 2 KAG HE. Auch für diese müsse überprüft werden, ob sie betriebsbedingt, also für die Erbringung der gebührenfähigen Leistung erforderlich seien. Dieser Nachweis könne bei einer Vergabe ohne Ausschreibung in der Regel dadurch geführt werden, dass das Entgelt den Vorgaben der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten (LSP) genüge. Diese Verpflichtung habe die Beklagte bei Abschluss des Pacht- und Dienstleistungsvertrags mit der NSG missachtet, soweit sie darin vereinbart habe, die Zahlung der Konzessionsabgabe als Bestandteil des an die NSG zu zahlenden Entgelts auszugleichen. Die Beklagte habe hier das Eigentum an dem Wasserleitungsbestand auf die NSG bzw. ihre Rechtsvorgängerin übertragen. Mit dieser habe sie die Zahlung einer Konzessionsabgabe für die Nutzung der öffentlichen Verkehrswege durch die Leitungen vereinbart. Gleichzeitig erstatte sie der NSG den Betrag der Konzessionsabgabe wiederum über ihren - rechtlich unselbstständigen - Eigenbetrieb. Damit schaffe sie letztlich selbst ""Kosten"", die der Gebührenzahler finanzieren müsse und deren Ertrag ihr wiederum zufließe. Dies entspreche nicht den Vorgaben von Nr. 4 Abs. 2 LSP, wonach bei Preisermittlungen aufgrund von Selbstkosten nur diejenigen Kosten zu berücksichtigen seien, die bei wirtschaftlicher Betriebsführung zur Erstellung der Leistungen entstünden. Die Konstellation sei vergleichbar mit dem bereits entschiedenen Fall einer Konzessionsabgabe, die die Gemeinde von ihrem Eigenbetrieb erhebe; auch deren Einstellung in die Wassergebührenkalkulation sei unzulässig. Infrage stehe nicht, ob die Kommune eine Konzessionsabgabe von der NSG erheben dürfe, sondern ob deren Erstattung als erforderliche Fremdleistungskosten in die Gebührenkalkulation einfließen dürfe. Für die Kalkulation der Gebühr sei allein entscheidend, was bei der Beklagten insgesamt durch den Betrieb der gebührenrechnenden Einrichtung als Summe von aufwandgleichen Grund- und Zusatzkosten anfalle. Durch die rechtswidrige Einstellung der Konzessionsabgabe in die Gebührenkalkulation ergebe sich eine Kostenüberdeckung von rund 23%, die zur Ungültigkeit des festgelegten Gebührensatzes führe. 8 Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision. Sie macht geltend: 9 Die in Rede stehenden Konzessionsabgaben gehörten zu den Kosten einer wirtschaftlichen Betriebsführung im Sinne der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten. Das Berufungsgericht habe diese Leitsätze falsch angewendet. Die Konzessionsabgaben seien Teil der sonstigen Kosten der Versorgungseinrichtung und fielen aus preisrechtlicher Sicht zwangsläufig mit der Leistungserbringung an. Sie seien daher als betriebsbedingte Kosten des Auftragnehmers anzuerkennen. Die Fallkonstellation sei nicht vergleichbar mit der Zahlung von Wasserkonzessionsabgaben durch einen kommunalen Eigenbetrieb. Das Volumen des vereinbarten Pacht- und Dienstleistungsentgelts liege zudem erheblich unter dem preisrechtlich maximal zulässigen Selbstkostenvolumen. Ein Verstoß gegen das Preisrecht sei daher - unabhängig von der Frage der Ansatzfähigkeit der Konzessionsabgabe - nicht gegeben. Es wäre ohne weiteres möglich, eine Gebührenkalkulation vorzulegen, die auch ohne Konzessionsabgaben den streitgegenständlichen Gebührensatz rechtfertigte. Dies habe das Berufungsgericht nicht berücksichtigt. Da die gebotene Prüfung der Ergebnisrichtigkeit des Gebührenbescheids unterlassen worden sei, liege auch ein Verstoß gegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor. 10 Die Revision sei auch wegen der Versagung des rechtlichen Gehörs nach § 138 Nr. 3 VwGO begründet. Das Berufungsgericht stütze sein Urteil darauf, dass die Beklagte die umgelegten Konzessionsabgabekosten durch die ursprüngliche Privatisierung der städtischen Wasserinfrastruktur selbst geschaffen habe, ohne auf die Entscheidungserheblichkeit dieser rechtlichen Wertung zuvor hingewiesen zu haben. Es habe zudem ohne entsprechenden Hinweis die Frage der Ergebnisrichtigkeit der Gebührenkalkulation nicht geprüft. Das Gericht habe in der mündlichen Verhandlung zwar angedeutet, dass es an dem Vortrag zur Ergebnisrichtigkeit Zweifel hege, sei aber auf die in diesem Zusammenhang anzustellende Gesamtschau nicht eingegangen. Darin liege auch eine unzulässige Überraschungsentscheidung. 11 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Dezember 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Dezember 2018 aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. 12 Die Kläger haben keinen Antrag gestellt und sich im Revisionsverfahren nicht geäußert. II 13 Die zulässige Revision ist begründet. Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs beruht (2.) auf einer Verletzung von Bundesrecht (1.); ein Gehörsverstoß liegt dagegen nicht vor (3.). Da das Urteil sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt und das Bundesverwaltungsgericht in der Sache nicht selbst entscheiden kann, ist das Urteil gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (4.). 14 1. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht. Es liegt zwar weder der behauptete Verstoß gegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor (a), noch betreffen die dem Urteil zugrunde gelegten Vorschriften und Grundsätze des Kommunalabgabenrechts revisibles Recht (b); das Berufungsgericht hat aber bundesrechtliche Bestimmungen des öffentlichen Preisrechts fehlerhaft angewandt (c). 15 a) Ohne Erfolg rügt die Beklagte, der Verwaltungsgerichtshof habe gegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, weil er den Maßstab der objektiven Ergebnisrichtigkeit nicht beachtet habe. Die Vorschrift des § 113 VwGO regelt den Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts und die prozessrechtlichen Folgen eines rechtswidrigen und den Kläger in seine Rechten verletzenden Verwaltungsakts. Dass das Berufungsgericht dies verkannt hätte, macht die Beklagte nicht geltend. Ihre Rüge zielt nicht auf eine fehlerhafte Beurteilung der prozessualen Folgen eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, sondern auf die ihrer Ansicht nach unzutreffende Annahme des Berufungsgerichts, dass ein im Ergebnis rechtswidriger Verwaltungsakt vorliege. Die Beklagte beanstandet der Sache nach, dass der Verwaltungsgerichtshof seine eigene sogenannte Ergebnisrechtsprechung nicht berücksichtigt habe, wonach die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Gebührensatzes eine Ergebnis- und keine Verfahrenskontrolle sei und es genüge, dass sich der Gebührensatz dabei im Ergebnis als nicht überhöht erweise (vgl. etwa VGH Kassel, Urteil vom 20. November 2014 - 5 A 1992.13 - juris Rn. 32 und Beschluss vom 20. Januar 2016 - 5 A 1471/15.Z - juris Rn. 9). Die Anwendung und Umsetzung dieser Rechtsprechung betrifft jedoch keine bundesrechtlichen Vorschriften und Grundsätze, sondern Fragen des Landesrechts. 16 b) Um nicht revisibles Landesrecht geht es auch, soweit das Berufungsgericht die Gebührenfähigkeit der in Ansatz gebrachten Kosten auf der Grundlage von § 10 Abs. 2 des Hessischen Kommunalabgabengesetzes (KAG HE) beurteilt hat. Dies betrifft zunächst die Bestimmung der im Rahmen der Gebührenkalkulation berücksichtigungsfähigen Kosten anhand des landesrechtlichen - und damit irrevisiblen - Kostenbegriffs (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 1. Oktober 1997 - 8 B 209.97 - juris Rn. 5 und vom 24. Februar 2020 - 9 BN 9.18 - juris Rn. 16) einschließlich der Einordnung der Konzessionsabgabe als Entgelt für in Anspruch genommene Fremdleistungen nach § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG HE. Auch die Prüfung der Ansatzfähigkeit dieser Kosten am Maßstab des Grundsatzes der Erforderlichkeit ist dem Landesrecht zuzuordnen (vgl. Vetter, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2016, D Rn. 153; zur Verbindlichkeit des Aussagegehalts des Grundsatzes der Erforderlichkeit für das Revisionsgericht auch BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2003 - 9 BN 3.03 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 98 S. 23). Dies gilt auch, soweit der Verwaltungsgerichtshof den Grundsatz der Erforderlichkeit als Ausprägung des allgemeinen abgabenrechtlichen Gebots der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung verstanden hat (UA S. 13). Denn ein allgemeines ""Gebot der sparsamen Haushaltsführung"", das dem Bundesrecht zuzuordnen wäre und für das gesamte Abgabenrecht etwa im Sinne eines übergeordneten bundesrechtlichen Maßstabs gelten würde, gibt es nicht. Ein allgemeiner Grundsatz, der das Verwaltungsrecht des Bundes und/oder der Länder ergänzt, ist vielmehr jeweils dem Rechtskreis zuzuordnen, zu dessen Ergänzung er herangezogen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. November 2001 - 9 B 50.01 - NVwZ-RR 2002, 217 <219>). Da es vorliegend um die Auslegung des hessischen Kommunalabgabenrechts geht, ist auch das vom Berufungsgericht angeführte Gebot der sparsamen Haushaltsführung hier landesrechtlicher Natur. 17 c) Das Urteil steht jedoch insoweit nicht mit Bundesrecht in Einklang, als das Berufungsgericht einen Verstoß gegen die Vorgaben der Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten angenommen hat. 18 aa) Die vom Verwaltungsgerichtshof angewandte Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21. November 1953 (BAnz. Nr. 244 S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1864), - im Folgenden: VO PR Nr. 30/53 - und die in ihrer Anlage aufgeführten Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten - LSP - gehören als bundesrechtliche Normen zum einfachgesetzlichen revisiblen Recht (BVerwG, Beschlüsse vom 24. August 2016 - 9 B 54.15 - NVwZ 2017, 568 <569> und vom 13. Dezember 2017 - 10 B 10.17 - juris Rn. 6; vgl. zur revisionsgerichtlichen Überprüfung von Vorschriften der VO PR Nr. 30/53 auch BVerwG, Beschlüsse vom 4. Mai 1999 - 1 B 34.99 - Buchholz 11 Art. 80 GG Nr. 24 und vom 14. September 2006 - 9 B 2.06 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 44 Rn. 10 sowie Urteil vom 13. April 2016 - 8 C 2.15 - BVerwGE 154, 387). 19 Die Regelungen der VO PR Nr. 30/53 sind hier auch als Bundesrecht zur Anwendung gelangt. Anknüpfungspunkt der Prüfung war zwar die Erforderlichkeit der Kosten nach § 10 Abs. 2 KAG HE; das öffentliche Preisrecht wurde aber weder auf der Grundlage von Landesrecht herangezogen, um dieses zu ergänzen oder auszulegen, noch ist es durch eine Verweisungsnorm des Landesgesetzgebers in das Landesrecht inkorporiert und in seinem sachlichen Anwendungsbereich erweitert worden (vgl. zur Abgrenzung der Anwendung bundesrechtlicher Normen als Bundesrecht oder Landesrecht etwa BVerwG, Beschluss vom 20. August 2014 - 9 B 7.14 - juris Rn. 3 m.w.N.). Die Anwendung der Preisvorschriften beruht hier vielmehr auf dem Normanwendungsbefehl des Bundesgesetzgebers. Der Verwaltungsgerichtshof hat das zwischen der beklagten Stadt und der NSG vereinbarte Fremdleistungsentgelt geprüft und die Erforderlichkeit der landesrechtlichen Kosten danach beurteilt, ob die bundesrechtlichen Vorgaben des öffentlichen Preisrechts, hier insbesondere die Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten, beachtet worden sind. Er hat dabei die Vorschriften der VO PR Nr. 30/53 unverändert so, wie sie nach dem Willen des Bundesgesetzgebers gelten sollen, herangezogen und zum Maßstab seiner Prüfung gemacht. Die Vorschriften sind in diesem Zusammenhang auch unmittelbar anwendbar, weil sich der Geltungsbereich der VO PR Nr. 30/53 nach § 2 Abs. 1 u.a. auf öffentliche Aufträge von Gemeinden und damit auch auf das Auftragsverhältnis zwischen der Beklagten und der NSG erstreckt. Die Beachtung der Vorgaben des bundesrechtlichen Preisrechts stellt sich deshalb als revisible Vorfrage für die Anwendung der landesrechtlichen Regelung des § 10 Abs. 2 KAG HE (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 2014 - 9 B 7.14 - juris Rn. 3). 20 bb) Die Feststellung in dem angefochtenen Urteil, dass die Berücksichtigung der Konzessionsabgabe im Rahmen des mit der NSG vereinbarten Entgelts nicht den Vorgaben des öffentlichen Preisrechts entspreche, beruht auf einer unzutreffenden Auslegung der VO PR Nr. 30/53. 21 Maßgebend für den Verwaltungsgerichtshof war die Überlegung, dass die Vereinbarung im Pacht- und Dienstleistungsvertrag, die Zahlung der Konzessionsabgabe an die Beklagte im Innenverhältnis als Bestandteil des der NSG nach § 13 des Vertrags zu zahlenden Entgelts als ""sonstige Kosten"" nach Nr. 34 LSP auszugleichen, dazu führe, dass die Beklagte letztlich selbst ""Kosten"" schaffe, die der Gebührenzahler zu finanzieren habe und deren Ertrag ihr selbst zufließe. Mit diesem Argumentationsansatz lässt sich jedoch der angenommene Verstoß gegen Nr. 4 Abs. 2 LSP, wonach bei Preisermittlungen aufgrund von Selbstkosten nur diejenigen Kosten zu berücksichtigen seien, die bei wirtschaftlicher Betriebsführung zur Erstellung der Leistungen entstünden, nicht begründen. Denn der Verwaltungsgerichtshof nimmt innerhalb der Prüfung des Fremdleistungsentgelts nach dem Selbstkostenpreis einen unzulässigen Perspektivwechsel vor. Er beurteilt die preisrechtliche Zulässigkeit der Kosten, die die NSG in Rechnung stellt, nicht aus Sicht der NSG als Auftragnehmerin, sondern aus Sicht der Beklagten als Auftraggeberin. Dies widerspricht den Vorgaben in § 5 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53, wonach Selbstkostenpreise auf die angemessenen Kosten des Auftragnehmers abgestellt werden müssen. 22 Die VO PR Nr. 30/53 wurde auf der Grundlage der Ermächtigungsnorm des § 2 PreisG erlassen, die darauf abzielt, das allgemeine Preisniveau zu stabilisieren und zu große Preisschwankungen, insbesondere unangemessene Preissteigerungen, zu verhindern (vgl. schon BVerfG, Beschluss vom 12. November 1958 - 2 BvL 4.56 - BVerfGE 8, 274 <308 f.>). Die Verordnung gilt für die Vergabe öffentlicher Aufträge und soll nach ihrer Eingangsformel marktwirtschaftliche Grundsätze auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens durchsetzen. Damit soll im Interesse des Gemeinwohls eine übermäßige Belastung des öffentlichen Haushalts durch eine überteuerte Beschaffung verhindert werden. Scheidet eine Preisbildung nach dem Marktpreis aus, dürfen nach § 5 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53 Selbstkostenpreise vereinbart werden, zu deren Ermittlung nach § 8 VO PR Nr. 30/53 die der Verordnung als Anlage beigefügten Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten anzuwenden sind. Diese legen damit Inhalt und Grenzen der entgeltfähigen angemessenen Kosten des Auftragnehmers im Sinne des § 5 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53 fest. Dementsprechend ist mit der Forderung nach einer wirtschaftlichen Betriebsführung in Nr. 4 Abs. 2 LSP der Betrieb des Auftragnehmers - hier also der NSG - gemeint. 23 Dieser Blickwinkel liegt auch der Prüfung des öffentlichen Preisrechts im Rahmen der Erforderlichkeit von Fremdleistungsentgelten zugrunde. Die Begrenzung durch den Erforderlichkeitsgrundsatz soll den Umfang der gebührenfähigen Aufwendungen und Kosten einschränken und den Abgabenpflichtigen vor unnötig hohen Abgaben für überflüssige oder überteuerte Maßnahmen Dritter schützen (vgl. etwa Vetter, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2016, D Rn. 155 und 157). Lässt sich kein Marktpreis zugrunde legen und hat auch keine Ausschreibung stattgefunden, deren Durchführung das Ergebnis eines marktgerechten Preises indizieren könnte, soll die Einhaltung der Selbstkostenpreise im Sinne der VO PR Nr. 30/53 gewährleisten, dass für die an den Dritten vergebenen Leistungen keine überhöhten Entgelte bezahlt werden. Anknüpfungspunkt für die Beurteilung, ob die Höhe des Entgelts angemessen ist, ist die Vereinbarkeit der abgegoltenen Fremdleistung mit dem bundesrechtlichen Preisrecht und damit die Preis-Leistungs-Relation innerhalb des öffentlichen Auftragsverhältnisses. Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht (vgl. auch die Entscheidungsbesprechung von Siebeck, IR 2019, 279 <280>). 24 Aus diesem Grund kann auch die Bezugnahme des Verwaltungsgerichtshofs auf seine bisherige Rechtsprechung im Anschluss an die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig zur Gebührenfähigkeit von Konzessionsabgaben (OVG Schleswig, Urteil vom 28. November 2001 - 2 K 6/99 - juris Rn. 15 ff., dem folgend VGH Kassel, Beschluss vom 6. Juli 2005 - 5 UZ 2618/04 - juris Rn. 3; ebenso OVG Saarlouis, Beschluss vom 7. Mai 2020 - 1 A 196/19 - juris Rn. 8 ff.) den Bundesrechtsverstoß nicht ausräumen. Danach wird die Berücksichtigungsfähigkeit einer Konzessionsabgabe verneint für den Fall, dass die Gemeinde diese direkt von ihrem Eigenbetrieb fordert. Um eine solche Konstellation geht es hier jedoch nicht. Der Ansatzfähigkeit einer vom Eigenbetrieb entrichteten Konzessionsabgabe wird entgegengehalten, dass dem Eigenbetrieb im Verhältnis zur Gemeinde keine eigene Rechtsfähigkeit zukomme, so dass es bereits an einer wirksamen privatrechtlichen Vereinbarung als Grundlage für die Konzessionsabgabe fehle und die Zahlung der Abgabe nur eine sonderrechtsbedingte Verschiebung darstelle; maßgeblich sei, was bei der Gemeinde selbst durch den Betrieb der gebührenrechnenden Einrichtung als Summe von aufwandgleichen Grundkosten und Zusatzkosten anfalle (OVG Schleswig, Urteil vom 28. November 2001 - 2 K 6/99 - juris Rn. 16, 18). In dieser Fallgestaltung ist die Konzessionsabgabe nicht Bestandteil eines Entgelts für Fremdleistungen, die eine rechtlich selbständige juristische Person erbringt, so dass Fragen des öffentlichen Preisrechts dabei keine Rolle spielen. 25 cc) Bei Zugrundelegung des zutreffenden Prüfungsansatzes mit Blick auf den Betrieb der NSG begegnet die Konzessionsabgabe im Übrigen keinen preisrechtlichen Bedenken. 26 Die von der NSG im Zusammenhang mit der Wasserversorgung entrichtete Konzessionsabgabe gehört zu den angemessenen Kosten nach § 5 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53, die der NSG bei wirtschaftlicher Betriebsführung zur Erstellung ihrer Leistung i.S.v. Nr. 4 Abs. 2 LSP entstehen. 27 Das Gebot der Angemessenheit in § 5 Abs. 1 VO Nr. 30/53 zielt auf einen Vergleich der angefallenen Kosten und der erbrachten Leistung. Angemessen sind danach Kosten, die nach Art, Mengen- und Wertansatz als objektiv für die Leistungserbringung notwendig anzusehen sind, wobei nicht auf einen Idealbetrieb abzustellen ist und auch einzelne Teilverfahren des Produktionsprozesses und einzelne Kostenstellen untersucht werden können (vgl. Dierkes/Hamann, Öffentliches Preisrecht in der Wasserwirtschaft, 2009, S. 236 f.). Bei der Prüfung der wirtschaftlichen Betriebsführung kommt es ebenfalls nicht auf die Verhältnisse eines Idealbetriebs, sondern auf die tatsächlichen Umstände des zu beurteilenden Unternehmens an. Ausgeschlossen von der Berücksichtigung im Selbstkostenpreis werden nur Kostenerhöhungen, die durch unwirtschaftliches Verhalten des individuellen Auftragnehmers bedingt sind, wobei eine Gesamtbetrachtung anzustellen ist (vgl. Dierkes/Hamann, Öffentliches Preisrecht in der Wasserwirtschaft, 2009, S. 235; Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, 9. Aufl. 2020, Nr. 4 LSP Rn. 15 ff.). Nach diesem Maßstab darf die Konzessionsabgabe, die ihre vertragliche Grundlage in dem Pacht- und Dienstleistungsvertrag in Verbindung mit dem zwischen der NSG und der Beklagten geltenden Konzessionsvertrag vom 8./25. Juni 1996 mit nachfolgenden Änderungen hat, ihrer Art und Höhe nach im Rahmen des Fremdleistungsentgelts preisrechtlich berücksichtigt werden. 28 (1) Bei dem von der NSG als Rechtsnachfolgerin der städtischen Aktiengesellschaft nach § 9 des Konzessionsvertrags geschuldeten Entgelt handelt es sich in Bezug auf die Wasserversorgung um eine Konzessionsabgabe i.S.v. § 48 Abs. 1 i.V.m. § 117 EnWG. Denn es stellt die Gegenleistung für die der NSG nach § 2 Abs. 1 des Konzessionsvertrags eingeräumte Befugnis dar, die öffentlichen Straßen und Verkehrswege zur Errichtung und zum Betrieb aller für die Versorgung von Letztverbrauchern erforderlichen Leitungen zu benutzen. Die damit abgegoltene Inanspruchnahme der öffentlichen Verkehrswege ist zugleich notwendiger Bestandteil der von der NSG gegenüber dem Eigenbetrieb zu erbringenden Leistung der Vorhaltung und des Betriebs der Wasserinfrastrukturanlagen. Die Konzessionsabgabe, zu deren Zahlung sich die NSG wirksam vertraglich verpflichtet hat, fällt damit zwangsläufig mit der Erbringung der nach dem Pacht- und Dienstleistungsvertrag geschuldeten Leistungen der NSG an. Sie ist deshalb als betriebsbedingte ""sonstige Kostenart"" des Auftragnehmers nach Nr. 34 LSP anzuerkennen (vgl. Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, 9. Aufl. 2020, LSP Nr. 34 Rn. 40; ebenso VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Februar 2018 - 5 K 15795/16 - juris Rn. 105 ff.). 29 (2) Auch die Höhe der vereinbarten Konzessionsabgabe entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Im Bereich der Wasserversorgung richten sich Zulässigkeit und Höhe der Konzessionsabgaben nach der Anordnung über die Zulässigkeit von Konzessionsabgaben der Unternehmen und Betriebe zur Versorgung mit Elektrizität, Gas und Wasser an Gemeinden und Gemeindeverbände (KAEAnO) vom 4. März 1941 (RAnz. 1941 Nr. 57), die in Bezug auf die Wasserversorgung als vorkonstitutionelles Recht weiterhin Gültigkeit hat (vgl. nur Huber, in: Kment, EnWG, 2. Aufl. 2019, § 117 Rn. 1 m.w.N.), ergänzt durch die Ausführungsanordnung zur Konzessionsabgabenanordnung (A/KAE) vom 27. Februar 1943 und die Durchführungsbestimmungen zur Konzessionsabgabenanordnung und zu ihrer Ausführungsanordnung (D/KAE) vom 27. Februar 1943. Diese Bestimmungen sind nach § 9 Abs. 2 des Konzessionsvertrags auch maßgeblich für die Berechnung der von der NSG bezüglich der Wasserlieferungen zu entrichtenden Konzessionsabgabe, so dass die Entrichtung der Konzessionsabgabe auch insoweit mit der Gesetzeslage in Einklang steht und damit zu den angemessenen Kosten einer wirtschaftlichen Betriebsführung gehört. 30 2. Auf der fehlerhaften Auslegung und Anwendung des bundesrechtlichen Preisrechts beruht das Urteil. Maßgebend ist insoweit die Begründungsstruktur der angefochtenen Entscheidung. Hat das Berufungsgericht dabei seinen Ausspruch nicht zusätzlich auf einen anderen, selbständig tragenden Begründungsstrang gestützt, der seinerseits revisibles Recht nicht verletzt, beruht das Urteil auf der Rechtsverletzung (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 137 Rn. 42). So liegt der Fall hier. 31 Der Verwaltungsgerichtshof hat entscheidungstragend darauf abgestellt, dass wegen Verstoßes gegen die Vorgaben des öffentlichen Preisrechts der Grundsatz der Erforderlichkeit nicht gewahrt und der festgelegte Gebührensatz deshalb überhöht sei. Eine weitere selbständig tragende Begründung lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Soweit darin zusätzliche Aspekte thematisiert werden, wie der Vergleich mit der Erhebung einer Konzessionsabgabe direkt beim Eigenbetrieb oder die Maßgeblichkeit des bei der Beklagten insgesamt anfallenden Aufwands, erfolgt dies nicht losgelöst von der preisrechtlichen Argumentation, sondern sprachlich und optisch unmittelbar anschließend innerhalb desselben Absatzes. Die Ausführungen lassen sich damit als Ergänzung und Unterstützung der preisrechtlichen Überlegungen, nicht aber als alternativer Begründungsansatz verstehen. 32 3. Die Gehörsrügen der Beklagten greifen dagegen nicht durch. In Bezug auf die beiden insoweit geltend gemachten Aspekte - Ignorieren der Frage nach der Ergebnisrichtigkeit sowie Rechtserheblichkeit der früheren Privatisierung der Wasserversorgung - liegen weder eine Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht noch eine unzulässige Überraschungsentscheidung oder das Übergehen von entscheidungserheblichem Vortrag vor. 33 Die Verpflichtung des Gerichts zur Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO soll sicherstellen, dass ein Verfahrensbeteiligter Einfluss auf den Gang des gerichtlichen Verfahrens und dessen Ausgang nehmen kann; in Verbindung mit der gerichtlichen Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO soll sie davor schützen, dass eine Überraschungsentscheidung ergeht, durch die dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben wird, mit der nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen war (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 2020 - 9 BN 9.18 - juris Rn. 34 m.w.N.). Das Gericht muss das nach seiner Rechtsauffassung für die Entscheidung erhebliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Dabei müssen nicht alle Aspekte in den Entscheidungsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Eine Gehörsverletzung liegt allerdings dann vor, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergibt, dass nach der materiellrechtlichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen wurde. Davon ist auszugehen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Beteiligtenvorbringens zu einer Frage, die nach seiner eigenen Rechtsauffassung für den Prozessausgang von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. September 2019 - 8 B 19.19 - juris Rn. 2 m.w.N.). Maßgebend ist demnach, was auf der Grundlage der materiellrechtlichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zur verfahrensrechtlichen Gewährleistung des rechtlichen Gehörs geboten ist. Gemessen an diesen Grundsätzen liegt hier kein Gehörsverstoß zulasten der Beklagten vor. 34 a) Soweit die Beklagte eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs aus der Nichtanwendung der ""Ergebnisrechtsprechung"" des Verwaltungsgerichtshofs und dem Übergehen ihres Vortrags zur ""Ergebnisrichtigkeit"" herleitet, bezieht sie sich auf ihre Ausführungen im Berufungsverfahren, wonach Voraussetzung der Gebührenkalkulation gewesen sei, die Bürger vor größeren finanziellen Belastungen und organisationsformbedingten Gebührensteigerungen zu bewahren, weshalb das maximal zulässige Selbstkostenvolumen gemäß LSP ""gedeckelt"" worden sei; daraus folge, dass selbst für den Fall, dass die Konzessionsabgaben nicht gebührenfähig wären, das festgesetzte Entgelt nicht unterschritten würde und preisrechtlich zulässig abgerechnet werden könnte (Berufungsbegründung vom 1. September 2017 S. 26 f. sowie Schriftsatz vom 23. Oktober 2018 S. 9 unter Bezugnahme auf den als Anlage G 6 vorgelegten Bericht von P. vom 7. Juni 2013 zur Ableitung der Wassergebühren). 35 Dieses Vorbringen, das nicht die abgabenrechtliche Ergebnisrichtigkeit der Gebührenkalkulation, sondern die preisrechtliche Zulässigkeit des ermittelten Selbstkostenpreises betrifft, wird in den Entscheidungsgründen nicht berücksichtigt. Darauf kam es nach der insoweit maßgeblichen materiellrechtlichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts allerdings auch nicht an. Der Verwaltungsgerichtshof hat allein auf die Konzessionsabgabe als einzelne Komponente des Fremdleistungsentgelts abgestellt und diese für preisrechtlich nicht zulässig gehalten, weil er insoweit die Betriebsführung der Beklagten und nicht die der NSG als Auftragnehmerin zugrunde gelegt hat. Durch diesen Perspektivwechsel hat er sich den Blick auf eine Gesamtbetrachtung des in Ansatz gebrachten Dienstleistungsentgelts und dessen preisrechtliche Zulässigkeit am Maßstab der Betriebsführung durch die NSG verstellt und - insoweit konsequent - den diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen. 36 Die oben unter 1.a) dargestellte abgabenrechtliche ""Ergebnisrechtsprechung"", wonach sich der überprüfte Gebührensatz nur im Ergebnis als nicht überhöht erweisen dürfe, wurde von der Beklagten erst im Revisionsverfahren näher thematisiert. Allein wegen einer etwaigen Nennung dieses Stichworts in der mündlichen Verhandlung hätte die Beklagte nicht erwarten können, dass sich das Berufungsgericht mit diesem Aspekt näher auseinandersetzen würde. 37 b) Auch im Zusammenhang mit der Bewertung der Privatisierung der Wasserinfrastrukturanlagen lassen die Urteilsgründe keine Gehörsverletzung insbesondere in Form einer Überraschungsentscheidung erkennen. 38 Dass das Berufungsgericht von einer fehlerhaften Vorstellung hinsichtlich des Zeitpunkts des Eigentumsübergangs ausgegangen wäre, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Der zeitliche Zusammenhang zwischen den Organisationsentscheidungen spielt in den maßgeblichen Erwägungen des Gerichts keine Rolle; aus dem Klammerzusatz in der Formulierung auf S. 14 des Urteils ""hier hat die Beklagte das Eigentum an dem Wasserleitungsbestand auf die NSG (bzw. ihre Rechtsvorgängerin) übertragen"" wird zudem deutlich, dass der Verwaltungsgerichtshof gerade nicht von einer erst kürzlich erfolgten Privatisierung ausging. Es wird auch kein Missbrauchsvorwurf erhoben und unterstellt, dass die Übertragung des Eigentums an den Wasserleitungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Rekommunalisierungsentscheidung gestanden hätte. 39 Im Übrigen waren die Erwägungen des Berufungsgerichts in ihrem Kern für die Beklagte nicht neu und unerwartet. Auf die Privatisierung der Wasserleitungen im Rahmen der Organisationsentscheidungen der Beklagten hatte bereits das Verwaltungsgericht abgestellt und dabei eine Vergleichbarkeit mit der Konstellation angenommen, die der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig zur fehlenden Gebührenfähigkeit einer Konzessionsabgabe zugrunde lag. Hierzu hat die Beklagte in der Berufungsbegründung Stellung genommen. Mit diesen Ausführungen hat sich das Berufungsgericht ausdrücklich auseinandergesetzt (UA S. 15). Dass es ihnen nicht gefolgt ist, betrifft nur die inhaltliche Würdigung des Beklagtenvorbringens und kann eine Gehörsverletzung nicht begründen. 40 4. Der Verstoß gegen das öffentliche Preisrecht, auf dem das angefochtene Urteil beruht, führt gemäß § 137 Abs. 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Eine abschließende rechtliche Bewertung und Entscheidung ist dem Revisionsgericht verwehrt, weil es einer weiteren kommunalabgabenrechtlichen Prüfung bedarf. Deshalb lässt sich weder nach § 144 Abs. 4 VwGO feststellen, dass sich die Entscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt, noch kommt die von der Beklagten begehrte Abweisung der Klage in der Revisionsinstanz in Betracht. 41 Mit der Bejahung der preisrechtlichen Zulässigkeit der von der NSG gezahlten Konzessionsabgabe im Rahmen des Fremdleistungsentgelts steht auf der Grundlage der den Senat insoweit bindenden Auslegung des Kommunalabgabenrechts durch den Verwaltungsgerichtshof lediglich fest, dass die Erforderlichkeit des angesetzten Fremdleistungsentgelts nicht aus preisrechtlichen Gründen zu verneinen ist. Welche Folgerungen sich im Übrigen für die Gebührenfähigkeit des Fremdleistungsentgelts ergeben und ob die sonstigen kommunalabgabenrechtlichen Anforderungen erfüllt sind, bedarf der Auslegung und Anwendung des Landesrechts, die dem Verwaltungsgerichtshof vorbehalten ist. Entsprechendes gilt für die Frage, ob anderweitige Bedenken gegen die Gebührenkalkulation bestehen. Die Kläger haben insoweit weitere Rügen erhoben, über die bisher nicht entschieden worden ist. Im Rahmen der erneuten Befassung mit der Streitsache wird der Verwaltungsgerichtshof Gelegenheit haben, sich mit diesen Aspekten auseinanderzusetzen und dabei auch der von der Beklagten aufgeworfenen Frage nach der Bedeutung seiner ""Ergebnisrechtsprechung"" nachzugehen." bverwg_2021-20,30.03.2021,"Pressemitteilung Nr. 20/2021 vom 30.03.2021 EN Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch langjährige Behandlung als Deutscher und Erstreckung auf Abkömmlinge Die ""Ersitzung"" der deutschen Staatsangehörigkeit durch eine mindestens zwölfjährige Behandlung als Deutscher seitens deutscher Behörden, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, erstreckt sich auf dessen Abkömmlinge unabhängig davon, ob diese selbst ""gutgläubig"" sind. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der 1982 in Brasilien geborene Kläger zu 1. und seine 2011 ebendort geborene Tochter, die Klägerin zu 2., sind Nachfahren eines 1853 nach Brasilien ausgewanderten ""preußischen Untertanen"". Sie begehren die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass sie deutsche Staatsangehörige sind. Das Oberverwaltungsgericht hat der erstinstanzlich erfolglosen Klage stattgegeben. Der Vater des Klägers, der zuvor ausschließlich brasilianischer Staatsangehöriger gewesen sei, habe die deutsche Staatsangehörigkeit zwar nicht durch Abstammung, wohl aber im April 2015 nach § 3 Abs. 2 StAG dadurch erworben, dass deutsche Stellen ihn seit April 2003 irrtümlich als deutschen Staatsangehörigen behandelt hätten. Das Bundesverwaltungsamt habe ihm im April 2003 einen Staatsangehörigkeitsausweis mit einer Gültigkeit von zehn Jahren ausgestellt; im August 2014 sei ihm durch das Generalkonsulat São Paulo ein ebenfalls zehn Jahre gültiger Reisepass ausgestellt worden. Der Staatsangehörigkeitserwerb des Vaters des Klägers, der die Behandlung als deutscher Staatsangehöriger nicht zu vertreten habe, wirke auf den Zeitpunkt von dessen Geburt im Jahre 1947 zurück. Er erstrecke sich nach § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG kraft Gesetzes auf die beiden Kläger als dessen Abkömmlinge; auf ein etwaiges Vertretenmüssen in der Person des Klägers komme es nicht an. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts bestätigt. Der Vater des Klägers hat die deutsche Staatsangehörigkeit durch ""Ersitzung"" rückwirkend auf den Zeitpunkt seiner Geburt erworben. Der dafür erforderlichen durchgängigen Behandlung als deutscher Staatsangehöriger ""seit zwölf Jahren"" steht nicht entgegen, dass der ihm erteilte Staatsangehörigkeitsausweis im April 2013 seine Gültigkeit verloren hat und ihm erst im August 2014 ein Reisepass ausgestellt worden ist. In der zeitlichen Lücke liegt hier keine anspruchsschädliche Unterbrechung. Der Vater des Klägers hat seine rechtsirrtümliche Behandlung als Deutscher nicht zu vertreten. Ebenso wenig wie seine Behandlung als Deutscher ist sein Nichtvertretenmüssen insbesondere dadurch entfallen, dass das Generalkonsulat São Paulo 2015 dem Kläger kurz vor Ablauf des Zwölfjahreszeitraums den ausschließlich an die beiden Kläger gerichteten streitgegenständlichen Bescheid hat bekanntgeben lassen, mit dem es diesen gegenüber das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit festgestellt hat. Eine Kenntnis auch des Vaters des Klägers von diesem Vorgang vor Ablauf des Zwölfjahreszeitraums hat das Oberverwaltungsgericht gerade nicht festgestellt. Des Vaters rückwirkender Staatsangehörigkeitserwerb erstreckt sich kraft Gesetzes auf die Kläger als Abkömmlinge, die seither ihre Staatsangehörigkeit von ihm ableiten. Der Erstreckungserwerb setzt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht voraus, dass auch der Abkömmling seinerseits eine Behandlung als deutscher Staatsangehöriger nicht zu vertreten haben darf bzw. ""gutgläubig"" gewesen sein muss. Er ist zudem unabhängig davon eingetreten, ob der Kläger in der Zeit bis April 2015 - etwa durch einen freiwilligen Eintritt in fremde Streitkräfte - einen Verlusttatbestand verwirklicht hat. BVerwG 1 C 28.20 - Urteil vom 30. März 2021 Vorinstanzen: OVG Münster, 19 A 169/19 - Beschluss vom 24. März 2020 - VG Köln, 10 K 11698/16 - Beschluss vom 21. November 2018 -","Urteil vom 30.03.2021 - BVerwG 1 C 28.20ECLI:DE:BVerwG:2021:300321U1C28.20.0 EN Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch langjährige Behandlung als Deutscher und Erstreckung auf Abkömmlinge Leitsätze: 1. Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch langjährige Behandlung als deutscher Staatsangehöriger nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG erstreckt sich gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG kraft Gesetzes auf Abkömmlinge, die seither ihre Staatsangehörigkeit von dem Begünstigten ableiten, ohne dass es darauf ankommt, ob diese ihrerseits die Behandlung des Begünstigten als deutscher Staatsangehöriger zu vertreten haben. 2. Der Erstreckungserwerb der Abkömmlinge nach § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG wirkt auf den Zeitpunkt ihrer Geburt zurück. Sein Fortbestand hängt nicht davon ab, dass der Abkömmling in dem Zeitraum, auf den sich die Rückwirkung bezieht, keinen staatsangehörigkeitsrechtlichen Verlusttatbestand erfüllt hat. Rechtsquellen StAG § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1 und Abs. 4, §§ 28, 30, 37 StAG 1870 § 21 GG Art. 16 Abs. 1 VwGO § 137 Abs. 1 und 2 Instanzenzug VG Köln - 21.11.2018 - AZ: VG 10 K 11698/16 OVG Münster - 24.03.2020 - AZ: OVG 19 A 169/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 30.03.2021 - 1 C 28.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:300321U1C28.20.0] Urteil BVerwG 1 C 28.20 VG Köln - 21.11.2018 - AZ: VG 10 K 11698/16 OVG Münster - 24.03.2020 - AZ: OVG 19 A 169/19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. März 2020 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Kläger begehren die Feststellung, dass sie deutsche Staatsangehörige sind, und die Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen. 2 Der im April ... in M./Brasilien ehelich geborene Kläger und seine nichteheliche Tochter, die im September 2011 in C./Brasilien geborene Klägerin, sind (jedenfalls) brasilianische Staatsangehörige. Beide sind in einer ununterbrochenen väterlichen Linie Nachfahren des im August 1832 in .../preußische Provinz Sachsen geborenen H. F. M., der 1853 nach B./Brasilien ausgewandert war (Ururgroßvater des Klägers). Der Kläger hat nach eigenen Angaben von 2000 bis 2001 in Brasilien Militärdienst geleistet. 3 Am 3. April 2003 stellte das Bundesverwaltungsamt dem Kläger und seinem Vater, dem 1947 in Brasilien geborenen T. V. M., bis zum 2. April 2013 gültige Staatsangehörigkeitsausweise aus. Dabei nahm es an, der Kläger und sein Vater hätten die deutsche Staatsangehörigkeit jeweils mit ihrer ehelichen Geburt durch Abstammung väterlicherseits erworben. 4 Aus Anlass eines Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahrens der Schwester des Vaters des Klägers vermerkte das Bundesverwaltungsamt am 18. August 2009 in der Akte des Klägers, der Staatsangehörigkeitsausweis sei rechtswidrig ausgestellt worden. Diesem Vermerk lag eine Änderung seiner Rechtsauffassung zum Fortbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit bei Nachfahren deutscher Einwanderer in Brasilien zugrunde. Sie beruhte auf der Feststellung des Berufungsgerichts in einem anderen Verfahren, wonach die im 19. Jahrhundert nach Brasilien ausgewanderten deutschen Reichsangehörigen während der Geltung des StAG 1870 nur in sehr geringem Umfang von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, einen Staatsangehörigkeitsverlust durch Eintragung in das Matrikelbuch eines Reichskonsulats in Brasilien abzuwenden (OVG Münster, Beschluss vom 9. Januar 2008 - 12 A 1842/06 - juris Rn. 6). 5 Im Dezember 2011 beantragte die Klägerin, vertreten durch den Kläger und ihre Mutter, beim Bundesverwaltungsamt die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Das Bundesverwaltungsamt verstand diesen Antrag zugleich auch als Antrag des Klägers in eigenem Namen. Es teilte dem Generalkonsulat ... im April 2012 per E-Mail mit, dass es die Ausstellung der Staatsangehörigkeitsausweise an den Kläger und seinen Vater im Jahr 2003 seit dem Jahr 2009 als rechtswidrig ansehe, und bat, ""für die genannten Personen zunächst keine weiteren Pässe auszustellen"". Bei einem erneuten Antrag sei zu prüfen, ob sie die deutsche Staatsangehörigkeit durch Ersitzung erworben hätten. 6 Mit Bescheid vom 23. Januar 2015, dem Kläger ausgehändigt im Honorarkonsulat C./Brasilien am 14. März 2015, stellte das Bundesverwaltungsamt in Bezug auf beide Kläger fest, dass sie nicht deutsche Staatsangehörige seien. 7 Den dagegen erhobenen Widerspruch wies das Bundesverwaltungsamt zurück. Es führte aus, der 1853 ausgewanderte Ururgroßvater des Klägers habe seine Eigenschaft als Preuße nach § 15 Abs. 3 i.V.m. § 23 des Gesetzes vom 31. Dezember 1842 über die Erwerbung und den Verlust der Eigenschaft als preußischer Untertan sowie über den Eintritt in fremde Staatsdienste durch zehnjährigen Aufenthalt im Ausland verloren. Eine dadurch etwa eintretende Staatenlosigkeit habe dieses Gesetz in Kauf genommen. Selbst wenn der Ururgroßvater aber bei Gründung des deutschen Reiches 1871 noch im Besitz der preußischen Untertaneneigenschaft gewesen wäre, wäre ein Verlust sowohl bei diesem als auch bei dem 1877 geborenen Urgroßvater jedenfalls im Jahr 1881 nach § 21 StAG 1870 durch zehnjährigen legitimationslosen Auslandsaufenthalt eingetreten. Ein Matrikelschein, mit dem der Verlust habe abgewendet werden können, sei nicht vorgelegt worden; ebenso fehle es an anderweitigen aussagekräftigen Indizien dafür, dass die die Staatsangehörigkeit erhaltenden Maßnahmen tatsächlich ergriffen worden seien. 8 Mit Urteil vom 21. November 2018 wies das Verwaltungsgericht Köln die dagegen erhobene Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Kläger hätten die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt erworben, weil ihre Vorfahren väterlicherseits, von denen sie ihre deutsche Staatsangehörigkeit ableiteten, bereits keine deutsche Staatsangehörigkeit (mehr) besessen hätten. Die Kläger hätten die deutsche Staatsangehörigkeit auch nicht durch Ersitzung erworben. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass der Vater des Klägers nach Ablauf seines bis 2. April 2013 gültig gewesenen Staatsangehörigkeitsausweises weiterhin als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden sei. 9 Im Berufungsverfahren haben die Kläger unter Vorlage entsprechender Kopien erstmals vorgetragen, dem Vater des Klägers (T. V. M.) sei noch im August 2014 vom Generalkonsulat ... ein bis August 2024 gültiger neuer Reisepass ausgestellt worden. Auch die Kläger hätten im Juni 2017 vom Generalkonsulat ... Reisepässe erhalten, gültig bis Juni 2027 (Kläger) bzw. bis Juni 2023 (Klägerin). Sie haben zudem eine im Juli 2014 vom Standesamt I in Berlin ausgestellte Geburtsurkunde der Klägerin in Kopie eingereicht. 10 Das Oberverwaltungsgericht hat durch Beschluss vom 24. März 2020 die (Negativ-)Feststellung, dass die Kläger nicht deutsche Staatsangehörige seien, aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Klägern Staatsangehörigkeitsausweise auszustellen. Die Kläger hätten die deutsche Staatsangehörigkeit am 4. April 2015 nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und 4 StAG dadurch erworben, dass das Bundesverwaltungsamt und das Generalkonsulat ... den Vater des Klägers, der zuvor ausschließlich brasilianischer Staatsangehöriger gewesen sei, seit dem 3. April 2003 - und damit zwölf Jahre lang - durchgängig als deutschen Staatsangehörigen behandelt hätten. Ihm sei im April 2003 ein Staatsangehörigkeitsausweis und im August 2014 ein Reisepass ausgestellt worden. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die amtliche Behandlung des Vaters des Klägers als deutscher Staatsangehöriger nicht vor dem 4. April 2015 dadurch beendet worden, dass das Generalkonsulat dem Kläger am 14. März 2015 im Honorarkonsulat C./Brasilien den ausschließlich an ihn selbst und die Klägerin gerichteten, hier streitgegenständlichen Bescheid vom 23. Januar 2015 habe aushändigen lassen. Es sei schon nicht feststellbar, dass der Vater zwischen der Aushändigung an den Kläger am 14. März 2015 und dem Ablauf des Zwölf-Jahres-Zeitraums am 3. April 2015 überhaupt Kenntnis vom Inhalt des Bescheides erlangt habe. Der Vater des Klägers habe diese Behandlung als deutscher Staatsangehöriger in der Zeit von April 2003 bis April 2015 nicht zu vertreten. Eine etwaige Obliegenheitsverletzung des Klägers sei seinem Vater als staatsangehörigkeitsrechtlich eigenständig handlungsfähiger Person nicht zuzurechnen. Der damit rückwirkend eingetretene Staatsangehörigkeitserwerb des Vaters des Klägers erstrecke sich nach § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG auch auf die Kläger als Abkömmlinge, die seither ihre Staatsangehörigkeit von dem Vater ableiteten. Dem Wortlaut und dem Zweck des Satzes 4 ließen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der dort geregelte Erstreckungserwerb des Abkömmlings ebenso wie der Vertrauensschutzerwerb des Stammberechtigten nach Satz 1 von dem ausschließlich dort erwähnten negativen Tatbestandsmerkmal des Nichtvertretenmüssens abhänge. Ebenso wenig stehe es dem gesetzlichen Erstreckungserwerb entgegen, wenn der Kläger in der Zeit bis zum 4. April 2015 - etwa mit dem Eintritt in die Streitkräfte eines ausländischen Staates - Verlusttatbestände verwirklicht hätte, mit der Folge, dass eine mit Geburt erworbene deutsche Staatsangehörigkeit bei hypothetisch-rückschauender Betrachtung vor dem 4. April 2015 verloren gegangen wäre. 11 Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 3 StAG. Die Auslegung dieser Vorschrift durch das Berufungsgericht unterlaufe das Gesetzesziel, Ersitzungstatbestände auf Gutglaubensfälle zu beschränken. Es fehle beim Vater des Klägers bereits an einer zwölfjährigen durchgängigen Behandlung als deutscher Staatsangehöriger. Der ihm erteilte Staatsangehörigkeitsausweis habe weder bindende noch über den 2. April 2013 hinausreichende Wirkung gehabt. Erst am 10. August 2014 sei dem Vater ein deutscher Reisepass ausgestellt worden. Selbst wenn aber beim Vater des Klägers von einer Ersitzung der deutschen Staatsangehörigkeit infolge einer durchgehenden ""Deutschenbehandlung"" auszugehen wäre, habe einer Erstreckung dieses Erwerbs auf die Kläger jedenfalls deren böser Glaube entgegengestanden. Dass dies den Erstreckungserwerb nicht hindere, entspreche weder der Intention des Gesetzgebers noch sei diese Auslegung aufgrund des Wortlauts der Norm geboten. 12 Die Kläger verteidigen den angegriffenen Beschluss. 13 Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und schließt sich der Rechtsauffassung der Beklagten an. II 14 Die Revision ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte zu Recht unter Aufhebung der gegenteiligen (Negativ-)Feststellung verpflichtet festzustellen, dass die Kläger deutsche Staatsangehörige sind, bzw. ihnen Staatsangehörigkeitsausweise auszustellen. Seine Rechtsauffassung, die Kläger hätten die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG erworben, steht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). 15 Die Klage ist - wie im Berufungsurteil ausgeführt - als kombinierte Verpflichtungs- und Anfechtungsklage statthaft. Sie ist primär auf die in § 30 Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG vorgesehene verbindliche behördliche Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gerichtet; zugleich begehren die Kläger zulässigerweise die Aufhebung der von Amts wegen möglichen (§ 30 Abs. 1 Satz 3 StAG), hier vom Bundesverwaltungsamt ausdrücklich getroffenen, selbstständig belastenden Feststellung, dass sie nicht deutsche Staatsangehörige sind. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere fehlt dem Kläger nicht deshalb das Rechtsschutzinteresse, weil ihm das Bundesverwaltungsamt bereits am 3. April 2003 einen für zehn Jahre gültigen Staatsangehörigkeitsausweis ausgestellt hatte. Denn dieser Staatsangehörigkeitsausweis hatte nach der seinerzeit geltenden Rechtslage nur den Charakter einer widerlegbaren Vermutung (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 1 C 17.14 - BVerwGE 151, 245 Rn. 13 f.). Ein verbindliches behördliches Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren hat der Gesetzgeber erst mit § 30 StAG in der Fassung von Art. 5 Nr. 19 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) geschaffen. 16 Die Klage ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Kläger am 4. April 2015 die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Satz 1 StAG mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt ihrer Geburt dadurch erworben haben, dass deutsche Stellen den Vater des Klägers seit dem 3. April 2003 - und damit zwölf Jahre lang - als deutschen Staatsangehörigen behandelt haben, ohne dass dieser seine Behandlung als Deutscher zu vertreten hatte. Die Kläger haben die deutsche Staatsangehörigkeit nicht schon im Wege des (regulären) Abstammungserwerbs nach § 4 Abs. 1 StAG bei Geburt erworben (dazu 1.). Der Vater des Klägers, der zuvor ausschließlich brasilianischer Staatsangehöriger war, ist aber durch die langjährige irrtümliche Behandlung als Deutscher nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und 3 StAG rückwirkend zum Zeitpunkt seiner Geburt im Jahr 1947 deutscher Staatsangehöriger geworden (dazu 2.). Dessen Staatsangehörigkeitserwerb erstreckt sich gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG kraft Gesetzes auf die Kläger als Abkömmlinge, die seither ihre Staatsangehörigkeit von ihm ableiten (dazu 3. und 4.). 17 Maßgeblich für die Prüfung des Anspruchs auf behördliche Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit ist die gegenwärtige Rechtslage (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2017 - 1 C 16.16 - NVwZ 2017, 1312 Rn. 10). Die rechtliche Beurteilung richtet sich damit nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG - in der aktuell geltenden Fassung, zuletzt geändert durch Art. 4 der Elften Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328), soweit sich aus dem anzuwendenden materiellen Recht nichts Abweichendes ergibt. 18 1. Einem Staatsangehörigkeitserwerb der Kläger durch Geburt nach § 4 Abs. 1 StAG steht entgegen, dass schon der Vater des Klägers die deutsche Staatsangehörigkeit nicht im Wege des Abstammungserwerbs durch eheliche Geburt nach § 4 Abs. 1 RuStAG 1913 in der zum Zeitpunkt seiner Geburt im August 1947 geltenden Fassung erworben hat. Nach dieser Vorschrift erwarb das eheliche Kind eines Deutschen durch die Geburt die Staatsangehörigkeit des Vaters. Hiernach hat der Vater des Klägers die deutsche Staatsangehörigkeit nicht erworben, weil bereits der Großvater väterlicherseits des Klägers, der 1910 in Brasilien geborene F. M., die preußische Staatsangehörigkeit (die als ""Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate"" gemäß § 1 des Gesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 - StAG 1870 - die Bundeszugehörigkeit vermittelte), nicht mehr durch Geburt nach § 3 StAG 1870 erwerben konnte. Auch nach dieser Regelung erwarben durch die Geburt, auch wenn diese im Ausland erfolgte, eheliche Kinder eines (Nord-)Deutschen die Staatsangehörigkeit des Vaters. Der Großvater des Klägers, F. M., konnte indes bei seiner Geburt im Jahr 1910 von seinem Vater, dem im März 1877 in B./Brasilien geborenen F. M., die preußische Staatsangehörigkeit nicht ableiten, weil dieser im Geburtszeitpunkt seines Sohnes jedenfalls nicht mehr preußischer Staatsangehöriger war. 19 Der Senat lässt mit dem Berufungsgericht offen, ob der 1853 ausgewanderte Ururgroßvater des Klägers, H. F. M., seine Eigenschaft als ""preußischer Untertan"" bereits nach § 23 des Gesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Eigenschaft als preußischer Untertan sowie über den Eintritt in fremde Staatsdienste vom 31. Dezember 1842 infolge seines mehr als zehnjährigen Aufenthalts im Ausland verloren hatte, mit der Folge, dass sein 1877 geborener Sohn F. M. die preußische Staatsangehörigkeit schon nicht durch Abstammung erworben hätte. Denn selbst wenn F. M. mit seiner Geburt im Jahr 1877 die preußische Staatsangehörigkeit bzw. Bundeszugehörigkeit noch erworben haben sollte, so hätte er diese nach § 21 Abs. 2 StAG 1870, jedenfalls aber nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StAG 1870 spätestens zehn Jahre nach Erreichen der Volljährigkeit mit damals noch 21 Jahren, also im März 1908 - und damit vor der Geburt seines Sohnes F. im Jahr 1910 - verloren. 20 Nach § 21 Abs. 1 StAG 1870 verloren ""(Nord-)Deutsche, welche das Bundesgebiet verlassen und sich zehn Jahre lang ununterbrochen im Ausland aufhalten"", dadurch ihre Staatsangehörigkeit. Die Frist wurde ""von dem Zeitpunkte des Austritts aus dem Bundesgebiete oder, wenn der Austretende sich im Besitz eines Reisepapieres oder Heimatscheines befindet, von dem Zeitpunkte des Ablaufs dieser Papiere an gerechnet."" Sie wurde unterbrochen durch die Eintragung in die Matrikel eines Bundeskonsulats. Bei Minderjährigen, die sich ohne ihre Eltern im Ausland aufhielten, wurde nach damaliger Praxis von einem Fristlauf erst ab erreichter Volljährigkeit ausgegangen (vgl. etwa Grill, Die Reichsgesetze über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit und über die Freizügigkeit, 2. Aufl. 1901, S. 57). Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass § 21 Abs. 1 StAG 1870 auch auf im Ausland geborene Kinder von Auswanderern Anwendung fand (dazu näher OVG Münster, Beschluss vom 6. Juni 2012 - 19 A 1170/11 - OVGE MüLü 55, 93 ff. = juris Rn. 33-41). § 21 Abs. 2 StAG 1870 bestimmte zudem, dass sich der nach Abs. 1 eingetretene Verlust der Staatsangehörigkeit zugleich auf die Ehefrau und auf diejenigen Kinder erstreckte, deren gesetzliche Vertretung dem Ausgetretenen kraft elterlicher Gewalt zustand, soweit sich die Ehefrau oder die Kinder bei dem Ausgetretenen befanden. 21 Nach diesen Regelungen hat der 1877 geborene Urgroßvater des Klägers F. M. eine bis dahin in der Generationenkette etwa erhalten gebliebene preußische Staatsangehörigkeit bzw. Bundeszugehörigkeit wahrscheinlich schon gemäß § 21 Abs. 2 StAG 1870 aufgrund Erstreckung eines bei seinem Vater, dem 1853 ausgewanderten H. F. M., nach § 21 Abs. 1 StAG eingetretenen Verlusts verloren; spätestens wäre der Verlust aber zehn Jahre nach Erreichen der eigenen Volljährigkeit, also im März 1908 gemäß § 21 Abs. 1 StAG 1870 eingetreten. Denn nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist nicht davon auszugehen, dass namentlich der 1877 geborene F. M. von den Möglichkeiten zur Abwendung des Staatsangehörigkeitsverlusts Gebrauch gemacht hatte; insbesondere hat eine - nach § 21 Abs. 1 Satz 3 StAG 1870 fristunterbrechende - Eintragung in die Matrikel eines Bundeskonsulats, für die die Kläger die Beweislast tragen, nicht festgestellt werden können (vgl. näher BA S. 11). 22 2. Der Vater des Klägers hat die deutsche Staatsangehörigkeit jedoch nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und 3 StAG dadurch erworben, dass deutsche Stellen ihn irrtümlich zwölf Jahre lang als deutschen Staatsangehörigen behandelt haben (2.1.), ohne dass er dies zu vertreten hatte (2.2.). Er ist dadurch rückwirkend zum Zeitpunkt seiner Geburt deutscher Staatsangehöriger geworden (2.3.). 23 Diese Regelung, nach der die deutsche Staatsangehörigkeit gewissermaßen durch ""Ersitzung"" erworben werden kann, ist mit dem Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) in das Staatsangehörigkeitsgesetz aufgenommen worden. Sie dient dem Vertrauensschutz des Einzelnen und der Gewährleistung von Rechtssicherheit, vor allem in den Bereichen, in denen die deutsche Staatsangehörigkeit Voraussetzung weiterer Rechte ist, etwa beim Wahlrecht oder im Beamtenrecht (siehe auch BT-Drs. 16/5065, S. 227). Der Staatsangehörigkeitserwerb nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG setzt voraus, dass der Betroffene seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. Er findet nur auf Personen Anwendung, die - wie der Vater des Klägers - nicht ohnehin bereits die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, die also zu Unrecht als deutsche Staatsangehörige behandelt werden. Nicht erforderlich ist, dass der Betroffene einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat; die Regelung kommt auch Auslandsdeutschen zugute (vgl. etwa Kau, in: Hailbronner/Maaßen/Hecker/Kau (Hrsg.), Staatsangehörigkeitsrecht, 6. Aufl. 2017, § 3 Rn. 7). 24 2.1. Der Vater des Klägers ist zwölf Jahre lang von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden. 25 a) Deutsche Stellen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG sind Verwaltungsbehörden oder Selbstverwaltungsorgane, die unmittelbar oder mittelbar mit der Prüfung der Staatsangehörigkeit des Betroffenen befasst sind. Dazu zählen neben den Staatsangehörigkeitsbehörden und den mit konsularischen Angelegenheiten befassten Stellen des Auswärtigen Amtes vor allem die Pass-, Ausweis- und Meldebehörden und die Standesämter. Eine Behandlung als deutscher Staatsangehöriger liegt insbesondere in der Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises, Reisepasses oder Personalausweises (§ 3 Abs. 2 Satz 2 StAG). Die Behandlung als Deutscher muss ""seit zwölf Jahren"" andauern. Sie darf demnach keine Unterbrechung aufweisen und muss bei Inkrafttreten der Norm am 28. August 2007 noch fortdauern (vgl. BT-Drs. 16/5065, S. 227; Berlit, in: Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2. Aufl. 2020, § 2 Rn. 39). Eine Behandlung als deutscher Staatsangehöriger endet, wenn dem Betroffenen von einer deutschen Stelle im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG Zweifel am Bestehen seiner deutschen Staatsangehörigkeit mitgeteilt werden. Das gilt insbesondere, wenn ihm ein Bescheid dieser Stellen bekannt gegeben wird, in dem vom Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit ausgegangen wird, aber auch schon dann, wenn ihm eine zuständige deutsche Stelle Umstände zur Kenntnis bringt, die zu einer anderweitigen staatsangehörigkeitsrechtlichen Bewertung führen (können) und/oder ein Staatsangehörigkeitsprüfungsverfahren offenen Ausgangs eingeleitet wird (vgl. Berlit, in: Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2. Aufl. 2020, § 2 Rn. 38; VG Köln, Urteil vom 7. August 2017 - 10 K 5358/15 - juris Rn. 25). Die fortdauernde Gültigkeit eines der in § 3 Abs. 2 Satz 2 StAG aufgeführten Dokumente steht der Beendigungswirkung in derartigen Fällen jedenfalls dann nicht entgegen, wenn diesen nur Indizwirkung für das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit zukommt, wie dies bei Personalausweisen, Reisepässen und vor dem Inkrafttreten des § 30 StAG in der Fassung von Art. 5 Nr. 19 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) ausgestellten Staatsangehörigkeitsausweisen der Fall ist. 26 b) Nach diesen Maßstäben ist das Oberverwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Vater des Klägers am 4. April 2015 seit zwölf Jahren durchgehend irrtümlich von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist. Denn ihm ist nach den für das Revisionsgericht bindenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts am 3. April 2003 vom Bundesverwaltungsamt ein bis 2. April 2013 gültiger Staatsangehörigkeitsausweis und am 10. August 2014 vom Generalkonsulat ... ein bis zum 9. August 2024 gültiger Reisepass ausgestellt worden. Beide Behörden sind zuständige deutsche Stellen im Sinne des Erwerbstatbestands, wie sich bereits aus § 3 Abs. 2 Satz 2 StAG rückschließen lässt. Sie dürfen Staatsangehörigkeitsausweise und Reisepässe nur deutschen Staatsangehörigen ausstellen und haben das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit vor der Ausstellung derartiger Dokumente folglich in geeigneter Weise zu prüfen. 27 Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es an einer durchgängigen Behandlung als Deutscher nicht deshalb, weil der dem Vater des Klägers erteilte Staatsangehörigkeitsausweis im April 2013 seine Gültigkeit verloren hat und ihm erst im August 2014 ein Reisepass ausgestellt worden ist. Diese zeitliche Lücke begründet jedenfalls hier keine anspruchsschädliche Unterbrechung. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass der Ausstellung des Reisepasses durch das Generalkonsulat ... im August 2014 erneut derselbe Rechtsirrtum zugrunde lag, auf dem bereits die Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises beruhte. Mangels zwischenzeitlicher Änderung der staatsangehörigkeitsrechtlich relevanten Verhältnisse musste hiervon auch der Vater des Klägers ausgehen, auf dessen Sicht im Hinblick auf den Vertrauensschutzcharakter des § 3 Abs. 2 StAG maßgeblich abzustellen ist. Fehlt es aber an tatsächlichen Umständen, die die Möglichkeit eines Staatsangehörigkeitserwerbs erst in der Zeit zwischen den beiden ""Behandlungen"" als Deutscher begründen könnten, darf der Betroffene aus einer erneuten Behandlung als deutscher Staatsangehöriger schließen, dass ihn die zuständigen deutschen Stellen auch weiterhin als deutschen Staatsangehörigen betrachten. Damit wird eine zeitliche Lücke, in der sich dieser nicht im Besitz eines Deutschen vorbehaltenen Dokuments befindet, jedenfalls geschlossen. Ob bereits die einmalige Ausstellung eines solchen Dokuments mit einer Gültigkeit von weniger als zwölf Jahren ausreichen kann, um nach Ablauf von zwölf Jahren den Erwerbstatbestand zu erfüllen (dagegen etwa BeckOK MigR/Schöninger, 7. Ed. 01.01.2021, § 3 StAG Rn. 46a), bedarf hier keiner Entscheidung. 28 Im Einklang mit Bundesrecht steht auch die Würdigung des Berufungsgerichts, die Behandlung des Vaters des Klägers als deutscher Staatsangehöriger sei nicht vor dem Ablauf von zwölf Jahren Anfang April 2015 dadurch beendet worden, dass das Generalkonsulat dem Kläger am 14. März 2015 im Honorarkonsulat C./Brasilien den ausschließlich an die beiden Kläger gerichteten Bescheid vom 23. Januar 2015 hat zustellen lassen. Eine - vertrauensbegründende - Behandlung als deutscher Staatsangehöriger durch eine deutsche Stelle kann schon grundsätzlich nicht durch eine Amtshandlung beendet werden, die gegenüber einem Dritten ergeht, ohne dass die genannte Stelle (auch) den Betroffenen darüber in Kenntnis setzt. Dass die Beklagte auch den Vater des Klägers vom Inhalt des Bescheides informiert hätte, hat das Berufungsgericht indes weder festgestellt noch wird dies von der Beklagten geltend gemacht. 29 2.2. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht auch zu dem Ergebnis gekommen, dass der Vater des Klägers seine zwölfjährige Behandlung als deutscher Staatsangehöriger nicht zu vertreten hat (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz StAG). Diese Voraussetzung bezieht sich auf den Grund für die rechtsirrige Behandlung als Deutscher. Dieser Grund darf - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausführt - nicht in unzutreffenden oder unvollständigen Angaben des Ausländers über tatsächliche Umstände aus seinem persönlichen Lebensbereich liegen, die Gegenstand seiner staatsangehörigkeitsrechtlichen Mitwirkungspflicht nach § 37 Abs. 1 StAG i.V.m. § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG sind (vgl. auch Kau, in: Hailbronner/Maaßen/Hecker/Kau, Staatsangehörigkeitsrecht, 6. Aufl. 2017, § 3 Rn. 8 sowie BT-Drs. 16/5065, S. 227). 30 Auf der Grundlage der im Berufungsbeschluss getroffenen, für das Bundesverwaltungsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO grundsätzlich bindenden Tatsachenfeststellungen ist die Würdigung des Berufungsgerichts, der Vater des Klägers habe seine Behandlung als deutscher Staatsangehöriger nicht zu vertreten, nicht zu beanstanden. Danach ist der maßgebende Grund für dessen irrtümliche Behandlung als deutscher Staatsangehöriger die früher vertretene Rechtsauffassung der Beklagten gewesen, dass sich die Beweisnot vieler Nachfahren von deutschen Einwanderern in Brasilien (in Bezug auf die Vornahme einer Matrikeleintragung im Sinne von § 21 StAG 1870) nicht zu deren Lasten auswirken dürfe. Diese - später revidierte - Rechtsauffassung hat der Vater des Klägers nicht veranlasst; sie ist ausschließlich der Verantwortungssphäre der Beklagten zuzurechnen, zumal vom betroffenen Ausländer regelmäßig keine besseren Kenntnisse des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts und der historischen Tatsachengrundlagen erwartet werden können als von den mit der Prüfung staatsangehörigkeitsrechtlicher Fragen befassten Behörden. Ob Bösgläubigkeit automatisch ein Vertretenmüssen begründet und insbesondere eine allgemeine Hinweisobliegenheit auch auf rechtserhebliche Umstände besteht, die den zuständigen staatlichen Stellen bereits verfügbar sind (verneinend Kau, in: Hailbronner/Maaßen/Hecker/Kau, Staatsangehörigkeitsrecht, 6. Aufl. 2017, § 3 Rn. 8; BeckOK MigR/Schöninger, § 3 StAG Rn. 55; VG Stade, Urteil vom 27. August 2009 - 1 A 560/09 -, StAZ 2010, 115 ff. = juris Rn. 29), bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn das Berufungsgericht ist in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, es sei nicht feststellbar, dass der Vater des Klägers in dem kurzen Zeitraum vom 14. März 2015 (Zustellung des Bescheides vom 23. Januar 2015 an die Kläger) bis zum 3. April 2015 (Ablauf des Zwölfjahreszeitraums) vom Inhalt des Bescheides Kenntnis erlangt hätte. An diese Feststellung, gegen die die Beklagte keine Verfahrensrüge erhoben hat, ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. 31 Ob der Kläger selbst die zwölfjährige Behandlung seines Vaters als Deutscher zu vertreten hat, kann an dieser Stelle offenbleiben, weil dies der Ersitzung der deutschen Staatsangehörigkeit durch seinen Vater nicht entgegenstünde. Einer staatsangehörigkeitsrechtlich eigenständig handlungsfähigen Person (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 1 StAG) kann das Verhalten eines nicht ausdrücklich zur Vertretung ermächtigten Familienangehörigen nicht zugerechnet werden. Dass der Kläger zur Vertretung seines Vaters ermächtigt gewesen wäre, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und macht die Beklagte auch nicht geltend. 32 2.3. Erfüllte der Vater des Klägers damit am 4. April 2015 die Voraussetzungen für eine Ersitzung der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG, ist er damit rückwirkend auf den Zeitpunkt seiner Geburt im Jahr 1947 deutscher Staatsangehöriger geworden. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 3 StAG wirkt der Erwerb der Staatsangehörigkeit auf den irrig angenommenen Erwerbszeitpunkt - hier also den Zeitpunkt der Geburt des Vaters des Klägers - zurück. 33 3. Der Staatsangehörigkeitserwerb des Vaters des Klägers erstreckt sich gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG auf den Kläger als Abkömmling, der seither seine Staatsangehörigkeit von jenem ableitet. Auch bei dem Erstreckungserwerb handelt es sich um einen rückwirkenden Staatsangehörigkeitserwerb (3.1.). Dieser hängt nicht davon ab, dass der Abkömmling seinerseits die Behandlung als deutscher Staatsangehöriger nicht zu vertreten hat (3.2.). Der Staatsangehörigkeitserwerb aufgrund Erstreckung besteht in dem für die begehrte Feststellung in tatsächlicher Hinsicht maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2017 - 1 C 16.16 - NVwZ 2017, 1312 Rn. 10) unabhängig davon fort, ob der Kläger vor dem Eintreten der Erstreckungswirkung im April 2015 durch einen freiwilligen Eintritt in die brasilianischen Streitkräfte einen Verlusttatbestand verwirklicht hat (3.3.). 34 3.1. § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG stellt ausdrücklich klar, dass sich ein Staatsangehörigkeitserwerb nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG kraft Gesetzes auf Abkömmlinge erstreckt, die seither - also seit dem Zeitpunkt, auf den der Erwerb der Staatsangehörigkeit zurückwirkt - ihre Staatsangehörigkeit von dem nach Satz 1 Begünstigten ableiten. Diese Regelung überlagert einen schon aufgrund der Rückwirkung des Ersitzungserwerbs des Stammberechtigten etwa eintretenden Abstammungserwerb der Staatsangehörigkeit durch die seither geborenen Abkömmlinge. Damit wird der nach Satz 1 Begünstigte auch hinsichtlich seiner Abkömmlinge zumindest so gestellt, wie er stünde, wenn die irrige Annahme der Behörden, er sei deutscher Staatsangehöriger, von Beginn an zugetroffen hätte. Auch der Erstreckungserwerb der Abkömmlinge wirkt mithin auf den Zeitpunkt von deren Geburt zurück. Nach verbreiteter Auffassung geht der Zweck des in § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG vorgesehenen Erstreckungserwerbs noch darüber hinaus und sollen generell sämtliche Abkömmlinge, die nach dem Zeitpunkt, auf den die Staatsangehörigkeit des Ersitzenden zurückwirkt, geboren wurden, deutsche Staatsangehörige werden. Darauf, ob diese nach der allgemeinen Regelung des Abstammungserwerbs in der im Geburtszeitpunkt des Abkömmlings geltenden Fassung die Staatsangehörigkeit von jenem ableiten könnten, soll es nicht ankommen (vgl. etwa Marx, GK-StAR, Stand: September 2020, § 3 Rn. 63-67; Geyer, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 3 StAG Rn. 11; BeckOK MigR/Schöninger, 7. Ed. 01.01.2021, § 3 StAG Rn. 59). Mit dieser - überkompensierenden - Auslegung soll die fortdauernde Anwendung gleichheitswidriger früherer Fassungen des heute in § 4 Abs. 1 StAG geregelten Abstammungserwerbs vermieden werden. Anlässlich des Streitfalles bedarf keiner Entscheidung, inwieweit dem zu folgen ist (zur Problematik der ""hypothetischen Betrachtung"" auch in Anwendung gleichheitswidrigen Staatsangehörigkeitsrechts s. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Mai 2020 - 2 BvR 2628/18 -, InfAuslR 2020, 285). Denn als eheliches Kind von T. V. M., das bei Erfüllung der Erwerbsvoraussetzungen durch seinen Vater am 4. April 2015 bereits geboren war, ist der Kläger dessen Abkömmling und leitet seither seine Staatsangehörigkeit von seinem Vater ab, ohne dass es darauf ankommt, auf welche Fassung des § 4 Abs. 1 (Ru)StAG für diese Frage abzustellen ist. 35 3.2. Im Einklang mit Bundesrecht steht auch die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die Erstreckung des Staatsangehörigkeitserwerbs auf Abkömmlinge nach § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG hänge nicht von der zusätzlichen Voraussetzung ab, dass (auch) der Abkömmling die Behandlung (des Vorfahren) als deutscher Staatsangehöriger nicht zu vertreten hat. Der Einwand der Revision, die ""Bösgläubigkeit"" des Klägers im Zeitpunkt des Ersitzungserwerbs seines Vaters stehe der Erstreckung dieses Erwerbs auf ihn selbst entgegen, greift daher schon aus diesem Grund nicht durch. 36 Für die Unerheblichkeit eines Vertretenmüssens des Abkömmlings streitet mit erheblichem Gewicht schon der Wortlaut der Vorschrift. Danach ""erstreckt sich"" der Staatsangehörigkeitserwerb ""auf Abkömmlinge, die seither ihre Staatsangehörigkeit von dem nach Satz 1 Begünstigten ableiten."" Dies legt nahe, dass der Erstreckungserwerb von keinen weiteren Voraussetzungen abhängig sein soll. Die systematische Auslegung bestätigt diesen Befund. Zum einen ist das Tatbestandsmerkmal des ""Nichtvertretenmüssens"" ausdrücklich nur in § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG als den Ersitzungserwerb hindernd erwähnt und hat der Gesetzgeber von einer solchen Voraussetzung bei der in § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG geregelten Erstreckung auf Abkömmlinge gerade abgesehen. Zum anderen meint ""Erstreckung"" des Staatsangehörigkeitserwerbs auf Abkömmlinge auch in anderen Vorschriften deren automatischen Staatsangehörigkeitserwerb, ohne dass auch in ihrer Person die Voraussetzungen für den Staatsangehörigkeitserwerb des Stammberechtigten ganz oder teilweise vorliegen müssten (vgl. etwa § 6 Satz 2 StAG; siehe auch BVerwG, Urteil vom 6. April 2006 - 5 C 21.05 - Buchholz 130.0 RuStAÄndG Nr. 5 Rn. 16 mit weiteren Beispielen). 37 Weder die Begründung des Gesetzentwurfs noch die teleologische Auslegung führen mit hinreichender Klarheit zu einem anderen Ergebnis. Zwar heißt es in der Gesetzesbegründung: ""Soweit jemand jedoch wissentlich auf die Umstände eingewirkt hat, die deutsche Stellen dazu veranlasst haben, ihn bisher als deutschen Staatsangehörigen zu behandeln, ist der Erwerb nach § 3 Abs. 2 ausgeschlossen"" (vgl. BT-Drs. 16/5065, S. 227). Daraus ergibt sich - auch unter Berücksichtigung der unmittelbar zuvor erwähnten Erstreckung auf Abkömmlinge - indes nicht eindeutig, dass der Gesetzgeber diesen Satz trotz Fehlens eines entsprechenden Hinweises im Gesetzestext auch auf die Abkömmlinge bezogen wissen wollte. Da die Formulierung auf eine eigene Behandlung als deutscher Staatsangehöriger abhebt, erfasst sie ausdrücklich nur den ""Betroffenen"", also denjenigen, der die Staatsangehörigkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG durch langjährige Behandlung als Deutscher erwirbt. Die Erstreckung des Erwerbs auf Abkömmlinge setzt nach Wortlaut und Zweck des § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG nicht voraus, dass der Abkömmling jemals selbst als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist. Der Sinn und Zweck des Erstreckungserwerbs ist mangels anderweitiger klarer Angaben in der Gesetzesbegründung darin zu sehen, durch ausdrückliche Anordnung sicherzustellen, dass sich der rückwirkende Staatsangehörigkeitserwerb des Ersitzenden auch bei den Abkömmlingen im Wesentlichen so fortsetzt, wie dies der Fall gewesen wäre, wenn die der Behandlung als Deutscher zugrundeliegenden irrtümlichen Annahmen von vornherein zugetroffen hätten. Dann aber kann ohne ausdrückliche Anordnung im Gesetz nicht davon ausgegangen werden, dass die Erstreckung auf Abkömmlinge weiteren ungeschriebenen Einschränkungen unterliegt. Der vorliegende Fall gibt dabei keinen Anlass zu erörtern, ob der Erstreckungserwerb auch gegen den zuvor erklärten Willen des Abkömmlings erfolgt oder hierauf in entsprechender Anwendung des § 26 StAG bereits für den Erwerbszeitpunkt verzichtet werden kann. 38 3.3. Dem Fortbestand des rückwirkenden Staatsangehörigkeitserwerbs des Klägers bis zum maßgeblichen Zeitpunkt steht auch nicht entgegen, dass dieser nach eigenen Angaben von 2000 bis 2001 in Brasilien Militärdienst geleistet hat. Ob er damit den Verlustgrund des § 17 Nr. 5 i.V.m. § 28 StAG (freiwilliger Eintritt in fremde Streitkräfte) verwirklicht hat, ist auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen nicht zu beurteilen. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, ob es sich bei der Militärdienstleistung des Klägers um einen freiwilligen Eintritt in die brasilianischen Streitkräfte gehandelt hat oder er nur einer Wehrpflicht nachgekommen ist. Dies bedarf aber auch keiner weiteren Klärung. Denn das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Verwirklichung eines derartigen Verlustgrundes in dem Zeitraum, in dem der Abkömmling infolge der Erstreckung lediglich rückwirkend in den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit gelangt, deren weiteren Fortbestand nicht hindert. Zwar liegt darin eine gewisse ""Überkompensation"", weil der Abkömmling bessergestellt wird, als er stünde, wenn der Stammberechtigte die deutsche Staatsangehörigkeit bereits auf der Grundlage des irrig angenommenen Erwerbstatbestandes tatsächlich erworben hätte. Gegen die Anwendbarkeit von Verlustgründen in einem Zeitraum, in dem der Abkömmling erst nachträglich rückwirkend deutscher Staatsangehöriger wird, dies aber während des tatsächlichen Erlebens dieses Zeitraums noch nicht war, bestehen hier aber durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken. 39 Der nach Art. 16 Abs. 1 GG aufgrund eines Gesetzes mögliche Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit setzt voraus, dass der deutsche Staatsangehörige den Eintritt der gesetzlichen Rechtsfolge in zumutbarer Weise beeinflussen kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24 <44>). Daraus hat das Bundesverwaltungsgericht für den Verlusttatbestand des § 25 (Ru)StAG gefolgert, dieser sei einschränkend dahin auszulegen, dass bei Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit auf Antrag die deutsche Staatsangehörigkeit nur verloren geht, wenn der Erwerber seine deutsche Staatsangehörigkeit kannte oder sie hätte kennen müssen. Denn nur dann hat dieser objektiv Anlass, von der ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung zu beantragen und bis zu deren Erhalt auf den Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit zu verzichten oder seinen Schritt noch einmal zu überdenken (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. April 2010 - 5 C 5.09 - NVwZ-RR 2010, 658 und - 5 C 4.09 - juris Rn. 9, sowie Urteil vom 29. September 2010 - 5 C 20.09 - Buchholz 130 § 25 StAG Nr. 15 = juris Rn. 14 f.). Diese Erwägungen sind auf den Verlustgrund des § 28 StAG übertragbar. Auch hier hat nur Anlass, bei seiner Entscheidung über den Eintritt in fremde Streitkräfte seine deutsche Staatsangehörigkeit zu berücksichtigen und sich gegebenenfalls um eine die Verlustfolge abwendende Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung zu bemühen, wer um seine deutsche Staatsangehörigkeit weiß. Diese Voraussetzung kann aber nicht erfüllt sein, wenn der Betroffene - wie hier - im Zeitpunkt seines den Verlusttatbestand erfüllenden Verhaltens noch nicht einmal objektiv deutscher Staatsangehöriger ist. 40 Unabhängig davon bedürfte die Berücksichtigung von Verlustgründen während einer nur rückwirkenden Besitzzeit der deutschen Staatsangehörigkeit zumindest einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung. Eine solche wäre aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, denen im Bereich der staatsangehörigkeitsrechtlichen Verlustregelungen erhebliche Bedeutung zukommt (vgl. zuletzt BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. Juli 2019 - 2 BvR 1327/18 - InfAuslR 2019, 390 Rn. 33; ebenso BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24 <45>), erforderlich. Eine derartige Regelung, wie sie etwa in § 3 Abs. 4 des Zweiten Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 17. Mai 1956 (BGBl. I S. 431) - 2. StAngRegG - vorgesehen war, enthält § 3 Abs. 2 StAG aber nicht. 41 4. Auch die Klägerin hat als Abkömmling ihres Großvaters nach § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG rückwirkend auf den Zeitpunkt ihrer Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. 42 Der Begriff der ""Abkömmlinge"" erfasst auch die Kindeskinder (vgl. etwa zu Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG BVerwG, Urteil vom 11. Januar 1994 - 1 C 35.93 - BVerwGE 95, 36 = juris Rn. 10 ff.). Die Klägerin ist damit Abkömmling ihres Großvaters; sie leitet auch seither ihre Staatsangehörigkeit - über das vermittelnde Glied ihres Vaters - von diesem ab, ohne dass es darauf ankommt, welche Fassung des § 4 Abs. 1 (Ru)StAG dafür gegebenenfalls jeweils heranzuziehen ist. Mit Blick auf ihre nichteheliche Geburt bedarf es allerdings zur Geltendmachung des Staatsangehörigkeitserwerbs einer nach den deutschen Gesetzen wirksamen Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft (§ 4 Abs. 1 Satz 2 StAG). Die Inbezugnahme der ""deutschen Gesetze"" umfasst hierbei auch das Kollisionsrecht. Nach deutschem internationalen Privatrecht richtet sich die Abstammung primär nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB; vgl. näher Kau, in: Hailbronner/Maaßen/Hecker/Kau, Staatsangehörigkeitsrecht, 6. Aufl. 2017, § 4 Rn. 10). Nach dem damit primär maßgeblichen brasilianischen Recht ist die Klägerin Tochter des Klägers. Dies hat das Berufungsgericht zwar nicht ausdrücklich festgestellt. Nach Aktenlage ist dies aber hinreichend belegt und wird, wie sich auch aus der Revisionsbegründung der Beklagten und ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung ergibt, von dieser nicht bezweifelt. 43 Der in § 4 Abs. 4 StAG vorgesehene ""Generationenschnitt"" bei im Ausland geborenen Kindern steht der Ableitung der Staatsangehörigkeit der Klägerin von ihrem Vater hier schon deshalb nicht entgegen, weil dieser vor dem 31. Dezember 1999 geboren worden ist. Damit kann dahinstehen, ob diese Norm im Rahmen von § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG überhaupt anwendbar ist. 44 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2021-21,30.03.2021,"Pressemitteilung Nr. 21/2021 vom 30.03.2021 EN Rechtsfolgen einer unterlassenen persönlichen Anhörung im behördlichen Asylverfahren für das asylgerichtliche Verfahren Hat es das Bundesamt im behördlichen Asylverfahren unterlassen, den Antragsteller persönlich anzuhören, darf das Gericht im Klageverfahren die Anhörung selbst unter Wahrung u.a. der gebotenen Vertraulichkeit nachholen, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Gelegenheit belassen, die unterlassene Anhörung nachzuholen, oder den angefochtenen Unzulässigkeitsbescheid aufheben, damit das Bundesamt nach fehlerfreiem Verfahren eine neuerliche Entscheidung über den Asylantrag trifft. Bei der Betätigung seines weiten Verfahrensermessens hat das Gericht die konkreten Umstände des Einzelfalles, insbesondere die bisherige Verfahrensdauer und das Ausmaß der erforderlichen Sachverhaltsaufklärung zu berücksichtigen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, dem unter anderen Personalien in Italien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und ein bis Februar 2015 gültiger Reiseausweis für Flüchtlinge ausgestellt worden war, wendet sich gegen die ohne vorherige persönliche Anhörung getroffene Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), dass ihm aufgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. Klage und Berufung sind insoweit ohne Erfolg geblieben. Auf Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) im Juni 2020 entschieden, dass ein behördlicher Verstoß gegen das unionsrechtliche Gebot, den Flüchtling vor einer Unzulässigkeitsentscheidung persönlich anzuhören, nicht allein deshalb nach § 46 VwVfG als unbeachtlich erachtet werden darf, weil es sich um eine gebundene Entscheidung handelt und Äußerungsmöglichkeiten im gerichtlichen Verfahren bestehen. Der Verfahrensfehler führt vielmehr zur Aufhebung dieser Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Asylbehörde, soweit der Flüchtling nicht im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens in einer die gemäß Art. 15 RL 2013/32/EU geltenden grundlegenden Bedingungen und Garantien, u.a. angemessene Vertraulichkeit, gewährleistenden Anhörung persönlich alle gegen die Entscheidung sprechenden Umstände hat vortragen können. In Umsetzung dieser Grundsätze hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die Revision des Klägers den Bescheid des Bundesamts aufgehoben. Die Feststellungsentscheidung kann nicht in eine - nach der anzuwendenden Rechtslage allein in Betracht kommende - Unzulässigkeitsentscheidung wegen anderweitiger Flüchtlingsanerkennung (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) umgedeutet werden. Denn der Kläger, der im behördlichen Verfahren nicht zu der Unzulässigkeitsentscheidung angehört worden war, ist in den Vorinstanzen hier allein durch die Möglichkeit, sich im gerichtlichen Verfahren zu äußern, und die bloße Erörterung der Sach- und Rechtslage in öffentlicher Verhandlung nicht unter Bedingungen persönlich angehört worden, die nach der Rechtsprechung des EuGH den Anforderungen des Unionsrechts genügen. Mit Blick auf den Regelungsgedanken des § 46 VwVfG kann in den Tatsacheninstanzen das Gericht zwar den Antragsteller unter Wahrung der gemäß Art. 15 RL 2013/32/EU geltenden grundlegenden Bedingungen und Garantien selbst zu den Gründen anhören, die aus seiner Sicht einer Unzulässigkeit des Asylantrages entgegenstehen. Das Gericht muss dann aber auch die nach Art. 15 Abs. 2 RL 2013/32/EU zu gewährleistende angemessene Vertraulichkeit wahren (etwa im Rahmen eines Erörterungs- oder Beweistermins oder bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 171b GVG durch einen Ausschluss der Öffentlichkeit für die Dauer der Anhörung), sofern der Antragsteller nicht freiwillig, ausdrücklich und eindeutig auf die Vertraulichkeit verzichtet. Die Tatsache einer gesonderten persönlichen Anhörung und der Umstand, dass diese unter Beachtung der grundlegenden Bedingungen und Garantien des Art. 15 RL 2013/32/EU durchgeführt worden ist, müssen sich dann auch aus der Sitzungs- bzw. Terminniederschrift ergeben. Das Gericht ist zu dieser Verfahrensweise prozessrechtlich nicht verpflichtet, sondern nur mit Blick auf seine allgemeine Prozessförderungspflicht und den aus § 46 VwVfG folgenden Rechtsgedanken berechtigt. Soweit - wie hier - auch die Beklagte eine persönliche Anhörung während des gerichtlichen Verfahrens nicht aus eigenem Entschluss oder auf Hinweis des Gerichts nachgeholt und nach erkennbarer Überprüfung des angegriffenen Unzulässigkeitsbescheides an diesem festgehalten hat, ist der Unzulässigkeitsbescheid mit der Folge aufzuheben, dass das Bundesamt - nach nunmehr unionsrechtskonformer Anhörung - erneut über den Asylantrag zu entscheiden hat. Der von dem Kläger geltend gemachte, von der Beklagten bestrittene Übergang der Verantwortung für die Ausstellung des Reiseausweises für Flüchtlinge auf die Bundesrepublik Deutschland nach völkerrechtlichen Abkommen lässt das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht entfallen und berührt auch bei unterstelltem Verantwortungsübergang nicht deren Rechtmäßigkeit. Denn im Falle eines solchen Verantwortungsübergangs gilt der in dem Erststaat anerkannte Flüchtling allein kraft der Geltung der ausländischen Statusentscheidung im Bundesgebiet als Flüchtling. Er hat daher keinen Anspruch auf neuerliche Zuerkennung des Flüchtlingsstatus durch das Bundesamt. BVerwG 1 C 41.20 - Urteil vom 30. März 2021 Vorinstanzen: OVG Münster, 13 A 1490/13.A - Urteil vom 19. Mai 2016 - VG Minden, 10 K 1095/13.A - Urteil vom 15. April 2013 -","Urteil vom 30.03.2021 - BVerwG 1 C 41.20ECLI:DE:BVerwG:2021:300321U1C41.20.0 EN Rechtsfolgen einer unterlassenen persönlichen Anhörung im behördlichen Asylverfahren für das asylgerichtliche Verfahren Leitsätze: 1. Die Anwendung des § 46 VwVfG ist nur mit Art. 14 und Art. 34 RL 2013/32/EU vereinbar, sofern dem Ausländer im asylgerichtlichen Verfahren in einer die grundlegenden Bedingungen und Garantien im Sinne des Art. 15 RL 2013/32/EU wahrenden persönlichen Anhörung Gelegenheit gegeben worden ist, sämtliche gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung sprechenden Umstände vorzubringen, und auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens in der Sache keine andere Entscheidung ergehen kann (wie EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020 - C-517/17 [ECLI:EU:C:2020:579], Addis -). Gelangt das Gericht zu der Auffassung, dass dem Ausländer diese Gelegenheit im asylgerichtlichen Verfahren nicht garantiert worden ist oder werden kann, hat es die Unzulässigkeitsentscheidung aufzuheben (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020 - C-517/17, Addis - Rn. 73). 2. Es ist in das weite, nur eingeschränkt nachprüfbare Verfahrensermessen des Tatsachengerichts gestellt, ob es entweder dem Bundesamt innerhalb des asylgerichtlichen Verfahrens aufgibt, den Kläger persönlich anzuhören, eine Entscheidung über die Aufrechterhaltung der angegriffenen Entscheidung zu treffen und diese in das Verfahren einzuführen, oder die persönliche Anhörung des Klägers selbst nachholt oder den angegriffenen Bescheid des Bundesamts aufhebt und dem Bundesamt dadurch Gelegenheit gibt, nach Durchführung einer persönlichen Anhörung im Verwaltungsverfahren eine neuerliche Entscheidung über den Asylantrag zu treffen. 3. Übt das Gericht sein Ermessen dahingehend aus, die persönliche Anhörung des Klägers selbst vorzunehmen, so hat es diese Anhörung insbesondere gemäß Art. 15 Abs. 2 RL 2013/32/EU unter Bedingungen durchzuführen, die eine angemessene Vertraulichkeit nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich gewährleisten. 4. Die Tatsache einer gesonderten persönlichen Anhörung und der Umstand, dass diese unter Beachtung der grundlegenden Bedingungen und Garantien des Art. 15 RL 2013/32/EU durchgeführt worden ist, ist in der Sitzungs- bzw. Terminsniederschrift ausdrücklich festzuhalten. Rechtsquellen EATRR Art. 2 GRC Art. 4 RL 2013/32/EU Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Art. 15 Abs. 2 und 3, Art. 33 Abs. 2 Buchst. a, Art. 34 Abs. 1 AsylG § 24 Abs. 1 Satz 3, § 26a Abs. 1 Satz 1, § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 Satz 1, § 34a Abs. 1 Satz 1, § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG § 26a AufenthG § 60 Abs. 1 Satz 1, 2 und 3 GVG § 169 Abs. 1 Satz 1, § 171b Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 VwGO § 42 Abs. 1 Alt. 1, § 55 VwVfG § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 46, § 47 Abs. 1 Instanzenzug VG Minden - 15.04.2013 - AZ: 10 K 1095/13.A OVG Münster - 19.05.2016 - AZ: OVG 13 A 1490/13.A Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 30.03.2021 - 1 C 41.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:300321U1C41.20.0] Urteil BVerwG 1 C 41.20 VG Minden - 15.04.2013 - AZ: 10 K 1095/13.A OVG Münster - 19.05.2016 - AZ: OVG 13 A 1490/13.A In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 15. April 2013, soweit es nicht bereits aufgehoben ist, sowie das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. Mai 2016 geändert. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge der Beklagten vom 18. Februar 2013 wird auch zu Ziffer 1 aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen. Gründe I 1 Der Kläger, dem unter anderen Personalien in Italien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und ein bis Februar 2015 gültiger Reiseausweis für Flüchtlinge ausgestellt worden war, wendet sich gegen die ohne vorherige persönliche Anhörung mit Bescheid vom 18. Februar 2013 getroffene Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), ihm stehe aufgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zu. 2 Das Verwaltungsgericht hat die gegen diesen Bescheid erhobene Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die seitens des Bundesamts zugleich verfügte Abschiebungsanordnung nach Italien aufgehoben, die Berufung des Klägers im Übrigen aber zurückgewiesen. Die Feststellung sei rechtmäßig, weil dieser aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG in das Bundesgebiet eingereist sei. In Italien drohe ihm keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK. 3 Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht zur Klärung unter anderem der Frage der Vereinbarkeit der Unbeachtlichkeit des Unterbleibens einer persönlichen Anhörung mit der Richtlinie 2013/32/EU ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet. Auf dieses Ersuchen hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass die Art. 14 und 34 RL 2013/32/EU dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der eine Verletzung der Pflicht, der Person, die internationalen Schutz beantragt, vor dem Erlass einer Unzulässigkeitsentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU Gelegenheit zu einer persönlichen Anhörung zu geben, nicht zur Aufhebung dieser Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Asylbehörde führt, es sei denn, diese Regelung ermöglicht es dem Antragsteller, im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens in einer die gemäß Art. 15 RL 2013/32/EU geltenden grundlegenden Bedingungen und Garantien wahrenden Anhörung persönlich alle gegen die Entscheidung sprechenden Umstände vorzutragen, und trotz dieses Vorbringens kann keine andere Entscheidung ergehen. 4 Zur Begründung seiner Revision rügt der Kläger, das Bundesamt habe nicht von einer persönlichen Anhörung absehen dürfen. § 46 VwVfG finde keine Anwendung. Die Vertraulichkeit einer persönlichen Anhörung sei in der mündlichen Verhandlung infolge des Öffentlichkeitsgrundsatzes nicht zu gewährleisten. Im Übrigen sei seine Situation in Italien weder vor dem Verwaltungs- noch vor dem Oberverwaltungsgericht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Dessen ungeachtet sei die angegriffene Entscheidung auch infolge des Übergangs der Verantwortung nach dem Europäischen Übereinkommen über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16. Oktober 1980 (EATRR) aufzuheben. Ein solcher Übergang dürfe nicht dazu führen, dass ihm im Bundesgebiet nur ein Flüchtlingsstatus zweiter Klasse zuteilwerde. 5 Die Beklagte ist der Auffassung, der Asylantrag sei nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig. Die Nachholung der Anhörung des Klägers im Rechtsbehelfsverfahren sei garantiert. Die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung stehe dem Gebot der Vertraulichkeit der Umstände der Anhörung nicht entgegen. Das Europäische Übereinkommen über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16. Oktober 1980 werde von den Regelungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems überlagert. Dessen ungeachtet stehe der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ein allenfalls auf der Grundlage von Art. 2 Abs. 3 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 EATRR in Betracht zu nehmender Übergang der Verantwortung nicht entgegen. Für eine Zweitprüfung des Asylbegehrens bestehe gerade auch mit Blick auf die in den Art. 5 und 6 EATRR vorgesehenen Rechtsfolgen eines Verantwortungsübergangs kein Bedarf. Dies stelle auch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG klar. 6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat mitgeteilt, sich an dem Verfahren nicht zu beteiligen. II 7 Die Revision des Klägers hat Erfolg. Das angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Entscheidung des Bundesamts sei in Anwendung der nationalen Drittstaatenregelung rechtmäßig, verletzt § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht im Sinne des § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig dar, weil eine Umdeutung dieser Entscheidung in eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG wegen der Nichterfüllung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des § 29 Abs. 2 Satz 1 AsylG ausscheidet. Die Klage ist zulässig (1.) und begründet (2.). 8 1. Die Klage, die sich nur noch gegen die Feststellung richtet, dass dem Kläger aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht, ist als Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Diese Feststellung ist nach dem geltenden Recht als Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG anzusehen, die mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2020 - 1 C 34.19 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2020:​200520U1C34.19.0] - juris Rn. 10 m.w.N.). 9 Der Kläger verfügt zudem über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Dieses ist ihm ungeachtet der in diesem Zusammenhang nicht zu klärenden Frage, ob die Klage seine Rechtsstellung im Falle eines von ihm geltend gemachten Übergangs der Verantwortung für die Ausstellung des Reiseausweises für Flüchtlinge auf die Bundesrepublik Deutschland noch verbessern könnte, schon deshalb nicht abzusprechen, weil das Vorliegen der Voraussetzungen für einen solchen Verantwortungsübergang hier weder offenkundig noch unbestritten ist. 10 2. Die Klage ist auch begründet. Die vom Bundesamt mit der nationalen Drittstaatenregelung begründete Entscheidung ist rechtswidrig, weil sie von der dafür aktuell einschlägigen Rechtsgrundlage in § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG nicht gedeckt ist (2.1). Sie kann auch nicht in eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG umgedeutet werden, weil es an der Erfüllung der dafür erforderlichen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen fehlt (2.2). Einer solchen Unzulässigkeitsentscheidung stünde indes ein etwaiger Übergang der Verantwortung für die Ausstellung des Reiseausweises für Flüchtlinge nicht entgegen (2.3). 11 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens sind das Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 1 des am 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Neunundfünfzigsten Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen (StrÄndG 59) vom 9. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2075) und das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 10 des am 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie weiterer Gesetze vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2855). Rechtsänderungen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts eintreten, sind zu berücksichtigen, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Tatsachengericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es diese nunmehr träfe, die aktuelle Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 12). 12 2.1 Die von dem Bundesamt noch auf die (nationale) Drittstaatenregelung in § 26a AsylG gestützte Feststellung, dem Kläger stehe aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zu, ist rechtswidrig. Sie ist nach aktuellem Recht an der während des Berufungsverfahrens in Kraft getretenen Regelung des § 29 Abs. 1 Nr. 3 (i.V.m. § 26a) AsylG zu messen. Denn jedenfalls seit der Einfügung dieser Vorschrift kann ein Asylantrag im Hinblick auf einen sicheren Drittstaat nur noch im Wege einer Unzulässigkeitsentscheidung unter Beachtung der dort genannten Voraussetzungen abgelehnt werden. Die im Asylgesetz zuvor vorgesehene Möglichkeit, einen Asylantrag ""nur nach § 26a"" Asyl(Vf)G abzulehnen, indem (lediglich) festgestellt wurde, dass dem Antragsteller aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht (i.S.v. Art. 16a Abs. 1 GG) zusteht, und sodann ohne inhaltliche Prüfung des internationalen Schutzes eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Asyl(Vf)G erlassen wurde, ist durch die nunmehr in § 29 Abs. 1 Nr. 3 (i.V.m. § 26a) AsylG vorgesehene, den gesamten Asylantrag im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 1 AsylG erfassende Unzulässigkeitsentscheidung ersetzt worden (BVerwG, Urteile vom 21. April 2020 - 1 C 4.19 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2020:​210420U1C4.19.0] - NVwZ 2020, 1839 Rn. 16 und vom 17. Juni 2020 - 1 C 35.19 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2020:​170620U1C35.19.0] - InfAuslR 2020, 402 Rn. 11). 13 Nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wiederaufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil sicherer Drittstaat in diesem Sinne bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung nur ein Staat sein kann, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist (BVerwG, Urteile vom 21. April 2020 - 1 C 4.19 - NVwZ 2020, 1839 Rn. 18 ff. und vom 17. Juni 2020 - 1 C 35.19 - InfAuslR 2020, 402 Rn. 12, jeweils m.w.N.). 14 2.2 Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Zwar kann ein fehlerhafter und damit rechtswidriger Verwaltungsakt nach Maßgabe des § 47 VwVfG in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden (a); eine Umdeutung einer Drittstaatenentscheidung in eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG begegnet keinen grundsätzlichen Bedenken (b); indes hätte eine solche Unzulässigkeitsentscheidung von dem Bundesamt in der geschehenen Verfahrensweise nicht im Sinne des § 47 Abs. 1 VwVfG rechtmäßig erlassen werden können (c). 15 a) Eine rechtswidrige Unzulässigkeitsentscheidung unterliegt im gerichtlichen Verfahren nicht der Aufhebung, wenn sie im Wege der Umdeutung nach § 47 VwVfG durch eine andere - rechtmäßige - Regelung ersetzt werden kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. April 2020 - 1 C 4.19 - NVwZ 2020, 1839 Rn. 24 ff. m.w.N. und vom 17. Juni 2020 - 1 C 35.19 - InfAuslR 2020, 402 Rn. 19). Als Rechtsgrundlage für eine Unzulässigkeitsentscheidung kommt hier nur § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in Betracht. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz gewährt hat. 16 b) Grundsätzliche Bedenken gegen die Umdeutung einer Drittstaatenentscheidung in eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG bestehen nicht (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. April 2020 - 1 C 4.19 - NVwZ 2020, 1839 Rn. 29 ff. und vom 17. Juni 2020 - 1 C 35.19 - InfAuslR 2020, 402 Rn. 16 f., jeweils m.w.N.). Eine Umdeutung führte auch nicht dazu, dass sich der Rechtsstreit erledigt hätte, weil die angegriffene Verwaltungsentscheidung infolge der hier erfolgten Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. März 2013 unwirksam geworden wäre. Zwar werden nach § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG die Entscheidung des Bundesamts über die Unzulässigkeit des Antrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG und die Abschiebungsandrohung unwirksam, wenn das Verwaltungsgericht dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entspricht. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil der angegriffene Bescheid vom 18. Februar 2013, auf den sich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bezogen hat, die Feststellung des Nichtzustehens eines Asylrechts nach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG und eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG zum Gegenstand hat. Die Unwirksamkeitsregelung des § 37 Abs. 1 AsylG erfasst nur Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG, nicht hingegen auch Drittstaatenbescheide nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG (so bereits BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2017 - 1 C 26.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​270617B1C26.16.0] - Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- und Asylrecht Nr. 91 Rn. 28; ebenso BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2020 - 1 C 35.19 - InfAuslR 2020, 402 Rn. 10). Dem Einwand des Klägers, die Rechtsfolgen der Umdeutung müssten ""mitgenommen"" werden, ist entgegenzuhalten, dass eine - bis zum Revisionsverfahren nicht erfolgte - Umdeutung den Inhalt eines Verwaltungsakts nicht rückwirkend verändert. 17 c) Einer entsprechenden Umdeutung in eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG steht hier indes entgegen, dass die nach § 47 Abs. 1 VwVfG a.E. zu beachtenden verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht erfüllt sind (aa) und dieser einer Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 VwVfG auch zwischenzeitlich nicht zugeführte (bb) Verfahrensmangel nicht nach § 46 VwVfG unbeachtlich ist (cc). 18 aa) Gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 RL 2013/32/EU ist dem Antragsteller, bevor die Asylbehörde eine Entscheidung trifft, Gelegenheit zu einer persönlichen Anhörung zu seinem Antrag auf internationalen Schutz durch einen nach nationalem Recht für die Durchführung einer solchen Anhörung zuständigen Bediensteten zu geben. Nach Art. 34 Abs. 1 RL 2013/32/EU ist dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, sich zu der Anwendung der Gründe nach Art. 33 RL 2013/32/EU in seinem besonderen Fall zu äußern, bevor die Asylbehörde über die Zulässigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz entscheidet. Hierzu führen die Mitgliedstaaten im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung eine persönliche Anhörung durch. In Umsetzung dieser Regelung sieht § 29 Abs. 2 Satz 1 AsylG vor, dass das Bundesamt den Ausländer zu den Gründen nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b bis Nr. 4 AsylG persönlich anhört, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet (BVerwG, Urteil vom 21. April 2020 - 1 C 4.19 - NVwZ 2020, 1839 Rn. 32). Entgegen § 29 Abs. 2 Satz 1 AsylG wurde der Kläger hier zu dem Ergehen einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG im Verwaltungsverfahren nicht persönlich angehört. 19 bb) Dieser Verfahrensfehler ist nicht nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 VwVfG im asylgerichtlichen Verfahren bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz geheilt worden. Eine solche Heilung kann nach nationalem Recht - auch während des gerichtlichen Verfahrens - nur durch die Behörde selbst erfolgen; diese muss die Anhörung nachträglich durchführen und ihre getroffene Entscheidung im Lichte des Ergebnisses der Anhörung kritisch überdenken (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 7 C 5.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​171215U7C5.14.0] - BVerwGE 153, 367 Rn. 17 m.w.N.). Dass dies geschehen wäre, ist weder vom Berufungsgericht festgestellt noch von der Beklagten geltend gemacht worden. Allein die Gelegenheit zum schriftlichen Vortrag der Schutzgründe im asylgerichtlichen Verfahren oder die Pflicht der Asylbehörde und des Gerichts, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, vermögen die Verletzung der Pflicht zur persönlichen Anhörung nicht zu heilen (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020 - C-517/17 [ECLI:​EU:​C:​2020:​579], Addis - Rn. 71). 20 cc) Das Unterbleiben der persönlichen Anhörung des Klägers ist auch nicht nach § 46 VwVfG unbeachtlich. Zwar ist die Norm dem Grunde nach anwendbar ((1)) und sind ihre Voraussetzungen erfüllt ((2)); ihre Anwendung im vorliegenden Verfahren stünde indes mit Unionsrecht nicht im Einklang ((3)). 21 (1) Die Umdeutung ist dazu zu dienen bestimmt, aus Gründen der Verfahrensökonomie die Durchführung eines weiteren Verwaltungsverfahrens entbehrlich zu machen und den Bestand des fehlerhaften Verwaltungsakts zu sichern (vgl. BT-Drs. 7/910 S. 66). Zu diesem Zweck legitimiert sie die Änderung des Regelungsgehalts des fehlerhaften Verwaltungsakts. Im Lichte der verfahrensökonomischen Zielsetzung des § 47 VwVfG ist es konsequent, dass die Unbeachtlichkeit der nicht beachteten Verfahrensvorgabe die Aufhebbarkeit auch hinsichtlich des umgedeuteten Verwaltungsakts entfallen lässt (in diesem Sinne Schemmer, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand: 1. Januar 2021, § 47 Rn. 26; Kothe, in: Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand: 1. Januar 2021, § 47 VwVfG Rn. 6; Schulz, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2019, § 47 Rn. 44; Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Aufl. 2020, § 47 Rn. 8; a.A. mit Blick auf die trotz Unbeachtlichkeit verbleibende formelle Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 47 Rn. 20; ebenso Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 47 Rn. 40). 22 (2) Nach § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Diese Voraussetzung - offensichtlich fehlende Kausalität des Verfahrensfehlers für die Sachentscheidung - kann nach der Auslegung der einschlägigen unionsrechtlichen Vorgaben durch den Gerichtshof der Europäischen Union hier nicht festgestellt werden. 23 (a) Zwar ist bei gebundenen Entscheidungen, zu denen auch die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zählt, nach nationalem Recht grundsätzlich davon auszugehen, dass sich ein Anhörungsmangel im Ergebnis nicht auswirken kann (vgl. BVerwG, Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 27. Juni 2017 - 1 C 26.16 - Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- und Asylrecht Nr. 91 Rn. 42). Der nach der Richtlinie 2013/32/EU vorgeschriebenen persönlichen Anhörung durch die Behörde darf jedoch in Umsetzung der vom Senat eingeholten Vorabentscheidung des Gerichtshofs die potentielle Ergebnisrelevanz nicht abgesprochen werden (vgl. zum teilweise höheren Eigenwert des Verfahrensrechts im Unionsrecht auch Emmenegger, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 46 Rn. 84 f.). Dies hat der Gerichtshof im Einzelnen wie folgt begründet und konkretisiert: 24 Unionsrechtlich darf von einem im nationalen Recht geregelten Ausschluss des Aufhebungsanspruchs wegen Unbeachtlichkeit nur Gebrauch gemacht werden, wenn und soweit dies die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte - hier des Rechts auf persönliche Anhörung - nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert (Effektivitätsgrundsatz) (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020 - C-517/17, Addis - Rn. 57). 25 Während § 46 VwVfG nicht im Konflikt mit dem Äquivalenzgrundsatz steht, da er auch in vergleichbaren allein nach nationalem Recht zu beurteilenden Fallgestaltungen Anwendung findet (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020 - C-517/17, Addis - Rn. 58), ist für die Beurteilung der Vereinbarkeit der Anwendung des § 46 VwVfG mit dem Effektivitätsgrundsatz die grundlegende Bedeutung zu beachten, die die Richtliniengeber der persönlichen Anhörung durch die mit besonderen Mitteln und Fachpersonal ausgestatteten Asylbehörde, aber auch der Wahrung der diesbezüglichen spezifischen Bedingungen und Garantien des Art. 15 Abs. 2 und 3 RL 2013/32/EU für ein faires und rechtsstaatliches Asylverfahren beimessen (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020 - C-517/17, Addis - Rn. 59, 61 und 64 ff.). Mit der praktischen Wirksamkeit der Art. 14, 15 und 34 RL 2013/32/EU wäre es unvereinbar, wenn eine von der Asylbehörde unter Verletzung der Pflicht, dem Ausländer Gelegenheit zu einer persönlichen Anhörung zu seinem Antrag auf internationalen Schutz zu geben, erlassene Entscheidung im asylgerichtlichen Verfahren bestätigt werden könnte, ohne dass das Verwaltungsgericht den Antragsteller unter Wahrung der im Einzelfall anwendbaren grundlegenden Bedingungen und Garantien zu seinem Schutzantrag anhört (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020 - C-517/17, Addis - Rn. 68). Die Anwendung des § 46 VwVfG ist daher nur mit Art. 14 und Art. 34 RL 2013/32/EU vereinbar, sofern dem Ausländer im asylgerichtlichen Verfahren in einer die grundlegenden Bedingungen und Garantien im Sinne des Art. 15 RL 2013/32/EU wahrenden persönlichen Anhörung Gelegenheit gegeben worden ist, sämtliche gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung sprechenden Umstände vorzubringen, und auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens in der Sache keine andere Entscheidung ergehen kann (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020 - C-517/17, Addis - Rn. 74). Gelangt das Gericht zu der Auffassung, dass dem Ausländer diese Gelegenheit im asylgerichtlichen Verfahren nicht garantiert worden ist oder werden kann, hat es die Unzulässigkeitsentscheidung aufzuheben (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020 - C-517/17, Addis - Rn. 73). Die Fragen, welche der grundlegenden Bedingungen und Garantien des Art. 15 RL 2013/32/EU auf einen Ausländer anzuwenden sind (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020 - C-517/17, Addis - Rn. 67 f.) und ob diese beachtet wurden, sind im Lichte einer Würdigung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalles zu beantworten. 26 (b) Es ist in das weite, nur eingeschränkt nachprüfbare Verfahrensermessen des Tatsachengerichts gestellt, ob es entweder dem Bundesamt innerhalb des asylgerichtlichen Verfahrens aufgibt, den Kläger persönlich anzuhören, eine Entscheidung über die Aufrechterhaltung der angegriffenen Entscheidung zu treffen und diese in das Verfahren einzuführen, oder die persönliche Anhörung des Klägers selbst nachholt oder den angegriffenen Bescheid des Bundesamts aufhebt und dem Bundesamt dadurch Gelegenheit gibt, nach Durchführung einer persönlichen Anhörung im Verwaltungsverfahren eine neuerliche Entscheidung über den Asylantrag zu treffen. Bei der pflichtgemäßen Ausübung seines Ermessens hat das Gericht die im Asylverfahren geltende Konzentrations- und Beschleunigungsmaxime wie auch die Verfahrensökonomie in den Blick zu nehmen und insbesondere die bisherige Verfahrensdauer, aber auch einen gegebenenfalls zu erwartenden gesteigerten Sachaufklärungsbedarf zu berücksichtigen. 27 Übt das Gericht sein Ermessen dahingehend aus, die persönliche Anhörung des Klägers selbst vorzunehmen, so hat es diese Anhörung insbesondere gemäß Art. 15 Abs. 2 RL 2013/32/EU unter Bedingungen durchzuführen, die eine angemessene Vertraulichkeit nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich gewährleisten. Diese angemessene Vertraulichkeit ist gewährleistet, wenn die persönliche Anhörung im Rahmen sei es eines der mündlichen Verhandlung vorausgehenden Erörterungstermins im Sinne des § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO, sei es einer vor der mündlichen Verhandlung durchgeführten Beweiserhebung durch Vernehmung des beteiligten Klägers durch den beauftragten Richter nach § 96 Abs. 2 VwGO (vgl. zum Einzelrichter Schübel-Pfister, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 96 Rn. 2; Lang, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 96 Rn. 11) vorgenommen wird. Diese Termine sind nicht öffentlich, da der Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens gemäß § 55 VwGO i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG nur für die mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Gericht gilt (BVerwG, Beschluss vom 8. September 1988 - 9 CB 38.88 - Buchholz 301 § 133 VwGO Nr. 82 S. 21). Die angemessene Vertraulichkeit ist aber auch dann gewahrt, wenn das Gericht die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung ausschließt. § 55 VwGO i.V.m. § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG stellt diesen Ausschluss in das Ermessen des Gerichts, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten konkret absehbar (BGH, Urteil vom 18. September 1981 - 2 StR 370/81 - NJW 1982, 59) zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. Ein schutzwürdiges Diskretionsinteresse ist etwa anzuerkennen bei Angelegenheiten aus dem privaten Lebensbereich, die außenstehenden Dritten nicht ohne Weiteres zugänglich sind und durch deren öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen des Klägers verletzt würden (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1981 - 2 StR 370/81 - NJW 1982, 59). Dazu gehören insbesondere das Familien-, Beziehungs- und Sexualleben, der Gesundheitszustand sowie weltanschauliche, religiöse und politische Einstellungen, mithin Umstände, die unbeteiligten Dritten nicht ohne Weiteres zugänglich sind und Schutz vor dem Einblick Außenstehender verdienen (Allgayer, in: Graf, BeckOK GVG, Stand: 15. Februar 2021, § 171b Rn. 2). Ein Ausschluss der Öffentlichkeit scheidet nach § 55 VwGO i.V.m. § 171b Abs. 1 Satz 2 GVG aus, wenn das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die grundlegende Bedeutung, die der Vertraulichkeit der persönlichen Anhörung zukommt (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020 - C-517/17, Addis - Rn. 65 f.), rechtfertigt in der Regel das Zurücktreten des Schutzgutes der öffentlichen Kontrolle der Gerichte (BVerwG, Beschluss vom 6. März 2019 - 6 B 135.18 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​060319B6B135.18.0] - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 232 Rn. 50) für die Dauer der Nachholung der persönlichen Anhörung im asylgerichtlichen Verfahren. Die Öffentlichkeit ist nach § 55 VwGO i.V.m. § 171b Abs. 3 Satz 1 GVG zwingend auszuschließen, wenn die Voraussetzungen des § 171b Abs. 1 GVG vorliegen und der Kläger dies beantragt. Dem Kläger bleibt es unbenommen, auf die Vertraulichkeit freiwillig, ausdrücklich und eindeutig zu verzichten oder gemäß § 55 VwGO i.V.m. § 171b Abs. 4 GVG einer gerichtlichen Anordnung des Ausschlusses der Öffentlichkeit zu widersprechen. Die Tatsache einer gesonderten persönlichen Anhörung und der Umstand, dass diese unter Beachtung der grundlegenden Bedingungen und Garantien des Art. 15 RL 2013/32/EU durchgeführt worden ist, ist in der Sitzungs- bzw. Terminsniederschrift ausdrücklich festzuhalten. 28 (c) Im Streitfall sind die vorstehend dargelegten Voraussetzungen, unter denen eine Anwendung des § 46 VwVfG nur in Betracht kommt, nicht erfüllt. 29 Den Niederschriften über die öffentlichen Sitzungen des Verwaltungsgerichts vom 15. April 2013 und des Oberverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2016 ist nicht zu entnehmen, dass dem Kläger im asylgerichtlichen Verfahren in einer die gemäß Art. 15 RL 2013/32/EU geltenden grundlegenden Bedingungen und Garantien wahrenden persönlichen Anhörung Gelegenheit gegeben worden ist, persönlich sämtliche gegen die Entscheidung sprechenden Umstände vorzutragen. Die bloße Möglichkeit des in den mündlichen Verhandlungen jeweils anwesenden Klägers, aus eigener Initiative das Wort zu ergreifen, die unterstellt werden kann, erfüllt die - weitergehenden - Anforderungen an eine persönliche Anhörung ebenso wenig wie eine tatsächliche Abwesenheit von Zuhörern deren Vertraulichkeit sicherte. Daher ist der angegriffene Bescheid aufzuheben und dem Bundesamt Gelegenheit zu geben, über den Asylantrag des Klägers - nach nunmehr unionsrechtskonformer Anhörung - erneut über den Asylantrag zu entscheiden. 30 2.3 In materieller Hinsicht weist der Senat ergänzend darauf hin, dass einer Ablehnung des Asylantrags auf der Grundlage von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ein - hier von dem Kläger geltend gemachter und von der Beklagten bestrittener - Übergang der Verantwortung für die Ausstellung des Reiseausweises für Flüchtlinge auf die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage von Art. 2 des Europäischen Übereinkommens über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16. Oktober 1980 ), welches den in Art. 28 i.V.m. § 11 des Anhangs des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (im Folgenden: GK) vorgesehenen Übergang der Verantwortung konkretisiert, nicht entgegenstünde. Ein entsprechender Verantwortungsübergang ließe die Rechtmäßigkeit einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vielmehr unberührt. 31 § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG liegt die Erwägung zugrunde, dass es infolge der Schutzgewährung durch den zuständigen Mitgliedstaat einer neuerlichen Sachentscheidung über den im Bundesgebiet gestellten Asylantrag nicht bedarf. Die Norm beruht wie Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU auf der Prämisse, dass der andere Mitgliedstaat weiterhin oder erneut der für den Flüchtling verantwortliche Mitgliedstaat ist und diesem in Ausübung seiner Verantwortung Schutz gewährt. Von dieser Prämisse auszugehen ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn erwiesen ist, dass die Behandlung international Schutzberechtigter in dem anderen Mitgliedstaat ausnahmsweise nicht in Einklang mit den Anforderungen der Grundrechte-Charta steht (EuGH, Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2019:​964], Hamed, Omar - Rn. 41). Drohte dem Flüchtling im Falle einer Überstellung in den anderen Mitgliedstaat die ernsthafte Gefahr, eine gegen Art. 4 GRC verstoßende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren, so bedarf es der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens im Bundesgebiet, um sicherzustellen, dass der Ausländer die Flüchtlingseigenschaft und die mit diesem Status verbundenen Rechte auch im Bundesgebiet in Anspruch nehmen kann (EuGH, Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 u.a., Hamed, Omar - Rn. 42). 32 Im Unterschied zu den Fällen einer drohenden Gefahr im Sinne des Art. 4 GRC bedarf es der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens im Bundesgebiet in den Fällen des Übergangs der Verantwortung für den Flüchtling nach dem Europäischen Übereinkommen über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge nicht. Zwar verleiht die Genfer Konvention Flüchtlingen einen im Wesentlichen nationalen, nicht hingegen einen in allen Konventionsstaaten wirksamen internationalen Flüchtlingsstatus (BVerwG, Urteil vom 29. April 1971 - 1 C 42.67 - BVerwGE 38, 87 <89 f.>) und ist ein Staat an die Zuerkennungsentscheidung eines anderen Staates weder völkerrechtlich (BVerfG, Beschluss vom 14. November 1979 - 1 BvR 654/79 - BVerfGE 52, 391 <404>) noch unionsrechtlich gebunden (Dörig, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Ed. 2016, Art. 1 RL 2011/95/EU Rn. 2), weshalb die Bundesrepublik Deutschland der Zuerkennungsentscheidung eines anderen Staates auch nur in begrenztem Umfang Rechtswirkungen im Bundesgebiet beimisst (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 AufenthG). Mit dem Übergang der Verantwortung für die Ausstellung des Reiseausweises geht indes auch die Verantwortung für den Flüchtling selbst von dem Staat, der diesem die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, auf den Staat, in dem sich der Flüchtling rechtmäßig niedergelassen hat, dergestalt über, dass die statusrechtliche Zuerkennungsentscheidung jenes Staates auch in diesem Staat Geltung beansprucht (BT-Drs. 13/4948 S. 11). Nach § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, der die Fälle des § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG von einem Asylverfahren ausnimmt, besteht kein Anspruch auf neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Ein dessen ungeachtet gestellter Antrag ist im Einklang mit Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG grundsätzlich unzulässig (BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 29). 33 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert für das Revisionsverfahren in Höhe von 5 000 € ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor." bverwg_2021-22,01.04.2021,"Pressemitteilung Nr. 22/2021 vom 01.04.2021 EN Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zur Verfassungsmäßigkeit der Anrechnung ausländischer Zahlungen auf die Conterganrente Die Regelung des Conterganstiftungsgesetzes (ContStifG), wonach auf die nach diesem Gesetz zu gewährende Kapitalentschädigung und Conterganrente Zahlungen angerechnet werden, die wegen der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate von Anderen, insbesondere von ausländischen Staaten, geleistet werden (§ 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG) verstößt nach Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG). Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat deshalb beschlossen, dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Vereinbarkeit der Anrechnungsregelung mit den genannten Bestimmungen des Grundgesetzes zur Entscheidung vorzulegen. Der 1962 geborene Kläger lebt in der Republik Irland, deren Staatsangehöriger er ist. Er hat verschiedene körperliche Schädigungen erlitten, weil seine Mutter während der Schwangerschaft ein thalidomidhaltiges Präparat der G. GmbH eingenommen hatte. Seit Oktober 1972 bezieht er deshalb u.a. laufende monatliche Geldzahlungen (Conterganrente) nach dem Gesetz zur Errichtung der Stiftung ""Hilfswerk für behinderte Kinder"" (Stiftungsgesetz), das durch das Conterganstiftungsgesetz abgelöst wurde. Seit Januar 2013 betrug diese 3 686 Euro. Außerdem erhält er wegen seiner thalidomidbedingten Schädigungen vom irischen Staat monatlich 1 109 Euro. Diesen Betrag rechnet die beklagte Stiftung seit August 2013 unter Verweis auf § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG an und zieht ihn von der dem Kläger zustehenden Conterganrente ab. Durch das Stiftungsgesetz waren die privatrechtlichen Haftungsansprüche der Geschädigten aus einem 1970 geschlossenen Vergleich mit der Firma Grünenthal in Ansprüche gegen die öffentlich-rechtliche Stiftung umgewandelt worden. Von den über 2 500 Leistungsempfängern lebt etwa ein Zehntel im Ausland. Davon erhält nur ein Teil allein an die Thalidomidschädigung anknüpfende Leistungen des jeweiligen ausländischen Staates. Die gegen die Anrechnung gerichtete Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Die Anrechnungsregelung, die nach ihrer rechtlichen Zielsetzung Zahlungen ausländischer Staaten erfasst und in ihren tatsächlichen Auswirkungen allein den Teil der ausländischen Geschädigten betrifft, der solche Leistungen bezieht, verstößt nach Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Ungleichbehandlung, die darin liegt, dass die genannte Personengruppe die Conterganrente nur in verminderter Höhe erhält, ist sachlich nicht gerechtfertigt, weil sie unverhältnismäßig ist. Erklärtes gesetzgeberisches Ziel der Anrechnung ist die Vermeidung von Besserstellungen durch Doppelleistungen derjenigen ausländischen Berechtigten, die wegen der Einnahme von thalidomidhaltigen Präparaten neben der Conterganrente Zahlungen von Anderen erhalten. Hierzu ist die Anrechnung jedoch weder geeignet noch angemessen, weil bereits nicht erkennbar ist, dass sie dieses Ziel erreichen kann. Sie berücksichtigt nicht Art und Umfang der den Betroffenen in den unterschiedlichen Staaten gewährten allgemeinen Sozialleistungen, ohne die die Gesamtsituation der Betroffenen nicht beurteilt und deshalb eine ""Besserstellung"" der ausländischen Geschädigten durch Leistungen Anderer nicht sachgerecht belegt werden kann. Zudem sind die Conterganrente und die Leistungen der ausländischen Staaten nicht vergleichbar, weil sie unterschiedliche Zwecke verfolgen und sich deshalb kategorial unterscheiden. Während die Conterganrente die ursprünglich wegen der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate bestehenden privatrechtlichen Haftungsansprüche fortführt, fehlt ein solcher Zusammenhang bei den allein aus Fürsorgegründen erbrachten Zahlungen ausländischer Staaten, die gerade nicht aufgrund einer staatlich übernommenen haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit gewährt werden. Zudem verstößt die Anrechnungsregelung gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG). Ansprüche nach dem Conterganstiftungsgesetz genießen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon im Hinblick auf ihren Entstehungsgrund den Schutz der Eigentumsgarantie. Die Anrechnungsregelung stellt eine unzulässige, weil jedenfalls nicht gleichheitsgerechte Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar. Weil das Bundesverwaltungsgericht als Fachgericht nicht befugt ist, die Verfassungswidrigkeit eines Parlamentsgesetzes selbst festzustellen, hat es das Verfahren ausgesetzt und die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.   BVerwG 5 C 2.20 - Beschluss vom 31. März 2021 Vorinstanzen: OVG Münster, 16 A 44/16 - Urteil vom 02. Juli 2019 - VG Köln, 7 K 7211/13 - Urteil vom 03. November 2015 -","BVerwG, Beschluss vom 31.03.2021 - Aktenzeichen 5 C 2.20 DRsp Nr. 2021/11548 Verfassungswidrigkeit einer Kürzung der Conterganrente für bestimmte ausländische Berechtigte Die durch § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG statuierte Anrechnungsregelung, die zu einer Kürzung der Conterganrente für bestimmte ausländische Berechtigte führt, ist verfassungswidrig, weil sie unverhältnismäßig und gleichheitswidrig in die eigentumsrechtlich geschützte Rechtsposition der von ihr betroffenen thalidomidgeschädigten Menschen eingreift. Tenor Das Verfahren wird ausgesetzt. Dem Bundesverfassungsgericht wird gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 15 Abs. 2 Satz 2 des Conterganstiftungsgesetzes in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1847 ) und in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 21. Februar 2017 (BGBl. I S. 263 ) mit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist. Normenkette: ContStifG § 15 Abs. 2 S. 2; Gründe I Der [...] geborene Kläger ist irischer Staatsangehöriger und lebt in der Republik Irland. Er ist als Thalidomidgeschädigter anerkannt (49,60 Schadenspunkte nach der medizinischen Punktetabelle) und erhält seit Oktober 1972 Leistungen aufgrund des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung ""Hilfswerk für behinderte Kinder"" vom 17. Dezember 1971 (Stiftungsgesetz) und des diesem nachfolgenden Gesetzes über die Conterganstiftung für behinderte Menschen (Conterganstiftungsgesetz - ContStifG). Des Weiteren erhält der Kläger nach dem Irish Thalidomide Compensation Scheme vom irischen Staat einen monatlich geleisteten Betrag, der im hier relevanten Zeitraum ab August 2013 1 109 Euro betrug. Nach Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1847 ) stand dem Kläger nach § 13 dieses Gesetzes eine monatliche Conterganrente in Höhe von 3 686 Euro zu. Mit Bescheid vom 29. Juli 2013 rechnete die Beklagte darauf unter Hinweis auf die mit der Gesetzesänderung eingeführte Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG ab August 2013 die monatliche Zahlung des irischen Staates in Höhe von 1 109 Euro an und setzte für die Zeit ab dem 1. September 2013 einen monatlichen Auszahlungsbetrag der Conterganrente in Höhe von 2 577 Euro fest. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG werden auf die Kapitalentschädigung und die Conterganrente Zahlungen angerechnet, die wegen der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate von Anderen, insbesondere ausländischen Staaten, geleistet werden. Den vom Kläger gegen den vorgenannten Bescheid eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2013 zurück. Die hiergegen mit dem Ziel erhobene Klage, die Conterganrente ohne die Anrechnung der irischen Zahlung zu erhalten, blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist die Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG weder unionsrechtlich noch verfassungsrechtlich zu beanstanden. Eine kollidierende Vorschrift des Unionsrechts, die zur Nichtanwendbarkeit der gesetzlichen Anrechnungsregelung führen könne, liege nicht vor. Das Conterganstiftungsrecht sei keine Angelegenheit der Europäischen Union und falle daher nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts, sodass ein Verstoß gegen Art. 21 Abs. 2 der Grundrechte-Charta oder gegen Art. 18 Abs. 1 AEUV bereits deswegen ausscheide. Darüber hinaus enthalte § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG weder eine offene noch eine unzulässige verdeckte Diskriminierung. Die Vorschrift verstoße entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht gegen das Grundgesetz . Der Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG garantiere keine bestimmte Höhe der zu zahlenden Conterganrente. Die Anrechnungsregelung stelle eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung dar, mit der der Gesetzgeber zur Vermeidung einer Besserstellung bestimmter Thalidomidgeschädigter gegenüber anderen einen legitimen Zweck in verhältnismäßiger Weise verfolge. In Bezug auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestünden ebenfalls keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG bewirke keine Ungleichbehandlung, sondern eine Gleichbehandlung aller Bezieher der von der Beklagten gezahlten Conterganrenten. Die hierfür als notwendiger Zwischenschritt stattfindende, vom Kläger angegriffene faktische Ungleichbehandlung in Form der Anrechnung der vom irischen Staat geleisteten Zahlung sei eine Ungleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte, die keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. Es könne dahinstehen, ob bzw. inwieweit eine Differenz tatsächlich bestehe, soweit der Kläger geltend mache, dass im Ergebnis überhaupt keine Gleichbehandlung erfolge, weil die unterschiedlichen Ausgestaltungen der deutschen Sozialleistungs- und Sozialversicherungssysteme (einschließlich von Nichtanrechnungsvorschriften wie § 18 Abs. 2 ContStifG) einerseits und der irischen Sozialleistungs- und Sozialversicherungssysteme andererseits dazu führten, dass deutsche Contergangeschädigte insgesamt über erheblich mehr Mittel und Vergünstigungen verfügten als irische Geschädigte. Denn selbst bei der Annahme einer solchen Differenz sei kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG anzunehmen. So sei der deutsche Gesetzgeber nicht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen durch zwei unterschiedliche Normgeber verpflichtet. Er müsse nicht innerhalb eines Sachbereichs dieselben Regelungen erlassen wie ein anderer Normgeber. Der allgemeine Gleichheitssatz gebiete nicht, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen mit anderen systematischen und sozialgeschichtlichen Zusammenhängen gleich zu regeln. Des Weiteren verdeutlichten die kaum zu überwindenden Probleme, die mit einer zutreffenden Ermittlung der sich aus den vielfältigen Sozialleistungs- und Sozialversicherungsregelungen aller Staaten, in denen Zahlungen und Vergünstigungen an Contergangeschädigte gewährt würden, verbunden wären, dass der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht gehalten gewesen sei, vor der Einführung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG eine solche Ermittlung, die überdies im Laufe der Zeit regelmäßig zu aktualisieren wäre, durchzuführen bzw. der Beklagten eine entsprechende umfassende Ermittlungspflicht aufzuerlegen. Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt. Er rügt insbesondere eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes. Die Ungleichbehandlung liege darin, dass er eine niedrigere Conterganrente ausbezahlt erhalte als andere Thalidomidgeschädigte mit gleicher Schadenspunktzahl. Die Ungleichbehandlung sei nicht zur Vermeidung einer vermeintlichen Besserstellung gerechtfertigt. Denn das Conterganstiftungsgesetz und seine Leistungen seien als Ganzes zu bewerten und es seien demzufolge auch durch das Conterganstiftungsgesetz im Verhältnis zu anderen Menschen mit Behinderungen begründete Privilegierungen im deutschen Sozialsystem zu berücksichtigen. Die in § 18 Abs. 1 und 2 ContStifG enthaltenen Regelungen kämen ausschließlich in Deutschland lebenden Thalidomidgeschädigten zugute. Wenn man diese im Conterganstiftungsgesetz selbst angelegte Privilegierung als Ausdruck des zulässigen gesetzgeberischen Handelns bei der Ausformung einer Leistung sui generis in Deutschland akzeptiere, sei es allerdings unverhältnismäßig, die irische schadensabhängig pauschalierte ergänzende Leistung, die einer Unterversorgung begegnen solle, als ""Doppelleistung"" abzuschöpfen. Im Unterschied zu den Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz, die als Leistung sui generis im Kern den zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch der Geschädigten gegen die Firma Grünenthal GmbH abgelöst und durch einen Anspruch gegen den Staat ersetzt hätten, erscheine die Leistung des irischen Staates nicht als Schadensersatz, da der irische Staat weder Anlass noch Motivation für die Leistung eines Schadensersatzes gehabt habe. Vielmehr sei diese als eine die Leistungen des Conterganstiftungsgesetzes ergänzende Art von Sozialleistung einzuordnen, die der irische Staat für seine durch die Thalidomideinnahme in Not geratenen Bürgerinnen und Bürger eingeführt habe, zumal das irische Sozialleistungssystem auf solch große Schädigungswellen weitaus schlechter eingestellt sei. Der Sache nach handele es sich daher hier unter dem scheinbar einleuchtenden Begriff der Verhinderung von bevorzugenden Doppelleistungen um eine Abschöpfung von irischen Sozialleistungen für eine besonders hart betroffene Gruppe von Menschen mit Behinderungen, die keineswegs eine doppelte Leistung erhielten, sondern dieselbe einfache Leistung wie deutsche Contergangeschädigte plus eine zwar auch pauschaliert ausbezahlte, aber anders zielgerichtete Leistung, mit der sie ihre trotz der durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes erhöhten Conterganrente nach wie vor unzureichende Versorgung etwas verbessern könnten. Ferner rügt der Kläger aus den vorgenannten Gründen eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG und hält darüber hinaus seinen vorinstanzlichen Vortrag aufrecht, dass eine unzulässige mittelbare Diskriminierung und ein Verstoß gegen Art. 21 Abs. 2 der Grundrechte-Charta bzw. gegen Art. 18 Abs. 1 AEUV vorliege. Der Kläger beantragt, die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli 2019 und des Verwaltungsgerichts Köln vom 3. November 2015 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 29. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2013 zu verpflichten, die Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz ohne Anrechnung der Leistungen des irischen Staates nach dem ""lrish Thalidomide Compensation Scheme"" festzusetzen. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts. Dabei hält sie insbesondere eine Gesamtbetrachtung der durch das Conterganstiftungsgesetz geregelten Ansprüche nicht für geboten und verweist darauf, dass die deutliche Erhöhung der Conterganrente durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes die fragliche Anrechnung rechtfertige, zumal dem Kläger auch nach Anrechnung der irischen Zahlung insgesamt ein Betrag in Höhe der ungekürzten Conterganrente zur Verfügung stehe. Ferner vertritt die Beklagte die Auffassung, dass die Stiftungsleistungen mittlerweile über das von der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG Geforderte hinausgingen und -soweit dies der Fall sei - hiervon nicht erfasst würden. II Das Verfahren ist gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen, um dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 15 Abs. 2 Satz 2 des Conterganstiftungsgesetzes in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1847 ) und in der im Text gleichlautenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 21. Februar 2017 (BGBl. I S. 263 ) mit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG werden auf die nach dem Conterganstiftungsgesetz erbrachte Kapitalentschädigung und die Conterganrente Zahlungen angerechnet, die wegen der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate von Anderen, insbesondere von ausländischen Staaten, geleistet werden. Auf die Gültigkeit dieser Vorschrift kommt es für die Entscheidung des Senats über die Revision des Klägers an (1.). Der Senat ist davon überzeugt, dass § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG sowohl mit Art. 14 Abs. 1 GG (2.) als auch mit Art. 3 Abs. 1 GG (3.) unvereinbar ist. Eine verfassungskonforme Auslegung der Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG ist nicht möglich (4.). 1. § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG ist für die Entscheidung über den Ausgangsrechtsstreit entscheidungserheblich im Sinne von Art. 100 Abs. 1 GG , § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG . Die Vorschrift ist im Ausgangsfall in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1847 ), durch das sie mit Wirkung vom 1. August 2013 eingeführt worden ist, anzuwenden. Da es sich bei dem streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 2013 (in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2013) um einen sogenannten Dauerverwaltungsakt handelt, der eine Regelung für einen zeitlich nicht befristeten Zeitraum trifft, ist die Vorschrift ferner anwendbar in der Fassung von Art. 1 Nr. 7 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 21. Februar 2017 (BGBl. I S. 263 ). Hierdurch wurde (lediglich) die ursprüngliche Überschrift der Norm (""Sonderreglung für Auslandsfälle"") geändert in ""Verzicht, Anrechnung von Zahlungen Dritter"". Auf der Grundlage des im Wege der Gesetzesauslegung ermittelten gesetzlichen Anwendungsbereichs des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG (a) ist diese Anrechnungsregelung im Ausgangsfall einschlägig (b), ohne dass ihrer Anwendbarkeit unionsrechtliche Bestimmungen entgegenstehen (c). a) Die Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG stellt sich hinsichtlich ihrer Tatbestandsvoraussetzungen, ihrer Rechtsfolge und ihres rechtstatsächlichen Anwendungsbereichs wie folgt dar: aa) Tatbestandlich setzt § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG voraus, dass an Berechtigte, die bestimmte Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz (Kapitalentschädigung und/oder Conterganrente) erhalten ((1)), zugleich Zahlungen wegen der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate von Anderen, insbesondere von ausländischen Staaten, geleistet werden ((2)). (1) Aus der Bezugnahme der Anrechnungsregelung auf die Kapitalentschädigung und die Conterganrente folgt, dass die Vorschrift Leistungsberechtigte nach § 12 Abs. 1 ContStifG erfasst, also Personen, deren Fehlbildungen mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können, und die deshalb Leistungen nach § 13 ContStifG erhalten. Aus ihr ist zudem abzuleiten, dass sich das Merkmal der ""Einnahme thalidomidhaltiger Präparate"" in § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG nicht auf den Geschädigten selbst bezieht, sondern es sich dabei um eine verkürzte Wiedergabe des in § 12 Abs. 1 ContStifG enthaltenen wortgleichen Erfordernisses handelt, dass die Mutter während der Schwangerschaft entsprechende Präparate eingenommen hat und dies mit der Schädigung des Kindes in Verbindung gebracht werden kann. Denn gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 ContStifG kann nur den in § 12 ContStifG genannten leistungsberechtigten Personen überhaupt eine Kapitalentschädigung oder Conterganrente zustehen. Das vorgenannte Verständnis erschließt sich zudem aus dem aus der Gesetzesbegründung abzuleitenden Sinn und Zweck der 2013 eingeführten Anrechnungsregelung. Damit verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, eine Besserstellung derjenigen zu verhindern, die neben den Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz Zahlungen eines ausländischen Staates wegen ihrer thalidomidbedingten Schädigung erhalten. Mit der Regelung sollen staatliche Doppelleistungen vermieden werden, durch die nach Auffassung des Gesetzgebers die in den entsprechenden Ländern oder in Deutschland lebenden ausländischen Betroffenen bessergestellt seien als die deutschen Geschädigten und die Geschädigten in anderen Ländern ohne staatliche Leistungen (vgl. BT-Drs. 17/12678 S. 5). Ein Verständnis, dass § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG die Einnahme thalidomidhaltiger Präparate durch die Geschädigten selbst verlangt, widerspräche dieser Zwecksetzung und führte zum praktischen Leerlaufen der Vorschrift. (2) Die Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG beschränkt sich ausweislich ihres Wortlauts (""Zahlungen"") auf Geldzahlungen Anderer, insbesondere ausländischer Staaten, die an die zuvor bezeichneten Berechtigten ""wegen der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate"" geleistet werden. (a) Aus dem Kausalitätserfordernis (""wegen"") folgt, dass nur solche ""Zahlungen"" Anderer (ausländischer Staaten) anzurechnen sind, die von diesen spezifisch wegen der Thalidomidschädigung an die Gruppe der (regelmäßig, aber nicht notwendig in diesem Staat lebenden) Betroffenen erbracht werden. Für diese sich bereits anhand des Wortlauts erschließende Auslegung spricht auch der systematische Bezug auf die Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz, der in der Gesetzesbegründung mit dem Verweis darauf verdeutlicht worden ist, ""dass außer in der Bundesrepublik Deutschland in mindestens zehn weiteren Ländern staatliche Zahlungen in unterschiedlicher Höhe"" erbracht würden (BT-Drs. 17/12678 S. 5). Allgemeine Vergünstigungen oder Sozialleistungen des ausländischen Staates, die neben den Thalidomidgeschädigten auch anderen Bedürftigen zukommen, erfasst § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG daher nicht. (b) Aufgrund der Begrenzung auf ""Zahlungen"" fallen unter die Leistungen eines Anderen im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG keine Sachleistungen oder sonstigen Begünstigungen (wie Steuererleichterungen) des ausländischen Staates, und zwar auch dann nicht, wenn diese nur der Gruppe der Thalidomidgeschädigten zugutekommen. Die Erfassung solcher sachlichen Begünstigungen, die nicht durch ""Zahlung"" vermittelt werden, hat der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht in seinen Willen einbezogen (vgl. BT-Drs. 17/12678 S. 5, 6, 7, wo lediglich allein auf eine Anrechnung ausländischer ""Leistungen"" bzw. ""staatlicher Zahlungen"" Bezug genommen wird). Die Anrechnung von nicht als Zahlungen gewährten Begünstigungen eines ausländischen Staates widerspräche auch mit Blick darauf, dass deren Feststellung einer entsprechenden (ständigen) tatsächlichen Ermittlung und Bewertung und deren wertmäßiger Einordnung bedürfte, den Anforderungen an die Verwaltungspraktikabilität der Anrechnungsregelung in einer Weise, die vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann. (c) Aus der Systematik, dem Sinn und Zweck der Norm sowie aus ihrer Entstehungsgeschichte ergibt sich des Weiteren, dass § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG ausschließlich an die Betroffenen geleistete Geldzahlungen ausländischer Staaten, also keine inländischen Leistungen Anderer (etwa von inländischen Dritten oder Sozialleistungsträgern) erfasst. Trotz der Verwendung des Begriffs der ""Leistungen Anderer"" bezieht sich § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG normativ (und rechtstatsächlich) allein auf Zahlungen ausländischer Staaten. Die nachgestellte Erläuterung ""insbesondere von ausländischen Staaten"" verdeutlicht die Zielrichtung der Vorschrift. Es sollen die Geldleistungen angerechnet werden, die Thalidomidgeschädigte von ausländischen Staaten zusätzlich zu den Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz erhalten (BT-Drs. 17/12678 S. 5). Zwar lässt der Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG durch das Wort ""insbesondere"" noch Raum dafür, dass auch Zahlungen nichtstaatlicher Akteure aus dem In- oder Ausland zu berücksichtigen sein könnten. Unabhängig davon, dass derartigen Zahlungen - wie die Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt hat - keinerlei tatsächliche oder verwaltungspraktische Bedeutung zukommt, werden sie - wie sich im Wege gesetzessystematischer, teleologischer und historisch-genetischer Auslegung ergibt - nicht von § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG erfasst. Systematisch weist bereits die vorgefundene ursprüngliche Überschrift der Norm (""Sonderregelung für Auslandsfälle""), in die die Neuregelung eingeordnet worden ist, eindeutig auf einen Auslandsbezug hin. Dass etwaige Leistungen Privater nicht anzurechnen sind, ergibt sich überdies aus dem systematischen Zusammenhang zu der Regelung des § 18 Abs. 2 ContStifG, die sich mit inhaltlicher Übereinstimmung bereits in der Vorgängerregelung in § 22 des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung ""Hilfswerk für behinderte Kinder"" vom 17. Dezember 1971 (BGBl. I S. 2018 ) - im Folgenden: Stiftungsgesetz - StHG - fand. Nach § 18 Abs. 2 ContStifG werden Verpflichtungen Anderer, wie insbesondere Unterhaltsverpflichtungen, durch dieses Gesetz nicht berührt. Allgemeine Leistungen anderer Sozialleistungsträger und (freiwillige) private Zahlungen, die nicht auf Haftungsgründen beruhen, sind dementsprechend auch im Rahmen des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG nicht als Leistungen Dritter anzusehen. Ihre Berücksichtigung widerspräche dem mit § 18 Abs. 2 ContStifG zum Ausdruck gebrachten Sinn und Zweck des Conterganstiftungsgesetzes, den bereits das Stiftungsgesetz verfolgt hat, den Betroffenen die Conterganrente ""ungeschmälert"" zukommen zu lassen und auch keine mittelbaren Kürzungen zuzulassen (vgl. BT-Drs. 17/12678 S. 8 unter Hinweis auf die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung in BT-Drs. VI/926 S. 7 betreffend die Entwurfsfassung des § 5, die inhaltsgleich als § 22 in das Stiftungsgesetz Eingang gefunden hat). Auch die Begründung des Gesetzentwurfs zur Einführung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG im Jahre 2013 gibt darüber hinaus unmissverständlich zu erkennen, dass der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift keine privaten Leistungen, sondern ausschließlich die ""Zahlungen ausländischer Staaten"" erfassen wollte. Im gesamten Gesetzesentwurf werden die anzurechnenden Leistungen Anderer wiederholt und allein als die Leistungen oder ""Zahlungen ausländischer Staaten"" ausgewiesen (BT-Drs. 17/12678 S. 5, 6 und 7, wo es heißt: ""Neben der bisherigen Anrechnung von Zahlungen anderer möglicherweise Verantwortlicher auf alle Leistungen nach diesem Gesetz werden Leistungen ausländischer Staaten künftig auf die monatliche Conterganrente und auf die noch zu leistende einmalige Kapitalentschädigung angerechnet""). Zudem bezieht sich der Gesetzentwurf auf eine von der Beklagten beauftragte vergleichende Studie zur Erfassung aller Leistungen an thalidomidgeschädigte Menschen in 21 Ländern (DLA Piper vom 31. Januar 2012), wonach außer in der Bundesrepublik Deutschland in mindestens zehn weiteren Ländern staatliche Zahlungen in unterschiedlicher Höhe bereits erbracht wurden, laufend geleistet werden oder in Zukunft geleistet werden sollen; diese Leistungen sollten künftig auf Leistungen der Beklagten - mit Ausnahme der jährlichen Sonderzahlung - angerechnet werden (BT-Drs. 17/12678 S. 5). Dabei geht der Gesetzentwurf davon aus, dass nur ausländische Betroffene Zahlungen von ausländischen Staaten erhalten. (d) Ferner ist § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG dahin auszulegen, dass diese Anrechnungsregelung keine Zahlungsansprüche erfasst, die ihren Leistungsgrund in einer möglichen haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit des ausländischen Staates oder in einer (etwa durch eine gesetzliche Stiftungslösung) mittels eines Schuldnerwechsels auf den ausländischen Staat übergegangenen Verantwortung haben. Dies ergibt sich im Wege der systematischen, historisch-genetischen und teleologischen Auslegung. Zunächst grenzt das Tatbestandsmerkmal der Zahlungen ""Anderer, insbesondere ausländischer Staaten"" im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG den Anwendungsbereich der Norm systematisch von der in § 15 Abs. 2 Satz 1 ContStifG normierten Anrechnungsregelung ab, die sich bereits in § 18 Abs. 2 StHG fand. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ContStifG werden auf Leistungen nach diesem Gesetz Zahlungen angerechnet, die wegen der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate bereits von anderen ""möglicherweise Verantwortlichen"" geleistet worden sind. § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG erfasst daher im systematischen Gegenschluss nur diejenigen Zahlungen ausländischer Staaten, die nicht bereits von § 15 Abs. 2 Satz 1 ContStifG erfasst werden, also in keinem Zusammenhang mit einer Verantwortlichkeit im Sinne der zuletzt genannten Vorschrift stehen. Dafür spricht auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/12678 S. 5), weil der Gesetzgeber mit der Gesetzesänderung 2013 allein weitere, über die bis dahin vorhandene Regelung hinausgehende Zahlungen erfassen wollte. Mit den ""anderen möglicherweise Verantwortlichen"" meint die Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ContStifG wiederum - wie sich aus dem systematischen Bezug zu Absatz 1 der Vorschrift ergibt - andere für die Schädigung Verantwortliche als die ausdrücklich in § 15 Abs. 1 ContStifG Genannten (d.h. die Grünenthal GmbH, deren Gesellschafterinnen und Gesellschafter, Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer und Angestellte). Erfasst werden von § 15 Abs. 2 Satz 1 ContStifG mögliche für die Schädigungen verantwortliche Haftungsschuldner, also insbesondere andere Pharmafirmen (vgl. die Begründung zu § 17 Abs. 2 des Stiftungsgesetzes in BT-Drs. VI/926 S. 9, wo es heißt: ""Durch Absatz 2 sollen Doppelleistungen an solche Kinder verhindert werden, die etwa bereits von einer ausländischen Herstellerfirma eine Entschädigungszahlung erhalten haben.""). Zu den möglicherweise Verantwortlichen im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 ContStifG würden des Weiteren ausländische Staaten gehören, soweit auf diese eine (festgestellte oder anerkannte) Haftungsschuld in Form eines Schuldnerwechsels übergegangen wäre und die damit notwendig auch die (weitere) Verantwortlichkeit (für die Abwicklung der Schadensfälle) träfe, sodass entsprechende staatliche Zahlungen - auch aus teleologischen Erwägungen wegen ihrer entschädigungsrechtlichen Zweckübereinstimmung mit der Conterganrente - nicht als solche eines Anderen im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG anzusehen wären. Nach dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers soll die 2013 eingeführte Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG eine über den Kreis der Verantwortlichen hinausgehende, aber keine rückwirkende Anrechnung ermöglichen, worin erklärtermaßen der ""Unterschied zu Zahlungen anderer möglicher Verantwortlicher"" (die allein unter § 15 Abs. 2 Satz 1 ContStifG fallen) liege (BT-Drs. 17/12678 S. 7 f.). (e) Die Vorschrift erfasst schließlich nur solche Zahlungen ausländischer Staaten, die ab Inkrafttreten des Gesetzes am 1. August 2013 ""geleistet werden"". Zuvor erbrachte Zahlungen unterliegen nicht der Anrechnung, unabhängig davon, ob sie von dem ausländischen Staat als laufende (monatliche) Zahlungen oder als Einmalzahlungen erbracht worden sind. Das folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift (""geleistet werden"") und wird durch den in den Gesetzesmaterialien geäußerten Willen des Gesetzgebers, von einer rückwirkenden Anrechnung von Zahlungen ausländischer Staaten auf in der Vergangenheit geleistete Conterganrenten oder Kapitalentschädigungen abzusehen, bestätigt (BT-Drs. 17/12678 S. 7 f.). bb) Als Rechtsfolge ordnet § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG die Anrechnung der betreffenden Zahlungen ausländischer Staaten auf die Kapitalentschädigung und die Conterganrente (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 ContStifG) an. Rechtlich nicht betroffen von der Anrechnung sind danach - was auch die Gesetzesbegründung klarstellt (BT-Drs. 17/12678 S. 5, 7 f.) - die jährlichen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe und die jährliche Sonderzahlung (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 ContStifG). Soweit eine Anrechnung ausländischer Zahlungen auf die Conterganrente oder die Kapitalentschädigung erfolgt, bewirkt dies, dass sich deren Auszahlungsbetrag um den jeweiligen Betrag der Zahlungen des ausländischen Staates verringert und gegebenenfalls ganz entfällt. Bei der Entscheidung über die Anrechnung handelt es sich um eine gebundene Entscheidung. Ein Ermessen ist der Beklagten nicht eingeräumt. Die Conterganrente ist danach im Auszahlungsbetrag um monatliche Zahlungen eines ausländischen Staates, welche die oben dargelegten tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG erfüllen, zu kürzen. Von der Kapitalentschädigung sind gegebenenfalls Einmalzahlungen des ausländischen Staates abzuziehen, die im Anschluss an etwaige Neuanträge erfolgen, die ab August 2013 nach § 12 ContStifG bewilligt werden. Dieses Verständnis der Rechtsfolgenanordnung erschließt sich aus dem Wortlaut der Norm und wird durch Willensäußerungen des Gesetzgebers, wie sie aus den Gesetzesmaterialien hervorgehen, bestätigt (vgl. BT-Drs. 17/12678 S. 6, wo es u.a. heißt, dass Anrechnungen bei Einmalzahlungen nur ""bei der Kapitalentschädigung für bewilligte Neuanträge"" in Betracht kämen, so dass insoweit nur mit ""geringen Einsparungen"" für den Haushalt des Bundes zu rechnen sei). cc) Ausgehend von dem zuvor dargestellten normativen Befund stellt sich der Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG in rechtstatsächlicher Hinsicht wie folgt dar: (1) Da die Kapitalentschädigung nur einmal zu gewähren ist (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ContStifG) und damit allen, die im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG Leistungsberechtigte gewesen sind, bereits zu gewähren war, kann die Anrechnungsregelung im Hinblick auf einmalige Zahlungen eines ausländischen Staates - wovon auch die Gesetzesbegründung ausgeht (BT-Drs. 17/12678 S. 6) - nur tatsächliche Bedeutung erlangen, soweit es sich um bislang nicht anerkannte neu hinzukommende Leistungsberechtigte nach § 12 ContStifG handelt. Dass es solche noch gibt, erscheint heute allerdings praktisch nahezu ausgeschlossen. Ungeachtet der Regelung des § 12 Abs. 2 ContStifG, die eine solche Möglichkeit in den Blick nimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2020 - 5 C 1.20 [ECLI: DE: BVerwG: 2020: 260620U5C1.20.0] - BVerwGE 169, 54 Rn. 10 ff.), liegt dies vor allem daran, dass gut 50 Jahre nach den schädigenden Ereignissen - betroffen waren im Wesentlichen die Jahrgänge 1958 bis 1962 (vgl. etwa BT-Drs. 16/13025 S. 1) - allenfalls eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sich erst jetzt Geschädigte bei der Beklagten melden, deren thalidomidbedingte Schädigung bislang unerkannt geblieben ist. (2) In ihrer praktischen Wirkung wird von der Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG lediglich derjenige Teil der ausländischen Berechtigten betroffen, der wegen der Thalidomidschädigung eine laufende (rentenartige) Zahlung seines jeweiligen Heimatstaates erhält. Was die Anzahl der Betroffenen betrifft, ist der Gesetzentwurf aus dem Jahre 2013 davon ausgegangen, dass seinerzeit von rund 2 700 Leistungsempfängern (Berechtigten im Sinne von § 12 ContStifG) etwa zehn Prozent im Ausland lebten (BT-Drs. 17/12678 S. 5). Weiter heißt es dazu im Gesetzentwurf: ""Nach derzeitigen Erkenntnissen wären von einer solchen Regelung voraussichtlich rund 60 Prozent der ausländischen Geschädigten, also nach jetzigem Stand rund 170 Personen betroffen"" (BT-Drs. 17/12678 S. 6). Der Gesetzentwurf nimmt dabei Bezug auf die von der Beklagten in Auftrag gegebene Internationalen Studie zu Leistungen und Ansprüchen thalidomidgeschädigter Menschen in 21 Ländern (DLA Piper vom 31. Januar 2012), in der unter anderem in einer zusammenfassenden Übersicht (S. 15) insgesamt zehn von 21 untersuchten Staaten aufgelistet sind, in denen Leistungen wegen einer Thalidomidschädigung erbracht werden oder erbracht worden sind. Darunter sind allerdings lediglich drei Staaten, in denen laufende monatliche Zahlungen an Betroffene geleistet werden (Brasilien, Irland und Italien). Soweit nach der Studie in fünf Staaten ausschließlich eine staatliche Einmalzahlung erbracht worden ist (Kanada, Norwegen, Österreich, Schweden und Spanien), können diese Zahlungen auf der Grundlage der oben erläuterten Reichweite des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG (Wirksamwerden erst ab August 2013) weder auf die Conterganrente noch auf die Kapitalentschädigung nach § 13 ContStifG angerechnet werden. Dass künftige Einmalzahlungen in einem der 21 genannten Länder geplant sind, wird von der Studie verneint. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Angaben zu ihrer Anrechnungspraxis präzisiert. Danach sind in Irland 28 Anrechnungsfälle, in Brasilien 58 und in Italien ist ein Anrechnungsfall zu verzeichnen. Der Umfang, in dem angerechnet werde, belaufe sich derzeit insgesamt auf jährlich etwa 1,3 Mio. Euro. Für Dänemark werde in einem Falle die Möglichkeit einer Anrechnung geprüft, für Belgien erstrecke sich die Prüfung auf 23 Fälle. Nach den im Gesetzgebungsverfahren zum Fünften Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes in der Gesetzesbegründung aus dem Jahre 2020 angegebenen Daten beläuft sich die Zahl der Geschädigten, die Leistungsberechtigte nach dem Conterganstiftungsgesetz sind, heute auf ca. 2 600 Personen (vgl. BT-Drs. 19/19498 S. 7). Die Beklagte hat die gegenwärtige Zahl der im In- und Ausland lebenden Leistungsempfänger nach dem Conterganstiftungsgesetz mit 2 531 Personen beziffert. b) Gemessen an den aufgezeigten Maßstäben liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG nach Überzeugung des Senats im Ausgangsfall zweifelsfrei vor. Der Kläger ist - was in tatsächlicher Hinsicht vom Oberverwaltungsgericht für den Senat bindend festgestellt worden (§ 137 Abs. 2 VwGO ) und auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist - einerseits Berechtigter im Sinne von § 12 Abs. 1 ContStifG mit dem daraus folgenden Anspruch auf den Bezug der nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ContStifG festgesetzten Conterganrente und andererseits Leistungsempfänger einer monatlichen Zahlung des irischen Staates in Höhe von 1 109 Euro, die sich im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG als Zahlung eines ausländischen Staates darstellt, die wegen der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate geleistet wird. Insoweit kommt es - wie sich aus der oben erläuterten Auslegung der Vorschrift normativ ergibt und wie es nach der Erörterung mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung auch vom Kläger nicht mehr in Zweifel gezogen worden ist - darauf an, dass die Mutter des Klägers während der Schwangerschaft entsprechende Präparate eingenommen hat und der Kläger dadurch geschädigt wurde. Liegen danach im Ausgangsfall die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG vor, so tritt die in ihrer Wirkung ebenfalls oben erläuterte Rechtsfolge dieser Vorschrift ein. Die irische Zahlung ist damit auf die Conterganrente des Klägers anzurechnen. Dies führt zur entsprechenden Kürzung des Auszahlungsbetrages der Conterganrente, wobei die darauf beruhenden Berechnungen, welche die Beklagte im streitigen Bescheid vom 29. Juli 2013 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2013 vorgenommen hat, als solche weder im Streit stehen noch sonstigen Bedenken ausgesetzt sind. Stellte sich die Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG als verfassungsgemäß dar, wäre die Revision des Klägers mithin zurückzuweisen. In diesem Fall wären - wie mit dem im Streit stehenden Bescheid der Beklagten in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides geschehen - die monatlichen Zahlungen, die der Kläger vom irischen Staat erhalten hat und erhält, ab dem 1. August 2013 auf die ihm bewilligte Conterganrente anzurechnen. Ist die Vorschrift hingegen entsprechend der Überzeugung des Senats wegen Verstoßes gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig, wird die Revision des Klägers in vollem Umfang Erfolg haben, weil dem Kläger die Conterganrente dann auch für die Zeit ab dem 1. August 2013 in ungeschmälerter Höhe zusteht. c) Die Entscheidungserheblichkeit der Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG steht nicht in Frage mit Blick auf einen etwaigen Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union, der dazu führen könnte, dass die Vorschrift im konkreten Fall nicht anzuwenden wäre. Der vom Kläger des Ausgangsverfahrens gerügte Verstoß gegen unionsrechtliche Diskriminierungsverbote kann hier schon deshalb nicht vorliegen, weil der Anwendungsbereich der Verträge nicht eröffnet ist (aa) und es nicht um die Durchführung des Rechts der Union geht (bb). aa) Das Diskriminierungsverbot des Art. 18 Abs. 1 AEUV , wonach unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist, greift entgegen der Ansicht des Klägers mangels Anwendbarkeit dieser Regelung nicht ein, weil der Sachverhalt nicht in den Anwendungsbereich der Verträge fällt. Nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union fällt ein Sachverhalt in den Anwendungsbereich der Verträge, wenn er entweder unionsrechtlich geregelt ist oder in den Anwendungsbereich einer der im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ( AEUV ) geregelten Grundfreiheiten fällt (EuGH, Urteil vom 11. Juni 2020 - C-581/18 [ECLI: EU: C: 2020: 453] - juris Rn. 36 und 45). (1) Das Conterganstiftungsrecht ist - auch und gerade soweit es sich als (fortgeführtes) Haftungsrecht für den Ausgleich von Thalidomidschädigungen darstellt - weder als solches unionsrechtlich geregelt, noch ist eine unionsrechtliche Regelung unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelhaftung einschlägig. Die das Arzneimittelrecht betreffende Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. 22 vom 9. Februar 1965, S. 369 - 373) bestimmte in ihrem Art. 9, dass die Genehmigung (für das Inverkehrbringen) die zivil- und strafrechtliche Haftung des Herstellers und gegebenenfalls der für das Inverkehrbringen verantwortlichen Person unberührt lasse. Diese Richtlinie wurde durch Art. 128 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28. November 2001, S. 67 - 128) aufgehoben, die in ihrem Art. 25 den Text des bisherigen Art. 9 der RL 65/65/EWG wiederholt und darüber hinaus in ihrer derzeit aktuellen Fassung (Verordnung (EU) 2019/1243 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019, ABl. L 198 vom 25. Juli 2019, S. 241 - 344) in Art. 5 Abs. 4 auf die Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (ABl. L 210 vom 7. August 1985, S. 29 - 33; geändert durch die Richtlinie 1999/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 1999, ABl. L 141 vom 4. Juni 1999, S. 20) verweist. Die von der sog. Produkthaftungsrichtlinie mitumfasste Haftung für fehlerhafte Arzneimittel richtet sich zum einen nicht gegen den Staat oder dessen Einrichtungen. Zum anderen ist die Richtlinie 85/374/EWG nach ihren Artikeln 17 und 19 Abs. 1 nicht anwendbar auf Produkte, die - wie hier die in Rede stehenden thalidomidhaltigen Präparate, die 1961/1962 aus dem Handel genommen wurden - in Verkehr gebracht wurden, bevor die von den Mitgliedstaaten zu ihrer Umsetzung erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft getreten sind. (2) Die vom Conterganstiftungsrecht und der hier im Streit stehenden Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG erfassten Sachverhalte fallen auch nicht in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ermöglicht die Ausübung einer dieser Freiheiten, den Sachverhalt, in dem diese Freiheit ausgeübt wird, in den Anwendungsbereich der Verträge im Sinne des Art. 18 Abs. 1 AEUV einzubeziehen (EuGH, Urteil vom 11. Juni 2020 - C-581/18 - juris Rn. 46 f.). Soweit thalidomidgeschädigte Menschen von der Anrechnungsregelung betroffen werden, die nicht Unionsbürger sind (wie die brasilianischen Geschädigten), können sich diese nicht auf die Grundfreiheiten berufen. Für Unionsbürger (wie hier insbesondere die irischen Geschädigten) käme eine Berufung auf das insoweit allein in Betracht zu ziehende und jedem Unionsbürger zustehende allgemeine Freizügigkeitsrecht des Art. 21 Abs. 1 AEUV nur in Betracht, wenn die Betroffenen von diesem Recht tatsächlich Gebrauch gemacht hätten oder Gebrauch machen wollten und durch die nationale Maßnahme in diesem Recht beeinträchtigt würden (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juni 2020 - C-581/18 - juris Rn. 49). Das ist jedoch erkennbar nicht der Fall. Den Betroffenen geht es nicht um das Gebrauchmachen von Grundfreiheiten - wie demjenigen der Freizügigkeit durch Aufenthaltsnahme in einem anderen Mitgliedsstaat -, sondern um die ungeschmälerte Fortgewährung einer nach nationalem Recht gewährten Leistung. Dies trifft auch auf den Kläger des Ausgangsverfahrens zu, der sein Heimatland Irland bislang weder zur Wohnsitznahme in einem anderen Staat der Europäischen Union verlassen hat noch sich dahin eingelassen hat, dies (im Zusammenhang mit der Gewährung der streitigen Leistungen) tun zu wollen. bb) Der Sachverhalt fällt ferner nicht in den Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbots des Art. 21 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Die Charta ist nach ihrem Art. 51 Abs. 1 Satz 1 ""ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union"" (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - C-198/13 [ECLI: EU: C: 2014: 2055], Hernández - juris Rn. 36 f.) anzuwenden. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist insbesondere geklärt, dass die Grundrechte der Union im Verhältnis zu einer nationalen Regelung unanwendbar sind, wenn die unionsrechtlichen Vorschriften in dem betreffenden Sachbereich keine Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den im Ausgangsverfahren fraglichen Sachverhalt schaffen (EuGH, Beschluss vom 7. September 2017 - C-177/17 und C-178/17 [ECLI: EU: C: 2017: 656] - juris Rn. 19 ff.). Das ist - wie dargelegt - hier der Fall. 2. Die Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG ist nach Überzeugung des Senats mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Der Senat geht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich das Bundesverwaltungsgericht angeschlossen hat, davon aus, dass für die Ausgestaltung der gesetzlichen Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG heranzuziehen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <303> und Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541/09, 1 BvR 2685/09 [ECLI: DE: BVerfG: 2010: rk20100226.1bvr154109] - NJW 2010, 1943 Rn. 28, 31 ; BVerwG, Urteile vom 19. Juni 2014 - 10 C 1.14 - BVerwGE 150, 44 Rn. 55 und vom 26. Juni 2020 - 5 C 1.20 - BVerwGE 169, 54 Rn. 22). Die im Streit stehende Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG bewirkt, dass die den von der Regelung betroffenen ausländischen Berechtigten zustehende Conterganrente (nach §§ 12, 13 ContStifG), die den Schutz der Eigentumsgarantie genießt (a), im Falle der Gewährung ausländischer Zahlungen in ihrem Auszahlungsbetrag gekürzt wird und damit die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumspositionen der von der Kürzung Betroffenen in einer Weise beeinträchtigt werden (b), die verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist (c). a) Gesetzliche Ansprüche nach dem Conterganstiftungsgesetz - insbesondere und jedenfalls der Anspruch auf die Conterganrente und die Kapitalentschädigung - sind durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG geschützt, weil die ursprünglichen, durch das Errichtungsgesetz umgestalteten zivilrechtlichen Ansprüche der Berechtigten unter den Eigentumsschutz des Grundgesetzes fielen (aa) und dieser Schutz in den genannten gesetzlichen Ansprüchen gegen die Conterganstiftung, die im Wege der Surrogation an die Stelle der zivilrechtlichen Ansprüche getreten sind, seine Fortsetzung findet (bb). Von diesem Schutz ist der Anspruch auf die Kapitalentschädigung sowie die jeweils vom Gesetzgeber zugestandene Höhe der Conterganrente in vollem Umfang erfasst (cc). aa) Eigentumsrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt waren zum einen die Ansprüche der Berechtigten aus dem Vergleichsvertrag, der 1970 zwischen einer Vielzahl von Geschädigten und der Firma Grünenthal GmbH geschlossen worden ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <292 ff.> und Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541/09, 1 BvR 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 28). Zum anderen erfasste die Eigentumsgarantie - unabhängig von dem Vergleichsvertrag und der Beteiligung hieran - auch die den Geschädigten ursprünglich zustehenden deliktischen Ansprüche (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2020 - 5 C 1.20 - BVerwGE 169, 54 Rn. 22). Denn die der Gewährleistung des Eigentums zukommende sichernde und abwehrende Bedeutung gilt in besonderem Maße für schuldrechtliche Ansprüche, die den Charakter eines Äquivalents für Einbußen an Lebenstüchtigkeit besitzen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <293> und Beschluss vom 7. Dezember 2004 - 1 BvR 1804/03 [ECLI: DE: BVerfG: 2004: rs20041207.1bvr180403] - BVerfGE 112, 93 <107>). Gerade im vorliegenden Kontext erwiesen sich solche Ansprüche für die weitere Lebensgestaltung der Betroffenen von hervorragender und unter Umständen existenzieller Bedeutung (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <293>). bb) Mit dem am 17. Dezember 1971 verkündeten und am 31. Oktober 1972 in Kraft getretenen Stiftungsgesetz hat der Gesetzgeber die Abwicklung der Schadensfälle aus der privatrechtlichen Ordnung in die gesetzliche Stiftungslösung verlagert (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <298>). Die vorgenannten privatrechtlichen Ansprüche der Geschädigten wurden - unter gleichzeitiger Anordnung ihres Erlöschens (§ 23 StGH) - im Wege eines Surrogationsvorgangs durch gesetzliche Ansprüche ersetzt (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <300>). Diese Ersetzung stellte sich damit als eine Umformung dar, die zum Verlust der privatrechtlichen Forderungen führte. Für die leistungsberechtigten Personen oder ihre gesetzlichen Vertreter, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes haben, sieht das Gesetz (§ 15 Abs. 1 ContStifG) weiterhin vor, dass diese nur dann Leistungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes erhalten, wenn sie vorher schriftlich erklären, dass sie auf die Geltendmachung etwaiger Ansprüche gegen die Grünenthal GmbH, deren Gesellschafterinnen und Gesellschafter, Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer und Angestellte, die auf die Einnahme thalidomidhaltiger Präparate zurückgeführt werden, unwiderruflich verzichten. Die durch das Stiftungsgesetz mit der Umformung der privatrechtlichen Haftungsansprüche in gesetzliche Ansprüche verbundene Beeinträchtigung der Eigentumspositionen der Berechtigten erwies sich unter anderem deshalb als verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil sich die gesetzliche Stiftungslösung durch verschiedene Vorteile auszeichnete, die insbesondere in dem geordneten Verteilungsverfahren mit zeitgerechter Realisierung der Ansprüche, in der Einbeziehung aller Geschädigten und der Nichtanrechnung auf andere Sozialleistungen gelegen haben (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541/09, 1 BvR 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 28). Maßgeblich für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zudem, dass die Substanz des Wertanspruchs für die Betroffenen gesichert geblieben ist. Es handelte sich bei der Ersetzung um eine ""Umschaffung (Novation) bei prinzipieller Werterhaltung"", bei der ""die personelle und wertmäßige Zuordnung im Vorgang der Ersetzung durch ein wertmäßig Ebenbürtiges erhalten"" geblieben ist (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <299>). Dem betroffenen Personenkreis ist dabei anstelle des Vergleichs ein gesetzlich geordnetes Verteilungsverfahren zur Verfügung gestellt worden, an dem alle nach dem Vergleich Berechtigten gewissermaßen ""in ungebrochener Fortsetzung ihrer Gläubigerstellung teilhaben"". Durch den ""Wechsel auf Schuldnerseite"", also die Übernahme der Haftungsverantwortung durch die staatliche Stiftung, sollte die Gewähr für die Erfüllung der Ansprüche nicht schwächer werden (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <302 f.>). Dementsprechend hat der Gesetzgeber auch in Wahrnehmung einer entsprechenden eigentumsrechtlichen Verpflichtung die Verantwortung dafür übernommen, die Substanz des Wertanspruchs der am Vergleich Beteiligten prinzipiell zu erhalten (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <301 f.>; Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541/09, 1 BvR 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 28). Aus dem vorgenannten Hintergrund ergibt sich, dass - wie das Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen übereinstimmend ausgeführt hat - die nach dem Stiftungs- und dem diesem nachfolgenden Conterganstiftungsgesetz eingeräumten gesetzlichen Ansprüche ""schon im Hinblick auf ihren Entstehungsgrund den Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG "" genießen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <303>; Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541/09, 1 BvR 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 28). Dabei ist das Bundesverfassungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass sich der Schutz der Conterganrente und der Kapitalentschädigung nicht nur auf einen Teil des vom Gesetzgeber zugestandenen Betrages erstreckt oder sich mit zunehmendem Zeitablauf verringert. Vielmehr hat es ausgeführt, dass die vom Gesetzgeber eingeräumten Ansprüche ihrerseits den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießen und vor einem Substanzverlust zu schützen sind (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541/09, 1 BvR 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 31). Dieser Schutz steht nicht nur - auch nach dem rechnerischen Verbrauch der von der Firma Grünenthal GmbH eingebrachten Mittel durch Stiftungsleistungen - einer ersatzlosen Aufhebung des Conterganstiftungsgesetzes oder einer substantiellen Absenkung des Leistungsniveaus entgegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2014 - 10 C 1.14 - BVerwGE 150, 44 Rn. 55). Er widerstreitet auch einer - wie im Folgenden darzulegen ist - mit der Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG verbundenen unverhältnismäßigen und gleichheitswidrigen Kürzung des Auszahlungsbetrages der durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Conterganrente. Dies und die weiteren Ausführungen gelten in gleicher Weise für die Kapitalentschädigung. Der Senat sieht jedoch im Hinblick darauf, dass ihrer Kürzung durch die Anrechnungsregelung - wie oben dargelegt - so gut wie keine praktische Bedeutung zukommt, im Folgenden davon ab, die Kapitalentschädigung durchweg neben der Conterganrente zu nennen, zumal auch im Ausgangsverfahren allein die dem Kläger zustehende Conterganrente von der Anrechnungsregelung betroffen ist. cc) Die vom Gesetzgeber den Berechtigten (§ 12 ContStifG) zugestandene lebenslange Conterganrente (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ContStifG) ist entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts und der Beklagten in ihrer jeweils gesetzlich festgelegten Höhe in vollem Umfang durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt. Das entspricht bereits der soeben dargelegten Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, wie sie der Senat versteht, und ergibt sich überdies aus den folgenden Erwägungen. Zwar lässt sich, soweit ein Substanzverlust vermieden wird, aus dem Schutz durch die Eigentumsgarantie kein Anspruch auf eine bestimmte Dynamisierung der laufenden Renten oder auf einen bestimmten Leistungsumfang bzw. ein von den Betroffenen gewünschtes Leistungsniveau herleiten (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <311>; Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541/09, 1 BvR 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 33; BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2014 - 10 C 1.14 - BVerwGE 150, 44 Rn. 55). Bei der Festlegung, welcher Leistungsumfang und welche Höhe der Conterganrente zur Erfüllung der vom Gesetzgeber mit der Stiftungslösung übernommenen (Haftungs-)Verantwortung geboten und erforderlich ist, verfügt der Gesetzgeber über einen Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541/09, 1 BvR 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 20). Bei dessen verfassungsrechtlicher Überprüfung ist nur eine Gesamtbetrachtung sachgerecht, welche auch die sonstigen gesetzlichen Leistungen in den Blick nimmt, die den Betroffenen zugutekommen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <301 f.>; Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541/09, 1 BvR 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 39; BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2014 - 10 C 1.14 - BVerwGE 150, 44 Rn. 56). Neben der Höhe der Conterganrente ist dabei auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den gesetzlichen Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz um einkommensteuerfreie (§ 17 ContStifG) Zusatzleistungen handelt, die gemäß § 18 ContStifG bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen auf staatliche Leistungen nach anderen Gesetzen außer Betracht bleiben (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541/09, 1 BvR 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 38). Hat sich der Gesetzgeber jedoch auf eine bestimmte Höhe des gemäß §§ 12, 13 ContStifG eingeräumten Anspruchs auf die Conterganrente festgelegt, so erstreckt sich der eigentumsrechtliche Schutz auf den gesamten Betrag, den der Gesetzgeber den Betroffenen aufgrund seiner mit der Stiftungslösung übernommenen staatlichen Verantwortung gewährt. Unter den Schutz der Eigentumsgarantie fallen grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die den Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass sie die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zum privaten Nutzen ausüben dürfen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18. Januar 2006 - 2 BvR 2194/99 [ECLI: DE: BVerfG: 2006: rs20060118.2bvr219] - BVerfGE 115, 97 <110 f.> und vom 8. Mai 2012 - 1 BvR 1065/03, 1 BvR 1082/03 [ECLI: DE: BVerfG: 2012: rs20120508.1bvr106503] - BVerfGE 131, 66 <79> m.w.N.). Die Conterganrente, die neben anderen gesetzlichen Ansprüchen durch eine Umformung an die Stelle der privatrechtlichen Haftungsansprüche getreten ist, wird den Betroffenen (wie ein privatrechtlicher Entschädigungsanspruch) zur freien und eigenverantwortlichen Nutzung gewährt. Sie wird den Berechtigten damit von der Rechtsordnung in einer Weise zugeordnet, die sie in vollem Umfang in den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG gelangen lässt. Zwar verschafft dieses Grundrecht nicht selbst einen Anspruch auf eine bestimmte Rentenhöhe, jedoch reicht der Schutz so weit wie schützenswerte Ansprüche bereits bestehen und damit Teil der Rechtsordnung geworden sind (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 9. Mai 2007 - 1 BvR 1700/02 [ECLI: DE: BVerfG: 2007: rk20070509.1bvr170002] - BVerfGK 11, 130 <143> und vom 8. Mai 2012 - 1 BvR 1065/03 - BVerfGE 131, 66 <80>). Mit der Festlegung der Conterganrente in bestimmter vom Schädigungsgrad abhängiger und auf einer daran orientierten Bedarfsabschätzung beruhenden Höhe konkretisiert der Gesetzgeber damit zugleich die entsprechende Eigentumsposition der Betroffenen. Das gilt auch, soweit die Höhe der Conterganrente nicht nur durch Erwägungen bestimmt ist, die sich aus der übernommenen Haftungsverantwortung des Gesetzgebers, sondern (zu einem unbestimmten) Teil auch aus sozialstaatlichen Gründen ergeben sollten. Insoweit kann nichts anderes gelten als es für den Schutz von öffentlich-rechtlichen Rechtspositionen (z.B. sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen) gilt, die wegen eines Anteils von Eigenleistungen der Berechtigten in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG einbezogen werden. Diese Ansprüche werden selbst dann in vollem Umfang geschützt, wenn die jeweilige Rechtsposition auch oder überwiegend auf staatlicher Gewährung beruht (BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1985 - 1 BvL 5/80 u.a. - BVerfGE 69, 272 <301>; Dederer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz , Stand: 04/2021, Art. 14 Rn. 111; vgl. ferner BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 u.a. - BVerfGE 53, 257 <292>: Am personalen Bezug des Eigentümers zum Eigentumsobjekt fehle es nur, wenn die Rechtsposition ""ausschließlich auf einem Anspruch beruht, den der Staat in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht durch Gesetz einräumt""). Die Conterganrente beruht jedenfalls - wie oben dargelegt - wesentlich auf der staatlich übernommenen (Haftungs-)Verantwortung und stellt sich insofern als fortwirkender Entschädigungsanspruch dar, der mit seinem Individualcharakter zugleich den personalen Bezug des Berechtigten zum Rentenanspruch ausmacht. Ob und in welchem Umfang die Bemessung ihrer Höhe auch durch andere Motive bestimmt ist, lässt sich zum einen nicht feststellen und ist zum anderen für den Umfang des Eigentumsschutzes nicht relevant. Anders als die Beklagte meint, kann die Conterganrente damit nicht in einen von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten und einen hiervon nicht geschützten Teil aufgespalten werden. Dabei kann auch dahinstehen, ob und inwieweit die sonstigen Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz am eigentumsrechtlichen Schutz teilhaben. Jedenfalls stellt die Conterganrente sowohl ihrer Art als auch ihrer betragsmäßigen Höhe nach einen essentiellen Teil der gegen die Beklagte gerichteten Ansprüche dar und gehört damit zu deren Kernbestand. Dieser umfasst - wie dargelegt - auch die jeweilige gesetzliche Höhe des Anspruchs auf Conterganrente, die der materialisierte Ausdruck der Aufgabe des Gesetzgebers ist, darüber zu wachen, dass die Leistungen der Stiftung - hier in Form von Rentenerhöhungen - der mit der Stiftungslösung übernommenen staatlichen Verantwortung gerecht werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <312>), um auf diese Weise sowohl der allgemeinen Preissteigerung als auch - vor allem - der sich im Laufe der Zeit ändernden Bedarfssituation der Leistungsberechtigten Rechnung zu tragen. Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass es entgegen der vom Oberverwaltungsgericht und der Beklagten vertretenen Ansicht für den eigentumsrechtlichen Schutz der vom Gesetzgeber zugestandenen Höhe der Conterganrente auch nicht darauf ankommt, dass die Conterganrente zeitgleich mit der Einführung der Anrechnungsregelung durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1847 ) signifikant erhöht worden ist. Die Erhöhung der Conterganrente für alle Berechtigten nimmt dieser nicht den eigentumsrechtlichen Schutz gegenüber Beeinträchtigungen wie sie hier von der Kürzung des Auszahlungsbetrages durch § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG ausgehen. Aus dem vom Oberverwaltungsgericht angeführten Umstand, dass auf die signifikante Erhöhung der Conterganrente kein verfassungsrechtlicher Anspruch bestanden habe, kann - wie oben dargelegt - nicht darauf geschlossen werden, dass der vom Gesetzgeber zugestandene höhere Umfang der Conterganrente nicht oder nur teilweise durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist. Dabei sind die vom Gesetzgeber zugestandenen und insoweit von den Betroffenen erworbenen Ansprüche auf eine grundsätzlich ungeschmälerte Conterganrente für die im Ausland lebenden Berechtigten in gleicher Weise durch die Eigentumsgarantie geschützt wie die Ansprüche derjenigen Betroffenen, die in Deutschland leben. Hinsichtlich der Höhe der Conterganrente unterscheidet der Gesetzgeber in §§ 12, 13 ContStifG nicht zwischen inländischen und ausländischen Berechtigten. Dementsprechend unterfällt auch der Anspruch des Klägers, der nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 29) bereits an dem Vergleichsvertrag mit der Grünenthal GmbH beteiligt war, auf Gewährung der für seinen Schädigungsgrad gesetzlich in §§ 12, 13 ContStifG festgelegten Höhe der Conterganrente in voller Höhe dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG . b) Durch die Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG wird in den Schutzbereich dieses Grundrechts eingegriffen. Damit verbundene Kürzungen des Auszahlungsbetrages der Conterganrente schmälern diese in ihrem durch Art. 14 Abs. 1 GG eigentumsrechtlich geschützten Umfang und sind deshalb als Eingriff in diese Rechtsposition verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftig. Eine Beeinträchtigung der den Eigentumsschutz genießenden Conterganrente durch die Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG scheidet nicht deshalb aus, weil der Gesetzgeber von Vornherein eine mit dieser Vorschrift zusammen zu denkende einheitliche (Festsetzungs-)Entscheidung getroffen hätte, die nur als einheitliche Inhalts- und Schrankenbestimmung über die Höhe der Conterganrente gewertet werden könnte. Denn die in bestimmter Höhe erfolgende Einräumung des Anspruchs auf die seit 1972 gewährte Conterganrente unterscheidet sich im Hinblick auf ihren Entstehungsgrund und ihre Konzeption grundlegend von der - auch zeitlich erst mit großem Abstand nachfolgenden und seit 2013 geltenden - Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG, welche es seither gestattet, die allen Berechtigten in bestimmter Höhe zugestandene Rente bei einigen ausländischen Berechtigten unter den dort genannten Voraussetzungen im Auszahlungsbetrag zu kürzen. Der Anspruch auf die Conterganrente, der aufgrund seines oben dargelegten Entstehungsgrundes den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießt, ist als solcher unabhängig davon konzipiert und auch hinsichtlich seiner späteren Anpassungen eingeräumt worden, ob und in welcher Höhe es gerechtfertigt sein könnte, ihn bei einigen Betroffenen aus bestimmten Gründen (hier wegen Zahlungen ausländischer Staaten) im Auszahlungsbetrag zu reduzieren. Das gilt in gleicher Weise für das Stiftungsgesetz wie für das diesem nachfolgende Conterganstiftungsgesetz vom 13. Oktober 2005 (BGBl. I S. 2967 ). Der Anspruch bemisst sich der Höhe nach allein nach der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 ContStifG). Durch die Einräumung dieses gesetzlichen Anspruchs kommt der Gesetzgeber, der mit der Stiftungslösung die (Haftungs-)Verantwortung für die weitere Gewährleistung der umgeformten eigentumsrechtlich geschützten Ansprüche der Betroffenen übernommen hat, seiner aus Art. 14 Abs. 1 GG folgenden Pflicht nach, einen Ausgleich für die von den betroffenen erlittenen Schäden und Beeinträchtigungen zu leisten. Mit einer bestimmten (höheren) Bemessung der Höhe der Conterganrente verfolgt der Gesetzgeber - wie er etwa anlässlich ihrer Erhöhung durch das Erste Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 26. Juni 2008 (BGBl. I S. 1078 ) zum Ausdruck gebracht hat - insbesondere die Zielsetzung, die Folge- und Spätschäden der Betroffenen - verursacht durch jahrelange körperliche Fehlbelastungen - zu berücksichtigen und die Leistungen auch zum Ausgleich der Aufwendungen für diese Schäden der Betroffenen weiter anzupassen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 16/8743 S. 1, 4). Er erfüllt damit auch seine ihm durch Verfassungsrecht auferlegte Aufgabe, darüber zu wachen, dass die Leistungen der Stiftung der mit der Stiftungslösung übernommenen staatlichen Verantwortung gerecht werden. Die streitige Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG stellt diesen Bedarf und damit das Entstehen des Anspruchs auf die Conterganrente in der vom Gesetzgeber jeweils festgelegten vollen Höhe als solchen zwar nicht in Frage. Sie erlaubt allerdings mittels einer Anrechnung bestimmter Zuwendungen Dritter einen rechnerischen Abzug vom Auszahlungsbetrag und damit im Ergebnis eine teilweise oder vollständige Kürzung der den Betroffenen zuerkannten Höhe der Conterganrente. Einfachgesetzlich verhält es sich dementsprechend so - wie oben dargelegt -, dass Ansprüche auf die Conterganrente zwar für alle Berechtigten (abhängig von ihrem Schädigungsgrad) gemäß §§ 12, 13 ContStifG in der gesetzlichen Höhe entstehen, das Gesetz aber unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG eine im Wege der Anrechnung durch Reduzierung des Auszahlungsbetrages bedingte Kürzung der entstandenen und daher insgesamt von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Ansprüchen vorschreibt. Diese stellt sich damit als Eingriff in die eigentumsrechtlich geschützten Positionen der davon betroffenen thalidomidgeschädigten Menschen dar. c) Die mit der Kürzung der Conterganrente verbundene Beeinträchtigung der durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Positionen derjenigen ausländischen Berechtigten, die von ihrem Heimat- bzw. Aufenthaltsstaat eine besondere Zuwendung wegen ihrer thalidomidbedingten Schädigung erhalten, ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG stellt sich als eine Eigentumsbeeinträchtigung in Form einer Inhalts- und Schrankenbestimmung dar, die den an diese zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen (aa) nicht genügt, weil sie sich als unverhältnismäßig erweist (bb) und überdies wegen ihrer gleichheitswidrigen Auswirkungen verfassungsrechtlich unzulässig ist (cc). aa) Die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie ergibt sich bei der Conterganrente wie bei anderen öffentlich-rechtlichen vermögenswerten Ansprüchen erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 u.a. - BVerfGE 53, 257 <292>). Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, ist zwar nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers. Dieser genießt dabei jedoch keine unbeschränkte Gestaltungsfreiheit. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse müssen vom jeweiligen Sachbereich her geboten und auch in ihrer Ausgestaltung sachgerecht sein. Sie dürfen nicht weitergehen als es ihr Grund, der Schutz des Gemeinwohls, erfordert, und sie dürfen insbesondere auch nicht, gemessen am sozialen Bezug und an der sozialen Bedeutung des Eigentumsobjekts sowie im Hinblick auf den Regelungszweck, zu einer übermäßigen Belastung führen und den Eigentümer im vermögensrechtlichen Bereich unzumutbar treffen. Insbesondere hat daher jede Inhalts- und Schrankenbestimmung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95 [ECLI: DE: BVerfG: 2004: rs20040114.2bvr056495] - BVerfGE 110, 1 <28>, vom 7. Dezember 2004 - 1 BvR 1804/03 - BVerfGE 112, 93 <109>, vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 8/07 [ECLI: DE: BVerfG: 2010: ls20100721.1bvl000807] - BVerfGE 126, 331 <360, 366> und vom 23. Mai 2018 - 1 BvR 97/14 [ECLI: DE: BVerfG: 2018: rs20180523.1bvr009714] - BVerfGE 149, 86 Rn. 79 m.w.N.). Zudem muss eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums mit allen anderen Verfassungsnormen, insbesondere mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar sein (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95 - BVerfGE 110, 1 <28>; Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. [ECLI: DE: BVerfG: 2016: rs20161206.1bvr282111] - BVerfGE 143, 246 und Beschluss vom 18. Juli 2019 - 1 BvL 1/18 u.a. [ECLI: DE: BVerfG: 2019: lk20190718.1bvl000118] - NJW 2019, 3054 Rn. 92 m.w.N.). bb) Der mit der Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG verbundene Eingriff in die Eigentumspositionen der Betroffenen wird den Verhältnismäßigkeitsanforderungen nicht gerecht. Danach muss der Eingriff in das Eigentumsgrundrecht zur Erreichung eines legitimen Eingriffsziels geeignet sein und darf nicht weitergehen, als es die Gemeinwohlbelange erfordern; ferner müssen Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen (BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2018 - 1 BvR 97/14 - BVerfGE 149, 86 Rn. 85 m.w.N.). Zwar verfolgt der Gesetzgeber mit der Vermeidung von Doppelleistungen an sich ein legitimes Ziel ((1)). Das vom Gesetzgeber gewählte Mittel, im Falle der von § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG erfassten ausländischen Zahlungen eine Anrechnung auf die Conterganrente vorzunehmen und damit die Leistungen der genannten ausländischen Berechtigten im Auszahlungsbetrag zu kürzen, ist jedoch bereits, obgleich dem Gesetzgeber insoweit ein Einschätzungsspielraum zukommt ((2)), nicht zur Förderung des gesetzgeberischen Zieles geeignet ((3)) und verfehlt jedenfalls die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ((4)). (1) Die Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG soll nach der aus den Gesetzesmaterialien hervorgehenden Zielsetzung des Gesetzgebers dazu dienen, Doppelleistungen und damit eine ""Besserstellung"" eines Teils der ausländischen Berechtigten zu vermeiden (BT-Drs. 17/12678 S. 5). Dies gründet auf der Annahme des Gesetzgebers, dass ohne die Anrechnung bei denjenigen ausländischen Berechtigten, die wegen ihrer Thalidomidschädigung von ihrem Herkunftsstaat Zahlungen erhalten, eine ""Besserstellung"" gegenüber den deutschen Berechtigten und solchen ausländischen Betroffenen vorliege, die neben den Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz keine (laufenden) spezifischen Leistungen wegen der Thalidomidschädigung beziehen (BT-Drs. 17/12678 S. 5). Verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, Doppelleistungen zu vermeiden, so stellt sich dies grundsätzlich als legitimer Zweck dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2004 - 2 BvL 5/00 [ECLI: DE: BVerfG: 2004: ls20040608.2bvl000500] - BVerfGE 110, 412 <440>). (2) Die Verfassung billigt dem Gesetzgeber für die Beurteilung der Eignung der von ihm für die Durchsetzung der gesetzgeberischen Regelungsziele gewählten Mittel zwar einen Einschätzungsspielraum zu (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 15. Januar 2002 - 1 BvR 1783/99 [ECLI: DE: BVerfG: 2002: rs20020115.1bvr178399] - BVerfGE 104, 337 <347 f.>). Die Geeignetheit beurteilt sich danach, ob es möglich ist, dass der erstrebte Erfolg so gefördert werden kann. Die Regelung darf also nicht von vornherein untauglich sein, was nicht schon der Fall ist, wenn ihre Umsetzung schwierig ist, sofern sie möglich bleibt (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 - 1 BvR 1778/01 [ECLI: DE: BVerfG: 2004: rs20040316.1bvr177801] - BVerfGE 110, 141 <164>). Der Gesetzgeber muss jedoch die von Fall zu Fall zu bestimmenden Grenzen der ihm eröffneten Einschätzungsprärogative einhalten und darf jedenfalls Grundrechtseingriffe im Ergebnis nicht auf offensichtlich fehlsame Annahmen gründen (BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 - BVerfGE 143, 246 Rn. 275). Auch soweit dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum für die Beurteilung der tatsächlichen Grundlagen einer Regelung einzuräumen ist, liegt die Grenze zumindest dort, wo sich deutlich erkennbar abzeichnet, dass eine Fehleinschätzung vorgelegen hat (BVerfG, Urteil vom 11. Juli 2017 - 1 BvR 1571/15 u.a. [ECLI: DE: BVerfG: 2017: rs20170711.1bvr157115] - BVerfGE 146, 71 Rn. 159 m.w.N.). Dies gilt in Bezug auf die Beurteilung der Eignung auch mit Blick auf die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums. Denn hat sich der Gesetzgeber von fehlerhaften Annahmen und unvollständigen Erwägungen leiten lassen, kann die erforderliche Abwägung zwischen den verschiedenen Gesichtspunkten nicht sachgemäß erfolgen. Der gesetzgeberische Eingriff muss deshalb auf einem annähernd vollständigen und von zutreffenden tatsächlichen Annahmen getragenen Abwägungsvorgang beruhen (Papier/Shirvani, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz -Kommentar, Stand: Oktober 2020, Art. 14 Rn. 428 m.w.N.). Auch das Fehlen einer selbstständigen Sachaufklärungspflicht im Gesetzgebungsverfahren befreit den Gesetzgeber nicht von der Notwendigkeit, seine Entscheidungen im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere den Grundrechten, zu treffen, und sie insoweit - gerade auch mit Blick auf die Verhältnismäßigkeitsanforderungen - auf hinreichend fundierte Kenntnisse von Tatsachen und Wirkzusammenhängen zu stützen (BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 - BVerfGE 143, 246 Rn. 275). Daran fehlt es hier. (3) Die Anrechnung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG ist zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels nicht geeignet. Die gegenteilige Annahme des Gesetzgebers beruht nach Überzeugung des Senats auf rechtlich fehlsamen Erwägungen und auf einer in tatsächlicher Hinsicht unzureichenden Grundlage. Eine Vermeidung von Doppelleistungen kann mit der streitigen Anrechnung bereits deshalb nicht erreicht werden, weil es sich bei den miteinander verglichenen Leistungen - der Conterganrente einerseits und den ausländischen Zahlungen andererseits - um Leistungen mit so unterschiedlicher Zweckbestimmung handelt, dass dies eine ""Doppelleistung"" ausschließt ((a)). Überdies fehlt es für die gesetzgeberische Annahme einer ""Besserstellung"" der betroffenen ausländischen Berechtigten an einer hinreichenden rechtlichen und tatsächlichen Fundierung ((b)). (a) Zwar handelt es sich sowohl bei der gemäß §§ 12, 13 ContStifG gewährten Conterganrente als auch bei den von § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG erfassten und nach dieser Regelung anzurechnenden Zahlungen ausländischer Staaten um Leistungen, die wegen der durch die Einnahme thalidomidhaltiger Präparate bedingten Schädigungen erbracht werden. Die genannten Zahlungen ausländischer Staaten haben jedoch eine grundlegend andere Zweckbestimmung als die im Streit stehende Conterganrente nach §§ 12, 13 ContStifG. (aa) Obgleich sich die Sachmaterie des Conterganstiftungsrechts nach Zuständigkeits- (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG ) und Kostenregelungen (§ 188 VwGO ) dem Bereich der Fürsorge zuordnen und die Conterganrente nach sozialrechtlichen Kategorisierungen als staatliche Fürsorgeleistung (im weiteren Sinne) einordnen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2020 - 5 C 1.20 - BVerwGE 169, 54 Rn. 31), ändert dies nichts daran, dass ihr wesentlicher Leistungsgrund in der im Hinblick auf ihren Entstehungsgrund aus dem Eigentumsgrundrecht folgenden Verpflichtung des Staates besteht, den Betroffenen ""in ungebrochener Fortsetzung ihrer Gläubigerstellung"" die umgeformten privatrechtlichen Haftungsansprüche fortan in Gestalt gesetzlicher Ansprüche gegen die Stiftung zu gewähren (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <303, 312>). Diese haftungsrechtliche Verwurzelung des Leistungsgrundes wurde nicht dadurch aufgehoben, dass es sich um eine sozialstaatlich motivierte Entscheidung des Gesetzgebers handelte, die Abwicklung der Schadensfälle aus der privatrechtlichen Ordnung in die gesetzliche Stiftungslösung zu verlagern (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <298>). Die mit der Übernahme der Verantwortung für die Schadensfälle verbundene Verlagerung hätte der Gesetzgeber nicht vornehmen müssen. Hat er sich aber - wenn auch sozialstaatlich motiviert - dafür entschieden, ist er an die eigentumsrechtlichen Folgen dieses Schuldnerwechsels gebunden. Auch die gesetzliche Stiftungslösung ist dementsprechend weiterhin der Zwecksetzung verpflichtet, die Schadensfälle durch Gewährung von Ansprüchen abzuwickeln. Gäbe es diesen haftungsrechtlichen Hintergrund des Conterganstiftungsgesetzes nicht und handelte es sich um rein sozialstaatliche Leistungen, wäre der Gesetzgeber auch nicht verpflichtet, die ausländischen Berechtigten in gleicher Weise wie die inländischen Berechtigten an den gesetzlichen Ansprüchen auf Gewährung einer Conterganrente nach §§ 12, 13 ContStifG teilhaben zu lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Mai 1978 - 1 BvL 26/76 - BVerfGE 48, 281 <290>). Der aus dem dargelegten Entstehungsgrund des gesetzlichen Anspruchs auf die Conterganrente folgende haftungsrechtliche Charakter lässt sich auch nicht mit dem Hinweis darauf in Zweifel ziehen, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Stiftungsgesetzes eine Gleichbehandlung aller Geschädigten ab 45 Punkten trotz unterschiedlicher Schädigung nicht als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG angesehen, sondern mit der Erwägung gebilligt hat, dass die Rente nicht der Entschädigung für die erlittenen Missbildungen diene und bei der verfassungsrechtlich zulässigen generalisierenden und typisierenden gesetzlichen Regelung alle Geschädigten, die 45 Schadenspunkte oder mehr aufweisen, ohne Unterschied die Höchstrente erhielten, weil diese Geschädigten nach Auffassung der Sachverständigen sich ohne ständige fremde Hilfe im Leben nicht werden behaupten können (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <309>). Mit dieser Aussage wird auf die gerechtfertigte Typisierung hinsichtlich der erlittenen Missbildungen Bezug genommen, aber nicht die Funktion der Conterganrente als Ausgleich für die Schädigungsfolgen in Frage gestellt. Dass es sich bei der Conterganrente um eine fortgesetzte Form der Entschädigung handelt, ergibt sich auch notwendig daraus, dass trotz der sozialstaatlich motivierten Umformung der privatrechtlichen Haftungsansprüche in gesetzliche Ansprüche die Zuordnung der privatrechtlichen Ansprüche an die Berechtigten und die Substanz ihres Wertanspruchs erhalten bleiben müssen (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <299, 301>). Die vorgenannte Zwecksetzung der Conterganrente hat der Gesetzgeber auch unter der Geltung des Conterganstiftungsgesetzes nicht in Abrede gestellt, sondern wiederholt bekräftigt. So ist etwa die Verdoppelung der Mindest- und Höchstwerte für die monatliche Rente zum 1. Juli 2008 (Erstes Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 26. Juni 2008, BGBl. I S. 1078 ) damit begründet worden (vgl. den Gesetzentwurf der seinerzeitigen Koalitionsfraktionen, BT-Drs. 16/8743 S. 4), dass diese erforderlich geworden sei ""(a)ngesichts des Umfangs der Beeinträchtigung der Betroffenen insbesondere durch die Folge- und Spätschäden, die weder durch die Leistungen der Conterganstiftung noch durch ergänzende Sozialgesetze ausreichend abgefangen werden können (z.B. Haushaltshilfe, vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, Renteneinbußen usw.)"". Ferner hat der Gesetzgeber in der Begründung zum Dritten Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes, mit dem 2013 die im Streit stehende Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG eingeführt wurde, ausgeführt: ""Das Stiftungsgesetz hat die privatrechtlichen Vergleichsansprüche gegen die Grünenthal GmbH durch gesetzliche Ansprüche ersetzt; an die Stelle des Vergleichsvertrags ist das Gesetz als Rechtsgrundlage getreten. Der Gesetzgeber hat diesen Schadensbereich damit aus dem privatautonomen Regelungsbereich herausgenommen und zu einer staatlichen Angelegenheit gemacht. Zudem sollte sichergestellt werden, dass die Leistungen an die Betroffenen nicht durch steuerliche Lasten verkürzt würden und ihnen ohne Rücksicht auf Unterstützungsleistungen Dritter als zusätzliche Leistungen zuflössen ... Diese Begünstigungen tragen der besonderen Schutzbedürftigkeit der Betroffenen Rechnung"" (BT-Drs. 17/12678 S. 8). Mit der fortwährenden Einräumung gesetzlicher Ansprüche kommt der Gesetzgeber seiner aus Art. 14 Abs. 1 GG folgenden Pflicht gegenüber den betroffenen thalidomidgeschädigten Menschen nach, einen Ausgleich für die von ihnen erlittenen dauerhaften Beeinträchtigungen zu leisten. Die Conterganrente ist dementsprechend nicht wie andere Sozialleistungen (etwa nach dem Sozialgesetzbuch Zweites oder Zwölftes Buch) zur Deckung des Lebensunterhalts bestimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2014 - 10 C 1.14 - BVerwGE 150, 44 Rn. 34 m.w.N.); vielmehr kommt ihr im Wesentlichen eine Entschädigungsfunktion für die Betroffenen zu, die dem Ausgleich der durch die Schäden entgangenen Lebensmöglichkeiten dient (LSG Essen, Urteil vom 3. Dezember 2020 - L 6 AS 1651/17 [ECLI: DE: LSGNRW: 2020: 1203.L6AS1651.17.00] - juris Rn. 69; FG Stuttgart, Urteil vom 9. November 2016 - 12 K 2756/16 [ECLI: DE: FGBW: 2016: 1109.12K2756.16.0A] - juris Rn. 33). In diesem Sinne ist auch im Gesetzgebungsverfahren, das 2013 neben der Einführung der streitigen Anrechnungsregelung auch zu einer erheblichen Erhöhung der Leistungen führte, von einer den Entwurf tragenden (Regierungs-)Fraktion ausdrücklich festgehalten worden, dass es sich bei der Conterganrente ""um eine Entschädigungsleistung und nicht um eine Sozialleistung"" handelt (BT-Drs. 17/13279 S. 9). Diese Funktion der Conterganrente, die insbesondere mit Blick auf ihren Entstehungsgrund Übereinstimmungen mit dem Schmerzensgeld aufweist (vgl. FG Stuttgart, Urteil vom 9. November 2016 - 12 K 2756/16 - juris Rn. 33 ff.), verleiht ihr eine Sonderstellung (vgl. zur Sonderstellung des Schmerzensgeldes: BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 1 BvR 293/05 [ECLI: DE: BVerfG: 2006: rs20060711.1bvr029305] - BVerfGE 116, 229 <240>). Die Besonderheit der gesetzlichen Ansprüche auf die Conterganrente und Kapitalentschädigung, die sich insoweit kategorial von den sonstigen Ansprüchen auf Sozialleistungen, die den Betroffenen wegen der Folgen ihrer Schädigungen zugutekommen sollen, unterscheidet, liegt mithin darin, dass es sich dabei um öffentlich-rechtlich umgeformte zivilrechtliche Haftungsansprüche handelt. Die Conterganrente nach §§ 12, 13 ContStifG weist nicht nur einen haftungsrechtlichen Entstehungsgrund auf, sondern ist wegen des ""Wechsels auf Schuldnerseite"" nach wie vor dazu bestimmt - und hat aus verfassungsrechtlichen Gründen auch dazu bestimmt zu sein -, der staatlich übernommenen Gewähr für die Erfüllung der durch gesetzliche Ansprüche ersetzten Haftungsansprüche der Betroffenen gerecht zu werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <302 f., 311 f.>). (bb) Diesen zentralen Haftungs- bzw. Leistungsgrund und die damit verbundene Zwecksetzung weisen die von § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG erfassten Zahlungen ausländischer Staaten nicht auf. Bei ihnen kann es sich nur um Leistungen handeln, die allein aus fürsorglichen bzw. im weiteren Sinne sozialstaatlichen Motiven und insoweit freiwillig erbracht werden. Das ergibt sich zum einen bereits normativ aus der Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG, die - wie oben dargelegt - dahin auszulegen ist, dass sie in Abgrenzung zu der Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ContStifG keine Zahlungsansprüche erfasst, die ihren Leistungsgrund in einer möglichen haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit des ausländischen Staates oder in einer (etwa durch eine gesetzliche Stiftungslösung) mittels eines Schuldnerwechsels auf den ausländischen Staat übergegangenen Verantwortung haben. Zum anderen entspricht dem auch die Tatsachenlage. Die streitige Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG erfasst auch rechtstatsächlich und nach der Anwendungspraxis der Beklagten nur solche wegen einer Thalidomidschädigung gewährten Zahlungen ausländischer Staaten, die nicht als Folge einer übernommenen haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit an ihre betroffenen Staatsangehörigen, sondern aus anderen, insbesondere fürsorglichen bzw. im weiteren Sinne sozialstaatlichen Motiven erbracht werden. Das zeigt sich auch deutlich im Hinblick auf die im Ausgangsfall im Streit stehenden Zahlungen des irischen Staates an Betroffene, die wegen der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate durch die Mutter geschädigt wurden. Diesen Betroffenen - wie dem Kläger des Ausgangsverfahrens - werden gemäß dem Irish Thalidomide Compensation Scheme monatliche Zahlungen (Irish Thalidomide Survivor´s Care Benefit) erbracht. Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht (UA S. 18) festgestellt, dass sich die irische Regierung im Mai 1973 entschied, die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten an irische Staatsangehörige gezahlten Summen zu erhöhen. Dies wird belegt durch den Bericht der Irish State Claims Agency, den das Oberverwaltungsgericht als Tatsachenmaterial in den Prozess eingeführt hat (UA S. 18: Irish State Claims Agency, Compensation for Thalidomide Survivors, Report Prepared for the Minister for Health and Children by the State Claims Agency, April 2010, S. 6, wo es heißt: ""In May 1973, the Irish government decided, as a matter of principle, to significantly enlarge the compensation payable from the German compensation scheme to Thalidomide survivors and their families. Thus, the Irish government agreed the following in addition to the German compensation scheme: ..."".). Zweck der irischen Regelung ist es dementsprechend, die Leistungen, welche die Betroffenen nach deutschem Conterganstiftungsrecht erhalten, aufzustocken bzw. zu ergänzen. Den Zweck, ursprünglich privatrechtliche Haftungsansprüche durch gesetzliche Ansprüche der Berechtigten zu ersetzen und mit der fortwährenden Gewährung einer aus der Eigentumsgarantie folgenden Verpflichtung nachzukommen, weisen die irischen Zahlungen nicht auf. Insoweit unterscheidet sich ihre Zwecksetzung grundlegend von der nach §§ 12, 13 ContStifG gewährten Conterganrente. Das gilt auch für (laufende) und von § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG erfasste spezifische Zahlungen, welche die übrigen Staaten für ihre durch thalidomidhaltige Präparate geschädigten Staatsangehörigen erbringen. Dies wird durch die Studie vom 31. Januar 2012 (DLA) belegt, auf die sich der Gesetzgeber im Rahmen der Änderung des Conterganstiftungsgesetzes im Jahre 2013 bezogen hat (BT-Drs. 17/12678 S. 5). Darin finden sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die jeweiligen Zahlungen der vom Gesetzgeber in Betracht gezogenen (zehn) Staaten in einem vergleichbaren haftungsrechtlichen Zusammenhang stehen, wie dies bei der Conterganrente nach §§ 12, 13 ContStifG der Fall ist. (b) An einer Doppelleistung fehlt es auch deshalb, weil die vom Gesetzgeber weiterhin als Grundlage für die Bewertung als Doppelleistung angenommene ""Besserstellung"" der ausländischen Betroffenen nicht erkennbar ist. Nach Überzeugung des Senats mangelt es vielmehr - selbst bei einem weit bemessenen Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers - an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die gesetzgeberische Annahme einer durch die ausländischen Zahlungen bedingten und zu vermeidenden ""Besserstellung"" ausländischer Berechtigter (insbesondere) gegenüber der Gruppe der deutschen Berechtigten. In der Gesetzesbegründung wird zwar unter Hinweis darauf, in der von der Beklagten in Auftrag gegebenen Studie (DLA Piper vom Januar 2012) sei festgestellt worden, dass in 10 von 21 Ländern, ""staatliche Zahlungen in unterschiedlicher Höhe bereits erbracht wurden, laufend geleistet werden oder in Zukunft geleistet werden"", die Behauptung aufgestellt, dass ""die in den entsprechenden Ländern oder in Deutschland lebenden ausländischen Betroffenen besser gestellt"" seien ""als die deutschen Geschädigten und die Geschädigten in anderen Ländern ohne staatliche Leistungen"" (BT-Drs. 17/12678 S. 5). Diese Behauptung, die sich allein auf die vorgenannte Studie stützt, entbehrt jedoch einer tragfähigen rechtlichen und tatsächlichen Grundlage ((aa)). Eine Besserstellung lässt sich nur auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung der den Geschädigten zugutekommenden Leistungen vornehmen. Eine solche ist jedoch weder vorgenommen worden ((bb)) noch ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass eine Gesamtbetrachtung eine Besserstellung bestimmter ausländischer Berechtigter gegenüber deutschen Berechtigten ergeben könnte. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall ((cc)). (aa) Eine hinreichende Tatsachengrundlage für die genannte Behauptung der Besserstellung lässt sich schon der vorgenannten Studie nicht entnehmen. Diese listet zwar entsprechend ihrem Auftrag (vgl. S. 2 der Studie) für 21 Länder die sich nach dem Stand der damaligen Ermittlungen ergebende ""Gesamthöhe aller Leistungen an thalidomidgeschädigte Menschen im Einzelfall für die Vergangenheit, Gegenwart und sofern absehbar für die Zukunft"" auf, um auf diese Weise ""die Möglichkeit der Vergleichbarkeit mit den entsprechenden Leistungen in Deutschland"" zu eröffnen. Eine tatsächliche Bewertung dahin, dass auf der Grundlage eines Gesamtvergleichs der Leistungen die in bestimmten Ländern lebenden ausländischen Betroffenen ""besser gestellt"" seien ""als die deutschen Geschädigten und die Geschädigten in anderen Ländern ohne staatliche Leistungen"", hat die Studie weder vorgenommen noch gar entsprechende, auf bestimmte Länder bezogene Vergleichsergebnisse festgehalten. Überdies erweist sich die Studie im Hinblick darauf, welche Betroffenen ausländischer Staaten überhaupt von der Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG erfasst werden können, als differenzierter: Sie kommt zu dem Ergebnis, dass lediglich in drei Staaten (Brasilien, Irland und Italien) monatliche laufende Zahlungen erbracht werden (vgl. etwa die Übersicht auf S. 17 f. der Studie). Allein diese Zahlungen lassen sich nach den normativen Vorgaben des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG - wie oben dargelegt - auf die Conterganrente nach §§ 12, 13 ContStifG anrechnen. Jährliche Einmalzahlungen werden zwar im Vereinigten Königreich und in Nordirland erbracht. Diese Leistungen fallen jedoch bereits deshalb nicht unter den im Rahmen der Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG vorzunehmenden (Doppelleistungs- bzw. Besserstellungs-)Vergleich, weil die Begünstigten diese Leistungen von einem dortigen gemeinnützigen Treuhandfond (Charitable Trust), dem Thalidomid Trust, beziehen, der die Schadensabwicklung für andere Haftungsschuldner als die Grünenthal GmbH übernommen hat, weshalb die davon Begünstigten nicht zugleich Leistungen nach dem deutschen Conterganstiftungsrecht gemäß §§ 12, 13 ContStifG in Anspruch nehmen (können) (vgl. zur Situation im Vereinigten Königreich: DLA Piper, Studie, u.a. S. 231: Die Leistungen des Thalidomid Trust beziehen sich auf ""Geschädigte von thalidomidhaltigen Medikamenten, die im Vereinten Königreich und in bestimmten verbundenen Ländern durch das Unternehmen Distillers Ltd. auf den Markt gebracht wurden. Der Fonds dieses Trust, der durch einen sogenannten Deed of Trust am 10. August 1973 eingerichtet wurde, speist sich aus Zahlungen, die von Distillers und Unternehmen und Organisationen, die Anteile an Distillers gekauft haben, erbracht wurden. Diese Mittel wurden durch Zahlungen der Regierung ergänzt.""). Dies entspricht auch der Verwaltungspraxis der Beklagten, die ausweislich ihrer in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigten Informationen derzeit keine Anrechnungsfälle aus dem Vereinigten Königreich oder Nordirland aufweist. Vielmehr sind Anrechnungsfälle lediglich in den drei Staaten zu verzeichnen, in denen laufende monatliche Zahlungen erbracht werden. Soweit in einigen der zehn (von 21) von der Gesetzesbegründung im Jahre 2013 (BT-Drs. 17/12678 S. 5) in Betracht gezogenen Länder in der Vergangenheit Einmalzahlungen geleistet worden sind, werden diese nach den normativen Vorgaben des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG - wie oben dargelegt - nicht erfasst, weil sie allenfalls dann auf die (einmalige) Kapitalentschädigung nach § 13 ContStifG angerechnet werden dürften, wenn sie von dem ausländischen Staat in der Zeit nach dem Wirksamwerden der Anrechnungsregelung ab 1. August 2013 gezahlt worden sind. In allen Staaten, in denen ausweislich der Studie Einmalzahlungen erbracht wurden - dies sind fünf der untersuchten 21 Staaten (Kanada, Norwegen, Österreich, Schweden und Spanien) -, sind diese jedoch vor dem genannten Zeitpunkt geleistet worden. Dass weitere Einmalzahlungen in diesen oder anderen Ländern geplant sind, wird von der Studie verneint. (bb) Die Behauptung einer ""Besserstellung"" gegenüber den deutschen Berechtigten lässt sich auch nicht mittelbar anhand der genannten Studie belegen, und zwar weder für die soeben genannten drei Staaten noch für sonstige Länder, in denen Berechtigte nach §§ 12, 13 ContStifG leben und dortige Leistungen beziehen. Eine Besserstellung der in diesen Ländern lebenden ausländischen Betroffenen gegenüber den deutschen Geschädigten und den Geschädigten in anderen Ländern ließe sich nur dann in genügender Weise rechtlich und tatsachengestützt fundieren, wenn sie auf der Grundlage einer sachlich nachvollziehbaren Bewertung anhand einer Gesamtbetrachtung der Leistungen vorgenommen worden wäre oder zumindest aktuell vorgenommen werden könnte. Es ist jedoch nicht ansatzweise erkennbar, dass dies der Fall ist. Die Notwendigkeit einer Gesamtbetrachtung der Leistungen ergibt sich schon daraus, dass von einer durch Leistungen eines ausländischen Staates begründeten ""Besserstellung"" bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nur die Rede sein kann, wenn sämtliche relevanten Leistungen in den Vergleich einbezogen werden und nicht nur isoliert eine bestimmte Leistung herausgegriffen wird. In systematischer Hinsicht geht das Conterganstiftungsgesetz selbst davon aus, dass eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist. Das zeigt sich etwa an der Bestimmung über die Einkommensteuerfreiheit (§ 17 ContStifG) und insbesondere an der Regelung des § 18 ContStifG (ähnlich bereits §§ 21 und 22 StGH), welche die Leistungen (bzw. Verpflichtungen) Anderer, die den Berechtigten zu erbringen sind, in die Betrachtung mit einbezieht und das Verhältnis zu diesen Leistungen in der Weise klärt, dass eine Anrechnung mit Ausnahme von § 15 Abs. 2 Satz 1 ContStifG in keiner Weise stattfindet. Danach bleiben zum einen die Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, außer Betracht (§ 18 Abs. 1 ContStifG). Zum anderen werden Verpflichtungen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, durch dieses Gesetz nicht berührt (§ 18 Abs. 2 Satz 1 ContStifG). Sinn und Zweck dieser Regelungen ist es, dass die Conterganrente und die sonstigen Leistungen nach diesem Gesetz den Berechtigten zusätzlich zu den sonstigen (Sozial-)Leistungen in ungeschmälerter Weise zugutekommen sollen (vgl. BT-Drs. 17/12678 S. 8, wo wiederum Bezug genommen wird auf die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Stiftungsgesetz, BT-Drs. VI/926 S. 7, betreffend die Entwurfsfassung des § 4 und § 5, die inhaltsgleich als § 21 und § 22 in das Stiftungsgesetz Eingang gefunden haben). Der Gesetzgeber hat die Conterganrente damit von Anfang an im Zusammenhang mit anderen Leistungen betrachtet. Vor diesem Hintergrund ist auch die Rechtsprechung durchweg davon ausgegangen, dass es im Rahmen der verfassungsrechtlichen Überprüfung des Conterganstiftungsgesetzes (wie bereits des Stiftungsgesetzes) erforderlich ist, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, welche auch die Leistungen Anderer - wie die den thalidomidgeschädigten Menschen zugutekommenden allgemeinen Sozialleistungen - einbezieht. Bei der Überprüfung, ob die gesetzlichen Regelungen der vom Gesetzgeber mit der Stiftungslösung übernommenen (Haftungs-)Verantwortung gerecht wurden und noch werden, ist danach nur eine Gesamtbetrachtung sachgerecht, welche auch die sonstigen gesetzlichen Leistungen in den Blick nimmt, die den Betroffenen zugutekommen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <301 f.>; Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541/09, 1 BvR 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 39; BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2014 - 10 C 1.14 - BVerwGE 150, 44 Rn. 56). Dieses Verständnis liegt offenbar auch der von der Beklagten beauftragten Studie (DLA Piper) zugrunde, die neben den spezifisch an die Thalidomidschädigung anknüpfenden (speziellen) Zahlungen in den jeweiligen Ländern auch die allgemeinen staatlichen Sozialleistungen und die sonstigen Vergünstigungen (wie etwa Steuervergünstigungen etc.) in den Blick nimmt und als erforderliches Tatsachenmaterial für ""einen möglichen Vergleich"" ausweist. Die Studie geht damit der Sache nach ebenfalls und zu Recht davon aus, dass ein Vergleich, der die ""Besserstellung"" bestimmter ausländischer Betroffener begründen könnte, nur dann sachgerecht vorgenommen werden kann, wenn auch alle sonstigen, den Betroffenen in den jeweiligen Ländern zur Verfügung stehenden Leistungen und Vergünstigungen einbezogen werden. Die in der Gesetzesbegründung geäußerte Annahme einer ""Besserstellung"" der ausländischen Berechtigten erweist sich damit schon deshalb als nicht haltbar, weil der Gesetzgeber eine (nachvollziehbare) Gesamtbetrachtung im aufgezeigten Sinne tatsächlich nicht vorgenommen hat. Allein der Hinweis darauf, dass überhaupt laufende Zahlungen an bestimmte ausländische Berechtigte erbracht werden, vermag die Annahme eine Besserstellung nicht zu rechtfertigen. Aus der isolierten Betrachtung von bestimmten (monatlichen) Zahlungen, welche alle sonstigen staatlichen Leistungen, die den Berechtigten zugutekommen, ausblendet, kann nicht auf eine Besserstellung geschlossen werden. Wird dagegen aus einem Gesamtpaket von Leistungen nur eine einzelne (monatliche) herausgegriffen - wie im Ausgangsfall die monatliche Zahlung des irischen Staates -, erweist sich die Vermutung einer ""Besserstellung"" der ausländischen Betroffenen als eine ins Blaue hinein formulierte Annahme. (cc) Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass im Ergebnis eine Besserstellung bestimmter ausländischer Berechtigter angenommen werden könnte, wenn die dafür erforderliche Gesamtbetrachtung vorgenommen worden wäre. Vielmehr erscheint eher das Gegenteil der Fall zu sein. Bei Zugrundelegung einer Gesamtbetrachtung ist zunächst nicht erkennbar, dass die genannten ausländischen Berechtigten durch die Zahlung ihres Herkunftsstaates bessergestellt sind als die Gruppe der Berechtigten mit deutscher Staatsangehörigkeit, zu der rund 90 % der Geschädigten gehören. Auch und gerade im Hinblick auf die wenigen Länder (insbesondere Brasilien und Irland), in denen monatliche Zahlungen geleistet werden, liegt kein geeignetes Tatsachenmaterial vor, aus dem sich nachvollziehen ließe, dass in diesen Ländern etwa das allgemeine Niveau der den Betroffenen zugutekommenden Sozialleistungen oder sonstigen Vergünstigungen höher sein könnte oder eine Gesamtbetrachtung von Leistungen und Vergünstigungen - unter Einschluss der von § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG erfassten Zahlungen - die Annahme einer Besserstellung der ausländischen Berechtigten zu begründen vermöchte. Eine Besserstellung der betroffenen ausländischen Berechtigten ist nicht zuletzt auch deshalb nachhaltig in Zweifel zu ziehen, weil der Gesetzgeber zeitgleich mit der Einführung der Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG durch das 3. Änderungsgesetz zum Conterganstiftungsgesetz mit § 18 Abs. 2 Satz 2 bis 4 ContStifG weitere Vergünstigungen für die in Deutschland lebenden Berechtigten eingeführt hat. Für die Inanspruchnahme zahlreicher bedeutsamer Sozialleistungen entfällt für die Betroffenen damit der Sache nach das (ansonsten insbesondere unter Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen zu prüfende) Erfordernis der Bedürftigkeit. Die Regelungen des § 18 Abs. 2 Satz 2 bis 4 ContStifG dienen damit in besonderer Weise der Schonung des Einkommens und Vermögens der contergangeschädigten Menschen und ihrer Ehegatten bzw. Lebenspartner (vgl. zu dieser Zielsetzung der Regelungen die Begründung in BT-Drs. 17/13279 S. 10). Unter Hinweis auf die vorgenannte Änderung und aus weiteren Gründen hat der Kläger des Ausgangsverfahrens - ohne dass dem die Beklagte in maßgeblicher Weise entgegengetreten wäre - geltend gemacht, es sei insgesamt trotz der im Streit stehenden monatlichen Zahlungen des irischen Staates von einer Schlechterstellung der in Irland lebenden gegenüber den deutschen Berechtigten auszugehen. Der Gesetzgeber habe insbesondere durch die in § 18 ContStifG enthaltenen Regelungen einen wesentlichen Bedarf von schwer contergangeschädigten Menschen unter anderem im Rahmen der Assistenz und Pflege in einer Weise geregelt, die ausschließlich in Deutschland lebenden oder deutschen Contergangeschädigten über die im Conterganstiftungsgesetz für deutsche Sozialhilfeleistungen enthaltenen Privilegierungen zugutekomme. Ausländische bzw. im Ausland lebende Contergangeschädigte erhielten hingegen keine Leistungen der deutschen Sozialhilfe- und Eingliederungshilfe, sondern müssten ihre Assistenz- und Pflegeleistungen anders organisieren bzw. im Zweifel dafür selbst mit eigenen Mitteln aufkommen. Deshalb seien ausländische Geschädigte - obgleich sie wie die irischen Geschädigten eine monatliche Zahlung von ihrem Heimatstaat erhielten - schlechter gestellt als die deutschen Geschädigten. Der Senat kann offenlassen, ob dieser Bewertung zu folgen ist. Er sieht jedenfalls die Annahme einer ""Besserstellung"" der in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG fallenden ausländischen Berechtigten als eine in tatsächlicher Hinsicht nicht haltbare Vermutung bzw. Behauptung an. Auch gegenüber der Gruppe der ausländischen Berechtigten, die keine laufenden spezifischen Leistungen von ihrem Heimatstaat erhalten, lässt sich eine Besserstellung der von § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG erfassten ausländischen Berechtigten nicht feststellen. Dies scheitert bereits daran, dass der Gesetzgeber auch für diese Gruppen die für einen sachgerechten Vergleich zwischen diesen Ländern erforderliche Gesamtbetrachtung der den Betroffenen jeweils in ihren Ländern zugutekommenden (Sozial-)Leistungen nicht ansatzweise vorgenommen hat. Auch aus der von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen Studie (DLA Piper) ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte, die auf eine ""Besserstellung"" schließen lassen. Um eine solche zu begründen, müsste insoweit neben dem Sozialleistungsniveau und den sonstigen Vergünstigungen für Betroffene überdies berücksichtigt werden, dass rentenartige monatliche Leistungen nicht notwendig günstiger sein müssen als einmalige (höhere) Zahlungen. Deshalb wird eine Besserstellung der Betroffenen in den Ländern, in denen monatliche Zahlungen geleistet werden, auch dadurch in Frage gestellt, dass ausweislich der von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen Studie in anderen in den Vergleich einzubeziehenden ausländischen Staaten relativ hohe einmalige Leistungen erbracht worden sind, welche von der Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG nicht (mehr) erfasst werden. Dies gilt für mehrere in der Studie aufgeführte Länder (zu den Einmalzahlungen in Kanada, Norwegen, Österreich, Schweden und Spanien vgl. etwa den Überblick auf S. 17 f. der Studie DLA Piper). (4) Selbst wenn das eingesetzte Mittel der Anrechnung entgegen den vorstehenden Erwägungen noch als geeignet anzusehen wäre, fehlt es nach Überzeugung des Senats jedenfalls an der Angemessenheit bzw. Zumutbarkeit des Eingriffs in das Eigentum. Die an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne einschließlich der an sie unter Vertrauensschutz- und Gleichheitsgesichtspunkten zu stellenden Anforderungen (BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2018 - 1 BvR 97/14 - BVerfGE 149, 86 Rn. 85 m.w.N.) sind im vorliegenden Zusammenhang nicht gewahrt. Bei der gebotenen Abwägung kommt hier den berechtigten Interessen der Betroffenen ein nicht unerheblich größeres Gewicht zu als den öffentlichen Belangen, die der Gesetzgeber mit der Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG verfolgt. Die Eigentumspositionen der von der Anrechnungsregelung betroffenen ausländischen Berechtigten sind in einem hohen Maße schutzbedürftig ((a)). Dies wird durch ein berechtigtes Vertrauen der Betroffenen auf den Fortbestand der ungeschmälerten Weitergewährung der Conterganrente verstärkt ((b)). Das Gewicht der öffentlichen Interessen an der Anrechnungsregelung ist demgegenüber als deutlicher geringer zu werten und vermag sich bei einer Gesamtabwägung nicht durchzusetzen ((c)). (a) Die fortgesetzte ungeschmälerte Gewährung der Conterganrente nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ContStifG ist in einem erhöhten Maße schutzbedürftig. Besonderen Schutz genießt das Eigentum, wenn es für die Sicherung der persönlichen Freiheit des Eigentümers wichtig ist oder sonst einen besonderen personalen Bezug aufweist (Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG , 15. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 43 m.w.N.). Ein solcher die Gewährleistung des Eigentums sichernder und abwehrender Gehalt besteht in besonderem Maße für Ansprüche, die den Charakter eines Äquivalents für Einbußen an Lebenstüchtigkeit besitzen (BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2004 - 1 BvR 1804/03 - BVerfGE 112, 93 <107>) und die sich - wie die Conterganrente - für die weitere Lebensgestaltung der Betroffenen von hervorragender und unter Umständen existenzieller Bedeutung erweisen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <293>). Diese Bedeutung und erhöhte Schutzwürdigkeit der Conterganrente hat auch der Gesetzgeber durchweg anerkannt (vgl. BT-Drs. 17/12678 S. 8: ""... tragen der besonderen Schutzbedürftigkeit der Betroffenen Rechnung""). Dementsprechend verfolgte bereits das Stiftungsgesetz die Zielsetzung, den Betroffenen die Conterganrente ""ungeschmälert"" zukommen und auch keine mittelbaren Kürzungen vornehmen zu lassen (so bereits deutlich die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drs. VI/926 S. 7). Dies fand seinen Niederschlag in der Regelung des § 22 StHG , wonach Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, durch dieses nicht berührt wurden und auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, nicht deshalb versagt werden dürfen, weil nach diesem Gesetz entsprechende Leistungen vorgesehen sind. Bereits diese Vorschrift - die ihre inhaltliche und in ihrer Reichweite noch darüber hinaus gehende Folgeregelung in § 18 ContStifG gefunden hat (vgl. zu deren entsprechender Zwecksetzung: BT-Drs. 17/12678 S. 8) - trug dem oben dargelegten Charakter der Conterganrente als Entschädigungsanspruch Rechnung. Für die in gesetzliche Ansprüche (auf Conterganrente und Kapitalentschädigung) umgewandelten Vergleichs- bzw. Haftungsansprüche sollte Ähnliches gelten, was für die ursprünglichen haftungsrechtlichen Ansprüche der Betroffenen gegen die Verantwortlichen (insbesondere die Firma Grünenthal GmbH) gegolten hat. Weil die Bundesrepublik Deutschland mit dem Stiftungsgesetz die Verantwortung für die Abwicklung der Schadensfälle übernommen hat und an die Stelle der zivilrechtlichen Haftungsschuldner getreten ist, muss sie sich insoweit grundsätzlich so behandeln lassen, wie die ursprünglichen Schuldner dies hätten tun müssen. Insoweit entspricht es einem allgemeinen und für alle Ansprüche aus unerlaubter Handlung wie auch aus besonderen Haftungsgesetzen geltenden Prinzip, dass ein Schädiger nicht durch Leistungen Dritter entlastet werden darf und deshalb deren Anrechnung im Wege des Vorteilsausgleichs nicht in Betracht kommt (vgl. etwa BGH, Urteile vom 4. April 2000 - XI ZR 48/99 - BGHZ 144, 151 Rn. 30 und vom 5. Februar 2013 - VI ZR 363/11 - NJW 2013, 1151 Rn. 23 m.w.N.; Rüßmann, in: jurisPK- BGB , 9. Aufl. 2020, § 843 Rn. 6; Kersting, WuW 2020, 619 <628> jeweils m.w.N.). Insbesondere findet nach zivilrechtlichen Haftungsgrundsätzen eine Anrechnung der dem Geschädigten zugutekommenden freiwilligen Leistungen Dritter nicht statt (vgl. etwa Rüßmann, in: jurisPK- BGB , 9. Aufl. 2020, § 249 Rn. 55 m.w.N.). In Anerkennung dessen hat das Stiftungsgesetz in § 18 Abs. 2 eine Anrechnung der Leistungen Dritter nur vorgesehen, wenn es sich dabei um ""andere mögliche Verantwortliche"", also andere Haftungsschuldner, handelt. Diese Regelung findet sich heute nahezu inhaltsgleich in § 15 Abs. 2 Satz 1 ContStifG. Dies war konsequent, weil eine Anrechnung bzw. ein interner Ausgleich auch nach zivilem Haftungsrecht nur unter Gesamtschuldnern, also ""mehreren nebeneinander Verantwortlichen"" (vgl. § 840 Abs. 1 BGB ) in Betracht gekommen wäre (vgl. etwa OLG Celle, Urteil vom 17. Mai 2001 - 14 U 175/00 - VRS 102, 263 ). Demgegenüber findet mit der Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG entgegen den oben genannten Grundsätzen nunmehr der Sache nach eine Anrechnung von (freiwilligen) Leistungen Dritter, nämlich ausländischer Staaten statt, die den Geschädigten zugutekommen sollen und nicht demjenigen, der die Haftungsverantwortung für den Schädiger übernommen hat. (b) Das in die Abwägungsentscheidung einzustellende Gewicht der berechtigten Interessen der Betroffenen wird durch ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand der ungeschmälerten Weitergewährung der Conterganrente verstärkt. Der Eingriff in entstandene und von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechte muss durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein, wobei die Gründe des öffentlichen Interesses, die für einen solchen Eingriff sprechen, so schwerwiegend sein müssen, dass sie Vorrang haben vor dem Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand seines Rechts, das durch den Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG innewohnenden Bestandsschutz gesichert wird (BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 - BVerfGE 143, 246 Rn. 269 m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt ausgesprochen, dass es eine wesentliche Funktion der Eigentumsgarantie ist, dem Bürger Rechtssicherheit hinsichtlich der durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Güter zu gewährleisten und das Vertrauen auf das durch die verfassungsmäßigen Gesetze ausgeformte Eigentum zu schützen. Insoweit hat der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes für die vermögenswerten Güter im Eigentumsgrundrecht eine eigene Ausprägung und verfassungsrechtliche Ordnung erfahren (BVerfG, Beschluss vom 24. März 1998 - 1 BvL 6/92 [ECLI: DE: BVerfG: 1998: ls19980324.1bvl000692] - BVerfGE 97, 378 <388> m.w.N.). Das Vertrauen der Berechtigten auf den unveränderten Fortbestand einer über viele Jahre gewährten Rechtsposition ist grundsätzlich hoch einzuschätzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 1998 - 1 BvL 6/92 - BVerfGE 97, 378 <388> m.w.N. und Kammerbeschluss vom 14. März 2001 - 1 BvR 2402/97 [ECLI: DE: BVerfG: 2001: rk20010314.1bvr240297] - NZA 2001, 687 f.). Im Hinblick auf die Conterganrente hat auch der Gesetzgeber eine solch schützenswerte Vertrauensposition der Betroffenen anerkannt. Leistungsberechtigte dürfen nach dessen gefestigter Auffassung ""auf den Fortbestand ihrer gesetzlichen Leistungsansprüche - insbesondere auf die Gewährung der lebenslänglichen monatlichen Conterganrente - grundsätzlich vertrauen"" (so zuletzt die Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD im Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes ). Dass dies auch und gerade für die ausländischen Berechtigten gilt, entspricht der im Gesetzgebungsverfahren wiederholt und einhellig geäußerten Ansicht (vgl. zum Vertrauensschutz auf den Fortbestand der Conterganrente und zum Erfordernis des Schutzes der in Brasilien lebenden Berechtigten: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 17. Juni 2020 ). (c) Gegenüber den vorgenannten gewichtigen Belangen der Betroffenen treten die öffentlichen Interessen, deren Wahrung der Gesetzgeber mit der Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG in den Blick genommen hat, in den Hintergrund. Das vom Gesetzgeber ausdrücklich verfolgte Ziel der Vermeidung von Doppelleistungen bzw. der Vermeidung einer ""Besserstellung"" ist - wie oben dargelegt - mit der Anrechnungsregelung nicht zu erreichen und fällt damit als in die Abwägung einzustellender Gemeinwohlbelange aus. Selbst wenn man dies anders beurteilte und noch berücksichtigte, dass der Gesetzgeber auch Einsparungen für die öffentlichen Haushalte in Blick genommen haben könnte, wären die Wirkungen der Anrechnungsregelung für die Betroffenen im Ergebnis nicht zumutbar. Die dargelegten schutzwürdigen Belange der Betroffenen sind jedenfalls so gewichtig, dass sie sich in der Gesamtabwägung zwischen Eigentums- und besonderem Vertrauensschutz auf der einen sowie der für die Regelung gegebenenfalls noch sprechenden Gemeinwohlgründe auf der anderen Seite in der Weise durchsetzen, dass sich der mit der Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG verbundene Eingriff in ihre geschützten Rechtspositionen als im engeren Sinne unverhältnismäßig erweist. Hieran ändert sich nichts, wenn man einen größeren Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung mit der Erwägung annähme, dass die nunmehr gewährte Höhe der Conterganrente (zu einem unbestimmten) Teil auch auf sozialstaatliche Erwägungen gestützt ist. Zwar würde eine solche sozialstaatlich motivierte ""Zusatzkomponente"" den personalen Bezug des Eigentumsschutzes der Conterganrente um einen sozialen Bezug erweitern. Dieser soziale Bezug ist aber jedenfalls nicht von einem derart hohen Gewicht wie es etwa bei Rentenansprüchen aus dem Sozialversicherungssystem der Fall ist, die sich von den Rechten und Pflichten anderer nicht lösen lassen, weil sie eingefügt sind in einen Gesamtzusammenhang, der auf dem Gedanken der Solidargemeinschaft und des ""Generationenvertrages"" beruht (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 u.a. - BVerfGE 53, 257 <292>). Prägend für den Charakter der Conterganrente, auch soweit es die Leistungsanpassung in der Vergangenheit mit Blick auf eine veränderte Bedarfslage angeht, bleibt vielmehr ihre haftungsrechtliche Verwurzelung. Es kommt hinzu, dass die in Rede stehende Kürzung ersichtlich nicht zur Erhaltung oder Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Leistungssystems Conterganstiftung unter Einschluss der hierfür aufgewendeten staatlichen Zuschüsse erfolgt ist. Dagegen spricht schon, dass der Gesetzgeber eine (unterstellte) Kürzung zu Einsparungszwecken nur für die Gruppe der ausländischen Leistungsberechtigten vorgenommen hat, während er den Umfang der gesamten staatlichen Leistungen an die inländischen Berechtigten durch die gleichzeitig erfolgte Änderung des § 18 Abs. 2 ContStifG sogar noch deutlich ausgeweitet hat. Insoweit ist zugunsten des Eigentumsschutzes auch zu berücksichtigen, dass die Anrechnungsregelung für die Betroffenen zu einer vollständigen Entwertung der ausländischen (Renten-)Zahlungen führt. Deren Zwecksetzung, den Betroffenen zu dienen, wird damit vereitelt. Das zeigt sich deutlich an der im Ausgangsfall in Rede stehenden monatlichen Zahlungen des irischen Staates, welche die deutsche Conterganrente ergänzen sollen. In Folge der Anrechnung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG kommen die ausländischen Zahlungen über eine Kürzung der Conterganrente letztlich allein dem Haushalt des Bundes zugute. Die Entwertung der Zahlungen ist vor dem Hintergrund der Wertungen des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG auch deshalb nicht zumutbar, weil von den ausländischen Betroffenen letztlich nur diejenigen zur Anrechnung herangezogen werden, die eine laufende monatliche Zahlung erhalten. Dies stellt sich etwa auch im Verhältnis zu denjenigen ausländischen Betroffenen, denen in den letzten Jahrzehnten von ihren Heimatstaaten (höhere) einmalige Zahlungen (aber keine monatlichen Zahlungen) gewährt worden sind, als unverhältnismäßig dar, weil diese Zahlungen - wie oben dargelegt - von § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG nicht erfasst werden. Ein sachlicher Grund für die Differenzierung, die jedenfalls in ihren faktischen Auswirkungen darauf hinausläuft, dass nur laufende monatliche Zahlungen ausländischer Staaten erfasst werden, ist nicht ersichtlich. cc) Schließlich genügt die Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG jedenfalls wegen ihrer gleichheitswidrigen Auswirkungen nicht den Rechtfertigungsanforderungen, die an Inhalts- und Schrankenbestimmungen zu stellen sind. Der Gesetzgeber ist bei Eingriffen in das Eigentumsgrundrecht verpflichtet, die Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung steht mit der verfassungsrechtlichen Vorstellung eines sozial gebundenen Eigentums nicht in Einklang (BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2004 - 1 BvR 1804/03 - BVerfGE 112, 93 <109> m.w.N.). Bei der inhaltlichen Festlegung von Eigentümerbefugnissen und -pflichten ist der Gesetzgeber auch an den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden (BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 - BVerfGE 143, 246 Rn. 268; Beschluss vom 18. Juli 2019 - 1 BvL 1/18 - NJW 2019, 3054 Rn. 92). Inhalts- und Schrankenbestimmungen sind nur verhältnismäßig und zulässig, wenn sie gleichheitsgerecht ausgestaltet sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 8/07 - BVerfGE 126, 331 <360, 366>). Dies ist hier nicht der Fall. Die streitbefangene Anrechnungsregelung vermag wegen ihrer gleichheitswidrigen Wirkungen den Eingriff in die Eigentumsgarantie der Betroffenen nicht zu rechtfertigen. Sie verstößt auch bei gesonderter Betrachtung - wie nachfolgend darzulegen ist - gegen Art. 3 Abs. 1 GG . 3. § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG ist nach Überzeugung des Senats mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen (BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 [ECLI: DE: BVerfG: 2011: rs20110621.1bvr203507] - BVerfGE 129, 49 <68 f.>; Urteil vom 10. April 2018 - 1 BvL 11/14 [ECLI: DE: BVerfG: 2018: ls20180410.1bvl001114] - BVerfGE 148, 147 Rn. 94 jeweils m.w.N.). Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Ausschluss, bei dem eine Begünstigung dem einem Personenkreis gewährt, dem anderen aber vorenthalten wird (BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 <68> m.w.N.). Die Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG bewirkt eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (a), die sich nicht verfassungsrechtlich rechtfertigen lässt (b). a) Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts liegt eine verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem vor. aa) Als wesentlich gleich zu bewerten ist die unter einen gemeinsamen Oberbegriff fallende und durch einen wesentlich gleichen Sachverhalt verbundene Personengruppe der durch thalidomidhaltige Präparate der Firma Grünenthal GmbH geschädigten Menschen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese mit dem Oberbegriff der ""Gemeinschaft aller Contergangeschädigten"" umrissen und als ""Schicksalsgemeinschaft"" bezeichnet (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <303>). Gemeinsame Bezugsgruppe, unter die die verschieden behandelten Personen fallen, ist danach die Personengruppe der nach dem Conterganstiftungsgesetz (§ 12 ContStifG) berechtigten Geschädigten, d.h. diejenigen, denen wegen Fehlbildungen, die mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Firma Grünenthal GmbH durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden, eine Entschädigung - insbesondere die Conterganrente und die Kapitalentschädigung - gemäß § 13 ContStifG zusteht. Diese Gruppe besteht aktuell aus ca. 2 600 Anspruchsberechtigten, von denen ca. 10 % im Ausland leben. bb) Für einen ganz überwiegenden Teil dieser Gruppe - dies sind die aus dem vorgenannten Grund gegenüber der Beklagten berechtigten Deutschen und die ausländischen Berechtigten, die keine spezifischen (Renten-)Leistungen ihres Heimat- bzw. Aufenthaltsstaates erhalten - kann eine Anrechnung nach der gesetzlichen Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG aus rechtlichen Gründen nicht stattfinden - wie deren oben dargelegte Auslegung unzweifelhaft ergeben hat- und findet auch tatsächlich nach der Verwaltungspraxis der Beklagten nicht statt. Dies wird auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Im Hinblick auf die im Ausgangsverfahren im Streit stehende Conterganrente wird durch § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG aus dem Kreise der nach dem Conterganstiftungsgesetz Leistungsberechtigten die Gruppe der Thalidomidgeschädigten, die spezifische Zahlungen von ausländischen Staaten erhält, anders behandelt und schlechter gestellt als die Gruppe der übrigen Leistungsberechtigten. Diese (kleinere) Gruppe der nach §§ 12, 13 ContStifG Berechtigten erhält die Conterganrente wegen der Anrechnung von bestimmten Leistungen Dritter nur in dem durch den Betrag der anderweitigen Zuwendung gekürzten Umfang, während die Angehörigen der anderen (größeren) Gruppe, zu der insbesondere die inländischen Berechtigten gehören, die Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz in ungeschmälerter Höhe beziehen, ohne dass Leistungen Dritter (wie etwa sonstige Sozialleistungen des deutschen Staates oder in der Vergangenheit erbrachte Einzelleistungen anderer Staaten) angerechnet werden. Dies führt dazu, dass Personen mit gleich bewerteten Schädigungsfolgen in Abhängigkeit von ihrer Gruppenzugehörigkeit Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz in unterschiedlicher Höhe erhalten (vgl. insoweit auch zur Annahme einer Ungleichbehandlung, wenn innerhalb der Gruppe der Bezieher von Kindergeld eine kleine Gruppe von Berechtigten durch die Anrechnung von ausländischen Kindergeldzahlungen einen Nachteil erleidet: BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412 <437>; vgl. ferner zu der in einer Anrechnung von Schmerzensgeld liegenden Ungleichbehandlung: BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 1 BvR 293/05 [ECLI: DE: BVerfG: 2006: rs20060711.1bvr029305] - BVerfGE 116, 229 <240>). cc) Bereits aus den vorstehenden Gründen vermag der Senat nicht der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts zu folgen, dass mit Blick auf bestimmte Leistungen Anderer unterschiedliche Sachverhalte vorlägen, die sodann auch unterschiedlich behandelt werden könnten, und der Gesetzgeber durch die Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG letztlich eine Gleichbehandlung vornehme. Soweit dem die Annahme zugrunde liegen sollte, die ausländischen Zahlungen führten zu einer Besserstellung der Empfänger und seien deshalb als Doppelleistungen anzusehen, die aus Gründen der Gleichbehandlung zu kürzen seien, liegt dem ein - wie oben dargelegt - nicht tragfähiger Ansatz zugrunde. Überdies ist der Ansatz des Oberverwaltungsgerichts, dass unterschiedliche Sachverhalte vorlägen, die mit der Anrechnung gleich behandelt würden, auch deshalb abzulehnen, weil das Oberverwaltungsgericht damit der Sache nach das vom Gesetzgeber gewählte, die Schlechterstellung einer Gruppe verursachende Differenzierungskriterium heranzieht, um eine verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung zu verneinen. Damit wird die auf der Rechtfertigungsebene zu behandelnde Frage, ob das gewählte Differenzierungskriterium durch einen verfassungsrechtlich tragenden Grund gerechtfertigt ist, in einer dem Zweck des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gerecht werdenden Weise umgangen und in methodisch nicht zulässiger Weise vorverlagert. Diese Vorgehensweise des Oberverwaltungsgerichts steht auch im Widerspruch dazu, dass es jedenfalls eine ""faktische Ungleichbehandlung"" angenommen hat, die sich auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen, an die der Senat gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO ), daraus ergibt, ""dass rein tatsächlich typischerweise nur bei nichtdeutschen, nicht aber bei deutschen Contergangeschädigten eine Anrechnung einer weiteren, auf ausländischer Rechtsgrundlage beruhenden Zahlung erfolgt"" (UA S. 33). b) Die nach alledem durch § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG bedingte Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG unterliegt erhöhten Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung (aa), für die tragfähige Gründe von solcher Art und solchem Gewicht, welche die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten, nach Überzeugung des Senats nicht vorliegen (bb). aa) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 [ECLI: DE: BVerfG: 2007: fs20070313.1bvf000105] - BVerfGE 118, 79 <100> und vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 <68> m.w.N.). Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Normgeber regelmäßig engen rechtlichen Bindungen. Dies gilt auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <100> m.w.N.). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist auch dann anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (BVerfG, Urteil vom 10. April 2018 - 1 BvL 11/14 - BVerfGE 148, 147 Rn. 95 m.w.N.). Die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen steigen ferner auch dann bis hin zu einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung, wenn und soweit sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann (BVerfG, Beschluss vom 19. November 2019 - 2 BvL 22/14 u.a. [ECLI: DE: BVerfG: 2019: ls20191119.2bvl002214] - BVerfGE 152, 274 Rn. 96 m.w.N.). Im Übrigen hängt das Maß der Bindung unter anderem davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Kriterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 <69> und Urteil vom 10. April 2018 - 1 BvL 11/14 - BVerfGE 148, 147 Rn. 95, jeweils m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen ist die hier in Rede stehende Ungleichbehandlung nicht nur am bloßen Willkürverbot, sondern an den strengeren Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen. Denn die mit der Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG verbundene Kürzung der Conterganrente bewirkt - wie oben dargelegt - eine Ungleichbehandlung von Personengruppen und stellt sich überdies als eine unmittelbare Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Eigentumsgarantie der Gruppe jener im Ausland lebenden Berechtigten dar, deren eigentumsrechtlich geschützte Ansprüche auf die Conterganrente von der Anrechnungsregelung negativ betroffen sind. Dabei ist es für die Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht notwendig entscheidend, dass die im Streit stehende Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG - wie dargelegt - gegen die Eigentumsgarantie verstößt. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen erschöpfen sich auch dann nicht im bloßen Willkürverbot, sondern unterliegen strengeren Bindungen, wenn die gesetzgeberische Maßnahme zwar im Ergebnis mit einem Freiheitsrecht vereinbar ist, aber gleichwohl in rechtfertigungsbedürftiger Weise in dessen Schutzbereich eingreift (BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 1 BvL 14/07 [ECLI: DE: BVerfG: 2012: ls20120207.1bvl001407] - BVerfGE 130, 240 ; vgl. auch Britz, NJW 2014, 346 <349>). Selbst wenn hier also - anders als vom Senat angenommen - Art. 14 Abs. 1 GG für sich genommen nicht verletzt wäre, wäre das verfassungsrechtliche Eigentumsrecht durch die im Streit stehende gesetzgeberische Maßnahme jedenfalls - wie oben erläutert - beeinträchtigt. Zumindest und jedenfalls aus dieser Betroffenheit von Freiheitsrechten ergibt sich, dass die Ungleichbehandlung nur zu rechtfertigen ist, wenn sie den höheren Rechtfertigungsanforderungen gerecht wird. Das ist hingegen nicht der Fall. bb) Den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG nach Überzeugung des Senats nicht. Obgleich der Gesetzgeber mit der Vermeidung von Doppelleistungen an sich ein legitimes Ziel verfolgt, stellt dieses Ziel schon deshalb keinen tragfähigen verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsgrund für eine die Gruppe der betroffenen ausländischen Berechtigten benachteiligende Anrechnung dar, weil es nicht um Leistungen mit gleicher Zweckbestimmung geht ((1)). Überdies fehlt es nach Überzeugung des Senats bereits an der Geeignetheit des gewählten Mittels, das gesetzliche Ziel zu erreichen, jedenfalls aber an seiner Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ((2)). (1) Regelungen, die dem Ziel dienen, eine Doppelleistung bzw. Doppelversorgung mit Leistungen zu verhindern, können nur dann einen den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügenden rechtfertigenden Grund für eine Ungleichbehandlung darstellen, wenn es sich tatsächlich um Doppelleistungen handelt, d.h. um Leistungen, welche die gleiche Zweckbestimmung aufweisen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. März 1980 - 1 BvL 20/76, 1 BvR 826/76 - BVerfGE 53, 313 <331> und vom 14. Oktober 1997 - 1 BvL 5/89 [ECLI: DE: BVerfG: 1997: ls19971014.1bvl000589] - BVerfGE 96, 315 <328>). Der Gesichtspunkt der Vermeidung von Doppelleistung ist grundsätzlich nur dann als hinreichend gewichtiger Grund für eine Ungleichbehandlung anzusehen, wenn die anzurechnende (ausländische) Leistung in ihrer Funktion tatsächlich mit der anderen (deutschen) Leistung vergleichbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412 <441>). Das ist - wie oben ausführlich dargelegt - hier nicht der Fall. (2) Für die durch § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG bewirkte Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG liegt auch deshalb kein tragfähiger Grund von solcher Art und solchem Gewicht vor, der die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnte, weil nicht erkennbar ist, dass das Differenzierungskriterium geeignet ist, das mit der Anrechnungsregelung verfolgte gesetzgeberische Ziel zu erreichen. Das vom Gesetzgeber gewählte Mittel, im Falle der von § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG erfassten ausländischen Zahlungen eine Anrechnung auf die Conterganrente vorzunehmen und damit die Leistungen der genannten ausländischen Berechtigten im Auszahlungsbetrag zu kürzen, ist, obgleich dem Gesetzgeber insoweit ein Einschätzungsspielraum zukommt ((aa)), nicht zur Förderung des gesetzgeberischen Zieles geeignet und stellt sich jedenfalls als nicht verhältnismäßig im engeren Sinne dar ((bb)). (aa) Der dem Gesetzgeber auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG für die Beurteilung der tatsächlichen Grundlagen einer Regelung einzuräumende Einschätzungsspielraum findet seine Grenze ebenfalls dort, wo sich deutlich erkennbar abzeichnet, dass eine Fehleinschätzung vorgelegen hat (BVerfG, Urteil vom 11. Juli 2017 - 1 BvR 1571/15 [ECLI: DE: BVerfG: 2017: rs20170711.1bvr157115] - BVerfGE 146, 71 Rn. 159 m.w.N.). Mit zunehmender und hier gebotener Strenge und dadurch steigender verfassungsrechtlicher Kontrolldichte sinkt die Einschätzungsprärogative, die dem Gesetzgeber - insbesondere im Rahmen der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Geeignetheit des Mittels - bei der tatsächlichen Beurteilung der Ausgangslage und der möglichen Auswirkungen zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1993 - 1 BvL 38, 40, 43/92 - BVerfGE 88, 87 <97>; Britz, NJW 2014, 346 <351>). Eine Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung kommt dann nicht in Betracht, wenn die angegriffene Regelung das vom Gesetzgeber damit angestrebte Ziel tatsächlich verfehlt (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 22, 34/95 [ECLI: DE: BVerfG: 1999: ls19990428.1bvl002295] - BVerfGE 100, 59 <93>). Es bedarf zumindest sachbezogener Anhaltspunkte, dass die Erreichung des Zieles möglich ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 11/94 [ECLI: DE: BVerfG: 1999: ls19990428.1bvl001194] - BVerfGE 100, 138 <181>). Insoweit müssen noch hinreichende Erkenntnisse vorhanden sein; der Gesetzgeber muss eine vorgenommene Gruppenbildung auf einschlägige Tatsachen stützen können (BVerfG, Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 22, 34/95 - BVerfGE 100, 59 <95 f.>). (bb) Nach diesem Maßstab stellt die gesetzgeberische Zielsetzung, durch die Anrechnung von ausländischen Zahlungen Doppelleistungen zu vermeiden, schon deshalb keinen tragfähigen, durch hinreichende Erkenntnisse gestützten Grund für die Ungleichbehandlung dar, weil die Einschätzung des Gesetzgebers, dass es sich bei der gemäß §§ 12, 13 ContStifG gewährten Conterganrente (und Kapitalentschädigung) einerseits und den von § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG erfassten und nach dieser Regelung anzurechnenden Zahlungen ausländischer Staaten andererseits um zweckgleiche Leistungen handelt, - wie oben dargelegt - nicht zutrifft. Weil schon keine Doppelleistung vorliegt können die ausländischen Zahlungen - wie oben dargelegt - schon bei gesonderter Betrachtung keine ""Besserstellung"" derjenigen ausländischen Berechtigten bewirken, die sie erlangen. Unabhängig davon fehlt es nach Überzeugung des Senats - selbst bei einem weiter bemessenen Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers - jedenfalls auch - wie oben dargelegt - an einer tragfähigen Tatsachengrundlage dafür, überhaupt von einer durch die ausländischen Zahlungen bedingten und zu vermeidenden ""Besserstellung"" der ausländischen Berechtigten insbesondere gegenüber deutschen Berechtigen auszugehen. Das vom Gesetzgeber gewählte Mittel der Anrechnung der genannten ausländischen Zahlungen auf die Conterganrente ist damit weder zur Förderung des gesetzgeberischen Zieles geeignet noch stellt es sich als verhältnismäßig im engeren Sinne dar (insoweit wird auf die obigen Ausführungen zu Art. 14 Abs. 1 GG verwiesen, die hier entsprechend gelten). 4. Einer verfassungskonformen Auslegung ist die Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG nicht zugänglich. Dabei geht der Senat mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon aus, dass ein Gesetz nur dann verfassungswidrig ist, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diese geboten. Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung endet allerdings dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch tritt. Anderenfalls könnten die Gerichte der rechtspolitischen Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers vorgreifen oder diese unterlaufen. Das Ergebnis einer verfassungskonformen Auslegung muss demnach nicht nur vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein, sondern auch die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahren (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 11. Juli 2013 - 2 BvR 2302/11, 2 BvR 1279/12 [ECLI: DE: BVerfG: 2013: rs20130711.2bvr230211] - BVerfGE 134, 33 Rn. 77 und vom 16. Dezember 2014 - 1 BvR 2142/11 [ECLI: DE: BVerfG: 2014: rs20141216.1bvr214211] - BVerfGE 138, 64 Rn. 86, jeweils m.w.N.; vgl. ferner etwa BVerwG, Urteile vom 6. November 2014 - 5 C 36.13 [ECLI: DE: BVerwG: 2014: 061114U5C36.13.0] - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 47 Rn. 16 und vom 29. November 2018 - 5 C 10.17 [ECLI: DE: BVerwG: 2018: 291118U5C10.17.0] - BVerwGE 164, 23 Rn. 41). Im Hinblick auf die nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG und die nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG käme eine verfassungskonforme Auslegung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG gegebenenfalls dann in Betracht, wenn sich der Anwendungsbereich dieser Norm darauf reduzieren ließe, dass sie nur solche Zahlungen ausländischer Staaten erfasst, die - wie die Leistung der Conterganrente - einen schadensersatzrechtlichen Kern oder Ursprung aufweisen. In diesem Fall, der anzunehmen sein könnte, wenn ein Staat ähnlich wie die Bundesrepublik Deutschland die Verantwortung für die Folgen der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate während der Schwangerschaft übernommen hätte, könnte zwar die Verfassungskonformität des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG angenommen werden, die Vorschrift liefe dann jedoch - wie oben im Hinblick auf ihren rechtstatsächlichen Anwendungsbereich dargelegt - praktisch leer. Eine dahingehende verfassungskonforme Auslegung ist jedenfalls deshalb nicht zulässig, weil sie der eindeutigen insbesondere systematischen und teleologischen Auslegung der Norm - wie diese oben erläutert worden ist - widerspräche. Insbesondere verbietet sich eine derartig einschränkende Auslegung angesichts des klar und unmissverständlich in der Begründung des Gesetzentwurfs (vgl. BT-Drs. 17/12678 S. 5) zum Ausdruck gebrachten Willens, den sich der Gesetzgeber mit dem Gesetzesbeschluss zu eigen gemacht hat. Danach soll die Anrechnungsregelung ohne Einschränkung alle (laufenden) Zahlungen ausländischer Staaten erfassen, die wegen einer Thalidomidschädigung geleistet werden (BT-Drs. 17/12678 S. 5). Eine Begrenzung auf Zahlungen ausländischer Staaten mit schadensersatzrechtlichem Kern oder Ursprung widerspräche dem gesetzgeberischen Willen. Der Gesetzentwurf nimmt ausdrücklich die in der von der Beklagten in Auftrag gegebenen vergleichenden Studie vom 31. Januar 2012 in einer Übersicht aufgeführten zehn Staaten in den Blick, die staatliche Leistungen wegen der Thalidomidschädigung gegenwärtig oder zukünftig erbringen oder erbracht haben und ordnet diese als ""staatliche Doppelleistungen"" ein, die von der Anrechnung erfasst werden sollen (BT-Drs. 17/12768 S. 5). Aus der angesprochenen Übersicht ergibt sich, dass jedenfalls - wie im Falle der irischen Zahlung - auch solche Zahlungen erfasst werden sollen, die keinen irgendwie gearteten schadensersatzrechtlichen Bezug aufweisen und bei denen der Staat nicht die Verantwortung für das Handeln dort ansässiger pharmazeutischer Unternehmen hat übernehmen wollen. 5. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Vorinstanz: VG Köln, vom 03.11.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 7 K 7211/13 Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 02.07.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 16 A 44/16 © copyright - Deubner Verlag, Köln" bverwg_2021-23,15.04.2021,"Pressemitteilung Nr. 23/2021 vom 15.04.2021 EN Reise des vorlegenden Richters zur mündlichen Verhandlung des EuGH keine Dienstreise Ein Richter, der ein Verfahren aussetzt, um dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Fragen des Unionsrechts zur Vorabentscheidung vorzulegen, hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten seiner Reise zum Besuch der mündlichen Verhandlung des EuGH in diesem Verfahren. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht. Im Jahr 2015 legte sein Senat dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor. Nachdem der EuGH dem Senat des Klägers mitgeteilt hatte, dass Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt worden sei, entschloss sich der Kläger, zur mündlichen Verhandlung des EuGH nach Luxemburg zu reisen. Dies zeigte er der Präsidentin des Oberlandesgerichts mit dem Hinweis an, dass es sich um eine Reise im Rahmen richterlicher Spruchtätigkeit handele, die keiner Anordnung oder Genehmigung bedürfe. Die Präsidentin lehnte es ab, eine Dienstreise zu genehmigen. Zur Begründung führte sie aus, eine Anwesenheit des Klägers bei der mündlichen Verhandlung des EuGH sei weder im Rahmen richterlicher Spruchtätigkeit noch aus sonstigen Gründen geboten. Es werde angeregt, Sonderurlaub zu beantragen. Der Kläger beantragte hilfsweise Sonderurlaub, der ihm auch gewährt wurde, und reiste nach Luxemburg. Sein anschließend gestellter Antrag auf Erstattung der Reisekosten in Höhe von rund 840 € wurde abgelehnt. Die Klage auf Erstattung der Reisekosten und auf Feststellung, dass es sich bei der Reise zum EuGH um eine genehmigungsfreie Dienstreise gehandelt habe sowie auf weitere Feststellungen ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung seiner Reisekosten. Zwar bedürfen Dienstreisen zur Durchführung richterlicher Amtsgeschäfte keiner Genehmigung. Das Vorliegen einer solchen richterlichen Amtshandlung ist indes nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Der Besuch einer mündlichen Verhandlung des EuGH durch einen Richter des vorlegenden mitgliedstaatlichen Gerichts in einem zur Vorabentscheidung nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ausgesetzten Verfahren ist kein richterliches Amtsgeschäft. Ein solcher Besuch kann vielmehr allein der Fort- und Weiterbildung des mitgliedstaatlichen Richters dienen. In dem ausgesetzten Verfahren hat der mitgliedstaatliche Richter keine Möglichkeit, Beweis zu erheben. Außerdem ist der Anspruch des mitgliedstaatlichen Richters auf unmittelbare und genehmigungsfreie Kommunikation zwischen dem EuGH und dem nationalen Gericht auf schriftlichen, telefonischen und digitalen Dialog angelegt. Reisetätigkeiten erfasst dieser Dialog nicht. Fußnote: Anhang: Art. 267 AEUV [1] Der Gerichtshof der Europäischen Union entscheidet im Wege der Vorabentscheidung a) über die Auslegung der Verträge, b) über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union. [2] Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen. [3] Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet. [4] Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren, das eine inhaftierte Person betrifft, bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, so entscheidet der Gerichtshof innerhalb kürzester Zeit. BVerwG 2 C 13.20 - Urteil vom 15. April 2021 Vorinstanzen: OVG Bremen, 2 LC 138/18 - Urteil vom 04. Juni 2019 - VG Bremen, 6 K 1528/16 - Urteil vom 24. April 2018 -","Urteil vom 15.04.2021 - BVerwG 2 C 13.20ECLI:DE:BVerwG:2021:150421U2C13.20.0 EN Reise des vorlegenden Richters zur mündlichen Verhandlung des EuGH keine Dienstreise Leitsätze: 1. Dienstreisen eines Richters bedürfen dann keiner Genehmigung, wenn sie im Rahmen richterlicher Amtstätigkeit erfolgen. Die Bestimmung darüber, ob eine genehmigungsfreie richterliche Dienstreise vorliegt, richtet sich nach objektiven Kriterien. 2. Die Prozessbeobachtung einer mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) durch einen Richter des vorlegenden Gerichts in einem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV ist kein richterliches Amtsgeschäft. 3. Der Anspruch eines Richters auf unmittelbare und genehmigungsfreie Kommunikation zwischen ihm als Mitglied des vorlegenden nationalen Gerichts und dem Gerichtshof der Europäischen Union ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf schriftlichen, digitalen und fernmündlichen Dialog angelegt. Reisetätigkeiten erfasst dieser Dialog nicht. Rechtsquellen DRiG § 26 Abs. 3, § 68 Abs. 3, § 71 BeamtStG § 34 BremRiG § 41 Nr. 4 Buchst. e BremRKG § 2 Abs. 1 und 2, § 3 Abs. 1 GVG § 17 Abs. 2, § 17a Abs. 3 und Abs. 5 GG Art. 33 Abs. 5, Art. 97 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 EUGrdRCh Art. 4 AEUV Art. 267 EUV Art. 4 Abs. 3 VerfO-EuGH Art. 37 Abs. 3, Art. 57, 97 Abs. 2 und 3, Art. 101, 104 Abs. 2 EuGH-Satzung Art. 23 Abs. 2 VwGO § 43 Abs. 1 Instanzenzug VG Bremen - 24.04.2018 - AZ: VG 6 K 1528/16 OVG Bremen - 04.06.2019 - AZ: OVG 2 LC 138/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 15.04.2021 - 2 C 13.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:150421U2C13.20.0] Urteil BVerwG 2 C 13.20 VG Bremen - 24.04.2018 - AZ: VG 6 K 1528/16 OVG Bremen - 04.06.2019 - AZ: OVG 2 LC 138/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. April 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung und Dollinger sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 4. Juni 2019 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger beansprucht von seinem Dienstherrn die Kostenerstattung für eine Reise zum Gerichtshof der Europäischen Union nach Luxemburg. Darüber hinaus erstrebt er Feststellungen zu den Bedingungen seiner Dienstausübung als Richter. 2 Der Kläger ist Vorsitzender Richter an einem Oberlandesgericht. Im Jahr 2015 setzte der vom Kläger geleitete Strafsenat des Oberlandesgerichts zwei Überstellungsverfahren zum Zwecke der Strafverfolgung nach Ungarn und Rumänien aus und legte dem Gerichtshof der Europäischen Union mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor. Nachdem der Gerichtshof dem Vorlagesenat des Oberlandesgerichts mitgeteilt hatte, dass Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt worden sei, entschloss sich der Kläger, nach Luxemburg zu reisen, um die mündliche Verhandlung zu besuchen. 3 Dies zeigte er der Beklagten über ein elektronisches Mitarbeiterportal zur Abrechnung von Dienstreisen mit dem Hinweis an, dass es sich um eine Reise im Rahmen richterlicher Spruchtätigkeit handele, die keiner Anordnung oder Genehmigung bedürfe. Die Präsidentin des Oberlandesgerichts lehnte es ab, eine Dienstreise zu genehmigen. Zur Begründung führte sie aus, eine Anwesenheit des Klägers bei der mündlichen Verhandlung des Gerichtshofs der Europäischen Union sei weder im Rahmen richterlicher Spruchtätigkeit noch aus sonstigen Gründen geboten. Es werde angeregt, Sonderurlaub zu beantragen. Der Kläger beantragte hilfsweise Sonderurlaub und reiste nach Luxemburg. 4 Sein anschließend gestellter Antrag auf Erstattung der Reisekosten in Höhe von rund 840 € wurde abgelehnt. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage auf Erstattung der Reisekosten und auf Feststellung, dass es sich bei der Reise zum Gerichtshof der Europäischen Union um eine genehmigungsfreie Dienstreise gehandelt habe, sowie auf weitere Feststellungen ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass es sich bei der Reise des Klägers nicht um ein dem Schutz der richterlichen Unabhängigkeit unterliegendes richterliches Amtsgeschäft gehandelt habe. Die Definitionshoheit darüber, ob es sich um eine richterliche Tätigkeit in diesem Sinne handele, liege nicht bei dem Richter selbst; dies sei vielmehr objektiv zu bestimmen. Bei der Beobachtung der mündlichen Verhandlung des Gerichtshofs der Europäischen Union durch den Kläger handele es sich nicht um eine richterliche Handlung, die mit der Aufgabe des Richters, in einem konkreten Verfahren Recht zu finden, unmittelbar im Zusammenhang stehe. 5 Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Senat zugelassenen Revision und beantragt, das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen vom 4. Juli 2019 aufzuheben und unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Bremen vom 24. April 2018 1. die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger auf seinen Antrag vom 29. Februar 2016 Reisekosten für die von ihm vom 14. Februar 2016 bis 16. Februar 2016 durchgeführte Reise zum Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg (...) in Höhe von 840,24 Euro zzgl. Auslandstagegelder in Höhe von 137,20 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; 2. festzustellen, a) dass es sich bei der Reise des Klägers zum Gerichtshof der Europäischen Union in dem Zeitraum vom 14. Februar 2016 bis zum 16. Februar 2016 um eine genehmigungsfreie Dienstreise i.S.d. Nr. 2.2.5 der BremRKGVwV handelt; b) dass es der alleinigen Entscheidung des Klägers bzw. der von ihm geführten Spruchkörper obliegt, darüber zu befinden, welche Informationen für eine in seine/ihre Zuständigkeit fallende richterliche Entscheidung zu beschaffen sind, wie dies zu geschehen hat und dabei aus der alleinigen Sicht der zur Entscheidung berufenen Richter zu entscheiden ist, ob und welche Dienstreisen zur Beschaffung der Informationen durchgeführt werden sollen; c) dass die Beklagte im Verfahren über die Abrechnung einer Dienstreise, an die Angaben des Klägers, dass es sich um eine genehmigungsfreie Dienstreise i.S.d. Nr. 2.2.5 der BremRKGVwV handelt, gebunden ist und die Voraussetzungen der Genehmigungsfreiheit keiner Überprüfung unterliegen; d) dass jede Einflussnahme der Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen und aller sonstigen Stellen der Verwaltung der Beklagten auf die unter b) genannten Entscheidungen des Klägers oder der von ihm geführten Spruchkörper unzulässig ist; e) dass der Kläger als Richter nicht verpflichtet ist, innerhalb oder außerhalb des Dienstgebäudes feste Dienstzeiten einzuhalten und ihm allein die Entscheidung obliegt, an welchen Tagen der Woche er zu welchen Tageszeiten seinen Dienstpflichten nachkommt; f) dass er auch nicht für etwaige Fälle einer kurzfristigen Beratung oder Eilentscheidung ständig erreichbar oder herbeirufbar sein und sich dazu an allen Tagen der Woche oder auch nur an allen Werktagen am Gerichtsort oder in dessen Nähe aufhalten muss. 6 Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und beantragt, die Revision zurückzuweisen. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Rechtsauffassung der Beklagten. II 8 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Zulässigkeit des Rechtswegs ist nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17a Abs. 5 GVG im Revisionsverfahren nicht mehr zu prüfen (1.). Das Berufungsurteil verletzt hinsichtlich des Antrags zu 1. kein gemäß § 71 DRiG, § 191 Abs. 2 VwGO, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG und § 127 Nr. 2 BRRG revisibles Reisekostenrecht und Richterdienstrecht (2.). Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Feststellungsanträgen zu 2. zu der Dienstreise, der Dienstzeit, dem Dienstort sowie der Erreichbarkeit und Herbeirufbarkeit des Klägers verletzen kein revisibles Recht (3.). 9 1. Die Frage, ob ganz oder teilweise der Rechtsweg zur Richterdienstgerichtsbarkeit eröffnet gewesen wäre und deshalb insoweit das vorliegende Verfahren zu verweisen oder nach § 68 Abs. 3 DRiG auszusetzen gewesen wäre, ist nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17a Abs. 5 GVG im Revisionsverfahren nicht mehr zu prüfen. 10 Dieses Überprüfungsverbot gilt nur dann nicht, wenn das erstinstanzliche Gericht entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG trotz Rüge nicht vorab durch Beschluss über die Zulässigkeit des Rechtswegs entschieden hat (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 1 C 13.14 - BVerwGE 151, 228 Rn. 12 und Beschluss vom 27. Juni 2019 - 5 P 2.18 - BVerwGE 166, 97 Rn. 11; Ehlers, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 17a GVG Rn. 29). 11 Dies ist vorliegend nicht der Fall, da vor dem Verwaltungsgericht keiner der Beteiligten den Rechtsweg gerügt hat. Soweit der Kläger die Anträge zu 2.a) bis 2.d) erst im Berufungsverfahren gestellt hat, ist für diese Anträge auf das Berufungsgericht als insoweit ""erste"" Instanz abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2012 - 8 C 26.11 - NJW 2013, 327 Rn. 14). Es reicht für die Anwendung des § 17a Abs. 5 GVG aus, dass das Berufungsgericht hinsichtlich dieser Anträge den Verwaltungsrechtsweg bejaht hat (vgl. hierzu: BT-Drs. 11/7030, S. 37 f.). Vor dem Berufungsgericht haben weder das Gericht noch die Beteiligten den Rechtsweg für die erstmals hier gestellten Anträge zu 2.a) bis 2.d) thematisiert. 12 2. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers betreffend den Antrag zu 1., der als Untätigkeitsklage statthaft ist, ohne Verstoß gegen revisibles Recht zurückgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Erstattung der ihm für die Reise zum Gerichtshof der Europäischen Union nach Luxemburg entstandenen Reisekosten zu. Für einen Anspruch aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Reisekostengesetz Bremen vom 24. Februar 2009 (BremGBl. 2009, 48 - BremRKG), das nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes auch für Bremische Richter gilt, fehlt es an einer Dienstreise im Sinne des nationalen Reisekostenrechts (a). Die Prozessbeobachtung einer mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof der Europäischen Union in einem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV ist kein richterliches Amtsgeschäft (aa). Beweise können in einem zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union ausgesetzten Verfahren nicht erhoben werden (bb). Davon Abweichendes ergibt sich nicht aus Unionsrecht (b). 13 a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BremRKG erhalten Dienstreisende auf Antrag eine Vergütung der dienstlich veranlassten Reisekosten. § 2 Abs. 2 Satz 1 BremRKG bestimmt, dass Dienstreisen Reisen zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb des Dienstortes sind. Sie müssen nach Satz 2 der Vorschrift schriftlich oder elektronisch angeordnet oder genehmigt worden sein, es sei denn, dass eine Anordnung oder Genehmigung nach dem Amt der Dienstreisenden oder dem Wesen des Dienstgeschäftes nicht in Betracht kommt. 14 Als Dienstgeschäfte eines Beamten nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BremRKG und der entsprechenden Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 BRKG sind die in seinem konkreten Amt zur unmittelbaren Erledigung übertragenen Dienstaufgaben anzusehen (BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1979 - 6 C 23.78 - Buchholz 238.90 Reise- und Umzugskosten Nr. 79 S. 101, vom 14. Februar 1984 - 6 C 46.83 - BVerwGE 69, 24 <26> und vom 22. Januar 2009 - 2 A 3.08 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 21 Rn. 21). Ob danach eine Reise der unmittelbaren Erledigung eines dem Beamten übertragenen Dienstgeschäftes dient und deshalb dienstlich geboten ist, entscheidet der Dienstherr, nicht der Beamte (BVerwG, Beschluss vom 3. Februar 2010 - 2 B 113.09 - juris Rn. 4). 15 Bei Richtern ist der Begriff des Dienstgeschäftes gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 BremRKG entsprechend dem Wesen des Dienstgeschäftes dahin zu modifizieren, dass Dienstreisen aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit dann keiner Genehmigung bedürfen, wenn sie im Rahmen richterlicher Amtstätigkeit erfolgen. Die Bestimmung darüber, ob eine genehmigungsfreie richterliche Dienstreise vorliegt, richtet sich nach objektiven Kriterien (BVerfG , Beschluss vom 17. April 1979 - 2 BvR 403/78 - DRiZ 1979, 219 betr. die Versagung einer Auslandsdienstreise als ""zu aufwendig""; BGH, Dienstgericht des Bundes, Urteile vom 27. Januar 1978 - RiZ 3/77 - BGHZ 71, 9 <12 ff.> und vom 16. April 1985 - RiZ 1/85 - BGHZ 94, 150 <153>), nicht nach der subjektiven Einschätzung des jeweiligen Richters. 16 Die Abgrenzung von einerseits aufgrund richterlicher Amtstätigkeit genehmigungsfreien Dienstreisen zu andererseits genehmigungspflichtigen Dienstreisen eines Richters ist an der Garantie richterlicher Unabhängigkeit nach Art. 97 GG auszurichten. Danach ist der Kernbereich rechtsprechender Tätigkeit der Dienstaufsicht nach § 26 DRiG grundsätzlich entzogen (vgl. BGH, Dienstgericht des Bundes, Urteile vom 23. Oktober 1963 - RiZ 1/62 - BGHZ 42, 163 <169>, vom 9. März 1967 - RiZ 2/66 - BGHZ 47, 275 <285> und vom 3. Januar 1969 - RiZ 6/68 - BGHZ 51, 280 <285>). Eine Ausnahme gilt für Fälle einer offensichtlich und ohne jeden Zweifel fehlerhaften Amtsausübung durch den Richter (BGH, Dienstgericht des Bundes, Urteile vom 24. Juni 1991 - RiZ 3/91 - DRiZ 1991, 410 = juris Rn. 8, vom 5. Juli 2000 - RiZ 6/99 - NJW-RR 2001, 498 <499> und vom 17. April 2008 - RiZ 3/07 - BGHZ 176, 162 Rn. 16; Detterbeck, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 97 Rn. 11c; Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, GG, Stand: Mai 2020, Art. 97 Rn. 6). 17 Zu den über Art. 33 Abs. 5 GG geschützten hergebrachten Grundsätzen des Richteramtsrechts gehört insbesondere der Grundsatz der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit (BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Februar 2016 - 2 BvR 2223/15 - NVwZ 2016, 764 Rn. 76). Nach der sog. ""Kernbereichs-Rechtsprechung"", die das Bundesverfassungsgericht zur Bestimmung des Schutzbereichs des Art. 97 GG verwendet, gehören zum ""Kernbereich"" der richterlichen Tätigkeiten die eigentliche Rechtsfindung und die ihr mittelbar dienenden Sach- und Verfahrensentscheidungen, einschließlich nicht ausdrücklich vorgeschriebener, dem Interesse der Rechtssuchenden dienender richterlicher Handlungen, die in einem konkreten Verfahren mit der Aufgabe des Richters, Recht zu finden und den Rechtsfrieden zu sichern, in Zusammenhang stehen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Februar 2016 - 2 BvR 2223/15 - NVwZ 2016, 764 Rn. 77; BGH, Dienstgericht des Bundes, Urteile vom 22. Februar 2006 - RiZ 3/05 - NJW 2006, 1674 Rn. 21 und vom 12. Mai 2020 - RiZ 3/19 - RiA 2020, 222 Rn. 23; Joeres, DRiZ 2005, 321 <322>). 18 aa) Der Besuch einer mündlichen Verhandlung des Gerichtshofs der Europäischen Union in einem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV durch einen mitgliedstaatlichen Richter, der mit dem Vorlagebeschluss befasst war, gehört nach dem aufgezeigten Maßstab nicht zum Kernbereich richterlicher Spruchtätigkeit. Denn der Kernbereich der instanzrichterlichen Tätigkeit erstreckt sich nicht darauf, auf die Entscheidungen von höheren Instanzen einzuwirken oder deren mündliche Verhandlungen persönlich zu beobachten. Die Aufgabe, Recht zu finden und den Rechtsfrieden zu sichern, obliegt insoweit den Höchstgerichten. Den Richtern der Tatsachengerichte obliegen in Verfahren vor den Höchstgerichten dagegen die vom jeweils einschlägigen Prozessrecht definierten Aufgaben wie beispielsweise die Weiterleitung der Akten oder - wie etwa im Fall des Art. 101 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs (VerfO-EuGH vom 29. September 2012, ABl. L 265, 1) - die fristgebundene Beantwortung von Rückfragen zur Klarstellung von Sachverhalt und nationaler Rechtslage. Die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung des Gerichtshofs der Europäischen Union als Prozessbeobachter und das anschließende Gespräch mit Mitgliedern des Gerichtshofs führt der mitgliedstaatliche Vorlagerichter nicht als Organ der Rechtspflege in Ausübung seiner richterlichen Spruchtätigkeit (ebenso: Meyer/Fricke/Baez u.a., Reisekostenrecht im öffentlichen Dienst, Stand Mai 2021, § 2 BRKG Rn. 57), sondern als fortbildungswilliger und an der Rechtsentwicklung interessierter Jurist. 19 Fort- und Weiterbildung sind aber keine Dienstgeschäfte in Sinne des Reisekostenrechts (BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1979 - 6 C 23.78 - Buchholz 238.90 Reise- und Umzugskosten Nr. 79 S. 101, vom 14. Februar 1984 - 6 C 46.83 - BVerwGE 69, 24 <26> und vom 22. Januar 2009 - 2 A 3.08 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 21 Rn. 21). Dem entsprechend sind etwa Fahrten zur Deutschen Richterakademie, an der Fachwissen sowie berufliche Kenntnisse und Erfahrungen ergänzt und vertieft werden, für Richter keine Dienstreisen, und zwar auch dann nicht, wenn der Richter nur deshalb an der Veranstaltung teilnimmt, um Erkenntnisse für anhängige Verfahren zu gewinnen (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 27. April 2009 - 3 A 495/07 - juris Rn. 28; Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 1 Rn. 83). Gleiches gilt für den Besuch einer mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts in einem konkreten Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG durch Mitglieder des vorlegenden Gerichts. Das Interesse der vorlegenden Richter an der Beantwortung der Rechtsfragen im zwar jeweils akzessorischen, aber selbstständigen verfassungsgerichtlichen oder unionsrechtlichen Zwischenverfahren entspricht dem Interesse von Richtern, die auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Gerichtshofs der Europäischen Union auf ""ihren"" Vorlagebeschluss warten. 20 bb) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, er habe in seinem anlässlich der Reise geführten Gespräch mit dem Präsidenten des Gerichtshofs der Europäischen Union und weiteren Personen im Wege des Freibeweises für das Ausgangsverfahren Tatsachen ermittelt oder ermitteln wollen. 21 Wenn ein mitgliedstaatliches Gericht ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union richtet, setzt es - ebenso wie in einem Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG an das Bundesverfassungsgericht - das Verfahren aus (vgl. z.B. die Tenorierung in BVerwG, Beschluss vom 27. März 2019 - 6 C 6.18 - BVerwGE 165, 99 Rn. 4 oder BGH, Beschluss vom 21. April 2020 - 6 StR 41/20 - BeckRS 2020, 8445). Dies gilt unabhängig davon, welches fachgerichtliche Prozessrecht einschlägig ist (vgl. etwa § 94 VwGO, § 148 ZPO). So ist auch der Senat des Klägers in den beiden Überstellungssachen verfahren, die er dem Gerichtshof vorgelegt hat. 22 In einem ausgesetzten Verfahren sind richterliche Handlungen zwar nicht gänzlich ausgeschlossen. Möglich ist die Aufhebung des Vorabentscheidungsersuchens (oder der Richtervorlage) und damit auch die Aufhebung der Aussetzung des Verfahrens. Jedenfalls sind Beweiserhebungen - einerlei ob formell oder im Wege des Freibeweises - im Stadium der Aussetzung von vornherein ausgeschlossen. Es gibt schlicht keine Tatsachen, die in einem ausgesetzten Verfahren ermittelt werden könnten und dürften. Soweit der Kläger geltend macht, er habe bei Gelegenheit seiner Teilnahme an der mündlichen Verhandlung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Wege des Freibeweises Erkenntnisse für eine anstehende Haftfortdauerentscheidung in einem der beiden Auslieferungsverfahren gewinnen wollen, fehlt es an einem unmittelbaren Verfahrensbezug der Entscheidung über die Haftfortdauer zum ausgesetzten Auslieferungsverfahren. Im Übrigen hätte eine solche ""Freibeweiserhebung"" nicht den unionsrechtlichen Vorgaben für die Informationsgewinnung in Europäischen Haftbefehlssachen und nach der Europäischen Ermittlungsanordnung in Strafsachen entsprochen (dazu nachfolgend Rn. 30 ff.). 23 Auch der Gerichtshof der Europäischen Union erhebt in von ihm zu führenden Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV keine Beweise. Im Vorabentscheidungsverfahren beantwortet der Gerichtshof unionsrechtliche Auslegungs- und Gültigkeitsfragen. Die Aufbereitung des Sachverhalts ist allein Sache des vorlegenden Gerichts (vgl. EuGH, Urteile vom 4. Mai 1999 - C-262/96, Sürül - Slg. 1999, I-2685 Rn. 95, vom 11. September 2008 - C-11/07, Eckelkamp - EuZW 2008, 639 Rn. 32 und vom 8. Juni 2016 - C-479/14, Hünnebeck - NJW 2016, 2638 Rn. 36; zustimmend Hackspiel, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 23 EuGH-Satzung Rn. 28; Wägenbaur, EuGH VerfO, 2. Aufl. 2017, Art. 23 EuGH-Satzung Rn. 10; Beckmann, Probleme des Vorabentscheidungsverfahrens, 1988, S. 91 f., 94; Karpenstein, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, 2. Aufl. 2021, § 8 Rn. 90; Marsch, in: Schoch/Schneider, online-Ausgabe beck.de VwGO, Stand Juli 2020, Art. 267 AEUV Rn. 52). 24 b) Auch aus Unionsrecht ergibt sich kein Anspruch eines mitgliedstaatlichen Richters gegen seinen Dienstherrn auf Reisekostenerstattung für den Besuch einer mündlichen Verhandlung des Gerichtshofs der Europäischen Union und das Führen von Fachgesprächen in Luxemburg anlässlich eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV. Der Anspruch des Richters auf unmittelbare und genehmigungsfreie Kommunikation zwischen ihm als Mitglied des vorlegenden nationalen Gerichts und dem Gerichtshof der Europäischen Union ist auf schriftlichen, digitalen und fernmündlichen Dialog angelegt. Reisetätigkeiten erfasst dieser Dialog nicht. 25 aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist das in Art. 267 AEUV vorgesehene Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, mit dem der Gerichtshof diesen die Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten benötigen (EuGH, Urteile vom 13. März 2001 - C-379/98, PreussenElektra AG - EuZW 2001, 242 Rn. 38; vom 19. Februar 2002 - C-35/99, Manuele Arduino - NJW 2002, 882 Rn. 24, vom 4. Juli 2006 - C-212/04, Adeneler - NZA 2006, 909 Rn. 40 und vom 3. Juli 2019 - C-242/18, UniCredit Leasing - UR 2019, 592 Rn. 45; Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV 5. Aufl. 2016, Art. 267 AEUV Rn. 1; Karpenstein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV, Stand: August 2020, Art. 267 AEUV Rn. 1). Es handelt sich hierbei um ""eine unmittelbare Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten"", bei der es zu einem ""Dialog des einen mit dem anderen Gericht"" kommt (EuGH, Urteil vom 12. Februar 2008 - C-2/06, Kempter - EuZW 2008, 148 Rn. 41 f.; Generalanwältin Trstenjak, Schlussanträge vom 24. November 2010 - C-316/09, MSD Sharp & Dohme - juris Rn. 63; vgl. auch EuGH, Urteil vom 24. Juni 2019 - C 619/18, Europ. Kommission gg. Republik Polen - NVwZ 2019, 1109 Rn. 45). 26 Dass diese ""unmittelbare Zusammenarbeit"" und dieser ""Dialog"" auf einem unmittelbaren Informationsaustausch zwischen dem Gerichtshof der Europäischen Union und dem nationalen Gericht beruht, zeigt sich etwa an Art. 101 VerfO-EuGH, nach dem der Gerichtshof der Europäischen Union nach Anhörung des Generalanwalts das vorlegende Gericht um Klarstellungen ersuchen kann. Auch Art. 97 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 VerfO-EuGH sehen einen unmittelbaren Austausch zwischen dem Gerichtshof und dem nationalen Gericht vor. 27 Das Vorabentscheidungsverfahren ist nach Art. 23 Abs. 2 EuGH Satzung (Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. Februar 2001, ABl. C-80 S. 53 in der konsolidierten Fassung vom 17. April 2019, ABl. L 111 S. 1) und Art. 57 VerfO-EuGH auf die Einreichung von Schriftsätzen und damit auf einen schriftlichen Dialog angelegt, der grundsätzlich in der Gerichtssprache des vorlegenden Gerichts geführt wird (Art. 37 Abs. 3 VerfO-EuGH). Auch dieser Dialog ist nicht grenzenlos, wie Art. 58 VerfO-EuGH zeigt. Danach kann der Gerichtshof zur Begrenzung des Übersetzungsaufwands - die gerichtsinterne Verfahrenssprache ist Französisch - durch rechtsverbindlichen Beschluss ""die maximale Länge der Schriftsätze oder Erklärungen festlegen"", die bei ihm eingereicht werden. Die Parteien des Ausgangsverfahrens können, abgesehen von ihrem Recht auf Stellungnahme, den Verfahrensablauf vor dem Gerichtshof nicht gestalten; sie haben diesbezüglich keinerlei Initiativrechte (EuGH, Urteil vom 14. September 2006 - C-496/04, J. Slob - BeckRS 2006, 70695 Rn. 34). Da das vorlegende Gericht Herr des Ausgangsverfahrens bleibt, kann es die Vorlage zurücknehmen mit der Folge, dass sich dadurch das Verfahren vor dem Gerichtshof erledigt. 28 Aus der Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich dagegen nicht, dass die Mitglieder des vorlegenden Spruchkörpers zwingend, regelmäßig oder auch nur gewöhnlich an der mündlichen Verhandlung teilnehmen. Wenn die Mitglieder des vorlegenden Spruchkörpers - wie hier - nicht zur mündlichen Verhandlung förmlich geladen werden, kann der Gerichtshof das vorlegende Gericht gemäß Art. 101 Abs. 1 VerfO-EuGH lediglich um Klarstellungen ersuchen (vgl. Penner, ZESAR 2017, 207 <213 >; Hackspiel, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 23 EuGH-Satzung Rn. 22) und auch dies erst nach Anhörung des Generalanwalts. Die Antwort des vorlegenden Gerichts ist nach Art. 101 Abs. 2 VerfO-EuGH den Beteiligten zuzustellen. Art. 104 Abs. 2 VerfO-EuGH sieht lediglich vor, dass die nationalen Gerichte den Gerichtshof der Europäischen Union ein weiteres Mal anrufen können, wenn sie sich durch eine Vorabentscheidung nicht für hinreichend unterrichtet halten. Zur Gruppe derjenigen, die nach Art. 96 VerfO-EuGH Erklärungen vor dem Gerichtshof abgeben können, gehört das vorlegende Gericht nicht (Hackspiel, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 23 EuGH-Satzung Rn. 22). 29 Dass die Regelungen der EuGH-Satzung und der Verfahrensordnung im Hinblick auf die Rolle des vorlegenden Gerichts und dessen Teilnahme an dem erwähnten ""Dialog"" abschließend sind, ergibt sich in aller Deutlichkeit auch aus der Entscheidung des Gerichtshofs in dem Verfahren C-392/13. Darin hat der Gerichtshof im Falle einer eigenmächtigen Stellungnahme des vorlegenden Gerichts entschieden, ""dass die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und seine Verfahrensordnung [...] für das vorlegende Gericht nicht die Möglichkeit vorsehen, zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Stellung zu nehmen"" (EuGH, Urteil vom 13. Mai 2015 - C-392/13, Rabal Cañas - NZA 2015, 669 Rn. 32; Wägenbaur, EuGH VerfO, 2. Aufl. 2017, Art. 101 VerfO-EuGH Rn. 2). 30 bb) Etwas anderes folgt auch nicht aus den unionsrechtlichen Regelungen über den Rahmenbeschluss zum Europäischen Haftbefehl vom 13. Juni 2002 (RB 2002/584/JI, künftig RbEuHb) und die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (RL 2014/41/EU). Diese Regelungen sehen ebenfalls keine Reisetätigkeit ins Ausland zur Beweiserhebung vor. Auch sie sind allein auf den unmittelbaren und genehmigungsfreien Informationsaustausch zwischen in- und ausländischen Dienststellen gerichtet und gehen - schon aus Dokumentationsgründen - davon aus, dass dieser auf schriftlichem oder digitalem, hilfsweise und vorbereitend ggf. auch telefonischem Wege erfolgt. 31 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Justizbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats verpflichtet, das Vorliegen der Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung am Maßstab der Schutzstandards von Art. 4 EUGrdRCh zu würdigen, wenn sie über die Übergabe der Person, gegen die ein Europäischer Haftbefehl erlassen wurde, an die Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats zu entscheiden hat (EuGH, Urteile vom 5. April 2016 - C-404/15 und C-659/15 PPU, Aranyosi und Căldăraru - NJW 2016, 1709 Rn. 88, vom 6. September 2016 - C-182/15, Petruhhin - NJW 2017, 378 Rn. 58, vom 25. Juli 2018 - C-220/18 PPU - NJW 2018, 3161 Rn. 59 und vom 15. Oktober 2019 - C-128/18, Dorobantu - EuGRZ 2019, 498 Rn. 51; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 16. August 2018 - 2 BvR 237/18 - juris Rn. 27). 32 Um zu klären, ob dem Auszuliefernden im Mitgliedstaat, der den Europäischen Haftbefehl ausgestellt hat, die echte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung i.S.v. Art. 4 EUGrdRCh droht, muss die genannte Behörde nach Art. 15 Abs. 2 RbEuHb die Justizbehörde des Ausstellungsmitgliedstaats um die unverzügliche Übermittlung aller notwendigen zusätzlichen Informationen in Bezug auf die Bedingungen bitten, unter denen die betreffende Person in diesem Mitgliedstaat inhaftiert werden soll. Diese Anfrage kann sich auch darauf erstrecken, ob es im Ausstellungsmitgliedstaat nationale oder internationale Verfahren und Mechanismen zur Überprüfung der Haftbedingungen gibt, z.B. in Verbindung mit Besuchen in den Haftanstalten, die es ermöglichen, den aktuellen Stand der dortigen Haftbedingungen zu beurteilen (EuGH, Urteile vom 5. April 2016 - C-404/15 und C-659/15 PPU, Aranyosi und Căldăraru - NJW 2016, 1709 Rn. 95 f. und vom 25. Juli 2018 - C-220/18 PPU - NJW 2018, 3161 Rn. 63; vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. August 2018 - 2 BvR 237/18 - juris Rn. 27). 33 Für eine solche Beurteilung muss die vollstreckende Justizbehörde von der ausstellenden Justizbehörde die für notwendig erachteten Informationen erbitten und sich grundsätzlich auf die Zusicherungen dieser Behörde verlassen, wenn keine konkreten Anhaltspunkte darauf schließen lassen, dass die Haftbedingungen gegen Art. 4 EUGrdRCh verstoßen (EuGH, Urteile vom 25. Juli 2018 - C-220/18 PPU - NJW 2018, 3161 Rn. 112 und vom 15. Oktober 2019 - C-128/18, Dorobantu - EuGRZ 2019, 498 Rn. 68 f., 85; OLG Bremen, Beschluss vom 16. März 2020 - 1 Ausl A 78/19 - OLGSt IRG § 73 Nr. 26 Rn. 23; vgl. Riegel/Speicher, StV 2016, 250 <254 f.>). 34 Stellt die vollstreckende Justizbehörde anhand der gemäß Art. 15 Abs. 2 RbEuHb erteilten Informationen sowie aller übrigen Informationen, über die sie verfügt, fest, dass für die Person, gegen die sich der Europäische Haftbefehl richtet, eine echte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung besteht, ist die Vollstreckung des Haftbefehls aufzuschieben, aber nicht aufzugeben (EuGH, Urteile vom 5. April 2016 - C-404/15 und C-659/15 PPU, Aranyosi und Căldăraru - NJW 2016, 1709 Rn. 98 und vom 25. Juli 2018 - C-220/18 PPU - NJW 2018, 3161 Rn. 65; vgl. Generalanwalt Sánchez-Bordona, Schlussantrag vom 4. Juli 2018 - C-220/18 - juris Rn. 80 bis 87). Unter diesen Umständen rechtfertigt das Erfordernis, zu gewährleisten, dass die betroffene Person im Fall der Übergabe an den Ausstellungsmitgliedstaat keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 EUGrdRCh unterworfen wird, ausnahmsweise eine Einschränkung der Grundsätze des gegenseitigen Vertrauens und der gegenseitigen Anerkennung (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2019 - C-128/18, Dorobantu - EuGRZ 2019, 498 Rn. 83). Das Mittel, das der Rahmenbeschluss der vollstreckenden Justizbehörde zur Informationsermittlung einräumt, ist somit die Übermittlung von Informationen. Das Aufsuchen anderer Staaten in amtlicher Funktion zur Beweiserhebung ist nicht vorgesehen. 35 Ebensowenig kann aus den Regelungen der RL 2014/41/EU zur Europäischen Ermittlungsanordnung ein allgemeiner unionsrechtlicher Rechtsgedanke abgeleitet werden, der es mitgliedstaatlichen Richtern erlaubt, ohne Einbeziehung der eigenen Exekutive und ohne Absprache mit den Behörden des Zielstaats zur Beweiserhebung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu reisen. Auch unter Berücksichtigung des in Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 EUV verankerten Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit hat der Gerichtshof der Europäischen Union lediglich angenommen, dass die vollstreckende Justizbehörde die ausstellende Justizbehörde um Informationen bitten und die ausstellende Justizbehörde Zusicherungen erteilen kann, die jeweils die konkreten und genauen Bedingungen betreffen, unter denen die betroffene Person im Ausstellungsmitgliedstaat inhaftiert werden wird (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-220/18 PPU - NJW 2018, 3161 Rn. 110). Reisen von Mitgliedern der vollstreckenden Justizbehörde hat der Gerichtshof also auch nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nicht vorgesehen. 36 cc) Danach ist ein Vorabentscheidungsersuchen des Senats an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV nicht angezeigt, weil es an einer klärungsbedürftigen Frage zur Auslegung von Unionsrecht fehlt. 37 3. Schließlich verletzen auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Feststellungsanträgen des Klägers kein revisibles Recht. 38 a) Der auf Feststellung der Genehmigungsfreiheit der Dienstreise gerichtete Antrag zu 2.a) ist unzulässig. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Antrag betreffe eine unselbstständige Vorfrage des Hauptantrags, trifft zu. Zu unselbstständigen Vorfragen, die nicht mit der Feststellungsklage aufgegriffen werden können, gehört die Frage, ob einzelne Tatbestandsmerkmale einer Norm erfüllt sind, die ihrerseits kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. November 2003 - 3 C 44.02 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 37 S. 17 und Beschluss vom 26. Juli 2007 - 6 B 25.07 - Buchholz 442.066 § 28 TKG Nr. 2 Rn. 4). Die Frage, ob es sich bei der Reise des Klägers zum Gerichtshof der Europäischen Union um eine genehmigungsfreie Dienstreise handelt, betrifft lediglich ein Tatbestandsmerkmal des mit dem Antrag zu 1. geltend gemachten Anspruchs nach den § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 1 BremRKG und kein darüber hinaus gehendes Rechtsverhältnis. Soweit der Kläger geltend macht, dass die Eigenschaft der Reise als genehmigungsfreie Dienstreise auch für das Vorliegen eines Dienstunfalls relevant werden könnte, ergibt sich hieraus nichts Anderes. Auch insoweit handelt es sich bei der Einordnung der Reise als Dienstreise um ein bloßes Tatbestandsmerkmal nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BremRKG. 39 b) Hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 2.b) ist zu differenzieren. Soweit die Feststellung begehrt wird, dass es allein dem vom Kläger geleiteten Spruchkörper obliegt, darüber zu befinden, welche Informationen für eine in seine Zuständigkeit fallende richterliche Entscheidung zu beschaffen sind und wie dies zu geschehen hat, ist der Antrag unzulässig. Es fehlt an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO, weil kein Meinungsstreit erkennbar ist, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können (BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1992 - 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327 <330>, vom 28. Januar 2010 - 8 C 38.09 - BVerwGE 136, 75 Rn. 32 und vom 16. April 2015 - 4 CN 2.14 - BVerwGE 152, 55 Rn. 11). Die Präsidentin des Oberlandesgerichts als Bedienstete der Beklagten hat diese Feststellung in der streitgegenständlichen Korrespondenz mit dem Kläger weder in Frage gestellt noch überhaupt angesprochen. Sie hat sich allein zur Frage der Genehmigungsbedürftigkeit der konkret beantragten Dienstreise nach Luxemburg und zu deren Folgen geäußert. 40 Soweit der Kläger unter 2.b) weitergehend die Feststellung erstrebt, dass es für die Frage, ob und welche Dienstreisen zur Beschaffung von Informationen durchgeführt werden sollen, auf die alleinige Sicht der zur Entscheidung berufenen Richter ankommt, ist der Feststellungsantrag zwar zulässig. Denn es besteht ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO, weil die Präsidentin des Oberlandesgerichts im Hinblick auf die Genehmigungsfreiheit von Dienstreisen als richterlichen Amtsgeschäften von einem objektiven Maßstab ausgeht, während der Kläger einen subjektiven Maßstab zugrunde legt. Der Feststellungsantrag ist indes unbegründet. Denn wie oben zum Reisekostenanspruch ausgeführt, ist die Frage, ob eine genehmigungsfreie Dienstreise zur Wahrnehmung eines richterlichen Amtsgeschäfts vorliegt, nach objektiven Kriterien zu bestimmen (oben Rn. 15). 41 c) Der auf die Feststellung gerichtete Antrag, die Beklagte sei im Verfahren über die Abrechnung einer Reise an die Angabe eines Richters, dass es sich um eine genehmigungsfreie Dienstreise handele, gebunden (Antrag zu 2.c), ist unbegründet. Da die Frage, ob eine Dienstreise zur Wahrnehmung eines richterlichen Amtsgeschäfts unternommen wird, nach objektiven Kriterien zu bestimmen ist (oben Rn. 15), ist die Beklagte nicht an gegenteilige subjektive Auffassungen eines reisewilligen Richters gebunden. 42 d) Auch der Feststellungsantrag des Klägers, dass jede Einflussnahme der Präsidentin des Oberlandesgerichts und aller sonstigen Stellen der Verwaltung der Beklagten auf richterliche Dienstreiseentscheidungen unzulässig ist, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Es besteht zwar ein streitiges und damit feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, weil der Kläger jede behördliche Einflussnahme auf für subjektiv erforderlich gehaltene richterliche Dienstreisen für unzulässig hält, während die Beklagte eine behördliche Einflussnahme allein für objektiv notwendige richterliche Amtsgeschäfte im Rahmen der Kernbereichs-Rechtsprechung ausschließt. In der Sache verkennt der Kläger indes, dass bei Beachtung der Kernbereichs-Rechtsprechung, die Ablehnung der Kostenübernahme für eine genehmigungsbedürftige, aber ungenehmigte Dienstreise rechtmäßig ist (oben Rn. 15 ff.). 43 e) Hinsichtlich der Feststellungsanträge zu 2.e) und 2.f) ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Rechtshängigkeit der an die Dienstgerichtsbarkeit verwiesenen Streitigkeit und auch die Rechtskraft einer eventuellen dortigen Entscheidung den Anträgen nicht entgegenstehen (aa). Während der Feststellungsantrag zu 2.e) unzulässig ist (bb), ist derjenige zu 2.f) unbegründet (cc). 44 aa) Die unter 2.e) und 2.f) gestellten Feststellungsanträge zu Dienstzeiten, Dienstort und Erreichbarkeit eines Richters betreffen einen anderen Streitgegenstand als der Antrag, den das Verwaltungsgericht abgetrennt und an das Dienstgericht verwiesen hat. Nach § 41 Nr. 4 Buchst. e) BremRiG entscheidet das Dienstgericht bei Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht aus den Gründen des § 26 Abs. 3 DRiG, also dann, wenn ein Richter geltend macht, dass eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt. 45 Hiernach ist der Rechtsweg zur Richterdienstgerichtsbarkeit sowohl nach dem Anfechtungsgegenstand (""Maßnahmen der Dienstaufsicht"") als auch zusätzlich nach dem Anfechtungsgrund (""aus den Gründen des § 26 Abs. 3 DRiG"") vom Rechtsweg zur Verwaltungsgerichtsbarkeit abzugrenzen. Der Unabhängigkeitsstreit wird beim Richterdienstgericht nur in diesem Umfang rechtshängig und begründet eine beschränkte Sachentscheidungsbefugnis des Richterdienstgerichts. Die Vereinbarkeit der Dienstaufsichtsmaßnahme mit anderen Gesetzen und Rechtsvorschriften hat das Verwaltungsgericht zu prüfen. Wegen der unterschiedlichen Streitgegenstände der Entscheidungen besteht daher auch keine gegenseitige Bindungswirkung (BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Februar 2016 - 2 BvR 2223/15 - NVwZ 2016, 764 Rn. 93; BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1983 - 2 C 34.80 - BVerwGE 67, 222 <224 bis 227>; Beschlüsse vom 19. Dezember 1996 - 2 B 91.96 - juris Rn. 3 und vom 17. September 2009 - 2 B 69.09 - BVerwGE 134, 388 Rn. 10; BGH, Dienstgericht des Bundes, Urteil vom 31. Januar 1984 - RiZ 3/83 - BGHZ 90, 41 <48>; Schmidt-Räntsch, DRiG, 6. Aufl. 2009, § 68 Rn. 2, 5; Stober, DRiZ 1976, 68 <69 f.>, vgl. auch BT-Drs. 3/516, S. 40, 56). 46 Diese vom Gesetzgeber nebeneinander in verschiedenen Rechtswegen mit unterschiedlichen Rechtsschutzzielen zugelassenen Rechtsbehelfe sind der in § 17 Abs. 2 GVG vorgesehenen Konzentration der Prüfungsbefugnis bei dem zuerst angerufenen Gericht unzugänglich. Es handelt sich nicht um einen einheitlichen Streitgegenstand, sondern um zwei verschiedene Streitgegenstände (BGH, Dienstgericht des Bundes, Urteile vom 10. August 2001 - RiZ 5/00 - NJW 2002, 359 <360> und vom 25. September 2002 - RiZ 2/01 - NJW 2003, 282). 47 Die mit dieser Auslegung verbundene ""Zuständigkeitszersplitterung"" ist durch das vom Gesetzgeber beabsichtigte Nebeneinander zweier, letztlich nur nach den geltend gemachten Klagegründen abzugrenzenden Rechtswege selbst angelegt. Ein Nebeneinander zweier Rechtswege für ein und denselben prozessualen Anspruch je nach dem geltend gemachten Klagegrund ist im Übrigen auch nicht ungewöhnlich. Der Richter entscheidet durch die Begründung seines Antrags weitgehend selbst, ob eine Maßnahme der Dienstaufsicht vom Richterdienstgericht (wegen Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit) oder vom Verwaltungsgericht (wegen sonstiger Rechtsverletzung) überprüft werden soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Februar 2016 - 2 BvR 2223/15 - NVwZ 2016, 764 Rn. 94; BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1983 - 2 C 34.80 - BVerwGE 67, 222 <226 f.> und Beschluss vom 17. September 2009 - 2 B 69.09 - BVerwGE 134, 388 Rn. 10; vgl. zudem BT-Drs. 3/516, S. 56). 48 Nach diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht einen Teil der Anträge des Klägers an die Dienstgerichtsbarkeit verwiesen, sodass den noch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit anhängigen Anträgen die Rechtshängigkeit der verwiesenen Anträge oder die Rechtskraft der zu ihnen ergangenen Entscheidungen bereits aus diesem Grund nicht entgegenstehen kann. 49 Der Umfang der Verweisung bestimmt sich in erster Linie nach dem Wortlaut des Abtrennungs- und des Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts. Abgetrennt und verwiesen hat das Verwaltungsgericht lediglich den damaligen Antrag zu 3. des Klägers auf Feststellung ""der Rechtswidrigkeit der Schreiben der Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 10. Februar 2016 und vom 12. Februar 2016, des mit der Sachbearbeiterin der Performa Nord am 4. März 2016 geführten Telefonats und des Widerspruchsbescheides des Senators für Justiz und Verfassung vom 9. Mai 2016"". Dieser Antrag zu 3. ist wegen seines mit den vier genannten Maßnahmen nur grob umrissenen Umfangs zwar vage gehalten; hinsichtlich der Verweisung ist jedoch entscheidend, dass die Präsidentin in dem angegriffenen Schreiben vom 12. Februar 2016 zu den mit den gegenwärtigen Anträgen zu 2.e) und 2.f) aufgeworfenen Fragen Stellung genommen hat. 50 Insofern wurden diese Fragen von dem Verwaltungsgericht mit dem damaligen Antrag zu 3. an die Dienstgerichtsbarkeit verwiesen, soweit eine Maßnahme der Dienstaufsicht vorlag und der Kläger sich auf eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit berufen hat. Dass das Verwaltungsgericht nicht noch weitere Streitgegenstände verwiesen hat, ergibt sich aus den Ausführungen in seinem voran gegangenen rechtlichen Hinweis vom 4. August 2017 und aus dem Umstand, dass es die gegenwärtigen Anträge zu 2.e) und 2.f), nicht verwiesen hat. Das Verwaltungsgericht hatte in dem Hinweis ausgeführt, dass es dem Kläger bei dem damaligen Antrag zu 3.b), der den späteren Anträgen zu 2.a) und 2.b) und den gegenwärtigen Anträgen zu 2.e) und 2.f) vorausging, dem Kläger ""nur um die Frage der richterlichen Unabhängigkeit"" gehe (Hinweis vom 4. August 2017, S. 4, 5, Bl. 87 R, 88 der Gerichtsakte). 51 Der Kläger hat hierzu ausgeführt, dass es ihm ""auch"" um Fragen der richterlichen Unabhängigkeit gehe. Damit ist nicht ausschließlich das Richterdienstgericht zur Entscheidung berufen. Die Abtrennungs- und die Verweisungsbeschlüsse sind deshalb so zu verstehen, dass das Verwaltungsgericht die mit den gegenwärtigen Anträgen zu 2.e) und 2.f) noch anhängigen Feststellungsbegehren genau in dem Umfang an die Dienstgerichtsbarkeit verwiesen hat, in dem der Kläger sich auf seine richterliche Unabhängigkeit berufen hat. Bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist der Streit soweit verblieben, wie der Kläger sich mit seinen Feststellungsanträgen darauf beruft, dass es für die in den Feststellungsanträgen genannten Verpflichtungen keine Rechtsgrundlage gebe. 52 bb) Soweit mit dem Antrag zu 2.e) die Feststellung begehrt wird, dass der Kläger als Richter nicht verpflichtet ist, innerhalb oder außerhalb des Dienstgebäudes feste Dienstzeiten einzuhalten und ihm allein die Entscheidung obliegt, an welchen Tagen der Woche er zu welchen Tageszeiten seinen Dienstpflichten nachkommt, ist der Antrag entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts bereits unzulässig. Es fehlt an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO, weil kein Meinungsstreit erkennbar ist. Es fehlt an einer zwischen den Beteiligten umstrittenen Rechtsfrage, weil es im Schreiben der Präsidentin vom 12. Februar 2016 ausdrücklich heißt, ""dass ein Richter aufgrund seiner Unabhängigkeit zur Einhaltung allgemein festgesetzter Dienststunden nicht verpflichtet ist. Er muss auch seine Arbeit nicht im Gericht erledigen, wenn nicht bestimmte Tätigkeiten (Sitzungen, Beratungen, Bearbeitung des Dezernats, Eilsachen) seine Präsenz erfordern. Die Einbindung eines Richters in einen Spruchkörper verlangt deshalb nicht seine ständige Anwesenheit an der Dienststelle."" Auf der abweichenden prozessualen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts beruht das Berufungsurteil aber nicht, da es den Feststellungsantrag zu 2.e) rechtsfehlerfrei als unbegründet abgewiesen hat (vgl. hierzu Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 137 Rn. 42). 53 cc) Der auf die Verneinung der Pflicht zur ständigen Erreichbarkeit oder Herbeirufbarkeit eines Richters ins Gericht an allen Tagen der Woche oder auch nur an allen Werktagen zu kurzfristigen Beratungen oder Eilentscheidungen gerichtete Feststellungsantrag (Antrag zu 2.f) ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet. 54 Unzulässig ist der Feststellungsantrag, soweit der Kläger davon ausgeht, die Präsidentin des Oberlandesgerichts habe behauptet, ein Richter müsse an allen Tagen der Woche ständig erreichbar und kurzfristig in das Gericht herbeirufbar sein. Eine solche Aussage enthält das Schreiben der Präsidentin vom 12. Februar 2016 nicht. Es bezieht sich vielmehr allgemein auf die Erreichbarkeit und Herbeirufbarkeit eines Richters, ohne den Zusatz ""an allen Tagen der Woche"" zu enthalten. 55 Im Übrigen ist der Feststellungsantrag zwar zulässig, aber unbegründet. Rechtsgrundlage dafür, einen im Dienst befindlichen Richter erreichen und an den Dienstsitz des Gerichts herbeirufen zu können, dem er angehört, ist § 34 Satz 1 und 2 BeamtStG i.V.m. § 71 DRiG. Danach haben sich Richter wie Beamte mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen und die ihnen übertragenen Aufgaben uneigennützig und nach bestem Gewissen wahrzunehmen. 56 Gemäß § 71 DRiG gelten die Vorschriften des Beamtenstatusgesetzes entsprechend, soweit das Deutsche Richtergesetz nichts anderes bestimmt. Dies ist hier der Fall, denn das Deutsche Richtergesetz enthält hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Richter keine vorrangige abweichende Regelung. Dass § 71 DRiG pauschal auf das Beamtenstatusgesetz verweist, ist nicht zu beanstanden. Das Grundgesetz fordert nicht, dass die Rechtsstellung der Richter sowie die Rechte und Pflichten aus dem Richterverhältnis in allen Einzelheiten abschließend in einem eigenen Gesetz geregelt werden müssen und eine Verweisung auf andere Gesetze ausgeschlossen ist (vgl. zu einer pauschalen Verweisung auf ein ganzes Gesetz: BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1983 - 2 C 34.80 - BVerwGE 67, 222 <230>; so auch Detterbeck, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 98 GG Rn. 6). 57 Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind Richter nicht verpflichtet, bei ihrer Tätigkeit feste Dienststunden im Sinne der jeweils geltenden Arbeitszeitverordnung für Beamte einzuhalten (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1981 - 6 C 95.78 - Buchholz 238.5 § 46 DRiG Nr. 1 S. 3; Beschlüsse vom 21. September 1982 - 2 B 12.82 - Buchholz 238.5 § 46 DRiG Nr. 2 S. 6 und vom 27. März 1985 - 2 B 126.83 - Buchholz 238.5 § 46 DRiG Nr. 4 S. 10; Urteile vom 29. Oktober 1987 - 2 C 57.86 - BVerwGE 78, 211 <213, 214>, vom 24. November 2005 - 2 C 32.04 - BVerwGE 124, 347 <355> und vom 30. März 2006 - 2 C 41.04 - BVerwGE 125, 365 Rn. 19; vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 1 A 3306/08 - juris Rn. 9). 58 Die richterliche Dienstleistung unterliegt damit im Grundsatz keiner Dienstzeitregelung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 1985 - 2 B 126.83 - Buchholz 238.5 § 46 DRiG Nr. 4; Urteil vom 24. November 2005 - 2 C 32.04 - BVerwGE 124, 347 <355>; OVG Münster, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 1 A 3306/08 - juris Rn. 9). Der Richter muss, soweit seine Anwesenheit in der Dienststelle nicht durch bestimmte Tätigkeiten (Beratungen, Sitzungsdienst, Bereitschaft für Eilsachen) geboten ist, seine Dienstgeschäfte nicht innerhalb bestimmter Dienstzeiten und nicht in der Dienststelle erledigen (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Mai 2012 - 2 BvR 610/12 u.a. - BVerfGK 19, 407 <411> = juris Rn. 17; BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1981 - 6 C 95.78 - Buchholz 238.5 § 46 DRiG Nr. 1 S. 3; Beschluss vom 21. September 1982 - 2 B 12.82 - Buchholz 238.5 § 46 DRiG Nr. 2 S. 6; Urteil vom 29. Oktober 1987 - 2 C 57.86 - BVerwGE 78, 211 <214>; vgl. auch Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 1 Rn. 154; Herrmann, DRiZ 2004, 316 <317>: ""hergebrachter Grundsatz des Richteramtsrechts"" und BT-Drs. 15/5823 S. 2). 59 Dies bedeutet nach der Rechtsprechung des Senats nicht, dass ein Richter zeitlich unbeschränkt zur Arbeitsleistung verpflichtet ist. Insoweit bietet die in den Arbeitszeitvorschriften für Beamte enthaltene Regelung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Beamten - unter Beachtung der sich aus der Rechtsstellung und dem Aufgabenbereich der Richter ergebenden Besonderheiten, die z.B. unter Umständen vorübergehend einen erhöhten Arbeitseinsatz erforderlich machen können - einen Anhaltspunkt für den von einem Richter in der Regel zu erwartenden zeitlichen Arbeitsaufwand (BVerwG, Beschluss vom 21. September 1982 - 2 B 12.82 - Buchholz 238.5 § 46 DRiG Nr. 2 S. 6; vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Mai 2012 - 2 BvR 610/12 u.a. - BVerfGK 19, 407 <411> = juris Rn. 17; Herrmann, DRiZ 2004, 316 <317>). 60 Der Senat hat zur Genehmigung einer Nebentätigkeit als privater juristischer Repetitor ausgeführt, dass die Genehmigung bei Richtern von vornherein unter dem Vorrang der Pflicht zur Wahrnehmung der richterlichen Aufgaben steht. Bei zeitlich mit der Nebentätigkeit zusammenfallenden spruchrichterlichen Tätigkeiten - etwa Beratungen, Sitzungsdienst oder Bereitschaftsdienst in Eilsachen - muss ein Richter die Unterrichtsveranstaltung absagen (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1987 - 2 C 57.86 - BVerwGE 78, 211 <214 f.>). Aus diesem Urteil des Senats ergibt sich - entgegen der Ansicht des Klägers - indes nicht, dass es vom konkreten Einzelfall abhängt, ob eine Tätigkeit vorliegt, die den Richter hinsichtlich der Zeit und/oder des Orts seiner Diensttätigkeit bindet. Denn Eilsachen oder unaufschiebbare Beratungen in Hauptsachen (z.B. die Beratung über einen Befangenheitsantrag oder einen Verlegungsantrag wenige Tage vor der terminierten Verhandlung) können - insbesondere bei Tatsachengerichten - ohne Vorwarnung ad hoc auftreten. Sie sind nicht planbar, sodass mit ihnen jederzeit gerechnet werden muss. Anderweitige genehmigte private Nebentätigkeit, z.B. als Repetitor, haben hinter plötzlich erforderlicher spruchrichterlicher Tätigkeit zurückzutreten. D.h. sie stehen generell unter dem Vorbehalt der jederzeitigen Absage und Verschiebung, sollten plötzlich zeitlich unabweisbare vorrangige spruchrichterliche Aufgaben für den betroffenen Richter anstehen. 61 Auch dass es ohne Anknüpfung an den konkreten Einzelfall keinen Maßstab gibt, um zu bestimmen, bei welchem räumlichen Abstand die Herbeirufbarkeit noch gewahrt ist, spricht - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht gegen eine grundsätzliche und generelle Pflicht, als im Dienst befindlicher Richter anlassunabhängig erreichbar und präsent zu sein. Die generelle und abstrakte Pflicht eines Richters, während gerichtsüblicher Zeiten erreichbar und herbeirufbar zu sein, wird durch nachrangige - weil im Fall der plötzlichen Notwendigkeit von spruchrichterlicher Soforttätigkeit absagbare - private Nebentätigkeiten nicht beeinträchtigt. 62 Wenn sich ein Richter im (auch innereuropäischen) Ausland aufhält, ist dies grundsätzlich und regelmäßig geeignet, seine Erreichbarkeit und Herbeirufbarkeit an den Ort seiner dienstlichen Tätigkeit zu beeinträchtigen oder oft auch ganz auszuschließen. Dafür spricht auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Richterdienstrecht. Der Bundesgerichtshof führt in seinem Urteil vom 16. November 1990 - RiZ 2/90 - (NJW 1991, 1103 <1105>) für ein richterähnlich unabhängiges Mitglied des Bundesrechnungshofs aus, dass dieses Mitglied unbeschadet der Freiheit, außerhalb der Dienststelle zu arbeiten, erreichbar und herbeirufbar sein muss. Das ist bei Richtern nicht anders. 63 An diesem Maßstab orientiert verletzt die Annahme des Berufungsgerichts, dass aus der allgemeinen Arbeitspflicht des Richters (§ 71 DRiG i.V.m. § 34 Satz 1 und 2 BeamtStG) die Pflicht folgt, zur Wahrnehmung unaufschiebbarer Dienstgeschäfte an das Gericht zurückzukehren und zu diesem Zweck seine Erreichbarkeit und Herbeirufbarkeit sicherzustellen, in der vorgenommenen Auslegung kein revisibles Recht. 64 Ungeachtet von Rechtspflichten und der Bestimmung ihres Umfangs weist der Senat darauf hin, dass die Rechtsauffassung des Klägers zu diesem Punkt seines Feststellungsbegehrens auch Fragen richterlichen Selbstverständnisses und richterlicher Ethik berührt (vgl. insoweit Ziff. I Nr. 5 der Verhaltensrichtlinien für Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts, derzufolge diese ""ihre durchgängige Erreichbarkeit und eine persönliche Präsenz am Gericht sicherstellen, welche die zügige Erledigung der richterlichen Aufgaben gewährleisten""). 65 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2021-25,26.04.2021,"Pressemitteilung Nr. 25/2021 vom 26.04.2021 EN Zugang zu Unterlagen über CO2-Emissionen von Kraftfahrzeugen Die Deutsche Umwelthilfe erhält Zugang zu Unterlagen im Zusammenhang mit Messungen des CO2-Ausstoßes bei Kraftfahrzeugen, die die Volkswagen AG im November 2015 vertraulich an das Bundesverkehrsministerium übermittelt hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Klage auf Informationszugang hatten das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht stattgegeben. Die vom Bundesverwaltungsgericht zugelassene Revision der beigeladenen Volkswagen AG blieb erfolglos. Das Bundesverkehrsministerium ist informationspflichtige Stelle. Die für ein Tätigwerden im Rahmen der Gesetzgebung geltende Ausnahme von der Informationspflicht gilt nicht für die im Zuge exekutiven Handelns übermittelten Unterlagen. Antragsablehnungsgründe sind ebenfalls nicht gegeben. Nach dem Abschluss der einschlägigen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Braunschweig hat das Bekanntgeben der Informationen keine nachteiligen Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen. Auch nachteilige Auswirkungen auf den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens sind nicht ersichtlich. Ablehnungsgründe zum Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen sowie freiwillig übermittelter Informationen greifen ebenfalls nicht durch. Soweit es um Messrandbedingungen von Prüfstandsmessungen geht, handelt es sich um Informationen über Emissionen, deren Vertraulichkeit das Gesetz nicht schützt. Im Übrigen, etwa bei Produkt- und Marktstrategien, überwiegt das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Informationen das gegenläufige Interesse an deren Vertraulichkeit. BVerwG 10 C 2.20 - Urteil vom 26. April 2021 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 12 B 13.18 - Urteil vom 29. März 2019 - VG Berlin, 2 K 236.16 - Urteil vom 19. Dezember 2017 -","Urteil vom 26.04.2021 - BVerwG 10 C 2.20ECLI:DE:BVerwG:2021:260421U10C2.20.0 EN Zugang zu Unterlagen über CO2-Emissionen von Kraftfahrzeugen Leitsatz: Der Bereichsausnahme nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a UIG unterfallen nur Informationen, die im Rahmen der Gesetzgebung generiert werden. Rechtsquellen UIG § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a, § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2, Abs. 2 RL 2003/4/EG Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 3 Instanzenzug VG Berlin - 19.12.2017 - AZ: VG 2 K 236.16 OVG Berlin-Brandenburg - 29.03.2019 - AZ: OVG 12 B 13.18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 26.04.2021 - 10 C 2.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:260421U10C2.20.0] Urteil BVerwG 10 C 2.20 VG Berlin - 19.12.2017 - AZ: VG 2 K 236.16 OVG Berlin-Brandenburg - 29.03.2019 - AZ: OVG 12 B 13.18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2021 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers je zur Hälfte. Gründe I 1 Der Kläger, eine Umweltschutzvereinigung, begehrt Zugang zu einem Vermerk sowie einer Präsentation, die die Beigeladene am 4. November 2015 an das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur übermittelt hat. Die Unterlagen betreffen Fragen im Zusammenhang mit CO2-Emissionen von der Beigeladenen hergestellter Kraftfahrzeuge. 2 Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zurückgewiesen. Das Bundesministerium sei informationspflichtig. Es könne sich nicht darauf berufen, dass die begehrten Informationen im Rahmen der unionalen Rechtsetzung verwendet würden; denn die Bereichsausnahme einer Tätigkeit im Rahmen der Gesetzgebung gelte nur für die nationale Ebene. Davon abgesehen fehle es an einem funktional-inhaltlichen Zusammenhang der im Streit stehenden Unterlagen mit einem konkreten Gesetzgebungsverfahren. Nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen seien nicht zu besorgen. Nach Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft Braunschweig bestehe keine Vermutung mehr dafür, dass der Untersuchungszweck bei einer Offenlegung der Informationen nachteilig betroffen sein könne. Ein Ablehnungsgrund sei auch nicht dargelegt, soweit sich die Beklagte und die Beigeladene auf nachteilige Auswirkungen auf laufende Gerichtsverfahren und den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren beriefen. Schließlich stehe dem Anspruch auch nicht der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen entgegen. Zwar stellten die in der Präsentation niedergelegten Informationen über Messrandbedingungen und der gegenüber dem Ministerium geltend gemachte Unterstützungsbedarf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen dar; auch habe die Beigeladene die Unterlagen vertraulich an das Ministerium übermittelt, ohne dass sie hierzu verpflichtet gewesen sei. Es handele sich bei den Informationen über Messrandbedingungen aber um Umweltinformationen über Emissionen, zu denen der Zugang aus diesen Gründen nicht abgelehnt werden dürfe. Hinsichtlich der übrigen Informationen überwiege das öffentliche Informationsinteresse das Geheimhaltungsinteresse. 3 Zur Begründung ihrer Revision führt die Beigeladene aus: Der Offenlegung der Unterlagen stehe der Ablehnungsgrund nachteiliger Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen entgegen. Das Berufungsgericht habe die subjektive Schutzdimension des Ablehnungsgrundes und die Anforderungen an die Darlegungslast verkannt. Der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig das gegen sechs Beschuldigte geführte Ermittlungsverfahren (""CO2-Verfahren"") Ende April 2020 eingestellt habe, dürfe in der Revision keine Berücksichtigung finden. Der Offenlegung der Informationen stünden weiterhin die Ablehnungsgründe nachteiliger Auswirkungen auf laufende Gerichtsverfahren sowie auf den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren entgegen. Soweit es um Informationen über Handlungs- und Produktstrategien gehe, stelle das Berufungsgericht überhöhte Anforderungen an die Darlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Soweit das Berufungsgericht den Tatbestand von Ablehnungsgründen verneint habe, fehle es an einer umfassenden Interessenabwägung. Mehrere Ausschlussgründe seien bei der Abwägung kumulativ zu berücksichtigen. 4 Die Beklagte trägt noch vor, von einer Informationspflicht sei nicht nur die Tätigkeit im Rahmen der nationalen, sondern auch der europäischen Gesetzgebung ausgenommen. Der inmitten stehende Sachverhalt sei im Januar 2016 Auslöser für einen Vorschlag der Europäischen Kommission für ein Gesetzgebungspaket gewesen, an dessen Bearbeitung die Beklagte beteiligt gewesen und noch immer beteiligt sei. 5 Die Beigeladene und die Beklagte beantragen jeweils, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. März 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Dezember 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen. 6 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. 7 Er verteidigt das angefochtene Urteil. II 8 Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil beruht auf keinem Verstoß gegen revisibles Recht. 9 1. Das auf § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG gestützte Informationszugangsbegehren des Klägers richtet sich auf Umweltinformationen im Sinne von § 2 Abs. 3 UIG. Die Beteiligten haben dies im Revisionsverfahren nicht infrage gestellt, und auch sonst besteht zu Zweifeln daran kein Anlass. 10 2. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ist als oberste Bundesbehörde informationspflichtige Stelle im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UIG. Die Bereichsausnahme nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a UIG, wonach oberste Bundesbehörden nicht zu den informationspflichtigen Stellen gehören, soweit und solange sie im Rahmen der Gesetzgebung tätig werden, greift hier nicht ein. 11 Nicht jede Information, die im Rahmen der Gesetzgebung Verwendung findet, unterfällt der Sperrwirkung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a UIG. Vielmehr ist zwischen Informationen zu unterscheiden, die im Rahmen der Gesetzgebung generiert werden und solchen, die in einem anderen Zusammenhang anfallen und als Materialien in einen gesetzgeberischen Prozess eingebracht werden. Anknüpfend an den einschlägigen Gesetzentwurf zur Änderung des Umweltinformationsgesetzes ist maßgeblich, ob die von einer Anfrage erfassten Informationen aus einer Tätigkeit der obersten Bundesbehörde im Zusammenhang mit einem konkreten Gesetzgebungsverfahren oder im Zusammenhang mit anderen Aufgaben ""resultieren"" (vgl. BT-Drs. 18/1585 S. 8). Nur die anlässlich eines konkreten Gesetzgebungsverfahrens generierten Informationen unterfallen dem Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a UIG. 12 Schutzgüter der Bereichsausnahme nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a UIG sind die ungehinderte interne Willensbildung der in einen Gesetzgebungsprozess eingebundenen obersten Bundesbehörde und der hierdurch gewährleistete ordnungsgemäße Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 14. Februar 2012 - C-204/09 [ECLI:​EU:​C:​2012:​71], Flachglas Torgau - Rn. 54.; BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 C 7.12 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 2 Rn. 21). Diese Schutzgüter werden nicht berührt, wenn Zugang zu Informationen gewährt wird, die außerhalb des konkreten Gesetzgebungsverfahrens generiert worden sind. Genügte es zur Versagung des Zugangs, dass eine anderweitig generierte Information in ein Gesetzgebungsverfahren Eingang findet, wäre die Bereichsausnahme zudem konturlos. Ein qualitätsvoller Gesetzgebungsprozess ist auch dadurch gekennzeichnet, dass er auf Basis geltenden Rechts gesammelte Erfahrungen möglichst umfassend berücksichtigt. Eine vertrauliche Behandlung derartiger Informationen lässt sich mit deren Einbringung in einen solchen Prozess nicht begründen. 13 Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beigeladene die vom Kläger begehrten Unterlagen der Beklagten im Kontext möglicher Rechtsverstöße von Fahrzeugherstellern gegen geltendes europäisches Recht übermittelt, die Anlass zu der Prüfung gegeben hatte, ob und inwieweit ein konkretes behördliches Tätigwerden des Kraftfahrt-Bundesamtes angezeigt gewesen sei. Mithin handelt es sich bei den Unterlagen um Informationen, die im Rahmen einer exekutiven Tätigkeit des Bundesministeriums generiert und lediglich in einen gesetzgeberischen Prozess eingebracht wurden. Als solche unterfallen sie dem Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a UIG nicht. 14 Offenbleiben kann hiernach, ob sich die Bereichsausnahme nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a UIG allein auf die nationale Gesetzgebung oder auch auf eine Beteiligung einer obersten Bundesbehörde an der Normsetzung auf europäischer Ebene erstreckt. 15 3. Antragsablehnungsgründe sind nicht gegeben. 16 a) Der Antragsablehnungsgrund nachteiliger Auswirkungen auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 UIG liegt nicht vor. Nach den für den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beigeladene ausgeführt, dass ihr kein Zivilverfahren bekannt sei, das wegen des CO2-Ausstoßes von ihr hergestellter Fahrzeuge geführt werde. Etwaige nicht-zivilrechtliche Gerichtsverfahren waren schon nicht Gegenstand der Erörterung. 17 b) Die Voraussetzungen für eine Antragsablehnung wegen nachteiliger Auswirkungen auf den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 UIG sind auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ebenfalls nicht gegeben. Zwar hat dieser Ablehnungsgrund ungeachtet dessen, dass § 8 UIG seiner amtlichen Überschrift nach dem Schutz öffentlicher Belange dient, schon ausweislich der Verwendung des Wortes ""Anspruch"" auch subjektiv-rechtlichen Charakter (vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand August 2020, § 8 UIG Rn. 33), so dass eine Verweigerung der Herausgabe von Umweltinformationen auch im Hinblick auf subjektive Rechtspositionen in Betracht zu ziehen ist. Jedoch haben Beklagte und Beigeladene nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts weder konkrete Betroffene, für die sich eine Offenlegung nachteilig auswirken könnte, noch einzelne Informationen, von denen ein solches Potential ausgeht, bezeichnet. Eine lediglich abstrakte Benennung möglicher Gefahren kann einen Anspruchsausschluss nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 UIG nicht begründen. 18 c) Auch der Antragsablehnungsgrund nachteiliger Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 3 UIG liegt nicht (mehr) vor. Dies ergibt sich schon daraus, dass die im Zusammenhang mit der Frage zu niedriger Angaben von CO2-Emissionen bei Kraftfahrzeugen durch die Staatsanwaltschaft Braunschweig geführten, im Berufungsurteil bezeichneten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zwischenzeitlich zum Abschluss gebracht wurden und mithin auf deren Durchführung keine nachteiligen Auswirkungen mehr in Betracht kommen. Das gegen sechs Beschuldigte geführte ""CO2-Verfahren"" wurde laut einer Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft vom 29. April 2020 eingestellt. Im sogenannten ""WpHG-Verfahren"", das nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit ""CO2-Themen"" in Verbindung steht, wurde laut einer Pressemitteilung vom 24. September 2019 Anklage erhoben. Diese neu eingetretenen, allgemein bekannten und unstreitigen Tatsachen sind im Revisionsverfahren berücksichtigungsfähig (vgl. nur Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 137 Rn. 63 ff. m.w.N.). 19 Ungeachtet dessen hat das Berufungsgericht das Verhältnis der Akteneinsichtsrechte nach der Strafprozessordnung und des Informationszugangs nach dem Umweltinformationsgesetz zutreffend bestimmt. Entgegen der Revision verweist es zu Recht darauf, dass die hierzu ergangene ältere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1999 - 7 C 32.98 - BVerwGE 110, 17 <20 ff.>) durch Rechtsänderungen überholt ist. Nach früherer Rechtslage, die einen Informationszugang nach dem Umweltinformationsgesetz während laufender strafrechtlicher Ermittlungen ohne Weiteres ausschloss, konnte ein Zugang zu Informationen, die Gegenstand eines laufenden Ermittlungsverfahrens sind, ausschließlich nach den strafprozessualen Regelungen - namentlich gemäß § 475 StPO - erfolgen. Demgegenüber schließt das geltende Recht den Zugang nach dem Umweltinformationsgesetz zu Informationen, die Gegenstand eines laufenden Ermittlungsverfahrens sind, (nur) unter der weiteren Voraussetzung nachteiliger Auswirkungen auf die Durchführung der strafrechtlichen Ermittlungen aus. Aus diesem Regelungsmechanismus folgt, dass die Vorschriften des Umweltinformationsgesetzes und die strafprozessualen Bestimmungen zu Akteneinsichtsrechten, die sich an verschiedene Anspruchsverpflichtete richten und sich auf unterschiedliche Aktenbestände beziehen, nebeneinander zur Anwendung kommen. Der von der Revision in diesem Zusammenhang in den Blick genommene Schutz der subjektiven Rechtsstellung des Beschuldigten in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wird im Rahmen des Informationszugangs nach dem Umweltinformationsgesetz gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 UIG (nachteilige Auswirkungen auf den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren) gewährleistet. 20 d) Der Informationszugangsanspruch des Klägers ist auch nicht wegen geschützter Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG) sowie freiwillig übermittelter Umweltinformationen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 UIG) ausgeschlossen. Soweit die vom Kläger begehrten Informationen Messrandbedingungen von Prüfstandsmessungen im Typgenehmigungsverfahren betreffen, handelt es sich um Umweltinformationen über Emissionen, deren Vertraulichkeit nach § 9 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 UIG nicht geschützt ist. Im Übrigen überwiegt das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Informationen das gegenläufige Interesse an deren Vertraulichkeit (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UIG). 21 aa) Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UIG dürfen Umweltinformationen, die private Dritte einer informationspflichtigen Stelle übermittelt haben, ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein oder rechtlich verpflichtet werden zu können, und deren Offenbarung nachteilige Auswirkungen auf die Interessen der Dritten hätte, ohne deren Einwilligung anderen nicht zugänglich gemacht werden, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. 22 Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Tatbestand des § 9 Abs. 2 Satz 1 UIG erfüllt. Die Beigeladene hat die vom Kläger begehrten Informationen vertraulich an einen Staatssekretär und einen Abteilungsleiter des Ministeriums übermittelt, ohne dass festgestellt werden könne, dass sie dazu rechtlich verpflichtet gewesen sei oder dazu hätte verpflichtet werden können. Auch sei nicht zweifelhaft, dass eine Offenbarung - jedenfalls in der Gestalt eines Imageverlusts - nachteilige Auswirkungen auf die Interessen der Beigeladenen haben würde. Revisionsrechtliche Bedenken gegen die Tatbestandsmäßigkeit bestehen nicht. 23 bb) § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG schützt von einem Informationszugangsbegehren betroffene Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, soweit nicht das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt dies voraus, dass der Geheimnisträger ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung hat. Ein solches Interesse ist anzuerkennen, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, den Konkurrenten exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition eines Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Hierfür muss die prognostische Einschätzung nachteiliger Auswirkungen im Fall des Bekanntwerdens der Informationen nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2020 - 10 C 25.19 - juris Rn. 38 m.w.N.). 24 Ausgehend hiervon hat das Berufungsgericht festgestellt, dass hinsichtlich der Messrandbedingungen von Prüfstandsmessungen im Typgenehmigungsverfahren sowie des von der Beigeladenen dem Ministerium gegenüber geltend gemachten Unterstützungsbedarfs geschützte Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse betroffen sind. Revisionsrechtliche Bedenken sind insoweit nicht veranlasst. 25 Soweit, namentlich hinsichtlich der Produkt- und Marktstrategie der Beigeladenen, das Berufungsgericht demgegenüber keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse als betroffen angesehen hat, bestehen ebenfalls keine Einwände. Entgegen der Auffassung der Revision hat es insbesondere die Anforderungen an die erforderlichen Darlegungen nicht überspannt. Das Berufungsgericht hat mit Blick auf die Wettbewerbsrelevanz der begehrten Informationen festgestellt, dass in tatsächlicher Hinsicht offengeblieben sei, was die Konkurrenz in die Lage versetzen solle, Kunden betroffener Fahrzeuge gezielt anzusprechen, welche Vorteile andere Automobilhersteller aus einer Offenlegung der Strategie der Beigeladenen ziehen und welche Aufwendungen sie in Bezug auf die Entwicklung eigener Strategien ersparen könnten. Auf dieser Grundlage konnte im Rahmen tatrichterlicher Würdigung ohne Rechtsfehler verneint werden, dass für den Fall des Bekanntwerdens der vom Kläger begehrten Informationen nachteilige Auswirkungen nachvollziehbar und plausibel dargelegt worden sind. 26 Hinzu kommt, dass Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die mindestens fünf Jahre alt sind, aufgrund des Zeitablaufs grundsätzlich nicht mehr als aktuell und deshalb nicht mehr als vertraulich anzusehen sind, es sei denn, die Partei, die sich auf eine Vertraulichkeit beruft, weist ausnahmsweise nach, dass die Informationen trotz ihres Alters immer noch wesentliche Bestandteile ihrer eigenen wirtschaftlichen Stellung oder der von betroffenen Dritten sind (BVerwG, Teilurteil vom 8. Mai 2019 - 7 C 28.17 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 4 Rn. 32; vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-15/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​464], Baumeister - Rn. 57). Vorliegend sind seit der Übermittlung der vom Kläger begehrten Unterlagen an die Beklagte mit E-Mail vom 4. November 2015 bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat mehr als fünf Jahre und fünf Monate vergangen. Neu eingetretene, allgemein bekannte und unstreitige Tatsachen sind - wie bereits dargelegt - im Revisionsverfahren berücksichtigungsfähig. Hinsichtlich des eingetretenen (weiteren) Zeitablaufs ist dies der Fall. Umso mehr fehlt es an den erforderlichen Darlegungen zur fortbestehenden Wettbewerbsrelevanz. 27 cc) Ungeachtet der Tatbestandsmäßigkeit kann der Zugang zu Umweltinformationen über Emissionen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 UIG weder unter Berufung auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG) noch auf die Freiwilligkeit der Übermittlung (§ 9 Abs. 2 Satz 1 UIG) abgelehnt werden. Die diesbezüglichen Rückausnahmen von den Antragsablehnungsgründen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UIG tragen Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 3 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen (ABl. L 41 S. 26) Rechnung, wonach die Mitgliedstaaten nicht vorsehen dürfen, dass ein Informationszugangsantrag abgelehnt werden kann, wenn er sich auf Informationen über Emissionen in die Umwelt bezieht. 28 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff der Informationen über Emissionen im Sinne der Richtlinie 2003/4/EG dahin auszulegen, dass er nicht nur die Informationen über Emissionen als solche erfasst, das heißt die Angaben über Art, Zusammensetzung, Menge, Zeitpunkt und Ort dieser Emissionen, sondern auch die Daten über die mehr oder weniger langfristigen Auswirkungen dieser Emissionen auf die Umwelt. Die Richtlinie 2003/4/EG hat das Ziel, einen grundsätzlichen Zugang zu Umweltinformationen, die bei Behörden vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden, zu gewährleisten und eine möglichst umfassende und systematische Verfügbarkeit und Verbreitung dieser Informationen in der Öffentlichkeit zu erreichen. Wie im ersten Erwägungsgrund der Richtlinie angegeben, sollen ein solcher Zugang und eine solche Verbreitung unter anderem dazu beitragen, das Umweltbewusstsein zu schärfen und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen. Für diese Zwecke muss die Öffentlichkeit aber nicht nur Zugang zu den Informationen über Emissionen als solche haben, sondern auch zu den Informationen über die mehr oder weniger langfristigen Folgen dieser Emissionen auf den Zustand der Umwelt. Das Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu Informationen über Emissionen in die Umwelt besteht auch darin zu verstehen, wie die Umwelt von Emissionen beeinträchtigt zu werden droht (EuGH, Urteil vom 23. November 2016 - C-442/14 [ECLI:​EU:​C:​2016:​890], Bayer Crop Science - Rn. 85 ff.). 29 Nach der weiteren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die ähnlich gefasste Formulierung ""Informationen (, die) Emissionen in die Umwelt betreffen"", in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. L 264 S. 13) dahingehend auszulegen, dass Informationen, die es der Öffentlichkeit ermöglichen, nachzuprüfen, ob die Bewertung der tatsächlichen oder vorhersehbaren Emissionen, auf deren Grundlage die zuständige Behörde ein Produkt oder einen Stoff zugelassen hat, zutreffend ist, ebenso in die zitierte Wendung einzubeziehen sind wie die Daten bezüglich der Auswirkungen dieser Emissionen auf die Umwelt (EuGH, Urteil vom 23. November 2016 - C-673/13 [ECLI:​EU:​C:​2016:​889], P - Rn. 80). 30 Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung handelt es sich bei Informationen über Messrandbedingungen bei den auf dem Rollenprüfstand anzuwendenden Fahrzyklen zur Ermittlung von CO2-Abgaswerten für die Typgenehmigung um Umweltinformationen über Emissionen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts beeinflussen die Messrandbedingungen die am Auspuff gemessenen Werte des CO2-Anteils im Abgas. Erst die Informationen über die Messrandbedingungen ermöglichen es mithin der interessierten Öffentlichkeit, gegebenenfalls selbst nachzuprüfen, ob die Ermittlung der zu erwartenden Emissionen in die Umwelt zutreffend ist. Ein weites Verständnis der Reichweite der Rückausnahmen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 UIG steht zudem mit der Maßgabe des Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 RL 2003/4/EG in Einklang, die Antragsablehnungsgründe eng auszulegen. 31 dd) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UIG tritt der Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen und freiwillig übermittelten Umweltinformationen zurück, wenn das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Informationen das gegenläufige Interesse an deren Vertraulichkeit überwiegt. Die von der informationspflichtigen Stelle insoweit vorzunehmende Abwägung bestehender Vertraulichkeitsinteressen mit dem öffentlichen Informationsinteresse unterliegt nach Maßgabe von Art. 19 Abs. 4 GG der vollen gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerwG, Teilurteil vom 8. Mai 2019 - 7 C 28.17 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 4 Rn. 28). 32 Auch mit Bezug auf diese Abwägung leidet das Berufungsurteil an keinen Rechtsfehlern. Hinsichtlich der vom Kläger begehrten Informationen, die nicht bereits unter den Begriff der Umweltinformationen über Emissionen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 UIG) fallen, überwiegt auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Informationen das gegenläufige Interesse an deren Vertraulichkeit. Entgegen diesbezüglicher Einwände der Revision hat es im Zuge der gerichtlichen Abwägungskontrolle sowohl die tatbestandlich nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UIG (freiwillige Übermittlung) als auch nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG (Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse) gegebenen Ablehnungsgründe zugrunde gelegt und vorsorglich auch diejenigen Informationen über Produkt- und Marktstrategien der Beigeladenen mit einbezogen, hinsichtlich derer das Berufungsgericht keine geschützten Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse bejaht hatte. Insoweit hat es auch nicht das erhöhte Gewicht der Vertraulichkeitsinteressen übersehen, das bei einem kumulativen Vorliegen mehrerer Antragsablehnungsgründe im Rahmen der Abwägung Berücksichtigung finden kann und muss (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Juli 2011 - C-71/10 [ECLI:​EU:​C:​2011:​525], Office of Communications - Rn. 32). 33 Nicht zuletzt eingedenk des weitreichenden Ziels der dem Umweltinformationsgesetz zugrunde liegenden Umweltinformationsrichtlinie, den Umweltschutz durch eine Schärfung des Umweltbewusstseins, die Ermöglichung eines freien Meinungsaustauschs und eine Wandlung der Art und Weise, in der Behörden mit Offenheit und Transparenz umgehen, zu verbessern (vgl. Erwägungsgründe 1 und 2 der Richtlinie 2003/4/EG; vgl. hierzu BVerwG, Teilurteil vom 8. Mai 2019 - 7 C 28.17 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 4 Rn. 32), liegt auch kein Verstoß gegen revisibles Recht darin, dass das Berufungsgericht für ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse für ausschlaggebend hält, dass die Beklagte selbst ein außerordentliches Aufklärungsinteresse im Kontext einer möglichen Verfälschung von Emissionswerten gesehen habe und dies ein entsprechendes Interesse der Öffentlichkeit nach sich ziehe. Ein Zugang der Öffentlichkeit zu den einschlägigen Unterlagen trägt im Übrigen auch zu einer Versachlichung der öffentlich geführten Debatte über zu niedrige Angaben von CO2-Emissionen bei Kraftfahrzeugen bei. 34 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO." bverwg_2021-26,27.04.2021,"Pressemitteilung Nr. 26/2021 vom 27.04.2021 EN Auskunftsanspruch gegen kommunales Verkehrsunternehmen zum Ausscheiden des Vorstandssprechers Radio Bremen hat Anspruch auf weitere Auskünfte zum Ausscheiden des ehemaligen Vorstandssprechers eines kommunalen Verkehrsunternehmens im Jahr 2014. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Das beklagte Verkehrsunternehmen hatte sich mit seinem Vorstandssprecher 2014 auf eine Vertragsaufhebung und die Zahlung einer Abstandssumme geeinigt. Die klagende Rundfunkanstalt wollte in Erfahrung bringen, ob es Gründe gegeben hätte, den Vertrag auch ohne Abstandszahlung zu beenden. Der Klage gegen die Verweigerung der Auskunft zu insgesamt acht Fragen haben das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht in unterschiedlichem Umfang teilweise stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten sowie die auf Beantwortung einer weiteren Frage zielende Anschlussrevision der Klägerin blieben erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hebt hervor, dass Auskunft nur über Tatsachen verlangt werden kann, nicht über Werturteile. Tatsächliche Vorgänge müssen dabei nicht verschriftlicht worden sein; die Behörde ist auch dazu verpflichtet, das präsente Wissen der intern bei ihr zuständigen Mitarbeiter abzufragen, allerdings nicht über beliebige Gerüchte, sondern nur über dienstliche Vorgänge und Wahrnehmungen. Bereits Ausgeschiedene müssen nicht mehr befragt werden. Drohen dem Betroffenen aus der Gewährung der Auskunft persönliche Nachteile, so muss dessen Interesse an einer Geheimhaltung mit dem gegenläufigen öffentlichen Interesse an der Offenlegung abgewogen werden. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass es der klagenden Rundfunkanstalt zunächst nur um die Recherche geht, noch nicht um eine Veröffentlichung, und dass sie bei einer Veröffentlichung dann ihrerseits die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen in Rechnung stellen muss. Auf der Grundlage der zu erstattenden Auskünfte obliegt es deshalb nun der eigenverantwortlichen Prüfung durch die Klägerin, ob und gegebenenfalls in welcher Form eine Veröffentlichung der Informationen mit ihren journalistischen Sorgfaltspflichten in Einklang steht. BVerwG 10 C 1.20 - Urteil vom 26. April 2021 Vorinstanzen: OVG Bremen, 1 LB 118/19 - Urteil vom 30. Oktober 2019 - VG Bremen, 2 K 1513/16 - Urteil vom 29. Juni 2018 -","Urteil vom 26.04.2021 - BVerwG 10 C 1.20ECLI:DE:BVerwG:2021:260421U10C1.20.0 EN Auskunftsanspruch gegen kommunales Verkehrsunternehmen Leitsätze: 1. Zu den Informationen, die bei einer nach § 5 Abs. 1 Satz 1 MStV informationspflichtigen Stelle vorhanden sind, gehören auch solche, die auf dienstliche Vorgänge und Wahrnehmungen bezogen sind und die nicht verschriftlicht bzw. nicht aktenkundig gemacht wurden. 2. Zur Erstattung von Auskünften über nicht aufgezeichnete Informationen bedarf es gegebenenfalls der Abfrage präsenten dienstlichen Wissens bei der nach der internen Geschäftsverteilung sachlich zuständigen Stelle bzw. bei einem für den abgefragten Sachverhalt sachlich zuständigen Mitarbeiter. Rechtsquellen MStV § 5 GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 VwGO § 40 Abs. 1 Satz 1 Instanzenzug VG Bremen - 29.06.2018 - AZ: VG 2 K 1513/16 OVG Bremen - 30.10.2019 - AZ: OVG 1 LB 118/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 26.04.2021 - 10 C 1.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:260421U10C1.20.0] Urteil BVerwG 10 C 1.20 VG Bremen - 29.06.2018 - AZ: VG 2 K 1513/16 OVG Bremen - 30.10.2019 - AZ: OVG 1 LB 118/19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2021 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel für Recht erkannt: Die Revision und die Anschlussrevision werden zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Gründe I 1 Die Klägerin, eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, begehrt von der Beklagten, einem Verkehrsunternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft mit ganz überwiegender Mehrheitsbeteiligung der Stadt ..., Auskünfte zu den Umständen des Ausscheidens des Beigeladenen, des ehemaligen Vorstandssprechers der Beklagten. 2 Am 18. Juli 2014 gab die Beklagte bekannt, dass der Beigeladene seine Tätigkeit für das Unternehmen zum 2. August 2014 aus persönlichen Gründen beende. Am 24. Juli 2014 schlossen die Beklagte und der Beigeladene einen Aufhebungsvertrag, in dem vereinbart wurde, dass gegenüber der Öffentlichkeit über das Ausscheiden des Beigeladenen ausschließlich die Erklärung vom 18. Juli 2014 verbreitet werde. 3 Die Klägerin bat die Beklagte um Auskünfte zum Ausscheiden des Beigeladenen. Als diese verweigert wurden, erhob sie Klage beim Landgericht. Das Landgericht hat den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht verwiesen, das der Klage hinsichtlich fünf der acht gestellten Fragen stattgegeben hat. Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht der Klage hinsichtlich der Fragen 2 und 8 stattgegeben. Hinsichtlich der Fragen 4 und 7 hat es die Klage abgewiesen. ... 4 Zur Begründung ihrer Revision führt die Beklagte aus: Sie sei als privatrechtlich organisierte Aktiengesellschaft keine informationspflichtige Behörde. Die Klägerin verlange zudem Bewertungen, die nicht geschuldet seien. Einer Auskunft stünden auch Vorschriften über die Geheimhaltung und überwiegende schutzwürdige Interessen entgegen. Zum einen müsste die Beklagte ihre Vertraulichkeitspflichten missachten. Zum anderen würde sie mit einer unterstellt bejahenden Auskunft ... sehenden Auges die Reputation des Beigeladenen zerstören. Die Beklagte treffe zudem keine Pflicht zur Ermittlung nicht aktenkundiger Informationen durch Befragung diverser Personen aus ihrem Unternehmen. 5 Die Klägerin hat hinsichtlich Frage 7 Anschlussrevision eingelegt. Der Tatsachenkern dieser Frage überwiege, sodass ein Auskunftsanspruch bestehe. 6 ... 7 ... 8 ... 9 ... 10 ... II 11 Revision und Anschlussrevision sind unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil beruht auf keinem Verstoß gegen revisibles Recht. Der Auskunftsanspruch der Klägerin besteht in dem vom Berufungsgericht festgestellten Umfang. 12 1. Die Eröffnung des Rechtswegs zu den Verwaltungsgerichten ist im Revisionsverfahren nach § 17a Abs. 5 GVG nicht zu prüfen, steht im Übrigen aber auch in der Sache gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO außer Zweifel. 13 Maßgeblicher Bezugspunkt der Prüfung, ob es sich bei einer Streitigkeit um eine öffentlich-rechtliche oder eine bürgerlich-rechtliche handelt, ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (GmS-OGB, Beschlüsse vom 10. April 1986 - GmS-OGB 1/85 - BVerwGE 74, 368 <370> und vom 10. Juli 1989 - GmS-OGB 1/88 - BGHZ 108, 284 <287>, jeweils m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 2020 - 10 B 1.20 - NVwZ 2020, 1363 Rn. 9). 14 Rechtsgrundlage des Auskunftsanspruchs von Rundfunkveranstaltern - hier der Klägerin als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt - gegenüber Behörden ist § 5 Abs. 1 des Medienstaatsvertrags vom 15. April 2020 (BremGBl. S. 981) - MStV -, der mit Wirkung vom 7. November 2020 in Kraft getreten und nach § 114 MStV revisibel ist. Diese Rechtsvorschrift - mit der Vorgängerregelung nach § 9a des Staatsvertrags für Rundfunk und Telemedien vom 31. August 1991 (BremGBl. S. 275) inhaltsgleich - müsste das Berufungsgericht seinem Urteil, wenn es heute zu entscheiden hätte, zugrunde legen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 33.17 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 21 Rn. 21). 15 Der Auskunftsanspruch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 MStV begründet zwischen dem Auskunftsberechtigten und dem Auskunftsverpflichteten ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. Die gesetzliche Verpflichtung, Rundfunkveranstaltern Auskünfte zu erteilen, knüpft spezifisch an die besondere Pflichtenstellung der auskunftspflichtigen Stelle als Behörde an und verpflichtet diese nicht (nur) als Teilnehmerin am allgemeinen Rechtsverkehr. 16 2. Die Beklagte ist Behörde im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 MStV und als solche auskunftspflichtige Stelle. 17 Entsprechend den landesrechtlichen Auskunftsansprüchen der Presse ist beim Auskunftsanspruch nach dem Medienstaatsvertrag ein funktionell-teleologisches Verständnis des Behördenbegriffs zugrunde zu legen. Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs ist es, den Rundfunkveranstaltern die durch Art. 5 GG garantierte Funktion im Rahmen der demokratischen Meinungs- und Willensbildung zu gewährleisten und es ihnen so zu ermöglichen, ihre Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse umfassend und wahrheitsgetreu zu erhalten. Die Berichterstattung über Vorgänge im staatlichen Bereich beschränkt sich hierbei nicht auf die staatliche Eingriffsverwaltung. Die verfassungsrechtlich durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgesicherte Kontroll- und Vermittlungsfunktion der Medien in Bezug auf den Staat und seine Institutionen ist unabhängig von dem Funktionsbereich, der Organisation und der Form staatlichen Handelns. Ein anerkennenswertes Informationsbedürfnis besteht insbesondere auch dann, wenn sich die Exekutive zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben einer privatrechtlichen Organisationsform bedient. Der Behördenbegriff erfasst daher auch juristische Personen des Privatrechts, die von der öffentlichen Hand beherrscht und zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, namentlich im Bereich der Daseinsvorsorge, eingesetzt werden (vgl. BGH, Urteile vom 10. Februar 2005 - III ZR 294/04 - NJW 2005, 1720 f. = juris Rn. 12 und vom 16. März 2017 - I ZR 13/16 - NJW 2017, 3153 Rn. 18 f. m.w.N.; vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 5 B 1183/08 - juris Rn. 2 ff.; Schleyer, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, 30. Edition, Stand 1. November 2020, MStV § 5 Rn. 9 f.). 18 Auf dieser Grundlage liegen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die tatsächlichen Voraussetzungen der Behördeneigenschaft bei der Beklagten vor. Hiernach werden die Anteile an ihr zu 99 Prozent von der ... Verkehrsgesellschaft mbH gehalten, die wiederum vollständig im Eigentum der Stadt ... steht. Die Beklagte betreibt einen Großteil des öffentlichen Nahverkehrs in der Stadt ... und wird damit im Bereich der Daseinsvorsorge eingesetzt. 19 3. Die Einordnung der in Streit stehenden Fragestellungen der Klägerin als auf Tatsachen oder auf - nicht geschuldete - Werturteile gerichtet durch das Berufungsgericht unterliegt keinen revisionsrechtlichen Bedenken. 20 Der Auskunftsanspruch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 MStV ist auf die Mitteilung von Tatsachen gerichtet. Es besteht kein Anspruch auf eine Bewertung oder eine Kommentierung von Sachverhalten durch die auskunftspflichtige Stelle (vgl. OVG Münster, Urteil vom 23. Mai 1995 - 5 A 2875/92 - NJW 1995, 2741 <2742>; Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, LPG § 4 Rn. 85; Schleyer, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, 30. Edition, Stand 1. November 2020, MStV § 5 Rn. 11 m.w.N.). Wird eine Auskunft über sogenannte innere Tatsachen wie Absichten, Motive und sonstige Überlegungen erbeten, kann die auskunftspflichtige Stelle dem nur nachkommen, wenn diese inneren Vorgänge sich in irgendeiner Form bei dieser manifestiert haben. Fehlt es an einer solchen Manifestation, besteht kein Auskunftsanspruch (vgl. OVG Münster, Urteil vom 23. Mai 1995 - 5 A 2875/92 - NJW 1995, 2741 <2742>). 21 Mit dem Berufungsgericht ist die Frage der Klägerin, ob es zutrifft, dass der Beigeladene das Unternehmen zum 2. August 2014 aus eigenem Antrieb verlassen wollte (Frage 2), auf einen nach außen betätigten oder geäußerten Willen des Beigeladenen zum Verlassen des Unternehmens zu beziehen. Es handelt sich hierbei um eine nach außen hin manifestierte Tatsache und nicht um rein innerlich gebliebene Gedanken oder Wünsche. Ein Werturteil steht nicht inmitten. Nicht anders liegt es hinsichtlich der Frage 8. Es ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, diese Frage dahingehend auszulegen, dass die Klägerin wissen möchte, ob es Beschwerden von Betroffenen oder Dritten ... gegeben habe ... Die Begründetheit solcher Beschwerden ist angesichts der Fragestellung nicht maßgeblich. 22 Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht die ... Frage 7, als auf ein Werturteil gerichtet ansieht. ... 23 4. Der Auskunftsanspruch der Klägerin ist auf die bei der Beklagten als informationspflichtiger Stelle tatsächlich vorhandenen Informationen beschränkt. 24 Das Bundesverwaltungsgericht hat zum verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG entschieden, dass sich der Informationszugang auf die bei der informationspflichtigen Stelle tatsächlich vorhandenen Informationen beschränkt. Das sind diejenigen Informationen, die zum Zeitpunkt des begehrten Informationszugangs tatsächlich vorliegen. Das Auskunftsrecht führt demgegenüber zu keiner Informationsbeschaffungspflicht der Behörde. Müssten Informationen erst durch Untersuchungen generiert werden, sind sie als Gegenstand eines Auskunftsanspruchs noch nicht vorhanden (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 30; Beschluss vom 17. November 2016 - 6 A 3.15 - juris Rn. 12; vgl. auch Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, LPG § 4 Rn. 86; vgl. zum IFG BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 - Buchholz 404 IFG Nr. 32 Rn. 15 m.w.N.). Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs nach § 5 Abs. 1 Satz 1 MStV gilt nichts Anderes. 25 Zu den bei der informationspflichtigen Stelle vorhandenen Informationen gehören auch auf dienstliche Vorgänge und Wahrnehmungen bezogene Informationen, die nicht verschriftlicht bzw. nicht aktenkundig gemacht wurden. Der Auskunftsanspruch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 MStV ist - anders als der Informationszugangsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (vgl. § 2 Nr. 1 IFG) - nicht auf Aufzeichnungen beschränkt. Zur Erteilung von Auskünften hinsichtlich nicht aufgezeichneter Informationen bedarf es gegebenenfalls der Abfrage präsenten dienstlichen Wissens bei der nach der internen Geschäftsverteilung sachlich zuständigen Stelle oder bei einem für den abgefragten Sachverhalt sachlich zuständigen Mitarbeiter. Letzteres gilt auch dann, wenn sich die zuständige Stelle oder der Aufgabenbereich von Mitarbeitern innerhalb der informationspflichtigen Stelle zwischenzeitlich geändert hat. Mit einer solchen - internen - Nachfrage wird die Schwelle zur Sachverhaltserforschung nicht überschritten. Hierbei geht es um Behördenwissen. Mangels Informationsbeschaffungspflicht ist demgegenüber eine Befragung ausgeschiedener Behördenleiter, Mitarbeiter oder - bei entsprechender Organisationsform - Organmitglieder nicht geschuldet. 26 5. Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen revisibles Recht entschieden, dass der Beklagten hinsichtlich der Fragen 2 und 8 der Klägerin kein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht. 27 a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MStV können Auskünfte verweigert werden, soweit der Auskunftserteilung Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen. Vorschriften über die Geheimhaltung sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum presserechtlichen Auskunftsanspruch Bestimmungen, die den Schutz öffentlicher Geheimnisse bewirken sollen und der auskunftsverpflichteten Behörde als solcher die Preisgabe der in Rede stehenden Information schlechthin untersagen (BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 13/16 - NJW 2017, 3153 Rn. 48 m.w.N.; dem folgend Schleyer, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, 30. Edition, Stand 1. November 2020, MStV § 5 Rn. 15). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat für das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MStV an. 28 Nicht unter Vorschriften über die Geheimhaltung fallen hiernach vertragliche Vereinbarungen zur Wahrung der Verschwiegenheit, wie sie zwischen Beklagter und Beigeladenem im Rahmen des Aufhebungsvertrags vom 24. Juli 2014 getroffen wurden. Eine Behörde kann nicht durch Vereinbarungen mit Dritten über den Auskunftsanspruch des Rundfunkveranstalters disponieren und sich auf diese Weise der öffentlichen Kontrolle durch unabhängige Medien teilweise entziehen. Soweit im Einzelfall schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen anzuerkennen sind, die nicht bereits durch spezifische Vorschriften über die Geheimhaltung geschützt sind, gewährleistet der Auskunftsverweigerungsgrund der Verletzung eines überwiegenden öffentlichen oder schutzwürdigen privaten Interesses gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MStV den gebotenen Schutz. 29 b) § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MStV sieht ein Auskunftsverweigerungsrecht vor, soweit durch die Auskunftserteilung ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde. Stehen private Interessen einer Auskunftserteilung entgegen, sind die widerstreitenden, insbesondere grundrechtlich geschützten Belange in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Bei Presseauskünften ist im Wege praktischer Konkordanz abzuwägen, ob dem Informationsinteresse der Presse aufgrund der Pressefreiheit oder einem schützenswerten Interesse betroffener Dritter der Vorzug zu geben ist (BVerwG, Urteil vom 27. September 2018 - 7 C 5.17 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 18 Rn. 14 unter Verweis auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. August 2000 - 1 BvR 1307/91 - NJW 2001, 503 <505>; in diesem Sinne auch BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 13/16 - NJW 2017, 3153 Rn. 52 m.w.N.; Schleyer, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, 30. Edition, Stand 1. November 2020, MStV § 5 Rn. 16). Für die Abwägung schutzwürdiger privater Interessen mit dem Informationsinteresse des Rundfunks, auf dessen grundrechtlichen Schutz gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG sich die Klägerin ungeachtet ihrer Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts berufen kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Juli 1971 - 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68 - BVerfGE 31, 314 <322>), gilt nichts Anderes. 30 Als dem Auskunftsinteresse der Klägerin gegenläufige Belange sind insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beigeladenen aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie sein Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK in die Abwägung einzustellen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht bietet Schutz vor einer personenbezogenen Berichterstattung und der Verbreitung von Informationen, die geeignet sind, die Persönlichkeitsentfaltung erheblich zu beeinträchtigen. Eine wesentliche Gewährleistung ist der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen der Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken (BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - BVerfGE 152, 152 Rn. 80 m.w.N.). Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist allerdings durch die Einbindung der Person in ihre sozialen Beziehungen relativiert (BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - Rn. 81 m.w.N.). 31 Für den Ausgleich der widerstreitenden Belange ist von Bedeutung, ob personenbezogene Daten die Intim-, die Privat- oder die Sozialsphäre betreffen. In Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dient diese Unterscheidung als Orientierungspunkt für die Beurteilung der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung und für die Gewichtung der diese Beeinträchtigung rechtfertigenden Gründe. Eingriffe in die Sozialsphäre sind unter erleichterten Voraussetzungen zulässig (BVerwG, Urteil vom 27. September 2018 - 7 C 5.17 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 18 Rn. 33 m.w.N.). Die Sozialsphäre umfasst die Teilnahme des Grundrechtsträgers am öffentlichen Leben und ist naturgemäß weit (vgl. nur Lang, in: BeckOK GG, 46. Edition, Stand 15. Februar 2021, Art. 2 Rn. 43). Sie umfasst auch die Teilnahme am Berufsleben. 32 Ein zu berücksichtigender Abwägungsfaktor kann auch die Zeitspanne sein, die zwischen dem mit einer Fragestellung in Bezug genommenen tatsächlichen Geschehen und der Erteilung der Auskunft verstreicht. Bei Presseberichten über Straftaten verändert sich das Interesse an der öffentlichen Berichterstattung mit zunehmendem zeitlichen Abstand zum Ereignis. Die Rechtfertigung für eine Berichterstattung über Personen verschiebt sich dann von einem auf Tat und Täter konzentrierten Interesse mehr zu einem Interesse an einer Analyse der Voraussetzungen und Konsequenzen der Tat. Das Recht des Betroffenen, ""allein gelassen zu werden"", gewinnt mit zunehmendem zeitlichen Abstand an Bedeutung (BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - BVerfGE 152, 152 Rn. 97 unter Bezugnahme auf Urteil vom 5. Juni 1973 - 1 BvR 536/72 - BVerfGE 35, 202 <230 ff.>). 33 Bei der Gewichtung des Informationsinteresses des Rundfunks ist ferner in den Blick zu nehmen, dass erteilte Auskünfte nicht automatisch veröffentlicht werden. Insoweit ist zwischen der Auskunftserteilung an ein Presseunternehmen und einer etwaigen anschließenden öffentlichen Berichterstattung auf der Grundlage der erteilten Auskunft zu unterscheiden. Die auch im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht Betroffener ordnungsgemäße journalistische Verwendung und Verarbeitung erteilter Auskünfte fällt grundsätzlich in den Verantwortungsbereich der Medien. Die hierbei zu beachtenden Sorgfaltspflichten können wegen der Eigenverantwortlichkeit der Medien nicht schon generell zum Maßstab für das Zugänglichmachen von Informationen gemacht werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. September 2015 - 1 BvR 857/15 - NJW 2015, 3708 Rn. 22; BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 2020 - 2 C 41.18 - juris Rn. 42). Allein die Möglichkeit einer Persönlichkeitsrechte verletzenden Berichterstattung reicht nicht aus, um den presse- bzw. medienrechtlichen Auskunftsanspruch zu verneinen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - 10 S 33.11 - NVwZ-RR 2012, 107 <109 f.> m.w.N.). Der Auskunftsberechtigte hat gegebenenfalls in eigener Verantwortung von der Berichterstattung abzusehen, wenn die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen hierdurch verletzt würden. Der Grundsatz der Selbstverantwortung stößt allerdings insoweit auf eine Grenze, als die Ermöglichung oder Unterstützung einer voraussichtlich rechtswidrigen Berichterstattung kein legitimes Ziel staatlichen Handelns sein kann; besteht die hohe Wahrscheinlichkeit einer Persönlichkeitsrechte verletzenden Berichterstattung, entfällt schon der Auskunftsanspruch (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 23. Februar 2012 - 8 A 1303/11 - juris Rn. 47). 34 Zugunsten des Informationsinteresses fällt bei Fragen nach der Verwendung von Steuermitteln zudem ein gesteigerter Öffentlichkeitsbezug ins Gewicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 2018 - 7 C 5.17 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 18 Rn. 35). 35 c) Auf dieser Grundlage ist ein Auskunftsverweigerungsrecht der Beklagten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MStV hinsichtlich der Frage der Klägerin, ob es zutrifft, dass der Beigeladene das Unternehmen zum 2. August 2014 aus eigenem Antrieb verlassen wollte (Frage 2), nicht gegeben. Gegen die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass die Abwägung zugunsten des Informationsinteresses der Klägerin ausfällt, ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Nachvollziehbar verweist es hierbei darauf, dass auch dann, wenn die Vertragsaufhebung von Seiten der Beklagten initiiert wurde, keine Interessen des Beigeladenen verletzt würden, die das Rechercheinteresse der Klägerin überwögen; im Wirtschaftsleben ist es keine Seltenheit, dass ein Unternehmen einem Vorstandsmitglied den Abschluss eines Aufhebungsvertrags vorschlägt. 36 d) Ebenso frei von Bedenken ist die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass auch hinsichtlich der ... Frage 8, das Informationsinteresse der Klägerin das schutzwürdige private Interesse des Beigeladenen überwiegt und mithin kein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MStV besteht. 37 Dabei hat das Berufungsgericht nicht übersehen, dass die Beantwortung der Frage 8 eine erhebliche stigmatisierende Wirkung zulasten des Beigeladenen haben kann. Andererseits steht das erfragte etwaige Verhalten des Beigeladenen im Kontext der Teilnahme am Berufsleben und unterfällt damit der Sozialsphäre, in die Eingriffe - wie dargelegt - unter erleichterten Voraussetzungen zulässig sind. Der seit dem Ausscheiden des Beigeladenen bei der Beklagten im Jahr 2014 eingetretene Zeitablauf fällt nur schwach ins Gewicht. 38 Zugunsten des Informationsinteresses der Klägerin hat das Berufungsgericht zu Recht gewürdigt, dass deren Recherche in erster Linie dem Handeln kommunaler Stellen im Zusammenhang mit der Auflösung des Vertragsverhältnisses zwischen Beklagter und Beigeladenem, der aus diesem Anlass vereinbarten Abfindung sowie der Verwendung von Steuermitteln gilt, während das persönliche Verhalten des Beigeladenen als solches nicht unmittelbar im Fokus steht. 39 Weiter hat es zutreffend berücksichtigt, dass der zu prüfende Eingriff in die Grundrechtsposition des Beigeladenen nicht in der Veröffentlichung von Informationen, sondern in ihrer Herausgabe an die Klägerin zu Recherchezwecken besteht. Wie dargelegt, unterfällt die ordnungsgemäße journalistische Verwendung erteilter Auskünfte grundsätzlich dem Verantwortungsbereich der Medien selbst. Für die Annahme, die Klägerin werde dieser ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, gibt es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - wie auch nach den Einlassungen der Klägerin im Revisionsverfahren - keine Anhaltspunkte. 40 Die Klägerin wird auf der Grundlage der seitens der Beklagten zu erstattenden Auskunft, die eine etwaige Gefahr der Stigmatisierung des Beigeladenen und deren potentielles Gewicht erst erkennbar werden lässt, eigenverantwortlich zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang und in welcher Art und Weise eine Veröffentlichung der erlangten Informationen mit ihren journalistischen Sorgfaltspflichten bei der Wahrung der Persönlichkeitsrechte des Beigeladenen in Einklang steht. 41 e) Die Prüfung, ob der Beklagten hinsichtlich Frage 8 ein Auskunftsverweigerungsrecht zukommt, steht auch mit dem Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) in Einklang. Das Berufungsgericht hat im Rahmen seiner Überzeugungsbildung nicht gegen Denkgesetze verstoßen (vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2019 - 7 C 27.17 - BVerwGE 165, 340 Rn. 56 m.w.N.). Der von der Beklagten kritisierte Schluss von der Behauptung eines Zeugen, ""wenn ich sagen würde, wer genau meine Quelle gewesen ist, wäre die Diskussion hier schnell beendet"", auf eine hochrangige und als vertrauenswürdig einzuschätzende Person als Quelle mag nicht zwingend sein, verstößt aber nicht gegen Denkgesetze. 42 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO." bverwg_2021-27,27.04.2021,"Pressemitteilung Nr. 27/2021 vom 27.04.2021 EN Drittstaatsangehörige Seeleute benötigen für Arbeitseinsätze auf Offshore-Supply-Schiffen im deutschen Küstenmeer einen Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit Drittstaatsangehörige Seeleute, die nur über ein nicht zum Zweck der Erwerbstätigkeit erteiltes Schengen-Visum (Typ C) verfügen bzw. visumbefreit sind und als Besatzungsmitglieder eines unter panamaischer Flagge fahrenden Seeschiffs einer Erwerbstätigkeit auf einem Offshore-Supply-Schiff im deutschen Küstenmeer nachgehen wollen, benötigen einen Aufenthaltstitel, der zur Erwerbstätigkeit berechtigt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Kläger sind ukrainische Staatsangehörige und verrichteten im Herbst 2017 als Seeleute an Bord eines unter panamaischer Flagge fahrenden Offshore-Supply-Schiffes Arbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung eines vor der deutschen Küste gelegenen Offshore-Windparks. Bei einer Kontrolle während des Einsatzes im Küstenmeer stellte die Bundespolizei mit an die Kläger gerichteten Bescheiden fest, dass sie ausreisepflichtig seien, und setzte ihnen eine Ausreisefrist von zwei Tagen. Sie seien ohne erforderliche Erlaubnis einer Beschäftigung nachgegangen. Das Verwaltungsgericht hat der daraufhin erhobenen Klage stattgegeben und festgestellt, dass die Kläger bei ihren Arbeitseinsätzen im deutschen Küstenmeer als Transitaufenthalt vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit seien. Diese Befreiung sei auch nicht lediglich an kurzfristige Aufenthalte - etwa zum Zwecke der friedlichen Durchfahrt im Sinne des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ) - geknüpft. Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat der (Sprung-)Revision der Beklagten stattgegeben. Die erhobene Feststellungsklage ist hier zwar zulässig, aber nicht begründet. Drittstaatsangehörige Besatzungsmitglieder eines (hier) panamaischen Offshore-Supply-Schiffes bedürfen für einen Arbeitseinsatz im deutschen Küstenmeer eines Aufenthaltstitels, der zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt; ein von einem anderen Vertragsstaat ausgestelltes Schengen-Visum (Typ C) reicht allein nicht aus. Die Anwendbarkeit des deutschen Aufenthaltsrechts ist nicht bereits kraft Völkerrechts, insbesondere des sogenannten Flaggenstaatsprinzips (Artikel 90 und 91 SRÜ) ausgeschlossen, weil die diesbezüglichen Bestimmungen des Abkommens nicht für das Küstenmeer gelten. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Kläger vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels nach § 26 Abs. 1 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) für den von ihnen angestrebten Arbeitseinsatz vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind, ist indes mit Bundesrecht nicht vereinbar. Auch bei einer Einfahrt auf dem Seeweg ist bereits fraglich, ob ein Aufenthalt ""ohne Einreise"" im Sinne des § 26 AufenthV i.V.m. § 13 Abs. 2 AufenthG vorliegt. Die Auslegung des § 26 Abs. 1 AufenthV ergibt jedenfalls, dass der Anwendungsbereich dieser Norm nicht eröffnet ist, wenn sich drittstaatsangehörige Seeleute als Besatzungsmitglieder auf einem Offshore-Supply-Schiff im deutschen Küstenmeer aufhalten, um dort zu arbeiten. Der Anwendungsbereich des § 26 Abs. 1 AufenthV erfasst lediglich den grenzüberschreitenden Durchgangsverkehr, der - auch in Realisierung des Rechts der friedlichen Durchfahrt (Artikel 17 SRÜ) - dem Transit von Personen und Waren dient, aber nicht den Aufenthalt im Küstenmeer zum Zweck von Offshore-Arbeiten. BVerwG 1 C 13.19 - Urteil vom 27. April 2021 Vorinstanz: VG Schleswig, 11 A 386/18 - Urteil vom 20. Februar 2019 -","Urteil vom 27.04.2021 - BVerwG 1 C 13.19ECLI:DE:BVerwG:2021:270421U1C13.19.0 EN Erfordernis eines zur Erwerbstätigkeit berechtigenden Aufenthaltstitels bei Arbeitseinsätzen von Seeleuten auf Offshore-Supply-Schiffen im deutschen Küstenmeer Leitsatz: Drittstaatsangehörige Seeleute, die nur über ein nicht zum Zweck der Erwerbstätigkeit in Deutschland erteiltes Schengen-Visum verfügen bzw. visumbefreit sind und als Besatzungsmitglieder auf einem fremdflaggigen Offshore-Supply-Schiff im deutschen Küstenmeer arbeiten wollen, benötigen einen Aufenthaltstitel, der zur Erwerbstätigkeit berechtigt. Rechtsquellen SRÜ Art. 2, 17 ff., 86, 90, 91, 94 Abs. 2 Buchst. b EU-Visa-VO Art. 4, Anhang II SDÜ Art. 19, 20 AufenthG §§ 4, 4a Abs. 1 und 2, § 13 Abs. 2, § 39 AufenthV §§ 17, 24 Abs. 2, § 26 Abs. 1 BeschV § 24 Nr. 1, § 30 Nr. 4 Instanzenzug VG Schleswig - 20.02.2019 - AZ: VG 11 A 386/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.04.2021 - 1 C 13.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:270421U1C13.19.0] Urteil BVerwG 1 C 13.19 VG Schleswig - 20.02.2019 - AZ: VG 11 A 386/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke und Dr. Rudolph, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 20. Februar 2019 geändert, soweit es der Klage teilweise stattgegeben hat. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen zu je einem Drittel. Gründe I 1 Die Kläger begehren die Feststellung, dass sie als Besatzungsmitglieder eines unter panamaischer Flagge fahrenden Seeschiffs bei Arbeitseinsätzen im deutschen Küstenmeer keinen Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit benötigen. 2 Die Kläger sind ukrainische Staatsangehörige und arbeiten als Seeleute. Im Herbst 2017 waren sie für den Einsatz an Bord des unter panamaischer Flagge fahrenden Offshore-Supply-Schiffs ""Atlantic Tonjer"" angemustert, das im Zusammenhang mit der Errichtung eines vor der deutschen Küste gelegenen Offshore-Windparks eingesetzt war. Der Kläger zu 1. war im Besitz eines gültigen biometrischen Reisepasses, die Kläger zu 2. und 3. verfügten jeweils über ein gültiges Schengen-Visum der Kategorie C, das in den Niederlanden bzw. in Litauen ausgestellt worden war. 3 Nach einer Kontrolle des Offshore-Supply-Schiffs während des Einsatzes im deutschen Küstenmeer stellte die Bundespolizei mit an die Kläger gerichteten Bescheiden vom 23. Oktober 2017 fest, dass sie ausreisepflichtig seien, und setzte eine Ausreisefrist bis zum 25. Oktober 2017. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Kläger hätten sich am 18. Oktober 2017 der grenzpolizeilichen Ausreisekontrolle gestellt. Anstatt auszureisen, seien sie jedoch im Küstenmeer verblieben und ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis einer Beschäftigung als Seemann auf einem Spezialschiff nachgegangen. Die Art und Verwendung des Schiffs zählten nicht mehr zur allgemeinen Seefahrt innerhalb des Seerechtsübereinkommens. 4 Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 20. Februar 2019 festgestellt, dass die Kläger bei ihren Einsätzen im deutschen Küstenmeer keinen über ein Schengen-Visum der Kategorie ""C"" hinausgehenden Aufenthaltstitel benötigen, weil sie vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels zu Erwerbszwecken nach § 26 Abs. 1 AufenthV befreit seien. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung lägen vor, weil die Kläger nicht im Sinne des § 13 Abs. 2 AufenthG in das Bundesgebiet eingereist seien. Der Verordnungsgeber sei ausweislich der Begründung zu § 24 AufenthV davon ausgegangen, dass Personen, die ein internationales Schiff nicht verlassen, nicht einreisen. Mangels Absicht, das Schiff zu verlassen, greife auch nicht Nr. 13.2.6.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz, wonach Ausländer an Bord eines Schiffs, die beabsichtigen unter Umgehung der Grenzübergangsstelle an Land zu gehen, die Einreise bereits mit der Einfahrt in das Küstenmeer vollendet haben. Die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels sei auch nicht lediglich an kurzfristige Aufenthalte - etwa zum Zweck der friedlichen Durchfahrt - geknüpft. 5 Mit ihrer (Sprung-)Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 26 Abs. 1 AufenthV. Soweit § 24 AufenthV das Nicht-Verlassen eines Seeschiffs im grenzüberschreitenden Verkehr regele, sei die Situation eine völlig andere, als die des bestimmungsgemäßen Einsatzes von Seeschiffen, die Offshore-Arbeiten im Küstenmeer verrichteten. Im letzteren Fall diene die Tätigkeit an Bord nicht mehr dem Transport von Waren und Personen, für die eine Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels vorgesehen sei. Auch mit § 26 AufenthV habe der Verordnungsgeber ausschließlich Transitfälle regeln wollen. Für die Auslegung dieser Bestimmung seien im Übrigen die Vorschriften des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ) heranzuziehen, das in Art. 17 SRÜ den Schiffen aller Staaten das Recht der friedlichen Durchfahrt durch das Küstenmeer gewähre. Die Einreise über die Seegrenze sei bereits mit dem Überfahren der Grenzlinie zum Küstenmeer vollendet, wenn durch ein Seeschiff keine Grenzübergangsstelle angelaufen werde und keine friedliche Durchfahrt gegeben sei. 6 Die Kläger verteidigen das Urteil des Verwaltungsgerichts. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und schließt sich der Auffassung der Beklagten an. II 8 Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. 9 Die Klage ist zwar als reine Feststellungsklage zulässig (1.). Mit Bundesrecht unvereinbar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) ist aber die seinem Feststellungsausspruch zugrunde liegende Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Kläger als drittstaatsangehörige Besatzungsmitglieder eines fremdflaggigen Seeschiffs, die Arbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung eines im deutschen Küstenmeer gelegenen Offshore-Windparks verrichten, keinen über ein Schengen-Visum der Kategorie C hinausgehenden Aufenthaltstitel benötigen, der in Deutschland zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt; vielmehr trifft die Rechtsauffassung der Beklagten zu, dass es in den zur Feststellung gestellten Konstellationen eines Aufenthaltstitels zur Erwerbstätigkeit bedarf (2.). 10 1. Das Verwaltungsgericht hat die auf einen Feststellungsantrag umgestellte Klage im Einklang mit Bundesrecht als zulässig gesehen. Das für eine Feststellungsklage vorausgesetzte feststellungsfähige Rechtsverhältnis besteht (1.1), und zwar auch zwischen den Klägern und der Beklagten, im Verhältnis zu der die Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung haben (1.2); die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) steht hier nicht entgegen (1.3). 11 1.1 Die von den Klägern begehrte und von dem Verwaltungsgericht ausgesprochene Feststellung ist tauglicher Gegenstand einer negativen Feststellungsklage im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Die Kläger haben dabei ihr Begehren im Einklang mit § 142 VwGO in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dahin klargestellt, dass die Feststellung, dass sie für eine beabsichtigte Arbeitstätigkeit auf einem unter panamaischer Flagge fahrenden Offshore-Supply-Schiff im deutschen Küstenmeer keinen über ein Schengen-Visum der Kategorie C hinausgehenden Aufenthaltstitel benötigen, unabhängig davon begehrt wird, ob die arbeitswillige Person ukrainischer Staatsangehörigkeit über ein - hier von einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestelltes - Schengen-Visum der Kategorie C verfügt oder von der Visumpflicht befreit ist und ob sie nach Einreise in das Bundesgebiet in einem deutschen Hafen auf das Seeschiff gelangt oder damit - aus internationalen Gewässern oder aus dem Küstenmeer eines Drittstaates - in das deutsche Küstenmeer eingefahren ist. 12 Die Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage setzt voraus, dass sich das Klagebegehren auf ein bestimmtes (""konkretes"") Rechtsverhältnis bezieht, dessen Bestehen vom Kläger geleugnet wird (BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1987 - 3 C 1.86 - BVerwGE 77, 214 <215>). Eine solche konkrete, zwischen den Beteiligten streitige und damit feststellungsfähige Rechtsbeziehung besteht hier. Während die Kläger davon ausgehen, dass sie als drittstaatsangehörige Besatzungsmitglieder für die von ihnen beabsichtigte Erwerbstätigkeit auf einem fremdflaggigen Seeschiff im deutschen Küstenmeer in den zur Feststellung gestellten Konstellationen nicht eines über ein (einfaches) Schengen-Visum der Kategorie C hinausgehenden Aufenthaltstitels bedürfen, vertritt die Beklagte die Rechtsauffassung, dass Schengen-Visa bzw. biometrische Reisepässe für die beabsichtigten Tätigkeiten nicht ausreichen. Diese unterschiedlichen Rechtsauffassungen beziehen sich auf eine der Art nach näher konkretisierte Arbeitstätigkeit an einem näher spezifizierten Ort (nämlich auf einem Offshore-Supply-Schiff im deutschen Küstenmeer), für die nicht von zentraler Bedeutung ist, auf welchem Wege die arbeitswilligen Personen auf das Schiff gelangt sind, und ist zudem weiter dadurch konkretisiert, dass das Schiff unter panamaischer Flagge fährt, so dass eine etwa abweichende Beurteilung bei einem unter der Flagge eines anderen Mitgliedstaates der EU oder eines anderen Drittstaates fahrenden Schiffs nicht in den Blick zu nehmen ist. Die Dauer der Tätigkeit, die dem Feststellungsbegehren zugrunde zu legen ist, wird zudem indirekt dadurch eingegrenzt, dass nur die Notwendigkeit eines zur Erwerbstätigkeit berechtigenden Aufenthaltstitels aus der Ukraine stammender Besatzungsmitglieder eines Offshore-Supply-Schiffs im Streit steht, die über ein - hier in einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestelltes - gültiges Schengen Visum der Kategorie C verfügen bzw. wegen des Besitzes eines Passes mit biometrischen Merkmalen von der Visumpflicht befreit sind. Durch die von der Beklagten im Oktober 2017 gegenüber den Klägern getroffenen Maßnahmen liegt auch ein hinreichend konkreter und überschaubarer Anlasssachverhalt als Bezugsgegenstand des Feststellungsbegehrens vor. 13 Da die Kläger mit der Klage zugleich zu verhindern suchen, dass erneut solche belastenden staatlichen Maßnahmen ergehen, handelt es sich der Sache nach um eine vorbeugende Feststellungsklage (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 35.07 - BVerwGE 132, 64 <72>; Beschluss vom 20. September 1989 - 9 B 165.89 - juris Rn. 3). 14 1.2 Die Zulässigkeit der gegen die Beklagte gerichteten Feststellungsklage scheitert nicht daran, dass nicht diese, sondern vor einer Einreise die Auslandsvertretung (§ 71 Abs. 2 AufenthG) und nach Einreise das Ministerium für Inneres und Sport des Landes Mecklenburg-Vorpommern die für die Erteilung eines zur Erwerbstätigkeit berechtigenden Aufenthaltstitels zuständige Behörde ist (§ 71 AufenthG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Landesverordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Zuwanderung und zur Durchführung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes - Zuwanderungszuständigkeitslandesverordnung - ZuwZLVO M-V vom 10. Februar 2005 und § 3 Landesverwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG Mecklenburg-Vorpommern - i.d.F. der Bekanntmachung vom 1. September 2014 , zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 2. Mai 2019 ); denn das Küstenmeer fällt nicht (nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 ZuwZLVO-M-V, § 3 Abs. 1 Nr. 3. a) VwVfG M-V) in den Zuständigkeitsbereich eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt. 15 Vorrangig besteht das Rechtsverhältnis bei umstrittener Erlaubnispflichtigkeit eines Vorgangs zwar zwischen demjenigen, der der Erlaubnis bedarf, und der für die Erteilung zuständigen Behörde (BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 - 3 C 3.04 - NVwZ-RR 2005, 711 - juris Rn. 21), also zwischen Normadressat und Normanwender (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 22). Besteht das Feststellungsinteresse - auch oder gerade - gegenüber einem beklagten Dritten (BVerwG, Urteile vom 27. Juni 1997 - 8 C 23.96 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 128 - juris Rn. 17 und vom 10. Oktober 2002 - 6 C 8.01 - BVerwGE 117, 93 <116 f.>), kann aber (wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen) auch die Feststellung verlangt werden, dass zwischen diesem und dem Kläger ein Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht (BVerwG, Urteile vom 27. Juni 1997 - 8 C 23.96 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 128 - juris Rn. 17, vom 10. Oktober 2002 - 6 C 8.01 - BVerwGE 117, 93 <116> und vom 31. August 2011 - 8 C 8.10 - BVerwGE 140, 267, Rn. 14; Happ, in: Eyermann, VwGO 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 22 f.). 16 Ein solch individuelles Feststellungsinteresse besteht hier gegenüber der Beklagten. Die Bundespolizei der Beklagten berühmt sich der Befugnis, in eigener (Eil-)Zuständigkeit im Küstenmeer zur Prüfung befugt zu sein, ob ein nach ihrer Rechtsauffassung in den zur Feststellung gestellten Konstellationen erforderlicher Aufenthaltstitel vorliegt, und bei Nichtvorliegen weitere Maßnahmen zu treffen. Die Bundespolizei hat in der Vergangenheit - nicht nur im Verhältnis zu den Klägern - in entsprechenden Fallkonstellationen aufenthaltsbeendende Maßnahmen ergriffen und erkennen lassen, dass sie auch zukünftig in gleicher Weise verfahren werde. Die damit verbundenen Rechtsfragen (s. dazu die Hinweisverfügung des Gerichts vom 19. November 2020) sind nicht zu vertiefen; denn für ein Feststellungsinteresse (auch) gegenüber der Beklagten hinreichend ist, dass - wie hier - eine Prüfungs- und Handlungsbefugnis der Bundespolizei der Beklagten jedenfalls nicht offenkundig ausgeschlossen ist. Das besondere Feststellungsinteresse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO folgt aus der Wiederholungsgefahr, also der konkret absehbaren Möglichkeit, dass in naher Zukunft und unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleiche oder gleichartige Maßnahme des Beklagten zu erwarten ist, die die Kläger beschwert (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 21; Beschluss vom 14. Juni 2018 - 3 BN 1.17 - juris Rn. 19). Die Kläger haben auf eine nach ihrer Rechtsauffassung ohne zusätzlichen Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit zulässige Erwerbstätigkeit in der zur Feststellung gestellten Konstellation nicht verzichtet, die Beklagte geht davon aus, weiterhin zur Prüfung des nach ihrer Rechtsauffassung erforderlichen Vorhandenseins des erforderlichen Titels und - liegt dieser nicht vor - zu entsprechenden Maßnahmen befugt zu sein. Die gerichtliche Feststellung ist mithin geeignet, bei künftigen Einsätzen im deutschen Küstenmeer die Rechtslage zu klären und die Rechtsposition der Kläger zu verbessern (stRspr, BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017 - 6 C 46.16 - BVerwGE 160, 169 Rn. 20; Beschluss vom 20. Dezember 2017 - 6 B 14.17 - NVwZ 2018, 739 - juris Rn. 13). 17 1.3 Der Grundsatz der Subsidiarität steht der Feststellungsklage hier nicht entgegen. 18 a) Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Nach dem Zweck der Regelung, neben einer Umgehung der besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage den Rückgriff auf die Feststellungsklage auszuschließen, wenn für die Rechtsverfolgung ein unmittelbareres, sachnäheres und wirksameres Verfahren zur Verfügung steht, greift die Subsidiaritätsklausel dann nicht, wenn die Feststellungsklage einen Rechtsschutz gewährleistet, der weiter reicht, als er mit der Gestaltungs- oder Leistungsklage erlangt werden kann, wenn sie also rechtsschutzintensiver ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 29. April 1997 - 1 C 2.95 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127 S. 9, vom 24. Juni 2004 - 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <156>, vom 26. März 2015 - 7 C 17.12 - BVerwGE 152, 1 Rn. 17 f. und vom 15. Juli 2016 - 9 A 16.15 - DVBl 2016, 1603 - juris Rn. 28) bzw. wirkungsvolleren Rechtsschutz bietet (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Dezember 2000 - 11 C 6.00 - BVerwGE 112, 253 <256>, vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 13; siehe auch Beschluss vom 17. Juli 2019 - 7 B 27.18 - juris Rn. 13; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 43 VwGO Rn. 29). Als effektiver erweist sich eine Feststellungsklage insbesondere dann, wenn eine Vielzahl von Anfechtungsprozessen oder sonstiger Prozesse geführt werden müsste, es dem Kläger aber um die grundsätzliche Zulässigkeit eines bestimmten Verhaltens geht (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 43 VwGO Rn. 29) und das Rechtsverhältnis über den Einzelfall hinaus in gleich gelagerten Fällen auch künftig wieder von Bedeutung ist (Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 VwGO Rn. 41). 19 b) Nicht abschließend zu beurteilen ist, ob zumindest die am 23. Oktober 2017 getroffene Feststellung der Ausreisepflicht, welche die Notwendigkeit eines Aufenthaltstitels zur Erwerbstätigkeit für die umstrittene Tätigkeit auf dem Offshore-Supply-Schiff annimmt und voraussetzt, aber nicht selbstständig feststellt, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts als - grundsätzlich mit der Anfechtungsklage anzugreifender - feststellender Verwaltungsakt zu qualifizieren ist. Hierfür mag Einiges sprechen (s.a. Hinweisverfügung des Gerichts vom 19. November 2020). Dieser Verwaltungsakt hätte sich indes bereits mit der Ausreise der Kläger erledigt. 20 Der Senat braucht auch nicht zu vertiefen, inwieweit der Rechtsprechung zu folgen ist, nach der der Anwendungsbereich des § 43 Abs. 2 VwGO bei vor Ablauf der Widerspruchs- oder Klagefrist erledigtem Verwaltungsakt überhaupt nicht mehr eröffnet ist (so BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2019 - 7 B 27.18 - juris Rn. 12) und eine Feststellungsklage dann auch nicht auf den Regelungsgegenstand des erledigten Verwaltungsaktes beschränkt wäre. 21 c) Die nicht an den Regelungsinhalt der ergangenen Bescheide gebundene Feststellungsklage ist im vorliegenden Fall jedenfalls deshalb nicht gegenüber der Fortsetzungsfeststellungsklage subsidiär, weil erstere hier den zielgenaueren, wirkungsvolleren Rechtsschutz bietet. 22 Den Klägern geht es - jedenfalls vorrangig - nicht retrospektiv um die Rechtmäßigkeit der an die strittige Notwendigkeit eines zur Erwerbstätigkeit berechtigenden Aufenthaltstitels anknüpfenden Folgemaßnahmen (zu den damit verbundenen Fragen im Vorfeld der zur Feststellung gestellten Rechtsfragen s. Hinweisverfügung des Gerichts vom 19. November 2020). Sie wollen im Einklang mit dem Aufenthaltsrecht auch künftig in vergleichbarer Situation ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen und hierfür - prospektiv - geklärt wissen, ob sie für künftige Offshore-Arbeitseinsätze im deutschen Küstenmeer einen Aufenthaltstitel benötigen, der zur Erwerbstätigkeit berechtigt. Einen auf diese Rechtsfrage fokussierten Rechtsschutz bietet allein eine zielgenau hierauf bezogene Feststellungsklage. 23 Bei einer auf die von der Beklagten am 23. Oktober 2017 erlassenen Bescheide bezogenen Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem Ziel der Feststellung, dass der - als gegeben unterstellte - Verwaltungsakt (ganz oder teilweise) rechtswidrig gewesen ist, ist das auf den ergangenen Verwaltungsakt bezogene gerichtliche Prüfprogramm vergangenheitsbezogen. Es umschließt neben der - aus Sicht der Beteiligten umstrittenen - Vorfrage, ob überhaupt ein Verwaltungsakt vorgelegen hat, nicht nur die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit, für deren Beantwortung zudem auf die Rechtslage im Oktober 2017 abzustellen wäre, sondern auch vielfältige Rechtsfragen der formellen Rechtmäßigkeit (s. dazu die Hinweisverfügung des Gerichts vom 19. November 2020). Die Kläger müssen besorgen, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage aus Gründen Erfolg hat und zur Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes führt, die keinen Bezug zu den im Rahmen der Feststellungsklage zu prüfenden materiell-rechtlichen Gründen haben und ihnen keine Rechtssicherheit für ihr künftiges Erwerbsverhalten verschaffen. 24 Demgegenüber begrenzt die hier direkt und zukunftsbezogen auf die Frage der Notwendigkeit eines Aufenthaltstitels zur Erwerbstätigkeit bezogene prospektive Feststellungsklage das gerichtliche Prüfprogramm zielgenau auf die Fragen, an deren Klärung neben den Klägern auch die Beklagte ein Interesse bekundet hat. Die Berücksichtigung der aktuellen Rechtslage stellt zudem sicher, dass die gerichtliche Feststellung den Beteiligten Orientierung für das jeweilige künftige Verhalten bieten. Wegen der hinreichenden Konkretisierung des zu klärenden Rechtsverhältnisses (s.o. II.1.1) wird hier auch gewährleistet, dass die erhobene allgemeine Feststellungsklage weiterhin dem Individualrechtsschutz zur Durchsetzung oder Klärung subjektiver Rechte dient und das Gericht nicht zur Klärung abstrakter Rechtsfragen angerufen ist. Damit ist die Feststellungsklage hier insgesamt rechtsschutzintensiver (ähnlich etwa BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 13; Beschluss vom 17. Juli 2019 - 7 B 27.18 - Rn. 14). 25 1.4 Eine Konsequenz der Zulässigkeit der (allgemeinen), prospektiv auf die Notwendigkeit eines Aufenthaltstitels zur Erwerbstätigkeit bezogenen Feststellungsklage ist, dass maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der Feststellungsklage die Sach- und Rechtslage nicht bei Erlass der Bescheide vom 23. Oktober 2017, sondern im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung in der Tatsacheninstanz ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind indes während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderungen zu berücksichtigen, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Mai 2016 - 1 C 15.15 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 83 Rn. 9 und vom 5. Juli 2018 - 3 C 21.16 - NVwZ 2019, 69 Rn. 25). Der revisionsgerichtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist daher das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Artikel 10 des Gesetzes vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2855) und die von der Bundesregierung und dem Bundesministerium des Innern mit Zustimmung des Bundesrats beschlossene Aufenthaltsverordnung (AufenthV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. November 2004 (BGBl. I S. 2945), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 18. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3046) sowie die Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (Beschäftigungsverordnung - BeschV) vom 6. Juni 2013 (BGBl. I S. 1499), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 18. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3046). 26 2. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Kläger als drittstaatsangehörige Besatzungsmitglieder eines fremdflaggigen Offshore-Supply-Schiffs, die eine Erwerbstätigkeit im Zusammenhang mit der Errichtung eines im deutschen Küstenmeer gelegenen Offshore-Windparks ausüben, keinen über ein Schengen-Visum (Typ C) hinausgehenden Aufenthaltstitel benötigen, der zur Ausübung der Erwerbstätigkeit berechtigt, verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). An dem Arbeitsort im deutschen Küstenmeer findet deutsches Aufenthaltsrecht Anwendung (2.1). Für einen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland zur Erwerbstätigkeit bedarf es grundsätzlich eines Aufenthaltstitels, bei dem diese nicht durch Gesetz ausgeschlossen oder beschränkt ist (2.2 a); ein durch einen anderen EU-Mitgliedstaat ausgestelltes Schengen-Visum der Kategorie C oder die Befreiung davon, sich ein solches Visum ausstellen lassen zu müssen, umfasst nicht die Befugnis, eine Erwerbstätigkeit auszuüben (2.2 b). Die von den Klägern ausgeübte bzw. erstrebte Tätigkeit gilt auch nicht fiktiv als Nichtbeschäftigung (2.3). 27 2.1 Das deutsche Küstenmeer gehört zum deutschen Hoheitsgebiet, in dem grundsätzlich deutsches Recht und damit auch das nationale Aufenthaltsrecht anzuwenden ist (Vitzthum, in: Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, Kap. 2 Rn. 41); dort gilt die Territorialhoheit des jeweiligen Küsten- bzw. Hafenstaates. Nach Art. 2 Abs. 1 SRÜ (Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982, ratifiziert von Deutschland mit Vertragsgesetz vom 2. September 1994 ) erstreckt sich die Souveränität eines Küstenstaates uneingeschränkt auf seine inneren Gewässer sowie eingeschränkt auf das Küstenmeer (vgl. Art. 2 Abs. 3 SRÜ). 28 Zutreffend hat das Verwaltungsgericht dahin erkannt, dass die Anwendbarkeit des deutschen Aufenthaltsrechts nicht kraft Völkerrechts, insbesondere wegen des sogenannten Flaggenstaatsprinzips, ausgeschlossen ist. Nach dem Flaggenstaatsprinzip hat jeder Staat das Recht, Schiffe unter seiner Flagge auf Hoher See fahren zu lassen. Die Flagge indiziert völkerrechtlich die Staatszugehörigkeit von Schiffen (Art. 90 und 91 SRÜ) und bestimmt, dass der Flaggenstaat auf Hoher See, also in internationalen Gewässern, die Hoheitsgewalt über das unter seiner Flagge fahrende Schiff hat (Art. 92 Abs. 1 und Art. 94 Abs. 2 Buchst. b). Nach Art. 86 Satz 1 SRÜ gelten die Bestimmungen des Teils VII des Seerechtsübereinkommens und somit insbesondere auch die Bestimmungen über das Flaggenstaatsprinzip indes ausdrücklich nicht für das Küstenmeer und die inneren Gewässer. Hiervon gibt es lediglich gewohnheitsrechtliche Ausnahmen. So gilt zum Beispiel für das Personal an Bord weiter das Disziplinar-, Dienst- und Arbeitsrecht des Flaggenstaats und nicht das des jeweiligen Küstenstaats (Vitzthum, in: ders., a.a.O., Kap. 2 Rn. 75; Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 30. Januar 2014 - WD 2-3000-013/14, S. 6). Im Küstenmeer sind die territorialen Kompetenzen des Küstenstaats gegenüber Schiffen unter fremder Flagge durch das Recht der friedlichen Durchfahrt (Art. 17 ff., 21 SRÜ) beschränkt. Das Recht der friedlichen Durchfahrt (Art. 17 SRÜ) setzt der Ausübung küstenstaatlicher Hoheitsgewalt seevölkerrechtliche Grenzen, die vor allem dem Zweck dienen, die für die globale Wirtschaft unverzichtbare internationale Schifffahrt so wenig wie möglich zu beeinträchtigen (Ipsen, Völkerrecht, 6. Aufl. 2014, § 41 Rn. 16). Dieses völkergewohnheitsrechtliche Recht umfasst sowohl die bloße Passage der Küstenmeergewässer als auch die Durchfahrt mit dem Ziel, die inneren Gewässer des Küstenstaates anzulaufen bzw. aus ihnen auszulaufen. Gleiches gilt mit Blick auf das An- bzw. Auslaufen von Häfen und Reeden (Vitzthum, in: Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, Kap. 2 Rn. 120). 29 Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen nimmt indes vom Recht der friedlichen Durchfahrt, die überdies gemäß Art. 18 Abs. 2 Satz 1 SRÜ ""ohne Unterbrechung und zügig"" erfolgen muss, ""eine andere Tätigkeit, die nicht unmittelbar mit der Durchfahrt zusammenhängt"" (Art. 19 Abs. 2 Buchst. l SRÜ), aus. Die Durchfahrt schließt zwar das Anhalten und Ankern ein, aber nur insoweit, als dies zur ""normalen"" Schifffahrt gehört oder infolge Gewalt oder eines Notfalls oder zur Hilfeleistung für Personen, Schiffe oder Luftfahrzeuge in Gefahr oder Not erforderlich wird. Ein beabsichtigter Aufenthalt von Besatzungsmitgliedern eines Offshore-Supply-Schiffs zum Zwecke der Verrichtung von Offshore-Arbeiten im Küstenmeer dient nicht diesen privilegierten schifffahrtsbedingten Erwerbszwecken und ist nicht mehr vom Recht der friedlichen Durchfahrt gedeckt. 30 2.2 Ein Ausländer, der im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit ausüben will, bedarf grundsätzlich eines entsprechenden Aufenthaltstitels (a.), der über ein Schengen-Visum der Kategorie C hinausgeht (b.) bzw. auch in Fällen erforderlich ist, in denen der Betroffene davon befreit ist, ein Schengen-Visum einzuholen (c.). 31 a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bedürfen Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder aufgrund des Assoziationsabkommens EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht besteht. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG werden Aufenthaltstitel u.a. als Schengen-Visa erteilt. 32 Nach § 4a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AufenthG (eingeführt durch Art. 1 Nr. 4 des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vom 15. August 2019 , in Kraft getreten am 1. März 2020) dürfen Ausländer, die einen Aufenthaltstitel besitzen, eine Erwerbstätigkeit ausüben, es sei denn, ein Gesetz bestimmt ein Verbot (§ 4a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AufenthG) (generelle Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt). Der Gesetzgeber hat zwar mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz das bisherige Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt (vgl. BT-Drs. 19/8285 S. 87 zu Abs. 1), indem das bisherige Verbot mit Erlaubnisvorbehalt in eine Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt umgewandelt wurde. Er hat dies aber mit § 4a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, Satz 2 AufenthG dahin eingeschränkt, dass Gesetze (im materiellen Sinne, in der Regel das Aufenthaltsgesetz, vgl. BT-Drs. 19/8285 S. 86 f.) für Inhaber eines Aufenthaltstitels weiterhin ein Verbot der Erwerbstätigkeit vorsehen können oder die Erwerbstätigkeit beschränkt sein kann (Satz 2). 33 b) Ein durch einen anderen EU-Staat ausgestelltes Schengen-Visum der Kategorie C - wie es hier den Klägern zu 2. und 3. erteilt worden war - ist nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG zwar ein Aufenthaltstitel. Nach § 6 Abs. 2a AufenthG berechtigt ein Schengen-Visum indes grundsätzlich nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; etwas anderes gilt nur, wenn es zum Zwecke der Erwerbstätigkeit erteilt wurde. Die Einfügung des Abs. 2a in § 6 AufenthG durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz war als Folgeregelung angesichts der Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses bei der Ausübung einer Erwerbstätigkeit für Inhaber eines Aufenthaltstitels erforderlich, um klarzustellen, dass Inhabern eines Schengen-Visums nur aufgrund einer besonderen Rechtsgrundlage ein Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit gestattet ist (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Juni 2020, § 6 AufenthG Rn. 36). Dies schließt die jeweils einschlägigen Vorschriften der Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (Beschäftigungsverordnung - BeschV) vom 6. Juni 2013 (BGBl. I S. 1499), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 18. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3046), sowie eine etwaig erforderliche Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nach § 39 AufenthG ein (BT-Drs. 19/8285 S. 88). An den vor Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes bekannten Steuerungsmitteln, wonach bestimmte Tätigkeiten nicht als Erwerbstätigkeit gelten oder von der Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit freigestellt sein können, hat der Gesetzgeber somit grundsätzlich festgehalten (Nusser, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 4a AufenthG Rn. 23). 34 Zum Ausschluss der Erwerbstätigkeit in § 6 Abs. 2a AufenthG war der nationale Gesetzgeber nach dem Unionsrecht auch befugt. Das Schengen-Visum berechtigt zwar zu dem vorgesehenen kurzfristigen Aufenthalt in allen Schengen-Vertragsstaaten (Art. 19 SDÜ), ohne dass es der Zustimmung des jeweils anderen Staates bedarf (einheitliches Visum, Art. 2 Nr. 3 Visakodex); der Berechtigungsinhalt bezüglich der Erwerbstätigkeit kann indes je nach Aufenthaltsstaat variieren (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Juni 2020, § 6 AufenthG Rn. 36a). Das Schengen-Visum hat grenzüberschreitende Wirkung, umfasst aber nicht kraft Unionsrechts das Recht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Hierüber entscheidet allein der Mitgliedstaat, in dem die Erwerbstätigkeit ausgeübt werden soll (Winkelmann/Kolber, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 6 AufenthG Rn. 31). Insoweit hat der Gesetzgeber in § 4a Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 2a AufenthG klarstellend von dem ihm unionsrechtlich belassenen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht. 35 Das Schengen-Visum der Kategorie C, das den Klägern zu 2. und 3. als ukrainischen Staatsangehörigen ohne biometrischen Reisepass, die der unionsrechtlichen Visumpflicht für Kurzaufenthalte unterliegen (Umkehrschluss aus Anhang II der Verordnung 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind - EU-Visa-VO -, geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 2019/592 vom 10.04 .2019 ), erteilt worden war, berechtigt daher nicht zu einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet, weil es jedenfalls nicht zum Zwecke der Erwerbstätigkeit erteilt worden war. Hier nicht zu vertiefen ist, dass bei der Ausstellung eines Schengen-Visums durch einen Drittstaat dieser nicht mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage des § 6 Abs. 2a Halbs. 2 AufenthG eine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet gestatten darf. Offenbleiben kann auch, wie im Einzelnen die Erteilung ""zum Zwecke der Erwerbstätigkeit"" im nationalen Raum zu gestalten ist. Ein durch die Bundesrepublik Deutschland ausgestelltes Schengen-Visum, das ausdrücklich zur Erwerbstätigkeit berechtigt, erfüllt nach nationalem Aufenthaltsrecht jedenfalls die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2a AufenthG. 36 c) Im Ergebnis nichts anderes gilt in Fällen, in denen - wie hier der Kläger zu 1. - ein sogenannter Positivstaater nach Art. 4 Abs. 1 EU-Visa-VO in Verbindung mit der Liste in Anhang II von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, grundsätzlich befreit ist, weil er Inhaber eines biometrischen Reisepasses ist, der von der Ukraine im Einklang mit den Normen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) ausgestellt worden ist. 37 Auch diese Personen bedürfen für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, der zur Erwerbstätigkeit berechtigt (§ 4a Abs. 1, 2 und 3 AufenthG). 38 Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit wird durch die EU-Visa-Verordnung zwar nicht eingeschränkt, denn für die Regelung der Beschäftigung steht der Europäischen Union keine Kompetenz zu (Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 77 Rn. 14). Die Visumbefreiung greift in diesen Fällen jedoch aufgrund - zulässigen - nationalen Rechts nicht ein. Nach Art. 6 Abs. 3 EU-Visa-VO können die Mitgliedstaaten für Drittstaatsangehörige, die während ihres Aufenthalts einer Erwerbstätigkeit nachgehen, Ausnahmen von der Befreiung von der Visumpflicht nach Art. 4 EU-Visa-VO vorsehen. Eine solche Regelung hat der nationale Gesetzgeber in § 17 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) vom 25. November 2004 (BGBl. I S. 2945), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 18. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3046) vorgesehen. Nach § 17 Abs. 1 AufenthV besteht auch während eines Kurzaufenthalts keine Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels, sofern im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit entfällt somit die Befreiung von der Visumpflicht nach Art. 4 Abs. 1 EU-Visa-VO (vgl. Zeitler, in: HTK-AuslR, Stand: 03.07.2020, § 6 Abs. 1 und 2 AufenthG Rn. 38). 39 Eine (Rück-)Ausnahme zu § 17 Abs. 1 AufenthV gilt zwar nach § 17 Abs. 2 AufenthV bei kurzfristigen (selbstständigen oder unselbstständigen) Tätigkeiten, die nach § 30 Nr. 2 und 3 BeschV nicht als Beschäftigung gelten (zu § 30 Nr. 4 BeschV i.V.m. §§ 23 bis 30 AufenthV s.u. II.2.3). Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen hier aber nicht vor. Die von den Klägern angestrebte Tätigkeit fällt weder unter die Tatbestände der §§ 5, 14, 15, 17, 18, 19 Abs. 1, §§ 20, 22 und 23 BeschV (§ 30 Nr. 2 BeschV) noch unter § 21 BeschV (sogenanntes Vander Elst Visum), weil hier nicht der Fall der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung innerhalb der EU vorliegt (§ 30 Nr. 3 BeschV). 40 2.3 Von dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels, der zur Erwerbstätigkeit berechtigt, ist auch nicht ausnahmsweise abzusehen. Die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden ""Nichtbeschäftigungsfiktion"" des § 30 Nr. 4 BeschV i.V.m. §§ 23 bis 30 AufenthV (a) liegen im Ergebnis nicht vor (b und c). 41 a) Ausnahmen von dem Grundsatz, dass jede Art von Erwerbstätigkeit nur ausgeübt werden darf, soweit ein Aufenthaltstitel dazu berechtigt, enthält die Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (BeschV). In Betracht kommt hier allein die sogenannte ""Nichtbeschäftigungsfiktion"" (§ 30 BeschV). Sie benennt Tätigkeiten, die nicht als Beschäftigung im Sinne des Aufenthaltsgesetzes anzusehen sind (Werner, in: Offer/Mävers, BeschV, 1. Aufl. 2016, § 30 Rn. 2) und nimmt diese per definitionem aus der Begriffsbestimmung der Erwerbstätigkeit im Sinne der § 2 Abs. 2, § 4a AufenthG heraus. Neben den in § 17 Abs. 2 AufenthV genannten ""Nichtbeschäftigungen"" nach § 30 Nr. 2 und 3 BeschV, die für die hier zur Prüfung gestellten Tätigkeiten ebenso wenig erfüllt sind (s.o. II.2.2) wie die Tätigkeiten nach § 30 Nr. 1 BeschV, bestimmt § 30 Nr. 4 BeschV, dass Tätigkeiten von Personen, die nach den §§ 23 bis 30 Aufenthaltsverordnung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind, nicht als Beschäftigung im Sinne des Aufenthaltsgesetzes gelten. 42 b) Im Einklang mit Bundesrecht steht die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels gemäß § 24 Abs. 2 AufenthV nicht vorliegen. § 24 Abs. 2 Satz 1 AufenthV regelt lediglich den Aufenthalt von zivilem Schiffspersonal eines in der See- und Küstenschifffahrt oder in der Rhein-Seeschifffahrt verkehrenden Schiffs für den Aufenthalt im Hafenort. Unabhängig von der Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen Arbeitsschiffe unter die in der See- oder Küstenschifffahrt verkehrenden Schiffe im Sinne des § 24 Abs. 2 AufenthV fallen (vgl. dazu: Offer/Mävers, BeschV, 1. Aufl. 2016, § 24 Rn. 9), erfasst das zur Prüfung gestellte Feststellungsbegehren nicht die in dieser Regelung angeordnete Befreiung vom Titelerfordernis für den Landgang im Hafenort. § 24 Abs. 2 AufenthV, der eine Befreiung nur für den Landgang vorsieht, setzt allerdings denklogisch voraus, dass das Schiffspersonal für den Aufenthalt an Bord keinen Aufenthaltstitel benötigt. Selbst dies ist für die Auslegung der weiteren Ausnahmeregelungen aber nur und erst dann von Bedeutung, wenn die Vorschriften der §§ 24, 26 AufenthV überhaupt auf die hier zur Prüfung gestellte Tätigkeit von Seeleuten auf Offshore-Supply-Schiffen anwendbar sind. Dies ist indes nicht der Fall (siehe nachfolgend c). 43 c) Drittstaatsangehörige Ausländer, die sich zu Arbeitseinsätzen auf Offshore-Supply-Schiffen unter panamaischer Flagge im deutschen Küstenmeer aufhalten, sind im Ergebnis auch nicht nach § 26 Abs. 1 AufenthV vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels, der zur Erwerbstätigkeit berechtigt, befreit; diese Regelung befreit Ausländer vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels, die sich im Bundesgebiet befinden, ohne im Sinne des § 13 Abs. 2 AufenthG einzureisen. Dies gilt sowohl für den Fall, dass die Kläger als Besatzungsmitglieder nach einer Einreise in das Bundesgebiet in einem deutschen Hafen auf das Schiff gelangen (aa), als auch für die Einfahrt in das deutsche Küstenmeer auf dem Seeweg (bb). 44 aa) Gelangt ein Besatzungsmitglied eines Offshore-Supply-Schiffs - wie hier im Herbst 2017 wohl die Kläger zu 1. und 2. - nach Einreise auf dem Land- oder Luftweg in das Bundesgebiet in einem deutschen Hafen auf das Schiff und fährt dann zur Erledigung der vorgesehenen Arbeiten in das deutsche Küstenmeer aus, ist der Befreiungstatbestand des § 26 Abs. 1 AufenthV von vornherein nicht erfüllt. Denn diese Person ist jedenfalls in das Bundesgebiet eingereist, aber nicht ausgereist. 45 In dieser Fallkonstellation kommt es für die Aufenthaltserlaubnispflicht darauf an, ob der unstreitig eingereiste Drittstaatsangehörige mit dem Verlassen des Hafens und/oder einem Ausreisestempel in den Ausweispapieren, die eine Ausreise aus dem Bundesgebiet bescheinigen, im Rechtssinne bereits wieder ausgereist ist, wenn das Schiff (und damit er selbst) tatsächlich das zum Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland gehörende Küstenmeer nicht verlassen hat. Dies ist nicht der Fall. 46 Der unionsrechtliche Begriff der ""Ausreise"" aus dem Schengenraum (und damit auch dem Bundesgebiet) ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteile vom 4. Mai 2017 - C-17/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​341], El Dakkak und Intercontinental - Rn. 19 bis 21 und vom 5. Februar 2020 - C-341/18 [ECLI:​EU:​C:​2020:​76], J. u.a. - Rn. 43) dahin zu verstehen, dass er sich auf die physische Handlung einer Person bezieht, sich von einem Ort, der zum Hoheitsgebiet des Schengenraums gehört, an einen Ort, der nicht zum Hoheitsgebiet gehört, zu begeben. Der bloße Umstand, dass eine Person eine Grenzübergangsstelle im Sinne von Art. 2 Nr. 8 Schengener Grenzkodex (SGK) überschritten hat, an der die Überwachung der Außengrenzen erfolgt, bedeutet nicht, dass diese Person den Schengenraum verlassen hat, wenn sie sich noch in einem Teil des zum Schengenraum gehörenden Hoheitsgebietes eines Staates aufhält (EuGH, Urteil vom 5. Februar 2020 - C-341/18 - Rn. 45). Die Ausreisestempel werden nach Art. 11 Abs. 1 SGK ""bei der Ausreise"" aus dem Schengenraum angebracht, wobei die Ausreise dem Überschreiten einer Außengrenze entspricht (EuGH, Urteil vom 5. Februar 2020 - C-341/18 - Rn. 68 f.). Hiernach sind Personen, die auf dem Luft- oder Landweg einreisen, aber das Hoheitsgebiet des deutschen Staates trotz erfolgter Ausreisekontrolle nicht verlassen, nicht (wieder) ausgereist; sie halten sich vielmehr nach wie vor nach Einreise im Bundesgebiet auf. 47 bb) § 26 AufenthV ist im Ergebnis aber auch dann nicht anzuwenden, wenn die Einfahrt in das deutsche Küstenmeer auf dem Seeweg erfolgt ist. 48 (1) Bei der Einfahrt auf dem Seeweg zum Zwecke der Arbeitstätigkeit im Küstenmeer dürfte - ohne dass dies abschließend zu entscheiden ist - bereits das Tatbestandsmerkmal des § 26 Abs. 1 AufenthV ""ohne im Sinne des § 13 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes einzureisen"" nicht erfüllt sein. Wenn eine ""Ausreise"" im Sinne des Schengener Grenzkodex dem Überschreiten einer Außengrenze des Schengenraums entspricht (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Februar 2020 - C-341/18 - Rn. 43 ff., 69), liegt nahe, dass Gleiches spiegelbildlich auch für den Begriff der ""Einreise"" gilt - mit der Folge, dass bei einer Anreise mit einem Seeschiff von einem Ort außerhalb des Schengenraums die Einreise grundsätzlich bereits mit der Einfahrt in das Küstenmeer erfolgt. Bei unionsrechtskonformer Auslegung des § 13 Abs. 2 AufenthG erfolgte die Einreise jedenfalls dann bereits mit dem tatsächlichen (physischen) Überschreiten der (See-)Außengrenze, wenn sie nicht durch das völkerrechtlich garantierte Recht der friedlichen Durchfahrt (Art. 17 SRÜ) gedeckt ist und auch keine Absicht besteht, zeitnah eine Grenzübergangsstelle aufzusuchen. Dem steht nicht die Nr. 13.2.6.2. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 26. Oktober 2009 (GMBl. S. 878) zu § 13 AufenthG entgegen, wonach bei einer Umgehung der Grenzübergangsstelle die Einreise bereits mit der Einfahrt in das Küstenmeer vollendet ist. Hieraus folgt nicht, dass bei fehlender Absicht, unter Umgehung einer Grenzübergangsstelle an Land zu gehen, generell keine Einreise im Sinne des § 13 Abs. 2 AufenthG vorliegt. Dieser Schluss ist vielmehr lediglich dann gerechtfertigt, wenn die Einfahrt vom Recht der friedlichen Durchfahrt gedeckt ist. 49 (2) § 26 Abs. 1 AufenthV ist jedenfalls dahin auszulegen, dass der Anwendungsbereich dieser Norm nicht eröffnet ist, wenn drittstaatsangehörige Seeleute als Besatzungsmitglieder auf einem Offshore-Supply-Schiff im deutschen Küstenmeer verbleiben, um dort einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. § 26 Abs. 1 AufenthV zielt ungeachtet seines auslegungsbedürftigen Wortlauts im Falle der Einfahrt eines Seeschiffs in das Küstenmeer lediglich auf den grenzüberschreitenden Durchgangsverkehr, der - in Realisierung des Rechts der friedlichen Durchfahrt (Art. 17 SRÜ) - dem Transit von Personen und Waren dient. Dies erfasst nicht das Verbleiben von Besatzungsmitgliedern eines Offshore-Supply-Schiffs zum Zweck von Offshore-Arbeiten im Küstenmeer, die vom Recht auf friedliche Durchfahrt gerade nicht erfasst sind (s.o. II.2.1). 50 Auf ein entsprechendes Normverständnis weist bereits die amtliche Überschrift des § 26 AufenthV hin (""Transit ohne Einreise; Flughafentransitvisum""). Sie bringt zum Ausdruck, dass von der Vorschrift nur ""Transitfälle"" erfasst werden, d.h. nur solche Personen unter den Befreiungstatbestand fallen, die sich lediglich kurzzeitig zwecks Durchreise auf deutschem Staatsgebiet aufhalten. 51 Bestätigt wird dies durch die systematische Auslegung. Denn die Überschrift des Kapitels 2, Abschnitt 2, Unterabschnitt 3 der AufenthV (""Befreiungen im grenzüberschreitenden Beförderungswesen"") bekräftigt, dass die Befreiungstatbestände nur auf Personal oder Benutzer bestimmter Beförderungsmittel (Flugzeuge und Schiffe) anwendbar sind und der grenzüberschreitenden Beförderung von Personen oder Waren dienen sollen, aber nicht dem Verbleiben von Besatzungsmitgliedern eines Seeschiffs zur Verrichtung von Offshore-Arbeiten (ähnlich zu den Ausnahmebestimmungen des Schengener Grenzkodexes EuGH, Urteil vom 5. Februar 2020 - C-341/18 - Rn. 65 f.). Die korrespondierende Vorschrift des § 24 Nr. 1 BeschV, wonach es für die Erteilung eines Aufenthaltstitels an die Mitglieder von Besatzungen im internationalen Verkehr keiner Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit bedarf, weist mit dem Begriff des ""internationalen Verkehrs"" ebenfalls darauf hin, dass nur der grenzüberschreitende Personen- und Güterverkehr Regelungsinhalt ist (vgl. Werner, in: Offer/Mävers, BeschV, 1. Aufl. 2016, § 24 Rn. 11). 52 Sinn und Zweck des § 26 AufenthV schließen es aus, die Vorschrift in Fällen anzuwenden, in denen ausländische Besatzungsmitglieder eines Seeschiffs über mehrere Wochen oder Monate zwecks Erwerbstätigkeit auf einem Offshore-Supply-Schiff innerhalb des deutschen Küstenmeers verbleiben. Der Verordnungsgeber hat in der Begründung zur Aufenthaltsverordnung (BR-Drs. 731/04 S. 171) aufgeführt, welche Fallgruppen typischerweise von § 26 Abs. 1 AufenthV erfasst sind. Danach bedürfen Fahrgäste oder Besatzungsmitglieder von Schiffen keines Aufenthaltstitels, solange sie nur auf dem Schiff verbleiben oder sonst keine Grenzübergangsstelle (etwa in Freihäfen) passieren (bislang § 8 Abs. 1 Nr. 1 und 2 DVAuslG), sowie Personen, die deutsche Küstengewässer nur durchfahren. 53 Diese in der Verordnungsbegründung genannten Fallgruppen unterstreichen, dass der Verordnungsgeber das Recht der friedlichen Durchfahrt (Art. 17 SRÜ) im Blick hatte und aufenthaltsrechtlich erleichtern bzw. umsetzen wollte. Denn umschrieben wird der Sache nach u.a. die Situation von Fahrgästen oder Besatzungsmitgliedern von Seeschiffen, die (im Rahmen des Rechts der friedlichen Durchfahrt) deutsche Küstengewässer in der internationalen Schifffahrt befahren und so lange als nicht eingereist im Sinne des § 13 Abs. 2 AufenthG gelten, wie sie auf dem Schiff verbleiben oder sonst keine Grenzübergangsstelle passieren. 54 Zu Unrecht folgert das Verwaltungsgericht aus den in der Verordnungsbegründung genannten Fallgruppen, insbesondere der Benennung ""der Personen, die deutsche Küstengewässer nur durchfahren"", dass es der separaten Benennung von Besatzungsmitgliedern, die auf dem Schiff verbleiben, nicht bedurft hätte, wenn die Vorschrift des § 26 Abs. 1 AufenthV von vornherein nur Transitaufenthalte umfasste. Dies vernachlässigt, dass der Verordnungsgeber nicht nur allgemein die Durchfahrt von Personen in Küstengewässern, sondern speziell auch kurzfristige Aufenthalte von Fahrgästen bzw. Besatzungsmitgliedern von Schiffen im regulären, dem Tourismus oder sonstigen wirtschaftlichen Zwecken dienenden internationalen Schiffsverkehr regeln wollte. Allen in der Verordnungsbegründung genannten Varianten ist gemeinsam, dass es sich um nur sehr kurzfristige Aufenthalte auf bzw. in deutschem Staatsgebiet handelt. Dass der Verordnungsgeber durch § 26 AufenthV lediglich solche Aufenthalte regeln wollte, ergibt sich zudem daraus, dass er im Zusammenhang mit der Frage der Passpflicht der durchreisenden Ausländer ausgeführt hat (BR-Drs. 731/04 S. 171): ""Eine Befreiung von der Passpflicht ist in den Transitfällen nicht vorgesehen"". § 26 AufenthV kann daher als aufenthaltsrechtliche ""De-minimis-Regelung"" verstanden werden, die aufenthaltsrechtlich irrelevante Aufenthalte definiert (vgl. Maor, ZAR 2005, 185 <188>), damit nicht jeder visumpflichtige Drittstaatsangehörige, der sich im Transit (etwa im Transitbereich des Flughafens), bei der Durchfahrt in Küstengewässern oder bei bloßen Aufenthalten auf einem Schiff in Freihäfen befindet, der Aufenthaltstitelpflicht unterliegt. 55 Eine historisch-genetische Auslegung bestätigt, dass Aufenthalte, die nicht dem Transit von Personen oder Waren dienen, sondern der (nicht nur kurzfristigen), mit der Durchfahrt (einschließlich der völkerrechtlich zugelassenen Unterbrechungen) verbundenen Erwerbstätigkeit im deutschen Küstenmeer, nicht vom Anwendungsbereich des § 26 Abs. 1 AufenthV erfasst sind. Die Regelung des § 26 Abs. 1 AufenthV gibt ein allgemeines Grundprinzip wieder, das in der bisherigen Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes (DVAuslG) nur lückenhaft und mit Bezug auf einige Sonderfälle erfasst war (vgl. BR-Drs. 731/04 S. 170). Die von dem Verordnungsgeber nunmehr beispielhaft genannte Fallgruppe der Besatzungsmitglieder (oder Fahrgäste) von Schiffen, die auf dem Schiff verbleiben oder sonst keine Grenzübergangsstelle passieren, war zuvor in § 8 Abs. 1 Nr. 1 und 2 DVAuslG (Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 18. Dezember 1990 , zuletzt geändert durch Art. 32 des Gesetzes für moderne Dienstleistung am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 ) geregelt. Danach waren vom Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung und von der Passpflicht befreit Fahrgäste eines Schiffs der See- oder Küstenschifffahrt im Durchgangsverkehr vom Ausland über deutsche Häfen ins Ausland, wenn sie das Schiff nicht verlassen, und Besatzungsmitglieder eines Schiffs der See- oder Küstenschifffahrt, das nicht berechtigt ist, die Bundesflagge zu führen, im Durchgangsverkehr vom Ausland über deutsche Häfen ins Ausland, wenn sie das Schiff nicht verlassen. 56 Bereits die Vorgängerregelung des § 26 AufenthV, an die letztere Vorschrift anknüpft, ging mithin davon aus, dass eine Befreiung von der Aufenthaltsgenehmigungspflicht für Besatzungsmitglieder eines Seeschiffs nur im grenzüberschreitenden Durchgangsverkehr in Betracht kam und nicht, wenn sich die Besatzungsmitglieder auf dem Schiff aufhalten, um von dort aus eine Erwerbstätigkeit im Küstenmeer auszuüben. Die von dem Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Auffassung herangezogene Passage der Verordnungsbegründung zu § 24 AufenthV (BR-Drs. 731/04 S. 169: ""Personen, die ein internationales Seeschiff nicht verlassen, reisen nicht im Sinne des § 13 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes ein. Die entsprechende Befreiung ist in § 26 Abs. 1 enthalten."") bezieht sich folglich ebenfalls nur auf Fahrgäste und Besatzungsmitglieder von Seeschiffen im Durchgangsverkehr, die mit einer grenzüberschreitenden Beförderung betraut sind. 57 Die Aufhebung der Aufenthaltstitelpflicht für ausländische Besatzungsmitglieder von Seeschiffen, die zur Führung der Bundesflagge berechtigt sind (vgl. § 4 Abs. 4 AufenthG a.F.), durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von international Schutzberechtigten und ausländischen Arbeitnehmern (AufenthGuaÄndG) vom 29. August 2013 (BGBl. I S. 3484, 3899), erlaubt nicht den Schluss, der nationale Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass generell kein Erlaubnisvorbehalt für Drittstaatsangehörige an Bord von Seeschiffen unter fremder Flagge besteht. Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit der Aufhebung des § 4 Abs. 4 AufenthG a.F. lediglich die Rechtslage für ausländische Besatzungsmitglieder auf deutschflaggigen Schiffen derjenigen für ausländische Besatzungsmitglieder auf fremdflaggigen Schiffen anpassen. Aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/13022 S. 18 f.) geht die Annahme des Gesetzgebers hervor, dass Seeleute auf fremdflaggigen Schiffen meist nicht über in Deutschland gültige Aufenthaltstitel verfügen, beim Verlassen des Schiffs aber ausländerrechtlich überprüft werden. Der Verweis in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/13022 S. 19) auf § 24 Abs. 2 AufenthV macht deutlich, dass der Gesetzgeber nur die Fallgruppe des zivilen Schiffspersonals eines im grenzüberschreitenden Beförderungswesen verkehrenden Schiffs im Auge hatte, aber nicht die der Besatzungsmitglieder eines im deutschen Küstenmeer zwecks Arbeitseinsatzes verweilenden Offshore-Supply-Schiffs. 58 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2021-29,30.04.2021,"Pressemitteilung Nr. 29/2021 vom 30.04.2021 EN Gebühren für ZDF-Fernsehlotterie ""Aktion Mensch"" rechtmäßig Die in dem bis Mitte 2021 geltenden Glücksspielstaatsvertrag vorgesehene Gebührenregelung für die Erteilung bundesweit geltender glücksspielrechtlicher Erlaubnisse ist verfassungskonform. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 29. April 2021 entschieden. Der Kläger, ein gemeinnütziger Verein, veranstaltet die ZDF-Fernsehlotterie ""Aktion Mensch"". Hierfür erteilte ihm das - für länderübergreifende Lotterien zentral zuständige - Land Rheinland-Pfalz für die Jahre 2015 bis 2019 eine Erlaubnis nach dem Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV). Für die Erteilung einer solchen mehrjährigen Erlaubnis wird nach § 9a Abs. 4 Satz 2 und 3 GlüStV eine jährlich gesondert berechnete Verwaltungsgebühr erhoben. Auf dieser Grundlage setzte das rheinland-pfälzische Innenministerium mit dem angefochtenen Bescheid eine Gebühr in Höhe von 163.407,- Euro für das Jahr 2018 fest. Dem lagen voraussichtliche Spieleinsätze in Höhe von ca. 466 Mio. Euro zugrunde. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Mainz ab und ließ zur Klärung der Frage, ob die Gebührenvorschrift des § 9a Abs. 4 Satz 2 GlüStV verfassungskonform ist, die Sprungrevision zu. Das Bundesverwaltungsgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt und sich dabei zu den Maßstäben geäußert, die für die Bemessung von Verwaltungsgebühren durch den Gesetzgeber gelten. Diesem kommt bei der Einführung eines neuen Gebührentatbestands ein weiter Gestaltungs-, Typisierungs- und Pauschalierungsspielraum zu, der vorliegend nicht überschritten ist. Die Staatsvertragsparteien verfolgten zwei legitime Gebührenzwecke, nämlich zum einen die Deckung des aus der Erteilung von Erlaubnissen im ländereinheitlichen Verfahren resultierenden Verwaltungsaufwands und zum anderen den Vorteilsausgleich. Zu diesen Zwecken steht die im Staatsvertrag vorgesehene Gebühr nicht in einem groben Missverhältnis. Die Einzelheiten der Kostenabschätzung hat das Gericht mit Blick darauf im Ergebnis nicht beanstandet, dass es sich um eine neu eingeführte Gebühr handelte. Eine Bevorzugung von Lotterien gemeinnütziger Veranstalter war verfassungsrechtlich nicht geboten, weil auch diese Lotterien nach dem Glücksspielstaatsvertrag Lotterien mit geringerem Gefährdungspotential sind und nur mit Erlaubnis durchgeführt werden dürfen. Fußnote: § 9a Abs. 4 GlüStV lautet auszugsweise: 2 Für die Erteilung einer Erlaubnis oder Konzession für das Veranstalten eines Glücksspiels wird bei genehmigten oder voraussichtlichen Spiel- oder Wetteinsätzen a) bis c) … d) über 100 Millionen Euro eine Gebühr in Höhe von 71 000 Euro zuzüglich 0,3 v.T. der 100 Millionen Euro übersteigenden Spiel- oder Wetteinsätze erhoben; zugrunde zu legen ist die Summe der genehmigten oder voraussichtlichen Spiel- oder Wetteinsätze in allen beteiligten Ländern. 3 Wird die Erlaubnis oder Konzession für mehrere aufeinanderfolgende Jahre oder Veranstaltungen erteilt, erfolgt die Berechnung gesondert für jedes Jahr und jede Veranstaltung, wobei sich die Gebühr nach Satz 2 für jedes Folgejahr oder jede Folgeveranstaltung um 10 v.H. ermäßigt. BVerwG 9 C 1.20 - Urteil vom 29. April 2021 Vorinstanz: VG Mainz, 1 K 48/19.MZ - Urteil vom 28. November 2019 -","Urteil vom 29.04.2021 - BVerwG 9 C 1.20ECLI:DE:BVerwG:2021:290421U9C1.20.0 EN Verwaltungsgebühr für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis Leitsatz: Die für die Erteilung glücksspielrechtlicher Erlaubnisse vorgesehene Gebührenregelung in dem bis Mitte 2021 geltenden Glücksspielstaatsvertrag (§ 9a Abs. 4) ist mit der Verfassung vereinbar. Rechtsquellen GG Art. 104a ff., Art. 3 Abs. 1 GlüStV §§ 4, 4d, 9a, 12 Instanzenzug VG Mainz - 28.11.2019 - AZ: VG 1 K 48/19.MZ Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.04.2021 - 9 C 1.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:290421U9C1.20.0] Urteil BVerwG 9 C 1.20 VG Mainz - 28.11.2019 - AZ: VG 1 K 48/19.MZ In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2021 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini und Dr. Dieterich sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Sieveking und Prof. Dr. Schübel-Pfister für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 28. November 2019 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Mainz, der die ZDF-Fernsehlotterie ""Aktion Mensch"" veranstaltet. Er wendet sich gegen die Gebühr für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis. 2 Mit Bescheid vom 10. November 2014 erteilte das beklagte Land Rheinland-Pfalz, seinerzeit vertreten durch das Ministerium der Finanzen, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2019 die Erlaubnis für die Veranstaltung einer Lotterie; in dem Bescheid wurde zugleich die Gebühr für das Jahr 2015 festgesetzt. In den Folgejahren ergingen gesonderte Gebührenbescheide für 2016 und 2017, die - ebenso wie die Gebührenfestsetzung für das Jahr 2015 - wegen Unzuständigkeit des Ministeriums der Finanzen (teils gerichtlich, teils von der Behörde selbst) aufgehoben wurden. 3 Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 28. Dezember 2018 setzte das Ministerium des Innern und für Sport des Beklagten für das Jahr 2018, gestützt auf § 9a Abs. 4 Satz 2 des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV), eine Gebühr in Höhe von 163 407 € fest. § 9a Abs. 4 GlüStV in der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Fassung lautet: (4) 1Die nach den Absätzen 1 und 2 zuständigen Behörden erheben für Amtshandlungen in Erfüllung der Aufgaben nach den Absätzen 1 bis 3 Kosten (Gebühren und Auslagen). 2Für die Erteilung einer Erlaubnis oder Konzession für das Veranstalten eines Glücksspiels wird bei genehmigten oder voraussichtlichen Spiel- oder Wetteinsätzen a) bis zu 30 Millionen Euro eine Gebühr in Höhe von 1,0 v.T. der Spiel- oder Wetteinsätze, mindestens 50 Euro, b) über 30 Millionen Euro bis 50 Millionen Euro eine Gebühr in Höhe von 30 000 Euro zuzüglich 0,8 v.T. der 30 Millionen Euro übersteigenden Spiel- oder Wetteinsätze, c) über 50 Millionen Euro bis 100 Millionen Euro eine Gebühr in Höhe von 46 000 Euro zuzüglich 0,5 v.T. der 50 Millionen Euro übersteigenden Spiel- oder Wetteinsätze, d) über 100 Millionen Euro eine Gebühr in Höhe von 71 000 Euro zuzüglich 0,3 v.T. der 100 Millionen Euro übersteigenden Spiel- oder Wetteinsätze erhoben; zugrunde zu legen ist die Summe der genehmigten oder voraussichtlichen Spiel- oder Wetteinsätze in allen beteiligten Ländern. 3Wird die Erlaubnis oder Konzession für mehrere aufeinanderfolgende Jahre oder Veranstaltungen erteilt, erfolgt die Berechnung gesondert für jedes Jahr und jede Veranstaltung, wobei sich die Gebühr nach Satz 2 für jedes Folgejahr oder jede Folgeveranstaltung um 10 v.H. ermäßigt. 4Für die Erteilung einer Erlaubnis für das Vermitteln eines Glücksspiels wird eine Gebühr in Höhe von 50 v.H. der Gebühr nach Satz 2 erhoben; Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. 5Für Anordnungen zur Beseitigung oder Beendigung rechtswidriger Zustände sowie für sonstige Anordnungen der Glücksspielaufsichtsbehörden wird eine Gebühr von 500 Euro bis 500 000 Euro erhoben; dabei ist der mit der Amtshandlung verbundene Verwaltungsaufwand aller beteiligten Behörden und Stellen zu berücksichtigen. 6Im übrigen gelten die Kostenvorschriften des jeweiligen Sitzlandes der handelnden Behörde. 4 Die gegen den Bescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 28. November 2019 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Rechtsgrundlage des Bescheids sei jedenfalls hinsichtlich der Gebührenerhebung für die hier in Rede stehende Erteilung einer Erlaubnis zur Durchführung einer Lotterie verfassungskonform; die zugrunde liegende Kostenabschätzung sei nicht zu beanstanden. Aus § 9a Abs. 4 GlüStV, der die Gebühr zu großen Teilen am Umsatz orientiere, ergebe sich hinreichend klar, dass der Gesetzgeber neben dem Gebührenzweck der Kostendeckung auch den Zweck der Vorteilsabschöpfung habe verfolgen wollen. Nach dem Staatsvertrag seien von der Erlaubnisgebühr die Kosten sowohl für die Antragsbearbeitung als auch für die nachträgliche Überwachung umfasst. Eine pauschalierende Betrachtung der verschiedenen Glücksspielarten bei der Berechnung des Verwaltungsaufwands sei zulässig. Der Gebührenbescheid selbst erweise sich als formell und materiell rechtmäßig; gegen die Ermäßigung (nur) um 10 % der Gebühr für das erste Jahr der Lotterie sei nichts zu erinnern. 5 Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision. Zur Begründung trägt er vor: Die der Erlaubnisgebühr zugrundeliegende Ermittlung des Verwaltungsaufwands sei offenkundig fehlerhaft, weil nicht nur die Kosten der Erlaubniserteilung, sondern sämtliche im - ohnehin untypischen - Jahr 2009 angefallenen Personal- und Sachkosten der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder herangezogen worden seien. Die Festlegung eines einheitlichen Gebührensatzes für sämtliche Glücksspielarten widerspreche dem allgemeinen Gleichheitssatz. Die für das Jahr 2018 angesetzten Gebühren gingen weit über die tatsächlich entstandenen Kosten für die Bearbeitung des Erlaubnisantrags hinaus, stünden in einem auffälligen Missverhältnis zum Verwaltungsaufwand und dienten der Gewinnerzielung. Der Gebührenzweck könne schon deshalb nicht auf die Vorteilsabschöpfung ausgedehnt werden, weil bereits die Konzessionsabgabe für Sportwetten eine ""Vorteilsabschöpfungsabgabe"" darstelle. Der Gebührenbescheid sei im Übrigen rechtswidrig, weil die Erlaubnis von der unzuständigen Behörde erteilt worden sei. 6 Der Kläger beantragt, den Gebührenbescheid des Beklagten vom 28. Dezember 2018 in Höhe von 163 407 € unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 28. November 2019 aufzuheben. 7 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Er verteidigt die angegriffene Entscheidung. II 9 Die zulässige Sprungrevision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts (§ 134 i.V.m. § 49 Nr. 2 VwGO) ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung revisiblen Rechts. Gemessen am Prüfungsmaßstab des Bundesverwaltungsgerichts (1.) hat das Verwaltungsgericht die Klage gegen den Gebührenbescheid zu Recht abgewiesen, weil die dem Bescheid zugrundeliegende Gebührenregelung des Glücksspielstaatsvertrags verfassungskonform ist (2.) und gegen die Gebührenfestsetzung auch im Übrigen keine Bedenken bestehen (3.). 10 1. a) Prüfungsmaßstab ist neben Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) auch der Glücksspielstaatsvertrag der Länder (GlüStV), hier in der Fassung des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag - Erster GlüÄndStV) vom 15. November 2011 (RP GVBl. 2012, 166). Dies folgt aus § 33 GlüStV, mit dem die Staatsvertragsparteien von der Ermächtigung des Art. 99 Alt. 2 GG Gebrauch gemacht haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. April 2017 - 8 C 16.16 - ZfWG 2017, 394 Rn. 14). 11 b) Die Revisibilitätsklausel des § 33 GlüStV umfasst auch § 9a Abs. 4 Satz 6 GlüStV, wonach für die Kostenerhebung ""im Übrigen"" die Kostenvorschriften des jeweiligen Sitzlandes der handelnden Behörde gelten. Revisionsgerichtlich überprüfbar sind insoweit allerdings nur Inhalt und Reichweite der staatsvertraglichen Bestimmung, also die Frage, auf welche Regelungsbereiche des jeweiligen Landeskostenrechts sich die Verweisung bezieht, nicht hingegen die Auslegung der einzelnen landesrechtlichen Bestimmungen. 12 § 9a Abs. 4 Satz 6 GlüStV erklärt die auf Landesebene bestehenden Kostenvorschriften für ergänzend anwendbar, ohne sie in das Staatsvertragsrecht zu übernehmen. Auf eine rein deklaratorische Verweisung deutet schon der Wortlaut der Norm hin, wonach die Landesvorschriften unmittelbar ""gelten"" und nicht lediglich ""entsprechend gelten"" sollen. Auch eine systematisch-teleologische Auslegung spricht gegen eine Inkorporation der sich immer wieder ändernden Kostengesetze der Sitzländer. Die im ländereinheitlichen Verfahren nach § 9a GlüStV zuständigen Behörden bleiben auch in dieser Funktion Landesbehörden, für die ihr jeweiliges Verwaltungsverfahrens-, Vollstreckungs- und Kostenrecht aus sich heraus kraft landesrechtlichen Anwendungsbefehls gilt (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 - Vf. 9-VII-13 u.a. - VerfGHE BY 68, 198 Rn. 145). Der Sinn und Zweck der hier wie in vergleichbaren Fällen (vgl. zu § 48 RStV Lent, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, § 48 RStV Rn. 1 m.w.N.) auf eine möglichst einheitliche Auslegung der staatsvertraglichen Bestimmungen abzielenden Revisibilitätsklausel gebietet keine andere Beurteilung, da im ländereinheitlichen Verwaltungsvollzug nach § 9a GlüStV für jede Glücksspielform nur ein Sitzland zuständig und daher nur jeweils ein einziges Kostengesetz anwendbar ist. Die im Streitfall ergänzend anwendbaren Vorschriften des rheinland-pfälzischen Landesgebührengesetzes (LGebG) vom 3. Dezember 1974 (RP GVBl. 1974, 578), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. Juni 2017 (RP GVBl. 2017, 106), sind daher der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen. Dies betrifft insbesondere die - in der Vollzugspraxis des Beklagten nicht einheitlich beantwortete - Frage, ob sich der Kläger als gemeinnütziger Verein auf die persönliche Gebührenfreiheit nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 LGebG berufen kann. 13 2. Rechtsgrundlage des angegriffenen Bescheids ist § 9a Abs. 4 GlüStV. Danach erheben die nach den Absätzen 1 und 2 zuständigen Behörden, hier die Glücksspielbehörde des Landes Rheinland-Pfalz (§ 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GlüStV), für Amtshandlungen in Erfüllung der Aufgaben nach den Absätzen 1 bis 3 Kosten in Gestalt von Gebühren und Auslagen (§ 9a Abs. 4 Satz 1 GlüStV). Für die Erteilung einer Glücksspielerlaubnis im ländereinheitlichen Verfahren, wie sie der Kläger beantragt hat, wird gemäß § 9a Abs. 4 Satz 2 und 3 GlüStV eine nach den Spieleinsätzen gestaffelte Gebühr erhoben. 14 Diese unmittelbar im Staatsvertrag getroffene Gebührenregelung ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Sie verstößt weder gegen die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung nach Art. 104a ff. GG (a) noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG (b). Die Verfassungswidrigkeit der Norm ergibt sich auch nicht aus ihrem Zusammenspiel mit der Konzessionsabgabe nach § 4d GlüStV (c). 15 a) Die für die Erteilung von Glücksspielerlaubnissen nach § 9a GlüStV geltende Gebührenregelung genügt den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 104a ff. GG. 16 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben mit Blick auf die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung sowie zur Wahrung der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen einer über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 2/14 u.a. - BVerfGE 144, 369 Rn. 62 m.w.N.). Zwar gibt es keinen eigenständigen verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff, aus dem sich unmittelbar Prüfungsmaßstäbe für die Verfassungsmäßigkeit einer Gebührenregelung ergäben (BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 - BVerfGE 50, 217 <225 f.>). Bundesrechtliche Voraussetzung für die Erhebung einer Gebühr ist allerdings, dass zwischen der kostenverursachenden Leistung der Verwaltung und dem Gebührenschuldner eine besondere Beziehung besteht, die es gestattet, ihm die Amtshandlung individuell zuzurechnen. Unter Beachtung dieser Kriterien verfügt der Gebührengesetzgeber über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen, welche Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze er hierfür aufstellen und welche über die Kostendeckung hinausreichenden Zwecke, etwa einer begrenzten Verhaltenssteuerung in bestimmten Tätigkeitsbereichen, er mit einer Gebührenregelung anstreben will (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9/98 u.a. - BVerfGE 108, 1 <19>; BVerwG, Urteil vom 29. März 2019 - 9 C 4.18 - BVerwGE 165, 138 Rn. 21 f.; jeweils m.w.N.). 17 Die staatsvertragliche Gebührenvorschrift wird diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht. Sie ermöglicht die Erhebung einer Verwaltungsgebühr für die im ländereinheitlichen Verfahren erteilten Erlaubnisse und Konzessionen (aa). Die Gebühr verfolgt mit der Kostendeckung und dem Vorteilsausgleich zwei legitime Zwecke (bb). Ein grobes Missverhältnis der Gebührenbemessung zu diesen Gebührenzwecken lässt sich nicht feststellen (cc). 18 aa) Der Gebührentatbestand des § 9a Abs. 4 GlüStV knüpft an die Vornahme von Amtshandlungen an, die von den Gebührenschuldnern veranlasst worden sind bzw. ihnen zugutekommen, so dass es sich um den Typus einer Verwaltungsgebühr handelt. Die Notwendigkeit einer staatsvertraglichen Gebührenregelung folgt aus der verfahrensrechtlichen Besonderheit. Mit § 9a GlüStV in der Fassung des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags vom 15. Dezember 2011 wurde erstmals für verschiedene Glücksspielangebote ein formalisiertes ländereinheitliches Verfahren eingeführt, bei dem jeweils die Glücksspielaufsichtsbehörde eines Landes die Erlaubnis oder Konzession für das Gebiet aller Länder erteilt (§ 9a Abs. 1 und 2 GlüStV). Diese Neuerung ist Ausfluss der grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder im Glücksspielrecht, die für die länderübergreifende Zulassung von Glücksspielen ein einheitliches Verfahren erforderlich macht (vgl. RP LT-Drs. 16/1179 S. 69). Hierbei erteilt das im jeweiligen Verfahren zentral zuständige Land eine Erlaubnis bzw. Konzession mit Geltung für alle Länder. Die nach § 9a Abs. 1 und 2 GlüStV zuständigen Behörden üben gegenüber den Erlaubnis- und Konzessionsnehmern auch die Aufgaben der Glücksspielaufsicht nach § 9 Abs. 1 GlüStV mit Wirkung für alle Länder aus und können die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen (§ 9a Abs. 3 Satz 1 GlüStV). Die Beteiligung der Länder wird durch das Glücksspielkollegium sichergestellt (§ 9a Abs. 5 bis 8 GlüStV), das zur Erfüllung der Aufgaben nach den Absätzen 1 bis 3 besteht (§ 9a Abs. 5 Satz 1 GlüStV; vgl. dazu RP LT-Drs. 16/1179 S. 69). 19 Dem ländereinheitlichen Verfahren gemäß § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GlüStV unterliegen auch die Erlaubnisse für ""Lotterien mit geringerem Gefährdungspotential"" nach § 12 Abs. 3 Satz 1 GlüStV, für deren Erteilung das Land Rheinland-Pfalz zuständig ist. Diese im Dritten Abschnitt des Staatsvertrags (§§ 12 bis 18 GlüStV) geregelten privaten Lotterien, deren Veranstalter als gemeinnützig anerkannt sein müssen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV), durchbrechen das grundsätzliche staatliche Veranstaltungsmonopol für Lotterien (§ 10 Abs. 6 GlüStV). Sie unterliegen gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV dem allgemein für Glücksspiele geltenden repressiven Verbot mit Befreiungs- bzw. Erlaubnisvorbehalt (vgl. nur Ruttig, in: Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, 2. Aufl. 2013, § 12 Rn. 3 m.w.N.); auf die Erteilung der Erlaubnis besteht daher kein Rechtsanspruch (§ 4 Abs. 2 GlüStV). 20 bb) Die Erhebung von Gebühren nach § 9a Abs. 4 Satz 2 GlüStV dient legitimen Gebührenzwecken. Mit einer Verwaltungsgebühr können zulässigerweise unterschiedliche Zwecke verfolgt werden, wobei sich die sachliche Rechtfertigung der Gebührenhöhe aus den Gebührenzwecken der Kostendeckung, des Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung sowie aus sozialen Zwecken ergeben kann (stRspr; vgl. nur BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9/98 u.a. - BVerfGE 108, 1 <13>). Daraus folgt allerdings nicht, dass jeder dieser Zwecke beliebig zur Rechtfertigung der konkreten Bemessung einer Gebühr herangezogen werden kann. Nur wenn solche legitimen Gebührenzwecke nach der tatbestandlichen Ausgestaltung der konkreten Gebührenregelung von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen werden, sind sie auch geeignet, sachlich rechtfertigende Gründe für die Gebührenbemessung zu liefern (BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9/98 u.a. - BVerfGE 108, 1 <13>; Beschluss vom 6. November 2012 - 2 BvL 51/06 u.a. - BVerfGE 132, 334 Rn. 50). Die hiernach erforderliche Auslegung anhand von Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - juris Rn. 26, insoweit nicht in BVerfGK 14, 328) lässt mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass die staatsvertragliche Gebührenregelung in einem weit verstandenen Sinn der Kostendeckung (1) und darüber hinaus dem Vorteilsausgleich (2) dient. 21 (1) Die Gebührenerhebung nach § 9a Abs. 4 Satz 2 GlüStV dient in erster Linie dem Zweck, die mit der ""Erteilung der Erlaubnis oder Konzession"" im ländereinheitlichen Verfahren verbundenen Kosten zu decken. Damit sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht allein die Kosten der Antragsbearbeitung gemeint. Die Gebühr nach § 9a Abs. 4 Satz 2 GlüStV soll zum einen den im ländereinheitlichen Erlaubnis- bzw. Konzessionsverfahren bei den beteiligten Behörden entstehenden und damit unmittelbar ""für"" die Erteilung notwendigen Verwaltungsaufwand decken, wie in der Begründung des Staatsvertrags anklingt (vgl. RP LT-Drs. 16/1179 S. 69). Der Kostendeckungszweck erfasst zum anderen aber auch den Prüfungs- und Überwachungsaufwand, der sich während der Geltungsdauer aus einer - im Regelfall für mehrere Jahre erteilten - Erlaubnis oder Konzession ergibt. 22 Dass auch dieser an das Gebrauchmachen von der Erlaubnis bzw. Konzession anknüpfende und daher fortlaufend anfallende Verwaltungsaufwand, sofern er nicht gemäß § 9a Abs. 4 Satz 5 GlüStV gesondert gebührenpflichtig ist, mit der ""Erteilungsgebühr"" nach § 9a Abs. 4 Satz 2 GlüStV abgegolten werden soll, folgt zwar nicht schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, der sich auch im Sinne einer Beschränkung auf die Antragsbearbeitung verstehen ließe, ergibt sich jedoch aus dem Regelungszusammenhang. 23 Nach der Grundnorm des § 9a Abs. 4 Satz 1 GlüStV erheben die zuständigen Behörden ""für Amtshandlungen in Erfüllung der Aufgaben nach den Absätzen 1 bis 3 Kosten (Gebühren und Auslagen)"". Die Tätigkeit der nach § 9a Abs. 1 und 2 GlüStV zuständigen Glücksspielaufsichtsbehörde ist nicht mit der einmaligen Erlaubniserteilung abgeschlossen, sondern setzt sich in Gestalt der weiteren - nach § 9a Abs. 3 Satz 1 GlüStV ebenfalls mit Wirkung für alle Länder auszuübenden - Glücksspielaufsicht fort. Auch die damit verbundenen Aufgaben unterliegen nach § 9a Abs. 4 Satz 1 GlüStV der staatsvertraglich begründeten Gebührenpflicht. Ziel dieser behördlichen Überwachungstätigkeit ist es insbesondere, die Einhaltung der Inhalts- und Nebenbestimmungen zu gewährleisten, mit denen die (mehrjährigen) Erlaubnisse oder Konzessionen angesichts der im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehenen strengen Erteilungsvoraussetzungen regelmäßig versehen sind. 24 Dass auch dieser behördliche Aufwand des ""Auf-Stand-Haltens"" der Genehmigung, den der Beklagte in der mündlichen Verhandlung exemplarisch erläutert hat, mit der wertabhängigen Gebühr nach § 9a Abs. 4 Satz 2 GlüStV abgedeckt werden soll, folgt insbesondere aus der Regelung des § 9a Abs. 4 Satz 3 GlüStV, wonach bei längerer Geltungsdauer der Erlaubnis bzw. Konzession die Gebührenerhebung nicht einmalig und abschließend im Jahr der Erteilung erfolgt, sondern - mit einem Abschlag für die Folgejahre - auf den gesamten Geltungszeitraum verteilt wird. Die Gebührenermäßigung ab dem zweiten Geltungsjahr rechtfertigt sich, wie es in der Begründung zum Staatsvertrag heißt, aus dem im Vergleich zum Genehmigungsjahr ""geringeren Verwaltungsaufwand"" (RP LT-Drs. 16/1179 S. 70). Diese Formulierung lässt unmissverständlich erkennen, dass der Normgeber von einem auch noch in den Folgejahren anfallenden, dem Erlaubnisinhaber zuzurechnenden (Überwachungs-)Aufwand ausgeht, der durch die Gebühr nach § 9a Abs. 4 Satz 2 GlüStV ebenfalls abgedeckt werden soll. Er entsteht aufgrund der fortlaufend notwendigen Aufsichtsmaßnahmen auch dann, wenn es nicht zu Einzelfallanordnungen kommt, für die in § 9a Abs. 4 Satz 5 GlüStV eine zusätzliche (Rahmen-)Gebühr vorgesehen ist. 25 (2) Neben der Kostendeckung dient die für die Erlaubnis- bzw. Konzessionserteilung zu entrichtende Gebühr in hinreichend erkennbarer Weise auch dem Vorteilsausgleich. Dies ergibt sich aus dem gewählten Gebührenmaßstab sowie aus den Gesetzesmaterialien. § 9a Abs. 4 Satz 2 GlüStV knüpft die Höhe der Gebühr an die - mit dem Verwaltungsaufwand in keinem Zusammenhang stehenden - voraussichtlichen Spiel- oder Wetteinsätze und bestimmt den Gebührensatz damit nach dem zu erwartenden Umsatz der Glücksspielveranstalter. Auch die Begründung zum Staatsvertrag, wonach bei der Gebührenbemessung neben dem Verwaltungsaufwand auch die Bedeutung der Angelegenheit für den Kostenschuldner Berücksichtigung finden soll (RP LT-Drs. 16/1179 S. 69 und 70), bringt den Vorteilsausgleich als weiteren Gebührenzweck deutlich zum Ausdruck. 26 Der durch die Gebühr auszugleichende Vorteil liegt darin, dass die Glücksspielveranstalter von der Erlaubnis oder Konzession Gebrauch machen können, die ihnen in Durchbrechung des grundsätzlichen Verbots mit Befreiungsvorbehalt aus § 4 Abs. 1 GlüStV bzw. § 4a Abs. 1 GlüStV erteilt wird. Während der im Zulassungsbescheid festgelegten Laufzeit können die Anbieter das genehmigte Glücksspiel legal durchführen und in dem jeweils zugelassenen Umfang Einnahmen generieren. Eine solche begünstigende Wirkung infolge der gebührenpflichtigen Amtshandlung unterfällt ohne Weiteres dem weiten Vorteilsbegriff der Rechtsprechung, die als ""besonderen Vorteil"" neben wirtschaftlichen auch rechtliche, ideelle und tatsächliche Vorteile jeglicher Art anerkennt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 - 2 BvR 413/88 - BVerfGE 93, 319 <343 f.>; Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9/98 u.a. - BVerfGE 108, 1 <18>; vgl. auch Wild, Die Verwaltung 2006, 493 <512>; Perlitius, Die vorteilsabschöpfende Verwaltungsgebühr, Schriften zum ÖR, Bd. 1170, 2010, S. 33). 27 Auch bei nicht-kommerziellen Erlaubnisnehmern wie den Veranstaltern von Lotterien mit geringerem Gefährdungspotential (§§ 12 bis 18 GlüStV) ist ein derartiger Vorteil zu bejahen. Mit solchen Veranstaltungen dürfen zwar keine wirtschaftlichen Zwecke verfolgt werden, die über den mit dem Hinweis auf die Bereitstellung von Gewinnen verbundenen Werbeeffekt hinausgehen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GlüStV), so dass dafür oft die Bezeichnung ""Soziallotterien"" verwendet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 - BVerwGE 140, 1 Rn. 26). Auch diese Veranstalter erlangen aber mit der Erteilung der Lotterieerlaubnis eine vorteilhafte Rechtsstellung, der ungeachtet der gemeinnützigen Ausrichtung auch ein wirtschaftlicher Wert zukommt. Denn ihnen wird damit die Durchführung eines ihrem Satzungszweck entsprechenden Vorhabens auf dem staatlich regulierten Glücksspielmarkt ermöglicht, das sie anderenfalls nicht hätten verwirklichen können. Dass die erzielten Reingewinne am Ende nicht den Veranstaltern als private Einkünfte zufließen, sondern gemeinnützig verwendet werden (müssen), lässt den in der behördlichen Zulassungsentscheidung liegenden Vorteil nicht entfallen. 28 cc) Die in § 9a Abs. 4 Satz 2 und 3 GlüStV geregelte Gebührenbemessung steht, gemessen an den dafür geltenden verfassungsrechtlichen Vorgaben (1), nicht in einem groben Missverhältnis zu den vom Gesetzgeber verfolgten Gebührenzwecken des Vorteilsausgleichs (2) und der Kostendeckung (3). 29 (1) Zur Wahrung des weiten Gestaltungs-, Typisierungs- und Pauschalierungsspielraums des Gesetzgebers bei der Gebührenbemessung ist die gerichtliche Kontrolldichte am Maßstab finanzverfassungsrechtlicher Rechtfertigungsanforderungen eingeschränkt. Eine Gebührenbemessung ist hiernach nur dann sachlich nicht gerechtfertigt, wenn sie in einem groben Missverhältnis zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken steht (BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9/98 u.a. - BVerfGE 108, 1 <17 ff.>; Kammerbeschluss vom 9. Dezember 2008 - 2 BvR 1958/05 - juris Rn. 11). Die verfassungsrechtliche Kontrolle der gesetzgeberischen Gebührenbemessung, die ihrerseits komplexe Kalkulationen, Bewertungen, Einschätzungen und Prognosen voraussetzt, darf - insbesondere bei der Einführung eines neuen Gebührentatbestands - nicht überspannt werden. Maßgebliche Bestimmungsfaktoren der Gebührenbemessung, wie die speziellen Kosten der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistungen und der Vorteil der Leistungen für den Gebührenschuldner, lassen sich häufig nicht exakt und im Voraus ermitteln und quantifizieren. Eine präzise Vorauskalkulation, wie sie bei der Erhebung kostendeckender Benutzungsgebühren etwa bei kommunalen Einrichtungen grundsätzlich geboten ist, kann daher bei Verwaltungsgebühren nicht verlangt werden. Der Gesetzgeber darf vielmehr generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, die verlässlich und effizient vollzogen werden können (BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9/98 u.a. - BVerfGE 108, 1 <17 ff.>). 30 Auch wenn sich der Gesetzgeber bei der Gebührenbemessung nicht auf die Kosten des Verwaltungsaufwands beschränken muss, sind diese bei der Ausgestaltung des Gebührentatbestands nicht gänzlich ohne Bedeutung. Das Äquivalenzprinzip als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verbietet die Festsetzung der Gebühr völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung (BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 - BVerfGE 50, 217 <227>; BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 2020 - 10 C 23.19 - NVwZ 2021, 497 Rn. 18). Dies gilt auch dann, wenn bei der Bemessung der Gebühr der wirtschaftliche Wert der Amtshandlung in Rechnung gestellt, also ein weiterer Gebührenzweck verfolgt wird. Der Entgeltcharakter der Gebühr muss dadurch gewahrt bleiben, dass diese sich hinsichtlich ihrer Höhe nicht völlig von den Kosten des Verwaltungsaufwands lösen darf. Das Verbot einer gänzlichen Abkoppelung folgt aus dem der Gebühr begriffsnotwendig innewohnenden Ziel der Kostendeckung (BVerwG, Urteil vom 30. April 2003 - 6 C 4.02 - BVerwGE 118, 123 <127> m.w.N.). 31 (2) Unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs bestehen gegen die Bemessung der Erlaubnis- bzw. Konzessionsgebühr keine Bedenken. Nach § 9a Abs. 4 Satz 2 Buchst. a bis d GlüStV errechnet sich die Höhe der Gebühr nach den genehmigten oder voraussichtlichen Spiel- oder Wetteinsätzen. Ein solcher vorteilsbezogener Gebührenmaßstab ist nicht nur im Glücksspielrecht anerkannt, sondern findet vielfach bei begünstigenden Amtshandlungen Anwendung, die sich auf ein Objekt mit wirtschaftlichem Wert beziehen. So darf sich die Gebühr für eine Grundbucheintragung am Wert des Grundstücks orientieren (BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Juli 2004 - 2 BvR 206/04 - NJW 2004, 3321), die Baugenehmigungsgebühr auf die Rohbausumme als Gebührenmaßstab abstellen (BVerwG, Beschluss vom 20. Februar 1996 - 8 B 16.96 - juris Rn. 7) und die Gebühr für eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung an die Errichtungs- bzw. Investitionskosten der Anlage anknüpfen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Mai 2018 - 1 BvR 45/15 - NVwZ 2019, 57). Angesichts eines - degressiv gestaffelten - Gebührensatzes, der maximal ein Tausendstel der Spiel- oder Wetteinsätze ausmachen kann, erweist sich der Vorteilsausgleich auch der Höhe nach als maßvoll; im Fall des Klägers ergab sich danach für das Jahr 2018 bei einem Umsatz von fast einer halben Milliarde € nur eine Gebühr in Höhe von 163 407 €. 32 (3) Eine greifbare Abkoppelung der nach § 9a Abs. 4 Satz 2 GlüStV erhobenen Gebühren von den Kosten der zugrundeliegenden Verwaltungsleistung lässt sich nicht feststellen. 33 (a) Zur Höhe des zu veranschlagenden Verwaltungsaufwands heißt es in den Gesetzesmaterialien unter Bezugnahme auf den ""Bericht zur Erhebungswelle 2010 im Rahmen der Evaluation des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV)"" des Landesbetriebs Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Anlage 1 zum Evaluationsbericht 2010), im Jahr 2009 hätten die Personal- und Sachkosten der zuständigen Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder einschließlich der Prozesskosten bei etwa 9,1 Mio. € gelegen (RP LT-Drs. 16/1179 S. 70). Dass der Normgeber den Evaluationsbericht als Erkenntnisquelle für die Ausarbeitung des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags im Jahr 2011 herangezogen hat, ist naheliegend und nicht zu beanstanden. Die im Bericht genannten Zahlen konnten angesichts ihrer Aktualität grundsätzlich als Prognosegrundlage dienen, so dass gegen die Wahl des Referenzjahres 2009 nichts zu erinnern ist. Auch gegen die Einbeziehung von Prozesskosten in die Personal- und Sachkosten bestehen keine prinzipiellen Bedenken, zumal es sich aus damaliger Sicht nur um einen untergeordneten Rechnungsposten gehandelt haben dürfte. Der Gesetzgeber hatte, anders als bei der Kalkulation von Benutzungsgebühren für eine kostendeckende öffentliche Einrichtung, lediglich eine grobe Abschätzung des typischerweise entstehenden Verwaltungsaufwands vorzunehmen. 34 (b) Auf Bedenken trifft es hingegen, dass der Gesetzgeber seine Prognose pauschal auf den im Evaluationsbericht genannten Gesamtbetrag von 9,1 Mio. € gestützt hat, ohne einen direkten Bezug zu den von der Gebührenregelung des § 9a Abs. 4 Satz 2 GlüStV erfassten Verwaltungstätigkeiten herzustellen. Im Bericht berücksichtigt wurden offenbar sämtliche Aktivitäten der für die Glücksspielaufsicht zuständigen Behörden der Länder, ohne danach zu differenzieren, ob die betreffenden Glücksspielformen durch den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag in das ländereinheitliche Verfahren nach § 9a GlüStV überführt werden oder weiterhin dem Gebührenrecht der Länder unterliegen sollten. Auch wurde ersichtlich nicht zwischen den Verwaltungskosten für die Erlaubnis- bzw. Konzessionserteilung einerseits und für Untersagungen unerlaubten Glücksspiels sowie sonstige behördliche Einzelmaßnahmen andererseits differenziert, obwohl letztere über den Gebührentatbestand des § 9a Abs. 4 Satz 5 GlüStV separat erfasst werden. Die vom Normgeber gewählte stark pauschalierende Vorgehensweise hat zur Folge, dass dem angegebenen Betrag von 9,1 Mio. € für die Abschätzung des Verwaltungsaufwands nur ein eingeschränkter Aussagegehalt beigemessen werden kann. Die damit verbundene Erschwernis der gerichtlichen Kontrolle des Gebührensatzes erscheint hier gleichwohl noch hinnehmbar, da den Staatsvertragsparteien bei Einführung des ländereinheitlichen Verfahrens nach § 9a GlüStV ersichtlich keine genaueren Zahlen zur Verfügung standen und teilweise - im Falle der bis dahin verbotenen Sportwetten - auch noch gar nicht zur Verfügung stehen konnten. Im Falle späterer Neuregelungen dürfte eine derart weitgehende pauschalierende Betrachtungsweise nicht mehr ohne Weiteres zulässig sein. 35 (c) Auch wenn anzunehmen ist, dass der im ländereinheitlichen Erlaubnis- und Konzessionsverfahren entstehende Verwaltungsaufwand geringer zu veranschlagen ist als der vom Gesetzgeber zugrunde gelegte Orientierungswert von 9,1 Mio. €, spricht nichts dafür, dass das zu erwartende Gebührenaufkommen in seiner Höhe von den tatsächlich entstehenden Verwaltungskosten völlig abgekoppelt sein könnte. 36 Die in der Gesetzesbegründung für das Jahr 2009 vorgenommene Vergleichsrechnung, wonach angesichts eines prognostizierten Gesamtgebührenaufkommens von 2 978 300 € nur etwa 30 % des angenommenen Verwaltungsaufwands von 9,1 Mio. € gedeckt wären, muss allerdings als unrealistisch angesehen werden. Sie bezieht zwar zu Recht auch den zum damaligen Zeitpunkt illegalen Sportwettenmarkt mit ein, der durch das mit dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag geschaffene Konzessionssystem in die Legalität überführt werden sollte (vgl. RP LT-Drs. 16/1179 S. 1, 40). Die anhand der im Evaluierungsbericht ermittelten Umsätze des Deutschen Lotto-Toto-Blocks von 6 791 Mio. € sowie eines geschätzten Umsatzvolumens auf dem illegalen Sportwettenmarkt von 3 000 Mio. € in Anwendung des Tarifs nach § 9a Abs. 4 Satz 2 Buchst. d GlüStV errechnete Verwaltungsgebühr in Höhe von 2 978 300 € beruht allerdings auf einer Fiktion. Sie unterstellt - wohl aus Vereinfachungsgründen –, dass für den Gesamtumsatz von ca. 9,8 Milliarden € nur eine einzige Erlaubnis nach § 9a GlüStV erteilt wurde. Geht man demgegenüber von einer Aufteilung in eine Mehrzahl von Erlaubnis- und Konzessionsverfahren mit entsprechend geringeren Spiel- oder Wetteinsätzen aus, die zumindest teilweise unter dem in § 9a Abs. 4 Satz 2 Buchst. d GlüStV genannten Schwellenwert von 100 Mio. € liegen, so ergibt sich wegen der degressiven Staffelung des Gebührensatzes in § 9a Abs. 4 Satz 2 GlüStV ein deutlich höherer Gesamtbetrag der zu erwartenden Gebühreneinnahmen. 37 Dieser Effekt ist jedoch zu gering, als dass er zu einer greifbaren Abkoppelung des Gebührenaufkommens von dem damit abzugeltenden Verwaltungsaufwand führen könnte. Selbst wenn der für das ländereinheitliche Verfahren angenommene Gesamtumsatz von ca. 9,8 Milliarden € ausschließlich auf Erlaubnisse und Konzessionen mit Spiel- bzw. Wetteinsätzen von weniger als 30 Mio. € entfiele und daher in sämtlichen Fällen der maximale Gebührensatz von 1 % nach § 9a Abs. 4 Satz 2 Buchst. a GlüStV anwendbar wäre, könnten die Gebühreneinnahmen insgesamt einen Betrag von 9,8 Mio. € nicht übersteigen. Sie müssten wegen des bei mehrjähriger Erteilung für die Folgejahre geltenden 10 %-Abschlags nach § 9a Abs. 4 Satz 3 GlüStV sogar noch um einiges niedriger liegen und bewegten sich damit in der Nähe des vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Gesamtaufwands von 9,1 Mio. €. Danach lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass die Höhe der zu erhebenden Gebühren zu dem damit abzugeltenden Verwaltungsaufwand völlig außer Verhältnis stehen, die tatsächlich anfallenden Kosten also um ein Vielfaches übersteigen könnte. 38 Ein solches grobes Missverhältnis lässt sich im Übrigen auch bei rückwirkender Betrachtung unter Einbeziehung der Ergebnisse des in der mündlichen Verhandlung erörterten Evaluationsberichts der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder nach § 32 GlüStV vom 28. April 2017 nicht erkennen. Danach betrugen die Verwaltungskosten im ländereinheitlichen Verfahren für die Jahre 2012 bis 2016 insgesamt 12,8 Mio. €, wobei die Gebühreneinnahmen im gleichen Zeitraum mit 3,5 Mio. € ebenfalls deutlich unter dem prognostizierten Wert lagen. 39 b) Der einheitliche Gebührentatbestand des § 9a Abs. 4 GlüStV für alle in das ländereinheitliche Verfahren überführte Glücksspielformen verstößt nicht gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Art. 3 Abs. 1 GG ist dann verletzt, wenn für die gleiche Behandlung verschiedener Sachverhalte - bezogen auf den in Rede stehenden Sachverhalt und seine Eigenart - ein vernünftiger, einleuchtender Grund fehlt (stRspr; vgl. nur - jeweils zum Steuerrecht - BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 - 1 BvL 8/05 - BVerfGE 123, 1 <19>; BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 9 C 7.16 - BVerwGE 159, 216 Rn. 50). 40 Hieran gemessen war die vom Kläger geforderte gebührenrechtliche Privilegierung der Lotterien mit geringerem Gefährdungspotential (§§ 12 ff. GlüStV) gegenüber den Sportwetten (§§ 4a ff. GlüStV) weder unter dem Gesichtspunkt der Gemeinnützigkeit noch wegen eines möglicherweise geringeren Verwaltungsaufwands zwingend geboten. Nach der nicht zu beanstandenden Einschätzung des Gesetzgebers (RP LT-Drs. 16/1179 S. 1) bergen auch die Glücksspielformen, deren Erträge ganz oder überwiegend für Gemeinwohlzwecke verwendet werden, so erhebliche Gefahren für die Spielteilnehmer und die Allgemeinheit, dass für sie das in § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV normierte repressive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ebenso gerechtfertigt ist wie für die kommerziellen Glücksspielangebote (vgl. auch Ruttig, in: Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, 2. Aufl. 2013, § 12 Rn. 7). Dass diese prinzipielle verfahrensrechtliche Gleichbehandlung sich in einer einheitlichen Gebührenregelung widerspiegelt, deren Berechnungsmodus sich vorrangig am Kriterium des Vorteilsausgleichs orientiert, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Vor Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags war auch noch nicht konkret absehbar, ob und inwieweit mit der Erteilung und Überwachung der erstmals zu erteilenden Konzessionen für Sportwetten ein signifikant höherer Verwaltungsaufwand verbunden sein würde als bei den sonstigen in § 9a Abs. 1 und 2 GlüStV genannten Erlaubnissen. In Anbetracht seiner weiten Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis war der Gesetzgeber daher jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht gehindert, für alle Zulassungsakte im ländereinheitlichen Verfahren eine nach denselben Maßstäben zu errechnende Verwaltungsgebühr festzulegen. Dass an die Erteilung von Sportwettenkonzessionen besonders strenge Anforderungen gestellt werden (§§ 4a ff. GlüStV), hätte zwar schon damals einen im Vergleich zu den Lotterieerlaubnissen erhöhten Gebührensatz gerechtfertigt, wie er nunmehr im Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland vom 29. Oktober 2020 (RP GVBl. 2020, 767) vorgesehen ist. Aus gleichheitsrechtlichen Gründen zwingend geboten war eine solche Differenzierung aber nicht. 41 c) Auch das Nebeneinander der Verwaltungsgebühr nach § 9a Abs. 4 Satz 2 GlüStV und der - nur für Sportwettenanbieter geltenden - Konzessionsabgabe nach § 4d GlüStV in Höhe von 5 v.H. des Spieleinsatzes führt nicht zur Verfassungswidrigkeit der Gebührenregelung. Das Bundesverfassungsgericht verlangt im Zusammenhang mit dem Erfordernis hinreichender Regelungsklarheit der verfolgten Gebührenzwecke, mehrere Gebührenregelungen in der Rechtsordnung so aufeinander abzustimmen, dass die Gebührenschuldner nicht durch unterschiedliche Gebühren zur Deckung gleicher Kosten einer Leistung oder zur Abschöpfung desselben Vorteils einer Leistung mehrfach herangezogen werden (BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9/98 u.a. - BVerfGE 108, 1 <20>; Beschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 2/14 u.a. - BVerfGE 144, 369 Rn. 65). Es erscheint aber bereits zweifelhaft, ob diese Forderung, die als Ausprägung des allgemeinen Gedankens der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zu verstehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 9 C 7.16 - BVerwGE 159, 216 Rn. 29 m.w.N.), auch für die Auferlegung mehrerer Abgaben durch denselben Normgeber gilt, der die Gesamtbelastung des Kostenschuldners ohnehin zu berücksichtigen hat. 42 Selbst wenn die genannte Vorgabe einschlägig sein sollte, wäre ein Verfassungsverstoß zu verneinen. Der Vorteil, der durch die Verwaltungsgebühr ausgeglichen wird, ist nicht identisch mit dem Vorteil, der durch die Konzessionsabgabe abgeschöpft werden soll. Die Gebühr nach § 9a Abs. 4 Satz 2 GlüStV wird für die Erteilung der Erlaubnis bzw. Konzession und damit für die bloße Möglichkeit des Lotterie- oder Sportwettenbetriebs erhoben; sie wird nach den voraussichtlichen oder genehmigten Spiel- oder Wetteinsätzen bemessen und ist daher auch dann zu entrichten, wenn von der Erlaubnis oder Konzession überhaupt (noch) kein Gebrauch gemacht wurde. Demgegenüber knüpft die Konzessionsabgabe für Sportwettenanbieter nach § 4d GlüStV an das spätere tatsächliche Gebrauchmachen von der Konzession an; mit ihr wird der dem Konzessionsnehmer durch den Wettbetrieb entstehende, nach dem erzielten Spieleinsatz bemessene wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft (§ 4d Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 GlüStV). Anders als mit der Verwaltungsgebühr verfolgt der Gesetzgeber mit der Erhebung der Konzessionsabgabe zudem Lenkungszwecke in Form der Nachfragedämpfung (RP LT-Drs. 16/1179 S. 66). Hielte man trotz dieser Unterschiede die Kumulation der beiden Abgaben für problematisch, könnten sich die verfassungsrechtlichen Bedenken jedenfalls nicht auf die von Erlaubnis- und Konzessionsnehmern gleichermaßen zu entrichtende Verwaltungsgebühr, sondern nur auf die in einem späteren Stadium für einen Teil dieser Veranstalter hinzutretende Konzessionsabgabe beziehen, die im Übrigen auch hinsichtlich ihres finanziellen Volumens von ungleich höherem Gewicht ist. 43 3. Die Gebührenfestsetzung ist nicht zu beanstanden. 44 a) Der Gebührenbescheid ist nicht deshalb rechtswidrig, weil der Erlaubnisbescheid vom 10. November 2014, auf den er sich bezieht, seinerzeit von der unzuständigen Behörde erlassen wurde und damit formell rechtswidrig war. Der Erlaubnisbescheid stellt einen - mit belastenden Nebenbestimmungen versehenen - begünstigenden Verwaltungsakt dar, von dem der Kläger seit Jahren - so auch im streitgegenständlichen Jahr 2018 - Gebrauch gemacht hat; insoweit ist er auch in Bestandskraft erwachsen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 2019 - 8 C 14.18 - BVerwGE 167, 60 Rn. 21 ff.). Bundesrechtliche Bedenken gegen die Erhebung einer Verwaltungsgebühr für die Erteilung der damaligen Erlaubnis bestehen daher nicht. Dass landesrechtliche Vorschriften der Gebührenerhebung nicht entgegenstehen, hat das Verwaltungsgericht mit bindender Wirkung festgestellt. Wie oben dargelegt, ist die Auslegung einzelner Bestimmungen des Landeskostenrechts nicht über § 9a Abs. 4 Satz 6 GlüStV revisibel. 45 b) Gegen die Art und Weise der Berechnung des 10 %-Abschlags gemäß § 9a Abs. 4 Satz 3 GlüStV ist nichts zu erinnern. Nach dieser Vorschrift erfolgt die Berechnung bei mehrjährigen Erlaubnissen gesondert für jedes Jahr, wobei sich die Gebühr ""für jedes Folgejahr ... um 10 v. H. ermäßigt."" Der Kläger ist der Auffassung, der Abzugsbetrag müsse von Jahr zu Jahr um weitere 10 % steigen; dies hätte zur Folge, dass bei langjährigen Erlaubnissen schließlich überhaupt keine Verwaltungsgebühren mehr zu zahlen wären. Diese Ansicht vermag schon mit Blick auf den Gedanken des Vorteilsausgleichs nicht zu überzeugen. Der Beklagte hat die Bestimmung so verstanden, dass der Abzug von 10 % stets anhand der Gebühr für das erste Geltungsjahr der Erlaubnis (hier 2015) zu berechnen ist; bei der Gebühr für 2018 hat er daher einen Kürzungsbetrag von 17 393 € in Ansatz gebracht. Diese vom Verwaltungsgericht bestätigte Vorgehensweise des Beklagten ist nicht zu beanstanden. 46 Zwar legt das Gesetz den Bezugspunkt für den 10 %-Abschlag nicht ausdrücklich fest und lässt damit mehrere Deutungsmöglichkeiten zu. So erscheint es etwa denkbar, auf das jeweilige Vorjahr als Referenzjahr abzustellen (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 21. Juni 2016 - 3 K 5661/14 - juris Rn. 194) oder den - jährlich neu, hier anhand der Spieleinsätze für 2018 - ermittelten Gebührenbetrag unmittelbar und ohne Rückgriff auf ein früheres Jahr um 10 % zu reduzieren. Angesichts des nicht eindeutigen Wortlauts hat das Verwaltungsgericht aber zu Recht auf die Gesetzesmaterialien zurückgegriffen, wonach es dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers entspricht, dass sich die Gebühr für jedes Folgejahr ""um 10 v. H. der Gebühr für das erste Jahr ermäßigt"" (RP LT-Drs. 16/1179 S. 70). Diese Auslegung wird bestätigt durch die ab 1. Juli 2021 geltende Neufassung des § 9a Abs. 4 Satz 4 GlüStV, in der die Formulierung ""für jedes Folgejahr"" durch die Wendung ""für die Folgejahre"" ersetzt wurde. Hierdurch soll erneut klargestellt werden, dass es auch für das dritte oder vierte Jahr der Geltungsdauer einer Erlaubnis bei einer Ermäßigung um 10 % im Verhältnis der Gebührenhöhe ""für das erste Geltungsjahr"" verbleibt (RP LT-Drs. 17/13498 S. 137). Dieses Normverständnis, das dem Vorteilsausgleichszweck der Gebühr Rechnung trägt, ist auch für den Glücksspielstaatsvertrag in der hier maßgeblichen Fassung zugrunde zu legen. 47 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2021-3,18.01.2021,"Pressemitteilung Nr. 3/2021 vom 18.01.2021 EN Impfpflicht bei Soldaten Verweigert ein Soldat den Befehl zur Teilnahme an einem Impftermin, liegt darin ein Dienstvergehen, das mit einer Disziplinarmaßnahme geahndet werden kann. Dies hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts mit Beschluss vom 22. Dezember 2020 in einem Beschwerdeverfahren entschieden. In dem zugrundeliegenden Verfahren verweigerte ein Hauptfeldwebel die Teilnahme an der militärischen Basisimpfung. Dabei handelt es sich um eine für alle Soldaten vorgesehene grundlegende Impfung zum Schutz gegen klassische Krankheitserreger (z.B. Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten - nicht: Covid 19). Er vertrat die Ansicht, sein Asthma und seine Neurodermitis gingen auf eine frühere Impfung zurück. Ihm drohten schwere Gesundheitsschäden. Nach Einschätzung der behandelnden Truppenärzte war diese Befürchtung unbegründet. Deshalb befahl ihm sein Einheitsführer die Teilnahme an der Impfung und verhängte nach wiederholter Befehlsverweigerung acht Tage Disziplinarrest. Der Disziplinararrest ist ein kurzzeitiger Freiheitsentzug und die strengste einfache Disziplinarmaßnahme, die ein Vorgesetzter in eigener Befugnis anordnen kann. Das zuständige Truppendienstgericht hat diese Entscheidung nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens gebilligt. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschwerdeverfahren die rechtlichen Einwände des Hauptfeldwebels geprüft und das Rechtsmittel zurückgewiesen. Den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ist eine weitergehende Impfpflicht auferlegt als anderen Staatsbürgern. In § 17a Abs. 2 SG hat der Gesetzgeber ausdrücklich eine Pflicht zur Duldung von Impfungen als Teil der soldatischen Gesunderhaltungspflicht vorgeschrieben und das Grundrecht auf körperliche Selbstbestimmung in Art. 2 Abs. 2 GG eingeschränkt. Dies beruht auf der Erwägung, dass die Verbreitung übertragbarer Krankheiten die Einsatzbereitschaft militärischer Verbände erheblich schwächen kann. Die Impfung ist nur dann nicht zumutbar, wenn objektiv eine erhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit des Soldaten vorliegt (§ 17a Abs. 4 Satz 2 SG). Auf die subjektive Einschätzung des betroffenen Soldaten kommt es nicht an. Die in Art. 87a Abs. 1 GG vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Bundeswehr wäre gefährdet, wenn die Frage der Zumutbarkeit von mit gesundheitlichen Risiken verbundenen Befehlen ähnlich einer Gewissensentscheidung letztlich von der individuellen Risikoeinschätzung der einzelnen Soldaten abhängig wäre. Denn Soldaten müssen von Berufs wegen bei der Erfüllung von Befehlen - insbesondere bei Auslandseinsätzen und im Fall der Landesverteidigung - erhebliche Gesundheitsrisiken hinnehmen. Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings darauf hingewiesen, dass die subjektive Gefahreneinschätzung des Soldaten bei der Bewertung des Dienstvergehens eine Rolle spielen kann und dass im vorliegenden Fall im Ergebnis der subjektiven Belastungssituation des Hauptfeldwebels dadurch Rechnung getragen worden ist, dass anders als in sonstigen Fällen der wiederholten Befehlsverweigerung nicht das mit schwerwiegenderen Folgen verbundene gerichtliche Disziplinarverfahren gewählt worden ist.   Fußnote: § 17a Soldatengesetz (SG) - Auszug: (1) Der Soldat hat alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um seine Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen. Er darf seine Gesundheit nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig beeinträchtigen. (2) Der Soldat muss ärztliche Maßnahmen gegen seinen Willen nur dann dulden, wenn sie 1. der Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dienen oder 2. der Feststellung seiner Dienst- oder Verwendungsfähigkeit dienen. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bleibt § 25 Absatz 3 Satz 3 des Infektionsschutzgesetzes unberührt. (3)  … (4) Lehnt der Soldat eine zumutbare ärztliche Maßnahme ab und wird dadurch seine Dienst- oder Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt, kann ihm die Versorgung insoweit versagt werden. Nicht zumutbar ist eine ärztliche Maßnahme, die mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden ist. BVerwG 2 WNB 8.20 - Beschluss vom 22. Dezember 2020 Vorinstanz: Truppendienstgericht Süd, TDG S 3 BLb 1/18 und TDG S 3 RL 1/20 - Beschluss vom 07. November 2019 -","Da Soldaten gesetzlich eine weitergehende Impfpflicht auferlegt ist als anderen Staatsbürgern, kann die Verweigerung einer befohlenen Impfung als Dienstvergehen geahndet werden. Tenor Die Beschwerde des Soldaten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Süd vom 7. November 2019 wird zurückgewiesen.Der Soldat trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Tatbestand Das Verfahren betrifft die Verhängung eines Disziplinararrests wegen der Verweigerung einer befohlenen Impfung.1. Im Dezember 2017 und Frühjahr 2018 fanden in der Einheit des Beschwerdeführers Sammeltermine für die Durchführung der militärischen Basisimpfungen statt. Der Beschwerdeführer weigerte sich, an den Terminen teilzunehmen. Er vertrat die Ansicht, seine Neurodermitis und sein Asthma gingen auf eine frühere Impfung zurück. Durch weitere Impfungen werde sich sein Gesundheitszustand verschlechtern. Nach Einschätzung der behandelnden Truppenärzte war diese Befürchtung unbegründet. Der Disziplinarvorgesetzte befahl daraufhin dem Beschwerdeführer im Dezember 2017 mündlich und im März 2018 zu Protokoll, die notwendigen Basisimpfungen durchführen zu lassen. Der Beschwerdeführer weigerte sich weiterhin, wurde von diversen Fachärzten untersucht und legte im Juni 2018 eine erste seine Auffassung stützende privatärztliche Stellungnahme vor. Nachdem diese Stellungnahme von truppenärztlicher Seite als nicht überzeugend angesehen und der Beschwerdeführer darüber aufgeklärt wurde, dass er impftauglich sei, befahl der Disziplinarvorgesetzte erneut die Impfung. Diesem Befehl widersetzte sich der Beschwerdeführer erneut.2. Wegen der Impfverweigerungen verhängte der Disziplinarvorgesetzte gegen ihn am 6. Juli 2018 einen bislang nicht vollstreckten Disziplinararrest von acht Tagen. Im Beschwerdeverfahren legte der Beschwerdeführer ein zweites für seine Auffassung sprechendes privatärztliches Schreiben vor. Das Truppendienstgericht legte es mit den übrigen medizinischen Unterlagen dem Klinischen Direktor für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am Bundeswehrkrankenhaus ... zur Begutachtung vor. Nachdem dieser Sachverständige dem Beschwerdeführer eine generelle Impffähigkeit bescheinigt hatte, wies das Truppendienstgericht die Beschwerde des Soldaten mit Beschluss vom 7. November 2019 zurück und ließ die Rechtsbeschwerde nicht zu. Seiner Nichtzulassungsbeschwerde half es mit Beschluss vom 17. Februar 2020 nicht ab. Gründe Die fristgerecht eingegangene und begründete Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die vorgetragenen Zulassungsgründe sind nicht i.S. des § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO hinreichend dargelegt und liegen nicht vor.1. Dies gilt zunächst für die geltend gemachte Abweichung des Truppendienstgerichts von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 22a Abs. 2 Nr. 2 WBO).a) Nach der Rechtsprechung des Senats setzt die ordnungsgemäße Darlegung des Zulassungsgrunds der Divergenz voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, den angefochtenen Beschluss tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in einer genau bezeichneten Entscheidung eines Wehrdienstgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz, der sich auf dieselbe Rechtsvorschrift bezieht, widersprochen hat (BVerwG, Beschlüsse vom 29. Oktober 2012 - 2 WNB 3.12 - juris Rn. 17 und vom 7. Juni 2019 - 1 WNB 5.18 - juris Rn. 3). Daran fehlt es.b) Soweit die Beschwerde eine Abweichung des Truppendienstgerichts von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Befehlsverweigerung aus Gewissensgründen herzuleiten versucht, geht es schon nicht um dieselbe Rechtsvorschrift. Denn der angeführte Rechtssatz sagt aus, dass eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung gegen die Pflicht aus § 7 SG dann nicht vorliegt, wenn der Soldat einen Befehl aus Gewissensgründen (Art. 4 Abs. 1 GG) verweigern darf (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2005 - 2 WD 12.04 - juris Rn. 345; insoweit nicht enthalten in BVerwGE 127, 302-374). Hingegen hat der angegriffene Beschluss des Truppendienstgerichts die Verweigerung von Befehlen zu Impfungen aus gesundheitlichen Gründen (Art. 2 Abs. 2 GG) zum Gegenstand. Dabei gelten schon von vornherein andere Maßstäbe, weil Soldaten von Berufs wegen bei der Erfüllung von Befehlen - insbesondere bei Auslandseinsätzen und im Fall der Landesverteidigung - erhebliche Gesundheitsrisiken hinnehmen müssen. Die in Art. 87a Abs. 1 GG vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Bundeswehr wäre gefährdet, wenn die Frage der Zumutbarkeit von mit gesundheitlichen Risiken verbundenen Befehlen ähnlich einer Gewissensentscheidung letztlich von der individuellen Risikoeinschätzung der einzelnen Soldaten abhängig wäre. Da die Verbreitung übertragbarer Krankheiten die Einsatzbereitschaft militärischer Verbände erheblich schwächen kann, hat der Gesetzgeber in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SG ausdrücklich Art. 2 Abs. 2 GG eingeschränkt und eine Pflicht zur Duldung von Impfungen als Teil der soldatischen Gesunderhaltungspflicht normiert. Bei Erlass der hier maßgeblichen Befehle war dieselbe Regelung noch in § 17 Abs. 4 SG in der Fassung vom 8. Juni 2017 (BGBl. I 1570; im Folgenden: SG 2017) enthalten.c) Die behauptete Abweichung des Truppendienstgerichts von den Grundsätzen des Bundesverwaltungsgerichts zur Maßnahmemilderung bei einer seelischen Ausnahmesituation (zwar nicht BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2004 - 2 WD 13.03 - juris Rn. 26, aber etwa BVerwG, Urteil vom 17. September 2003 - 2 WD 49.02 - juris Rn. 20), ist gleichfalls nicht erkennbar. Denn das Truppendienstgericht hat diesen vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssätzen weder ausdrücklich noch stillschweigend widersprochen. Es hat sie lediglich nicht erörtert, weil es sie vermutlich nicht für anwendbar gehalten hat. Das Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung formulierten Rechtssätze in einem Einzelfall genügt jedoch den Darlegungsanforderungen an eine Divergenz nicht (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 12. April 2018 - 2 WNB 3.18 - juris Rn. 3 f.).2. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Beschwerdesache zuzulassen (§ 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO).a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerde entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. April 2018 - 2 WNB 1.18 - juris Rn. 5). In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 22b Abs. 2 Satz 2 WBO, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung im beabsichtigten Rechtsbeschwerde- bzw. Revisionsverfahren zu erwarten ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2012 - 2 WNB 3.12 - juris Rn. 12 m.w.N.). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Beschlusses und mit den Gründen bereits ergangener einschlägiger Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substanziiert auseinandersetzt (BVerwG, Beschlüsse vom 23. Mai 2019 - 5 PB 7.18 - juris Rn. 15 und vom 8. April 2020 - 2 WNB 2.20 - juris Rn. 5).b) Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung durchgehend nicht gerecht. Die Beschwerdebegründung behauptet bei den sieben allgemein formulierten Fragen jeweils nur pauschal, es handele sich um grundsätzlich bedeutsame Rechtsfragen. Es wird aber schon keine Rechtsnorm des Bundesrechts benannt, deren Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung fortentwickelt werden soll. Mit ihrer Behauptung, die Rechtsfragen seien von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung, weil es um die grundsätzliche Anwendbarkeit der Grundrechte von Soldaten, insbesondere des Grundrechts auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit gehe, legt sie auch nicht hinreichend dar, warum die Rechtsfrage im Interesse der Rechtseinheit oder der Weiterentwicklung des Rechts eine Klärung verlangt. Vielmehr werden nur auf den konkreten Einzelfall bezogene Rechtsanwendungsfragen aufgezeigt, deren Entscheidungserheblichkeit zwar behauptet, aber nicht durchgehend begründet wird. Vor allem lässt die Beschwerde die gebotene Befassung mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und den Gründen des Truppendienstgerichts vermissen.c) Im Folgenden wird nur ergänzend ausgeführt, dass auch bei einer ordnungsgemäßen Begründung der zentralen Punkte der Beschwerde eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht möglich wäre. Insbesondere ist die primär gestellte Frage, ob sich ein Soldat eines Dienstvergehens (§ 23 Abs. 1 SG) schuldig macht, wenn er aus gesundheitlichen Gründen die Durchführung von Impfungen bei sich verweigert, nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Sie lässt sich auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und bei Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung ohne Weiteres beantworten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Juli 2016 - 2 WNB 1.16 - juris Rn. 6).Nach § 17 Abs. 4 Satz 3 SG 2017 (jetzt § 17a Abs. 2 Satz 1 SG 2019) muss der Soldat ärztliche Eingriffe in seine körperliche Unversehrtheit gegen seinen Willen dulden, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die der Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten oder der Feststellung seiner Dienst- oder Verwendungsfähigkeit dienen. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu bereits mit Beschluss vom 24. September 1969 (- 1 WDB 11.68 - BVerwGE 33, 339 <343>) entschieden, dass Soldaten nach § 17 Abs. 4 Satz 3 SG der damals geltenden Fassung eine weitergehende Impfpflicht auferlegt ist als anderen Staatsbürgern und dass sie insbesondere die - auch hier verweigerte - Impfung gegen Wundstarrkrampf zu dulden haben.Ebenfalls seit langem geklärt ist, dass ein Soldat, der gegen die Pflicht zur Erhaltung seiner Gesundheit verstößt, ein Dienstvergehen begeht (BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 1979 - 1 WB 149.78 - BVerwGE 63, 278 <283>). Nicht zumutbar ist eine ärztliche Behandlung nach § 17 Abs. 4 Satz 6 SG 2017 (jetzt § 17a Abs. 4 Satz 2 SG) nur dann, wenn sie mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit des Soldaten verbunden ist. Damit ergibt sich bereits aus § 17 Abs. 4 Satz 3 und 6 SG 2017 (jetzt § 17a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SG), dass der Soldat sich keines Dienstvergehens schuldig macht, wenn er den Befehl zur Teilnahme an einer Impfung aufgrund einer erheblichen Gefahr für seine Gesundheit verweigert. Dem entspricht auch die Regelung in Nr. 106 der Zentralvorschrift A1-840/8-4000. Danach unterbleibt die Impfung, wenn eine medizinische Kontraindikation gegen eine der angeordneten Impfungen vorliegt. Dabei kommt es nach dem eindeutigen Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 6 SG 2017 auf das objektive Bestehen einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit bei Durchführung der ärztlichen Maßnahme an.Ob dies der Fall ist und ob die Impfverweigerung bei objektiv fehlender Gesundheitsgefahr ein Dienstvergehen ist, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung im Einzelfall. Diese Frage erlangt auch nicht durch den Hinweis grundsätzliche Bedeutung, dass im vorliegenden Fall zwei privat eingeholte ärztliche Stellungnahmen die Annahme einer erheblichen Gesundheitsgefahr gestützt haben. Denn es bedarf keiner grundsätzlichen Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren, ob ein Dienstvergehen vorliegt, wenn ein objektiv impftauglicher Soldat bei seiner Weigerung subjektiv von einer erheblichen Gesundheitsgefahr und damit von einem Rechtfertigungsgrund ausgeht. Bereits aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 SG folgt, dass ein Dienstvergehen neben der objektiven Pflichtverletzung ein subjektives Verschulden (Fahrlässigkeit oder Vorsatz) erfordert. Dabei ist es wiederum eine Frage des Einzelfalls, ob privatärztliche Stellungnahmen mit Warnungen vor Impfgefahren den Vorsatz bei einer Verweigerung von Impfbefehlen wegen eines Erlaubnistatbestandsirrtums (§ 16 Abs. 1 StGB analog) entfallen lassen. Dies kann insbesondere nicht der Fall sein, wenn diese Stellungnahmen erst nach der Verweigerung zur nachträglichen Rechtfertigung eingeholt werden oder wenn ein genereller Verweigerungsvorsatz unabhängig von den Ergebnissen einer fachlichen Überprüfung der eingereichten Stellungnahmen besteht.d) Darüber hinaus hat auch die Frage keine grundsätzliche Bedeutung, ob ein Disziplinararrest auch bei der Motivation eines Soldaten, seine Gesundheit und Dienstfähigkeit zu erhalten, zulässig ist. Denn welches Gewicht die Beweggründe bei der Bemessung einer Disziplinarmaßnahme haben, ist eine Frage der Rechtsanwendung im Einzelfall. Die Maßnahmebemessung anhand der in § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO vorgegebenen Richtlinien ist grundsätzlich Sache der Tatgerichte, denen dabei ein erheblicher Beurteilungs- und Ermessensspielraum zusteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. November 2018 - 2 WRB 1.18 - BVerwGE 163, 345 Rn. 22). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine wiederholte Befehlsverweigerung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 WStG eine Wehrstraftat darstellt, die - je nach Schwere des Verstoßes - im Regelfall mit einer Gehaltskürzung, einem Beförderungsverbot oder einer Dienstgradherabsetzung geahndet wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. August 2007 - 2 WD 27.06 - BVerwGE 129, 181 Rn. 85 und vom 28. September 2018 - 2 WD 14.17 - Buchholz 449 § 11 SG Nr. 3 Rn. 97). Daher trägt die Verhängung eines Disziplinararrestes als weniger einschneidende Maßnahme im vorliegenden Fall im Ergebnis auch den aus der subjektiven Belastungssituation resultierenden weiteren Milderungsgründen durchaus Rechnung.e) Auch die Frage, ob ein Disziplinararrest im Falle einer Impfverweigerung aus generalpräventiven Gründen verhängt werden darf, ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, sondern kann anhand der gesetzlichen Regelungen und der bestehenden Rechtsprechung beantwortet werden. Nach § 38 Abs. 3 Alt. 2 WDO kann der Aspekt der ""Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung"" auch bei Ersttätern und Vorliegen von Schuldmilderungsgründen eine disziplinare Freiheitsentziehung rechtfertigen. Es bedarf jedoch einer tragfähigen Begründung dafür, dass die mit der sichtbaren Maßnahme eines Disziplinararrestes verbundene abschreckende Wirkung geboten ist, um andere von vergleichbaren Entgleisungen abzuhalten oder Nachahmungseffekte zu verhindern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. November 2018 - 2 WRB 1.18 - BVerwGE 163, 345 Rn. 25).f) Keine grundsätzliche Bedeutung hat die in verschiedenen Varianten gestellte Frage, ob ein Gericht seine Entscheidung im Falle einer Impfverweigerung ausschließlich auf medizinische Stellungnahmen von Ärzten der Bundeswehr stützen dürfe. Dies sei zweifelhaft, weil sie einer Prozesspartei angehörten und Loyalitätskonflikten ausgesetzt seien. Diese Rechtsfrage ist bereits höchstrichterlich geklärt. Ebenso wie im Verwaltungsprozess allein die Zugehörigkeit eines Gutachters zu einer Verwaltungsbehörde nicht die Annahme der Parteilichkeit rechtfertigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 2020 - 7 BN 3.19 - NVwZ-RR 2020, 1093 Rn. 5), kann auch ein Wehrdienstverhältnis zwischen einem Arzt und dem Bund nicht schon die Besorgnis der Befangenheit begründen.Die Verpflichtung eines Truppenarztes, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (§ 7 SG), beinhaltet, dass der Soldat im Dienst und außerhalb des Dienstes zur Funktionsfähigkeit der Bundeswehr beizutragen und alles zu unterlassen hat, was die Bundeswehr in ihrem durch das Grundgesetz festgelegten Aufgabenbereich schwächt. Aus dieser durch Diensteid bzw. Gelöbnis zu bekräftigenden Pflicht (§ 9 SG) können vernünftigerweise keine Zweifel an der Unvoreingenommenheit des in einem Rechtsstreit beigezogenen Sachverständigen hergeleitet werden (BVerwG, Urteil vom 29. November 1991 - 8 C 11.90 - Buchholz 310 § 98 Nr. 40 S. 13<15>). Die zutreffende Beurteilung der Impftauglichkeit und die Vermeidung von Gesundheitsgefahren bei einem Soldaten liegt vielmehr im Interesse der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr. Außerdem unterliegen auch die Ärzte der Bundeswehr den berufsständischen Regelungen, die sie auf die Einhaltung der Gebote der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit verpflichten. Ärztliche Gutachten und Zeugnisse haben sie - wie andere Ärzte - mit der notwendigen Sorgfalt zu erstellen und darin ihre ärztliche Überzeugung nach bestem Wissen auszusprechen (vgl. Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, 4. Aufl. 2018, § 13 Rn. 10).3. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO) zuzulassen. Die behaupteten Verstöße sind nicht ausreichend dargelegt.a) Die Beschwerde geht im Ansatz zwar zutreffend davon aus, dass das allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG im Bereich des Disziplinarrechts die Gerichte zur Aufklärung aller für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme maßgeblichen Umstände verpflichtet (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. Juni 2000 - 2 BvR 993/94 - DVBl 2001, 118 f. und vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 Rn. 35). Die Verletzung dieser einfachrechtlich in § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO verankerten Aufklärungspflicht muss im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde aber nach § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO hinreichend dargelegt werden.Die ordnungsgemäße Darlegung einer Aufklärungsrüge setzt die Angabe voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Truppendienstgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären und inwiefern die angegriffene Entscheidung auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann. Weiter muss dargelegt werden, welche konkreten Beweismittel zur Klärung der für entscheidungserheblich gehaltenen Behauptungen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und dass entsprechende Beweisanträge im gerichtlichen Verfahren gestellt wurden oder warum sich dem Gericht die weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Beschluss vom 12. April 2018 - 2 WNB 1.18 - juris Rn. 3 m.w.N.).Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Sie zeigt nicht auf, dass und welche Beweismittel zur Klärung der für entscheidungserheblich gehaltenen Frage der Impftauglichkeit des Beschwerdeführers zur Verfügung gestanden und dass die zu erhebenden Beweise ergeben hätten, dass der Beschwerdeführer nicht geimpft werden darf. Die gerichtliche Aufklärungspflicht findet dort ihre Grenze, wo das Vorbringen der Beteiligten keinen tatsächlichen Anlass zur weiteren Aufklärung bietet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 2012 - 2 WNB 9.11 - juris Rn. 3). Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. April 2018 - 2 WNB 1.18 - juris Rn. 4).b) Soweit der Beschwerdeführer eine unzureichende Berücksichtigung der von ihm vorgelegten privatärztlichen Stellungnahmen rügt, wird schon nicht in der von § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO gebotenen Weise dargelegt, gegen welche Verfahrensvorschrift das Truppendienstgericht aus seiner Sicht verstoßen hat. Denn ein Aufklärungsmangel kann darin nicht liegen. Eine Verletzung der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) ist gleichfalls nicht dargetan. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nur, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, soweit sie entscheidungserheblich sind (BVerwG, Beschluss vom 30. März 2020 - 2 WNB 1.20 - juris Rn. 10). Hiergegen hat das Truppendienstgericht nicht verstoßen, weil es die angeführten Arztberichte nicht unberücksichtigt gelassen hat. Sie haben dem Truppendienstgericht vielmehr Anlass gegeben, eine gutachtliche Stellungnahme des Bundeswehrkrankenhauses ... zur abschließenden Klärung der Impftauglichkeit des Soldaten herbeizuführen. Damit hat das Truppendienstgericht die beiden privatärztlichen Stellungnahmen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Eine Pflicht, ihnen im Rahmen der Beweiswürdigung zu folgen, ergibt sich aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht.Soweit das Truppendienstgericht die privatärztlichen Stellungnahmen in seinem Beschluss nicht im Einzelnen referiert hat, ist damit auch keine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes dargelegt. Nach § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Es darf nicht einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist nicht schon dann infrage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse zieht als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn das Gericht nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. März 2020 - 2 WNB 1.20 - juris Rn. 11 m.w.N.). Solche verfahrensrechtlichen Mängel sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Feststellung des Truppendienstgerichts, eine Verschlechterung der Neurodermitis und des Asthmas seien durch die befohlenen Impfungen nicht zu erwarten, folgt der fachlichen Einschätzung des Bundeswehrkrankenhauses, verstößt nicht gegen Denkgesetze und ist nicht aktenwidrig.c) Soweit der Beschwerdeführer die mangelnde Berücksichtigung einer teilweise bestehenden Immunisierung und eines laufenden Dienstunfähigkeitsverfahrens rügt, wird ebenfalls schon nicht i.S.d. § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO die verletzte verfahrensrechtliche Bestimmung bezeichnet. Für die ordnungsgemäße Erhebung einer Gehörsrüge fehlt es außerdem an der erforderlichen Darlegung, in welchem Schriftsatz der Beschwerdeführer diese Einwände vor der Entscheidung des Truppendienstgerichts erhoben hat und aus welchen Gründen sie nach der Rechtsauffassung des Truppendienstgerichts entscheidungserheblich gewesen wären. Das Truppendienstgericht hat in dem auf die Beschwerde ergangenen Nichtabhilfebeschluss dazu ausgeführt, dass sich die Frage, ob der Beschwerdeführer gegen bestimmte Krankheitserreger bereits genügend Antikörper gehabt habe, deswegen nicht gestellt habe, weil der Beschwerdeführer sich bereits dem Befehl zur Teilnahme an den Impfterminen widersetzt habe. Außerdem sei zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts eine Entlassung des Beschwerdeführers wegen Dienstunfähigkeit nicht absehbar gewesen.d) Schließlich bemängelt der Beschwerdeführer eine unzureichende Abwägung der für ihn sprechenden Milderungsgründe, die unzutreffende Würdigung seiner Einsatzfähigkeit und das Vorliegen von Ermessensfehlern bei der Verhängung und Bemessung der Disziplinarmaßnahme. Damit macht er schon im Ansatz keinen Verfahrensfehler geltend, sondern rügt die materiell-rechtliche Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall. Darauf kann eine Verfahrensrüge im Sinne des § 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO nicht gestützt werden.3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2021-30,14.05.2021,"Pressemitteilung Nr. 30/2021 vom 14.05.2021 EN Bundesrechnungshof darf Berufsgenossenschaften prüfen Berufsgenossenschaften unterliegen als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts und Unfallversicherungsträger mit ihrer Haushalts- und Wirtschaftsführung der Prüfung durch den Bundesrechnungshof. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 12. Mai 2021 entschieden. Die Klägerin ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts, eine der größten Berufsgenossenschaften in Deutschland und als solche eine Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie wendet sich gegen eine auf die Durchführung sozialmedizinischer Begutachtungen bezogene Prüfungsanordnung des Bundesrechnungshofs vom 19. März 2018. Nach § 111 Abs. 1 Satz 1 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) prüft der Bundesrechnungshof die Haushalts- und Wirtschaftsführung der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Diese Vorschrift ist allerdings gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO auf die bundesunmittelbaren Träger der Sozialversicherung - unter anderem diejenigen der gesetzlichen Unfallversicherung - nur dann anzuwenden, wenn diese auf Grund eines Bundesgesetzes vom Bund Zuschüsse erhalten oder eine Garantieverpflichtung des Bundes gesetzlich begründet ist. Die Klägerin erhält keine staatlichen Zuschüsse. Der Bundesrechnungshof sah jedoch eine gesetzlich begründete Garantieverpflichtung des Bundes in § 120 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), wonach mit der Auflösung eines bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers dessen Rechte und Pflichten auf den Bund übergehen, soweit durch Rechtsvorschriften des Bundes nicht etwas Anderes bestimmt worden ist. Das Verwaltungsgericht Köln hat die Anfechtungsklage gegen die Prüfungsanordnung abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat der Berufung der Klägerin stattgegeben und die Anordnung aufgehoben. Es hat angenommen, eine gesetzlich begründete Garantieverpflichtung im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO sei nur eine nicht ausschließlich vom Willen des Bundesgesetzgebers abhängige, unter bestimmten Voraussetzungen - dem Garantiefall - rechtlich bindend eintretende Leistungsverpflichtung. Diese Voraussetzungen erfülle § 120 SGB VII nicht, weil der Eintritt des Garantiefalls - die Auflösung eines bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers - ausschließlich vom Willen des Bundesgesetzgebers abhänge und dieser es zugleich in der Hand habe, von den in § 120 SGB VII vorgesehenen Rechtsfolgen abzuweichen. Die Vorschrift begründe keine rechtlich bindende Einstandspflicht, sondern verleihe allenfalls deklaratorisch der ohnehin bestehenden Verantwortung des Bundes für die bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträger Ausdruck. Auf die Revision der Bundesrepublik Deutschland hat das Bundesverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt. Nach der gesetzlichen Systematik ist die lückenlose, kontrollfreie Räume vermeidende Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Regel und die Exemtion von dieser Prüfung nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO die eng auszulegende Ausnahme. Nach dessen Zweck sollen die begünstigten Sozialversicherungsträger der Kontrolle durch den Bundesrechnungshof jedenfalls dann unterworfen sein, wenn aus ihrer Tätigkeit ein Risiko für den Bundeshaushalt erwachsen kann. Danach ist eine gesetzlich begründete Garantieverpflichtung des Bundes im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO anzunehmen, wenn - zum Zeitpunkt des Prüfungsbegehrens des Bundesrechnungshofs - sich aufgrund eines Bundesgesetzes, sei es auch erst nach Erlass weiterer Akte, die Möglichkeit einer zukünftigen Belastung des Bundeshaushalts durch eine Verpflichtung des Bundes zum Eintritt in Zahlungspflichten ergibt, die zu Lasten eines Sozialversicherungsträgers entstanden sind. Diese Voraussetzungen werden durch § 120 SGB VII erfüllt. Denn diese Norm ist unter Berücksichtigung ihrer gesetzlichen Bezeichnung als Bundesgarantie, des Verständnisses ihrer in das Kaiserreich zurückreichenden historischen Vorgängerregelungen sowie ihres Zwecks im Kern als Auffangregelung für die Übernahme der finanziellen Lasten eines durch Gesetz aufgelösten bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers zu verstehen. Sie kann im Fall der Auflösung eines solchen Trägers in einer Weise angewandt werden, die nicht in Konflikt mit Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG gerät, der das Führen eines Sozialversicherungsträgers in unmittelbarer Bundesverwaltung verbietet. Die hiernach von einer Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs getragene, von der Klägerin angegriffene Prüfungsanordnung ist nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auch im Übrigen in formell und materiell rechtmäßiger Weise erlassen worden. Sie verletzt insbesondere nicht den Schutz der Sozialdaten der bei der Klägerin Versicherten. BVerwG 6 C 12.19 - Urteil vom 12. Mai 2021 Vorinstanzen: OVG Münster, 16 A 3122/18 - Urteil vom 23. Juli 2019 - VG Köln, 4 K 2486/18 - Urteil vom 16. Juli 2018 -","Urteil vom 12.05.2021 - BVerwG 6 C 12.19ECLI:DE:BVerwG:2021:120521U6C12.19.0 EN Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung einer gewerblichen Berufsgenossenschaft durch den Bundesrechnungshof Leitsätze: 1. Eine gesetzlich begründete Garantieverpflichtung des Bundes nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und nach § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG besteht, wenn sich auf Grund eines Bundesgesetzes, sei es auch erst nach Maßgabe weiterer gesetzgeberischer Akte, die Möglichkeit einer zukünftigen Belastung des Bundeshaushalts durch eine Verpflichtung des Bundes zum Eintritt in Zahlungspflichten ergibt, die zu Lasten eines Sozialversicherungsträgers entstanden sind. 2. § 120 SGB VII ist - bezogen auf die Bundesebene - im Kern eine Haftungsbestimmung im Sinne einer konstitutiven Auffangregelung für die Übernahme der finanziellen Lasten eines durch Gesetz aufgelösten bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers durch den Bund. 3. Es gibt kein subjektives ""Recht auf den gesetzlichen Rechnungshofprüfer"". 4. Das Sozialdatenschutzrecht des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch ist offen für die Berücksichtigung von Belangen, die sich aus den gesetzlichen Aufgaben der Rechnungshöfe ergeben. Rechtsquellen GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 87 Abs. 2, Art. 101 Abs. 1, Art. 109 Abs. 4, Art. 114 Abs. 2 VwVfG § 37 Abs. 1 und Abs. 3, § 44 Abs. 2 BHO § 94 Abs. 1, §§ 95, 95a, 111 Abs. 1, § 112 Abs. 1 HGrG §§ 42, 48, 55 BRHG §§ 2, 3, 6, 7, 8, 9 SGB I §§ 29, 35 Abs. 1 SGB VI § 214 Abs. 1 SGB VII §§ 114, 118, 120 SGB X § 67b Abs.1, § 67c Abs. 3, §§ 67d, 69 Abs. 5, § 76 Abs. 2 UVG 1884 § 33 RVO 1911 § 647 RVO 1963 § 652 GO-BRH §§ 10, 13, 15 GRC Art. 1, 7, 8, 52 Abs. 1 DSGVO Art. 6, 9 Instanzenzug VG Köln - 16.07.2018 - AZ: VG 4 K 2486/18 OVG Münster - 06.06.2019 - AZ: OVG 16 A 3122/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 12.05.2021 - 6 C 12.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:120521U6C12.19.0] Urteil BVerwG 6 C 12.19 VG Köln - 16.07.2018 - AZ: VG 4 K 2486/18 OVG Münster - 06.06.2019 - AZ: OVG 16 A 3122/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 12. Mai 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Steiner ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Juni 2019 geändert. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 16. Juli 2018 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts, eine der größten gewerblichen Berufsgenossenschaften in Deutschland und gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Anlage 1 Nr. 7 SGB VII, § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ein bundesunmittelbarer Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie hat nach § 29 Abs. 1 SGB IV das Recht zur Selbstverwaltung. Sie wendet sich gegen die Prüfung ihrer Haushalts- und Wirtschaftsführung durch den Bundesrechnungshof. 2 Der Bundesrechnungshof erließ gegenüber der Klägerin nach deren vorheriger Anhörung unter dem 19. März 2018 eine Prüfungsanordnung. Diese benennt als Prüfungsgegenstand die Durchführung sozialmedizinischer Begutachtungen durch die Klägerin. Mit Bezug hierauf wird die Klägerin in dem Anordnungstenor verpflichtet, vom Jahr 2012 bis laufend Erhebungen von Beauftragten des Bundesrechnungshofs zu dulden, dem Bundesrechnungshof Einblick in Verfahren und in von ihm ausgewählte Vorgänge aus den Jahren 2012 bis laufend mit den im Weiteren genannten Schwerpunkten zu gewähren, seinen Beauftragten freien unmittelbaren Zugang zu allen bei der Klägerin vorhandenen, von dem Bundesrechnungshof zur Durchführung der Prüfung für erforderlich gehaltenen Unterlagen zu gewähren bzw. diese Unterlagen auf Verlangen innerhalb einer bestimmten Frist zu übersenden oder seinen Beauftragten vorzulegen sowie die von den Beauftragten erbetenen Auskünfte zu erteilen. 3 Die Begründung der Anordnung verweist darauf, dass dem Bundesrechnungshof die Organisation und die Abläufe bei der Klägerin nicht bekannt seien. Insoweit werde er sich zunächst orientieren und entsprechende Einblicke nehmen. Er werde sodann Vorgänge und Unterlagen der Klägerin aus den Jahren 2012 bis laufend mit Bezug zu dem Prüfungsgegenstand einsehen. Bei der Prüfung gehe es insbesondere um ärztliche und psychologische Untersuchungsmaßnahmen bei Versicherten, denen sich diese auf Verlangen der Klägerin nach § 62 SGB I im Zusammenhang mit der Gewährung von Leistungen unterzögen. Im Vordergrund werde stehen, sich einen Überblick über Art und Umfang der Zusammenarbeit der Klägerin mit Ärzten und Kliniken, die in der Unfallmedizin und der Rehabilitation besonders qualifiziert seien, zu verschaffen. Als Schwerpunkte der Prüfung seien vorläufig die Verfahrensweise sowie etwaige Unterschiede bei den Leistungsarten, die Auswahl von Gutachtern, die entstehenden Kosten und die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zu nennen. Nach §§ 94, 95 BHO blieben Änderungen des zeitlichen und inhaltlichen Umfangs der Prüfung vorbehalten. Die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Klägerin unterliege gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1, § 111 Abs. 1 BHO der Prüfung durch den Bundesrechnungshof. Im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO erhalte die Klägerin zwar keine Zuschüsse vom Bund, jedoch sei in Gestalt von § 120 SGB VII eine Garantieverpflichtung des Bundes gesetzlich begründet, weil nach dieser Vorschrift die Möglichkeit bestehe, dass Mittel aus dem Bundeshaushalt für Verbindlichkeiten aufgewendet werden müssten, die durch die Tätigkeit der Klägerin entstanden seien. Die externe Finanzkontrolle des Bundes und die Lückenlosigkeit dieser Kontrolle seien in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG verankert. Der Prüfungsumfang und der Prüfungsinhalt richteten sich nach den weit auszulegenden Vorschriften der §§ 89 ff. BHO. Tatsächlich werde der Bundesrechnungshof jedoch nur einen Bruchteil der bei der Klägerin vorhandenen Unterlagen mit Bezug zu dem Prüfungsthema einsehen. Welche dies im Einzelnen seien bzw. welche Stichproben gezogen würden, lasse sich zu Beginn der Prüfung nicht abstrakt festlegen. Es liege in der Natur der Prüfungstätigkeit, dass die Methode und die Auswahl der Erkenntnisquellen sukzessive fortentwickelt und laufend angepasst werden müssten. Aus jetziger Sicht seien die Erhebungen in dem angekündigten Umfang erforderlich und zumutbar. Die Speicherung, Veränderung oder Nutzung erforderlicher Daten, die dem Sozialgeheimnis nach § 35 Abs. 1 SGB I unterlägen, seien für die Rechnungsprüfung durch den Bundesrechnungshof gemäß § 67c Abs. 3 SGB X zulässig. Grundlage für eine Übermittlung der Daten durch die Klägerin an den Bundesrechnungshof sei § 69 Abs. 5 SGB X. Die Belange des Sozialdatenschutzes sowie die Rechte Dritter würden umfassend beachtet. 4 Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage gegen die Prüfungsanordnung hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Anordnung werde von § 112 Abs. 1 Satz 1, § 111 Abs. 1, § 94 Abs. 1, § 95 BHO als Ermächtigungsgrundlage getragen. Die Prüfungsanordnung sei formell rechtmäßig. Sie sei durch das nach §§ 8, 9 Abs. 1 Satz 1 BRHG zuständige Zweierkollegium IX 5 des Bundesrechnungshofs erlassen worden. Dieses habe sich durch die Einbindung anderer Stellen des Bundesrechnungshofs nicht seiner Letztverantwortung entzogen. Die Vorschrift des § 37 Abs. 3 Satz 1 VwVfG, die auf Prüfungsanordnungen des Bundesrechnungshofs jedenfalls als Ausprägung des elementaren Prinzips der Rechtssicherheit anwendbar sei, sei nicht verletzt. Der Bundesrechnungshof werde in der streitgegenständlichen Anordnung im Sinne des § 37 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 VwVfG als erlassende Behörde ausgewiesen, der Offenlegung der internen Zuständigkeitsverteilung bedürfe es nicht. Entsprechend der durch §§ 8, 9 BRHG bewirkten Modifizierung des § 37 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 VwVfG sei die Anordnung nicht durch den Behördenleiter bzw. dessen Vertreter, sondern durch die Abteilungsleiterin und den Prüfungsgebietsleiter des Zweierkollegiums IX 5 unterzeichnet worden. Die Prüfungsanordnung sei auch materiell rechtmäßig. Sie genüge mit ihrem von dem Bundesrechnungshof als Arbeitstitel begriffenen Bezug auf die Durchführung sozialmedizinischer Begutachtungen durch die Klägerin und unter Berücksichtigung des iterativen Charakters von Rechnungshofprüfungen dem Bestimmtheitspostulat des § 37 Abs. 1 VwVfG, das hier jedenfalls als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips anwendbar sei. Der Bundesrechnungshof verfüge gegenüber der Klägerin über eine Prüfungsbefugnis aus § 112 Abs. 1 Satz 1, § 111 Abs. 1 BHO, neben denen § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG im vorliegenden Fall keine selbständige Bedeutung zukomme. Die Vorschrift des § 120 SGB VII stelle ungeachtet des Umstands, dass sie auch den Charakter einer Rechtsnachfolgeregelung habe, wegen des von ihr umfassten Haftungsrisikos eine gesetzlich begründete Garantieverpflichtung des Bundes im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO dar. Dieses Normverständnis ergebe sich aus einer Auslegung des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und des § 120 SGB VII nach den anerkannten Methoden der Norminterpretation. Zudem seien auch Prüfungsbefugnisse, die dem Bundesrechnungshof - wie durch § 112 Abs. 1 Satz 1, § 111 Abs. 1 BHO - auf der Grundlage des Art. 114 Abs. 2 Satz 4 (Satz 3 a.F.) GG einfach-gesetzlich eingeräumt worden seien, durch das verfassungsrechtliche Leitbild des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG überformt, demzufolge eine möglichst lückenlose, gegenwartsnahe sowie wirksame Finanzkontrolle stattfinden müsse und prüfungsfreie Räume zu vermeiden seien. Die Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs aus § 112 Abs. 1 Satz 1, § 111 Abs. 1 BHO werde nicht durch den Sozialdatenschutz der bei der Klägerin Versicherten eingeschränkt. Die Übermittlung auch von nicht anonymisierten Sozialdaten durch einen Sozialversicherungsträger an den Bundesrechnungshof sei - mit einer Ausnahme allenfalls in dem hier nicht gegebenen Fall offensichtlicher Unverhältnismäßigkeit - nach § 67b Abs. 1 Satz 3, § 69 Abs. 5, § 76 Abs. 2 Nr. 2 SGB X gerechtfertigt. Hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Vorschriften mit Verfassungs- und Unionsrecht bestünden keine Bedenken. 5 Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil stattgegeben und die Prüfungsanordnung vom 19. März 2018 aufgehoben. Es hat eine Befugnis des Bundesrechnungshofs für eine Prüfung der Klägerin aus § 112 Abs. 1 Satz 1, § 111 Abs. 1 BHO und § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG verneint. Eine die Prüfung eines bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträgers erlaubende gesetzlich begründete Garantieverpflichtung des Bundes im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und des § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG sei nur im Fall einer nicht ausschließlich vom Willen des Bundesgesetzgebers abhängigen, unter bestimmten Voraussetzungen - dem Garantiefall - rechtlich bindend eintretenden Leistungsverpflichtung gegeben. Eine solche enthalte die Vorschrift des § 120 SGB VII - soweit hier für die Bundesebene von Belang - nicht. Der in ihr umschriebene Übergang von Pflichten (und Rechten) hänge - abweichend von der Ausgestaltung ihrer rechtshistorischen Vorgängernormen - ausschließlich von der Entscheidung des (Bundes-)Gesetzgebers ab, einen (bundesunmittelbaren) Unfallversicherungsträger aufzulösen. Zudem könne der Bundesgesetzgeber im Zusammenhang mit einer von ihm getroffenen Auflösungsentscheidung von den in § 120 SGB VII vorgesehenen Rechtsfolgen abweichen. Obwohl sich in der amtlichen Überschrift des § 120 SGB VII der Begriff der Bundesgarantie finde, ändere dies nichts daran, dass die Norm keine rechtlich bindenden Einstandspflichten begründe, sondern allenfalls der ohnehin - auch in finanzieller Hinsicht - bestehenden Verantwortung des Bundes für die bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts in Bezug auf die bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträger deklaratorisch Ausdruck verleihe. Den aus Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG hergeleiteten, in § 111 Abs. 1 BHO für bundesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts umgesetzten Grundsatz der Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle habe der Bundesgesetzgeber in § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO im Einklang mit § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG für bundesunmittelbare Sozialversicherungsträger durchbrochen. Auf die von dem Verwaltungsgericht nicht für durchgreifend erachteten, im Berufungsverfahren aufrecht erhaltenen weiteren Einwände der Klägerin gegen die Prüfungsanordnung ist es für die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht angekommen. 6 Die Beklagte erstrebt mit ihrer von dem Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils: Nach dem Schutzzweck des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG stehe dem Bundesrechnungshof bereits verfassungsunmittelbar eine Prüfungsbefugnis auch für die mittelbare Bundesverwaltung zu, soweit deren Finanzgebaren Auswirkungen auf die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes haben könne. Die auf der Grundlage von Art. 114 Abs. 2 Satz 4 (Satz 3 a.F.) GG erlassenen einfach-gesetzlichen Bestimmungen der §§ 111 und 112 BHO, die ebenso wie die Vorschrift des § 55 Abs. 1 HGrG eine Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs für die mittelbare Bundesverwaltung regelten, konkretisierten lediglich das auch insoweit bestehende verfassungsunmittelbare Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs und seien schon deshalb entsprechend dem Grundsatz einer möglichst lückenlosen externen Finanzkontrolle auszulegen und anzuwenden. Jedenfalls komme dieser Grundsatz für die genannten Normen über das verfassungsrechtliche Leitbild des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG zum Tragen. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund sei der in § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG enthaltene Begriff der gesetzlich begründeten Garantieverpflichtung des Bundes weit auszulegen. Er umfasse alle auf der Grundlage eines formellen Gesetzes möglicherweise eintretenden Einstandspflichten des Bundes für Verbindlichkeiten eines Sozialversicherungsträgers. Insbesondere sei die Voraussetzung der gesetzlichen Begründung der Einstandspflicht entgegen der Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts auch dann gegeben, wenn der Gesetzgeber den nach der geltenden Gesetzeslage möglichen Haftungseintritt durch legislatives Handeln vermeiden könne. Dergleichen liege im Wesen einer gesetzlich begründeten Garantieverpflichtung. Ohnedies stelle § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO nach der Systematik und dem Zweck des Gesetzes die eng auszulegende Ausnahme von der Regel des § 111 Abs. 1 BHO dar. Nach diesen Maßstäben stelle § 120 SGB VII eine gesetzlich begründete Garantieverpflichtung des Bundes im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und des § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG dar. Die Vorschrift begründe konstitutiv die Möglichkeit, dass im Rahmen der von ihr für den Fall der Auflösung eines bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers vorgesehenen Rechtsnachfolge des Bundes Mittel aus dem Bundeshaushalt für Verbindlichkeiten aufgewendet werden müssten, die aus der Tätigkeit des aufgelösten Trägers entstanden seien. Diese de lege lata mögliche Einstandspflicht des Bundes im Rahmen der Rechtsnachfolge sei für die Annahme einer Garantieverpflichtung entscheidend. Dementsprechend seien die rechtshistorischen Vorgängernormen des § 120 SGB VII durchweg vor allem als Garantieregelungen verstanden worden. Die Rechtsnachfolgeregelung des § 120 SGB VII setze keine in Widerspruch zu Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG stehende Tätigkeit der bundesunmittelbaren Verwaltung als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung voraus. Bei der Erfüllung von Verpflichtungen eines solchen Trägers gegenüber Dritten und den bei ihm Versicherten könne der Bund nach der Auflösungsentscheidung jenseits der die Tätigkeit eines Sozialversicherungsträgers kennzeichnenden Strukturmerkmale agieren. Das nach alledem unter Verletzung von Bundesrecht ergangene Berufungsurteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig. Die Prüfungsanordnung vom 19. März 2018 sei nach den überzeugenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts insgesamt in formell und materiell rechtmäßiger Weise erlassen worden. 7 Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Revision: Die Befugnisse zur Prüfung der mittelbaren Bundesverwaltung seien nicht im Sinne des Leitbilds einer lückenlosen Finanzkontrolle verfassungsrechtlich überformt. Der entsprechende Grundsatz sei in Bezug auf die mittelbare Bundesverwaltung gesetzesmediatisiert. Er könne erst zum Tragen kommen, nachdem eine Aufgabenzuweisung an den Bundesrechnungshof durch eine autonome Auslegung des einfachen Rechts festgestellt worden sei. Die bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger unterlägen der durch § 111 Abs. 1 BHO für die bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts vorgesehenen Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung durch den Bundesrechnungshof nur unter den engen Voraussetzungen des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO, der § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG nachgebildet sei. Nach dem Wortlaut, der Systematik sowie dem Sinn und Zweck des Gesetzes bestünden die Merkmale, die eine Garantieverpflichtung des Bundes als Voraussetzung für eine Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs aus § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO kennzeichneten, in folgenden drei Maßgaben: Erstens der Möglichkeit finanzwirksamer Leistungen des Bundes, also einer möglichen Belastung des Bundeshaushalts, zweitens der Begünstigung eines Sozialversicherungsträgers als Kehrseite der Belastung des Bundes im Sinne einer Pflicht des Bundes zur Zahlung an einen Sozialversicherungsträger im Garantiefall sowie drittens der durch Bundesgesetz unmittelbar begründeten Zahlungspflicht des Bundes, das heißt des Feststehens dieser Pflicht qua Gesetzes bei Eintritt des Garantiefalls. Die Vorschrift des § 120 SGB VII genüge keiner dieser Maßgaben. Dass die dritte Maßgabe nicht erfüllt sei, habe das Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt. Da es im Fall der von § 120 SGB VII vorausgesetzten Auflösung eines Unfallversicherungsträgers diesen als einen solchen Träger, an den der Bund Zahlungen leisten könne, nicht mehr gebe, scheide auch eine Erfüllung der zweiten Maßgabe aus. Eine potentielle Belastung des Bundeshaushalts im Sinne der ersten Maßgabe könne sich aus § 120 SGB VII jedenfalls deshalb nicht ergeben, weil entgegen dem irreführenden Wortlaut der Vorschrift die (Rechte und) Pflichten eines aufgelösten Unfallversicherungsträgers von Verfassungs wegen nicht auf den Bund übergehen dürften. Während die Vorgängernormen des § 120 SGB VII aus vorkonstitutioneller Zeit die Gesamtrechtsnachfolge des Reiches in Rechte und Pflichten eines aufgelösten Unfallversicherungsträgers in Übereinstimmung mit den Reichsverfassungen von 1871 und 1919 hätten vorsehen können, sei es dem Bund nach Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG verwehrt, einen Unfallversicherungsträger in unmittelbarer Bundesverwaltung zu führen. Löse der Bund einen Unfallversicherungsträger auf, müsse er durch das Organisationsgesetz zugleich die Rechte und Pflichten - das heißt den Verwaltungs- und Vermögensbestand - des aufgelösten Trägers einem anderen Träger der mittelbaren Bundesverwaltung übertragen. Nur auf dieses Erfordernis aus Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG weise § 120 SGB VII hin. 8 Die Prüfungsanordnung vom 19. März 2018 leide ferner unabhängig davon, dass eine Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs nicht bestehe, an einer Vielzahl formeller und materieller Rechtsfehler. Sie sei formell rechtswidrig und nichtig, weil bei ihrem Erlass die Zuständigkeitsvorschriften des Bundesrechnungshofgesetzes verletzt worden seien und sie die erlassende Behörde nicht erkennen lasse. In materieller Hinsicht sei sie auf eine tatsächlich unmögliche Handlung gerichtet und infolgedessen nichtig, weil es sozialmedizinische Begutachtungen nach dem sozialversicherungsrechtlichen Verständnis dieses für die Bezeichnung des Prüfungsgegenstands verwandten Begriffs bei der Klägerin nicht gebe. Bei einem untechnischen Verständnis des Begriffs verstoße die Anordnung gegen das Bestimmtheitsgebot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (i.w.S.). Die Anordnung sei schließlich mit dem Sozialdatenschutz der bei der Klägerin Versicherten nach den Bestimmungen des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch unvereinbar. Sähe man dies anders, wären diese Bestimmungen in Ermangelung eines hinreichenden Schutzes des Kernbereichs privater Lebensgestaltung verfassungs- und unionsrechtswidrig. II 9 Die nach ihrer Zulassung durch das Oberverwaltungsgericht statthafte und auch sonst zulässige Revision der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. 10 Das Berufungsurteil beruht mit seiner Einschätzung, eine gesetzlich begründete Garantieverpflichtung des Bundes nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG sei allein eine nicht ausschließlich vom Willen des Bundesgesetzgebers abhängige, unter bestimmten Voraussetzungen - dem Garantiefall - rechtlich bindend eintretende Leistungsverpflichtung, auf einer Verletzung von Bundesrecht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Diese Verletzung setzt sich in der berufungsgerichtlichen Beurteilung fort, § 120 SGB VII stelle deshalb keine gesetzlich begründete Garantieverpflichtung nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG dar, weil er keine rechtlich bindende Einstandspflicht in dem genannten Sinne begründe, sondern über den Eintritt des Garantiefalls - die Auflösung eines bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers - nur der Bundesgesetzgeber entscheide, wobei dieser es zugleich in der Hand habe, von den in § 120 SGB VII vorgesehenen Rechtsfolgen abzuweichen. Ein weiterer Verstoß gegen revisibles Recht liegt in der in diesem Zusammenhang angestellten Annahme des Oberverwaltungsgerichts, § 120 SGB VII verleihe allenfalls deklaratorisch einer ohnehin bestehenden (auch) finanziellen Verantwortung des Bundes für die bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträger Ausdruck (1.). Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen, von dem Oberverwaltungsgericht infolge seines Lösungsansatzes nicht geprüften Gründen im Sinne von § 144 Abs. 4 VwGO als im Ergebnis richtig dar. Die Klägerin kann mit ihren Angriffen gegen die Prüfungsanordnung des Bundesrechnungshofs vom 19. März 2018, die über die Verneinung einer Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs dem Grunde nach hinausgehen, nicht durchdringen. Dies hat bereits das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt. Da es für diese Entscheidung in der Sache keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen bedarf, kann sie der Senat gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO selbst treffen (2.). 11 1. Eine gesetzlich begründete Garantieverpflichtung des Bundes gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und - soweit sich mit dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift deckend - nach § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG besteht, wenn sich auf Grund eines Bundesgesetzes, sei es auch erst nach Maßgabe weiterer gesetzgeberischer Akte, die Möglichkeit einer zukünftigen Belastung des Bundeshaushalts durch eine Verpflichtung des Bundes zum Eintritt in Zahlungspflichten ergibt, die zu Lasten eines Sozialversicherungsträgers entstanden sind (a.). Die genannten Voraussetzungen werden durch § 120 SGB VII erfüllt, der - wenngleich als Rechtsnachfolgeregelung formuliert - auf Bundesebene im Kern eine Haftungsbestimmung im Sinne einer Auffangregelung für die Übernahme der finanziellen Lasten eines durch Gesetz aufgelösten bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers durch den Bund darstellt. Mit diesem Regelungsgehalt hat § 120 SGB VII konstitutive Bedeutung (b.). 12 a. Das gebotene, einen weiten Umfang der Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs sichernde Normverständnis folgt nicht unmittelbar aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG (aa.). Es ergibt sich aus der Auslegung der im vorliegenden Fall einschlägigen einfach-gesetzlichen Regelungen in § 111 Abs. 1, § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG unter Berücksichtigung der Bestimmungen der § 42 Abs. 1, § 48 Abs. 1 HGrG (bb.). 13 aa. Gemäß Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG prüft der Bundesrechnungshof, dessen Mitglieder richterliche Unabhängigkeit besitzen, die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes. Die dergestalt verfassungsrechtlich verankerte externe Finanzkontrolle des Bundes ist eng mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes verbunden und Ausdruck der im parlamentarischen Regierungssystem gebotenen Verantwortung der Regierung gegenüber dem Parlament. Sie sichert das parlamentarische Budgetrecht aus Art. 110 GG ab. Die parlamentarische Finanzkontrolle ist auf Lückenlosigkeit ausgerichtet. Der Bundesrechnungshof unterstützt das Parlament bei der Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion. Die Prüftätigkeit des Bundesrechnungshofs und seine diesbezügliche Berichterstattungspflicht gegenüber dem Parlament (vgl. Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG) sollen gewährleisten, dass Bundestag und Bundesrat über die erforderlichen Informationen verfügen, um die Aufgabe der Finanzkontrolle effektiv ausüben zu können. Dem Anliegen einer umfassenden, lückenlosen parlamentarischen Finanzkontrolle entspricht es, eine lückenlose Prüftätigkeit des Bundesrechnungshofs zu ermöglichen. Prüfungs- oder kontrollfreie Räume darf es danach prinzipiell nicht geben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2011 - 8 C 53.09 - BVerwGE 139, 87 Rn. 48 m.w.N.). 14 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezieht sich die in dieser Weise umschriebene verfassungsunmittelbare Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs entgegen der von einzelnen Stimmen im Schrifttum (etwa Engels, in: Kahl/Waldhoff/Walter , Bonner Kommentar zum GG, Art. 114 Rn. 192, Stand August 2010; Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 114 Rn. 77 ff., 141, Stand April 2020) und von der Beklagten vertretenen Ansicht nur auf die unmittelbare Bundesverwaltung und erfasst die mittelbare Bundesverwaltung auch dann nicht, wenn zwischen dieser und dem Bundeshaushalt Interdependenzen bestehen. Die externe Finanzkontrolle der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts inklusive der Sozialversicherungsträger beruht auf den Bestimmungen, die der einfache Gesetzgeber - wenn auch unter weitgehender Übernahme der inhaltlichen Grundsätze, die die verfassungsunmittelbare Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs prägen - auf der Grundlage von Art. 114 Abs. 2 Satz 4 (Satz 3 a.F.) GG bzw. Art. 109 Abs. 4 GG in Gestalt der einschlägigen Bestimmungen der Bundeshaushaltsordnung und des Haushaltsgrundsätzegesetzes erlassen hat (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2011 - 8 C 53.09 - BVerwGE 139, 87 Rn. 49; aus dem Schrifttum: Heintzen, in: v. Münch/Kunig/Kämmerer/Kotzur , GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2021, Art. 114 Rn. 23, 34; Jarass, in: Jarass/Kment, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 114 Rn. 5; Dittrich, BHO, § 111 Rn. 1, Stand Juli 2018; Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 114 GG Rn. 22, Stand Februar 2018). 15 bb. Die Vorschrift des § 111 Abs. 1 Satz 1 BHO ermächtigt den Bundesrechnungshof zur Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Sie ist gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO auf die bundesunmittelbaren Träger der Sozialversicherung - unter anderem diejenigen der gesetzlichen Unfallversicherung - nur dann anzuwenden, wenn diese auf Grund eines Bundesgesetzes vom Bund Zuschüsse erhalten oder eine Garantieverpflichtung des Bundes gesetzlich begründet ist. Sie steht im Einklang mit § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG, der bestimmt, dass eine Befugnis des Bundesrechnungshofs oder der Landesrechnungshöfe zur Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts besteht, wenn diese nicht eine Gebietskörperschaft, ein Zusammenschluss von Gebietskörperschaften oder Gemeindeverbänden oder eine Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts nach Art. 137 Abs. 5 WRV sind und wenn sie vom Bund oder einem Land Zuschüsse erhalten, die dem Grund oder der Höhe nach gesetzlich begründet sind, oder wenn eine Garantieverpflichtung des Bundes oder eines Landes gesetzlich begründet ist. Für eine restriktive Auslegung des Tatbestandsmerkmals der gesetzlich begründeten Garantieverpflichtung des Bundes, dessen Vorliegen hiernach - wie dasjenige des auf einem Bundesgesetz beruhenden Zuschusses - Voraussetzung dafür ist, dass bundesunmittelbare Sozialversicherungsträger wie die sonstigen bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit ihrer Haushalts- und Wirtschaftsführung der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterliegen, ist nach dem Wortlaut (aaa.), der Historie (bbb.), der Systematik (ccc.) sowie dem Sinn und Zweck des Gesetzes (ddd.) kein Raum. Dies gilt nicht nur in Bezug auf eine unmittelbare gesetzliche Bindung des Bundes für den Garantiefall, die nach der - von der Klägerin unterstützten - Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für die Annahme einer Garantieverpflichtung erforderlich ist, sondern auch und erst Recht für die nach Ansicht der Klägerin darüber hinaus zu verlangende Funktion einer solchen Verpflichtung, potentielle Zahlungen des Bundes (nur) an die jeweiligen Sozialversicherungsträger abzusichern. 16 aaa. Der Wortlaut des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO unterscheidet - die Differenzierung in § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG aufnehmend - zwischen den durch das Wort ""oder"" getrennten, selbständigen Alternativen einerseits des Zuschusses, den ein Sozialversicherungsträger auf Grund eines Bundesgesetzes erhält, und andererseits der gesetzlich begründeten Garantieverpflichtung des Bundes. Der Gesetzeswortlaut bietet damit nicht nur keinerlei Anhalt für die Ansicht der Klägerin, eine Garantieverpflichtung müsse sich im Anwendungsbereich des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO auf einen Zuschuss des Bundes an den jeweiligen Sozialversicherungsträger beziehen. Er ist vielmehr ein belastbarer Hinweis darauf, dass der Alternative der Garantieverpflichtung generell ein weiterer Anwendungsbereich zukommt als derjenigen des - seinerseits bereits weit zu verstehenden, auch zweckgebundene mittelbare Geldleistungen erfassenden - Zuschusses (zum Zuschussbegriff: BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2011 - 8 C 53.09 - BVerwGE 139, 87 Rn. 19). Dementsprechend kann auch das von dem Oberverwaltungsgericht angenommene Erfordernis einer vom Willen des Bundesgesetzgebers unabhängigen rechtlichen Bindung des Bundes nicht an dem Wortlaut des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO bzw. des § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG festgemacht werden. Der Begriffsbestandteil der ""Verpflichtung"" und der Passus ""gesetzlich begründet"" stellen schon deshalb keine Anknüpfungspunkte für dieses vermeintliche Erfordernis dar, weil der Bundesgesetzgeber - abgesehen von dem hier nicht gegebenen Fall einer Bindung durch Verfassungs- oder Unionsrecht - auch eine gesetzlich begründete Verpflichtung grundsätzlich jederzeit wieder beseitigen kann. Recht verstanden ergibt sich aus dem Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmungen allein, dass für die Annahme von Garantieverpflichtungen Gewährleistungen auf Grund von Rechtsgeschäften oder allgemeinen Haftungsgrundsätzen ausscheiden und - auf Bundesebene - ein formelles Gesetz erforderlich ist. 17 bbb. Die Gesetzeshistorie spricht ebenfalls gegen ein restriktives Verständnis des Begriffs der gesetzlich begründeten Garantieverpflichtung des Bundes. 18 Durch in der Zeit des ""Dritten Reiches"" ergangene, auf Bundesebene in wesentlichen Teilen bis zum Erlass der Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl I S. 1284) weitergeltende Regelungen waren die juristischen Personen des öffentlichen Rechts allgemein der Rechnungshofprüfung in Bezug auf ihre Haushaltsrechnung bzw. ihre Haushalts- und Wirtschaftsführung unterstellt worden. Ausgenommen hiervon war aus politischen und praktischen Gründen nur ein kleiner, auch die Träger der Sozialversicherung umfassender Kreis von Rechtsträgern (den Rechtszustand nach dem ""Beiträgegesetz"" vom 24. März 1934 - RGBl. S. 235 - und dem ""Kriegskontrollgesetz"" vom 5. Juli 1940 - RGBl. II S. 139 - zusammenfassend: BT-Drs. Nr. 1141 S. 9, 12; zu Differenzierungen der nachkonstitutionellen Geltung dieser Regelungen auf Landesebene: BVerwG, Urteile vom 11. April 1995 - 1 C 34.92 - BVerwGE 98, 163 <175 f.> und vom 30. September 2009 - 8 C 5.09 - BVerwGE 135, 100 Rn. 20 f.). Bereits durch § 4 Abs. 4 des Gesetzes über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes vom 27. November 1950 (BGBl. S. 765) wurden allerdings die Träger der Sozialversicherung mit ihrer Haushalts- und Wirtschaftsführung dann der Kontrolle durch den Bundesrechnungshof unterstellt, wenn sie Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln erhielten. Dies geschah ausweislich der Gesetzesmaterialien wegen der insoweit im Raum stehenden finanziellen Belastung des Bundes (BT-Drs. Nr. 1141 S. 13). 19 Im Zuge der Haushaltsreform des Jahres 1969 wurde sodann die geltende Rechtslage geschaffen. § 48 Abs. 1 des am gleichen Tag wie die Bundeshaushaltsordnung - dem 19. August 1969 - erlassenen Haushaltsgrundsätzegesetzes (BGBl. I S. 1273) gibt der Gesetzgebung von Bund und Ländern als Grundsatz vor, dass auf bundes- oder landesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts die Vorschriften des Gesetzes - also auch die Regelungen für die Prüfung durch die Rechnungshöfe in §§ 42 ff. HGrG - entsprechend anzuwenden sind, soweit durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes nichts Anderes bestimmt ist. Als in Bund und Ländern einheitlich und unmittelbar geltende Vorschrift sieht § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG mit seinem bereits beschriebenen Regelungsgehalt eine Rechnungshofprüfung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts - mit Ausnahmen nur im Bereich der Gebietskörperschaften und Religionsgesellschaften - im Falle gesetzlich begründeter Zuschüsse oder Garantieverpflichtungen vor. Nach § 55 Abs. 1 Satz 3 HGrG bleiben andere Prüfungsrechte, die nach § 48 HGrG begründet werden, unberührt. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Haushaltsgrundsätzegesetz wird zu § 46 - dem späteren § 48 HGrG - ausgeführt, wegen der engen Beziehungen zwischen den Haushalten sei ein auch die juristischen Personen des öffentlichen Rechts erfassendes, in den Grundzügen einheitliches Haushaltsrecht ein dringendes Erfordernis, obwohl nicht verkannt werde, dass wegen der besonderen Aufgaben der juristischen Personen in gewissem Umfang haushaltsrechtliche Sonderregelungen unabweisbar seien (BT-Drs. V/3040 S. 57 f.). Zu § 51 Abs. 1 HGrG-E - dem späteren § 55 Abs. 1 HGrG - wird dargelegt, ein wegen § 46 HGrG-E (§ 48 HGrG) nicht gegebenes Prüfungsrecht des Rechnungshofs gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts solle jedenfalls dann bestehen, wenn die juristischen Personen auf Grund eines Gesetzes von einer Gebietskörperschaft Zuschüsse erhielten oder wenn eine Garantieverpflichtung einer Gebietskörperschaft gesetzlich begründet sei (BT-Drs. V/3040 S. 59; dazu: Haverkate, Prüfungsfreie Räume, in: Zavelberg , Die Kontrolle der Staatsfinanzen 1989, S. 210). 20 Der Bund hat für seinen Regelungsbereich die grundsätzliche Vorgabe des § 48 Abs. 1 HGrG umgesetzt, indem er durch § 111 Abs. 1 BHO für im Grundsatz alle bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts eine Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs vorgesehen hat. Er hat nur für die bundesunmittelbaren Träger der Sozialversicherung in § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO eine Sonderregelung entsprechend den nach § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG jedenfalls einzuhaltenden Maßgaben geschaffen. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Bundeshaushaltsordnung ergibt sich, dass diese Sonderregelung nach § 110 Abs. 1 - dem späteren § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO - für erforderlich erachtet wurde, um die Einheitlichkeit des Rechts der Sozialversicherung für bundesunmittelbare und landesunmittelbare Träger nicht zu durchbrechen. Das Haushaltsrecht der Sozialversicherungsträger solle im Rahmen des Rechts der Sozialversicherung neu geregelt werden (BT-Drs. V/3040 S. 68). 21 Entstehungsgeschichtlich liegt der Grund für eine Exemtion der bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger von der Kontrolle durch den Bundesrechnungshof mithin in dem Streben nach einer auf den Ebenen des Bundes und der Länder einheitlichen externen Finanzkontrolle im Bereich der Sozialversicherung. Auch im Rahmen dieser Zielsetzung sind nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers indes die Maßgaben des § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG - das heißt eine Rechnungshofkontrolle der Haushalts- und Wirtschaftsführung grundsätzlich aller juristischen Personen des öffentlichen Rechts jedenfalls in den Konstellationen der Bezuschussung und der gesetzlich begründeten Garantieverpflichtung - wegen der insoweit gegebenen oder zumindest möglichen Haushaltsbelastung in jedem Fall einzuhalten (vgl. Zingsheim, in: Heuer/Scheller , Kommentar zum Haushaltsrecht, § 112 BHO Rn. 13 f., Stand Juni 2020). Dem widerspricht eine in der Tendenz auf eine Schmälerung dieses Mindestbestands der Kontrolle hinauslaufende Gesetzesinterpretation. 22 ccc. Noch deutlicher fordert die Gesetzessystematik eine weite Auslegung des Begriffs der gesetzlich begründeten Garantieverpflichtung des Bundes. 23 Die von dem Oberverwaltungsgericht und der Klägerin vertretenen restriktiven Interpretationsansätze finden keine Stütze in einem Vergleich der besagten Verpflichtung mit den in §§ 39, 91 Abs. 3 BHO, §§ 23, 43 Abs. 3 HGrG genannten Krediten, Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen. Denn diese werden durchweg rechtsgeschäftlich vereinbart, wogegen § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG auf eine gesetzlich begründete Sicherung abstellen. Ebenso wenig lässt sich aus anderen sozialversicherungsrechtlichen Regelungen, die das Oberverwaltungsgericht und die Klägerin als echte bzw. herkömmliche gesetzlich begründete Garantieverpflichtungen begreifen - insbesondere aus derjenigen des § 214 Abs. 1 SGB VI - schließen, dass auf andere Weise strukturierte, weniger stringente Regelungen, nicht ebenfalls die Voraussetzungen des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und des § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG erfüllen können. 24 Die einschränkende Auslegung widerspricht auch im Übrigen der Gesetzessystematik. Vielmehr ist - bezogen auf die Ebene des Bundes - entsprechend dem dargelegten Verhältnis zwischen § 48 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 HGrG die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts nach § 111 Abs. 1 BHO die Regel und die Exemtion der bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger von dieser Prüfung nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO die eng auszulegende Ausnahme. Während die Regelvorschrift des § 111 Abs. 1 BHO unabhängig davon eingreift, ob das Finanzgebaren der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts den Bundeshaushalt berührt (vgl. Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 114 GG Rn. 22, § 111 BHO Rn. 1, Stand Februar 2018), kann die Ausnahmevorschrift des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO nur dann angewandt werden, wenn eine Belastung des Bundeshaushalts sicher ausgeschlossen ist. 25 Darüber hinaus fällt systematisch maßgeblich ins Gewicht, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Grundsatz der Lückenlosigkeit und der Vermeidung prüfungsfreier Räume, der für den Inhalt der Kontrolle der unmittelbaren Bundesverwaltung durch den Bundesrechnungshof im Interesse einer wirksamen parlamentarischen Finanzkontrolle durch Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG vorgegeben wird, durch bindende Vorgaben des Haushaltsgrundsätzegesetzes für die Gesetzgebung des Bundes und der Länder auf die gesetzesmediatisierte Befugnis der Rechnungshöfe zur Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der bundes- und landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts übertragen worden ist. Transmissionsnormen sind § 42 Abs. 1 HGrG, der die Prüfung der gesamten Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes und der Länder einschließlich ihrer Sondervermögen und Betriebe durch die Rechnungshöfe vorsieht, sowie § 48 Abs. 1 HGrG, der - vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Bestimmung - die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf die bundes- oder landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts anordnet. Der Sinn und Zweck dieser Vorschriften, grundsätzlich sämtliches finanzrelevante Gebaren der öffentlichen Hand - inklusive der genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts - zu erfassen, ist auch bei der Auslegung anderweitiger gesetzlicher Bestimmungen im Sinne von § 48 Abs. 1 HGrG zu beachten. Dies gilt insbesondere in Bezug auf § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG. Die Prüfung auch der bundes- und landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist so lückenlos wie möglich durchzuführen (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. April 1995 - 1 C 34.92 - BVerwGE 98, 163 <170, 174>, vom 30. September 2009 - 8 C 5.09 - BVerwGE 135, 100 Rn. 15 f. und vom 23. Februar 2011 - 8 C 53.09 - BVerwGE 139, 87 Rn. 49; aus der Literatur: Heintzen, in: v. Münch/Kunig/Kämmerer/Kotzur , GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2021, Art. 114 Rn. 34; Haverkate, Prüfungsfreie Räume, in: Zavelberg , Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989, S. 198, 205; Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 111 BHO Rn. 4, Stand Februar 2018; Zingsheim, in: Heuer/Scheller , Kommentar zum Haushaltsrecht, § 112 BHO Rn. 11, Stand Juni 2020). Hiernach gilt für die Frage einer Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung - nicht nur, aber auch - der bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger durch den Bundesrechnungshof gesetzessystematisch der Grundsatz ""in dubio pro inspectione"", d.h. im Zweifel ist von einer Prüfungsbefugnis auszugehen. 26 ddd. Schließlich ergibt sich in Anbetracht des letztlich unkalkulierbaren Risikos des Staates, das mit gesetzlichen Zuschuss- und Garantieverpflichtungen verbunden ist (vgl. Haverkate, Prüfungsfreie Räume, in: Zavelberg , Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989, S. 208; Eibelshäuser/Wallis, in: Heuer/Scheller , Kommentar zum Haushaltsrecht, § 55 HGrG Rn. 3, Stand Juni 1999), nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes das Erfordernis, die Tatbestandsmerkmale weit auszulegen, die nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG in jedem Fall eine Rechnungshofkontrolle der Haushalts- und Wirtschaftsführung der erfassten juristischen Personen des öffentlichen Rechts ermöglichen. Was die in § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO enthaltene Regelung für die bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger anbelangt, kommt die enorme gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Finanzmittel der Sozialversicherung (dazu: BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2005 - 2 BvF 2/01 - BVerfGE 113, 167 <201>) hinzu. 27 Hiernach gehen die das Tatbestandsmerkmal der gesetzlich begründeten Garantieverpflichtung einschränkenden Interpretationsansätze des Oberverwaltungsgerichts und der Klägerin fehl. Die Annahmen, der Gesetzgeber habe eine externe Finanzkontrolle nur dann für erforderlich erachtet, wenn nach bestehender Gesetzeslage unabhängig von Maßgaben eines weiteren gesetzgeberischen Akts eine Zahlungspflicht entstehen könne oder - im Fall des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO - eine Zahlung des Bundes an einen bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger abgesichert werde, sind teleologisch nicht haltbar. Eine gesetzlich begründete Garantieverpflichtung ist vielmehr in allen Fällen anzunehmen, in denen nach der geltenden Gesetzeslage die Möglichkeit einer zukünftigen Belastung des staatlichen Haushalts durch eine Verpflichtung zum Eintritt in die Zahlungspflichten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts besteht. Ein solches Risiko für den Haushalt ist auch und bereits dann gegeben, wenn nach der jeweiligen Vorschrift das Entstehen der Zahlungspflicht von Maßgaben weiteren gesetzgeberischen Handelns abhängt. Denn der Gesetzgeber kann sich, wenn der in der betreffenden Vorschrift angelegte Regelungsbedarf entsteht, nicht gewissermaßen wegducken, sondern muss jedenfalls die Frage beantworten, wem denn die jeweiligen finanziellen Lasten aufgebürdet werden sollen, wenn diese nicht die bereits im Grundsatz als Lastenträger bestimmten staatlichen Haushalte tragen sollen. Dass die Antwort auf diese Frage nicht einfach zu finden sein wird, liegt auf der Hand. Hinzu kommt, dass es bei einer gesetzlich begründeten Garantieverpflichtung - anders als bei der Zuschussgewährung - generell nicht auf den tatsächlichen Mittelabfluss aus dem Haushalt ankommt, um die in § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG angelegte Sperre einer Rechnungshofskontrolle zu überwinden (Zingsheim, in: Heuer/Scheller , Kommentar zum Haushaltsrecht, § 112 BHO Rn. 30, Stand Juni 2020; Gröpl , Bundeshaushaltsordnung - Landeshaushaltsordnungen, 2. Aufl. 2019, § 112 Rn. 3; Nebel, in: Piduch (Hrsg.), Bundeshaushaltsrecht, § 112 Rn. 2, Stand Februar 2015). Aus welchem Grund die Zahlungspflicht entstanden ist, durch deren potentielle Übernahme eine Haushaltsbelastung droht, ist nach dem Kontrollzweck erst recht unerheblich. 28 Insgesamt spiegelt sich in dem Gesetzeszweck das bereits in der Gesetzeshistorie und der Gesetzessystematik zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Bestreben wider, auch in Bezug auf die Haushalts- und Wirtschaftsführung der bundes- und landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts - inklusive der bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO - im Interesse einer wirksamen parlamentarischen Finanzkontrolle eine möglichst lückenlose Prüfung durch die Rechnungshöfe sicherzustellen. Dies führt gerade in der Konstellation der gesetzlich begründeten Garantieverpflichtung zu einer Vorverlagerung des Haushaltsschutzes. Bezogen auf die Bundesebene sollen die Prüfberichte des Bundesrechnungshofs das Parlament bereits zu einem Zeitpunkt über sich abzeichnende finanzielle Risiken für den Bundeshaushalt informieren, in dem noch geeignete Gegenmaßnahmen getroffen werden können. 29 b. § 120 SGB VII bestimmt unter der amtlichen Überschrift ""Bundes- und Landesgarantie"", dass mit der Auflösung eines bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers dessen Rechte und Pflichten auf den Bund und mit der Auflösung eines landesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers dessen Rechte und Pflichten auf das aufsichtführende Land übergehen, soweit durch Rechtsvorschriften des Bundes oder der Länder nicht etwas Anderes bestimmt worden ist. 30 Diese Vorschrift, die hier nur in Bezug auf die Auflösung eines bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers von Relevanz ist, ist in ihrem normativen Kern eine Haftungsbestimmung, nämlich eine konstitutive Auffangregelung für die Übernahme der finanziellen Lasten eines gesetzlich aufgelösten bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers durch den Bund. Sie stellt damit eine gesetzlich begründete Garantieverpflichtung des Bundes im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG dar. 31 Das Oberverwaltungsgericht ist schon als Folge seiner Bundesrecht widersprechenden Prämisse, eine gesetzlich begründete Garantieverpflichtung des Bundes im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG erfordere eine vom Willen des Bundesgesetzgebers unabhängige rechtliche Bindung, nicht zu der Erkenntnis vorgedrungen, dass der Rechtscharakter des § 120 SGB VII als - subsidiäre - Haftungsbestimmung die revisible Vorschrift grundsätzlich für eine Einordnung - als Garantieverpflichtung des Bundes qualifiziert (aa.). Das Berufungsgericht hat bei seiner Ablehnung einer solchen Einordnung Bundesrecht zusätzlich dadurch verletzt, dass es angenommen hat, § 120 SGB VII habe wegen einer ohnehin bestehenden (auch) finanziellen Verantwortung des Bundes für die bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträger einen nur deklaratorischen Charakter (bb.). 32 aa. Die Interpretation des § 120 SGB VII als Haftungsregelung wird durch den Gesetzeswortlaut nicht versperrt (aaa.). Entsprechend dem Verständnis der in das Kaiserreich zurückreichenden historischen Vorgängerregelungen der Norm (bbb.), nach einer insbesondere den Regelungsgehalt des Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG in den Blick nehmenden gesetzessystematischen Betrachtung (ccc.) und unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks (ddd.) wird der Rechtscharakter der Vorschrift durch den subsidiär angeordneten Übergang von finanziellen Verpflichtungen eines durch Gesetz aufgelösten bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers auf den Bund geprägt. Der gleichzeitig vorgesehene Übergang von Rechten tritt demgegenüber in den Hintergrund und hat nur die Funktion, die durch den Übergang von finanziellen Verpflichtungen entstehende Belastung des Bundes abzumildern. 33 aaa. § 120 SGB VII ist zwar als Rechtsnachfolgeregelung formuliert. Jedoch weist die amtliche Überschrift der Vorschrift mit der Bezeichnung als Bundesgarantie nicht auf eine vollumfängliche Rechtsnachfolge des Bundes in die Stellung und die Funktion eines aufgelösten bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers. Sie deutet vielmehr darauf hin, dass es dem Gesetzgeber allein um die finanziellen Folgen der Auflösung und in diesem Zusammenhang vor allem darum ging, eine Verpflichtung des Bundes zu statuieren, für die Erfüllung der finanziellen Verpflichtungen des aufgelösten Unfallversicherungsträgers erforderlichenfalls einzustehen. Der Übergang auch der finanziellen Forderungen des aufgelösten Trägers erweist sich insoweit quasi als Nebenaspekt. 34 bbb. Die gesetzliche Unfallversicherung beruht als eigenständiger Sozialversicherungszweig in ihren Anfängen auf dem Unfallversicherungsgesetz (UVG) vom 6. Juli 1884 (RGBl. S. 69). Nach § 33 UVG konnten Berufsgenossenschaften, die zur Erfüllung der ihnen durch das Unfallversicherungsgesetz auferlegten Verpflichtungen leistungsunfähig geworden waren, auf Antrag des Reichsversicherungsamts von dem Bundesrat aufgelöst werden. Dabei waren die Industriezweige der aufgelösten Genossenschaft anderen Berufsgenossenschaften zuzuteilen. Mit der Auflösung der betroffenen Berufsgenossenschaft gingen deren Rechtsansprüche und Verpflichtungen auf das Reich über. In der Begründung des seinerzeitigen Gesetzentwurfs heißt es, es müsse Vorsorge dafür getroffen werden, dass im Fall der Leistungsunfähigkeit einer Berufsgenossenschaft die Absicherung der Arbeiter in den weiter arbeitenden Betrieben gegen Unfälle nicht unterbrochen werde und die in der Vergangenheit entstandenen Entschädigungsverbindlichkeiten rechtzeitig erfüllt würden. Da der aufgelösten Genossenschaft auch noch Rechtsansprüche zum Beispiel auf Zahlung rückständiger Beiträge zustehen könnten, sollten auch diese auf das Reich übergehen (Verhandlungen des Reichstages, Bd. 77, 1884, S. 68, 77). In dem Bericht der Kommission, die der Reichstag zur Vorberatung des Gesetzentwurfs eingesetzt hatte, sowie in den Verhandlungen des Reichstags selbst ist von der Vorschrift des § 33 UVG durchweg als von einer Reichsgarantie die Rede. Diese solle bewirken, dass in dem Fall der Insolvenz einer Berufsgenossenschaft - wobei weniger an Massenunfälle als an den Niedergang ganzer Industriezweige zu denken sei - hinter dieser noch jemand stehe, der den Ausfall decke. Das Gesetz sei unvollständig, wenn der Fall auch nur gedacht werden könne, dass jemand um seine gesetzliche Entschädigung komme (vgl. Verhandlungen des Reichstages, Bd. 78, Stenographische Berichte, V. Legislaturperiode, IV. Session 1884, Vierter Band, S. 875 f. sowie Bd. 76, wie zuvor, Zweiter Band, S. 879 ff.). 35 Die in § 33 UVG enthaltenen Regelungen fanden in nahezu unveränderter Form Eingang in die Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911 (RGBl. S. 509). Sie wurden in § 647 RVO auf drei Absätze aufgeteilt. Die Befugnis des Bundesrats, eine zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtungen unfähige Berufsgenossenschaft auf Antrag des Reichsversicherungsamts aufzulösen, war in dem ersten Absatz der Vorschrift geregelt. Deren zweiter Absatz betraf die Zuweisung der Gewerbszweige der aufgelösten Genossenschaft an andere Genossenschaften. Der dritte Absatz enthielt die Bestimmung, dass mit der Auflösung der Genossenschaft ihre Rechte und Pflichten auf das Reich übergingen. Dass der Gesetzgeber der Reichsversicherungsordnung mit § 647 RVO keine Vorstellungen verband, die von denjenigen abwichen, die die Vorgängervorschrift des § 33 UVG getragen hatten, wird daran deutlich, dass sich in der ausführlichen Begründung des Gesetzentwurfs zur Reichsversicherungsordnung und hier speziell in dem die Gewerbe-Unfallversicherung betreffenden Dritten Buch keine auf § 660 - den späteren § 647 RVO - bezogenen Erwägungen finden (Verhandlungen des Reichstages, Bd. 274, 1911, S. 273 ff.). In der Fassung der Reichsversicherungsordnung vom 15. Dezember 1924 (RGBl. I S. 779) wurde sodann lediglich in § 647 Abs. 1 RVO der Begriff des Bundesrats durch denjenigen des Reichsrats ersetzt. 36 In der Gesamtschau spricht die Genese der vorkonstitutionellen Vorgängerregelungen des § 120 SGB VII deutlich dafür, dass die historischen Gesetzgeber keine Gesamtrechtsnachfolge des Reiches für eine aufgelöste Berufsgenossenschaft als Unfallversicherungsträger für die vor der Auflösung entstandenen Fälle anordnen wollten. Es ging ihnen ersichtlich darum, mit dem vorgesehenen Pflichtenübergang - und dem Übergang von Rechten quasi als Beiwerk - eine Garantie des Reiches in Gestalt einer Haftung für die finanziellen Verbindlichkeiten einer aufgelösten Berufsgenossenschaft, und hier insbesondere für deren aufgelaufene Entschädigungslast zu statuieren. Eine Einlösung dieser Garantie hätte dann jeweils noch einer dem konkreten Fall angepassten Regelung bedurft. 37 Unter der Geltung des Grundgesetzes ersetzte das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz) vom 30. April 1963 (BGBl. I S. 241) § 647 RVO durch § 652 RVO. In dem ersten dieser nur noch zwei Absätze umfassenden Vorschrift war bestimmt, dass im Fall der Auflösung einer Berufsgenossenschaft die Unternehmensarten und Bezirke der aufgelösten Berufsgenossenschaft anderen Berufsgenossenschaften zugewiesen würden. Der zweite Absatz enthielt die Regelung, dass mit der Auflösung einer bundesunmittelbaren Berufsgenossenschaft deren Rechte und Pflichten auf den Bund übergingen. In der Begründung des Gesetzentwurfs der CDU/CSU - Fraktion zum Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz wird zu § 653 des RVO-Änderungsentwurfs - dem späteren § 652 RVO - ausgeführt, die Voraussetzungen, unter denen Berufsgenossenschaften aufgelöst werden könnten, richteten sich nach den für die Auflösung öffentlich-rechtlicher Körperschaften geltenden verfassungsrechtlichen Normen. Deshalb hätten von § 647 RVO a.F. nur der zweite und der dritte Absatz ihrem Inhalt nach übernommen werden können (BT-Drs. IV/120 S. 64). Hierin gelangt der dem Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz generell zu Grunde liegende Ansatz zum Ausdruck, demzufolge auf Bundesebene sowohl für die Neuerrichtung als auch für eine Auflösung sowie für jede Bestandsänderung einschließlich einer Vereinigung von Berufsgenossenschaften eine gesetzliche Regelung erforderlich war (vgl. BT-Drs. IV/120 S. 63 f. und dazu: Bigge, in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner , SGB VII, 2. Aufl. 2019, § 114 Rn. 4 f., § 118 Rn. 1; Quabach, in: Schlegel/Voelzke , jurisPK-SGB VII, § 118 Rn. 9, Stand März 2014). 38 In der Nachfolge des § 652 RVO wurde schließlich durch das Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz) vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1254) § 120 SGB VII mit seinem oben genannten Wortlaut eingeführt. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung heißt es, die Vorschrift regele - subsidiär - die Bundes- bzw. Landesgarantie. Sie entspreche dem (damals) geltenden Recht des § 652 Abs. 2 RVO (BT-Drs. 13/2204 S. 103). Allerdings bezieht sich § 120 SGB VII nicht nur auf Berufsgenossenschaften, sondern auf alle Unfallversicherungsträger des § 114 Abs. 1 SGB VII (Bigge, in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner , SGB VII, 2. Aufl. 2019, § 120 Rn. 1). Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 118 SGB VII zu sehen. Jene Norm räumt den Berufsgenossenschaften in Abkehr von dem im Jahr 1963 mit dem Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz geschaffenen Vereinigungsmonopol des Gesetzgebers das Recht zu freiwilligen und autonomen Zusammenschlüssen ein (vgl. BT-Drs. 13/2204 S. 103; Bigge, in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner , SGB VII, 2. Aufl. 2019, § 118 Rn. 1, 6 ff.; Quabach, in: Schlegel/Voelzke , jurisPK-SGB VII, § 118 Rn. 23, Stand März 2014). Nach § 118 Abs. 1 Satz 7 SGB VII tritt die durch eine solche Vereinigung gebildete neue Berufsgenossenschaft in die Rechte und Pflichten der bisherigen Genossenschaften ein. Diese Bestimmung findet auch dann Anwendung, wenn sich eine Berufsgenossenschaft nach § 118 Abs. 2 SGB VII mit ihren abgrenzbaren Unternehmensarten parallel mit mehreren anderen, selbständig bleibenden Genossenschaften vereinigt und in der Folge aufgelöst ist (näher: Bigge, in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner , SGB VII, 2. Aufl. 2019, § 118 Rn. 16 ff.). An diesen Fall der Auflösung knüpft § 120 SGB VII nicht an (Quabach, in: Schlegel/Voelzke , jurisPK-SGB VII, § 120 Rn. 4, Stand März 2014, Ricke, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 120 SGB VII Rn. 2, Stand September 2020). Er bezieht sich, was die Bundesebene anbelangt, allein auf das von § 118 SGB VII unberührte Recht des Gesetzgebers zu jeglicher Art der Bestandsveränderung und damit auch zur Auflösung von Berufsgenossenschaften (zu diesem Recht: Quabach, in: Schlegel/Voelzke , jurisPK-SGB VII, § 118 Rn. 14, 36, Stand März 2014 und allgemein: Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87 Rn. 190, Stand August 2020). Löst der Bundesgesetzgeber hiernach eine Berufsgenossenschaft als bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträger auf, wird er die Versicherungsverhältnisse der aufgelösten Berufsgenossenschaft einer oder mehreren anderen Berufsgenossenschaften zuweisen oder einen neuen Träger in Gestalt einer bundesunmittelbaren Körperschaft einrichten. In diesem Rahmen hat für die finanziellen Verpflichtungen der aufgelösten Berufsgenossenschaft, sofern sich keine andere Lösung findet, gemäß § 120 SGB VII der Bund einzustehen. 39 Auch der nachkonstitutionelle Gesetzgeber hat mithin zunächst § 652 Abs. 2 RVO und sodann § 120 SGB VII in Fortführung des Verständnisses der vorkonstitutionellen Vorgängerregelungen als normative Grundlagen für eine Haftung - nunmehr des Bundes - für die finanziellen Verbindlichkeiten einer aufgelösten Berufsgenossenschaft bzw. eines aufgelösten Unfallversicherungsträgers begriffen. Dies gilt entgegen der Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts ungeachtet des Umstands, dass die nachkonstitutionellen Normen nicht mehr an eine Auflösung durch einen untergesetzlichen Hoheitsakt, sondern an eine Auflösung durch Gesetz anknüpfen und deshalb wegen der Kompetenz des Gesetzgebers, eine abweichende Regelung zu treffen, einen nur subsidiären Charakter haben. 40 ccc. In gesetzessystematischer Hinsicht ist für die Auslegung von § 120 SGB VII der verfassungsrechtliche Hintergrund in Gestalt von Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG von Belang. Nach dieser Vorschrift, auf die das Oberverwaltungsgericht nach seinem Lösungsansatz nicht einzugehen hatte, müssen diejenigen sozialen Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt, als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts geführt werden. Damit ist für die landesübergreifenden Sozialversicherungsträger eine mittelbare Verwaltung durch eigenständige Körperschaften vorgeschrieben. Eine unmittelbare Verwaltung durch Bundesbehörden ist nicht zulässig (BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 1983 - 2 BvL 23/81 - BVerfGE 63, 1 <35 f.>; Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87 Rn. 161, 201, Stand August 2020). 41 Die Klägerin weist hiernach zu Recht darauf hin, dass eine Auslegung des § 120 SGB VII, derzufolge der Bund im Fall der gesetzlichen Auflösung eines bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers beim Fehlen einer anderweitigen Bestimmung Gesamtrechtsnachfolger des aufgelösten Trägers werde, in Konflikt mit Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG geriete. Jedoch greift die von der Klägerin in der Folge befürwortete Deutung, der Inhalt des § 120 SGB VII bestehe allein in dem Hinweis darauf, dass der Bundesgesetzgeber mit der Auflösung eines bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers den Verwaltungs- und Vermögensbestand des aufgelösten Trägers in Übereinstimmung mit Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG einem anderen Träger der mittelbaren Bundesverwaltung übertragen müsse, zu kurz. Denn die Befugnis zu derartigen Veränderungen im Bestand der bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträger hat der Bundesgesetzgeber, wie bereits dargelegt, ohnehin. Der in § 120 SGB VII angelegte Aspekt einer im Zweifel eingreifenden finanziellen Belastung des Bundes käme in keiner Weise zum Tragen. Dieses Defizit tritt bei einer Interpretation des § 120 SGB VII als Regelung einer subsidiären Haftung des Bundes für die finanziellen Verbindlichkeiten des aufgelösten Unfallversicherungsträgers nicht ein. Auch ein solches Normverständnis vermeidet einen Widerspruch zu Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG, denn ein Einstehen des Bundes - auch - für die aufgelaufene Entschädigungslast eines aufgelösten Unfallversicherungsträgers kann nicht als ein Führen eines landesübergreifenden Sozialversicherungsträgers in bundesunmittelbarer Verwaltung qualifiziert werden. 42 Nach der Gesetzessystematik steht dem Verständnis des § 120 SGB VII als Haftungs- bzw. Garantieregelung ferner ein Vergleich mit derartigen Regelungen in anderen Bereichen des Sozialversicherungsrechts, insbesondere mit derjenigen des § 214 Abs. 1 SGB VI nicht entgegen. Es gibt insoweit keinen für alle Teilbereiche des Sozialversicherungsrechts maßgeblichen Regelungsstandard. Insoweit ergibt sich aus dem in anderem Zusammenhang bereits erwähnten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2011 - 8 C 53.09 - (BVerwGE 139, 87) keine abweichende Einschätzung. Das Bundesverwaltungsgericht hat in jenem Urteil für die Befugnis des Bundesrechnungshofs zur Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung eines Verbands von Unfallversicherungsträgern gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO auf eine Prüfungsunterworfenheit von drei Verbandsmitgliedern auf Grund einer gesetzlichen Garantieverpflichtung des Bundes aus dem Regelwerk zur Privatisierung der ehemaligen Deutschen Bundespost bzw. wegen erhaltener Bundeszuschüsse abgestellt (BVerwG, a.a.O. Rn. 16 ff.). Die Frage einer unabhängig hiervon bestehenden Befugnis des Bundesrechnungshofs für eine Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung von Verbandsmitgliedern aus § 120 SGB VII war in dem seinerzeitigen Verfahren nicht entscheidungserheblich. 43 ddd. Wie sich bereits den Darlegungen zur Entstehungsgeschichte des § 120 SGB VII entnehmen lässt, besteht der Zweck des § 120 SGB VII darin, eine subsidiär eingreifende, gegebenenfalls in geeigneter Form zu erfüllende Haftung des Bundes für die finanziellen Verbindlichkeiten - insbesondere auch für die aufgelaufene Entschädigungslast - eines durch Gesetz aufgelösten Unfallversicherungsträgers zu schaffen. Zur Illustration mag die noch unter Geltung der Reichsversicherungsordnung eingetretene, in finanzieller Hinsicht verheerende Situation dienen, in der sich die vormalige Bergbau-Berufsgenossenschaft Mitte der 1960er Jahre infolge des Niedergangs des deutschen Steinkohlebergbaus befand. Der Gesetzgeber versuchte seinerzeit, die genannte Berufsgenossenschaft von ihrer aufgelaufenen Entschädigungslast dadurch zu entlasten, dass er zum einen eine Umverteilung von Lasten auf alle anderen Berufsgenossenschaften vornahm und zum anderen einen Teil der Last in die Finanzierung durch den Bund übernahm (zu den seinerzeitigen gesetzgeberischen Maßnahmen und deren Verfassungsmäßigkeit: BVerfG, Beschlüsse vom 19. Dezember 1967 - 2 BvL 4/65 - BVerfGE 23, 12 ff. und vom 5. März 1974 - 1 BvL 17/72 - BVerfGE 36, 383 ff.). Hier hätte eine Alternative in der Auflösung der Bergbau-Berufsgenossenschaft, der Zuweisung der Versicherungsverhältnisse an andere Berufsgenossenschaften und der Übernahme des genannten Teils der Entschädigungslast durch den Bund als Folge seiner im Sinne einer Auffangregelung vorgeschriebenen Garantiehaftung bestanden. 44 bb. Mit seinem Regelungsgehalt als Haftungsbestimmung im Sinne einer Auffangregelung für die Übernahme der finanziellen Lasten eines gesetzlich aufgelösten bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers durch den Bund hat § 120 SGB VII konstitutive Bedeutung. Das Oberverwaltungsgericht nennt keine Rechtsgrundlage, auf die es seine Annahme stützt, der Bund trage ohnehin die finanzielle Verantwortung für die Verbindlichkeiten aller bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts, der § 120 SGB VII in Bezug auf die bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträger allenfalls deklaratorisch Ausdruck verleihe. Die Fragen, ob es jenseits spezialgesetzlicher Bestimmungen eine allgemeine staatliche Gewährträgerhaftung für juristische Personen des öffentlichen Rechts gibt, welche - insbesondere verfassungsrechtlichen - Vorschriften insoweit als normative Anknüpfungspunkte in Betracht kommen könnten und wie eine solche Haftung im Einzelnen ausgestaltet sein könnte, sind Gegenstand von kontroversen Erörterungen in der Literatur (vgl. etwa die Nachweise bei: Marz, NWVBl 2011, 201 <208>). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine staatliche Finanzierungsverantwortung vor allem in grundrechtlich unterfangenen Sonderkonstellationen angenommen worden (für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten auf Grund von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG: BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 1993 - 1 BvL 35/81 - BVerfGE 89, 144 <153 f.>; für Universitäten unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG: BGH, Urteil vom 10. Juli 1996 - VIII ZR 132/95 - WM 1996, 1968 <1970>; weiter ausgreifend aus vorkonstitutioneller Zeit für seitens des Staates zu seinen Zwecken gegründete Anstalten des öffentlichen Rechts: RG, Urteil vom 30. Oktober 1930 - IV 475/29 - RGZ 130, 169 <176 ff.>). In dieser allgemein nicht abschließend geklärten Rechtslage kann der durch § 120 SGB VII bewirkten bereichsspezifischen Klärung einer subsidiären Haftung des Bundes die konstitutive Bedeutung nicht abgesprochen werden. 45 2. Das Berufungsurteil kann nicht nach § 144 Abs. 4 VwGO auf Grund von Erwägungen aufrecht erhalten bleiben, auf die es aus Sicht der Vorinstanz mangels einer Befugnis des Bundesrechnungshofs zur Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Klägerin nicht angekommen ist. Die von der Klägerin angefochtene Prüfungsanordnung vom 19. März 2018 wird neben § 111 Abs. 1, § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG von § 94 Abs. 1, §§ 95, 95a BHO getragen. Sie ist, wie bereits das erstinstanzliche Urteil im Ergebnis zutreffend festgestellt hat, weder aus formell-rechtlichen noch aus materiell-rechtlichen Gründen nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben. Die von der Klägerin im Lauf des Rechtsstreits vorgebrachten Einwände greifen nicht durch. 46 Gemäß § 94 Abs. 1 BHO bestimmt der Bundesrechnungshof Zeit und Art der Prüfung und lässt erforderliche örtliche Erhebungen durch Beauftragte vornehmen. Nach § 95 Abs. 1 BHO sind dem Bundesrechnungshof Unterlagen, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält, auf Verlangen innerhalb einer bestimmten Frist zu übersenden oder seinen Beauftragten vorzulegen. Auf der Grundlage von § 95 Abs. 2 BHO sind dem Bundesrechnungshof und seinen Beauftragten die erbetenen Auskünfte zu erteilen. Die Vorschrift des § 95 BHO wurde um ihren dritten Absatz, wonach die Vorlage- und Auskunftspflicht nach den Absätzen 1 und 2 auch elektronisch gespeicherte Daten sowie deren automatisierten Abruf erfasst, erst nach Erlass der Prüfungsanordnung vom 19. März 2018 durch Gesetz vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) ergänzt. Diese Ergänzung hat allerdings kompetenzmäßig einen lediglich klarstellenden Charakter (BT-Drs. 19/4674 S. 299 f.). Aus dem bereits durch Gesetz vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3122) in die Bundeshaushaltsordnung eingefügten § 95a BHO ergibt sich die Befugnis des Bundesrechnungshofs, seine Rechte nach § 94 Abs. 1, § 95 BHO durch (Prüfungs-)Anordnungen, das heißt in der Form des Verwaltungsakts durchzusetzen (BT-Drs. 17/12639 S. 9 f.). 47 Auf den streitgegenständlichen Bescheid vom 19. März 2018, der ein Prüfungsverfahren nach diesen Vorschriften gegenüber der Klägerin anordnet, sind die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes grundsätzlich anwendbar (a.). Zuständiges Organ des Bundesrechnungshofs, der in der Anordnung in Übereinstimmung mit § 37 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 VwVfG als erlassende Behörde angegeben ist, war nicht dessen Präsident, sondern gemäß §§ 8, 9 Abs. 1 BRHG das Kollegium IX 5, dessen Mitglieder in zutreffender Weise abweichend von den Vorgaben des § 37 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 VwVfG den Bescheid unterzeichnet haben (b.). Sollte das Kollegium IX 5, wie von der Klägerin vorgetragen, andere Stellen des Bundesrechnungshofs in objektiv verfahrensfehlerhafter Weise an der Entscheidungsfindung beteiligt haben, könnte sich die Klägerin darauf nicht berufen (c.). Die Prüfungsanordnung ist mit dem bezeichneten Prüfungsgegenstand der Durchführung sozialmedizinischer Begutachtungen durch die Klägerin nach § 37 Abs. 1 VwVfG inhaltlich hinreichend bestimmt und nicht im Sinne von § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG auf eine tatsächlich unmögliche Handlung gerichtet (d.). Die Anordnung berührt das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin aus § 29 Abs. 1 SGB IV nicht in unverhältnismäßiger Weise (e.). Der Schutz der Sozialdaten der bei der Klägerin Versicherten wird nicht rechtswidrig eingeschränkt (f.). 48 a. Die Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder auf von den Rechnungshöfen erlassene Prüfungsanordnungen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bisher offengeblieben (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. April 1995 - 1 C 34.92 - DVBl 1995, 1091 <1092 f.>, insoweit in BVerwGE 98, 163 ff. nicht abgedruckt; generell ablehnend etwa: Keller/Stärkel, in: Heuer/Scheller , Kommentar zum Haushaltsrecht, Vorbem. zu §§ 94, 95 und 95a BHO Rn. 54 f., Stand Dezember 2018). Nachdem die Verwaltungsaktsbefugnis des Bundesrechnungshofs in § 95a BHO explizit geregelt worden ist, ist die Frage einer Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes auf die von dem Bundesrechnungshof erlassenen Prüfungsanordnungen dem Grunde nach zu bejahen. Der Gesetzgeber hat durch diese Regelung zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei dem Verfahren, das mit dem Erlass einer solchen Anordnung abgeschlossen wird, um ein Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 VwVfG handelt, und der Bundesrechnungshof insoweit gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 VwVfG als Behörde des Bundes eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit ausführt bzw. Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (BT-Drs. 17/12639 S. 9 in Weiterentwicklung der Ausführungen in BT-Drs. 10/3323 S. 10 und BT-Drs. 17/11473 S. 32; in diesem Sinne auch: Schwarz, in: v. Mangold/Klein/Starck/Huber/Voßkuhle , GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 114 Rn. 78; Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 114 Rn. 115, Stand April 2020). 49 Die Besonderheiten des Rechnungshofprüfungsverfahrens kommen gleichwohl in der sachlich gebotenen Weise zum Tragen. Spezielle Vorschriften des Bundesrechnungshofgesetzes oder der Bundeshaushaltsordnung, die unmittelbar den Erlass einer Prüfungsanordnung betreffen, verdrängen im Rahmen ihres Regelungsgehalts das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht gemäß § 1 Abs. 1 a.E. VwVfG. Soweit die genannten Regelwerke Bestimmungen enthalten, denen zwar keine unmittelbare Regelungswirkung für den Anordnungserlass zukommt, die jedoch in einem mittelbaren Zusammenhang mit diesem stehen, muss den Maßgaben dieser Bestimmungen bei der Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts auf die Prüfungsanordnungen Rechnung getragen werden. Dies betrifft vor allem den Umstand, dass das eigentliche Prüfungsverfahren, das sich an den Erlass einer Prüfungsanordnung anschließt, in Gestalt der §§ 89 ff. BHO - und vor allem durch die hier einschlägigen § 94 Abs. 1, § 95 BHO - eine die Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes jedenfalls grundsätzlich ausschließende spezielle Regelung erfahren hat (zu dieser Spezialität: Groß, VerwArch Bd. 95 <2004>, 194 <214>; Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 114 GG Rn. 26, Stand Februar 2018). Diese Regelung entfaltet eine Vorwirkung auf die vorab erlassenen Prüfungsanordnungen. 50 b. Die Prüfungsanordnung vom 19. März 2018 ist zu Recht nicht von dem Präsidenten des Bundesrechnungshofs erlassen worden. Die Organzuständigkeit lag bei dem nach dem kollegialen Aufbau des Hofbereichs im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 BRHG zu bestimmenden Entscheidungsgremium, das heißt im vorliegenden Fall bei dem (Zweier-)Kollegium IX 5 des Bundesrechnungshofs. Dessen Mitglieder haben diese Zuständigkeit nach außen mit Wirkung für den Bundesrechnungshof dadurch wahrgenommen, dass sie die Anordnung unterzeichnet haben. 51 Bei der Anordnung handelt es sich um eine Entscheidung im Sinne von § 8 BRHG. Sie erfüllt, obwohl sie nicht Teil des eigentlichen Prüfungsverfahrens nach § 94 Abs. 1, § 95 BHO ist, sondern diesem vorangeht, die Merkmale der in § 13 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrechnungshofs (GO-BRH) vom 19. November 1997 in der Fassung vom 13. Dezember 2016 enthaltenen Definition des Entscheidungsbegriffs. Sie stellt eine Regelung dar, die dazu bestimmt ist, die gesetzlich vorgesehenen Befugnisse und Pflichten des Bundesrechnungshofs im konkreten Fall - nämlich der Durchführung einer Prüfung - auszuüben und das Verfahren festzulegen. Diese Entscheidung war gemäß §§ 8, 9 Abs. 1 BRHG von dem Kollegium des Bundesrechnungshofs zu treffen, dem in dem nach § 7 BRHG, § 10 GO-BRH für das Jahr 2018 aufgestellten Geschäftsverteilungsplan des Bundesrechnungshofs als Prüfungsgebiet die Unfallversicherung zugewiesen war. Dies war, was zwischen den Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht nicht streitig ist, das Kollegium IX 5, hier in seiner gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 BRHG für den Regelfall vorgesehenen Zweierbesetzung. 52 Die in der Begründung des Gesetzentwurfs zur Einfügung des § 95a BHO in die Bundeshaushaltsordnung umrissene Konzeption, wonach der Präsident des Bundesrechnungshofs auf Grund seiner Außenvertretungskompetenz aus § 6 Abs. 1 Satz 1 BRHG die Prüfungsanordnungen des Bundesrechnungshofs zu erlassen habe, um hierdurch den Entscheidungen der zuständigen Mitglieder des Bundesrechnungshofs, die von ihnen für erforderlich gehaltenen Prüfungen durchzuführen, Geltung zu verschaffen (BT-Drs. 17/12639 S. 9), ist mit der durch Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten richterlichen Unabhängigkeit der Mitglieder nicht zu vereinbaren. Diese Unabhängigkeit besteht, was in § 6 Abs. 3 Satz 2 BRHG zum Ausdruck kommt, auch gegenüber dem Präsidenten des Bundesrechnungshofs (vgl. auch Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 114 GG Rn. 35, Stand Februar 2018). Die Verwirklichung der genannten Konzeption liefe demgegenüber auf eine potentielle Abhängigkeit der konkreten Prüfungstätigkeit der Mitglieder des Bundesrechnungshofs von einem Handeln des Präsidenten hinaus. Da diese Konzeption in dem Wortlaut des Bundesrechnungshofgesetzes keinen Niederschlag gefunden hat, kann sie ohne Weiteres unbeachtet bleiben. Dementsprechend nimmt § 3 Abs. 3 GO-BRH die Erfüllung der Prüfungs- und Beratungsaufgaben des Bundesrechnungshofs von der Außenvertretungskompetenz des Präsidenten ausdrücklich aus. 53 Nach diesen Maßgaben wird die Vorschrift des § 37 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 VwVfG, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten muss, für die Prüfungsanordnungen des Bundesrechnungshofs durch die speziellen Bestimmungen der §§ 8, 9 Abs. 1 BRHG verdrängt. Zu unterzeichnen haben die Mitglieder des jeweiligen Kollegiums, im vorliegenden Fall des (Zweier-)Kollegiums IX 5. Der Senat sieht keinen Anlass, die in dem erstinstanzlichen Urteil getroffene Feststellung zu bezweifeln, dass die Anordnung (mit den Namen K. und W.) von der zuständigen Abteilungsleiterin und dem zuständigen Prüfungsgebietsleiter des Kollegiums IX 5 des Bundesrechnungshofs unterzeichnet worden ist. 54 Zu alledem steht nicht in Widerspruch, dass die Behörde, die eine Prüfungsanordnung erlässt und als diese Behörde gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 VwVfG erkennbar sein muss, nicht das jeweilige Entscheidungsgremium des Bundesrechnungshofs, sondern der Bundesrechnungshof als solcher ist. Ausweislich von § 8 BRHG sind die Entscheidungen, die von den jeweils zuständigen Organen des Bundesrechnungshofs getroffen werden, Entscheidungen ""des"" Bundesrechnungshofs (dazu: Engels, in: Kahl/Waldhoff/Walter , Bonner Kommentar zum GG, Art. 114 Rn. 176, Stand August 2010). Diese einfachgesetzliche Ausgestaltung entspricht der verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG, der im Wortlaut von mehreren Mitgliedern ausgeht, aber die zu erledigenden Aufgaben als solche des Bundesrechnungshofs umschreibt (vgl. Kemmler, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Henneke , GG, 14. Aufl. 2018, Art. 114 Rn. 14). In dem Kopf der Anordnung vom 19. März 2018 wird dementsprechend zutreffend der Bundesrechnungshof - Außenstelle Potsdam - als erlassende Behörde genannt. 55 c. Die Klägerin hat im Lauf des Verfahrens gerügt, das für den Erlass der Prüfungsanordnung vom 19. März 2018 zuständige Kollegium IX 5 des Bundesrechnungshofs habe anderen Organen bzw. Stellen in Gestalt einer Mitzeichnung unzulässigen Einfluss auf die Entscheidung eingeräumt. Zwar könne die Beteiligung des Kollegiums I 1 den in § 15 GO-BRH enthaltenen Regelungen über die Zusammenarbeit der Kollegien des Bundesrechnungshofs entsprochen haben. Jedoch seien die dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofs sowie dem Referat Pr/R-H gewährten und von diesen in Anspruch genommenen Mitzeichnungsrechte - in Bezug auf das Referat Pr/R-H im Zusammenhang mit einem von dort aus unterbreiteten und von dem Kollegium IX 5 akzeptierten Änderungsvorschlag - nicht gesetzlich vorgesehen und mit der in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG verankerten richterlichen Unabhängigkeit der Mitglieder des Kollegiums IX 5 unvereinbar. 56 Das Oberverwaltungsgericht hat infolge seines eingeschränkten Prüfungsansatzes keine Feststellungen zu den tatsächlichen Grundlagen der von der Klägerin erhobenen Rüge getroffen. Wären diese gegeben, läge objektiv ein Verfahrensfehler vor. Zwar ist dadurch, dass das Kollegiums IX 5 des Bundesrechnungshofs die endgültige Entscheidung über den Erlass der Prüfungsanordnung getroffen hat, die durch §§ 8, 9 Abs. 1 BRHG vorgegebene Zuständigkeitsordnung eingehalten worden. Insoweit kommt es auf die Beteiligung von anderen Organen und Stellen des Bundesrechnungshofs, die zuvor stattgefunden haben mögen, nicht an. Die Mitglieder der kollegialen Entscheidungsorgane des Bundesrechnungshofs müssen jedoch nicht nur die diesen Organen zugewiesenen Zuständigkeiten bei ihren (Schluss-)Entscheidungen beachten. Sie müssen diese Entscheidungen darüber hinaus im Rahmen der ihnen gemäß Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG zustehenden richterlichen Unabhängigkeit unbeeinflusst von einer nicht normativ vorgesehenen Beteiligung anderer Organe bzw. Stellen des Bundesrechnungshofs und einer damit potentiell verbundenen Einflussnahme treffen. Dies wäre, träfe die Rüge der Klägerin zu, im vorliegenden Fall nicht gewährleistet gewesen. 57 Die Klägerin könnte sich indessen auf einen solchen Verfahrensfehler nicht berufen. Die in § 3 Abs. 1 BRHG genannten Mitglieder des Bundesrechnungshofs sind auf Grund der Gewährleistung des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG zwar den Richtern in ihrer Unabhängigkeit gleichgestellt (zu dem ihnen auf Grund dessen in persönlicher und sachlicher Hinsicht zustehenden Schutz: BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2019 - 6 C 1.18 - BVerwGE 164, 368 Rn. 12). Jedoch sind die Mitglieder des Bundesrechnungshofs selbst keine Richter, sondern Beamte (Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 114 GG Rn. 32, Stand Februar 2018). Die ihnen garantierte richterliche Unabhängigkeit prägt sich anders als die Unabhängigkeit der Richter nicht subjektiv-rechtlich für die den jeweiligen Verfahren Unterworfenen aus. Für die durch den Rechnungshof Geprüften gibt es kein subjektives ""Recht auf den gesetzlichen Rechnungshofprüfer"", das dem in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten Recht auf den gesetzlichen Richter entspräche. 58 d. Das Prüfungsverfahren, das durch eine Prüfungsanordnung des Bundesrechnungshofs angeordnet wird, ist durch zwei charakteristische Merkmale gekennzeichnet: Zum einen haben die Mitglieder des Bundesrechnungshofs aufgrund ihrer durch Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten richterlichen Unabhängigkeit autonom über die Auswahl des Prüfungsgegenstands sowie die Art, die Form, den Umfang, den Zeitpunkt und die Dauer einer Prüfung zu bestimmen (Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 114 Rn. 56, 112, Stand April 2020; Siekmann, in: Sachs , GG, 8. Aufl. 2018, Art. 114 Rn. 37). Zum anderen lässt sich vom Tatsächlichen her der Vorgang des Prüfens typischerweise nicht im Voraus detailliert planen und beschreiben. Denn der Sinn einer Prüfung besteht gerade darin, herauszufinden, welche Informationen für den Bundesrechnungshof überhaupt im Detail von Interesse sind. Erst am Ende der Prüfung steht fest, welche dieser Informationen bei der geprüften Stelle vorhanden sind. Ergeben sich im Verlauf der Prüfung neue Aspekte, liegt es in der Natur der Sache, dass die Prüfer darauf reagieren und ihr weiteres Vorgehen entsprechend anpassen müssen (Keller/Stärkel, in: Heuer/Scheller , Kommentar zum Haushaltsrecht, Vorbem. zu §§ 94, 95 und 95a BHO Rn. 36, Stand Dezember 2018). Mit Rücksicht sowohl auf die richterliche Unabhängigkeit der Prüfer als auch auf den iterativen Charakter des Prüfungsverfahrens räumen die für dieses Verfahren maßgeblichen Vorschriften der § 94 Abs. 1, § 95 BHO den Prüfern sehr weite Entscheidungsspielräume ein. Nach dem bereits erwähnten Erfordernis, den Regelungen für das spätere Prüfungsverfahren vorwirkend bereits bei der Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts auf den Erlass der vorhergehenden Prüfungsanordnung Rechnung zu tragen, muss sich die Weite dieser Spielräume, die den Prüfern des Bundesrechnungshofs in dem eigentlichen Prüfungsverfahren nach § 94 Abs. 1, § 95 BHO zukommen, in den Anforderungen an die Bestimmtheit einer Prüfungsanordnung nach § 37 Abs. 1 VwVfG widerspiegeln. 59 Nach diesen Vorgaben ist der Inhalt der Prüfungsanordnung vom 19. März 2018 hinreichend bestimmt. In der Anordnung ist als Prüfungsgegenstand die Durchführung sozialmedizinischer Begutachtungen durch die Klägerin bezeichnet. Der konkretisierenden Beschreibung dieses Gegenstands lässt sich entnehmen, dass es um von der Klägerin veranlasste ärztliche und psychologische Untersuchungsmaßnahmen von Versicherten und die Einbettung dieser Untersuchungen in die Leistungsverwaltung der Klägerin gehen soll. Mit Bezug hierauf werden der Klägerin Verpflichtungen zur Duldung von Erhebungen durch die Prüfer des Bundesrechnungshofs, insbesondere zur Gewährung von Zugang zu von den Prüfern für erforderlich gehaltenen Verfahren, Vorgängen und Unterlagen sowie zur Erteilung der von ihnen erbetenen Auskünfte auferlegt. 60 Der Einwand der Klägerin, sozialmedizinische Begutachtungen im Sinne eines von ihr wiedergegebenen Begriffsverständnisses gebe es im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung nicht, so dass der in der Prüfungsanordnung benannte und für deren Bestimmtheit wesentliche Prüfungsgegenstand auf eine tatsächlich unmögliche Handlung gerichtet und die Anordnung nach § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nichtig sei, liegt neben der Sache. Der Bundesrechnungshof hat in der Prüfungsanordnung dargelegt, was er für die von ihm beabsichtigte Prüfung - quasi als Arbeitstitel - als Durchführung sozialmedizinischer Begutachtungen durch die Klägerin verstanden wissen will. Allein darauf kommt es an. Wenn die Klägerin die Anordnung auch hiervon ausgehend für zu unbestimmt hält, rührt dies daher, dass sie die Vorwirkung der in § 94 Abs. 1, § 95 BHO enthaltenen weiten Vorgaben für das Prüfungsverfahren auf den nach § 37 Abs. 1 VwVfG zu fordernden Grad der inhaltlichen Bestimmtheit der konkreten Prüfungsanordnung nicht anerkennt. 61 e. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit (i.w.S.) der Prüfungsanordnung, die sich mit Blick auf das nicht grundrechtlich unterfangene Selbstverwaltungsrecht der Klägerin als körperschaftlich verfasster Sozialversicherungsträger aus § 29 Abs. 1 SGB IV beurteilt, hat - ähnlich wie in Bezug auf die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts und insbesondere des § 37 Abs. 1 VwVfG - die Vorwirkung der für das eigentliche Prüfungsverfahren geltenden Maßstäbe mit der dortigen Stellung des Bundesrechnungshofs als Herr des Verfahrens zu beachten. Im Ergebnis kann deshalb nur eine offensichtliche Unverhältnismäßigkeit (i.w.S.) der mit einer angeordneten Prüfung verbundenen Mühewaltung eines Prüfungsunterworfenen die Rechtswidrigkeit der vorangehenden Prüfungsanordnung zur Folge haben. 62 Nach diesem Maßstab kann die unter dem 19. März 2018 angeordnete Prüfung mit dem in der Anordnung umschriebenen Prüfungsgegenstand entgegen der Ansicht der Klägerin keineswegs als von vornherein ungeeignet qualifiziert werden, Aufschluss über die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Klägerin zu geben. Ferner ist die Klägerin zu einer Bearbeitung von Versichertenakten vor deren Vorlage an den Bundesrechnungshof, die sie aus Gründen des Schutzes der Sozialdaten der bei ihr Versicherten für erforderlich, jedoch vom Aufwand her für unzumutbar erachtet, wie sogleich darzulegen sein wird, nicht berechtigt. Sie ist darüber hinaus darauf zu verweisen, dass der Bundesrechnungshof in seiner Prüfungspraxis generell Stichproben akzeptiert (dazu: BVerwG, Urteil vom 6. März 2002 - 9 A 16.01 - BVerwGE 116, 92 <94>; Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 114 Rn. 112, Stand April 2020) und in der Begründung der angegriffenen Prüfungsanordnung angekündigt hat, auch im vorliegenden Fall entsprechend zu verfahren. 63 f. Nach dem Regelungsgehalt der Prüfungsanordnung vom 19. März 2018 hat die Klägerin den Prüfern des Bundesrechnungshofs auch Vorgänge und Unterlagen vorzulegen sowie Auskünfte zu erteilen, die personenbezogene Gesundheitsdaten der bei der Klägerin Versicherten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 und Art. 15 DSGVO enthalten, welche, weil sie von der Klägerin als Leistungsträger nach § 35 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 12, 22 SGB I verarbeitet werden, zugleich Sozialdaten gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 SGB X darstellen. Eine Regelung, die der Klägerin eine Anonymisierung oder Pseudonymisierung dieser Daten gestatten würde, enthält die Anordnung nicht. Sie bezieht sich auf die elektronisch oder in Papierform vorhandenen Vorgänge und Unterlagen im Original und schließt damit grundsätzlich jedwede Bearbeitung derselben durch die Klägerin vor der Übermittlung an den Bundesrechnungshof aus. Dieser Regelungsgehalt der Prüfungsanordnung widerspricht nicht den Maßgaben des einfachen Sozialdatenschutzrechts (aa.), das seinerseits mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG im Einklang steht (bb.) und den Vorgaben des Unionsrechts genügt, insbesondere in der Datenschutzgrundverordnung enthaltene mitgliedstaatliche Handlungsoptionen ausfüllt (cc.). 64 aa. Der Bundesrechnungshof stützt die der Klägerin in der Prüfungsanordnung auferlegten Verpflichtungen auf seine weitreichenden Befugnisse aus § 94 Abs. 1, § 95 BHO. Aus der Sicht der Klägerin als eines Leistungsträgers im Sinne des § 35 SGB I ist die Übermittlung von Sozialdaten an einen Rechnungshof indes nur unter den Voraussetzungen der § 67b Abs. 1 Satz 3, § 67c Abs. 3 Satz 1, § 69 Abs. 5, § 76 Abs. 2 Nr. 2 SGB X gestattet. Gemäß § 67b Abs. 1 Satz 3 SGB X ist die Übermittlung von biometrischen, genetischen oder Gesundheitsdaten abweichend von Art. 9 Abs. 2 Buchst. b, d bis j DSGVO nur zulässig, soweit eine gesetzliche Übermittlungsbefugnis nach den §§ 68 bis 77 SGB X oder nach einer anderen Rechtsvorschrift in dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch vorliegt. § 67c Abs. 3 Satz 1 SGB X bestimmt, dass eine Speicherung, Veränderung oder Nutzung von Sozialdaten zulässig ist, wenn sie für die Wahrnehmung von Aufsichts-, Kontroll- und Disziplinarbefugnissen, der Rechnungsprüfung oder der Durchführung von Organisationsuntersuchungen für den Verantwortlichen erforderlich ist. Nach § 69 Abs. 5 SGB X ist die Übermittlung von Sozialdaten zulässig für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Rechnungshöfe und der anderen Stellen, auf die § 67c Abs. 3 Satz 1 SGB X Anwendung findet. Schließlich ordnet § 76 Abs. 2 Nr. 2 SGB X an, dass unter anderem im Rahmen des § 69 Abs. 5 SGB X die Regelung des § 76 Abs. 1 SGB X nicht gilt, wonach die Übermittlung von Sozialdaten, die einer in § 35 SGB I genannten Stelle von einem Arzt oder einer Ärztin oder einer anderen in § 203 Abs. 1 und 4 StGB genannten Person zugänglich gemacht worden sind, nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, unter denen diese Person selbst übermittlungsbefugt wäre. 65 In die Betrachtung dieser unmittelbar einschlägigen Vorschriften einzubeziehen ist zunächst § 67b Abs. 1 Satz 4 SGB X, demzufolge § 22 Abs. 2 BDSG entsprechend gilt. Danach sind bei der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DSGVO angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Personen vorzusehen, wie sie in § 22 Abs. 2 Satz 2 BDSG exemplarisch aufgeführt sind. Ferner ist § 67d SGB X ergänzend zu berücksichtigen. Nach § 67d Abs. 1 Satz 1 SGB X liegt die Verantwortung für die Zulässigkeit der Datenübermittlung an einen Dritten grundsätzlich bei der übermittelnden Stelle. Wenn die Übermittlung auf Ersuchen des Dritten erfolgt, trägt dieser gemäß § 67d Abs. 1 Satz 2 SGB X die Verantwortung für die Richtigkeit der Angaben in seinem Ersuchen. Dies wird dahingehend verstanden, dass die übermittelnde Stelle sowohl die eigene Übermittlungsbefugnis zu prüfen als auch das Erforderlichkeitsprinzip zu berücksichtigen hat (Cormann, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 67d SGB X Rn. 6, Stand September 2020; in letztgenannter Hinsicht enger: Stähler, in: Diering/Timme/Stähler , SGB X, 5. Aufl. 2019, § 67d Rn. 2). § 67d Abs. 2 SGB X bestimmt sinngemäß, dass bei der zulässigen Übermittlung von Sozialdaten auch die mit diesen verbundenen und von ihnen nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand trennbaren Daten, für die keine Übermittlungsbefugnis besteht, gleichwohl übermittelt werden dürfen, wenn schutzwürdige Interessen der betroffenen Person oder eines Dritten an der Geheimhaltung dieser Daten nicht überwiegen. 66 Nach dem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verankerten sog. Doppeltürprinzip ist die Öffnung eines rechtmäßig für einen anderen Zweck angelegten Datenbestands für die Aufgabenwahrnehmung einer staatlichen Stelle nur dann mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar, wenn einerseits der Inhaber des Datenbestands gesetzlich berechtigt und verpflichtet ist, die Daten für die Wahrnehmung der staatlichen Aufgabe zu übermitteln, und andererseits die für die Aufgabe zuständige Behörde berechtigt ist, die Daten für diesen Zweck abzurufen. Sowohl die Übermittlung als auch der Abruf bedürfen jeweils einer gesetzlichen Grundlage. Nur wenn die Voraussetzungen beider Rechtsgrundlagen erfüllt sind, bildlich gesprochen beide den Zugang versperrenden Türen geöffnet sind, darf der Datenbestand zugunsten der Behörde zweckgebunden geöffnet werden (BVerfG, Beschlüsse vom 24. Januar 2012 - 1 BvR 1299/05 - BVerfGE 130, 151 <184, 200 ff.> und vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13, 1 BvR 2618/13 - BVerfGE 155, 119 Rn. 92 ff., 130 ff.; aus der Rechtsprechung des Senats: BVerwG, Beschluss vom 31. März 2021 - 6 B 41.20 - juris Rn. 9). Es liegt auf der Hand, dass die § 94 Abs. 1, § 95 BHO, wonach der Bundesrechnungshof Herr des Prüfungsverfahrens ist und somit grundsätzlich auch den Umfang der hierfür benötigten Daten bestimmt, den Datenabruf zum Zweck einer Rechnungshofprüfung unter weniger strengen Voraussetzungen gestatten, als sie in der differenzierten Regelung durch die genannten Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch für die Datenübermittlung durch einen Leistungsträger an den Bundesrechnungshof verlangt werden. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass eine Datenübermittlung, die sich nach den letztgenannten Vorschriften als zulässig erweist, erst recht den Maßgaben der § 94 Abs. 1, § 95 BHO genügt. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. 67 Kern des genannten Normbestands aus dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch ist die § 69 Abs. 5 i.V.m. § 67c Abs. 3 Satz 1 SGB X zu entnehmende Bestimmung, dass für die Übermittlung von Sozialdaten an einen Rechnungshof der Grundsatz der Erforderlichkeit gilt. Die Regelung stellt insoweit auf einen objektiven Maßstab ab und lässt für eine Relativierung im Sinne einer subjektiven Einschätzung seitens des (Bundes-)Rechnungshofs keinen Raum (so aber für § 94 Abs. 1, § 95 BHO: Keller/Stärkel, in: Heuer/Scheller , Kommentar zum Haushaltsrecht, § 94 BHO Rn. 54, Stand Dezember 2018; Klostermann, ebendort, § 95 BHO Rn. 7, Stand Juli 2001). Dies ergibt sich jedenfalls unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Hintergrunds der genannten Normen, auf den sich der Gesetzgeber bei ihrer Anpassung an die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung bezogen hat, unter anderem aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e und Art. 9 Abs. 2 Buchst. h DSGVO (BT-Drs. 18/12611 S. 105). Aus dem Unionsrecht folgt ferner, dass zu dem - die Geeignetheit mitumfassenden - objektiven Grundsatz der Erforderlichkeit derjenige der Angemessenheit hinzutreten muss. 68 Die Regelung aus § 69 Abs. 5 i.V.m. § 67c Abs. 3 Satz 1 SGB X hat, obwohl sie die Datenübermittlungsbefugnis der Leistungsträger betrifft, auch die Belange im Blick, denen die Regelungen der Datenabrufbefugnis der Rechnungshöfe dienen. Dies ergibt sich aus der Erwähnung der ""Wahrnehmung der Rechnungsprüfung"" in § 67c Abs. 3 Satz 1 SGB X sowie der ""Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Rechnungshöfe"" in § 69 Abs. 5 SGB X. Die Regelung aus § 69 Abs. 5 i.V.m. § 67c Abs. 3 Satz 1 SGB X ist damit offen für eine Berücksichtigung des Umstands, dass der Verlauf des eigentlichen Rechnungshofprüfungsverfahrens bei dem Erlass der hierauf bezogenen Prüfungsanordnung noch nicht absehbar ist. Das in einer Prüfungsanordnung enthaltene, an einen Leistungsträger gerichtete Gebot zur Übermittlung von Sozialdaten kann damit letztlich nur auf offensichtliche, bereits bei Erlass der Prüfungsanordnung ohne Weiteres feststellbare Verstöße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (i.w.S.) überprüft werden. 69 An die durch § 69 Abs. 5 i.V.m. § 67c Abs. 3 Satz 1 SGB X bewirkte Öffnung des Sozialdatenschutzrechts für die Berücksichtigung von Belangen, die sich aus den gesetzlichen Aufgaben der Rechnungshöfe ergeben, knüpfen sich weitere Rechtsfolgen. So kommt bei der Ableitung von Anforderungen aus § 67b Abs. 1 Satz 4 SGB X i.V.m. § 22 Abs. 2 BDSG dem Umstand maßgebliche Bedeutung zu, dass die Rechnungshöfe nach § 35 Abs. 1 Satz 4 SGB I nicht anders als die Leistungsträger selbst das Sozialgeheimnis aus § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I zu wahren haben. Ferner kann sich die in § 67d Abs. 1 Satz 1 SGB X vorgesehene Verteilung der administrativen Verantwortung für die Zulässigkeit einer Sozialdatenübermittlung in der Konstellation, in der die Übermittlung durch eine - der Bestandskraft fähige - Prüfungsanordnung eines Rechnungshofs gefordert wird, nicht auswirken. Will die übermittelnde Stelle der Anordnung auf Grund ihrer Beurteilung der Zulässigkeit der Übermittlung nicht nachkommen, muss sie diese anfechten. Die Prüfung der Erforderlichkeit hat dann im Verwaltungsprozess das Gericht vorzunehmen. Schließlich ist in den Fällen, in denen sich die angeforderte Übermittlung einer Unterlage bzw. Datei nach dem oben genannten, zurückgenommenen Maßstab als verhältnismäßig (i.w.S.) erweist, nicht mehr zu prüfen, ob von dem in ihr enthaltenen Datenbestand nicht ein Teil nach § 67d Abs. 2 SGB X abgetrennt werden kann. Die in dieser Vorschrift vorgesehene Güterabwägung wird durch den genannten Maßstab überlagert. 70 Gemessen an diesen normativen Vorgaben, verstößt der in der Prüfungsanordnung vom 19. März 2018 umschriebene Zugriff des Bundesrechnungshofs auf elektronisch oder in Papierform vorhandene Unterlagen und Vorgänge der Klägerin, auch soweit diese Sozialdaten der bei der Klägerin Versicherten enthalten, nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (i.w.S.) aus § 69 Abs. 5 i.V.m. § 67c Abs. 3 Satz 1 SGB X. Die Anordnung erstreckt sich insbesondere nicht auf Informationen, die in Bezug auf den von den Mitgliedern des Bundesrechnungshofs in richterlicher Unabhängigkeit festgelegten Prüfungsgegenstand der Durchführung sozialmedizinischer Begutachtungen durch die Klägerin von vornherein erkennbar irrelevant wären. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass es bei der Klägerin einen separat angelegten Datenbestand mit besonders sensiblen, dem Arztgeheimnis unterfallenden und für den Prüfungsgegenstand offensichtlich nicht bedeutsamen Gesundheitsdaten geben könnte. Die Klägerin hat vielmehr im Verfahren selbst vorgetragen, dass sie eine auf eine derartige Separierung hinauslaufende getrennte (elektronische) Aktenführung nicht vornimmt (vgl. zu einer gegebenenfalls restriktiven Datenübermittlung im Fall der Separierung: BVerwG, Urteil vom 11. Mai 1989 - 3 C 68.85 - BVerwGE 82, 56 <61> sowie nachgehend BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. April 1996 - 1 BvR 1226/89 - NJW 1997, 1633 <1634>). In der gegebenen Situation kann es nicht der Klägerin überlassen bleiben, die Dateien und Unterlagen speziell für die von dem Bundesrechnungshof angeordnete Prüfung aufzubereiten. Ebenso wenig kommt eine Übermittlung allein von anonymisierten oder pseudonymisierten Daten in Betracht. Im einen wie im anderen Fall wäre die Authentizität der gewonnenen Prüfungsergebnisse nicht gewährleistet. Beispielsweise bestünde die Gefahr, dass etwa zu Lasten der Klägerin vorgenommene Doppelabrechnungen von Leistungen nicht erkannt werden könnten. Im Übrigen wird aus der Begründung der angefochtenen Prüfungsanordnung deutlich, dass der Bundesrechnungshof seinen Zugriff auf die Sozialdaten der bei der Klägerin Versicherten und sonstige personenbezogene Daten auf das für die Prüfung unbedingt erforderliche Maß beschränken wird. Dies entspricht insbesondere der durch § 35 Abs. 1 Satz 4 SGB I statuierten eigenständigen Pflicht des Bundesrechnungshofs zur Wahrung des Sozialgeheimnisses der Betroffenen und seiner daraus erwachsenden gesetzlichen Fürsorgepflicht. In Anbetracht dieser Pflicht kann die Klägerin auch mit ihrer im Verfahren geäußerten und auf § 67b Abs. 1 Satz 4 SGB X i.V.m. § 22 Abs. 2 BDSG gestützten Rüge nicht durchdringen, der Bundesrechnungshof habe ihr ein Sicherheitskonzept über die Einhaltung der Anforderungen aus § 67b Abs. 1 Satz 4 SGB X i.V.m. § 22 Abs. 2 BDSG vorlegen müssen. 71 bb. Die Bestimmungen des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch, die die Übermittlung der von der Prüfungsanordnung vom 19. März 2018 betroffenen Daten an den Bundesrechnungshof tragen, begrenzen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der bei der Klägerin Versicherten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in wirksamer Weise. 72 Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei den von ihr als Sozialversicherungsträger erhobenen Gesundheitsdaten der Versicherten nicht um Daten, die im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen wären. Diese Daten unterliegen mithin nicht einem strikten, nicht durch eine Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes relativierbaren Schutz, dem der Gesetzgeber durch normenklare, eingriffsminimierende Regelungen sowohl auf der Ebene der Datenerhebung als auch auf derjenigen der nachgelagerten Datenauswertung und -verwertung Rechnung zu tragen hätte (dazu: BVerfG, Urteile vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274 <335 ff.> und vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 - BVerfGE 141, 220 Rn. 124 ff., 175 ff., 197 ff., 217 ff.). 73 Ob ein Sachverhalt dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung angehört, hängt davon ab, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder Belange der Gemeinschaft berührt. Maßgebend sind die Besonderheiten des jeweiligen Falles (grundlegend: BVerfG, Beschluss vom 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87 - BVerfGE 80, 367 <374>). In Bezug auf die Kommunikationsbeziehung zwischen Ärzten und Patienten gilt nichts Anderes (BVerfG, Urteile vom 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99 - BVerfGE 109, 279 <322 f.> und vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 - BVerfGE 141, 220 Rn. 121). In seiner den ärztlichen Bereich betreffenden Entscheidungspraxis hat das Bundesverfassungsgericht eine Zuordnung zum unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung weder für ärztliche Karteikarten noch für den vergleichbaren Kontext von Klientenakten einer Suchtberatungsstelle vorgenommen, sondern diese außerhalb der unantastbaren Intimsphäre der Betroffenen verortet (BVerfG, Beschlüsse vom 8. März 1972 - 2 BvR 28/71 - BVerfGE 32, 373 <379 f.> und vom 24. Mai 1977 - 2 BvR 988/75 - BVerfGE 44, 353 <372 f.>). Es hat des Weiteren die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt, wonach auch Patientenakten einer psychiatrischen Klinik im Ansatz nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (i.w.S.) einem Landesrechnungshof zugänglich gemacht werden dürfen, also nicht per se einen einer Abwägung entzogenen Schutz genießen (BVerwG, Urteil vom 11. Mai 1989 - 3 C 68.85 - BVerwGE 82, 56 <60 f.>; BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. April 1996 - 1 BvR 1226/89 - NJW 1997, 1633 <1634>). 74 Vor dem derart gekennzeichneten verfassungsrechtlichen Hintergrund sind die Sozialdaten der bei der Klägerin als einem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherten nicht dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung dieser Personen zuzuordnen. Die gesetzliche Unfallversicherung beruht ganz wesentlich auf dem sozialen Schutzprinzip. Zwischen den Unternehmen untereinander sowie den Unternehmen und den Versicherten besteht eine spezifische Solidaritäts- und Verantwortlichkeitsbeziehung nicht nur hinsichtlich des aktuellen Arbeitsunfall- und Berufskrankheiten-Geschehens, sondern auf Grund des Umlageprinzips und der gegebenenfalls jahrzehntelang zu erbringenden Entschädigungsleistungen über entsprechend viele Jahre und letztlich Generationen hinweg (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 34/05 R - juris Rn. 16 f.). In diesen sozialen Bezug sind die Daten der Versicherten einzuordnen, die im Zusammenhang mit tatsächlichen oder potentiellen Leistungsansprüchen erhoben worden sind. Dieser Sozialbezug besteht im Fall der Übermittlung der Daten an den die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Unfallversicherungsträgers prüfenden Bundesrechnungshof fort. Denn diese Prüfung dient der Funktionsfähigkeit des Trägers und damit auch der Erfüllbarkeit der tatsächlichen bzw. potentiellen Ansprüche der bei dem Träger Versicherten durch die spiegelbildlichen tatsächlichen bzw. potentiellen Leistungspflichten des Trägers. 75 Gemessen an den Vorgaben, die sich jenseits des Kernbereichs privater Lebensgestaltung für die Rechtfertigung von Eingriffen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ergeben (dazu etwa: BVerfG, Beschluss vom 10. November 2020 - 1 BvR 3214/15 - NVwZ 2021, 226 Rn. 84 ff.), bestehen in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit der in dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch enthaltenen Regelung für die Übermittlung von Sozialdaten durch einen Leistungsträger an einen Rechnungshof - hier denjenigen des Bundes - keine Bedenken. Die Regelung dient insbesondere im Hinblick auf die Aufgabe des Bundesrechnungshofs zur lückenlos durchzuführenden externen Finanzkontrolle der Sozialversicherungsträger einem legitimen Gemeinwohlzweck und wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (i.w.S.). Nach den bisherigen Darlegungen ist die Übermittlung von Sozialdaten auf Grund der beschriebenen Normen geeignet und erforderlich, damit der Bundesrechnungshof die genannte Aufgabe effektiv wahrnehmen kann. Die Übermittlung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne, weil die Sicherung der Effektivität der Kontrolle zu keinen unzumutbaren Einschränkungen des Schutzniveaus der Daten der Sozialversicherten führt. Dies hat seinen Grund darin, dass der Bundesrechnungshof und seine Mitarbeiter nicht anders als der jeweilige Sozialversicherungsträger und dessen Personal dem Sozialgeheimnis nach § 35 Abs. 1 SGB I unterliegen. 76 cc. Die Regelungen des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch zur Übermittlung von Sozialdaten zum Zweck der Rechnungshofkontrolle genügen den Vorgaben des Unionsrechts. Der von der Klägerin im Verfahren erhobene Einwand, es fehle an hinreichenden Vorkehrungen zur Wahrung des durch Art. 1 i.V.m. Art. 7 und 8 GRC unter Berücksichtigung von Art. 52 Abs. 1 Satz 1 GRC, Art. 9 Abs. 2 Buchst. g DSGVO geschützten Kernbereichs privater Lebensgestaltung, greift schon deshalb nicht durch, weil die in Rede stehenden Daten, wie zum nationalen Recht dargelegt, nicht dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen sind. Ferner hat der Senat keinen Zweifel daran, dass das Sozialdatenschutzrecht auch mit seiner Öffnung für die Belange der Rechnungshofprüfung von den zum einen in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e i.V.m. Abs. 2 sowie Abs. 3 Satz 1 Buchst. b und Satz 2 bis 4 DSGVO, zum anderen in Art. 9 Abs. 2 Buchst. h, Abs. 3 und 4 DSGVO enthaltenen mitgliedstaatlichen Handlungsoptionen umfasst wird, auf die sich der nationale Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren unter anderem und im Wesentlichen berufen hat (BT-Drs. 18/12611 S. 103 ff.). 77 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2021-31,20.05.2021,"Pressemitteilung Nr. 31/2021 vom 20.05.2021 EN Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zur Verfassungsmäßigkeit des BAföG-Bedarfssatzes für Studierende Die Regelung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG), nach der im Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 ein monatlicher Bedarf für Studierende in Höhe von 373 Euro galt (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG), verstößt nach Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts gegen den aus dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf chancengleichen Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten folgenden Anspruch auf Gewährleistung des ausbildungsbezogenen Existenzminimums (Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG - in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG). Das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb beschlossen, dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Vereinbarkeit des Bedarfssatzes mit den genannten Bestimmungen des Grundgesetzes zur Entscheidung vorzulegen. Die Klägerin studierte im Wintersemester 2014/2015 an einer staatlichen Hochschule in Deutschland. Sie erhielt für den Zeitraum Oktober 2014 bis Februar 2015 unter Anrechnung elterlichen Einkommens Ausbildungsförderung nach Maßgabe der Bestimmungen des BAföG. Die entsprechenden Förderungsbescheide griff die Klägerin mit der Begründung an, der für den fraglichen Zeitraum geltende Bedarfssatz für Studierende sei in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen. Ihre auf höhere BAföG-Leistungen gerichtete Klage blieb vor den Verwaltungsgerichten in erster und zweiter Instanz erfolglos. Nach Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Festlegung des Bedarfssatzes im Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 mit dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten (Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) nicht vereinbar. Dieses Teilhaberecht verpflichtet den Gesetzgeber, für die Wahrung gleicher Bildungschancen Sorge zu tragen und im Rahmen der staatlich geschaffenen Ausbildungskapazitäten allen entsprechend Qualifizierten eine (Hochschul-) Ausbildung in einer Weise zu ermöglichen, die den Zugang zur Ausbildung nicht von den Besitzverhältnissen der Eltern abhängig macht, sondern ihn so gestaltet, dass soziale Gegensätze hinreichend ausgeglichen werden und soziale Durchlässigkeit gewährleistet wird. Obgleich dem Gesetzgeber dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht, ist eine den Mindestanforderungen gerecht werdende Förderung verfassungsrechtlich geboten, die verhindert, dass das tatsächliche Gebrauchmachen von dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht nicht an einer unzureichenden finanziellen Ausstattung von Ausbildungswilligen scheitert. Weil dies voraussetzt, dass die materiellen Anforderungen für die Durchführung der Ausbildung gesichert sind, folgt aus dem Teilhaberecht ein Anspruch auf staatliche Förderung für diejenigen, die ihr ausbildungsbezogenes Existenzminimum nicht aus eigenen oder von Seiten Dritter (Eltern etc.) zur Verfügung gestellten Mitteln bestreiten können und deren Zugang zur Ausbildung, obgleich sie die subjektiven Zugangsvoraussetzungen erfüllen, ohne eine entsprechende staatliche Unterstützung aus tatsächlichen Gründen vereitelt oder unzumutbar erschwert würde. Dem ist der Gesetzgeber mit der Zielsetzung, Chancengleichheit zu ermöglichen, zwar in der Weise nachgekommen, dass er einen Rechtsanspruch auf Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung nach Maßgabe des Gesetzes einräumt, der den Lebensunterhalt und den Ausbildungsbedarf des Studierenden decken soll (§ 1, § 11 Abs. 1 BAföG). Allerdings ist er nach Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts mit der konkreten Festlegung des hier im Streit stehenden Bedarfssatzes hinter den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährleistung eines ausbildungsbezogenen Existenzminimums für den von ihm als förderungswürdig und -bedürftig ausgewiesenen Personenkreis zurückgeblieben. Die Ermittlung des Bedarfssatzes unterliegt der Prüfung, ob der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat. Dieser Prüfung hält der streitige Bedarfssatz nicht stand. Eine den vorgenannten Anforderungen gerecht werdende Festsetzung kann unter anderem deshalb nicht nachvollzogen werden, weil das gewählte Berechnungsverfahren im Unklaren lässt, zu welchen Anteilen der Pauschalbetrag auf den Lebensunterhalt einerseits und die Ausbildungskosten andererseits entfällt und diese abdecken soll. Zudem fehlt es an der im Hinblick auf die Lebenshaltungs- und Ausbildungskosten gebotenen zeitnahen Ermittlung des entsprechenden studentischen Bedarfs. Hier lag der Festsetzung aus dem Jahre 2010, die bis 2016 galt, eine Erhebung aus dem Jahr 2006 zugrunde. Weil das Bundesverwaltungsgericht als Fachgericht nicht befugt ist, die Verfassungswidrigkeit eines Parlamentsgesetzes selbst festzustellen, hat es das Revisionsverfahren ausgesetzt und die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. BVerwG 5 C 11.18 - Beschluss vom 20. Mai 2021 Vorinstanzen: OVG Lüneburg, 4 LC 392/16 - Beschluss vom 27. November 2018 - VG Osnabrück, 4 A 87/15 - Beschluss vom 17. November 2016 -","Die Festsetzung des ausbildungsförderungsrechtlichen Bedarfssatzes für Auszubildende in Hochschulen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG, der im streitigen Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 monatlich 373 Euro betrug, ist nicht vereinbar mit dem Teilhaberecht des Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Tenor Das Verfahren wird ausgesetzt.Dem Bundesverfassungsgericht wird gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 13 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesgesetzes über die individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1952), das für den hier relevanten Zeitraum (Oktober 2014 bis Februar 2015) zuletzt geändert worden ist für die Zeit bis zum 31. Dezember 2014 durch Artikel 5 des Gesetzes vom 29. August 2013 (BGBl. I S. 3484, 3899) und für die nachfolgende Zeit durch das Fünfundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2475), mit Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar ist. Gründe IDie Klägerin begehrt höhere Leistungen zur Ausbildungsförderung als diejenigen, die ihr die Beklagte nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bewilligt hat.Nachdem sie den Abschluss eines ""Bachelor of Science"" im Fach Psychologie erlangt hatte, nahm die Klägerin im Oktober 2014 bei der beklagten Universität ein Masterstudium auf, für dessen Durchführung sie Ausbildungsförderung beantragte. Mit Bescheid vom 28. November 2014 bewilligte ihr die Beklagte unter Anrechnung von Einkommen der Eltern Ausbildungsförderungsleistungen. Nach Änderungsbescheiden vom 27. Februar 2015 bewilligte die Beklagte mit weiteren Änderungsbescheiden vom 30. April 2015 aufgrund einer aktualisierten Einkommensmitteilung der Mutter der Klägerin für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2014 monatliche Leistungen in Höhe von 176 € und für den Zeitraum Januar bis Februar 2015 monatliche Leistungen in Höhe von 249 €. Für den Zeitraum März bis September 2015 lehnte die Beklagte wegen anzurechnenden elterlichen Einkommens die Gewährung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ab.Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Ziel, für die Monate Oktober 2014 bis Februar 2015 höhere Leistungen zu erhalten. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der durch § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG festgelegte monatliche Bedarf in Höhe von 373 € verfassungswidrig zu niedrig sei. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben.Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Gesetzgeber habe bei der Festlegung des monatlichen Bedarfs auf 373 € für Auszubildende in Hochschulen die sich aus dem Grundgesetz ergebenden Anforderungen beachtet. Der Bedarfssatz sei nicht an dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG, sondern in erster Linie an dem Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, und zwar an der sich in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG ergebenden teilhaberechtlichen Dimension dieses Grundrechts. Dem Gesetzgeber komme bei der Ausgestaltung des Ausbildungsförderungssystems ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu, bei dessen gerichtlicher Überprüfung nicht die gesteigerten verfahrensrechtlichen Vorgaben anzuwenden seien, die das Bundesverfassungsgericht aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für das Zweite Buch Sozialgesetzbuch und das Asylbewerberleistungsgesetz entwickelt habe. Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum sei erst dann verlassen, wenn in der Gesamtschau aller Leistungsparameter die sich aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine auf sozial verträgliche Teilhabe gerichtete Ausgestaltung des Ausbildungsförderungsrechts nicht mehr gegeben seien. Bezogen auf den Bedarf nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG sei dies dann anzunehmen, wenn dieser so niedrig angesetzt sei, dass auch in der Zusammenschau mit einer regelmäßig zu erwartenden, insbesondere durch die Nichtanrechnung des Kindergeldes geförderten elterlichen Unterstützung und/oder zumutbar erzielbaren eigenen Einkünften des Auszubildenden die Durchführung der geförderten Ausbildung allein aus wirtschaftlichen Gründen offensichtlich nicht möglich sei. Weder gebe das im Bundesausbildungsförderungsgesetz vorgesehene Verfahren zur Ermittlung des Bedarfs Anlass zu verfassungsrechtlichen Zweifeln, noch sei es zu beanstanden, dass die Bedarfsermittlung in den neueren Berichten der Bundesregierung nach § 35 BAföG davon ausgehe, dass das bei der Berechnung des elterlichen Einkommens nicht berücksichtigte Kindergeld den Finanzierungsspielraum der Auszubildenden erhöhe, wenn es an diese weitergereicht werde. Schließlich dürfe der Gesetzgeber auch davon ausgehen, dass es einem Auszubildenden grundsätzlich zumutbar sei, durch gelegentliche Nebentätigkeit einen Verdienst zu erzielen und so seine finanzielle Situation zu verbessern.Die Klägerin begründet ihre Revision, mit der sie ihr Ziel der Bewilligung höherer Ausbildungsförderung weiterverfolgt, im Wesentlichen damit, dass der Bedarfssatz des § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt sei. Die Bestimmung verstoße gegen Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, hilfsweise gegen den sich aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG ergebenden Anspruch auf ein System der individuellen Ausbildungsförderung zur Sicherung der Teilhabe am staatlichen Ausbildungsangebot. In beiden Fällen sei der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers anhand der vom Bundesverfassungsgericht für die Überprüfung der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums entwickelten Kriterien zu prüfen. Diesen Anforderungen werde § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG nicht gerecht. Insbesondere sei zu beanstanden, dass der Bedarfssatz auch die Ausbildungskosten abdecken müsse, weshalb nur ein deutlich geringerer Betrag für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehe. Die Bedarfsermittlung genüge nicht den an sie zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen, vor allem fehle es an der erforderlichen zeitnahen Aktualisierung des Bedarfs. Die Frage der Auskömmlichkeit des festgesetzten Bedarfs könne auch nicht mit einer Weiterreichung des Kindergeldes an die Auszubildenden verknüpft werden. Hierauf bestehe kein Rechtsanspruch. Außerdem werde das Kindergeld zur Finanzierung des elterlichen Beitrags am Bedarf der Auszubildenden benötigt und stehe den Eltern lediglich in den wenigen Fällen zusätzlich zur Verfügung, in denen eine staatliche Vollförderung der Ausbildung erfolge. Nebenerwerbe dürften nicht berücksichtigt werden, weil die Ausbildung darauf angelegt sei, die volle Arbeitskraft der Auszubildenden zu beanspruchen.Die Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.IIDas Verfahren ist gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen, um dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 13 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesgesetzes über die individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1952), das für den hier relevanten Zeitraum (Oktober 2014 bis Februar 2015) zuletzt für die Zeit bis zum 31. Dezember 2014 durch Artikel 5 des Gesetzes vom 29. August 2013 (BGBl. I S. 3484, 3899) und für die nachfolgende Zeit durch das Fünfundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2475) geändert worden ist, mit Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar ist.§ 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG in der Fassung des Dreiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (23. BAföGÄndG) vom 24. Oktober 2010 (BGBl. I S. 1422) legte den Bedarfssatz für Auszubildende u.a. in Hochschulen für den Lebensunterhalt und die Ausbildungskosten (§ 11 Abs. 1 BAföG) im Zeitraum von August 2010 bis Juli 2016 und somit auch im streitbefangenen Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 auf monatlich 373 € fest. Dieser Bedarfssatz wurde durch das Gesetz vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2475) ab August 2016 auf 399 € erhöht. Hinzu kamen noch Beträge für die Unterkunft (§ 13 Abs. 2 BAföG) und gegebenenfalls die Kranken- und Pflegeversicherung (§ 13a BAföG), die hier nicht streitbefangen sind. Auf die Gültigkeit von § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG kommt es für die Entscheidung des Senats über die Revision der Klägerin an (1.). Der Senat ist davon überzeugt, dass § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG mit Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar ist (2.). Eine verfassungskonforme Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG ist nicht möglich (3.).1. § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG ist für die Entscheidung über den Ausgangsrechtsstreit entscheidungserheblich im Sinne von Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG.Der monatliche Bedarf für den Lebensunterhalt und die Ausbildungskosten (ohne Kosten für Unterkunft sowie Kranken- und Pflegeversicherung) ist nach der im Streitfall anzuwendenden Fassung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG für Auszubildende in Hochschulen auf 373 € gesetzlich festgelegt. Hiervon ausgehend wurde der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum Oktober 2014 bis Februar 2015 unter Anrechnung des Einkommens ihrer Eltern nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften Ausbildungsförderung bewilligt. Zwischen den Beteiligten des Ausgangsrechtsstreits ist nicht umstritten, dass diese Berechnung fehlerfrei erfolgt ist und der Klägerin Ausbildungsförderung in dem ihr danach gesetzlich zustehenden Umfang bewilligt worden ist. Anhaltspunkte für eine insoweit fehlerhafte Berechnung bestehen nicht, sodass auch der Senat davon ausgeht, dass die Klägerin gesetzmäßige Leistungen der Ausbildungsförderung erhalten hat.Das auf die Bewilligung darüber hinausgehender Ausbildungsförderung gerichtete Begehren der Klägerin kann, da dies wegen der Bindung an die gesetzliche Regelung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG weder durch die Beklagte noch durch ein Gericht möglich ist, keinen Erfolg haben, sollte § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein. In diesem Fall wäre die Revision zurückzuweisen. Ist die Vorschrift hingegen entsprechend der Überzeugung des Senats wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG verfassungswidrig, wird die Revision Erfolg haben, jedenfalls soweit eine Anpassung des Bedarfssatzes für den hier in Rede stehenden Zeitraum verfassungsrechtlich erforderlich ist. Der Entscheidungserheblichkeit steht dabei nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht bei einer Unvereinbarkeitserklärung die weitere Anwendung des bisherigen Rechts anordnen kann (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - BVerfGE 125, 175 <218>).2. Die Festsetzung des Bedarfs für Auszubildende in Hochschulen durch § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG auf 373 € ist nach Überzeugung des Senats zwar nicht unvereinbar mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (a), wohl aber mit Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG (b).a) Die Festlegung des Bedarfssatzes für Auszubildende in Hochschulen auf 373 € durch § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG verstößt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gegen das sich aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG ergebende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Gewährleistung liegen für diejenigen, die eine Ausbildung an einer staatlichen Hochschule aufnehmen oder weiter durchführen wollen und sich daran aus finanziellen Gründen gehindert sehen, nicht vor. Eine die Menschenwürde tangierende Hilfebedürftigkeit bzw. Notlage, d.h. eine grundrechtstypische Gefährdungslage im Sinne von Art. 1 GG liegt für diese Gruppe - anders als etwa für die Gruppen der auf die staatliche Gewährleistung des Existenzminimums angewiesenen Personen, die mangels eigener Mittel ihren Lebensunterhalt wegen Erwerbsunfähigkeit, Erwerbslosigkeit oder als Asylbewerber nicht selbst absichern können - typischerweise nicht vor.Wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil er sie weder aus eigener Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen für dieses menschenwürdige Dasein zur Verfügung stehen (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68 Rn. 120 m.w.N.). Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch, für dessen Bemessung andere Grundrechte keine weiteren Maßstäbe setzen (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - BVerfGE 125, 175 <227>), erstreckt sich auf die unbedingt erforderlichen Mittel als einheitliche Gewährleistung zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68 Rn. 119). Dabei verwehrt das Grundgesetz dem Gesetzgeber nicht, die Inanspruchnahme sozialer Leistungen zur Sicherung der menschenwürdigen Existenz an den Nachranggrundsatz zu binden, also nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn Menschen ihre Existenz nicht vorrangig selbst, z.B. durch den Einsatz ihrer eigenen Arbeitskraft, sichern können. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf staatliche Unterstützung besteht also nur in Fällen, in denen wirkliche Bedürftigkeit vorliegt (BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68 Rn. 123 f. m.w.N.). Eine solche ist bei erwerbsfähigen Menschen anzunehmen, die keine Erwerbsarbeit haben oder finden (und einfachrechtlich regelmäßig von den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch - SGB II - erfasst werden), ferner bei Menschen, die nicht erwerbsfähig und deshalb auf staatliche Unterstützung angewiesen sind (einfachrechtlich regelmäßig erfasst von den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - SGB XII -), und bei Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. In diesen Fällen besteht typischerweise keine Wahlmöglichkeit, die Existenz durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern.Anders verhält es sich bei Auszubildenden in Hochschulen (vgl. Steinweg, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 11 Rn. 6). Diese sind typischerweise in der Lage, ihre Existenz durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu sichern und befinden sich deshalb nicht von vornherein in einer existenziellen, von der Menschenwürdegarantie erfassten Notlage. Vielmehr machen sie von ihrer Berufswahlfreiheit Gebrauch und streben durch die Absolvierung einer Hochschulausbildung eine Verbesserung ihrer Berufs- und Lebenschancen an. Dies ist typischerweise Ausdruck einer bewussten und gegebenenfalls revidierbaren Entscheidung, die (unbezahlte) Hochschulausbildung einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit vorzuziehen. Eine im Hinblick auf die Sicherung des existentiellen Lebensunterhalts ausweglose Zwangslage ist damit regelmäßig nicht verbunden. Denn im Falle des Verzichts auf eine Hochschulausbildung ist entweder eine ganz oder teilweise den Lebensunterhalt absichernde Erwerbstätigkeit möglich und zumutbar oder es greifen - im Falle, dass eine (volle) Erwerbstätigkeit nicht (sogleich) erlangt werden kann oder eine (teil- bzw. zeitweise) Erwerbsunfähigkeit vorliegt - die dem Schutz der Menschenwürde dienenden sozialen Sicherungssysteme ein, welche die Gewährung des Existenzminimums absichern. Das gilt auch für Menschen, die eine (Hochschul-)Ausbildung aufnehmen oder durchführen möchten, aber ihren Lebens- und Ausbildungsbedarf nicht durch eigene Mittel oder Ansprüche gegen Dritte decken können. Die aus sozialen bzw. finanziellen Gründen eingeschränkte oder verwehrte Chance, trotz Erfüllung der subjektiven Zugangsvoraussetzungen eine Hochschulausbildung nicht aufnehmen oder durchführen zu können, stellt sich - wie unten weiter darzulegen sein wird - als Beeinträchtigung des aus der Berufswahlfreiheit des Art. 12 Abs. 1 i.V.m. mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG folgenden Teilhaberechts dar, nicht aber als Verletzung der Menschenwürdegarantie. Der genannte Teilhabeanspruch ist nicht bereits in Art. 1 GG verankert. Nach der Systematik des Grundgesetzes sind die gesondert ausgewiesenen bzw. besonderen Freiheits- und Gleichheitsrechte nicht schon (in vollem Umfang) Bestandteil der Menschenwürdegarantie, sonst wäre ihre Aufzählung überflüssig.b) Die Festlegung des Bedarfssatzes für Auszubildende in Hochschulen auf 373 € durch § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG ist für den hier maßgeblichen Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Aus den genannten Vorschriften folgt eine objektiv-rechtliche Verpflichtung des Staates zur Schaffung eines Systems der Ausbildungsförderung, um die Teilhabe bedürftiger Auszubildender an den staatlich zur Verfügung gestellten Ausbildungsplätzen zu ermöglichen (aa). Mit dieser Verpflichtung korrespondiert ein subjektiv-rechtlich verfassungsrechtlicher Anspruch auf Ausbildungsförderung bedürftiger Auszubildender (bb). Bei der Ausgestaltung der Ausbildungsförderung steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung (cc). Die konkrete Ausgestaltung der Ausbildungsförderung kann gerichtlich nur darauf überprüft werden, ob die gesetzliche Festlegung der Ausbildungsförderung evident zu niedrig ist oder ob das Verfahren zur Festlegung Fehler aufweist (dd). Diesen Anforderungen genügt der in § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG auf 373 € festgelegte Bedarfssatz nicht (ee).aa) Der Staat ist aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG objektiv-rechtlich verpflichtet, ein Ausbildungsförderungssystem zu schaffen und zu unterhalten, um die Teilhabe bedürftiger Auszubildender an den staatlich zur Verfügung gestellten Ausbildungsplätzen zu ermöglichen.Soweit es das Bundesverwaltungsgericht bislang abgelehnt hat, grundrechtlich fundierte Ansprüche auf Förderung der Berufsausübung (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 2015 - 5 C 14.14 - BVerwGE 153, 292 Rn. 20 und Beschluss vom 27. Juli 2015 - 6 B 12.15 - Buchholz 402.43 § 21 MRRG Nr. 4 S. 7) oder auf finanzielle Unterstützung für eine Ausbildung (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1966 - 5 C 88.64 - BVerwGE 23, 149 <151>; ferner Urteil vom 2. Februar 1989 - 5 C 2.86 - BVerwGE 81, 242 <251>und Beschluss vom 16. September 1982 - 5 B 25.82 - Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 29) anzuerkennen, hat es sich allein auf das Freiheitsgrundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG bezogen. Inwieweit hieran mit Blick auf Auszubildende an staatlichen Hochschulen festzuhalten ist, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls folgt im Hinblick auf diese Auszubildenden eine objektiv-rechtliche Verpflichtung zur Ausbildungsförderung aus dem durch Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG vermittelten Teilhabeanspruch.Bereits in seinem ersten Numerus-clausus-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht den Grundrechtsgehalt des Art. 12 Abs. 1 GG grundlegend dahin präzisiert, dass dann, wenn der Staat gewisse Ausbildungseinrichtungen geschaffen hat, sich aus dem Gleichheitssatz in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip Ansprüche auf Zutritt zu diesen Einrichtungen ergeben, weil die freie Wahl der Ausbildungsstätte und der daraus folgende freie Zugang zu Ausbildungseinrichtungen als Freiheitsrecht ohne die tatsächlichen Voraussetzungen, das Recht auch in Anspruch nehmen zu können, wertlos wären (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 1972 - 1 BvL 32/70 u.a. - BVerfGE 33, 303 <331>). Aus der grundrechtlichen Verbürgung der freien Wahl der Ausbildungsstätte in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) ergibt sich ein derivatives Recht auf Teilhabe an den vorhandenen Studienangeboten, die der Staat mit öffentlichen Mitteln geschaffen hat (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2017 - 1 BvL 3/14 u.a. - BVerfGE 147, 253 Rn. 103 ff.). Das maßgebliche Begründungselement, dass das Freiheitsrecht auch tatsächlich in Anspruch genommen werden können muss, weil es ansonsten wertlos ist, greift nicht nur für den Zugang zu Ausbildungseinrichtungen als solchen, sondern auch für die wirtschaftlichen Voraussetzungen, eine Hochschulausbildung überhaupt durchführen zu können. Diesen Aspekt hat das Bundesverfassungsgericht im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 29. April 2009 - 6 C 16.08 - BVerwGE 134, 1 Rn. 20) im Zusammenhang mit der Erhebung von Studiengebühren aufgegriffen und ausgeführt, dass Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip den Gesetzgeber verpflichtet, auch im Bereich des Hochschulzugangs für die Wahrung gleicher Bildungschancen zu sorgen und den Belangen einkommensschwacher Bevölkerungskreise angemessen Rechnung zu tragen. Nicht erforderlich ist es danach zwar, sämtliche Erschwernisse durch soziale Begleitmaßnahmen zu kompensieren oder jegliche soziale, insbesondere ökonomische Ungleichheit, die ihren Ursprung in der Herkunft des Ausbildungswilligen haben kann, auszugleichen. Verfassungsrechtlich geboten ist aber ein sozial verträgliches, also entweder ein grundsätzlich für alle finanziell tragbares oder aber ein um ein Ausbildungsförderungssystem ergänztes Ausbildungsangebot, das im Rahmen der staatlich geschaffenen Ausbildungskapazitäten allen entsprechend Qualifizierten ein Studium ermöglicht und den Zugang zum Studium insbesondere nicht von den Besitzverhältnissen der Eltern abhängig macht. Der Gesetzgeber hat den Zugang zu Einrichtungen zur Ausübung grundrechtlicher Freiheit insgesamt so zu gestalten, dass die sozialen Gegensätze hinreichend ausgeglichen werden und soziale Durchlässigkeit gewährleistet wird. Es dürfen keine unüberwindlichen sozialen Barrieren vor dem Hochschulzugang errichtet werden (BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 2013 - 1 BvL 1/08 - BVerfGE 134, 1 Rn. 36 ff.).Dem Gesetzgeber ist danach nicht nur untersagt, den Zugang zur Ausbildungsstätte prohibitiv auszugestalten. Aus der grundrechtlichen Gewährleistung des chancengleichen Zugangs zu staatlich geschaffenen Ausbildungskapazitäten ergibt sich vielmehr, dass der Gesetzgeber bestehende prohibitiv wirkende Zugangshindernisse, wie etwa Mittellosigkeit, nicht tatenlos hinnehmen darf, sondern aktiv auf deren Beseitigung hinwirken muss, um denjenigen unbemittelten Auszubildenden, die einen entsprechenden Ausbildungsplatz erhalten haben, zu ermöglichen, die Ausbildung auch tatsächlich durchzuführen. Für den Zugang zum Hochschulstudium macht es keinen Unterschied, ob der Gesetzgeber unüberwindbare Zugangserschwernisse (etwa in Form hoher Studiengebühren) schafft, oder ob er bestehenden unüberwindlichen sozialen Barrieren, wie etwa der Aussicht, während der Ausbildung Lebensunterhalt und Ausbildungskosten nicht finanzieren zu können, nicht entgegentritt. In beiden Fällen sind unbemittelte Auszubildende von der Wahrnehmung einer Ausbildungsmöglichkeit, für die sie die Zugangsvoraussetzungen erfüllen, ausgeschlossen. Dementsprechend zielt der verfassungsrechtliche Grundrechtsschutz nicht nur auf die Abwehr von Eingriffen der öffentlichen Gewalt, sondern auch auf Teilhabe an staatlichen Leistungen (BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 2013 - 1 BvL 1/08 - BVerfGE 134, 1 Rn. 37). Hierzu und dementsprechend mit dem Ziel der Ermöglichung von Chancengleichheit hat der Gesetzgeber mit den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ein besonderes Sozialleistungssystem zur Ausbildungsförderung geschaffen, wozu er sich selbst als durch das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG verpflichtet angesehen hat (BT-Drs. VI/1975 S. 19).bb) Mit der objektiv-rechtlichen Verpflichtung korrespondiert ein subjektives Recht bedürftiger Auszubildender auf eine die Teilhabe erst tatsächlich ermöglichende staatliche Förderung.(1) Soweit eine auf Ausbildungsförderung bezogene Subjektivierung des Teilhaberechts aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG bislang auf Zurückhaltung oder Ablehnung gestoßen ist (vgl. Burgi, in: BK GG, Stand Februar 2019, Art. 12 Abs. 1 Rn. 336; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 12 Rn. 100; Mann, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 164; differenzierend wohl Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, 94. EL Januar 2021, Art. 12 Rn. 73 f.), vermag dem der Senat nicht zu folgen. Erst die sich auch auf die Ausbildungsförderung erstreckende subjektiv-rechtliche Verankerung des Teilhaberechts, die nach Überzeugung des Senats in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits fundiert oder zumindest angelegt ist, kann die Durchsetzung der objektiv-rechtlichen Gewährleistung in der Lebenswirklichkeit sicherstellen.Anerkanntermaßen muss der Staat, wenn er mit öffentlichen Mitteln Studienangebote schafft, den freien und gleichen Zugang zu ihnen gewährleisten. Für diejenigen, die die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG (und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) im Rahmen der vom Staat geschaffenen Ausbildungseinrichtungen ein subjektives Recht auf freien und gleichen Zugang zum Hochschulstudium ihrer Wahl (BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 2013 - 1 BvL 1/08 - BVerfGE 134, 1 Rn. 36). Dieses Recht findet seine konsequente Fortsetzung in dem Anspruch unbemittelter Auszubildender, die sich die angestrebte Ausbildung nicht leisten können, auf Gewährleistung der existentiellen wirtschaftlichen Voraussetzungen, welche die Durchführung eines Hochschulstudiums erst ermöglichen. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit bereits ausgeführt, dass der faktische Zwang, ein Studium mangels ausbildungssichernder Sozialleistungen abbrechen zu müssen, die teilhaberechtliche Dimension des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG berührt (BVerfG, Nichtannahmebeschlüsse vom 3. September 2014 - 1 BvR 1768/11 - juris Rn. 24 und vom 8. Oktober 2014 - 1 BvR 886/11 - juris Rn. 14). In gleicher Weise ist das Teilhaberecht betroffen, wenn ein faktischer Zwang besteht, ein Studium, für das die subjektiven Voraussetzungen erfüllt werden, mangels ausbildungssichernder Sozialleistungen von vornherein nicht aufnehmen zu können oder von dessen Fortsetzung absehen zu müssen.(2) Dieser Anspruch ist auf die Sicherstellung des existenziellen und ausbildungsbezogenen Bedarfs gerichtet.(a) Das ergibt sich bereits daraus, dass Inhalt und Ziel der teilhaberechtlichen Dimension des Grundrechts ohne diese Gewährleistung nicht erreicht werden können. Das Unvermögen von Ausbildungswilligen, die Ausbildung mit eigenen Mitteln oder durch (Unterhalts-)Ansprüche gegen Dritte zu finanzieren, darf keine ""unüberwindliche soziale Barriere"" (BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 2013 - 1 BvL 1/08 - BVerfGE 134, 1 Rn. 40) sein. Ohne die Sicherung des existentiellen und ausbildungsbezogenen Bedarfs wäre dies der Fall. Das macht es in Fällen der Bedürftigkeit erforderlich, dass jedenfalls die wirtschaftlichen Mindestvoraussetzungen für die Aufnahme und Durchführung einer Ausbildung an einer staatlichen Ausbildungsstätte gewährleistet werden, die sich sowohl auf den Lebensunterhalt als auch auf spezifische, mit der Ausbildung verbundene Kosten beziehen. Ohne diese Konturierung des Anspruchs wäre die Realisierung des Teilhaberechts aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaß gewährleistet, das verhindern soll, dass das tatsächliche Gebrauchmachen von dem grundrechtlichen Teilhaberecht nicht an einer unzureichenden finanziellen Ausstattung von Ausbildungswilligen scheitert. Weil dies voraussetzt, dass die Anforderungen an ein menschenwürdiges Dasein während der Ausbildung gesichert sind, folgt aus dem Teilhaberecht ein Anspruch auf staatliche Förderung für diejenigen, die ihren existenziellen und ausbildungsbezogenen Bedarf nicht aus eigenen oder von Seiten Dritter (Eltern etc.) zur Verfügung gestellten Mitteln bestreiten können und deren Zugang zur Ausbildung, obgleich sie die subjektiven Zugangsvoraussetzungen erfüllen, ohne eine entsprechende staatliche Unterstützung aus tatsächlichen Gründen vereitelt oder unzumutbar erschwert würde.(b) Darüber hinaus und obgleich dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Förderungssystems ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen ist, ist eine die vorgenannten Mindestanforderungen erfüllende und den existenziellen und ausbildungsbezogenen Bedarf absichernde Förderung auch deshalb verfassungsrechtlich geboten, weil der Gesetzgeber nur so den mit dem geltenden Ausbildungsförderungsrecht von ihm selbst gesetzten Maßstäben nachkommen und damit den aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) folgenden Anforderungen an die Folgerichtigkeit und Kohärenz der gesetzlichen Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht werden kann (vgl. zur Geltung des im Steuerrecht entwickelten Grundsatzes der Folgerichtigkeit im Sozialrecht BSG, Vorlagebeschluss vom 27. Januar 2009 - B 14 AS 5/08 R - juris Rn. 30 m.w.N.). Mit der Schaffung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes hat der Gesetzgeber von Anfang an für sich in Anspruch genommen, ein Förderungssystem zu schaffen, das aus Gründen der Chancengleichheit jedem bedürftigen Ausbildungswilligen Ausbildungsförderung in einem Umfang gewährt, der ihm die Absolvierung einer entsprechenden Ausbildung ermöglicht. Damit ist notwendig eine Förderung gemeint, welche zumindest den existenziellen und ausbildungsbezogenen Bedarf absichert. § 11 Abs. 1 BAföG lautet dementsprechend: Ausbildungsförderung wird für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet (Bedarf). Diesen selbst gesetzten Anspruch und das damit verbundene Leistungsversprechen muss der Gesetzgeber bei der Festlegung der Bedarfssätze (nach §§ 12 ff. BAföG) auch einlösen. Wenn der Gesetzgeber ein Förderungssystem schafft, das für sich in Anspruch nimmt, zur Ermöglichung einer Ausbildung den Lebensunterhalt für diejenigen zu sichern, deren Ausbildung das Gesetz als förderungsfähig ausweist und die es als förderungsbedürftig ansieht, weil sie bei entsprechendem Einsatz für ihre Ausbildung ihren Lebens- und Ausbildungsbedarf nicht mit verfügbaren (eigenen oder von Dritten, insbesondere Unterhaltsverpflichteten, zur Verfügung zu stellenden) Mitteln abdecken können, ist er aus dem Teilhaberecht des Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG verpflichtet, deren existenziellen und ausbildungsbezogenen Bedarf während der förderungsfähigen Ausbildung in einer Weise sicherzustellen, die verfassungsrechtlichen Maßstäben genügt.(3) Einfachgesetzliche Bezugsnorm, die den vorgenannten verfassungsrechtlichen Förderungsanspruch konkretisiert hat, ist mithin zunächst der Anspruch auf Gewährleistung der in § 11 Abs. 1 BAföG genannten Lebenshaltungs- und Ausbildungskosten. Erstere werden auch in § 35 Satz 2 BAföG als Kriterium aufgeführt. § 11 Abs. 1 BAföG nimmt demgegenüber nicht die in § 35 Satz 2 BAföG gleichfalls genannten Einkommensverhältnisse, die Vermögensbildung sowie die finanzwirtschaftliche Entwicklung, die sich auf die Bedarfssätze nur insoweit leistungsbegrenzend erstrecken kann, als diese über das verfassungsrechtliche gebotene Mindestmaß hinausgehen, in Bezug.Die Festsetzung der Bedarfssätze (in §§ 12, 13 BAföG) hat den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Sicherstellung des existenziellen und ausbildungsbezogenen Bedarfs während der Ausbildung gerecht zu werden. Dies erfordert zunächst, dass der zur Befriedigung dieses Anspruchs festgesetzte Betrag der fortwährenden zeitnahen Aktualisierung bedarf (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - BVerfGE 125, 175 <222>). Denn der Bedarf, auf den er sich bezieht, kann nur während der Ausbildung befriedigt werden und ist daher für die Verwirklichung des Teilhaberechts elementar. So kann eine Nichtberücksichtigung allgemeiner Preissteigerungen, die dazu führt, dass etwa die Kosten für den Lebensunterhalt nicht mehr gedeckt sind, zum Ausbildungsabbruch führen oder gar zwingen und insoweit eine unüberwindliche soziale Barriere darstellen. Das Gebot zeitnaher Aktualisierung ist im Sinne von ""so aktuell wie möglich"" zu verstehen. Zwischen der Ermittlung der Rohdaten, deren Aufbereitung und Auswertung sowie den vom Gesetzgeber hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen und deren Umsetzung in einem Gesetzgebungsverfahren vergeht zwangsläufig Zeit, sodass die geforderte Reaktion des Gesetzgebers auf sich verändernde Umstände unvermeidbar immer einen gewissen zeitlichen Versatz hat. Ob die in § 35 Satz 1 BAföG vorgesehene zweijährige Überprüfung u.a. der Bedarfssätze und ihre gegebenenfalls vorzunehmende Neufestsetzung dem Aktualisierungsgebot genügen, erscheint vor dem Hintergrund, dass kürzere Zeiträume und damit eine größere Aktualität ohne Weiteres möglich sind, wie die für den Bereich von SGB II und SGB XII in § 7 Abs. 1 des Regelbedarfsermittlungsgesetzes (RBEG) und § 28a SGB XII vorgesehene jährliche Aktualisierung zeigt, fraglich, bedarf hier aber keiner Entscheidung.cc) Bei der Ausgestaltung des Ausbildungsförderungsrechts steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu.Bereits das Recht auf gleichheitsgerechten Zugang zu den staatlich bereitgestellten Ausbildungsplätzen in Hochschulen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann und ist gesetzlich regelbar sowie - unter der Voraussetzung erschöpfender Ausnutzung aller Ausbildungskapazitäten - einschränkbar (BVerfG, Urteil vom 8. Februar 1977 - 1 BvF 1/76 u.a. - BVerfGE 43, 291 <314>). Mit Blick auf die Ausbildungsförderung hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass der Gesetzgeber beispielsweise ein bestehendes Förderkonzept unter Berufung auf gewichtige Gründe des Gemeinwohls zum Nachteil der Studierenden ändern kann (BVerfG, Beschlüsse vom 14. Oktober 1997 - 1 BvL 5/93 - BVerfGE 96, 330 <339> und vom 17. Juni 2002 - 1 BvR 1594/99 - NVwZ-RR 2002, 838). Ferner ist es in weitem Umfang der freien Gestaltung des Gesetzgebers überlassen, wie er dem Verfassungsgebot zur sozialen Absicherung allgemeiner Studiengebühren im Einzelnen Rechnung trägt (BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 2013 - 1 BvL 1/08 - BVerfGE 134, 1 Rn. 43). In vergleichbarer Weise bedarf die Festlegung der Einzelheiten der Ausbildungsförderung der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber. Ihm obliegt es, die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen der Ausbildungsförderung einschließlich von Eignungs- und Leistungsanforderungen festzulegen, wobei er angesichts des Umstandes, dass Ausbildungsförderung im Wege der Massenverwaltung erfolgt und auf möglichst einfach zu erzielende und schnell sowie eindeutig herbeizuführende Ergebnisse angewiesen ist, in weitem Umfang auf Pauschalisierungen und Typisierungen zurückgreifen kann. Er hat ferner einen großen Spielraum bezüglich der Gestaltung der Förderung dem Grunde nach wie auch in Bezug auf ihre Art und Weise. So kann er beispielsweise die Anzahl zu fördernder Ausbildungen oder auch die Förderungsdauer beschränken oder die (weitere) Förderung an die Aussicht eines erfolgreichen Ausbildungsabschlusses knüpfen und sie deshalb von Ausbildungsnachweisen abhängig machen.Der gesetzgeberische Ausgestaltungsspielraum erstreckt sich auch darauf, in welcher Weise der verfassungsrechtlich geschuldete existenzielle und ausbildungsbezogene Bedarf sichergestellt werden soll. Insoweit muss etwa die Förderung mit Blick auf eine typisierend zu erwartende künftige gute Einkommenslage nicht zwingend (vollumfänglich) als verlorener Zuschuss erfolgen. Der Spielraum erstreckt sich zudem auf die Feststellung der Bedürftigkeit, was Ausdruck in der Möglichkeit findet, einen eigenständigen ausbildungsförderungsrechtlichen Einkommensbegriff anzuwenden (BVerfG, Beschluss vom 6. November 1985 - 1 BvL 47/83 - BVerfGE 71, 146 <155>). Der Gesetzgeber kann daher in hinreichend deutlicher Weise auch ein System vorsehen, das etwa bei entsprechender Bemessung der Förderungshöchstdauer pauschal davon ausgeht, dass Auszubildende sich nicht ausschließlich der Ausbildung widmen, sondern einen bestimmten Anteil ihres Bedarfs durch Eigenleistungen (etwa durch Nebenerwerbe) selbst erwirtschaften, soweit dies mit Blick auf den Ausbildungserfolg zumutbar ist.dd) Die konkrete Ausgestaltung der Ausbildungsförderung kann gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob die gesetzliche Festlegung evident zu niedrig ist und die Festsetzung des Bedarfssatzes in dem Sinne nachvollziehbar ist, dass das Verfahren zu seiner Festlegung keine Fehler aufweist. Da das Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG zwar von Verfassungs wegen besteht, das Grundgesetz aber keine Vorgaben hinsichtlich seiner konkreten Bemessung enthält, können die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die gerichtliche Kontrolle zum Grundrecht auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG aufgestellten Maßstäbe (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - BVerfGE 125, 175 <225 f.>) hier entsprechend herangezogen werden. Uneingeschränkt übertragen auf die vorliegende Konstellation lassen sich zunächst die Erwägungen zur grundsätzlichen Beschränkung des gerichtlichen Kontrollmaßstabs auf eine Evidenzkontrolle. Denn sie sind in dem Sinne verallgemeinerungsfähig, dass sie stets dann Anwendung finden, wenn sich der jeweilige Anspruch zwar dem Grunde nach aus der Verfassung ergibt, die näheren Einzelheiten zu den Anspruchsvoraussetzungen und insbesondere auch zu seinem Umfang jedoch nicht unmittelbar hieraus abgeleitet werden können, sondern vielmehr - wie dargestellt - insoweit dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zukommt. Aus diesem Grunde beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle in einem ersten, ausschließlich auf das Gesamtergebnis bezogenen Schritt darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind. Ist dies nicht anzunehmen, erfordert das Teilhaberecht, dem sich konkret quantifizierbare Vorgaben nicht entnehmen lassen, eine ergänzende Verfahrenskontrolle, die die Nachvollziehbarkeit der gesetzlichen Festlegung zum Gegenstand hat. Die Anwendung auch dieses Maßstabs der gerichtlichen Kontrolle auf den hier in Rede stehenden Fall lässt sich zwar nicht unmittelbar auf den vom Bundesverfassungsgericht angeführten Aspekt der überragenden Bedeutung der Menschenwürdegarantie stützen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - BVerfGE 125, 175 <226>). Sie rechtfertigt sich aber mit Blick darauf, dass ohne eine auch verfahrensbezogene Prüfung der gesetzgeberischen Entscheidungen über den existenziellen und ausbildungsbezogenen Bedarf der Anspruch aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 GG vollständig leerzulaufen droht. Insofern ist eine der Bedeutung des Grundrechts für die Berufswahlfreiheit angemessene Nachvollziehbarkeit der gesetzlichen Leistungen nur zu gewährleisten, wenn die Festsetzungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu rechtfertigen sind. Zu prüfen ist deshalb in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums entwickelten Kriterien (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - BVerfGE 125, 175 <226>), ob der Gesetzgeber das Ziel, den existenziellen und ausbildungsbezogenen Bedarf für bedürftige Auszubildende zu sichern, in einer dem Teilhaberecht gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben hat, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung des existenziellen und ausbildungsbezogenen Bedarfs im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat. Zudem muss der Gesetzgeber der Pflicht zur Aktualisierung von Leistungsbeträgen nachgekommen sein, wenn und soweit dies unter Berücksichtigung der tatsächlichen Lebenshaltungs- und Ausbildungskosten zur Deckung des Mindestbedarfs erforderlich geworden ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - BVerfGE 132, 134 Rn. 79). Es besteht schließlich für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des existenziellen und ausbildungsbezogenen Bedarfs im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen. Kommt er ihr nicht hinreichend nach, steht die Ermittlung des existenziellen und ausbildungsbezogenen Bedarfs grundsätzlich bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang.ee) Den dargestellten Anforderungen genügt die Festsetzung des in § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG auf 373 € festgelegten Bedarfssatzes nicht. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf, ob er sich in verfassungswidriger Weise als evident zu niedrig erweist (1), weil jedenfalls das Verfahren zur Festlegung dieses Satzes gravierende Fehler und Unzulänglichkeiten aufweist, die für den hier relevanten Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 zur Verfassungswidrigkeit der Festsetzung führen (2).(1) Es spricht allerdings viel dafür, dass der seit August 2010 unveränderte Bedarfssatz in Höhe von 373 € monatlich im Zeitraum Oktober 2014 bis Februar 2015 bereits in verfassungswidriger Weise evident zu niedrig gewesen ist. Zweifel an seiner ausreichenden Bemessung (α) werden jedenfalls nicht dadurch ausgeräumt, dass eine Aufstockung der Mittel durch gelegentliche Nebenverdienste der Auszubildenden in Hochschulen (β) oder eine Weiterreichung von Kindergeld an diese (γ) in Rechnung zu stellen wäre.α) Ob die Bemessung des Bedarfssatzes noch ausreichend war, ist schon deshalb zweifelhaft, weil der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II, der ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleisten soll, im maßgeblichen Zeitraum signifikant höher lag. Die Leistungshöhe betrug 2014 für alleinstehende Personen in der Regelbedarfsstufe 1 bereits 391 € (§ 2 der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung vom 15. Oktober 2013, BGBl. I S. 3856) und stieg 2015 auf 399 € (§ 2 der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung vom 14. Oktober 2014, BGBl. I S. 1618). Auf die niedrigere Regelbedarfsstufe 3 (volljährige Haushaltsangehörige bzw. Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des kommunalen Trägers umziehen, § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 3 SGB II), die 313 bzw. 320 € monatlich betrug, ist nicht abzustellen, weil die Ermittlung des Bedarfssatzes nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz selber von dem sog. ""Normalstudenten"", also von Studierenden im Erststudium ausgeht, die nicht im Elternhaus wohnen (vgl. den Gesetzentwurf zum 23. BAföGÄndG, BT-Drs. 17/1551 S. 14, 27, der auf den 18. Bericht der Bundesregierung nach § 35 BAföG zur Überprüfung der Bedarfssätze verweist, BT-Drs. 17/485, der seinerseits die Ergebnisse der 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, Ziffer 7.1, S. 224, und 6.1.2, S. 174, in Bezug nimmt und zum Ausgangspunkt der normativen Bedarfsfestsetzung macht). Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Bedarfssatz nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG auch einen nicht näher bezifferten Anteil für Ausbildungskosten enthält (§ 11 Abs. 1 BAföG), lag der für den Lebensunterhalt zu veranschlagende Teil dieses Bedarfssatzes somit deutlich unterhalb des Regelsatzes nach dem SGB II. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die relative Entwicklung der jeweiligen Sätze. Während der Bedarfssatz nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG seit 2010 unverändert geblieben ist, ist die Regelleistung nach dem SGB II von 2010 (359 €, vgl. Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Absatz 2 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1. Juli 2010 vom 7. Juni 2010, BGBl. I S. 820) im Vergleich zu 2014 (391 €) um 8,91 % und im Vergleich zu 2015 (399 €) um 11,14 % angestiegen.Der vorgenannte Umstand führt zwar nicht zwangsläufig auf einen in verfassungswidriger Weise evident zu niedrig festgesetzten Bedarfssatz, weil in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums geklärt ist, dass der Gesetzgeber die Besonderheiten bestimmter Personengruppen berücksichtigen und eine Differenzierung vornehmen darf, soweit der Bedarf einer Personengruppe von dem anderer Bedürftiger signifikant abweicht und sich dies folgerichtig und transparent anhand des tatsächlichen Bedarfs belegen lässt (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - BVerfGE 132, 134 Rn. 73). Insofern erscheint es nicht ausgeschlossen, dass sich für Auszubildende in einer förderungsfähigen Ausbildung, die regelmäßig am Beginn ihrer wirtschaftlichen Selbstständigkeit stehen, gegenüber den Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII andere Bedarfe ergeben können. Die oben aufgezeigte im maßgeblichen Zeitraum bestehende auffallende Diskrepanz zwischen den beiden Bedarfssätzen, die beide der Aufgabe zu dienen bestimmt sind, das Existenzminimum bzw. den existentiellen Bedarf abzusichern, begründet jedoch Zweifel an der Auskömmlichkeit des erheblich niedrigeren Bedarfssatzes des § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG.Demgegenüber ergeben sich durchgreifende Anhaltspunkte für einen evident zu niedrig bemessenen Bedarfssatz nicht schon daraus, dass der Gesamtbedarf in Höhe von 373 € prozentual zwischen Lebensunterhaltskosten einer- und Ausbildungskosten andererseits aufgeteilt werden könnte und sodann jedenfalls ein Teilbetrag deutlich zu niedrig bemessen wäre. Zwar geht das Bundessozialgericht in Anlehnung an eine langjährige Praxis der Sozialhilfeträger davon aus, dass ein Betrag in Höhe von 20 % des ausbildungsförderungsrechtlichen Gesamtbedarfs (also einschließlich der Unterkunftskosten) auf die Ausbildungskosten entfalle und nur der Restbetrag für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehe (BSG, Urteil vom 17. März 2009 - B 14 AS 63/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 21 = juris Rn. 28 f.). Diese Einschätzung mag den praktischen Erfordernissen im Anwendungsbereich des SGB II Rechnung tragen. Für das Ausbildungsförderungsrecht fehlt es jedoch an einem entsprechenden normativen Ansatz, der es erlaubt, einen entsprechenden bzw. bestimmten prozentualen Anteil der Ausbildungskosten in nachvollziehbarer Weise zu ermitteln. Die Regelung des § 11b Abs. 2 Satz 5 und § 11a Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 1 Alt. 1 SGB II in der Fassung von Art. 1 Nr. 9 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S. 1824), wonach für u.a. die Ausbildungskosten von den Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ein pauschaler Abzug von mindestens 100 € vorzunehmen ist, gibt keinen Ansatzpunkt für eine betragsmäßige Aufteilung des Bedarfssatzes. Diese Regelung gilt erst seit dem 1. August 2016 und zudem nur für den Bereich des SGB II.β) Andererseits ist der Bedarfssatz in Höhe von 373 € monatlich nicht schon deshalb als ausreichend anzusehen, weil gelegentliche Nebenverdienste der Auszubildenden zu berücksichtigen sind, die das monatlich verfügbare Einkommen erhöhen und sich insofern bedarfsmindernd auswirken. Zwar hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung angenommen, auch Auszubildenden in Hochschulen sei es grundsätzlich zumutbar, durch eine gelegentliche - insbesondere in die vorlesungsfreie Zeit fallende - Nebentätigkeit, bei der es sich nicht um die Aufnahme einer mit der Ausbildung unvereinbaren Erwerbstätigkeit handle, einen Verdienst zu erzielen, der ausreiche, mindestens den Unterschiedsbetrag abzudecken, der sich etwa ergibt, wenn dem Betrag der gewährten Ausbildungsförderung der Betrag gegenübergestellt wird, der als Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes in Betracht kommen könnte (BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 1994 - 5 B 25.94 - Buchholz 436.0 § 26 BSHG Nr. 13 S. 3 m.w.N.; ebenso Steinweg, in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 11 Rn. 6 f.). Auch hinsichtlich der Anschaffung ausbildungsbezogener Gegenstände, deren Kosten nicht durch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz oder Rücklagen des Auszubildenden gedeckt sind, hat der Senat eine Finanzierung durch Aufstockung des Einkommens des Auszubildenden durch gelegentliche - insbesondere in die vorlesungsfreie Zeit fallende und mit der Ausbildung nicht unvereinbare - Nebentätigkeiten für zumutbar gehalten (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 5 C 8.15 - BVerwGE 153, 386 Rn. 25). An der Annahme einer Obliegenheit für den Auszubildenden, etwas hinzuzuverdienen, hält der Senat jedenfalls für die Frage der Bemessung des Bedarfssatzes für den hier maßgeblichen Zeitraum nicht fest, weil es dafür an hinreichenden normativen Anhaltspunkten mangelt. Vielmehr erweist sich die gesetzgeberische Konzeption des Bundesausbildungsförderungsgesetzes insoweit als eine andere.Der Gesetzgeber wäre zwar verfassungsrechtlich nicht grundsätzlich daran gehindert, bei der Bedarfsbemessung eine teilweise Bedarfsdeckung durch Nebenerwerbstätigkeiten der Auszubildenden pauschalierend zu berücksichtigen. Es ist jedoch weder erkennbar, dass der Gesetzgeber - jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitraum - eine entsprechende Konzeption bei der Festlegung der Bedarfssätze verfolgt noch dass sich eine solche sonst in der konkreten Ausgestaltung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes niedergeschlagen hat. Dieses geht vielmehr an keiner Stelle davon aus, dass geförderte Auszubildende neben ihrer Ausbildung erwerbstätig sein müssen, um über die zur Deckung des Lebensunterhalts und der Ausbildungskosten (§ 11 Abs. 1 BAföG) erforderlichen finanziellen Mittel zu verfügen. Dem Gesetz liegt sogar ausdrücklich das Leitbild zugrunde, dass eine förderungsfähige Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen vollständig in Anspruch nimmt (§ 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG). Dies konkretisiert sich in der Begrenzung der Förderungshöchstdauer in § 15a BAföG auf die Regelstudienzeit nach § 10 Abs. 2 HRG, also auf die Zeit, in der ein berufsqualifizierender Abschluss erworben werden kann. Die Regelstudienzeit schließt Zeiten einer in den Studiengang eingeordneten berufspraktischen Tätigkeit, praktische Studiensemester und Prüfungszeiten ein und ist maßgebend u.a. für die Gestaltung der Studiengänge durch die Hochschule und die Gestaltung des Prüfungsverfahrens. Für die Annahme, dass Auszubildende daneben noch gehalten sein sollen, Nebentätigkeiten nachzugehen, um ihren Lebensunterhalt und Ausbildungsbedarf zu decken, ergeben sich aus dem Bundesausbildungsförderungsgesetz keine tragfähigen Hinweise. Das Gesetz sieht nach seiner Konzeption vielmehr im Interesse einer zügig durchzuführenden Ausbildung von dieser Forderung ab. Es will ein Studium in der Regelstudienzeit ermöglichen und das im Interesse der Chancengleichheit durch die Gewährleistung des Ausbildungs- und Lebensbedarfs in einer Weise absichern, wie dies der Fall wäre, wenn den Betroffenen dazu ausreichende Leistungen Dritter - insbesondere Unterhaltsleistungen der Eltern - zur Verfügung stünden. Auch unterhaltsrechtlich trifft Studierende neben dem Studium in der Regel keine Erwerbsobliegenheit, weil sie sich (auch im Interesse des Unterhaltspflichtigen) mit ganzer Kraft sowie dem gehörigen Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit dem Studium widmen sollen, um dieses innerhalb angemessener und üblicher Dauer zu beenden. Dies gilt auch für die Zeit der Semesterferien, die neben der notwendigen Erholung der Wiederholung und Vertiefung des Stoffes dienen sollen, soweit sie nicht ohnehin durch studienbedingte Arbeiten ausgefüllt sind (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - XII ZR 240/93 - NJW 1995, 1215 <1217>).Aus dem allgemeinen Einkommensfreibetrag des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG, wonach vom Einkommen des Auszubildenden (seinerzeit) 255 € anrechnungsfrei bleiben, folgt nichts Anderes. Hieraus wie auch aus der Formulierung des § 2 Abs. 5 BAföG (vgl. hierzu Steinweg, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 11 Rn. 6) ergibt sich zwar, dass Auszubildende förderungsrechtlich nicht gehindert sind, in bestimmten Grenzen einem anrechnungsfreien Nebenerwerb nachzugehen. Eine Obliegenheit, Mittel in bestimmter Höhe hinzuzuverdienen, um damit den existentiellen Bedarf während der Ausbildung zu decken, lässt sich der gesetzlichen Einräumung des genannten Einkommensfreibetrages nicht entnehmen. Der Freibetrag dient vielmehr lediglich dazu, einerseits dem Auszubildenden einen Anreiz zu vermitteln, die Sozialleistungen im Wege der Selbsthilfe aufzustocken, und andererseits die Förderungsverwaltung im Interesse der Verwaltungsvereinfachung davon zu entlasten, Einkommen und Vermögen in jedem Einzelfall auch dann ermitteln und überprüfen zu müssen, wenn es die Schwelle der Erheblichkeit nicht überschreitet (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2014 - 5 C 3.14 - Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 18 Rn. 19).Dass ausbildungsförderungsrechtlich keine Obliegenheit oder gar Verpflichtung zu einem Nebenerwerb besteht, ergibt sich gesetzeshistorisch überdies aus dem dem 23. BAföGÄndG zugrundeliegenden 18. Bericht der Bundesregierung nach § 35 BAföG, der unter Hinweis auf ergänzende Kreditangebote der Kreditanstalt für Wiederaufbau davon ausgeht, dass eine die Ausbildung sichernde Bedarfsdeckung nach der Zielrichtung und Systematik des BAföG allein aus den Förderleistungen nach diesem Gesetz erfolgen können müsse (BT-Drs. 17/485 S. 45). Der Gesetzgeber hat auch im Anschluss daran, keine Entscheidung darüber getroffen, die dahin geht, dass - und insbesondere in welcher Höhe - bedürftige Auszubildende einen Teil der ihnen gesetzlich durch § 11 Abs. 1 BAföG zuerkannten Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt und die Ausbildung selbst durch Nebentätigkeiten zu erwirtschaften haben.γ) Eine verfassungsrechtlich auskömmliche Höhe des Bedarfssatzes nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG ergibt sich - entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts - auch nicht unter Berücksichtigung etwaigen Kindergeldes, das der kindergeldberechtigte Elternteil bezieht und an den Auszubildenden weiterreichen kann. Zwar trifft es zu, dass der für das 23. BAföGÄndG maßgebliche 18. Bericht der Bundesregierung nach § 35 BAföG ausführt, dass das den Eltern gewährte Kindergeld nicht bei der Einkommensanrechnung berücksichtigt werde und den Eltern dadurch das Kindergeld auch dann ungeschmälert zur Verfügung stehe, wenn mit Rücksicht auf ihr sonstiges Einkommen dem Auszubildenden der Förderungshöchstsatz gewährt werde. Soweit es weitergereicht werde, erhöhe es den Finanzierungsspielraum der Auszubildenden (BTDrs. 17/485 S. 45). Abgesehen davon, dass der Bericht seinem Wortlaut nach nur die Feststellung enthält, dass eine zusätzliche Geldzuwendung seitens der Eltern den Finanzierungsspielraum des betreffenden Auszubildenden erhöht, bedürfte es jedoch einer hinreichend klaren Entscheidung des Gesetzgebers, dass das von den Eltern freiwillig an Auszubildende weitergereichte Kindergeld bei der Bedarfsbemessung ganz oder teilweise zu berücksichtigen und auf den existenziellen Bedarf der Auszubildenden anzurechnen ist. Eine solche Entscheidung hat der Gesetzgeber jedenfalls nicht getroffen.Vielmehr hat der Gesetzgeber die Höhe des Bedarfssatzes des § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG unabhängig von einer etwaigen Weiterreichung des Kindergeldes an den Auszubildenden konzipiert. Das ergibt sich auch im Rückschluss daraus, dass nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG Ausbildungsförderung geleistet wird, wenn der Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts, für den er Ausbildungsförderung beantragt, das 30. Lebensjahr, bei Studiengängen nach § 7 Abs. 1a BAföG das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Kindergeld wird in Ausbildungsfällen regelmäßig aber nur bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres bewilligt (§ 32 Abs. 4 Nr. 2, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG). Ausbildungsförderung wird also weit über den Zeitpunkt hinaus geleistet, bis zu dem Kindergeld gewährt wird. Auch für diese Fälle muss der Bedarfssatz nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG aber bedarfsdeckend sein und kann deshalb nicht eine Weiterreichung von Kindergeld in Rechnung stellen. Soweit das Oberverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang anstelle des Kindergeldes eine mit fortschreitendem Alter zunehmende wirtschaftliche Selbstständigkeit von Auszubildenden in Rechnung stellen möchte, fehlt es nicht nur an einer aussagekräftigen empirischen, sondern vor allem auch an einer normativen Grundlage für diese Annahme.Gegen die Berücksichtigung der Möglichkeit einer Weiterreichung des Kindergeldes an den Auszubildenden sprechen darüber hinaus kindergeldrechtliche Erwägungen. Ursprünglich wurde das Kindergeld ausbildungsförderungsrechtlich als Einkommen der Eltern berücksichtigt. Dies änderte sich mit der ersatzlosen Streichung des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAföG a.F. durch Artikel 1 Nr. 17 Buchst. c) des Gesetzes zur Reform und Verbesserung der Ausbildungsförderung (Ausbildungsförderungsreformgesetz - AföRG) vom 19. März 2001 (BGBl. I S. 390). Soweit die Auffassung vertreten wird, diese Änderung habe für das Bewilligungsverfahren dasselbe Ergebnis wie eine wesentliche Erhöhung der Bedarfssätze und der Freibeträge (Knoop, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 21 Rn. 38), trifft dies jedenfalls hinsichtlich der Bedarfssätze nicht zu, auf die sich diese Rechtsänderung nicht auswirkt. So führt bereits die Gesetzesbegründung zum Ausbildungsförderungsreformgesetz aus, dass die Herausnahme des Kindergeldes aus dem Einkommensbegriff die gleiche Wirkung wie eine deutliche Anhebung (nur) der Freibeträge habe (BT-Drs. 14/4731 S. 21) und verweist zutreffend darauf, dass Kindergeld nach § 31 EStG als Steuervergütung gezahlt wird (BT-Drs. 14/4731 S. 38). Das als monatliche Steuervergütung (§ 31 Satz 3 EStG) gezahlte Kindergeld dient nach § 31 Satz 1 EStG dazu, einen Einkommensbetrag in Höhe des Existenzminimums des Kindes steuerlich freizustellen. Die steuerliche Freistellung des Familienexistenzminimums und damit auch des Existenzminimums eines Kindes ist verfassungsrechtlich geboten (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 u.a. - BVerfGE 82, 60). Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 EStG) und erfüllt damit eine von den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die steuerrechtliche Belastung unabhängige sozialrechtliche Funktion (BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412 <433>) ungeachtet dessen, dass das Kindergeld insoweit nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 23. November 2000 - VI R 165/99 - BFHE 193, 569) keine Sozialleistung, sondern eine einkommensteuerliche Förderung der Familie durch eine Sozialzwecknorm darstellt. Da der Ermittlung der ausbildungsförderrechtlichen Leistungsfähigkeit der Eltern deren versteuertes Einkommen zugrunde gelegt wird (§ 21 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 3 BAföG), bewirkt die ausbildungsförderungsrechtliche Ausklammerung des Kindergeldes aus dem Einkommen, dass der Beitrag der Eltern zum ausbildungsförderungsrechtlichen Bedarf, mit dem diese regelmäßig zugleich ihrer Unterhaltspflicht nachkommen, im Ergebnis aus steuerfreiem Einkommen erbracht werden kann, soweit das Existenzminimum des Kindes in Rede steht. Würde die Bemessung des Bedarfssatzes nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG generell die Weiterreichung des Kindergeldes berücksichtigen, würde dieser steuerrechtliche Zusammenhang nicht berücksichtigt. Eltern, die ihren ausbildungsförderungsrechtlich ermittelten Anteil an der Deckung des Bedarfs ihres in Ausbildung befindlichen Kindes erbringen, würden bei darüberhinausgehender, zusätzlicher (und vollständiger) Weitergabe des Kindergeldes im Ergebnis ihren Beitrag zur Bedarfsdeckung und Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht auch in Höhe des Existenzminimums des Kindes aus versteuertem Einkommen leisten. Bei der hier gebotenen abstrakten Betrachtung kommt es nicht darauf an, ob dies anders zu beurteilen wäre, soweit das Kindergeld der Förderung der Familie dient oder in einem - hier nicht vorliegenden - Fall der sog. Vollförderung, in denen die Eltern aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse ausbildungsförderungsrechtlich nicht zur Bedarfsdeckung beizutragen haben.Schließlich kann bei der Bewertung der Auskömmlichkeit des Bedarfssatzes nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG eine Weiterleitung des Kindergeldes auch deshalb nicht ohne Weiteres in Rechnung gestellt werden, weil das in Ausbildung befindliche Kind keinen Rechtsanspruch hierauf hat. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrecht auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums ist geklärt, dass ein Hilfebedürftiger nicht auf freiwillige Leistungen des Staates oder Dritter verwiesen werden darf, deren Erbringung nicht durch ein subjektives Recht des Hilfebedürftigen gewährleistet ist (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - BVerfGE 125, 175 <223>). Gründe für eine andere Beurteilung im Rahmen des existenziellen und ausbildungsbezogenen Bedarfs sind für den Senat nicht ersichtlich. Lediglich unter den engen Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 EStG besteht ein Anspruch des Auszubildenden gegen die kindergeldbewilligende Stelle auf Abzweigung des Kindergeldes und Auszahlung unmittelbar an ihn selbst. Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor, wenn - wie regelmäßig zu erwarten und so auch hier - der kindergeldberechtigte Elternteil seinen Unterhaltsverpflichtungen nachkommt.(2) Die Festlegung des Bedarfssatzes weist verschiedene schwerwiegende methodische Fehler auf, die - bereits jeder für sich - die Verfassungswidrigkeit der Regelung begründen. Dies betrifft zunächst die Ermittlung des Bedarfssatzes (α), des Weiteren die mangelnde betragsmäßige Abgrenzung von Lebenshaltungs- und Ausbildungskosten im Bedarfssatz (β) sowie schließlich auch seine mangelnde zeitnahe Aktualisierung (γ).α) Die Ermittlung des Bedarfssatzes ist jedenfalls im Hinblick auf die Wahl der maßgeblichen Bezugsgruppe zu beanstanden. Das 23. BAföGÄndG stützt sich - wie erwähnt - auf den 18. Bericht der Bundesregierung nach § 35 BAföG, der sich wiederum auf die 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks vom Sommer 2007 bezieht. Ob die Ermittlung des Bedarfssatzes nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG vollständig auf einer hinreichend verlässlichen Datengrundlage beruht und in allen maßgeblichen Ermittlungs- und Berechnungsschritten nachvollziehbar ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn in die Ermittlung des Bedarfssatzes sind jedenfalls zu Unrecht studentische Haushalte einbezogen worden, die ausschließlich über ein Einkommen in Höhe der staatlichen Ausbildungsförderungsleistungen verfügen.Die angesprochene 18. Sozialerhebung basiert auf einer im Sommer 2006 durchgeführten Befragung von 17 000 Studierenden (Vorwort der 18. Sozialerhebung, S. III). Die Beschreibung studentischer Ausgaben bezieht sich auf die Gruppe der ""Normalstudenten"", worunter die Sozialerhebung Studierende im Erststudium versteht, die nicht im Elternhaus wohnen (Ziffern 7.1, S. 224 und 6.1.2, S. 174 der 18. Sozialerhebung). Hierunter sind auch studentische Haushalte, die ausschließlich über Einkommen nach BAföG verfügen (vgl. S. 177 der 18. Sozialerhebung: ""Ziel der nachfolgenden Betrachtung ist es, die im Sommer 2006 vorgefundene Situation der Finanzierung des Studiums darzustellen und herauszuarbeiten, in welcher Weise die ordnungspolitische Grundvorstellung der Alimentation der Studierenden durch Eltern oder ersatzweise nach dem BAföG umgesetzt ist.""). Auch diese Gruppe ist Teil der Referenzgruppe für die Ermittlung des studentischen (Mindest-)Bedarfs, deren Ausgaben in den Durchschnittswert der entsprechenden Ausgaben der Studierenden im 1. und 2. Einkommensquartil einfließen und so den Bedarfssatz nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG beeinflussen. Dass dies nur in einem geringen und deshalb zu vernachlässigenden Ausmaß erfolgt wäre, ergibt sich weder aus der Sozialerhebung noch sind dafür sonst Anhaltspunkte ersichtlich.Die Höhe des Bedarfssatzes von 373 € ist wegen der Berücksichtigung dieser studentischen Haushalte, die ausschließlich über Einkommen nach dem BAföG verfügen, nicht nachvollziehbar. Im Hinblick auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist geklärt, dass das, was Menschen zur Existenzsicherung benötigen, tragfähig nicht in Orientierung gerade an den Personen bemessen werden kann, die mit gleich viel oder mit geringeren finanziellen Mitteln auskommen müssen, als ihnen existenzsichernd zustehen (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - BVerfGE 137, 34 Rn. 102). Weil die Berücksichtigung entsprechender Haushalte zu Zirkelschlüssen führt, hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 des Regelbedarfsermittlungsgesetzes (RBEG) Haushalte, die ausschließlich die entsprechenden Sozialleistungen beziehen, für die Ermittlung des Bedarfssatzes nach dem SGB II und SGB XII ausgeklammert. Der Senat vermag keine Gründe zu erkennen, die im Rahmen der Gewährleistung des existenziellen und ausbildungsbezogenen Bedarfs eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten.Die Berücksichtigung studentischer Haushalte, die lediglich mit einem Einkommen in Höhe des BAföG-Bedarfssatzes auskommen müssen, wirkt auf die aktuelle Rechtslage fort. Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine insoweit geänderte Methodik im Rahmen der Bedarfsfeststellung. Der dem (aktuellen) 26. BAföGÄndG vom 8. Juli 2019 (BGBl. I S. 1048) zugrundeliegende Gesetzentwurf (BT-Drs. 19/8749) basiert maßgeblich auf dem 21. Bericht der Bundesregierung nach § 35 BAföG (BT-Drs. 19/275) und damit der diesem zugrundeliegenden 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks. Diese erfasst bei der Ermittlung der Ausgaben in Abhängigkeit von der Höhe der Einnahmen auf das untere Einnahmequartil (bis 700 Euro monatlich) auch studentische Haushalte, die nur über finanzielle Mittel in Höhe des BAföG-Bedarfssatzes verfügen (S. 48). Soweit der Gesetzentwurf (S. 21) auch auf Daten zur seit Herbst 2016 ""weiteren Entwicklung im Bereich der Ausbildungsförderung"" rekurriert, bleibt völlig unklar, um welche Daten es sich hierbei handelt und welche Validität diese haben.β) Der im Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 in Höhe von 373 € festgesetzte Bedarfssatz nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG soll die Kosten für den Lebensunterhalt und die Ausbildung umfassen (§ 11 Abs. 1 BAföG). Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, welcher Teilbetrag für den Lebensunterhalt und welcher für die Ausbildungskosten zur Verfügung steht, sodass letztlich auch die Bemessung des Gesamtbetrages nicht nachvollzogen werden kann. Weder das Gesetz noch die Materialien zum 23. BAföGÄndG, also insbesondere der Gesetzentwurf (BT-Drs. 17/1551) und der 18. Bericht der Bundesregierung nach § 35 BAföG (BT-Drs. 17/485), der auf der Grundlage der 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks vom Juni 2007 erstellt worden ist, legen die Teilbeträge fest oder lassen zumindest greifbare Anhaltspunkte dafür erkennen. Dies hat auch die Bundesregierung in ihrer Antwort vom 5. November 2014 auf parlamentarische Anfragen ausdrücklich zugestanden (BT-Drs. 18/3215 S. 63 f.). Danach liegen den Bedarfssätzen nach §§ 11 ff. BAföG keine konkreten statistischen Bezugsgrößen oder Vergleichskalkulationen zugrunde, die einzelne BAföG-Bedarfsbestandteile betreffen. Vielmehr seien die Sätze vom Gesetzgeber unter Bezugnahme auf einen weiten Ermessensspielraum bei Leistungsgesetzen ""typisierend"" und mit der erstmaligen bundesgesetzlichen Kodifizierung im BAföG vom 26. August 1971 ""normativ wertend"" festgesetzt worden und würden seither in ihrer relativen Entwicklung (prozentuale Steigerungen) auf der Basis der Erkenntnisse der Berichte der Bundesregierung nach § 35 BAföG fortgeschrieben.Auch eine prozentuale Aufteilung des Bedarfssatzes, wie sie das Bundessozialgericht für den Anwendungsbereich des SGB II befürwortet (BSG, Urteil vom 17. März 2009 - B 14 AS 63/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 21), ist - wie bereits ausgeführt - im Ausbildungsförderungsrecht mangels einer entsprechenden normativen Verankerung nicht möglich. Schließlich kann die (erst) seit dem 1. August 2016 nur für den Anwendungsbereich des SGB II geltende Regelung des § 11b Abs. 2 Satz 5 und § 11a Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 1 Alt. 1 SGB II in der Fassung von Art. 1 Nr. 9 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S. 1824), wonach von den Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ein pauschaler Abzug von mindestens 100 € vorzunehmen ist, hier nicht herangezogen werden.Die mangelnde Erhebung und Festsetzung des Bedarfs für den Lebensunterhalt einerseits und die Ausbildungskosten andererseits besteht auch aktuell fort. So lässt beispielsweise weder der Gesetzentwurf (BT-Drs. 19/8749) zum 26. BAföGÄndG vom 8. Juli 2019 (BGBl. I S. 1048), das die aktuelle Höhe des in Rede stehenden Bedarfssatzes regelt, noch der zugehörige 21. Bericht der Bundesregierung nach § 35 BAföG (BT-Drs. 19/275) oder die diesem zugrundeliegende 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks eine entsprechende Aufteilung erkennen. Soweit Letztere auf S. 48 die durchschnittlichen Ausgaben für Lernmittel im Sommersemester 2016 mit 20 € beziffert, bleiben darüberhinausgehende Ausbildungskosten, etwa Semesterbeiträge, unberücksichtigt.γ) Der Bedarfssatz des § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG in Höhe von 373 € verfehlt im streitbefangenen Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 auch wegen der unterbliebenen zeitnahen Anpassung die von Verfassungs wegen gebotenen Anforderungen. Da der Bedarfssatz während der Ausbildung die Kosten für den Lebensunterhalt und die Ausbildung und damit den zur Wahrnehmung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG elementaren Bedarf decken soll, muss er zeitnah an sich ändernde wirtschaftliche Verhältnisse angepasst werden (vgl. zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums BVerfG, Urteile vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - BVerfGE 125, 175 <225> und vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - BVerfGE 132, 134 Rn. 72 und Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - BVerfGE 137, 34 Rn. 85). Der Bedarf besteht während der Ausbildung und kann auch nur währenddessen befriedigt werden. Soweit es - hier entscheidend - um den zur Deckung des existenziellen und ausbildungsbezogenen Bedarfs erforderlichen Mindestbedarf geht, gefährden unterbliebene, aber gebotene Anpassungen des Bedarfssatzes an sich verändernde wirtschaftliche Verhältnisse die Wahrnehmung des Teilhaberechts. Es stellt aus Rechtsgründen eine für die Aufnahme oder Fortführung einer Ausbildung ""unüberwindliche soziale Barriere"" dar, wenn unbemittelte Auszubildende nicht (mehr) über mindestens hinreichende Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts sowie der Kosten der Ausbildung verfügen. Daran ändert nichts, dass bekanntermaßen eine nicht unerhebliche Zahl von Auszubildenden in Hochschulen einem Nebenerwerb nachgeht, um die Ausbildung finanzieren zu können. Hierzu sind sie - wie ausgeführt - ausbildungsförderungsrechtlich nicht verpflichtet und handeln insoweit überobligatorisch.Der Bedarfssatz des § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG galt von August 2010 (Art. 8 Nr. 3 des 23. BAföGÄndG vom 24. Oktober 2010, BGBl. I S. 1422) bis Juli 2016 in unveränderter Höhe von 373 €. Der dem Gesetz u.a. für die Ermittlung des Bedarfs von Auszubildenden in Hochschulen zugrundeliegende 18. BAföG-Bericht der Bundesregierung (BT-Drs. 17/485) basiert auf der 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, der eine Befragung unter Studenten im Sommersemester 2006 zugrunde lag. Zum Zeitpunkt des Parlamentsbeschlusses zum 23. BAföGÄndG waren die Daten, welche die studentischen Ausgaben beschreiben, demnach bereits mehr als vier Jahre alt. Die zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegenden Daten der 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (Vorwort vom März 2010), deren Ergebnisse im Verhältnis zur vorangegangenen Erhebung eine Steigerung studentischer Einnahmen und Ausgaben ausweisen (vgl. 18. Sozialerhebung S. 227 Bild 7.4 und 19. Sozialerhebung S. 270 Bild 7.13) und auf einer Erhebung im Sommersemester 2009 beruhen, fanden keinen Eingang in das Gesetz. Im hier maßgeblichen Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 lag die Erhebung des Zahlenmaterials bereits etwa achteinhalb Jahre zurück.Der Bedarfssatz bildete im fraglichen Zeitraum den tatsächlich bestehenden Bedarf zur Überzeugung des Senats nicht mehr hinreichend ab. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht hierzu keine Feststellungen etwa zur Preisentwicklung bezogen auf den Haushalt eines sog. Normalstudierenden getroffen. Gleichwohl erschließt sich dem Senat aus anderen Normen und Gesetzgebungsmaterialien, dass der in § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG festgelegte Satz nicht mehr bedarfsdeckend sein konnte. Wie bereits ausgeführt, ist die Regelleistung nach § 20 SGB II im Vergleich zu 359 € im Jahre 2010 um 8,91 % auf 391 € im Jahre 2014 und 2015 um 11,14 % auf 399 € angestiegen. Ferner ergibt sich aus der Übersicht 27 des 21. Berichts der Bundesregierung nach § 35 BAföG vom 14. Dezember 2017 (BT-Drs. 19/275 S. 47), dass der Verbraucherpreisindex von 100 % im Jahre 2010 auf 106,84 % im Jahre 2014 und 106,89 % im Jahre 2015 angestiegen ist. Dass diese Steigerung an den studentischen Ausgaben für die Lebenshaltung spurlos vorübergegangen sein könnte, ist nicht plausibel. Vielmehr ist auch die Bundesregierung im Februar 2014 und damit zeitnah zu dem hier relevanten Zeitraum nicht von unveränderten studentischen Ausgaben ausgegangen, sondern hat in ihrem 20. Bericht nach § 35 BAföG eingeräumt, dass mit dem Anstieg der (allgemeinen) Lebenshaltungskosten von einem weiteren moderaten Anstieg der Lebenshaltungskosten auch bei Studierenden auszugehen sei (BT-Drs. 18/460 S. 51).Nicht zu folgen ist der in diesem Bericht zum Ausdruck gebrachten Einschätzung der Bundesregierung, die - im Unterschied zum Beirat für Ausbildungsförderung, der eine ""substanzielle Anhebung"" sowohl der Bedarfssätze als auch der Freibeträge ebenso anmahnte wie deren zeitnahe Anpassung (BT-Drs. 18/460 S. 52) - keinen aktuellen Anpassungsbedarf für die Bedarfssätze gesehen hat. Zur Begründung hat die Bundesregierung darauf verwiesen, dass der Anstieg der Bedarfssätze nur bis zum Jahr 2007 hinter dem Anstieg der Lebenshaltungskosten zurückgeblieben sei und die Anhebung der Bedarfssätze durch das 22. BAföGÄndG im Jahre 2008 um ca. 10 % und durch das 23. BAföGÄndG im Jahre 2010 um ca. 2 % den vorherigen Abstand der beiden Indexwerte nicht nur merklich verkürzt, sondern dazu geführt habe, dass der Index für die Entwicklung der Bedarfssätze den Preisindex seitdem deutlich überflügelt habe, was noch für die gesamte Dauer des Berichtszeitraums fortwirke (BT-Drs. 18/460 S. 41 Übersicht 28 und S. 50). Die relative Entwicklung der Indizes zueinander besagt jedoch nichts darüber, ob der Bedarfssatz auskömmlich ist, weil dies in erster Linie von der Höhe des Ausgangsbetrages abhängt. Referenzjahr ist insoweit das Jahr 2000, für das der 20. Bericht die Auskömmlichkeit des Bedarfssatzes nicht ansatzweise darstellt. Im Übrigen finden sich für die in der Einschätzung der Bundesregierung suggerierte Überkompensierung früherer Defizite durch die in den Jahren 2008 und 2010 erfolgten Erhöhungen der Bedarfssätze keine stichhaltigen Anhaltspunkte. Die um etwa 10 % deutliche Anhebung des Bedarfssatzes zum August 2008 durch das 22. BAföGÄndG geht zurück auf die Beschlussempfehlung des federführenden Bundestagsausschusses, der lediglich ausgeführt hat, hierdurch sowie durch die Erhöhung der Freibeträge um 8 % werde der ""gesamte rechnerische Anpassungsrückstand aus den letzten drei Berichten nach § 35 bereinigt"", ohne die Möglichkeit einer Überkompensierung auch nur zu erwähnen (BT-Drs. 16/7214 S. 19).Die mangelnde zeitnahe und bedarfsgerechte Anpassung des hier in Rede stehenden Bedarfssatzes besteht für die aktuelle Rechtslage fort. Eine Überkompensierung früherer Defizite einer bedarfsgerechten Anpassung der Bedarfssätze hält der Senat auch mit Blick auf die durch das 25. und 26. BAföGÄndG beschlossenen Erhöhungen für ausgeschlossen. Durch das 25. BAföGÄndG vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2475) wurde der hier in Rede stehende Bedarfssatz ab August 2016 auf 399 € erhöht, durch das 26. BAföGÄndG vom 8. Juli 2019 (BGBl. I S. 1048) mit Wirkung vom Juli 2019 auf 419 € und mit Wirkung vom August 2020 auf 427 €. Die zugehörigen Gesetzentwürfe erläutern, dass mit der Anhebung der Bedarfssätze (lediglich) jeweils der Anstieg der Lebenshaltungskosten berücksichtigt werden solle (BT-Drs. 18/2663 S. 39 zu Nr. 6a und S. 40 zu Nr. 7a; BT-Drs. 19/8749 S. 32 zu Nr. 5a und 6a).3. Die nach Überzeugung des Senats bestehende Unvereinbarkeit der Bemessung des Bedarfssatzes nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG im Zeitraum Oktober 2014 bis Februar 2015 mit den sich aus dem Grundrecht auf Gewährleistung des existenziellen und ausbildungsbezogenen Bedarfs ergebenden Anforderungen kann nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung dieser oder anderer Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder weiterer gleichfalls in den Blick zu nehmender Gesetze behoben werden.Dabei geht der Senat mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon aus, dass ein Gesetz nur dann verfassungswidrig ist, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diese geboten. Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung endet allerdings dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch tritt. Anderenfalls könnten die Gerichte der rechtspolitischen Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers vorgreifen oder diese unterlaufen. Das Ergebnis einer verfassungskonformen Auslegung muss demnach nicht nur vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein, sondern auch die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahren (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 11. Juli 2013 - 2 BvR 2302/11 u.a. - BVerfGE 134, 33 Rn. 77 und vom 16. Dezember 2014 - 1 BvR 2142/11 - BVerfGE 138, 64 Rn. 86, jeweils m.w.N.; vgl. ferner etwa BVerwG, Urteile vom 6. November 2014 - 5 C 36.13 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 47 Rn. 16 und vom 29. November 2018 - 5 C 10.17 - BVerwGE 164, 23 Rn. 41).Eine verfassungskonforme Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG selbst ist nicht möglich. Sie scheidet von vornherein aus, weil die Festlegung des Bedarfssatzes durch einen Geldbetrag in exakt bestimmter Höhe keinerlei Raum für mehrere Deutungen zulässt. Jede von der gesetzlichen Festlegung abweichende Bestimmung des Bedarfssatzes würde dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, den Bedarfssatz in genau der gesetzlich bestimmten Höhe festzusetzen. Weder das Gesetz noch die Gesetzesmaterialien enthalten Anhaltspunkte dafür, dass insoweit irgendein Spielraum bestünde. Vielmehr bedarf jede Änderung einer Entscheidung des Gesetzgebers.Eine verfassungskonforme Korrektur des im in Rede stehenden Zeitraums verfassungswidrigen Bedarfssatzes des § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG ist auch nicht durch eine Heranziehung der Härtefallregelung des § 14a BAföG möglich. Die Vorschrift bezieht sich bereits ihrem klaren Wortlaut nach nur auf die Gewährung von Zusatzleistungen in Härtefällen und versperrt sich wegen ihres Ausnahmecharakters einer generellen Ausdehnung auf die Ergänzung von Regelleistungen für grundsätzlich alle dem Grunde nach förderungsberechtigten Auszubildenden. Sie hat ausschließlich ""besondere Aufwendungen des Auszubildenden"" im Blick, also gerade nicht den hier in Rede stehenden Regelbedarf. Vor allem aber gewährt sie nicht selbst einen unmittelbaren Anspruch auf Zusatzleistungen, sondern enthält lediglich eine Ermächtigung für die Bundesregierung zum Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung. Die insoweit erlassene Verordnung über Zusatzleistungen in Härtefällen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz vom 15. Juli 1974 (BGBl. I S. 1449), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 19. März 2001 (BGBl. I S. 390), regelt ausschließlich Leistungen bei einer Ausbildung in Tagesheimschulen oder Internaten. Dies lässt keinen Spielraum, im Wege der verfassungskonformen Auslegung auch den regulären Bedarfssatz nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG über diese Bestimmungen zu ergänzen.Die Bedarfsfestsetzung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG vermag auch nicht mit Blick auf hiermit verzahnte Regelungen (vgl. zur Berücksichtigung untrennbar verzahnter Regelungen BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. Dezember 2019 - 1 BvL 6/16 - juris Rn. 25 f.) des Zweiten oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch verfassungskonform dahin ausgelegt zu werden, dass für alle förderungsberechtigten Auszubildenden ein Anspruch nach diesen Regelungen besteht, der den verfassungswidrigen Bedarfssatz des § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG ausgleichen könnte. Zum einen steht einer solchen Auslegung schon der in § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG zum Ausdruck gebrachte gesetzgeberische Wille entgegen, den allgemeinen Bedarfssatz für das Bestreiten des Lebensunterhalts und der Ausbildungskosten pauschal und abschließend in § 13 BAföG festzulegen. Zum anderen lassen auch diejenigen Regelungen des Zwölften und des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, die in ""besonderen Härtefällen"" eine Aufstockung von Leistungen ermöglichen, keine Auslegung zu, die es ermöglicht, sie als allgemeine Korrekturnormen eines verfassungswidrigen (Regel-)Bedarfssatzes heranzuziehen. Vielmehr versperrt die gesetzgeberische Konzeption dieser Regelungen in deutlich erkennbarer Weise einen entsprechenden Rückgriff.Das gilt zunächst für den Rückgriff auf das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch. Nach § 22 Abs. 1 SGB XII haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel. Nur in besonderen Härtefällen können Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel als Beihilfe oder Darlehen gewährt werden. Der Zweck dieser Regelung, die davon ausgeht, dass die Ausbildungsförderung im Bundesausbildungsförderungsgesetz, die die Kosten des Lebensunterhalts und der Ausbildung umfasst, sondergesetzlich abschließend geregelt ist, besteht darin, den ausbildungsförderungsrechtlichen Spezialregelungen möglichst umfassend zur Geltung zu verhelfen und dementsprechend die Sozialhilfe davon zu befreien, eine (versteckte) Ausbildungshilfe auf einer zweiten Ebene zu sein (vgl. etwa Voelzke, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., Stand: Februar 2020, § 22 SGB XII Rn. 19 f. m.w.N. aus der Rspr. des BVerwG und des BSG).Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dieser Leistungsausschluss verfolgt ebenfalls den Zweck, keine versteckte Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene außerhalb des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zu ermöglichen (BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 67/08 R - FEVS 61, 104; BayLSG, Urteil vom 18. Juli 2018 - L 15 AS 686/16 - EuG 2019, 449). Als Regel konkretisiert er den Nachrang der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegenüber vorgelagerten Sozialleistungssystemen zur Sicherung des Lebensunterhalts und geht von der Annahme aus, dass das Ausbildungsförderungsrecht den entsprechenden Bedarf abdeckt, sodass grundsätzlich keine Aufstockung von Leistungen der Ausbildungsförderung in Betracht kommt (vgl. etwa BSG, Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 36/06 R - BSGE 99, 67; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB, Stand: Juni 2021, § 7 SGB II Rn. 275 m.w.N.). § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II bestimmte in der vom 1. April 2012 bis zum 31. Juli 2016 anwendbaren Fassung des Art. 5 Nr. 11 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854) insofern eine Ausnahme, als danach Leistungen für Regelbedarfe, Bedarfe für Unterkunft und Heizung und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung als Darlehen erbracht werden können, sofern der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II eine besondere Härte bedeutet.Zusammengefasst sind die Härtefallregelungen ausweislich ihres Wortlauts und ihrer Systematik sowie des mit ihnen verfolgten Zwecks dazu bestimmt und darauf begrenzt, dass Auszubildenden während einer förderungsfähigen Ausbildung die genannten Leistungen nur dann bewilligt werden können, wenn der grundsätzlich bestehende Leistungsausschluss für sie eine besondere Härte bedeutet. Dass Auszubildende darüber hinaus unter bestimmten Voraussetzungen auch unabhängig vom Vorliegen einer besonderen Härte Mehrbedarfe nach Maßgabe des seinerzeit anzuwendenden § 27 Abs. 2 und 3 SGB II beanspruchen konnten, ist für die Frage einer etwaigen verfassungskonformen Korrektur des § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG irrelevant, weil insoweit nicht der Mehr-, sondern der Regelbedarf in Rede steht.Das allgemeine (verfassungswidrige) Defizit des ausbildungsförderungsrechtlichen Bedarfssatzes lässt sich nicht in verfassungskonformer Auslegung als eine ""besondere Härte"" (im Sinne von § 7 Abs. 5 SGB II bzw. § 22 Abs. 1 SGB XII) einordnen, weil die Härtefallregelungen nach ihrem klaren Wortlaut und ihrer Systematik wie auch ihrem Sinn und Zweck nur besondere Umstände des Einzelfalles erfassen wollen. Von besonderen Einzelfallumständen kann nicht mehr die Rede sein, wenn es - wie hier - um den Ausgleich struktureller Defizite des allgemeinen Bedarfssatzes des Ausbildungsförderungsrechts geht. Das ergibt sich im Einzelnen auch aus den folgenden Erwägungen:Der Begriff der ""besonderen Härte"" fand sich bereits in der Vorläuferregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 des Bundessozialhilfegesetzes, bei dessen Auslegung das seinerzeit für die Rechtsmaterie zuständige Bundesverwaltungsgericht entscheidend auf den Sinn und Zweck der Regelung abgestellt hat. Der grundsätzliche Ausschluss von Ansprüchen zur Sicherung des Lebensunterhalts während einer förderungsfähigen Ausbildung beruhte danach darauf, dass die Ausbildungsförderung durch Sozialleistungen, die die Kosten des Lebensunterhalts umfassten, außerhalb des Bundessozialhilfegesetzes sondergesetzlich abschließend geregelt war. Das Sozialhilferecht sollte grundsätzlich nicht dazu dienen, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausschlussregelung sollte die Sozialhilfe mithin davon befreien, eine (versteckte) Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu sein. Nicht nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz geförderte Auszubildende waren nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in der Regel gehalten, von der Ausbildung ganz oder vorübergehend Abstand zu nehmen, um für die Dauer der Hilfebedürftigkeit den Ausschluss von der Hilfe zum Lebensunterhalt abzuwenden. Ein ""besonderer"" Härtefall wurde erst angenommen, wenn im Einzelfall Umstände hinzutraten, die einen Ausschluss von der Ausbildungsförderung durch Hilfe zum Lebensunterhalt auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck als übermäßig hart, d.h. als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig, erscheinen ließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1993 - 5 C 16.91 - BVerwGE 94, 224 = juris Rn. 8 ff.; vgl. ferner BSG, Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 28/07 R - juris Rn. 20).Nach der Rechtsprechung des nunmehr für diese Rechtsmaterie zuständigen Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 - B 14 AS 40/15 R - SozR 4-1500 § 75 Nr. 24 Rn. 28 f.) handelt es sich bei dem Begriff der ""besonderen Härte"" (im Sinne des § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II) um einen unbestimmten Rechtsbegriff, hinsichtlich dessen der Verwaltung weder ein Beurteilungsspielraum noch eine Einschätzungsprärogative zusteht, dessen Anwendung vielmehr in vollem Umfang der rechtlichen Überprüfung durch die Gerichte unterliegt. Ein solcher Härtefall ist anzunehmen, wenn wegen einer Ausbildungssituation ein Hilfebedarf entsteht, der nicht durch Leistungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der Berufsausbildungsbeihilfe gedeckt ist, und deswegen begründeter Anlass für die Annahme besteht, dass die vor dem Abschluss stehende Ausbildung nicht beendet werde und damit das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit drohe. Eine ""besondere Härte"" des Leistungsausschlusses nach dem SGB II kann auch dann angenommen werden, wenn eine Ausbildung oder Berufsvorbereitungsmaßnahme notwendig ist, um den Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben zu integrieren, der Abbruch der Ausbildung oder Maßnahme aufgrund einer nicht gedeckten Bedarfslage des Hilfebedürftigen droht und eine besondere Schutzbedürftigkeit des Hilfebedürftigen aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls besteht, die den Leistungsausschluss als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig erscheinen lässt. Kennzeichnendes Element einer ""besonderen Härte"" ist demnach in allen Fällen, dass im Einzelfall Umstände hinzutreten, die einen Ausschluss von der Ausbildungsförderung durch Hilfe zum Lebensunterhalt auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck als übermäßig hart, d.h. als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig erscheinen lassen, was nicht der Fall ist, wenn sich die Situation des Auszubildenden nicht von der anderer Auszubildender unterscheidet (BSG, Urteil vom 2. April 2014 - B 4 AS 26/13 R - BSGE 115, 210 Rn. 47). Entsprechendes gilt für die Auslegung des Begriffs der besonderen Härtefälle im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB XII (vgl. etwa Voelzke, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., Stand: Februar 2020, § 22 SGB XII Rn. 57 f. m.w.N. aus der Rspr.).In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen lässt sich hier mangels entsprechender Einzelfallumstände eine ""besondere Härte"" nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung in die genannten Regelungen hineinlesen. Aufgrund ihres dargelegten Ausnahmecharakters versperren sich die Härtefallregelungen vielmehr einer Ausdehnung auf die allgemeine und vom Einzelfall unabhängige Ergänzung der Regelleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, die grundsätzlich allen dem Grunde nach förderungsberechtigten Auszubildenden zuzukommen hätte.4. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten." bverwg_2021-33,27.05.2021,"Pressemitteilung Nr. 33/2021 vom 27.05.2021 EN Keine isolierte Vorabverpflichtung zur Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes bei Fortführung des Asylverfahrens nach § 37 Abs. 1 AsylG Eine (isolierte) Verpflichtungsklage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ist nicht statthaft, wenn das Asylverfahren nach einer stattgebenden gerichtlichen Eilentscheidung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) nach § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG fortzuführen ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin ist somalische Staatsangehörige. Das Bundesamt lehnte ihren Asylantrag wegen des ihr bereits in Italien gewährten Flüchtlingsschutzes als unzulässig ab (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Zugleich stellte es fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen, und drohte der Klägerin die Abschiebung nach Italien an. Das Verwaltungsgericht gab einem Eilantrag der Klägerin statt. Im Klageverfahren stellte es fest, dass damit die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig und die Abschiebungsandrohung kraft Gesetzes unwirksam geworden sind. Zugleich verpflichtete es das Bundesamt unter Aufhebung der gegenteiligen Entscheidung, für die Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Italiens festzustellen. Das Berufungsgericht hat die Klage hingegen auch insoweit abgewiesen, als die Klägerin die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots hinsichtlich Italiens begehrt. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Ihr Begehren auf Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ist zwar auf den Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts gerichtet und damit grundsätzlich mit der Verpflichtungsklage zu verfolgen. Ein erfolgreicher Eilrechtsschutzantrag gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG führt nach § 37 Abs. 1 AsylG aber dazu, dass die Unzulässigkeitsentscheidung und die Abschiebungsandrohung unwirksam werden und das Bundesamt das Asylverfahren fortzuführen hat. Dies entzieht der vom Bundesamt mit der (unwirksam gewordenen) Unzulässigkeitsentscheidung verbundenen (negativen) Feststellung zum Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG die Grundlage. Prozessual hat dies zur Folge, dass insoweit trotz des grundsätzlichen Vorrangs der Verpflichtungsklage nur eine Anfechtungsklage statthaft ist. Die in § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG angeordnete Fortführung des Asylverfahrens durch das Bundesamt umfasst auch eine neuerliche Behördenentscheidung zum nationalen Abschiebungsschutz. Dies ergibt sich vor allem aus dem gesetzlichen Entscheidungsprogramm des Bundesamts nach § 24 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 3 und 5 AsylG; es beruht auf der Grundentscheidung, dass Schutz vorrangig auf derjenigen Stufe zu gewähren ist, die den umfassendsten Schutz vermittelt. Der nationale Abschiebungsschutz ist zudem zielstaatsbezogen, wobei der in den Blick zu nehmende Zielstaat vom Ausgang des Asylverfahrens abhängt. Das Erfordernis einer **erneuten Behördenentscheidung auch in Bezug auf den nationalen Abschiebungsschutz dient der Verfahrensbeschleunigung und -konzentration; es verletzt weder das Recht auf effektiven Rechtsschutz noch widerspricht es Unionsrecht. BVerwG 1 C 36.20 - Urteil vom 27. Mai 2021 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 3 B 9.19 - Urteil vom 25. Mai 2020 - VG Berlin, 28 K 266.17 A - Urteil vom 09. Januar 2019 -","Urteil vom 27.05.2021 - BVerwG 1 C 36.20ECLI:DE:BVerwG:2021:270521U1C36.20.0 EN Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.05.2021 - 1 C 36.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:270521U1C36.20.0] Urteil BVerwG 1 C 36.20 VG Berlin - 09.01.2019 - AZ: VG 28 K 266.17 A OVG Berlin-Brandenburg - 25.05.2020 - AZ: OVG 3 B 9.19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Mai 2020 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt während ihres laufenden Asylverfahrens (vorab) die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes in Bezug auf Italien. 2 Die Klägerin, eine 1955 geborene somalische Staatsangehörige, reiste 2015 in das Bundesgebiet ein, nachdem sie zuvor in Italien als Flüchtling anerkannt worden war, und stellte hier einen (weiteren) Asylantrag. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - mit Bescheid vom 19. Dezember 2016 als unzulässig ab (Ziffer 1). Zugleich stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2), drohte der Klägerin die Abschiebung nach Italien an (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG a.F. auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). 3 Nach Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellte das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 9. Januar 2019 fest, dass die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig und die Abschiebungsandrohung nach Italien unwirksam geworden sind. Außerdem verpflichtete es die Beklagte unter Aufhebung der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen, sowie der Entscheidung zur Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots, für die Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Italiens festzustellen und über den Asylantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. 4 Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. Mai 2020 das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert, soweit dieses die Beklagte verpflichtet hat, für die Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Italiens festzustellen. Zugleich hat es Ziffer 2 und 4 des Bescheids aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe lediglich Anspruch auf (isolierte) Aufhebung der Entscheidungen in Ziffer 2 und 4 des Bescheids, weil diesen Folgeentscheidungen durch die Unwirksamkeit der Unzulässigkeitsentscheidung und der Abschiebungsandrohung die Grundlage entzogen worden sei. Eine Klage auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots hinsichtlich Italiens sei hingegen unzulässig. Das Bundesamt habe in dem nach § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG fortzusetzenden Asylverfahren erneut über den Asylantrag zu befinden. Nach dem in § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG festgelegten Prüfprogramm setze eine Entscheidung über das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote voraus, dass das Bundesamt zuvor den weitergehenden Asylantrag beschieden habe. Daran fehle es bei Unwirksamkeit der Unzulässigkeitsentscheidung und Verpflichtung des Bundesamts zur Fortführung des Asylverfahrens. Werde das Bundesamt dennoch zur Feststellung eines Abschiebungsverbots hinsichtlich Italiens verpflichtet, so werde ihm der Erlass eines Verwaltungsakts auferlegt, den es zu diesem Zeitpunkt weder erlassen müsse noch dürfe, und die in § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG vorgesehene behördliche Absehensbefugnis verkürzt. Dass ein nationales Abschiebungsverbot nicht geltend gemacht werden könne, solange das Bundesamt noch nicht über die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung internationalen Schutzes entschieden habe, ergebe sich auch aus einer Zusammenschau der Regelungen in § 31 Abs. 2 und 3 AsylG und des sich hieraus ergebenden Rangverhältnisses der Schutzansprüche. Nur so werde hinsichtlich einer im Mitgliedstaat der Schutzgewährung drohenden Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK eine nicht statthafte Vorwegnahme der erneuten Entscheidung des Bundesamts über den Asylantrag vermieden. Der Gefahr einer ""Endlosschleife"" könne das Bundesamt begegnen, indem es entweder auf den Erlass einer erneuten Abschiebungsandrohung verzichte oder deren Vollzug bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens aussetze. Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Schutzsuchender zusätzlich zu der gegen die Unzulässigkeitsentscheidung gerichteten Anfechtungsklage hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbotes mit der Verpflichtungsklage verfolgen könne, sei über diesen Hilfsantrag nur zu entscheiden, wenn die Anfechtungsklage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung keinen Erfolg habe, das Asylverfahren durch das Bundesamt also nicht fortzuführen sei. 5 Die Klägerin macht mit der Revision geltend, ihr Verpflichtungsbegehren sei statthaft. Das Bundesamt habe auch bei Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig eine Sachentscheidung zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu treffen. Hinsichtlich der vom Bundesamt noch vorzunehmenden Prüfung der Zulässigkeit des Asylantrags werde mit der Verpflichtung zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nur über eine Frage entschieden, die auch bei der Zulässigkeitsprüfung zu berücksichtigen sei, weil nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bei einer drohenden Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK der Asylantrag nicht als unzulässig abgelehnt werden dürfe, sondern in dessen inhaltliche Prüfung einzusteigen sei. Vorweggenommen werde lediglich die Entscheidung, von der Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots abzusehen, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt oder ihm internationaler Schutz gewährt werde. Selbst wenn vorrangig über Asyl und internationalen Schutz zu entscheiden sei, schließe dies die zusätzliche Feststellung eines Abschiebungsverbots nicht aus. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf effektiven Rechtsschutz gebiete in der vorliegenden Konstellation eine Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten, soweit solche vorlägen. Die Entscheidungspraxis des Bundesamts führe zu einer Endlosschleife. Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei nicht zu entnehmen, dass die Feststellung eines Abschiebungsverbots nur nachrangig mit der Verpflichtungsklage verfolgt werden könne. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung scheitere schon daran, dass das Bundesamt über das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote entschieden habe. 6 Die Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht verteidigen die angegriffene Entscheidung. II 7 Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht entschieden, dass die Klage, soweit sie noch anhängig ist, nicht statthaft und damit unzulässig ist. 8 1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der nationale Abschiebungsschutz und hier nach gerichtlicher Aufhebung der (negativen) Feststellung im Bescheid des Bundesamts vom 19. Dezember 2016, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen (Ziffer 2 des Bescheids), nur noch die von der Klägerin begehrte Verpflichtung des Bundesamts zur (positiven) Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG hinsichtlich Italiens. Insoweit handelt es sich um einen einheitlichen, nicht weiter aufteilbaren Verfahrensgegenstand mit mehreren Anspruchsgrundlagen (§ 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 einschließlich Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung). Eine Abschichtung einzelner nationaler Abschiebungsverbote im Laufe des gerichtlichen Verfahrens ist ungeachtet des materiellen Nachrangs des Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG nicht möglich (BVerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 17). 9 Bei sachdienlicher Auslegung der Revision wendet sich die Klägerin nicht gegen die - sie nicht beschwerende - (erneute) Aufhebung der schon vom Verwaltungsgericht aufgehobenen Befristungsentscheidung (Ziffer 4 des Bescheids) durch das Berufungsgericht. 10 2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens sind das Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch den am 1. April 2021 in Kraft getretenen Art. 5 des Zweiten Datenaustauschverbesserungsgesetzes vom 4. August 2019 (BGBl. I S. 1131), sowie das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch das am 1. Januar 2021 in Kraft getretene Gesetz vom 9. Dezember 2020 zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie weiterer Gesetze (BGBl. I S. 2855). Rechtsänderungen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz eintreten, sind im Revisionsverfahren zu berücksichtigen, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Tatsachengericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es diese nunmehr träfe, die aktuellen Fassungen zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 12). Die hier maßgeblichen Bestimmungen haben sich seit der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht geändert. 11 3. Die auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots hinsichtlich Italiens gerichtete Verpflichtungsklage ist im derzeitigen Verfahrensstadium, in dem das Asylverfahren nach § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG vom Bundesamt fortzuführen ist, nicht statthaft. 12 Das Begehren ist zwar auf den Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts durch das Bundesamt gerichtet und damit grundsätzlich mit der Verpflichtungsklage zu verfolgen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2017 - 1 C 10.17 - Buchholz 402.251 § 31 AsylG Nr. 2 Rn. 17, wonach der Kläger im Falle einer Unzulässigkeitsentscheidung die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage nach allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen <§ 44 VwGO> hilfsweise mit einem entsprechenden Verpflichtungsantrag auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG verbinden kann). Für den Fall eines erfolgreichen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG sieht § 37 Abs. 1 AsylG aber vor, dass die Unzulässigkeitsentscheidung und die Abschiebungsandrohung kraft Gesetzes unwirksam werden (Satz 1) und das Bundesamt das Asylverfahren fortzuführen hat (Satz 2). Damit ist die vom Bundesamt mit der (unwirksam gewordenen) Unzulässigkeitsentscheidung verweigerte sachliche Prüfung des Asylantrags vorrangig vom Bundesamt als einer mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Fachbehörde nachzuholen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 1 C 4.16 - BVerwGE 157, 18 Rn. 19). Die Unwirksamkeit der Unzulässigkeitsentscheidung entzieht der vom Bundesamt mit der Unzulässigkeitsentscheidung verbundenen (negativen) Feststellung zum Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG die Grundlage. Die in § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG angeordnete Fortführung des Asylverfahrens durch das Bundesamt umfasst daher auch eine neuerliche Entscheidung zum nationalen Abschiebungsschutz. Prozessual hat das zur Folge, dass gegen diese mangels wirksamer Unzulässigkeitsentscheidung verfrüht ergangene Folgeentscheidung trotz des grundsätzlichen Vorrangs der Verpflichtungsklage nur eine Anfechtungsklage statthaft ist. Dies ergibt sich vor allem aus dem dem Bundesamt gemäß § 24 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 3 und 5 AsylG obliegenden ""Entscheidungsprogramm"" (a), das auf der Grundentscheidung beruht, dass Schutz vorrangig auf derjenigen Stufe zu gewähren ist, die den umfassendsten Schutz vermittelt (b). Zudem ist der nationale Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zielstaatsbezogen; dabei hängt der in den Blick zu nehmende Zielstaat vom Ausgang des Asylverfahrens ab (c). Das Erfordernis einer erneuten Behördenentscheidung auch in Bezug auf den nationalen Abschiebungsschutz dient der Verfahrensbeschleunigung und -konzentration (d). Es verletzt weder das Recht auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG (e) noch widerspricht es Unionsrecht (f). Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Senats (g). 13 a) Mit Stellung eines Asylantrags geht die Prüfverantwortung für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG gemäß § 24 Abs. 2 AsylG von der Ausländerbehörde auf das Bundesamt über. Damit erstreckt sich die Zuständigkeit des Bundesamts über die primären Verfahrensgegenstände eines Asylverfahrens nach § 31 Abs. 2 AsylG (Asyl, Flüchtlingsschutz und subsidiärer Schutz) hinaus auch auf die - an sich originär ausländerrechtliche - Prüfung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Inhalt und Grenzen der Entscheidungsbefugnis des Bundesamts ergeben sich aus § 31 Abs. 3 und 5 und § 32 AsylG. Nach dem dort festgelegten (objektivrechtlichen) ""Entscheidungsprogramm"" (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2017 - 1 C 10.17 - Buchholz 402.251 § 31 AsylG Nr. 2 Rn. 16) muss das Bundesamt abhängig vom Ergebnis der Prüfung des eigentlichen Asylantrags sowie im Falle der Antragsrücknahme oder des Verzichts auch über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach nationalem Recht entscheiden. 14 aa) Nach der Grundregel des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG hat das Bundesamt sowohl bei zulässigen als auch bei unzulässigen Asylanträgen und selbst bei Vorliegen eines Nichtantrags, der nach § 30 Abs. 5 AsylG als (offensichtlich) unbegründeter Asylantrag gilt, über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach nationalem Recht zu entscheiden. Dabei bezieht sich die nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG zu treffende Feststellung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, in den Fällen unzulässiger Asylanträge nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AsylG nicht auf den Herkunftsstaat des Asylbewerbers, sondern auf den Zielstaat der Abschiebung bzw. Überstellung (BVerwG, Beschluss vom 3. April 2017 - 1 C 9.16 - Buchholz 402.251 § 31 AsylG Nr. 1 Rn. 9). Dies stellt sicher, dass eine ggf. zu erlassende Rückführungs- oder Überstellungsentscheidung in Form einer Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG oder einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG ohne Verletzung des konventionsrechtlichen Refoulementverbots (Art. 33 GK) oder grund- und menschenrechtlicher Garantien (insbesondere aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 3 EMRK) ergeht. Eine solche ""Vorratsentscheidung"" ist - abgesehen von den ausdrücklich im Gesetz genannten Fällen - auch dann nicht entbehrlich, wenn aus tatsächlichen Gründen (z.B. wegen zielstaatsunabhängiger Duldungsgründe) wenig Aussicht auf Durchsetzung der Ausreisepflicht besteht. Insoweit dient § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG dem gesetzgeberischen Ziel, Asylverfahren zu konzentrieren und zu beschleunigen, um im Falle der Ablehnung des Asylbegehrens die Aufenthaltsbeendigung ohne weitere Verzögerungen durchsetzen zu können (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2003 - 1 C 21.02 - BVerwGE 118, 308 <311 f.> zu § 53 AuslG). 15 bb) Von der nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG an sich gebotenen Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsverboten kann nach Satz 2 abgesehen werden, wenn der Betroffene als Asylberechtigter anerkannt oder ihm internationaler Schutz zuerkannt wird. Beruht die Anerkennung als Asylberechtigter auf § 26 Abs. 1 bis 3 AsylG (Familienasyl) bzw. die Zuerkennung internationalen Schutzes auf § 26 Abs. 5 AsylG (internationaler Schutz für Familienangehörige), verdichtet sich das Ermessen nach § 31 Abs. 5 AsylG und soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgesehen werden. 16 b) Dieses gesetzliche ""Entscheidungsprogramm"" des Bundesamts fußt auf der Grundentscheidung, dass einem Schutzsuchenden Schutz vorrangig auf derjenigen Stufe zu gewähren ist, die den umfassendsten Schutz vermittelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. April 2018 - 1 C 29.17 - BVerwGE 162, 44 Rn. 44). Damit ist die Prüfung nationaler Abschiebungsverbote gegenüber der Prüfung der Asylberechtigung und der Zuerkennung internationalen Schutzes nachrangig, ohne dass sich die verschiedenen Schutzformen materiell oder verfahrensrechtlich ausschließen. Der betroffene Ausländer erleidet hierdurch keinen Nachteil, weil die Zuerkennung eines positiven Schutzstatus für ihn günstigere Rechtswirkungen entfaltet und er im Falle eines Widerrufs oder einer Rücknahme eine Vollprüfung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG beanspruchen kann (§ 73 Abs. 3 AsylG). 17 c) Dass über ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG erst nach einer (wirksamen) Entscheidung über den Asylantrag zu befinden ist, ergibt sich auch daraus, dass der nationale Abschiebungsschutz zielstaatsbezogen ist. Welcher Staat dabei in den Blick zu nehmen ist, hängt indes vom Ausgang des Asylverfahrens ab. Ist ein Asylantrag zulässig, aber unbegründet, ist dies (vorrangig) der Herkunftsstaat. Ist der Asylantrag hingegen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat) oder nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG (Aufnahmebereitschaft eines sonstigen Drittstaats, in dem der Ausländer vor Verfolgung sicher war) unzulässig, ist dem Ausländer die Abschiebung in den Staat anzudrohen, in dem er vor Verfolgung sicher war (§ 35 AsylG). Hat das Bundesamt das Asylverfahren nach § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG fortzuführen, muss es im fortzuführenden Verfahren prüfen, ob es den Asylantrag erneut als unzulässig ablehnt oder - nach Verneinung eines Unzulässigkeitsgrundes - in der Sache entscheidet. Dabei muss es sich mit den vom Gericht im Eilverfahren angedeuteten Zweifeln auseinandersetzen, ist an dessen Bewertung aber nicht gebunden (BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2019 - 1 C 15.18 - BVerwGE 164, 179 Rn. 31). 18 d) Auch der das Asylrecht prägende Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung und -konzentration spricht gegen die Statthaftigkeit einer vom Ausgang des Asylverfahrens entkoppelten (isolierten) Verpflichtungsklage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG während eines laufenden Asylverfahrens. Dies gilt auch in den von § 37 Abs. 1 AsylG erfassten Fallkonstellationen. 19 Nach § 37 Abs. 1 AsylG führt ein erfolgreicher Eilantrag gegen eine Abschiebungsandrohung im Falle eines vom Bundesamt nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 oder 4 AsylG als unzulässig abgelehnten Asylantrags zur Unwirksamkeit sowohl der Unzulässigkeitsentscheidung als auch der Abschiebungsandrohung (Satz 1) mit der Folge, dass das Asylverfahren vom Bundesamt fortzuführen ist (Satz 2). Dies dient der Verfahrensbeschleunigung. Durch Straffung des gerichtlichen Verfahrens soll zügig ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden. Mit der Unwirksamkeitsfolge des § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG soll die ansonsten dem Hauptsacheverfahren vorbehaltene Kassation des Verwaltungsaktes vorweggenommen werden (BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2019 - 1 C 15.18 - BVerwGE 164, 179 Rn. 26). Die damit bezweckte Verfahrensbeschleunigung würde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn das Gericht anknüpfend an eine auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützte unwirksame Unzulässigkeitsentscheidung und eine damit einhergehende, ebenfalls unwirksame Abschiebungsandrohung zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote prüfen müsste, obwohl das Asylverfahren vom Bundesamt in dem Stadium, in dem es sich vor der Ablehnung befunden hat, mit grundsätzlich offenem Ausgang fortzuführen ist (BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2019 - 1 C 15.18 - BVerwGE 164, 179 Rn. 31). 20 Zudem würde in diesem Verfahrensstadium eine ungeachtet des beim Bundesamt noch anhängigen Asylverfahrens auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots gerichtete (isolierte) Vorabverpflichtung zu einer - im Asylrecht nach dem Gedanken der Verfahrenskonzentration grundsätzlich unerwünschten - Verfahrensaufspaltung und Doppelprüfung führen. Denn die Frage einer dem Ausländer im Zielstaat möglicherweise drohenden Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung stellt sich nicht nur beim nationalen Abschiebungsschutz, sondern über Art. 4 GRC auch bei der - im vorliegenden Verfahren weiterhin offenen und vom Bundesamt im fortzuführenden Asylverfahren zu prüfenden - Frage, ob der Asylantrag wegen des der Klägerin in Italien gewährten internationalen Schutzes nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in unionsrechtskonformer Einschränkung unzulässig ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 21. April 2020 - 1 C 4.19 - juris, im Anschluss an EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2019:​219], Ibrahim u.a. - und Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2019:​964], Hamed und Omar -). Bejahte man während eines vom Bundesamt fortzuführenden Asylverfahrens die Statthaftigkeit einer auf eine (positive) Entscheidung zum nationalen Abschiebungsschutz gerichteten (isolierten) Verpflichtungsklage, hätte dies zur Folge, dass das Verwaltungsgericht - vorab und bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung - über die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes entschiede. Diese Entscheidung entfaltete in dem vom Bundesamt fortzuführenden Asylverfahren bei der (erneuten) Prüfung der Zulässigkeit des Asylantrags trotz eines im rechtlichen Ansatz identischen Prüfungsmaßstabs keine Bindungswirkung, weil es sich prozessual um unterschiedliche Ansprüche handelt. Auch in tatsächlicher Hinsicht hätte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts allenfalls eine begrenzte Aussagekraft für die neuerliche Entscheidung des Bundesamts und dessen gerichtliche Überprüfung wegen der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG jeweils maßgeblichen (unterschiedlichen) Entscheidungszeitpunkte für die Feststellung und Bewertung der Lebensverhältnisse im schutzgewährenden Mitgliedstaat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. September 2020 - 1 B 31.20 - InfAuslR 2021, 28 = juris Rn. 15 ff.). 21 e) Die Statthaftigkeit lediglich einer auf Kassation der Entscheidung des Bundesamts zum nationalen Abschiebungsschutz gerichteten Anfechtungsklage statt einer auf positive behördliche Feststellung gerichteten Verpflichtungsklage verletzt in den von § 37 Abs. 1 AsylG erfassten Konstellationen nicht das Recht auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG. Das Bundesamt hat in dem nach § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG fortzuführenden Asylverfahren nach Maßgabe des § 31 Abs. 3 AsylG (erneut) über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu entscheiden. Dabei muss es sich mit den vom Gericht im Eilverfahren angedeuteten Zweifeln auseinandersetzen (BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2019 - 1 C 15.18 - BVerwGE 164, 179 Rn. 31). Verneint es - bezogen auf den Zeitpunkt seiner neuerlichen Entscheidung - (erneut) die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots, kann der Betroffene hiergegen gerichtlich vorgehen. Dies führt nicht zu der von der Klägerin befürchteten Gefahr einer Rechtsschutzverweigerung. Denn die Entscheidungsinstrumente, die das Asylgesetz zur Verfügung stellt, ermöglichen dem Bundesamt auch im Falle einer neuerlichen Unzulässigkeitsentscheidung die Vermeidung einer ""Endlosschleife"" im Verfahren (BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2019 - 1 C 15.18 - BVerwGE 164, 179 Rn. 31 ff.). Das vorliegende Verfahren gibt keinen Grund zu der Annahme, dass das Bundesamt hiervon in der Praxis keinen Gebrauch macht. Allein der Umstand, dass es wegen des anhängigen Revisionsverfahrens und der hierdurch aufgeworfenen möglichen Konsequenzen für seine weitere Prüfung noch keine Entscheidung im fortzuführenden Asylverfahren getroffen hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. 22 f) Auch Unionsrecht steht nicht entgegen. Der nationale Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG unterliegt im Gegensatz zum internationalen Schutz keinen unionsrechtlichen Vorgaben. Insbesondere findet das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 46 RL 2013/32/EU auf ihn keine Anwendung. Dessen ungeachtet steht der Klägerin gegen eine neuerliche negative Entscheidung des Bundesamts ein Rechtsbehelf zur Verfügung und besteht nach den vorstehenden Ausführungen nicht die Gefahr, dass ihr dadurch effektiver Rechtsschutz in angemessener Zeit vorenthalten wird. 23 g) Soweit das Verwaltungsgericht in der vorliegenden Konstellation eine Verpflichtungsklage vor einer (neuerlichen) Entscheidung über den Asylantrag für statthaft hält, beziehen sich die von ihm zitierten Ausführungen in der Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 1 C 4.16 - BVerwGE 157, 18 Rn. 20) auf die Statthaftigkeit einer hilfsweise zu erhebenden Verpflichtungsklage für den Fall, dass die gegen die Unzulässigkeitsentscheidung gerichtete Anfechtungsklage keinen Erfolg hat und damit eine wirksame (negative) Entscheidung des Bundesamts über den Asylantrag vorliegt. Vorliegend geht es hingegen darum, ob eine (isolierte) Verpflichtungsklage statthaft ist, wenn es an einer Entscheidung über den Asylantrag fehlt, weil diese kraft gesetzlicher Anordnung unwirksam und das Asylverfahren vom Bundesamt fortzuführen ist. 24 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. 25 5. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor." bverwg_2021-34,28.05.2021,"Pressemitteilung Nr. 34/2021 vom 28.05.2021 EN Luftreinhalteplan für Ludwigsburg ist fortzuschreiben Der Luftreinhalteplan für Ludwigsburg muss zur Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid (NO2) erneut fortgeschrieben werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist ein deutschlandweit tätiger Umweltverband. Er begehrt die weitere Fortschreibung des zuletzt 2019 überarbeiteten Luftreinhalteplans des beklagten Landes Baden-Württemberg für die beigeladene Stadt Ludwigsburg. Er macht geltend, die bislang geplanten Maßnahmen seien für eine möglichst schnelle Einhaltung des NO2-Grenzwerts nicht ausreichend. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Land verurteilt, den Luftreinhalteplan unter Beachtung seiner Rechtsauffassung so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des NO2-Grenzwerts enthält. Der Standort der Messstelle in der Friedrichstraße sei zutreffend gewählt worden. Zum Abbau der dort gemessenen Grenzwertüberschreitungen habe der Plangeber jedoch nicht auf Dieselfahrverbote verzichten dürfen. Auch seien die der Planung zugrunde gelegten Prognosen teils nicht hinreichend gesichert oder unzureichend begründet. Auf die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil geändert und den Beklagten zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts verurteilt. Dabei hat es in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegt, dass der NO2-Grenzwert überschritten wird. Die Einwände des Beklagten gegen die Repräsentativität der an der Messstelle in der Friedrichstraße ermittelten Werte greifen nicht durch. Anders als der Verwaltungsgerichtshof meint, wäre die Anordnung eines Dieselfahrverbots unverhältnismäßig, wenn der Grenzwert bereits im Folgejahr des Planerlasses eingehalten wird. Zutreffend hingegen hat der Verwaltungsgerichtshof die Planprognose als fehlerhaft beanstandet, insbesondere hinsichtlich der erwarteten Minderung der NO2-Belastung aufgrund einer Erneuerung der Ludwigsburger Fahrzeugflotte. BVerwG 7 C 2.20 - Urteil vom 28. Mai 2021 Vorinstanz: VGH Mannheim, 10 S 2741/18 - Urteil vom 26. November 2019 -","Urteil vom 28.05.2021 - BVerwG 7 C 2.20ECLI:DE:BVerwG:2021:280521U7C2.20.0 EN Fortschreibung eines Luftreinhalteplans Leitsätze: 1. Eine Verpflichtung zur Fortschreibung eines Luftreinhalteplans besteht nicht, soweit sich eine im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Luftreinhalteplan nicht hinreichend gesicherte Immissionsprognose aufgrund späterer tatsächlicher Veränderungen oder neuer Erkenntnisse im Nachhinein als tragfähig erweist. 2. Ist die zuständige Behörde zur Aufstellung oder Fortschreibung eines Luftreinhalteplans verpflichtet, darf sie bei der Erfüllung dieser Verpflichtung ihr vorliegende Ergebnisse von Modellrechnungen nicht unberücksichtigt lassen, die für andere Orte als den Ort der gemessenen Grenzwertüberschreitung in dem jeweiligen Gebiet oder Ballungsraum über dem Grenzwert liegende Stickstoffdioxidbelastungen ausweisen. Rechtsquellen RL 2008/50/EG Art. 6 Abs. 1 bis 4, Art. 7 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1, Anhang III BImSchG §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 4 Satz 2, Abs. 4a Satz 1, Abs. 5 und 5a, § 48a Abs. 1 UmwRG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Satz 2, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 VwGO § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 119, 137 Abs. 2, § 139 Abs. 3 Satz 4 BImSchV 39 § 3 Abs. 2, § 13 Abs. 1 bis 4, § 14 Abs. 1, § 21 Abs. 1, Anlage 3 Instanzenzug VGH Mannheim - 26.11.2019 - AZ: VGH 10 S 2741/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.05.2021 - 7 C 2.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:280521U7C2.20.0] Urteil BVerwG 7 C 2.20 VGH Mannheim - 26.11.2019 - AZ: VGH 10 S 2741/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 2021 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel am 28. Mai 2021 für Recht erkannt: Auf die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen wird das auf die mündliche Verhandlung vom 26. November 2019 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg geändert. Der Beklagte wird verurteilt, den Luftreinhalteplan für den Regierungsbezirk Stuttgart, Teilplan Ludwigsburg, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts fortzuschreiben. Im Übrigen werden die Revisionen zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Hälfte, der Beklagte und die Beigeladene tragen je ein Viertel der Gerichtskosten. Die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten werden gegeneinander aufgehoben. Gründe I 1 Der Kläger, eine deutschlandweit tätige und nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Ludwigsburg. 2 Der zuletzt im September 2019 fortgeschriebene Luftreinhalteplan enthält Maßnahmen zur Minderung auch der Stickstoffdioxidbelastung. Der Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 µg/m3 im Jahresmittel wurde an der Messstelle Friedrichstraße in Ludwigsburg in den Jahren 2009 bis 2018 kontinuierlich überschritten. Im Jahr 2018 wurde ein Wert von 51 µg/m3 gemessen. Der Luftreinhalteplan enthält ein Maßnahmenpaket. Es umfasst eine Digitalisierung der Verkehrsleittechnik (M 1), eine Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 auf 40 km/h auf einem Teilstück der Friedrichstraße (M 2) sowie einen Einsatz von Filtersäulen (M 3). Außerdem erläutert der Luftreinhalteplan weitere in einem ""Green City Ludwigsburg Masterplan"" der Beigeladenen vorgesehene Maßnahmen, mit denen der Immissionsgrenzwert bis zum Jahr 2020 eingehalten werden könne. Der größte Minderungseffekt werde durch eine Erneuerung der Fahrzeugflotte erzielt. Durch die räumliche Nähe zur Landeshauptstadt Stuttgart, für die ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 5 gelte, werde die Flottenerneuerung in Ludwigsburg beschleunigt. Sie werde im Masterplan als Business-as-usual-Szenario (BAU-Szenario) aufgeführt. Allein hierdurch sei ein Rückgang der NO2-Belastung auf 41 µg/m3 im Jahresmittel in 2020 zu erwarten. Berücksichtige man mit dem Masterplan zudem die Trendentwicklung abnehmender Zulassungszahlen für Diesel-Pkw und die Wirkung von Software-Updates, so werde für 2020 - unter Berücksichtigung der auch im Masterplan festgelegten Maßnahme M 1, aber unabhängig von den Maßnahmen M 2 und M 3 - ein Jahresmittelwert von 39 µg/m3 prognostiziert. Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge erschienen deshalb unverhältnismäßig. 3 Bereits im Jahr 2017 stellte der Kläger einen Antrag auf Änderung des Luftreinhalteplans. Am 29. März 2018 hat er Klage erhoben. 4 Mit Urteil vom 26. November 2019 hat der Verwaltungsgerichtshof den Beklagten verurteilt, den für die Stadt Ludwigsburg geltenden Luftreinhalteplan unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts so zu ändern, dass er die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Grenzwerts für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 µg/m3 im Stadtgebiet Ludwigsburg enthält. 5 Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Der Ort der Messstelle in der Friedrichstraße sei zutreffend gewählt worden. Etwaige Einwände gegen die Repräsentativität der dort genommenen Luftproben würden in Anbetracht der Verpflichtung zur Minimierung des Risikos, den Ort der Maximalbelastung zu übersehen, nicht durchgreifen. Der Luftreinhalteplan genüge dem Gebot, den Zeitraum einer Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, aber bereits im Ansatz nicht, weil bei seiner Fortschreibung ein Vergleich der vorgesehenen Maßnahmen mit einem Dieselverkehrsverbot unterblieben sei. Ein solches Verbot ermögliche jedenfalls einen schnelleren Abbau der überhöhten Werte und sei nicht unverhältnismäßig. 6 Zudem leide die Planung an Prognosemängeln. Dies betreffe insbesondere die auf die Wirkung einer Flottenerneuerung bezogene Annahme, Fahrzeuge neuerer Euro-Klassen stießen signifikant weniger Stickoxide aus als ältere. Ferner seien aus dem in Stuttgart geltenden Dieselverkehrsverbot resultierende positive Effekte auf die Flottenerneuerung überschätzt worden. Zudem seien nicht alle der der Bewertung von Software-Updates zur Emissionsreduktion von Fahrzeugen zugrunde liegenden Annahmen ausreichend gesichert. Schließlich sei nicht erkennbar berücksichtigt worden, dass für das Jahr 2017 noch für andere Straßen als die Friedrichstraße deutlich überhöhte NO2-Werte ermittelt worden seien. 7 Es bedürfe einer Neuplanung. Hierbei dürften die zur Grenzwerteinhaltung notwendigen Maßnahmen nicht im Rahmen einer Abwägung zwischen dem Ausmaß durch Grenzwertüberschreitungen bedingter Gesundheitsgefahren oder der Zahl insoweit spezifisch gefährdeter Personen einerseits und den durch Dieselverkehrsverbote bedingten Einschränkungen von Verkehrsteilnehmern andererseits relativiert werden. Aus § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG ließen sich für den vorliegenden Fall keine rechtlichen Schlüsse ziehen. Ein Verzicht auf die Aufnahme von Verkehrsverboten komme nur dann in Betracht, wenn andere Maßnahmen gleich schnell wie Verkehrsverbote eine Einhaltung des Grenzwerts gewährleisteten. 8 Der Beklagte und die Beigeladene haben jeweils die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt. 9 Der Beklagte macht geltend: Eine Verpflichtung zur Planfortschreibung bestehe schon mangels Grenzwertüberschreitung nicht. Den genommenen Luftproben fehle die nach Anlage 3 der 39. BImSchV gebotene Repräsentativität für die Luftqualität eines Straßenabschnitts von nicht weniger als 100 m Länge, was Messungen mit Passivsammlern belegten. Dieselverkehrsverboten stehe § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG entgegen, der eine Regelvermutung fehlender Erforderlichkeit solcher Verbote normiere, die jedenfalls dann greife, wenn - wie hier - nicht von vornherein ausgeschlossen sei, dass konkret benannte Alternativmaßnahmen zeitnah zur Einhaltung des Grenzwerts führten. Die Einwände des Verwaltungsgerichtshofs gegen die Prognosen des Plangebers griffen nicht durch. Bei der Flottenerneuerung gehe es nicht um einen geringeren Schadstoffausstoß von Dieselfahrzeugen der Abgasnorm Euro 5 im Vergleich zu solchen der Abgasnorm Euro 4, sondern um einen immer geringeren Dieselanteil am Gesamtfahrzeugbestand sowie einen zunehmenden Anteil von Euro-6-Fahrzeugen an der Dieselflotte. Die Wirksamkeit von im Vergleich zu Verkehrsverboten milderen Maßnahmen sei gutachterlich belegt. Bei den modellierten Zahlen handele es sich nicht um Messwerte, die allein eine Planungspflicht auszulösen vermögen. Die Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs zu Software-Updates seien teils durch neue Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes sachlich widerlegt, teils verstießen sie gegen den Überzeugungsgrundsatz. 10 Die Beigeladene macht geltend: Angesichts einer sinkenden Tendenz der NO2-Belastung sowie der bereits 2020 zu erwartenden Einhaltung des Grenzwerts seien Dieselverkehrsverbote unverhältnismäßig. Die Immissionsprognose des Plangebers sei rechtlich nicht zu beanstanden. Das Stuttgarter Verkehrsverbot gelte inzwischen auch für Euro-5-Diesel. Für andere Straßen als die Friedrichstraße lediglich modellierte, nicht aber gemessene Grenzwertüberschreitungen begründeten keine Planungspflicht. Zum streitigen Umfang der immissionsmindernden Wirkung einer Flottenerneuerung und von Software-Updates habe der Verwaltungsgerichtshof unter Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz eine Beweiserhebung unterlassen. Er habe die Durchführung zusätzlicher kommunaler Maßnahmen nicht in Zweifel ziehen dürfen, nachdem die Beigeladene hierzu die Abgabe einer verbindlichen Protokollerklärung angeboten habe. 11 Der Beklagte hat mitgeteilt, inzwischen würden an anderen Stellen im Ludwigsburger Stadtgebiet Messungen durchgeführt. Diese hätten im Jahr 2020 nur noch an der Schlossstraße mit 47 µg/m3 eine Grenzwertüberschreitung ergeben. 12 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 26. November 2019 zu ändern und die Klage abzuweisen. 13 Der Kläger beantragt, die Revisionen zurückzuweisen. 14 Er verteidigt das angefochtene Urteil. II 15 A. Die Revisionen sind zulässig. 16 Die Beigeladene ist revisionsbefugt. Sie wird durch das angefochtene Urteil materiell beschwert. 17 Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels eines Beigeladenen erfordert ungeachtet seiner Beteiligtenstellung (§ 63 Nr. 3 VwGO) und der daran geknüpften Bindung an ein rechtskräftiges Urteil (§ 121 Nr. 1 VwGO) eine materielle Beschwer. Diese ist dann gegeben, wenn der Beigeladene geltend machen kann, durch die mögliche Rechtskraftwirkung präjudiziell und unmittelbar in eigenen Rechten beeinträchtigt zu werden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 38 Rn. 12 m.w.N. und vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 20). Zustimmungs- und sonstige Mitwirkungsbefugnisse von Verwaltungsbehörden stehen subjektiven Rechten insoweit gleich (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Mai 1971 - 4 C 19.70 - Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 16 S. 12 f. und vom 18. Mai 1992 - 4 B 98.92 - Buchholz 406.11 § 23 BBauG/BauGB Nr. 14 S. 2). 18 Die Beigeladene kann eine unmittelbare Beeinträchtigung einer ihr eingeräumten Mitwirkungsbefugnis durch das angefochtene Urteil geltend machen. Nach dem einschlägigen Landesrecht, dessen Inhalt festzustellen der Senat mangels einer gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO bindenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs hierüber nicht gehindert ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Mai 1980 - 7 C 73.78 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 32 S. 51 und vom 24. Januar 2013 - 5 C 12.12 - BVerwGE 145, 315 Rn. 10), ist die Beigeladene als kreisfreie Stadt Rechtsträgerin der zuständigen Straßenverkehrsbehörde (§ 1 des Gesetzes über die Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung vom 17. Dezember 1990 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. Februar 2018 , § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 19 des Landesverwaltungsgesetzes vom 14. Oktober 2008 , zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 21. Mai 2019 , § 131 Abs. 2 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg vom 24. Juli 2000 , zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 2. Dezember 2020 ), von deren Einvernehmen nach § 47 Abs. 4 Satz 2 BImSchG die Festlegung von Maßnahmen im Straßenverkehr in einem Luftreinhalteplan abhängt. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Beklagten zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt. Zu dieser von einer möglichen Rechtskraftwirkung des Urteils umfassten (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 7 C 27.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 22 Rn. 12 m.w.N.) Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs gehört insbesondere die Bewertung von Dieselverkehrsverboten als verhältnismäßig. Daran wäre die Beigeladene bei ihrer Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens gemäß § 47 Abs. 4 Satz 2 BImSchG anlässlich einer künftigen Planfortschreibung ebenso gebunden wie an weitere entscheidungstragende rechtliche Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs, soweit diese für die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen im Straßenverkehr im Sinne von § 47 Abs. 4 Satz 2 BImSchG erheblich sind. 19 B. Die Revisionen sind teilweise begründet. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage als zulässig angesehen. Nicht in jeder Hinsicht mit Bundesrecht in Einklang stehen seine Ausführungen zur Begründetheit der Klage. Insoweit stellt sich das angefochtene Urteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO) und ist deshalb zu ändern (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). 20 1. Der Kläger ist als anerkannte Umweltvereinigung klagebefugt. Bei der von ihm begehrten Fortschreibung des Luftreinhalteplans handelt es sich um einen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 UmwRG, § 35 Abs. 1 Nr. 2 UVPG i.V.m. Nr. 2.2 der Anlage 5 des UVPG tauglichen Klagegegenstand (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 22). Zur Erfüllung des besonderen Zulässigkeitserfordernisses nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b UmwRG genügt bereits die bei einem Luftreinhalteplan bestehende Möglichkeit einer Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung und der damit verbundenen Beteiligungsberechtigung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 23). 21 2. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Prüfung der Begründetheit der Klage einen zutreffenden Maßstab zugrunde gelegt. Zwar hat er seine Prüfung nicht erkennbar an § 2 Abs. 4 UmwRG ausgerichtet und deshalb insbesondere § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwRG ungeprüft gelassen, der die Begründetheit von Rechtsbehelfen von Umweltvereinigungen gegen Entscheidungen über die Annahme von Plänen und Programmen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG vom tatsächlichen Bestehen einer Umweltprüfungspflicht abhängig macht. Hierin liegt indes kein Bundesrechtsverstoß, weil diese Regelung Umweltverbandsklagen auf Fortschreibung von Luftreinhalteplänen nicht erfasst (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 24). Auch im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof jedenfalls der Sache nach einen zutreffenden Maßstab zugrunde gelegt. Er hat geprüft, ob der Kläger einen Anspruch aus § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG auf die von ihm begehrte Fortschreibung des Luftreinhalteplans hat. 22 3. Ohne Bundesrechtsverstoß hat der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen einer Grenzwertüberschreitung im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG bejaht. 23 Die Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs, die Messergebnisse an der Messstelle Friedrichstraße seien uneingeschränkt berücksichtigungsfähig, weil der Ort der Messstelle zutreffend gewählt worden sei, insbesondere das Kriterium der Repräsentativität der Luftproben für einen Straßenabschnitt von nicht weniger als 100 m Länge gemäß Anlage 3 Abschnitt B Nr. 1 Buchst. b Satz 2 der 39. BImSchV erfülle, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. 24 a) Für die Festlegung des Standorts von Probenahmestellen gelten gemäß § 14 Abs. 1 der 39. BImSchV die Kriterien der Anlage 3 der 39. BImSchV. Nach diesen Kriterien beurteilen sich gemäß § 13 Abs. 1, § 21 Abs. 1 der 39. BImSchV auch die Luftqualität sowie die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte unter anderem für Stickstoffdioxid. Diese Regelungen dienen der Umsetzung entsprechender unionsrechtlicher Vorgaben in Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1). Anlage 3 der 39. BImSchV regelt - in weitgehender inhaltlicher Übereinstimmung mit Anhang III der Richtlinie - in Abschnitt A allgemeine Anforderungen an die Beurteilung der Luftqualität sowie in den Abschnitten B und C Kriterien für die großräumige und die kleinräumige Ortsbestimmung der Probenahmestellen. Aus Anlage 3 Abschnitt B Nr. 1 Buchst. b der 39. BImSchV geht zum einen hervor, dass die Probenahmestellen im Allgemeinen so einzurichten sind, dass die Messung sehr kleinräumiger Umweltzustände in ihrer unmittelbaren Nähe vermieden wird, und zum anderen, dass die Luftproben möglichst für die Luftqualität eines Bereichs von bestimmter Größe repräsentativ sind. Diese Bestimmung verlangt, dass bei - wie hier - Probenahmestellen für den Verkehr die Messungen eine Wiedergabe der Luftqualität eines Straßenabschnitts von nicht weniger als 100 m Länge erlauben (vgl. für die im Wesentlichen gleichlautenden Regelungen in Anhang III Abschnitt B Nr. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/50/EG: EuGH, Urteil vom 26. Juni 2019 - C-723/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​533], Craeynest - Rn. 40). 25 Der Verwaltungsgerichtshof hat keinen hiervon abweichenden Maßstab zugrunde gelegt. Insbesondere lässt seine Annahme, der Ort einer Probenahmestelle müsse so gewählt werden, dass das Risiko, den Ort der Maximalbelastung zu übersehen, minimiert werde, keinen Rechtsfehler erkennen. Erfüllen mehrere Standorte die vorgesehenen Kriterien, eröffnet sich der zuständigen Behörde ein Auswahlermessen, das jedoch mit Rücksicht auf den Zweck und die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2008/50/EG auszuüben ist und hierdurch begrenzt wird. Danach ist der Standort einer Probenahmestelle so zu wählen, dass die Gefahr unbemerkter Überschreitungen von Grenzwerten minimiert wird (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Juni 2019 - C-723/17, Craeynest - Rn. 44, 50). 26 b) Ausgehend hiervon hat der Verwaltungsgerichtshof die Repräsentativität der an der Messstelle Friedrichstraße genommenen Luftproben für die Luftqualität eines Straßenabschnitts von nicht weniger als 100 m Länge in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht. 27 Er hat seine Einschätzung insbesondere darauf gestützt, dass im Rahmen einer Überprüfung von Messstationen in mehreren Bundesländern durch den TÜV Rheinland in Baden-Württemberg nur eine einzige, andere Messstelle als nicht regelkonform bewertet worden sei. Diese Untersuchung, auf die in einer vom Verwaltungsgerichtshof insoweit zitierten Pressemitteilung der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) vom 10. Juli 2019 Bezug genommen wird, bescheinigt der Messstelle Friedrichstraße, dass die Annahme ihrer Repräsentativität für einen mindestens 100 m langen Straßenabschnitt plausibel sei und es keine Anhaltspunkte gebe, die dieser Annahme widersprächen (vgl. TÜV Rheinland Energy GmbH, Begutachtung der Positionierung verkehrsnaher Probenahmestellen zur Messung der NO2-Konzentrationen an ausgewählten Standorten - Endbericht, 27. Juni 2019, S. 27). Der Verwaltungsgerichtshof durfte diese sachverständige Äußerung seiner freien Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zugrunde legen. Dass er sich, wie der Beklagte geltend macht, an die Einschätzung des TÜV Rheinland gebunden gesehen hätte, trifft nicht zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Gutachten erkennbar lediglich als Grundlage einer eigenen Überzeugungsbildung herangezogen. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die in dem Gutachten (S. 21 f.) zugrunde gelegten Kriterien zur Beurteilung der Repräsentativität im Sinne von Anlage 3 Abschnitt B Nr. 1 Buchst. b der 39. BImSchV. Dass diese Kriterien den rechtlichen Vorgaben widersprächen, ist nicht ersichtlich und vom Beklagten auch nicht geltend gemacht. 28 Auch die weiteren Einwände des Beklagten greifen nicht durch. 29 Soweit er einen Verstoß gegen Anlage 3 Abschnitt B Nr. 1 Buchst. b der 39. BImSchV mit der Begründung geltend macht, NO2-Messungen durch Passivsammler in der Umgebung der Messstelle hätten in den ersten zehn Monaten des Jahres 2019 eine erheblich geringere Belastung (35, 36, 36, 44 µg/m3) ergeben, als sie im gleichen Zeitraum an der Messstelle (46 µg/m3) ermittelt worden sei, kann es auf sich beruhen, inwieweit dieses Vorbringen nach materiellem Recht erheblich sein könnte. Denn in Bezug auf die mittels Passivsammlern ermittelten konkreten Werte handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der im Revisionsverfahren keine Berücksichtigung finden kann. Das gilt auch für vom Beklagten reklamierte örtliche Besonderheiten des Standorts der Messstelle (Lage am Ausgang einer Senke, Nähe zu einer Lichtsignalanlage). Das Bundesverwaltungsgericht ist als Revisionsgericht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen - nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen - tatsächlichen Feststellungen gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat weder zu etwaigen örtlichen Besonderheiten des Messstandorts noch zu konkreten Messwerten an Passivsammlern Feststellungen getroffen. Auch der erstinstanzliche Schriftsatz der Beigeladenen vom 22. November 2019, auf den sich der Beklagte in diesem Zusammenhang beruft, enthält keine Angaben zu konkreten Messwerten. Das neue tatsächliche Vorbringen des Beklagten ist auch nicht ausnahmsweise im Revisionsverfahren beachtlich. Zwar ist eine Berücksichtigung neuer tatsächlicher Umstände dann möglich, wenn eine Nichtberücksichtigung mit dem Grundsatz der Prozessökonomie in so hohem Maße unvereinbar wäre, dass der Grundsatz der Unbeachtlichkeit neuer Tatsachen zurücktreten muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1992 - 9 C 77.91 - BVerwGE 91, 104 <106>). Das ist insbesondere der Fall, wenn neue Tatsachen nicht beweisbedürftig, insbesondere unstreitig, sind und ihre Berücksichtigung dem Bundesverwaltungsgericht eine abschließende Entscheidung in der Sache selbst ermöglicht (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. November 1976 - 4 C 69.74 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 58 S. 20, vom 20. Oktober 1992 - 9 C 77.91 - BVerwGE 91, 104 <107> und vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 Rn. 10). Die neuen Tatsachen dürfen keine Beurteilung durch das Tatsachengericht erforderlich machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2011 - 1 C 21.10 - BVerwGE 141, 151 Rn. 19; vgl. in diesem Sinne auch BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1992 - 9 C 77.91 - BVerwGE 91, 104 <107 f.>; Eichberger/Buchheister/Schneider, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2021, § 137 Rn. 194; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 137 Rn. 66). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die mittels Passivsammlern gemessenen Werte bedürften sowohl hinsichtlich der Bedingungen ihres Zustandekommens als auch ihrer Aussagekraft im Hinblick auf die Repräsentativität der Messstelle weiterer tatsächlicher Feststellungen und Würdigungen, die dem Revisionsgericht nicht möglich sind. Entsprechendes gilt für die örtlichen Gegebenheiten im Umfeld der Messstelle. 30 Soweit der Beklagte die in den Gründen des angefochtenen Urteils getroffene Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs bestreitet, eine LUBW-Bedienstete habe in der mündlichen Verhandlung die Regelkonformität des Orts der Messstelle bestätigt, bleibt auch dies ohne Erfolg. Der Sache nach rügt der Beklagte eine Unrichtigkeit des Tatbestands des Urteils, die nur nach Maßgabe von § 119 VwGO hätte behoben werden können. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof, das die darin bezeugten Tatsachen beweist (§ 98 VwGO i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO) und dem Urteilstatbestand insoweit gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 314 Satz 2 ZPO vorgeht (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 7 C 17.80 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 26 S. 3 und Beschluss vom 27. April 2011 - 8 B 56.10 - ZOV 2011, 136 Rn. 12), enthält keine gegenteiligen Feststellungen. 31 4. Soweit der Verwaltungsgerichtshof zu dem Ergebnis gelangt ist, der Plangeber habe in rechtswidriger Weise von einer Aufnahme von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge in den Luftreinhalteplan abgesehen, verstoßen seine Erwägungen gegen § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das angefochtene Urteil beruht auf diesem Verstoß und stellt sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. 32 a) Die wesentlichen Maßstäbe hat der Senat, anknüpfend an frühere Entscheidungen (BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 - 7 C 26.16 - Buchholz 406.25 § 47 BImSchG Nr. 6 und - 7 C 30.17 - BVerwGE 161, 201), bereits in seinem - der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zeitlich nachfolgenden - Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - (BVerwGE 168, 20) herausgearbeitet. Danach beansprucht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Geltung nicht nur hinsichtlich der Frage, wie ein Verkehrsverbot auszugestalten ist, sondern auch bei der vorgelagerten Frage, ob ein Verkehrsverbot anzuordnen ist. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne führt zu dem Ergebnis, dass bei einer prognostizierten Überschreitung des NO2-Jahresgrenzwerts um nur noch 1 µg/m³ im Folgejahr nach Inkrafttreten des Luftreinhalteplans und gleichzeitig prognostizierter (deutlicher) Unterschreitung des Grenzwerts im übernächsten Jahr die Anordnung von Verkehrsverboten regelmäßig nicht geboten ist. Die Belastungen, die mit Verkehrsverboten insbesondere für die Eigentümer, Halter und Fahrer von Dieselfahrzeugen verbunden sind, stehen in einem solchen Fall in keinem angemessenen Verhältnis zu den mit derart geringfügigen und zeitlich begrenzten Grenzwertüberschreitungen verbundenen möglichen Gesundheitsgefahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 37). Das gilt auch für im Vergleich zu zonalen Verkehrsverboten grundsätzlich weniger belastende streckenbezogene Verkehrsverbote, insbesondere mit Rücksicht auf durch sie gegebenenfalls verursachte Ausweichverkehre und damit einhergehende höhere Belastungen an anderen Straßen. Bewegt sich die Überschreitung des Grenzwerts in einem Bereich von nur 1 µg/m3 und ist mit einem kontinuierlichen Rückgang der Belastung sowie der alsbaldigen Einhaltung bzw. deutlichen Unterschreitung des Grenzwerts sicher zu rechnen, ist ein Verkehrsverbot daher regelmäßig auch dann nicht geboten, wenn es die einzige geeignete Maßnahme ist, um das Ziel zu einem früheren Zeitpunkt zu erreichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 38). Bei höheren Grenzwertüberschreitungen hängt die Verhältnismäßigkeit von Verkehrsverboten von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere davon ab, wie lang die prognostizierte Dauer der Überschreitung ist und mit welchem Maß an Sicherheit die Einhaltung des Grenzwerts erwartet werden kann. Je kürzer einerseits die Überschreitung andauert und je sicherer die baldige Einhaltung des Grenzwerts zu erwarten ist und je größer andererseits die Auswirkungen eines Verkehrsverbots für die betroffenen Verkehrsteilnehmer und Anwohner von Ausweichstrecken sind, umso eher sind auch höhere Überschreitungen hinnehmbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 39). Aus § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG, wonach Dieselverkehrsverbote in der Regel nur in Gebieten in Betracht kommen, in denen der Wert von 50 µg/m3 im Jahresmittel überschritten worden ist, ergeben sich über die allgemeinen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinaus keine weiteren Einschränkungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 58). 33 b) Gemessen daran wären hier auf der Grundlage der Prognose des Luftreinhalteplans Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge unverhältnismäßig. Nach dieser Prognose wird der Grenzwert von 40 µg/m³ nach Erlass des Luftreinhalteplans im September 2019 noch im selben Jahr um nur noch 1,8 µg/m³ überschritten (44 µg/m³ abzüglich 0,9 µg/m³ durch Maßnahme M 2 und 1,3 µg/m³ durch Maßnahme M 3 = 41,8 µg/m³) und bereits im Folgejahr 2020 eingehalten. Wenn aber, wie es nach der Rechtsprechung des Senats der Fall ist, die Anordnung von Verkehrsverboten schon dann regelmäßig nicht geboten ist, wenn in dem auf das Inkrafttreten des Luftreinhalteplans folgenden Jahr noch eine Überschreitung von 1 µg/m³ verbleibt und erst im übernächsten Jahr der Grenzwert eingehalten wird, so gilt dies erst Recht dann, wenn - wie hier nach der Planprognose - schon im Folgejahr der Grenzwert sicher eingehalten wird. 34 c) Das angefochtene Urteil beruht auf den unzutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Verhältnismäßigkeit von Dieselverkehrsverboten. Denn in den betreffenden Ausführungen kommt die entscheidungstragende Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs zum Ausdruck, an die der Beklagte bei der ihm durch das Urteil aufgegebenen Fortschreibung des Luftreinhalteplans gebunden wäre. 35 Insoweit stellt sich das Urteil auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Das gilt auch mit Blick auf die vom Beklagten im Revisionsverfahren mitgeteilte mittlere NO2-Jahreskonzentration von 47 µg/m3, die im Jahr 2020 an einer nunmehr in der Schlossstraße befindlichen Messstelle ermittelt worden sei. Als neue Tatsache muss dieser Wert im Revisionsverfahren außer Betracht bleiben, weil der Verwaltungsgerichtshof hierzu keine Feststellungen getroffen hat, insbesondere was die Standortwahl der neuen Messstelle und die Messbedingungen anbelangt. Der Beklagte wird bei der wegen der Mangelhaftigkeit der bisherigen Prognose (vgl. dazu sogleich unter 5.) gebotenen Fortschreibung des Luftreinhalteplans auf der Grundlage einer neuen Prognose zu beurteilen haben, inwieweit wegen gegenwärtig fortbestehender Grenzwertüberschreitungen immissionsmindernde Maßnahmen veranlasst sind und ob er von der Aufnahme von Dieselverkehrsverboten in den Luftreinhalteplan mit Rücksicht auf andere wirksame Maßnahmen absehen kann oder aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sogar absehen muss. 36 5. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die dem Luftreinhalteplan zugrunde liegende Prognose der Entwicklung der NO2-Belastung und der Wirkung festgelegter Maßnahmen sei mangelhaft, trifft zu, wenngleich seine Erwägungen hierzu nicht in jeder Hinsicht mit Bundesrecht in Einklang stehen. 37 a) Die auf die Entwicklung der Immissionswerte bezogenen Prognosen des Plangebers sind gerichtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüfbar, ob sie methodisch einwandfrei erarbeitet worden sind, nicht auf unrealistischen Annahmen beruhen und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 42; vgl. auch schon BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 11). Diesen Maßstab hat der Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung zugrunde gelegt. 38 b) Ohne Bundesrechtsverstoß hat er beanstandet, die planerische Prognose der immissionsmindernden Wirkung einer Erneuerung der Fahrzeugflotte (sog. BAU-Szenario) beruhe auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen, soweit ihr die Einschätzung zugrunde liege, Fahrzeuge der neuen Euro-Klassen stießen signifikant weniger Stickoxide aus als ältere. Der Einschätzung des Plangebers hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf Zahlen des Umweltbundesamts entgegengehalten, es sei schon im Jahr 2017 bekannt gewesen, dass die realen NO2-Emissionen eines Euro-5-Diesels diejenigen eines Euro-4-Diesels im Gegenteil deutlich überstiegen. Diese tatsächliche Feststellung haben die Revisionsführer nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. 39 Das Vorbringen des Beklagten, der Verwaltungsgerichtshof habe verkannt, dass sich der Plangeber mit dem Argument der Flottenerneuerung nicht auf einen geringeren Schadstoffausstoß von Euro-5-Dieseln berufe, sondern auf einen immer geringeren Dieselanteil am Gesamtfahrzeugbestand sowie einen zunehmenden Euro-6-Anteil an den Dieselfahrzeugen, führt nicht auf einen Verstoß des angefochtenen Urteils gegen revisibles Recht. Wollte man hierin die sinngemäße Rüge einer Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) wegen aktenwidriger, gegen Denkgesetze verstoßender oder sonst von objektiver Willkür geprägter Sachverhaltswürdigung erblicken, griffe diese nicht durch. Der Verwaltungsgerichtshof hat die vom Beklagten beschriebene Ausrichtung der Prognose auf eine zunehmende Ersetzung von Dieselfahrzeugen älterer Abgasnormen durch solche der neuesten Abgasnormen sowie durch benzinbetriebene Fahrzeuge nicht in Abrede gestellt. Vielmehr hat er die Prämisse signifikant geringerer Stickoxidausstöße neuerer im Vergleich zu älteren Dieselfahrzeugen als sachlich unzutreffend beanstandet. Dass der Verwaltungsgerichtshof dies als einen die Tragfähigkeit der Immissionsprognose ausschließenden Mangel gewürdigt hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Überlegung ist weder willkürlich noch verstößt sie gegen Denkgesetze. Die Flottenerneuerung vollzieht sich, was als allgemeinkundig zugrunde gelegt werden kann und auch aus der die Entwicklung der Flottenzusammensetzung bis zum Jahr 2030 darstellenden (aktenkundigen) Abbildung 6.2 des Masterplans der Beigeladenen hervorgeht, in einem mehrjährigen Prozess, in dem aufs Ganze gesehen ältere vor jüngeren Fahrzeugen durch neue ersetzt werden. Bei einer solchen Entwicklung führt aber eine sachlich unzutreffende pauschale Annahme eines mit abnehmendem Fahrzeugalter geringeren Stickoxidausstoßes tendenziell zu einer Überschätzung der positiven Wirkung der Flottenerneuerung auf die NO2-Immissionsbelastung. 40 Die vom Beklagten zur Plausibilisierung der planerischen Prognose im Revisionsverfahren mitgeteilten Daten der amtlichen Zulassungsstatistik für den Landkreis Ludwigsburg vermögen die Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu erschüttern. Selbst wenn es zuträfe, dass die Flottenerneuerung tatsächlich sogar schneller voranschreite, als im BAU-Szenario prognostiziert, änderte dies nichts an dem vom Verwaltungsgerichtshof beanstandeten Prognosemangel. 41 Die von der Beigeladenen in diesem Zusammenhang erhobene Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) greift nicht durch. Dies gilt schon deshalb, weil sie nicht in einer den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargetan hat, dass sie auf die von ihr für erforderlich gehaltene Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der voraussichtlichen Einhaltung des NO2-Grenzwerts im Jahr 2020 bei Umsetzung der Maßnahmen des Luftreinhalteplans mit einem förmlichen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung hingewirkt hätte oder sich dem Verwaltungsgerichtshof die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen hätte aufdrängen müssen (vgl. zu den Anforderungen an eine Aufklärungsrüge etwa BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 4 C 8.11 - NVwZ 2013, 372 Rn. 11). 42 c) Die weitere Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der aus dem in Stuttgart geltenden Dieselverkehrsverbot resultierende positive Effekt auf die Flottenerneuerung durch den Austausch älterer Dieselfahrzeuge der Abgasnormen Euro 5 und niedriger durch Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 6 sei prognostisch überschätzt worden, weil es im Zeitpunkt der Planerstellung keine tragfähigen Hinweise für eine Ausdehnung des für Dieselfahrzeuge der Abgasnormen Euro 4 und niedriger geltenden Stuttgarter Verkehrsverbots auf Euro-5-Fahrzeuge gegeben habe, verletzt zwar Bundesrecht. Das angefochtene Urteil beruht aber nicht auf dieser Rechtsverletzung. 43 aa) Der Verwaltungsgerichtshof hätte es nicht bei seiner auf den Zeitpunkt der Planerstellung bezogenen Feststellung belassen dürfen, sondern prüfen müssen, ob nicht zumindest nach den im Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung erkennbaren Umständen mit einer Erstreckung des Stuttgarter Dieselverkehrsverbots auf Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 5 zu rechnen war und die vom Plangeber insoweit prognostizierte Immissionsminderung deshalb im Ergebnis erwartet werden durfte. Der Verwaltungsgerichtshof ist allerdings im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass wegen des prognostischen Charakters der Planungsentscheidung für die Beurteilung der Frage, ob die einem Luftreinhalteplan zugrunde liegenden Prognosen rechtlich zu beanstanden sind, auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Plan abzustellen ist (BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 7, 11; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 42). 44 Diese für die (inzidente) gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Luftreinhalteplans getroffene Aussage bedarf indes für die hier in Rede stehende Konstellation einer Klage auf Fortschreibung eines Luftreinhalteplans einer Ergänzung. In dem Zeitraum zwischen der Beschlussfassung über den Plan und dem für die Beurteilung des (Fort- oder erneuten) Bestehens einer Planungspflicht maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz kann es zu prognoserelevanten Veränderungen kommen oder können sich prognoserelevante neue Erkenntnisse ergeben. Diese können gleichermaßen die Prognosebasis wie die einer Prognose zugrunde liegenden Erfahrungssätze, Prämissen, fachwissenschaftlichen Einschätzungen, Methoden und dergleichen betreffen. Bezugspunkt für die Beurteilung der Relevanz nachträglicher Veränderungen und Erkenntnisse bleiben dabei stets die vom Plangeber angestellten Prognosen, die das Gericht wegen des dem Plangeber insoweit zukommenden Spielraums auch dann nicht durch eigene ersetzen darf, wenn sich eine behördliche Prognose als defizitär erweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 - 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <355>; OVG Münster, Urteil vom 12. September 2019 - 8 A 4775/18 - juris Rn. 452). Von einer unzulässigen eigenen Prognose des Gerichts zu unterscheiden ist die Berücksichtigung tatsächlicher Veränderungen oder neuer Erkenntnisse in Bezug auf die Grundlagen der Prognose. Solche Veränderungen oder neuen Erkenntnisse können gegebenenfalls dazu führen, dass sich eine ursprünglich nicht hinreichend gesicherte Prognose im Nachhinein als tragfähig erweist. Soweit das erkennbar der Fall ist, wäre eine wegen des ursprünglichen Prognosemangels erfolgende Verurteilung zur Neuplanung sachwidrig, weil für den mit einer Neuplanung verbundenen zeitlichen, personellen und sachlichen Aufwand mit Blick auf das gesetzliche Ziel der Luftreinhalteplanung keine Veranlassung mehr besteht. Es bedarf dafür auch keiner gesetzlichen Fehlerheilungs- oder Unbeachtlichkeitsvorschriften. Der für Rechtsnormen geltende Grundsatz, wonach die Rechtswidrigkeit einer Norm ihre Nichtigkeit zur Folge hat, soweit nicht der Gesetzgeber etwas Anderes bestimmt, kann auf Luftreinhaltepläne nicht übertragen werden. Bei ihnen handelt es sich nicht um Rechtsnormen. Sie sind als auf den staatlichen Binnenbereich bezogene Handlungspläne konzipiert, die in ihrer Rechtsnatur Verwaltungsvorschriften ähnlich sind (BVerwG, Urteile vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 18). In diesem Sinne hat der Senat bereits entschieden, dass nachträglich aktualisierte Prognosen und Maßnahmen bei der gerichtlichen Prüfung eines Anspruchs auf Fortschreibung eines Luftreinhalteplans einzubeziehen sind und dass dem die Beteiligungs- und Publizitätsanforderungen der Luftreinhalteplanung nach § 47 Abs. 5 und 5a BImSchG jedenfalls dann nicht entgegenstehen, wenn nicht methodisch vollständig neue Prognosen erstellt und vorgesehene Maßnahmen nicht grundlegend umgestaltet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 27). 45 bb) Das angefochtene Urteil beruht nicht auf dem beschriebenen Rechtsverstoß, weil der Verwaltungsgerichtshof die Prognose des Plangebers aus den bereits erörterten sowie nachstehend behandelten anderen Gründen zu Recht beanstandet hat. 46 Es kann deshalb dahinstehen, ob im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs bereits hinreichend sicher eine alsbaldige Erstreckung des in Stuttgart geltenden zonalen Dieselverkehrsverbots für Euro-4-Fahrzeuge auf Euro-5-Fahrzeuge absehbar war. Hiergegen spricht, dass Euro-5-Fahrzeuge erst zum 1. Juli 2020 und nur für Teile des Stuttgarter Stadtgebiets und erst nachdem der Beklagte sich hiergegen erfolglos gerichtlich zur Wehr gesetzt hatte, in das zonale Verbot einbezogen worden sind. 47 d) Überwiegend mit Bundesrecht in Einklang steht es, dass der Verwaltungsgerichtshof die Immissionsprognose auch in Bezug auf die ihr zugrunde liegenden Annahmen zur emissionsmindernden Wirkung von Software-Updates bei Dieselfahrzeugen als mangelhaft bewertet hat. 48 aa) Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken, soweit der Verwaltungsgerichtshof beanstandet hat, dass die vom Plangeber angenommene Emissionsreduktion um 30 % bei der Euro-5-Flotte deutscher Hersteller nicht ausreichend gesichert sei. Sie werde nicht näher begründet und gehe über eine Emissionsreduktion von 25 % pro Fahrzeug hinaus, wie sie das Umweltbundesamt schon früher als höheren Wert im Rahmen zweier möglicher Szenarien angenommen habe und auch gegenwärtig unter Berücksichtigung des aktuellen HBEFA (Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs) 4.1 annehme. Diese Einschätzung lässt einen Rechtsverstoß nicht erkennen. Sie beruht auf der Forderung nach einer in tatsächlicher Hinsicht hinreichend tragfähigen Prognosegrundlage. Die vom Verwaltungsgerichtshof in Bezug genommenen Angaben des Umweltbundesamts sind geeignet, die Plausibilität der davon abweichenden und nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht näher begründeten Annahmen des Luftreinhalteplans in Zweifel zu ziehen. 49 Ohne Erfolg sucht der Beklagte seine Annahmen nunmehr dadurch zu untermauern, dass er auf Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes vom Januar 2020 verweist, wonach die durchschnittliche Emissionsminderung durch Software-Updates sogar über 30 % hinausgehe. Die dazu mitgeteilten Daten müssen als neue Tatsachen im Revisionsverfahren unberücksichtigt bleiben. Eine Ausnahme von der grundsätzlichen Unbeachtlichkeit in dem angefochtenen Urteil nicht festgestellter Tatsachen kommt nach den hierzu vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Maßstäben (vgl. oben Rn. 29) nicht in Betracht. Die Daten bedürften im Hinblick auf ihre Aussagekraft einer weiteren tatsächlichen Würdigung, die dem Revisionsgericht verwehrt ist. Das gilt namentlich für die Frage, inwieweit die auf einzelne Fahrzeugmodelle bezogenen Angaben repräsentativ für die Fahrzeugflotten der jeweiligen Hersteller sind, auf die sich die Prognose des Luftreinhalteplans bezieht. 50 bb) Nicht mit Bundesrecht in Einklang steht allerdings, dass der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Emissionsminderung durch freiwillige Software-Updates eine ""Nachhaltigkeitsprognose"" des Plangebers unter Hinweis darauf eingefordert hat, bei lebensnaher Betrachtung spreche viel dafür, dass die mit den Software-Updates verbundenen Korrekturen auf die ursprünglichen Werkseinstellungen zurückgesetzt würden. 51 Damit überspannt der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis die Anforderungen an eine tragfähige Prognose. Diese muss nicht alle denkbaren, sondern nur solche Entwicklungen in den Blick nehmen, mit denen nach den jeweiligen Umständen realistischerweise zu rechnen ist, und die sich - gegebenenfalls im Zusammenspiel mit anderen Faktoren - auf die Immissionsbelastung erheblich auswirken können. Die Annahme, dies könne bei dem vom Verwaltungsgerichtshof skizzierten Szenario der Fall sein, findet in dessen tatsächlichen Feststellungen keine Grundlage. Es mag zwar allgemeiner Lebenserfahrung entsprechen, dass einzelne Kunden freiwillige Software-Updates auch wieder rückgängig machen. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber nicht festgestellt, dass ein solches Kundenverhalten möglicherweise in einer solchen Vielzahl von Fällen zu erwarten stünde, dass es erheblichen nachteiligen Einfluss auf die Immissionssituation haben könnte. Ohne hierauf hindeutende Anknüpfungstatsachen bleibt ein solches Szenario spekulativ und muss deshalb vom Plangeber auch nicht in den Blick genommen werden. 52 e) Soweit der Verwaltungsgerichtshof schließlich bemängelt hat, der Beklagte habe bei seiner Prognose für 2019 und 2020 die von der PTV-Group im Jahr 2017 für andere, jenseits der Friedrichstraße gelegenen Straßenzüge ermittelten NO2-Grenzwertüberschreitungen (Kepplerstraße: 72 µg/m³, Stuttgarter Straße: 66 µg/m³, Frankfurter Straße: 54 µg/m³) nicht, jedenfalls aber nicht erkennbar berücksichtigt, verstößt auch dies im Ergebnis nicht gegen Bundesrecht. 53 Dass es sich, wie beide Revisionsführer hervorheben, bei diesen Grenzwertüberschreitungen nicht um gemessene Werte, sondern um Ergebnisse von Modellrechnungen handelt, führt nicht dazu, dass der Beklagte sie bei der Fortschreibung des Luftreinhalteplans außer Betracht lassen durfte. Zwar setzt die Entstehung seiner Planungspflicht eine durch ortsfeste Messungen ermittelte Grenzwertüberschreitung voraus. Bei der Erfüllung dieser Pflicht hat der Beklagte aber auch ihm vorliegende Ergebnisse von Modellrechnungen zu berücksichtigen, die für andere Orte als den Ort der gemessenen Grenzwertüberschreitung im Ludwigsburger Stadtgebiet über dem Grenzwert liegende Belastungen ausweisen. 54 Der Beklagte darf bei der Fortschreibung des Luftreinhalteplans ihm vorliegende Ergebnisse von Modellrechnungen, die für andere Orte im Ludwigsburger Stadtgebiet oberhalb des Grenzwerts liegende NO2-Belastungen anzeigen, nicht unberücksichtigt lassen. Denn die nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zur Luftreinhalteplanung verpflichtete Behörde darf bei ihrer Entscheidung regelmäßig nicht lediglich die Verhältnisse am Ort der jeweiligen Probenahmestelle in den Blick nehmen und die in den Plan aufzunehmenden Maßnahmen ausschließlich daran ausrichten, dass gerade an diesem Ort - punktuell - der Grenzwert nicht (mehr) überschritten wird. Eine derart verengte Perspektive widerspräche den Zielen und der Konzeption des Luftqualitätsrechts im Allgemeinen und der Luftreinhalteplanung im Besonderen. Diese gebieten vielmehr grundsätzlich einen breiten, über den unmittelbaren Ort der die Planungspflicht auslösenden gemessenen Grenzwertüberschreitung hinausreichenden planerischen Zugriff und insoweit auch die Berücksichtigung der Behörde vorliegender Erkenntnisse zur Schadstoffbelastung an anderen Orten des jeweiligen Gebiets oder Ballungsraums. Eine planerische Beschränkung auf den Ort der gemessenen Grenzwertüberschreitung kommt nur in Betracht, wenn es sich dabei um einen singulären ""Hot Spot"" handelt, was freilich bei - wie hier - vorliegenden Modellrechnungen, die auf mögliche Grenzwertüberschreitungen auch an anderen Orten hinweisen, in besonderer Weise begründungsbedürftig wäre. 55 Nach Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG sind Luftqualitätspläne ""für"" Gebiete und Ballungsräume zu erstellen, in denen ein Grenzwert überschritten wird. Diese auch im 18. Erwägungsgrund und vergleichbar in anderen Sprachfassungen der Richtlinie (englisch: ""for those zones and agglomerations""; französisch: ""pour cette zone ou agglomération""; italienisch: ""per le zone e gli agglomerati"") verwendete Formulierung greift der deutsche Verordnungsgeber in § 27 Abs. 1 der 39. BImSchV auf. Sie weist über den konkreten Ort der ermittelten Grenzwertüberschreitung hinaus auf das jeweilige Gebiet oder den jeweiligen Ballungsraum insgesamt. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verlangt, für Stickstoffdioxid in Verbindung mit Absatz 2 der Vorschrift, dass die Grenzwerte ""überall"" in den Gebieten und Ballungsräumen eingehalten werden. Dem entspricht es, dass nach Anhang III Abschnitt B Nr. 1 Buchst. a und f der Richtlinie (Anlage 3 Abschnitt B Nr. 1 Buchst. a und f der 39. BImSchV) der Ort von Probenahmestellen für Messungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit so zu wählen ist, dass die Probenahmestellen repräsentative Daten für Bereiche eines Gebiets oder eines Ballungsraums liefern, die durch ein bestimmtes Verschmutzungsniveau gekennzeichnet sind (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Juni 2019 - C-723/17, Craeynest - Rn. 39). Der an einer Probenahmestelle gemessene Wert beansprucht danach grundsätzlich über den Standort der Probenahmestelle hinaus Aussagekraft für die Luftqualität an vergleichbaren anderen Orten in dem Gebiet oder Ballungsraum. Übersteigt er den Grenzwert, liegt darin ein Indiz für mögliche überhöhte Schadstoffbelastungen auch andernorts. Dies findet zusätzliche Bestätigung in der relativ geringen vorgeschriebenen Mindestzahl an Probenahmestellen gemäß Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Anhang V Abschnitt A der Richtlinie und § 14 Abs. 2 i.V.m. Anlage 5 Abschnitt A der 39. BImSchV. Hiermit können offenkundig nicht flächendeckend punktgenaue, sondern eben nur möglichst repräsentative Daten für die Luftqualität in einem Gebiet oder Ballungsraum gemessen werden, obwohl die Richtlinie dort ""überall"" die Einhaltung der Grenzwerte einfordert. Nicht zuletzt spricht auch der im Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit liegende Zweck (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 26. Juni 2019 - C-723/17, Craeynest - Rn. 33) der Richtlinie 2008/50/EG für einen breiten, über den Ort der gemessenen Grenzwertüberschreitung hinausgehenden planerischen Zugriff und damit für eine Berücksichtigung dem Plangeber vorliegender Ergebnisse von Modellrechnungen, die auf auch andernorts bestehende überhöhte Schadstoffbelastungen hinweisen. 56 Dieses Ergebnis unterliegt nach Einschätzung des Senats insbesondere mit Blick auf die zitierte Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. Juni 2019 in der Rechtssache Craeynest keinem vernünftigen Zweifel. Der Senat ist deshalb nicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV gehalten, diese Frage dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorzulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81 [ECLI:​EU:​C:​1982:​335], CILFIT -). 57 6. Ohne Bundesrechtsverstoß hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass es wegen der dem Luftreinhalteplan anhaftenden Prognosemängel einer Neuplanung bedarf, deren Erforderlichkeit nicht aufgrund neuer, bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs eingetretener Entwicklungen entfallen ist. 58 Insbesondere ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang zu den von der Beigeladenen beabsichtigten acht zusätzlichen Maßnahmen ausgeführt hat, es könne offenbleiben, ob derartige im Luftreinhalteplan nicht berücksichtigte Maßnahmen die Fortschreibung eines ohne sie defizitären Plans entbehrlich machen könnten, weil jedenfalls Realisierungswahrscheinlichkeit und -zeitpunkt der Maßnahmen unklar seien und es an einer prognostischen Bezifferung und Plausibilisierung der jeweiligen Minderungspotenziale fehle. Dies steht mit Bundesrecht in Einklang, wonach die Eignung vorgesehener Maßnahmen zur Erreichung des Ziels einer schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung gesichert erscheinen muss. Dies setzt eine prognostische Abschätzung des Plangebers voraus, in welchem Umfang und innerhalb welches Zeitraums die jeweiligen Maßnahmen einen Beitrag zur Minderung der Schadstoffbelastung leisten können. Nur auf dieser Grundlage lässt sich nachvollziehbar beurteilen, ob und wann mit einer Einhaltung des Grenzwerts zu rechnen und eine Planfortschreibung deshalb gegebenenfalls nicht mehr erforderlich ist. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs fehlt es in Bezug auf die acht zusätzlichen Maßnahmen der Beigeladenen an einer solchen Abschätzung. Der Einwand der Beigeladenen, sie habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof die Abgabe einer verbindlichen Protokollerklärung über die Durchführung der Maßnahmen angeboten, verfängt nicht. Denn eine solche Erklärung änderte nichts am Fehlen einer prognostischen Abschätzung zur Wirksamkeit der Maßnahmen. 59 7. Schließlich stehen auch die vom Verwaltungsgerichtshof formulierten Maßgaben für eine Neuplanung überwiegend mit Bundesrecht in Einklang. Sie betreffen eine etwaige Aufnahme von Dieselverkehrsverboten in den Luftreinhalteplan, die je nach aktuell bestehender und fehlerfrei prognostizierter Entwicklung der NO2-Belastung weiterhin in Betracht zu ziehen sind. 60 a) Die Maßgabe, bei der Fortschreibung des Luftreinhalteplans dürften die zur Grenzwerterreichung notwendigen Maßnahmen nicht im Rahmen einer Abwägung zwischen dem Ausmaß von durch Grenzwertüberschreitungen bedingten Gesundheitsgefahren oder der Zahl insoweit spezifisch gefährdeter Personen einerseits und den durch Dieselverkehrsverbote bedingten Einschränkungen von Verkehrsteilnehmern andererseits relativiert werden, entspricht der - dem angefochtenen Urteil zeitlich nachgehenden - Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 57). 61 b) Ebenfalls zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG eine eigenständige ermessenslenkende Wirkung abgesprochen. Aus der Regelung ergeben sich über die - oben skizzierten (vgl. Rn. 32) - allgemeinen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinaus keine weiteren Einschränkungen für die Festlegung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 58 ff.). 62 c) Nicht vollständig mit Bundesrecht in Einklang stehen die vom Verwaltungsgerichtshof formulierten Voraussetzungen, unter denen der Beklagte wegen alternativer Maßnahmen von einer Aufnahme von Dieselverkehrsverboten in den Luftreinhalteplan absehen dürfe. Nicht zu beanstanden ist insoweit die Maßgabe, Alternativmaßnahmen müssten in ihrer Durchführung rechtlich, finanziell sowie tatsächlich gesichert und auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Prognose zur Grenzwerteinhaltung geeignet sein. Bundesrechtswidrig ist allerdings die weitere Maßgabe, die anderen Maßnahmen müssten in gleicher Weise wie Fahrverbote effektiv sein, insbesondere ebenso schnell die Einhaltung des Grenzwerts gewährleisten. In dieser Forderung setzt sich der Verstoß des angefochtenen Urteils gegen § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fort. Auch wenn ein Verkehrsverbot die einzige geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwerts ist, erübrigt sich damit nicht die Verhältnismäßigkeitsprüfung, ob ein solches Verbot zu verhängen ist. Unter den oben ausgeführten Voraussetzungen können Verkehrsverbote unverhältnismäßig sein und ist die Planung auf andere Maßnahmen beschränkt, selbst wenn diese erst zu einem späteren Zeitpunkt zum Ziel führen. 63 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2021-35,28.05.2021,"Pressemitteilung Nr. 35/2021 vom 28.05.2021 EN Luftreinhalteplan für Hamburg ist fortzuschreiben Der Luftreinhalteplan für Hamburg muss zur Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid (NO2) erneut fortgeschrieben werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist ein Umweltverband. Er begehrt die weitere Fortschreibung des zuletzt 2017 überarbeiteten Luftreinhalteplans der beklagten Freien und Hansestadt Hamburg. Er macht geltend, die bislang geplanten Maßnahmen seien für eine möglichst schnelle Einhaltung des NO2-Grenzwerts nicht ausreichend. Es bedürfe der Aufnahme von Dieselfahrverboten in den Plan. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verurteilt, den Luftreinhalteplan unter Beachtung seiner Rechtsauffassung so fortzuschreiben, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des NO2-Grenzwerts enthält. Die Beklagte habe angesichts der im Luftreinhalteplan erst für das Jahr 2025 prognostizierten sicheren Einhaltung des Grenzwerts die Festlegung von Dieselfahrverboten mit unzureichender Begründung als unverhältnismäßig abgelehnt. Die von ihr im gerichtlichen Verfahren vorgelegten neuen Prognosen eines zügigeren Rückgangs der NO2-Belastung seien fehlerhaft. Maßgeblich seien hier zudem die Mess- und Prognosewerte in 1,5 m Höhe, nicht die niedrigeren Werte in 4 m Höhe. Der Plan sei zu ergänzen um eine ""zweite Planungsstufe"" mit Maßnahmen für den Fall, dass sich die NO2-Belastung künftig ungünstiger als prognostiziert entwickele. Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil geändert und die Beklagte zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts verurteilt. In der Sache hat es die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts allerdings überwiegend bestätigt. Bundesrechtlich nicht zu beanstanden sind dessen Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit von Dieselfahrverboten auf der Grundlage der dem Luftreinhalteplan zugrunde liegenden Prognose der Entwicklung der NO2-Belastung. Nichts anderes gilt, soweit das Oberverwaltungsgericht die neuen Prognosen der Beklagten deshalb als nicht hinreichend gesichert und somit fehlerhaft bewertet hat, weil die dabei in Ansatz gebrachte regionalisierte Pkw-Flottenzusammensetzung für Hamburg einen gegebenenfalls signifikanten Anteil nicht in der Stadt gemeldeter Fahrzeuge (Pendlerverkehr) unberücksichtigt lasse. Zutreffend ist ferner, dass hier nicht die Mess- und Prognosewerte in 4 m Höhe, sondern die höheren Werte in 1,5 m Höhe maßgeblich sind, unabhängig davon, ob die Anwohner in den hier in Rede stehenden Straßenzügen im Hochparterre oder ersten Obergeschoss wohnen. Nach den einschlägigen rechtlichen Vorgaben ist die Mess- und Prognosehöhe nicht nach der Lage von Wohnungen, sondern so zu bestimmen, dass die Gefahr unbemerkter Grenzwertüberschreitungen minimiert wird. Rechtlich nicht geboten sind jedoch die vom Oberverwaltungsgericht eingeforderten zusätzlichen Maßnahmen auf einer zweiten Planungsstufe. BVerwG 7 C 4.20 - Urteil vom 28. Mai 2021 Vorinstanz: OVG Hamburg, 1 E 23/18 - Urteil vom 29. November 2019 -","Urteil vom 28.05.2021 - BVerwG 7 C 4.20ECLI:DE:BVerwG:2021:280521U7C4.20.0 EN Fortschreibung eines Luftreinhalteplans Leitsätze: 1. Die Pflicht zur Aufstellung eines Luftreinhalteplans erlischt nicht allein schon deshalb, weil der betreffende Jahresgrenzwert in einem Folgejahr nicht mehr überschritten wird. Hinzukommen muss, dass auch in der absehbaren Zukunft keine erneuten Grenzwertüberschreitungen zu erwarten sind und deshalb für eine Luftreinhalteplanung kein Anlass mehr besteht. 2. Der Plangeber ist grundsätzlich nicht gehindert, seine einem Luftreinhalteplan zugrunde liegenden Prognosen nachträglich zu aktualisieren. 3. Die Höhe des Messeinlasses einer Probenahmestelle für ortsfeste Messungen zur Beurteilung der Luftqualität insbesondere in Bezug auf Stickstoffdioxid ist ohne Rücksicht auf die Lage von Wohnungen in der Nähe der Messstelle so zu wählen, dass die Gefahr unbemerkter Grenzwertüberschreitungen minimiert wird. Rechtsquellen RL 2008/50/EG Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1, Anhang III BImSchG §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 4a Satz 1, Abs. 5 und 5a, § 48a Abs. 1 UmwRG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Satz 2, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 VwGO § 137 Abs. 2, § 139 Abs. 3 Satz 4 39. BImSchV § 3 Abs. 2, § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1, § 21 Abs. 1, Anlage 3 Instanzenzug OVG Hamburg - 29.11.2019 - AZ: OVG 1 E 23/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.05.2021 - 7 C 4.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:280521U7C4.20.0] Urteil BVerwG 7 C 4.20 OVG Hamburg - 29.11.2019 - AZ: OVG 1 E 23/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 2021 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel am 28. Mai 2021 für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2019 ergangene Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts geändert. Die Beklagte wird verurteilt, den Luftreinhalteplan für Hamburg (2. Fortschreibung) vom 30. Juni 2017 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts fortzuschreiben. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen. Der Kläger trägt ein Drittel, die Beklagte zwei Drittel der Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Kläger, eine nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans der Beklagten. 2 Der Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 µg/m3 im Jahresmittel wurde an der Messstation Habichtstraße in Hamburg in den Jahren 2002 bis 2016 kontinuierlich überschritten, im Jahr 2016 mit einem Wert von 62 µg/m3 in einer Messhöhe von 1,5 m. Im selben Jahr wurde erstmals auch in einer Höhe von 4 m gemessen. Dort ergab sich ein Wert von 59 µg/m3. 3 Am 30. Juni 2017 beschloss der Senat der Beklagten den Luftreinhalteplan für Hamburg (2. Fortschreibung). Zur Senkung der NO2-Belastung sieht der Plan zehn gesamtstädtisch angelegte Maßnahmenpakete sowie mehrere lokale Einzelmaßnahmen in bestimmten Straßenabschnitten vor. Modellrechnungen ergaben für das Prognosejahr 2020 bei Umsetzung der zehn gesamtstädtisch wirkenden Maßnahmen in Kombination (sog. Kombinationsszenario) NO2-Jahresmittelwerte von 47,2 µg/m3 am Standort der Messstation Habichtstraße und 41,1 µg/m3 an einem südlich davon gelegenen Straßenabschnitt. Der Luftreinhalteplan sieht deshalb als lokale Einzelmaßnahme für die Habichtstraße den Einsatz emissionsarmer Busse mit erwarteten Immissionsminderungen um 0,5 µg/m3 an der Messstation und 0,3 µg/m3 am südlichen Straßenabschnitt vor. Bei Umsetzung dieser Maßnahme sei damit zu rechnen, dass der Grenzwert so schnell wie möglich, spätestens im Jahr 2025 sicher eingehalten werde. Eine Durchfahrtsbeschränkung für Dieselfahrzeuge bewirke zwar voraussichtlich Immissionsminderungen um 11,7 bzw. 13,8 µg/m3, sei aber in Anbetracht der herausragenden Verkehrsfunktion der Habichtstraße unverhältnismäßig. Für Högerdamm, Spaldingstraße und Nordkanalstraße, an denen keine Messstationen vorhanden sind, prognostizieren die Modellrechnungen für das Jahr 2020 im Kombinationsszenario Grenzwertüberschreitungen um 2,7 bis 5,6 µg/m3 an insgesamt vier Abschnitten. Auch hier sieht der Luftreinhalteplan als lokale Einzelmaßnahme den Einsatz emissionsarmer Busse mit erwarteten Immissionsminderungen um 0,2 bis 0,5 µg/m3 vor und rechnet mit einer sicheren Einhaltung des Grenzwerts spätestens im Jahr 2025. Nach Abwägung aller Belange seien auch insoweit weitere geprüfte Maßnahmen, namentlich eine Durchfahrtsbeschränkung für Dieselfahrzeuge mit einer voraussichtlichen Minderungswirkung zwischen 6,6 und 9,7 µg/m3, unverhältnismäßig. 4 In den Jahren 2017 und 2018 wurden an der Messstation Habichtstraße NO2-Jahresmittelwerte von jeweils 55 µg/m3 in 1,5 m Höhe und von 53 und 50 µg/m3 in 4 m Höhe ermittelt. Im Durchschnitt der ersten zehn Monate des Jahres 2019 wurden 49,1 µg/m3 in 1,5 m Höhe und 44 µg/m3 in 4 m Höhe gemessen. 5 Der Kläger hat Klage auf Fortschreibung des Luftreinhalteplans erhoben. Die Beklagte ist der Klage unter anderem unter Hinweis auf Ergebnisse von Nachberechnungen und neuen Modellierungen, mit denen die dem Luftreinhalteplan zugrunde liegenden Berechnungen mit veränderten Eingangsdaten aktualisiert worden seien, entgegengetreten. 6 Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verurteilt, den Luftreinhalteplan unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts unverzüglich fortzuschreiben. Im Übrigen hat es die in erster Linie auf Verurteilung zur Planfortschreibung bis zum 31. Mai 2020 gerichtete Klage abgewiesen. 7 Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Luftreinhalteplan stelle nicht sicher, dass der NO2-Jahresgrenzwert in den genannten Straßen auch schon vor 2025 eingehalten werde. Der Beurteilung seien die Prognosewerte des Luftreinhalteplans zugrunde zu legen, während die von der Beklagten im gerichtlichen Verfahren vorgelegten neuen Prognosen außer Betracht zu bleiben hätten. Die Beklagte habe nicht von Durchfahrtsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge als den nach ihrer eigenen Einschätzung zur Immissionsminderung am besten geeigneten Maßnahmen absehen dürfen. Eine danach gebotene Fortschreibung des Luftreinhalteplans sei nicht obsolet geworden. Die neuen Prognosen der Beklagten erlaubten nicht den Schluss auf eine sichere, schnellstmögliche Grenzwerteinhaltung auch ohne Planfortschreibung. Sie seien jedenfalls hinsichtlich des Ansatzes einer regionalisierten Pkw-Flottenzusammensetzung fehlerhaft, weil unberücksichtigt geblieben sei, dass an dem Verkehrsaufkommen in Hamburg vor allem werktags gegebenenfalls ein signifikanter Anteil nicht in der Stadt gemeldeter Fahrzeuge beteiligt sei (Pendlerverkehr). Für die Immissionsprognose komme es nicht ausschließlich auf eine Mess- oder Modellierungshöhe von 4 m an. Die höheren Werte in 1,5 m Höhe dürften nicht ausgeblendet werden. Die Beklagte sei verpflichtet, wegen der verbleibenden Prognoseunsicherheiten auf einer ""zweiten Planungsstufe"" Maßnahmen für den Fall festzusetzen, dass sich die Werte ungünstiger als prognostiziert entwickelten. 8 Die Beklagte hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, soweit das Oberverwaltungsgericht eine mangelnde Datenaktualität der neuen Prognosen beanstandet. Das Oberverwaltungsgericht habe unter Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO nicht aufgeklärt, ob eine Aktualisierung von Daten veranlasst gewesen sei. Die Annahme des Gerichts, dass grundsätzlich nur die dem Plan zugrunde liegenden, nicht hingegen neuere Prognosen maßgeblich seien, verletze § 47 Abs. 1 BImSchG. Die Bestimmung straßenverkehrsbedingter Immissionen nach einer regionalisierten Fahrzeugflotte sei methodisch fehlerfrei. Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge lasse das Oberverwaltungsrecht in Bezug auf die Nordkanalstraße zu Unrecht außer Betracht, dass die Immissionsbelastung der dortigen, ohnehin nur sehr geringen Wohnbevölkerung wegen der besonderen örtlichen Situation durch eine Modellierung nach den Kriterien der Anlage 3 zur 39. BImSchV nicht repräsentativ abgebildet werde. Bundesrechtswidrig seien auch verschiedene Maßgaben des angefochtenen Urteils für eine etwa gebotene Fortschreibung des Luftreinhalteplans. Dies gelte für die berücksichtigungsfähige Messhöhe, die nach den Maßgaben in Anlage 3 Abschnitt C der 39. BImSchV so zu wählen sei, dass die Messergebnisse unter Berücksichtigung des Mittelungszeitraums des jeweiligen Grenzwerts für die Belastung der Bevölkerung repräsentativ seien. Nach den örtlichen Verhältnissen in der Habichtstraße und in dem nach jüngsten Modellierungen noch betroffenen Bereich in der Nordkanalstraße seien dies nach der fachlichen Einschätzung der Beklagten die Mess- oder Modellierungsergebnisse in 4 m Höhe. Eine Festlegung von Auffangmaßnahmen auf ""zweiter Planungsstufe"" sei nicht geboten. 9 Im Jahr 2020 seien an der Messstelle Habichtstraße NO2-Werte von 41 µg/m3 in 1,5 m Höhe und 38 µg/m3 in 4 m Höhe im Jahresmittel gemessen worden. Danach könne die Frage nach der maßgeblichen Messhöhe bereits für das Bestehen einer Fortschreibungspflicht dem Grunde nach Bedeutung erlangen, ferner hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit verkehrsbeschränkender Maßnahmen. Für Högerdamm, Spaldingstraße und Nordkanalstraße lägen ausschließlich Modellrechnungen vor, aus deren Ergebnissen sich eine Verpflichtung zur Planfortschreibung nicht ergeben könne. 10 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. November 2019 zu ändern und die Klage abzuweisen. 11 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. 12 Er verteidigt das angefochtene Urteil. II 13 A. Die Revision ist zulässig. 14 Sie genügt den Begründungsanforderungen nach § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO. Zwar enthält die Revisionsbegründung nicht ausdrücklich einen bestimmten Antrag. Das Fehlen eines ausdrücklich formulierten Antrags ist aber unschädlich, wenn sich gleichwohl Ziel und Umfang des Revisionsbegehrens aus dem Revisionsvorbringen eindeutig entnehmen lassen (BVerwG, Urteile vom 20. Juni 1991 - 3 C 6.89 - Buchholz 310 § 140 VwGO Nr. 5 S. 2, vom 5. April 2016 - 1 C 3.15 - BVerwGE 154, 328 Rn. 15 und vom 20. März 2019 - 4 C 5.18 - NVwZ 2020, 404 Rn. 12). So liegt es hier. Die innerhalb der Frist des § 139 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1, Satz 3 VwGO eingereichte Revisionsbegründung lässt eindeutig erkennen, dass die Beklagte eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und vollständige Abweisung der Klage begehrt. 15 B. Die Revision ist teilweise begründet. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) hat das Oberverwaltungsgericht die Klage als zulässig angesehen. Nicht in jeder Hinsicht mit Bundesrecht in Einklang stehen seine Ausführungen zur Begründetheit der Klage, wobei das angefochtene Urteil allerdings nur zum Teil auf einem Bundesrechtsverstoß beruht und sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO) und deshalb zu ändern ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). 16 1. Der Kläger ist als anerkannte Umweltvereinigung klagebefugt. Bei der von ihm begehrten Fortschreibung des Luftreinhalteplans handelt es sich um einen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 UmwRG, § 35 Abs. 1 Nr. 2 UVPG i.V.m. Nr. 2.2 der Anlage 5 des UVPG tauglichen Klagegegenstand (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 22). Zur Erfüllung des besonderen Zulässigkeitserfordernisses nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b UmwRG genügt bereits die bei einem Luftreinhalteplan bestehende Möglichkeit einer Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung und der damit verbundenen Beteiligungsberechtigung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 23). 17 2. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Begründetheit einer Umweltverbandsklage auf Fortschreibung eines Luftreinhalteplans nicht vom tatsächlichen Bestehen einer Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung abhängt. § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwRG, der die Begründetheit von Rechtsbehelfen von Umweltvereinigungen gegen Entscheidungen über die Annahme von Plänen und Programmen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG vom tatsächlichen Bestehen einer Umweltprüfungspflicht abhängig macht, erfasst Klagen auf Fortschreibung von Luftreinhalteplänen nicht (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 24). 18 3. Soweit das Oberverwaltungsgericht eine Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften im Sinne von § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG darin erkannt hat, dass wegen einer Überschreitung des Jahresimmissionsgrenzwerts für Stickstoffdioxid gemäß in § 3 Abs. 2 der Neununddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1328), zuletzt geändert durch Art. 112 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328), der geltende Luftreinhalteplan nach § 47 Abs. 1 Satz 1 und 3 BImSchG einer von der Beklagten bislang unterlassenen weiteren Fortschreibung bedarf, beruht das angefochtene Urteil nicht auf einem Verstoß gegen Bundesrecht. 19 a) Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht eine Grenzwertüberschreitung im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG an der Messstation Habichtstraße bejaht und insoweit als unerheblich angesehen, ob es maßgeblich allein auf den in 4 m Höhe gemessenen Wert ankommt, weil auch dieser über dem Grenzwert liegt. Die Frage nach der maßgeblichen Messhöhe stellt sich insoweit im Revisionsverfahren auch nicht mit Rücksicht darauf, dass im Jahr 2020 nur noch in 1,5 m Höhe ein oberhalb des Grenzwerts liegender Jahresmittelwert von 41 µg/m3 gemessen wurde, während der Wert in 4 m Höhe bei 38 µg/m3 und damit unterhalb des Grenzwerts lag. Der Senat ist aus Rechtsgründen an der Berücksichtigung dieser neuen Tatsachen gehindert. 20 Das Bundesverwaltungsgericht ist als Revisionsgericht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen - nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen - tatsächlichen Feststellungen gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). Eine Berücksichtigung neuer tatsächlicher Umstände ist nur ausnahmsweise möglich, wenn eine Nichtberücksichtigung mit dem Grundsatz der Prozessökonomie in so hohem Maße unvereinbar wäre, dass der Grundsatz der Unbeachtlichkeit neuer Tatsachen zurücktreten muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1992 - 9 C 77.91 - BVerwGE 91, 104 <106>). Das ist insbesondere der Fall, wenn neue Tatsachen nicht beweisbedürftig, insbesondere unstreitig, sind und ihre Berücksichtigung dem Bundesverwaltungsgericht eine abschließende Entscheidung in der Sache selbst ermöglicht (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. November 1976 - 4 C 69.74 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 58 S. 20, vom 20. Oktober 1992 - 9 C 77.91 - BVerwGE 91, 104 <107> und vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 Rn. 10). Die neuen Tatsachen dürfen allerdings keine Beurteilung durch das Tatsachengericht erforderlich machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2011 - 1 C 21.10 - BVerwGE 141, 151 Rn. 19; vgl. in diesem Sinne auch BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1992 - 9 C 77.91 - BVerwGE 91, 104 <107 f.>; Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2021, § 137 Rn. 194; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 137 Rn. 66). 21 Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die wegen Überschreitung eines über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwerts bestehende Pflicht zur Aufstellung eines Luftreinhalteplans erlischt nicht ohne Weiteres allein schon deshalb, weil der betreffende Grenzwert in einem Folgejahr nicht mehr überschritten wird. Hinzukommen muss vielmehr, dass auch in der absehbaren Zukunft keine erneuten Grenzwertüberschreitungen zu erwarten stehen, die Schadstoffbelastung also anhaltend rückläufig ist oder sich zumindest auf einem zulässigen Niveau stabilisiert hat und deshalb für eine Luftreinhalteplanung kein Anlass mehr besteht. Das kann etwa der Fall sein, wenn eine wesentliche Emissionsquelle dauerhaft entfällt, etwa infolge der Neueröffnung einer Umgehungsstraße oder bei Stilllegung eines Kraftwerks. Umgekehrt kann es etwa bei einem nur vorübergehenden Rückgang von Verkehrszahlen aufgrund von Bauarbeiten oder bei anderen lediglich temporären Entwicklungen und Sondereffekten liegen. Dies folgt aus der Eigenart sowie dem Sinn und Zweck von Luftreinhalteplänen. Sie dienen dazu, die zur Grenzwerteinhaltung erforderlichen Maßnahmen zu bündeln, inhaltlich abzustimmen, für alle Träger öffentlicher Verwaltung verbindlich zu machen und ihre Durchsetzung durch deren Behörden nach Maßgabe der erforderlichen Rechtsgrundlage zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 26, zu Aktionsplänen nach § 47 Abs. 2 BImSchG a.F.). Den unmittelbar immissionswirksamen Einzelmaßnahmen wird eine zuständigkeits- und rechtsträgerübergreifende Planungsstufe vorgeschaltet, um koordiniert und effektiv für die Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Vorgaben zu sorgen (vgl. Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 47 Rn. 2). Dieses planerisch-konzeptionelle Vorgehen soll gerade auch eine nachhaltige Einhaltung der Grenzwerte gewährleisten. Das bestätigt § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, wonach ein Luftreinhalteplan die erforderlichen Maßnahmen zur ""dauerhaften"" Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Dies dient der praktischen Wirksamkeit und Effektivität des Umwelt- und Gesundheitsschutzes, auf den die nationalen Regelungen im Einklang mit dem ihnen zugrunde liegenden europäischen Luftqualitätsrecht zielen (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Juni 2019 - C-723/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​533], Craeynest - Rn. 33). Mit einer nur vorübergehenden Absenkung der Schadstoffbelastung auf ein zulässiges Maß ist das der zuständigen Behörde in § 47 Abs. 1 Satz 1 und 3 BImSchG aufgegebene Ziel noch nicht erreicht. Ob die Grenzwerteinhaltung in einem Jahr die Erwartung rechtfertigt, dass darüber hinaus auch in der absehbaren Zukunft nicht erneut mit Überschreitungen des Grenzwerts zu rechnen ist, erfordert prognostische Abschätzungen und gegebenenfalls weitere Tatsachenfeststellungen, die dem Revisionsgericht nicht möglich sind. 22 b) Die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, die dem geltenden Luftreinhalteplan zugrunde liegende Prognose zur Entwicklung der NO2-Belastung und zur Wirkung von Maßnahmen entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und 3 BImSchG, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. 23 aa) Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass der Immissionsgrenzwert von 40 µg/m3 nach der ursprünglichen Prognose der Beklagten ""spätestens"" im Jahr 2025 eingehalten werden sollte. Eine in dem Plan angedeutete Möglichkeit einer früheren Einhaltung des Grenzwerts ist unsubstantiiert geblieben. Für 2020 wurde für die Habichtstraße eine mittlere Belastung von 47,2 µg/m3 im Bereich der Messstation und von 41,1 µg/m3 in einem südlich davon gelegenen Straßenabschnitt prognostiziert, abzüglich einer Belastungsminderung durch den geplanten Einsatz emissionsarmer Busse in Höhe von 0,5 bzw. 0,3 µg/m3. Für Högerdamm, Spaldingstraße und Nordkanalstraße wurden für 2020 Grenzwertüberschreitungen zwischen 2,7 und 5,6 µg/m3 an insgesamt vier Abschnitten prognostiziert, abzüglich Immissionsminderungen durch den auch hier geplanten Einsatz emissionsarmer Busse zwischen 0,2 und 0,5 µg/m3. Der erwartete weitere Rückgang der Immissionswerte bis spätestens 2025 war nach der Prognose nicht auf geplante Maßnahmen, sondern auf die von der Beklagten angenommene allgemeine Entwicklung der NO2-Emissionen zurückzuführen. Das Oberverwaltungsgericht hat weiter festgestellt, dass durch Durchfahrtsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge mit einer Ausnahmequote von 20 % nach Einschätzung der Beklagten, die diese Maßnahmen geprüft, aber nicht in den Luftreinhalteplan aufgenommen hat, eine Einhaltung des Grenzwerts in sämtlichen Straßenabschnitten bereits im Jahr 2020 gewährleistet gewesen wäre. 24 bb) Die auf dieser Grundlage gewonnene Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, die Beklagte habe § 47 Abs. 1 Satz 1 und 3 BImSchG dadurch verletzt, dass sie ohne tragfähige Begründung von der Aufnahme von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge in den Luftreinhalteplan abgesehen habe, obwohl es sich dabei um die am besten geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Immissionsgrenzwerts handele, lässt einen Verstoß gegen revisibles Recht nicht erkennen. Das gilt insbesondere für die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 25 (1) Der Senat hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Maßnahmen, mit denen sie ihrer - § 47 Abs. 1 Satz 1 und 3 BImSchG zugrunde liegenden - Verpflichtung aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1) zur Planung von Maßnahmen, mit denen der Zeitraum der Nichteinhaltung von Grenzwerten so kurz wie möglich gehalten werden kann, nachkommen, über einen gewissen Spielraum verfügen, der unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszuüben ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 - 7 C 26.16 - Buchholz 406.25 § 47 BImSchG Nr. 6 Rn. 31, 35 ff. und - 7 C 30.17 - BVerwGE 161, 201 Rn. 34, 38 ff. sowie vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 32 f., 36). Dies gilt auch für die - prinzipiell zulässige (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 - 7 C 26.16 - Buchholz 406.25 § 47 BImSchG Nr. 6 Rn. 16 ff. und 7 C 30.17 - BVerwGE 161, 201 Rn. 19 ff.) - Festlegung von Verkehrsverboten, und zwar nicht nur für deren Ausgestaltung, sondern auch schon für die vorgelagerte Frage, ob ein Verkehrsverbot in den Luftreinhalteplan aufzunehmen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 34). 26 Soweit das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass den mit der Überschreitung der NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit die Belastungen und Einschränkungen gegenüber zu stellen seien, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden seien, entspricht dies ebenso der Rechtsprechung des Senats wie die weitere Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, dass mit Rücksicht auf den unterschiedlichen Grad der damit jeweils verbundenen Beeinträchtigungen zwischen streckenbezogenen und zonalen Verboten zu unterscheiden sei (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 - 7 C 26.16 - Buchholz 406.25 § 47 BImSchG Nr. 6 Rn. 38 und - 7 C 30.17 - BVerwGE 161, 201 Rn. 41 sowie vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 55). In Übereinstimmung mit Bundesrecht steht es ferner, dass das Oberverwaltungsgericht die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht generell als auf die vorgenannten Aspekte beschränkt angesehen hat, sondern der Sache nach die Umstände des konkreten Einzelfalls für maßgeblich erachtet hat. In diesem Sinne hat der Senat bereits - dem angefochtenen Urteil zeitlich nachgehend - erkannt, dass etwa Höhe und Dauer einer Grenzwertüberschreitung bedeutsam sein können, ferner eine besondere infrastrukturelle Bedeutung eines Verkehrswegs (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 37 ff., 55 f.). Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht hier etwaigen Gefährdungen der Gesundheit von Anwohnern und Verkehrsteilnehmern durch Ausweichverkehre infolge der Anordnung von Verkehrsverboten mögliche Relevanz beigemessen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 38). Auch die weitere Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebiete es nicht, die mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit konkret Betroffener im Einzelfall zu ermitteln und mit den Belastungen und Einschränkungen anderer durch ein Verkehrsverbot abzuwägen, entspricht ebenso der Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 57) wie seine Einschätzung, zur schnellstmöglichen Einhaltung des NO2-Jahresgrenzwerts erforderliche Dieselverkehrsverbote seien nicht allein schon aufgrund der Vorschrift des § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG unverhältnismäßig, wenn die NO2-Belastung im Jahresmittel einen Wert von 50 µg/m3 nicht überschreite. § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG ist unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass damit eine tatsächliche Vermutung ausgedrückt werden soll, wonach bei solchen Immissionswerten eine Unterschreitung des Grenzwerts aufgrund der ergriffenen Maßnahmen auch ohne Verkehrsverbote zeitnah zu erwarten ist. Soweit dies entgegen dieser Annahme nicht der Fall sein sollte und Verkehrsverbote sich als einziges Mittel darstellen, um die Überschreitung des Grenzwerts so kurz wie möglich zu halten, kann demgegenüber nicht von einem Regelfall im Sinne des § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG ausgegangen werden, so dass die Vorschrift auch unterhalb von Werten von 50 µg/m³ Verkehrsverboten im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht entgegengehalten werden kann (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 60). 27 (2) Hinsichtlich der Habichtstraße hat das Oberverwaltungsgericht deren wesentliche Verkehrsfunktion ebenso in Rechnung gestellt wie bei Anordnung von Verkehrsverboten zu erwartende Verkehrsverlagerungen. Seine weitere Feststellung, das Ausmaß andernorts drohender Schadstoff- und Lärmbelastungen sei von der Beklagten weder im Luftreinhalteplan noch sonst substantiiert dargetan, anderweitige Grenzwertüberschreitungen seien nach den Prognosen jedenfalls nicht zu befürchten, ist nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden. Rechtlich zutreffend ist die in diesem Zusammenhang angestellte Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, dass Verlagerungseffekte nicht per se unzulässig sind, weil § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält. Eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ist erst dann kein zur Sicherstellung der Grenzwerteinhaltung geeignetes Mittel mehr, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des Grenzwerts an anderer Stelle führen (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 - 7 C 26.16 - Buchholz 406.25 § 47 BImSchG Nr. 6 Rn. 65 und - 7 C 30.17 - BVerwGE 161, 201 Rn. 66). Auch Beeinträchtigungen der Verkehrssicherheit durch Verkehrsverlagerungen sind nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts von der Beklagten nicht nachvollziehbar und substantiiert dargelegt worden. Überdies habe die Beklagte die Beeinträchtigung der Interessen von Fahrzeugeigentümern, -haltern und -nutzern sowie der Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft nicht für verschiedene Verkehrsverbotsszenarien - auch in ihrer möglichen Kombination mit anderen Maßnahmen und unter Berücksichtigung der Möglichkeit zeitlicher Staffelung zonaler Beschränkungen sowie von Ausnahmeregelungen - im Einzelnen gewürdigt, sondern lediglich pauschal auf die infrastrukturelle Bedeutung der Habichtstraße verwiesen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, ebenso wenig wie gegen die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Beklagte habe zur Vermeidung der Belastung der Nachbarstraßen durch Verlagerungsverkehre auch eine großräumige, über die Habichtstraße hinausgehende Fahrverbotszone nicht von vornherein außer Betracht lassen dürfen. 28 Für Högerdamm, Spaldingstraße und Nordkanalstraße gilt nach der auch diesbezüglich fehlerfreien Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts im Wesentlichen das Gleiche. Ohne Bundesrechtsverstoß beanstandet es die insoweit von der Beklagten angestellte Prognose einer durch Verkehrsverlagerungen drohenden Grenzwertüberschreitung an anderer Stelle als nicht tragfähig, weil die Beklagte es unterlassen habe, sich im Luftreinhalteplan mit Szenarien von Fahrverbotszonen - differenzierend nach Gebietsumfang, erfassten Fahrzeugarten und zeitlichen Staffelungen sowie gegebenenfalls Kombinationen mit anderen Maßnahmen wie Verkehrsdrosselungen - auseinanderzusetzen. 29 Die Revision hält den Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts insoweit lediglich entgegen, dass dabei in Bezug auf die Nordkanalstraße zu Unrecht außer Betracht bleibe, dass die Immissionsbelastung der dortigen, zahlenmäßig ohnehin nur sehr geringen Wohnbevölkerung wegen der besonderen örtlichen Situation durch eine Modellierung nach den Kriterien der Anlage 3 zur 39. BImSchV nicht repräsentativ abgebildet werde. Die tatsächliche Belastung sei geringer und liege potenziell sogar unterhalb des Grenzwerts, weil die Menschen nicht über den gesamten Straßenzug verteilt, sondern im Wesentlichen an der Kreuzung Nordkanalstraße/Heidenkampsweg und vor allem mindestens im ersten Obergeschoss wohnten. In einem derartigen Sonderfall sei, auch mit Blick auf § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG, ausnahmsweise eine im Allgemeinen nicht erforderliche Berücksichtigung der konkreten Gesundheitsbelastungen der Wohnbevölkerung geboten, was das Oberverwaltungsgericht nicht beachtet habe. 30 Ungeachtet dessen, dass dieses Vorbringen in tatsächlicher Hinsicht in den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts keine Grundlage findet, ist es auch materiell-rechtlich unerheblich. Wie bereits ausgeführt, verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht, den Umfang der Betroffenheit durch Gesundheitsgefahren aufgrund von Grenzwertüberschreitungen und die Anzahl der davon betroffenen Personen im Einzelnen zu ermitteln. Überdies liegt dem Vorbringen die unzutreffende Prämisse zugrunde, der NO2-Jahresgrenzwert sei nur direkt vor Wohnungen einzuhalten. Diese Annahme entspricht nicht den in Anlage 3 der 39. BImSchV geregelten Anforderungen an die Beurteilung der Luftqualität und die Lage von Probenahmestellen, die auch für die Bestimmung der spezifischen Orte von Modellrechnungen gelten (vgl. näher hierzu unter Rn. 43 ff.) zur maßgeblichen Mess- und Modellierungshöhe). 31 (3) Die Beklagte wird bei der auch wegen der Mangelhaftigkeit ihrer aktualisierten Prognosen (vgl. dazu sogleich unter Rn. 32 ff.) gebotenen Fortschreibung des Luftreinhalteplans auf der Grundlage neuer Prognosen zu beurteilen haben, inwieweit angesichts der im Jahr 2020 in 1,5 m Höhe gemessenen, nur noch geringen Überschreitung des Grenzwerts immissionsmindernde Maßnahmen veranlasst sind und ob sie von der Aufnahme von Dieselverkehrsverboten in den Luftreinhalteplan mit Rücksicht auf andere wirksame Maßnahmen absehen kann oder aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sogar absehen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 37 ff.). 32 c) Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht den geltenden Luftreinhalteplan auch auf der Grundlage der von der Beklagten im gerichtlichen Verfahren vorgelegten aktualisierten Prognosen als unzureichend zur Erfüllung der Verpflichtung aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und 3 BImSchG bewertet. Zwar hat es hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit nachträglich aktualisierter Prognosen einen bundesrechtswidrig verengten Maßstab formuliert. Darauf beruht das angefochtene Urteil aber nicht, weil das Oberverwaltungsgericht die aktualisierten Prognosen in Betracht gezogen und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als mangelhaft bewertet hat. 33 aa) Es verletzt Bundesrecht, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Prüfung der Frage, ob die Verpflichtung aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und 3 BImSchG mit einem geltenden Luftreinhalteplan bereits erfüllt ist, grundsätzlich nur die dem jeweiligen Plan im Zeitpunkt seines Erlasses zugrunde liegenden, nicht hingegen später aktualisierte Prognosen für berücksichtigungsfähig hält und eine Ausnahme hiervon nur anerkennen will, wenn nach den neuen Prognosen sicher davon auszugehen sei, dass eine Fortschreibung keine zügigere Einhaltung der Grenzwerte mehr bewirken würde. 34 Der Senat hat bereits - dem angefochtenen Urteil zeitlich nachgehend - entschieden, dass nachträglich aktualisierte Prognosen nicht nur in der vom Oberverwaltungsgericht beschriebenen (Ausnahme-)Situation grundsätzlich zulässig und im Klageverfahren auf Planfortschreibung zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 26 f.). Zwar ist für die Beurteilung der Frage, ob die einem Luftreinhalteplan zugrunde liegenden Prognosen rechtlich zu beanstanden sind, auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Plan abzustellen (BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 7, 11; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 42). Diese für die (inzidente) gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Luftreinhalteplans getroffene Aussage bedarf aber für die hier in Rede stehende Konstellation einer Klage auf Fortschreibung eines Luftreinhalteplans einer Ergänzung. In dem Zeitraum zwischen der Beschlussfassung über den Plan und dem für die Beurteilung des (Fort- oder erneuten) Bestehens einer Planungspflicht maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz kann es zu prognoserelevanten Veränderungen kommen oder können sich prognoserelevante neue Erkenntnisse ergeben. Diese können gleichermaßen die Prognosebasis wie die einer Prognose zugrunde liegenden Erfahrungssätze, Prämissen, fachwissenschaftlichen Einschätzungen, Methoden und dergleichen betreffen. Bezugspunkt für die Beurteilung der Relevanz nachträglicher Veränderungen und Erkenntnisse bleiben dabei stets die vom Plangeber angestellten Prognosen, die das Gericht wegen des dem Plangeber insoweit zukommenden Spielraums auch dann nicht durch eigene ersetzen darf, wenn sich eine behördliche Prognose als defizitär erweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 - 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <355>; OVG Münster, Urteil vom 12. September 2019 - 8 A 4775/18 - juris Rn. 452). 35 Von einer unzulässigen eigenen Prognose des Gerichts zu unterscheiden sind die Berücksichtigung tatsächlicher Veränderungen oder neuer Erkenntnisse in Bezug auf die Grundlagen der Prognose. Solche Veränderungen oder neuen Erkenntnisse können gegebenenfalls dazu führen, dass sich eine ursprünglich nicht hinreichend gesicherte Prognose im Nachhinein als tragfähig erweist. Soweit das erkennbar der Fall ist, wäre eine wegen des ursprünglichen Prognosemangels erfolgende Verurteilung zur Neuplanung sachwidrig, weil für den mit einer Neuplanung verbundenen zeitlichen, personellen und sachlichen Aufwand mit Blick auf das gesetzliche Ziel der Luftreinhalteplanung keine Veranlassung mehr besteht. Nichts Anderes gilt grundsätzlich dann, wenn der Plangeber - insbesondere wegen von ihm selbst erkannter prognoserelevanter Veränderungen oder neuer Erkenntnisse - seine Prognosen nachträglich aktualisiert. Die vom Oberverwaltungsgericht angeführten Beteiligungs- und Publizitätsanforderungen der Luftreinhalteplanung nach § 47 Abs. 5 und 5a BImSchG stehen dem jedenfalls dann nicht entgegen, wenn nicht methodisch vollständig neue Prognosen erstellt und vorgesehene Maßnahmen nicht grundlegend umgestaltet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 27). Im Hinblick auf etwaige Prognosefehler im Zeitpunkt des Planerlasses bedarf es dafür auch keiner gesetzlichen Fehlerheilungs- oder Unbeachtlichkeitsvorschriften. Der für Rechtsnormen geltende Grundsatz, wonach die Rechtswidrigkeit einer Norm ihre Nichtigkeit zur Folge hat, soweit nicht der Gesetzgeber etwas Anderes bestimmt, kann auf Luftreinhaltepläne nicht übertragen werden. Bei ihnen handelt es sich nicht um Rechtsnormen. Sie sind als auf den staatlichen Binnenbereich bezogene Handlungspläne konzipiert, die in ihrer Rechtsnatur Verwaltungsvorschriften ähnlich sind (BVerwG, Urteile vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 18). 36 bb) Indes beruht das angefochtene Urteil nicht auf diesem Bundesrechtsverstoß, weil das Oberverwaltungsgericht die aktualisierten Prognosen der Beklagten gleichwohl berücksichtigt und im Ergebnis in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als fehlerhaft beanstandet hat. 37 Es hat seiner Kontrolle zutreffend zugrunde gelegt, dass die Prognosen gerichtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüfbar sind, ob sie methodisch einwandfrei erarbeitet worden sind, nicht auf unrealistischen Annahmen beruhen und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 42). 38 Ausgehend davon verstößt es nicht gegen revisibles Recht, dass das Oberverwaltungsgericht die Berücksichtigung einer regionalisierten Pkw-Flottenzusammensetzung für Hamburg deshalb mangels hinreichend gesicherter Tatsachengrundlage als prognosefehlerhaft beurteilt hat, weil dabei unberücksichtigt geblieben sei, dass an dem Verkehrsaufkommen in Hamburg vor allem werktags gegebenenfalls ein signifikanter Anteil nicht in Hamburg gemeldeter Fahrzeuge beteiligt sei. 39 Es hat hierzu festgestellt, dass der Unterschied zwischen der den ursprünglichen Prognosen noch zugrunde gelegten ""typischen bundesdurchschnittlichen Flotte"", wie sie auch dem Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA) entspreche (HBEFA-Flotte), und der auf Basis aktueller Zulassungszahlen für Hamburg ermittelten regionalisierten Flotte darin besteht, dass der Anteil der Diesel-Pkw an der regionalisierten Flotte (2017 bis 2020: 49 %, 48 %, 48 %, 48 %) geringer veranschlagt wird als in der HBEFA-Flotte (2017 bis 2020: 50,6 %, 52 %, 52,4 %, 52,8 %). Der Anteil an Euro-6-Dieselfahrzeugen wird in Hamburg zudem höher angesetzt als im Bundesdurchschnitt. Außerdem werden für Hamburg ab 2020 mehr Elektrofahrzeuge erwartet. Ferner hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass der Rückgriff auf die in Hamburg gemeldeten Fahrzeuge unberücksichtigt lässt, dass an dem Verkehrsaufkommen in der Stadt vor allem werktags je nach Funktion bzw. Nutzung der jeweiligen Straße aufgrund von Ziel- und Quellverkehr nach bzw. aus Hamburg und aufgrund von Durchgangsverkehr wegen des erheblichen Pendlerverkehrs gegebenenfalls ein signifikanter Anteil nicht in Hamburg gemeldeter Fahrzeuge beteiligt ist. Im Jahr 2018 pendelten nach statistischen Angaben 354 483 Menschen zur Arbeit nach Hamburg, wobei diese Zahl allerdings nicht mit der Zahl zum Einpendeln genutzter Fahrzeuge gleichzusetzen ist. 40 Bei der daraus von dem Oberverwaltungsgericht gezogenen Schlussfolgerung, die nach Hamburg einpendelnden Pkw, der Dieselanteil daran und die jeweils erfüllten Abgasnormen seien prognoserelevante Größen, handelt es sich um eine Sachverhaltswürdigung, die keine Rechtsfehler erkennen lässt. Der Einwand der Revision, das Oberverwaltungsgericht verkenne den methodischen Ausgangspunkt der regionalisierten Flotte, greift nicht durch. Dass es dabei, wie die Beklagte geltend macht, nicht darum gehe, den Berechnungen eine von der Bundesflotte abweichende, besondere Flotte mit der in Hamburg gegebenen Zusammensetzung zugrunde zu legen, sondern um eine realitätsgerechte Abbildung der aktuellen Flottenzusammensetzung, hat das Oberverwaltungsgericht nicht in Abrede gestellt. Es ist vielmehr zu der Einschätzung gelangt, dass die regionalisierte Flotte eine realitätsgerechte Abbildung der aktuellen Flottenzusammensetzung gerade nicht mit hinreichender, die Prognosen tragender Sicherheit abzubilden vermag, weil dabei Pendlerverkehre mit möglicherweise erheblich abweichender Flottenzusammensetzung unberücksichtigt bleiben. 41 Weil die aktualisierten Prognosen schon deshalb mangelhaft und im Rahmen der erforderlichen Neuplanung nach den nunmehr aktuellen Verhältnissen zu überarbeiten sind, bedarf es keiner Entscheidung, ob das Oberverwaltungsgericht sie zu Recht auch wegen einer teilweise unzureichenden Datenaktualität beanstandet hat. Aus diesem Grund musste der Senat auch nicht den in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen nachgehen. Ebenso kann offenbleiben, ob insoweit auch die Wirkung der zwischenzeitlich in der Habichtstraße erfolgten Verkehrsdrosselung zu berücksichtigen wäre, oder ob die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts zutrifft, solche nachträglich angeordneten planunabhängigen Maßnahmen ließen einen Anspruch auf Fortschreibung eines Luftreinhalteplans grundsätzlich unberührt. 42 4. Nicht in jeder Hinsicht mit Bundesrecht in Einklang stehen die vom Oberverwaltungsgericht entscheidungstragend formulierten Maßgaben für eine Planfortschreibung. 43 a) Zu Recht hat es allerdings befunden, dass sich der Beklagten bei der Bestimmung der Mess- bzw. Modellierungshöhe zwar grundsätzlich ein Ermessensspielraum eröffnet, dieser es ihr aber nicht gestattet, die Werte in 1,5 m Höhe auszublenden und nur noch die niedrigeren Werte in 4 m Höhe zu berücksichtigen. 44 aa) Die Vorgaben zur Bestimmung der maßgeblichen Mess- und Modellierungshöhe sind Teil der Anforderungen an die Festlegung des Standorts von Probenahmestellen, für die gemäß § 14 Abs. 1 der 39. BImSchV die Kriterien der Anlage 3 der 39. BImSchV gelten. Nach diesen Kriterien beurteilen sich gemäß § 13 Abs. 1, § 21 Abs. 1 der 39. BImSchV auch die Luftqualität sowie die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte unter anderem für Stickstoffdioxid. Die Regelungen dienen der Umsetzung entsprechender unionsrechtlicher Vorgaben in Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 2008/50/EG und deren Anhang III. Anlage 3 der 39. BImSchV regelt - in weitgehender inhaltlicher Übereinstimmung mit Anhang III der Richtlinie - in einem Abschnitt A allgemeine Anforderungen an die Beurteilung der Luftqualität. Insoweit ist vorgesehen, dass die Luftqualität in Gebieten und Ballungsräumen an allen Orten, von bestimmten Ausnahmen abgesehen, nach den in den Abschnitten B und C für die Lage der Probenahmestellen für ortsfeste Messungen festgelegten Kriterien beurteilt wird und dass die insoweit niedergelegten Grundsätze auch für die Bestimmung der spezifischen Orte orientierender Messungen und von Modellrechnungen gelten (vgl. Anlage 3 Abschnitt A Nr. 1 der 39. BImSchV). Abschnitt B enthält Kriterien für die großräumige Ortsbestimmung der Probenahmestellen. Zu den in Abschnitt C geregelten Kriterien für die kleinräumige Ortsbestimmung der Probenahmestellen, die ""soweit möglich [...] zu berücksichtigen"" sind, gehören auch Vorgaben zur Positionierung des Messeinlasses, unter anderem zu dessen Höhe. Die Vorgaben zur Höhe in Anlage 3 Abschnitt C Unterabs. 3 der 39. BImSchV räumen der zuständigen Behörde im Hinblick auf die Bestimmung der Messeinlasshöhe - entsprechendes gilt gemäß Anlage 3 Abschnitt A Nr. 1 Satz 2 der 39. BImSchV für die Bestimmung der Modellierungshöhe von Modellrechnungen - grundsätzlich Ermessen ein, an welchem Punkt innerhalb des Höhenbereichs zwischen 1,5 und 4 m sie den Messeinlass positioniert. Für die Ermessensausübung können insbesondere Gesichtspunkte der Praktikabilität von Bedeutung sein. Nicht nur, aber auch in Bezug auf die Bestimmung der Messhöhe sieht Anlage 3 Abschnitt C Unterabs. 7 der 39. BImSchV in inhaltlicher Übereinstimmung mit Anhang III Abschnitt C der Richtlinie eine Reihe insoweit berücksichtigungsfähiger Faktoren vor (Störquellen, Sicherheit, Zugänglichkeit, Stromversorgung und Telefonleitungen, Sichtbarkeit der Messstation in der Umgebung, Sicherheit der Öffentlichkeit und des Betriebspersonals, Vorteile einer Zusammenlegung der Probenahmestellen für verschiedene Schadstoffe, Anforderungen der Bauleitplanung). 45 bb) Der Spielraum der Beklagten bei der Bestimmung der Mess- bzw. Modellierungshöhe gestattet es ihr indes nicht, die Werte in 1,5 m Höhe auszublenden und nur noch die in 4 m Höhe gemessenen oder für diese Höhe prognostizierten niedrigeren Werte zu berücksichtigen. Entgegen ihrem Vorbringen ist ihr Spielraum nicht deshalb auf die Wahl einer Höhe von 4 m reduziert, weil die dort ermittelten Werte für die NO2-Belastung der Wohnbevölkerung in den hier in Rede stehenden Straßenabschnitten wegen der Lage der dortigen Wohnungen im ersten Obergeschoss oder Hochparterre repräsentativ seien. Die Ausübung des der Beklagten zustehenden Spielraums ist durch Sinn und Zweck der Vorgaben der 39. BImSchV und des ihnen zugrunde liegenden Unionsrechts gebunden. Sie hat deshalb die Mess- bzw. Modellierungshöhe möglichst so zu wählen, dass Grenzwertüberschreitungen nicht unerkannt bleiben. Dies führt in Anbetracht der in der Vergangenheit in 1,5 m Höhe ermittelten Werte oberhalb des Grenzwerts zur Maßgeblichkeit dieser Höhe. 46 (1) Eine von der Beklagten für richtig befundene Bestimmung der Messhöhe nach dem Kriterium einer ""kleinräumigen Repräsentativität"" in Bezug auf die Lage von Wohnungen im Nahbereich der Messstelle findet in Abschnitt C der Anlage 3 der 39. BImSchV keine Grundlage. 47 Die Schadstoffexposition der Bevölkerung über einen in Bezug auf den Mittelungszeitraum des jeweiligen Grenzwerts signifikanten Zeitraum ist gemäß Anlage 3 Abschnitt B Nr. 1 Buchst. a der 39. BImSchV für die großräumige Ortsbestimmung von Probenahmestellen bedeutsam. Danach ist der Ort von Probenahmestellen, an denen Messungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit vorgenommen werden, so zu wählen, dass Daten über Bereiche innerhalb von Gebieten und Ballungsräumen gewonnen werden, in denen die höchsten Werte auftreten, denen die Bevölkerung wahrscheinlich direkt oder indirekt über einen Zeitraum ausgesetzt sein wird, der im Vergleich zum Mittelungszeitraum der betreffenden Immissionsgrenzwerte signifikant ist. Ferner sind danach Daten zu Werten in anderen Bereichen innerhalb von Gebieten und Ballungsräumen zu ermitteln, die für die Exposition der Bevölkerung allgemein repräsentativ sind. Diese Vorgaben beziehen sich, wie schon das Oberverwaltungsgericht überzeugend ausgeführt hat, aber nicht auf die in Abschnitt C als eine Frage der kleinräumigen Ortsbestimmung von Probenahmestellen geregelte Messhöhe. Bereits der Wortlaut der Regelung (""Bereiche innerhalb von Gebieten und Ballungsräumen"") weist auf ihren reinen Flächenbezug hin, was in anderen Sprachfassungen der entsprechenden Regelung in Anhang III Abschnitt B Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie 2008/50/EG noch deutlicher zum Ausdruck kommt (englisch: ""areas within zones and agglomerations""; französisch: ""les endroits des zones et des agglomérations""; spanisch: ""las áreas situadas dentro de zonas y aglomeraciones""; italienisch: ""aree all’interno di zone ed agglomerati""). Die rein flächenbezogene - nicht auch höhenbezogene - Perspektive der Regelung in Anlage 3 Abschnitt B Nr. 1 Buchst. a der 39. BImSchV sieht sich auch durch weitere Kriterien zur großräumigen Ortsbestimmung von Probenahmestellen gemäß Anlage 3 Abschnitt B der 39. BImSchV bestätigt, die in gleicher Weise flächenbezogen sind (vgl. Nr. 1 Buchst. b Satz 2: ""dass die Luftproben [...] für die Luftqualität eines Straßenabschnitts von nicht weniger als 100 Meter Länge [...] und nicht weniger als 250 Meter x 250 Meter [...] repräsentativ sind.""; Nr. 1 Buchst. c Satz 2 und 3: ""es sei denn, dies ist für eine größere städtische Fläche typisch. Die Probenahmestellen müssen grundsätzlich für eine Fläche von mehreren Quadratkilometern repräsentativ sein""; Nr. 1 Buchst. d: ""darf [...] nicht durch nahe, das heißt näher als 5 Kilometer, liegende Ballungsräume oder Industriegebiete beeinflusst sein""; Nr. 1 Buchst. e Satz 1: ""ist mindestens eine Probenahmestelle [...] im nächstgelegenen Wohngebiet aufzustellen.""; Nr. 1 Buchst. g: ""sind Probenahmestellen auf Inseln einzurichten.""; vgl. ferner die ebenfalls flächenbezogenen Vorgaben zur großräumigen Verortung von Probenahmestellen für Messungen zum Schutz der Vegetation und der natürlichen Ökosysteme unter Nr. 2). 48 Auch die weitere Vorgabe für die großräumige Ortsbestimmung in Anlage 3 Abschnitt B Nr. 1 Buchst. f der 39. BImSchV, wonach Probenahmestellen möglichst auch für ähnliche Orte repräsentativ sein sollten, die nicht in ihrer unmittelbaren Nähe gelegen sind, widerspricht einer kleinräumigen Betrachtungsweise. Diese Bestimmungen verlangen vielmehr, dass die Probenahmestellen repräsentative Daten für Bereiche eines Gebiets oder eines Ballungsraums liefern, die durch ein bestimmtes Verschmutzungsniveau gekennzeichnet sind (vgl. zu den entsprechenden Regelungen in Anhang III Abschnitt B Nr. 1 Buchst. a und f der Richtlinie 2008/50/EG: EuGH, Urteil vom 26. Juni 2019 - C-723/17, Craeynest - Rn. 39). Der an einer Probenahmestelle gemessene Wert beansprucht danach grundsätzlich über den Standort der Probenahmestelle hinaus Aussagekraft für die Luftqualität an vergleichbaren anderen Orten in dem Gebiet oder Ballungsraum. An diesen anderen Orten aber kann sich die Höhenlage von Wohnungen ganz anders darstellen als am Ort der Probenahmestelle. Deshalb bleibt sie bei der Bestimmung der Messhöhe außer Betracht. 49 Die maßgebliche Messhöhe ist hingegen eine Frage der kleinräumigen Ortsbestimmung von Probenahmestellen nach Maßgabe der dafür in Anlage 3 Abschnitt C Unterabs. 3 der 39. BImSchV bestimmten Kriterien, wie Störquellen, Zugänglichkeit, Sicherheit und Sichtbarkeit der Messstation. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte für ihren gegenteiligen Standpunkt auf die Regelung in Anlage 3 Abschnitt C Unterabs. 3 Satz 2 der 39. BImSchV, wonach ein höher (als 1,5 bis 4 m) gelegener Einlass angezeigt sein kann, wenn die Messstation Werte liefert, die für ein großes Gebiet repräsentativ sind. Es kann dahinstehen, ob der von der Beklagten bemühte Erst-Recht-Schluss trägt, wenn das Kriterium der Repräsentativität sogar eine Überschreitung der in Anlage 3 Abschnitt C Unterabs. 3 Satz 1 der 39. BImSchV bei der Höhenbestimmung im Grundsatz vorgesehenen Bandbreite rechtfertige, dieses Kriterium erst recht innerhalb dieser Bandbreite Anwendung finden könne und, soweit sonstige Faktoren nicht entgegenstehen, müsse. Denn ein solcher Erst-Recht-Schluss führte allenfalls auf eine Ausrichtung der Messhöhe nach der Repräsentativität der Messwerte im Hinblick auf die Größe eines bestimmten Gebiets, nicht aber auf eine Ausrichtung der Messhöhe nach Aufenthaltsort und -dauer der lokalen Bevölkerung und nach der Lage von Wohnungen in der unmittelbaren Nähe der Messstelle. Dass es darauf nicht ankommt - und relevante Grenzwertüberschreitungen deshalb nicht nur dann vorliegen, wenn sie unmittelbar vor Wohnungen ermittelt werden -, wird auch an weiteren Kriterien zur kleinräumigen Ortsbestimmung von Probenahmestellen deutlich. Das gilt für die Vorgabe in Anlage 3 Abschnitt C Unterabs. 6 Satz 1 der 39. BImSchV, wonach bei allen Schadstoffen verkehrsbezogene Probenahmestellen zur Messung höchstens 10 m vom Fahrbahnrand entfernt sein dürfen. Ausschlaggebend für die Positionsbestimmung ist danach der räumliche Bezug zur Emissionsquelle des Verkehrs, nicht ein räumlicher Zusammenhang mit Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsorten der lokalen Bevölkerung. 50 Anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus dem von der Beklagten in Bezug genommenen Urteil des 9. Senats vom 10. Oktober 2012 - 9 A 19.11 - (Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 228 Rn. 42). Die dortigen Ausführungen zur Maßgeblichkeit des Verhältnisses zwischen Aufenthaltsdauer von Menschen und Mittelungszeitraum des jeweils zu beurteilenden Grenzwerts beziehen sich auf das die großräumige Ortsbestimmung von Probenahmestellen betreffende Kriterium in Anlage 3 Abschnitt B Nr. 1 Buchst. a Spiegelstrich 1 der 39. BImSchV. Zu der hier inmitten stehenden Frage der Bestimmung der Messhöhe verhält sich das Urteil nicht. 51 (2) Danach verbleibt der Beklagten ungeachtet der konkreten Lage von Wohnungen in den hier in Rede stehenden Straßenzügen ein Ermessensspielraum bei der Bestimmung der Messhöhe innerhalb der in Anlage 3 Abschnitt C Unterabs. 3 der 39. BImSchV grundsätzlich vorgegebenen Bandbreite zwischen 1,5 und 4 m. 52 Dieses Ermessen ist jedoch mit Rücksicht auf den Zweck und die praktische Wirksamkeit der Vorgaben der 39. BImSchV sowie der ihnen zugrunde liegenden Richtlinienbestimmungen auszuüben und wird hierdurch begrenzt (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Juni 2019 - C-723/17, Craeynest - Rn. 45 f., 52). Die mit der Richtlinie 2008/50/EG eingeführten Regelungen über die Qualität der Umgebungsluft konkretisieren die Schutzpflichten der Europäischen Union im Bereich des Schutzes der Umwelt und der öffentlichen Gesundheit. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union wird der Zweck der Richtlinie nicht nur dann gefährdet, wenn Probenahmestellen nicht im Einklang mit den von ihr aufgestellten Kriterien eingerichtet werden. Diese Gefahr kann vielmehr auch dann eintreten, wenn die zuständigen nationalen Behörden nicht innerhalb der Grenzen des ihnen durch die Richtlinie eingeräumten Ermessensspielraums danach streben, die Wirksamkeit der Richtlinie sicherzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Juni 2019 - C-723/17, Craeynest - Rn. 49 f.). Es obliegt den zuständigen nationalen Behörden deshalb vor allem dann, wenn Messungen an mehreren Standorten grundsätzlich Informationen über die am stärksten belasteten Orte im Sinne von Anhang III Abschnitt B Nr. 1 Buchst. a Spiegelstrich 1 der Richtlinie 2008/50/EG liefern können, den Standort der Probenahmestellen so zu wählen, dass die Gefahr unbemerkter Überschreitungen von Grenzwerten minimiert wird (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Juni 2019 - C-723/17, Craeynest - Rn. 50). 53 Diese vom Gerichtshof der Europäischen Union im Hinblick auf die großräumige Ortsbestimmung von Probenahmestellen (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Juni 2019 - C-723/17, Craeynest - Rn. 30, 38 ff., 56) formulierten Anforderungen sind auf die Handhabung des Ermessensspielraums nationaler Behörden bei der Bestimmung der Höhe des Messeinlasses von Probenahmestellen gemäß Anhang III Abschnitt C Spiegelstrich 2 der Richtlinie 2008/50/EG (Anlage 3 Abschnitt C Unterabs. 3 der 39. BImSchV) übertragbar. Der Zweck der Richtlinie wäre nicht minder gefährdet, wenn die Mitgliedstaaten nicht auch insoweit danach strebten, die Wirksamkeit der Richtlinie sicherzustellen. Deshalb ist der Standort einer Probenahmestelle auch hinsichtlich der Höhe des Messeinlasses so zu wählen, dass die Gefahr unbemerkter Überschreitungen von Grenzwerten minimiert wird. Dies unterliegt nach Einschätzung des Senats insbesondere mit Blick auf die zitierte Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. Juni 2019 in der Rechtssache Craeynest keinem vernünftigen Zweifel. Der Senat ist deshalb nicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV gehalten, diese Frage dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, [ECLI:​EU:​C:​1982:​335] CILFIT -). 54 Wegen ihrer Pflicht, die Mess- bzw. Modellierungshöhe so zu wählen, dass die Gefahr unbemerkter Grenzwertüberschreitungen minimiert wird, darf sich die Beklagte nicht darauf beschränken, in den hier in Rede stehenden Straßenzügen nur noch die Werte in 4 m Höhe in den Blick zu nehmen, nachdem die bislang in einer Höhe von 1,5 m ermittelten Werte jeweils höher und zudem über dem NO2-Jahresgrenzwert gelegen haben. 55 b) Ein Bundesrechtsverstoß liegt hingegen in der weiteren Maßgabe des Oberverwaltungsgerichts, die Beklagte sei bei der gebotenen Planfortschreibung mit Rücksicht auf verbleibende Prognoseunsicherheiten verpflichtet, auf einer ""zweiten Planungsstufe"" weitere Maßnahmen für den Fall festzusetzen, dass sich die NO2-Werte ungünstiger als prognostiziert entwickelten. Der Senat hat - nach Ergehen des angefochtenen Urteils - bereits geklärt, dass ein solches Erfordernis im geltenden Recht keine Grundlage findet (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 48 f.). 56 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO." bverwg_2021-36,28.05.2021,"Pressemitteilung Nr. 36/2021 vom 28.05.2021 EN Oberverwaltungsgericht Schleswig muss erneut über den Luftreinhalteplan für Kiel entscheiden Es bedarf weiterer tatsächlicher Feststellungen um zu klären, ob der Luftreinhalteplan für Kiel zur Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid (NO2) erneut fortgeschrieben werden muss. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden und die Sache deshalb an das Oberverwaltungsgericht Schleswig zurückverwiesen. Der Kläger ist ein deutschlandweit tätiger Umweltverband. Er begehrt die weitere Fortschreibung des zuletzt 2020 überarbeiteten Luftreinhalteplans des beklagten Landes Schleswig-Holstein für die beigeladene Stadt Kiel. Zur schnellstmöglichen Senkung der NO2-Belastung sieht der Luftreinhalteplan auf einer ersten Maßnahmenstufe auch die Errichtung und den Betrieb von Luftfilteranlagen vor. Der Kläger macht geltend, die bislang geplanten Maßnahmen seien für eine möglichst schnelle Einhaltung des NO2-Grenzwerts nicht ausreichend. Das Oberverwaltungsgericht hat das Land verurteilt, den Luftreinhalteplan unter Beachtung seiner Rechtsauffassung zu ändern. Der Plan leide insbesondere im Hinblick auf die Wirksamkeit von Luftfilteranlagen an einem Prognosemangel. Auf die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Dieses ist zu Unrecht davon ausgegangen, ein nach Erlass des Luftreinhalteplans vorgelegtes Herstellergutachten zur Wirksamkeit von Luftfiltern müsse unberücksichtigt bleiben, weil es sich der Plangeber nicht im Rahmen einer neuen Prognoseentscheidung zu eigen gemacht habe. Das Oberverwaltungsgericht hätte der Frage sowie den darauf zielenden Beweisanträgen der Beigeladenen nachgehen müssen, ob das Gutachten die dem Luftreinhalteplan zugrunde liegende Prognose trägt. Diesen Beweis selbst zu erheben ist dem Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht verwehrt. BVerwG 7 C 8.20 - Urteil vom 28. Mai 2021 Vorinstanz: OVG Schleswig, 5 KN 1/19 - Urteil vom 24. Juni 2020 -","Urteil vom 28.05.2021 - BVerwG 7 C 8.20ECLI:DE:BVerwG:2021:280521U7C8.20.0 EN Fortschreibung eines Luftreinhalteplans Leitsätze: 1. Eine Verpflichtung zur Fortschreibung eines Luftreinhalteplans besteht nicht, soweit sich eine im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Luftreinhalteplan nicht hinreichend gesicherte Immissionsprognose aufgrund späterer tatsächlicher Veränderungen oder neuer Erkenntnisse im Nachhinein als tragfähig erweist. 2. Die Möglichkeit einer mehrstufigen Luftreinhalteplanung kommt nur für den Fall in Betracht, dass sich eine rechtmäßige Prognose im Nachhinein als unzutreffend herausstellen sollte (fehlgeschlagene Prognose), nicht hingegen auch für den Fall, dass eine Prognose mit Mängeln behaftet ist (fehlerhafte Prognose). Rechtsquellen BImSchG §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 und 5a, § 48a Abs. 1 UmwRG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Satz 2, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 VwGO § 86 Abs. 1, § 139 Abs. 3 Satz 4, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Instanzenzug OVG Schleswig - 24.06.2020 - AZ: OVG 5 KN 1/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.05.2021 - 7 C 8.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:280521U7C8.20.0] Urteil BVerwG 7 C 8.20 OVG Schleswig - 24.06.2020 - AZ: OVG 5 KN 1/19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 2021 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel am 28. Mai 2021 für Recht erkannt: Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. Juni 2020 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Kläger, eine nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Kiel. 2 Der Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 µg/m3 im Jahresmittel wurde seit seinem Verbindlichwerden für den Ballungsraum Kiel zum 1. Januar 2015 im Stadtgebiet der Beigeladenen am Theodor-Heuss-Ring kontinuierlich überschritten. Im Jahr 2019 wurde an der dortigen Messstation ein Wert von 49 µg/m³ ermittelt. 3 Mit Wirkung zum 21. Januar 2020 setzte der Beklagte eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans in Kraft, die eine Minderung der NO2-Hintergrundbelastung um jährlich 0,3 µg/m3 durch städtische Maßnahmen wie die Ausweitung des Jobticket-Angebots und die Umsetzung des ""Green City Plans"" der Beigeladenen prognostiziert. Der fortgeschriebene Luftreinhalteplan sieht eine Maßnahmenkaskade vor. In einem ersten Schritt sollen durch die Kombination der Szenarien ""Baustelle Sommerhalbjahr 2020"" sowie ""Errichtung und Betrieb von Luftfilteranlagen"" am Theodor-Heuss-Ring Jahresmittelwerte von 39,5 µg/m³ (2020) und 37,3 µg/m³ (2021) erreicht werden. Für den Fall einer Nichtumsetzung der Maßnahmen aus Stufe 1 seien Maßnahmen der Stufe 2 umzusetzen. Eine insoweit vorgesehene ""selektive Sperrung für Diesel-Pkw Euro 1-5"" werde zu Jahresmittelwerten von 39,4 µg/m³ (2020) und 37,5 µg/m³ (2021) führen. Für den Fall, dass die Maßnahmen der Stufe 1 ergriffen würden, aber nicht die prognostizierten Belastungsminderungen erzielten, könne es gegebenenfalls ausreichen, eine Straßenabfahrt zu sperren und/oder eine selektive Sperrung nur für Diesel-Pkw der Abgasnormen Euro 1 bis 4 anzuordnen. 4 Der Kläger hat Klage auf weitere Fortschreibung des Luftreinhalteplans erhoben. 5 Mit Urteil vom 24. Juni 2020 hat das Oberverwaltungsgericht den Beklagten verurteilt, den Luftreinhalteplan unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu ändern. 6 Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Plan beruhe auf einer fehlerhaften Prognose sowohl der Senkung des städtischen Anteils an der NO2-Hintergrundbelastung als auch der Minderungswirkung von Luftfiltern. Die Erwartung einer durch Filter entlang der gesamten Häuserfront Theodor-Heuss-Ring 61 bis 79 zu erzielenden Minderung der NO2-Belastung um ca. 20 % in 1,5 m Höhe und 10 % in 5 m Höhe sei unrealistisch. Praktische Erfahrungen fehlten und ein Sachverständigengutachten bescheinige dem auf Absaugcontainern basierenden System (Purevento) eine sehr ungleichmäßige Minderungswirkung, die nur im Mittel mindestens 20 % betrage. Eine Heilung des Prognosemangels allein aufgrund nachträglicher Erkenntnisse sei ausgeschlossen. Vielmehr müsse sich der Beklagte solche Erkenntnisse zu eigen und erkennbar zur Grundlage einer aktualisierten Prognoseentscheidung machen. Ungeachtet dessen seien die hier in Rede stehenden nachträglichen Erkenntnisse zur Fehlerheilung ungeeignet. Bei dem Immissionsgutachten der Purevento GmbH handele es sich um bloße Herstellerangaben, die auch inhaltlich nicht geeignet seien, die erheblichen Zweifel an der Wirksamkeit des Systems auszuräumen. Von der Beigeladenen in diesem Zusammenhang gestellte Beweisanträge hat das Oberverwaltungsgericht mit der Begründung abgelehnt, die unter Beweis gestellten Tatsachen seien nicht entscheidungserheblich. 7 Bis zum Abschluss der gebotenen Neuplanung sei der bisherige Luftreinhalteplan - abgesehen von den beanstandeten Elementen - weiterhin anzuwenden. Er könne damit Grundlage für eine Verkehrsbeschränkung sein und sei damit zur kurzfristigen Einhaltung des Grenzwerts noch im Jahr 2020 geeignet. Der Beklagte habe ein gestuftes Vorgehen gerade auch für den Fall festgelegt, dass die Maßnahme der Luftfilteranlagen nicht umgesetzt werden könne. Die dann vorgesehene selektive Sperrung des Theodor-Heuss-Rings für Diesel-Pkw der Abgasnormen Euro 1 bis 5 sei in Anbetracht prognostizierter Jahresmittelwerte von 42 µg/m³ (2020) und 47,1 µg/m³ (2021) grundsätzlich verhältnismäßig. Die Neuplanung sei deshalb nicht obsolet. Denn ein rechtmäßiger Luftreinhalteplan entstehe erst mit einer Neuplanung ohne die prognosefehlerhafte Maßnahme des Einsatzes von Luftfilteranlagen. 8 Der Beklagte und die Beigeladene haben jeweils die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. 9 Der Beklagte macht geltend: Mit der Maßnahmenkaskade des Luftreinhalteplans sei die Ergebnisverpflichtung aus § 47 Abs. 1 BImSchG erfüllt. Die im Zeitpunkt des Planerlasses bestehende Prognoseunsicherheit hinsichtlich der Wirksamkeit von Luftfilteranlagen werde durch die auf zweiter Stufe vorgesehene selektive Sperrung des Theodor-Heuss-Rings für bestimmte Diesel-Pkw aufgefangen, die Einhaltung des Grenzwerts in den Jahren 2020 und 2021 somit sichergestellt. Die Forderung des Oberverwaltungsgerichts nach einer Neuplanung sei nicht nachvollziehbar, gehe es doch selbst davon aus, dass der Luftreinhalteplan schon jetzt Grundlage für eine Verkehrsbeschränkung sein könne und somit zur kurzfristigen Grenzwerteinhaltung noch im Jahr 2020 geeignet sei. 10 Die Beigeladene macht geltend: Der Anspruch des Klägers auf einen der Ergebnisverpflichtung aus § 47 Abs. 1 BImSchG genügenden Luftreinhalteplan sei mit dem geltenden Plan erfüllt, der nach eigener Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts auch mit den von ihm nicht beanstandeten Elementen die kurzfristige Einhaltung des Grenzwerts sicherstelle. Das Oberverwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, indem es die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge abgelehnt habe. Diese hätten auf Beantwortung der Frage gezielt, ob Luftfilter die ihnen vom Plangeber beigemessene Minderungsleistung erreichten. Die hierzu unter Beweis gestellten Tatsachen seien auch dann entscheidungserheblich, wenn man bei fehlerhafter Prognose eine Beweiserhebung über prognoserelevante Tatsachen für ausgeschlossen hielte. Die Frage der Leistungsfähigkeit von Luftfiltern sei nicht prognostischer Natur, sondern reine Tatsachenfrage. 11 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. Juni 2020 zu ändern und die Klage abzuweisen. 12 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. 13 Er verteidigt das angefochtene Urteil und hält die Revision der Beigeladenen für unzulässig. Das Urteil stelle sich auch aus anderen Gründen als richtig dar, weil die mittlerweile in Betrieb genommenen Luftfilteranlagen sowohl straßenverkehrsrechtlich als auch immissionsschutzrechtlich unzulässig seien. II 14 A. Die Revisionen sind zulässig. 15 1. Die Revision des Beklagten genügt den Begründungsanforderungen nach § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO. Zwar hat der Beklagte nicht innerhalb der Frist des § 139 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 VwGO ausdrücklich einen bestimmten Antrag formuliert. Das Fehlen eines ausdrücklich formulierten Antrags ist aber unschädlich, wenn sich gleichwohl Ziel und Umfang des Revisionsbegehrens aus dem Revisionsvorbringen eindeutig entnehmen lassen (BVerwG, Urteile vom 20. Juni 1991 - 3 C 6.89 - Buchholz 310 § 140 VwGO Nr. 5 S. 2, vom 5. April 2016 - 1 C 3.15 - BVerwGE 154, 328 Rn. 15 und vom 20. März 2019 - 4 C 5.18 - NVwZ 2020, 404 Rn. 12). So liegt es hier. Die rechtzeitig eingereichte Revisionsbegründung lässt eindeutig erkennen, dass der Beklagte eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage begehrt. 16 2. Die Beigeladene ist revisionsbefugt. Sie ist durch das angefochtene Urteil materiell beschwert. 17 Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels eines Beigeladenen erfordert ungeachtet seiner Beteiligtenstellung (§ 63 Nr. 3 VwGO) und der daran geknüpften Bindung an ein rechtskräftiges Urteil (§ 121 Nr. 1 VwGO) eine materielle Beschwer. Diese ist dann gegeben, wenn der Beigeladene geltend machen kann, durch die mögliche Rechtskraftwirkung präjudiziell und unmittelbar in eigenen Rechten beeinträchtigt zu werden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 38 Rn. 12 m.w.N. und vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 20). Zustimmungs- und sonstige Mitwirkungsbefugnisse von Verwaltungsbehörden stehen subjektiven Rechten insoweit gleich (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Mai 1971 - 4 C 19.70 - Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 16 S. 12 f. und vom 18. Mai 1992 - 4 B 98.92 - Buchholz 406.11 § 23 BBauG/BauGB Nr. 14 S. 2). 18 Die Beigeladene kann eine unmittelbare Beeinträchtigung einer ihr eingeräumten Mitwirkungsbefugnis durch das angefochtene Urteil geltend machen. Nach dem einschlägigen Landesrecht, dessen Inhalt festzustellen der Senat mangels einer gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO bindenden Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hierüber nicht gehindert ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Mai 1980 - 7 C 73.78 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 32 S. 51 und vom 24. Januar 2013 - 5 C 12.12 - BVerwGE 145, 315 Rn. 10), ist die Beigeladene als kreisfreie Stadt Rechtsträgerin der zuständigen Straßenverkehrsbehörde (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c der Landesverordnung über die zuständigen Behörden und Stellen nach dem Straßenverkehrsrecht vom 8. November 2004 , zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. Dezember 2020 ), von deren Einvernehmen nach § 47 Abs. 4 Satz 2 BImSchG die Festlegung von Maßnahmen im Straßenverkehr in einem Luftreinhalteplan abhängt. Das Oberverwaltungsgericht hat den Beklagten zur Änderung des Luftreinhalteplans unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt. Zu dieser von einer möglichen Rechtskraftwirkung des Urteils umfassten (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 7 C 27.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 22 Rn. 12 m.w.N.) Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts gehört insbesondere seine Einschätzung, dass Verkehrsverbote, wie sie der geltende Luftreinhalteplan lediglich auf einer zweiten, nachrangigen Planungsstufe vorsieht, auch ohne vorgeschaltete erste, vorrangige Planungsstufe grundsätzlich verhältnismäßig seien. Daran wäre die Beigeladene bei ihrer Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens gemäß § 47 Abs. 4 Satz 2 BImSchG anlässlich einer künftigen Planfortschreibung ebenso gebunden wie an weitere entscheidungstragende rechtliche Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts, soweit diese für die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen im Straßenverkehr im Sinne von § 47 Abs. 4 Satz 2 BImSchG erheblich sind. 19 B. Die Revisionen sind begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht, § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht die Klage zu Recht als zulässig angesehen (1.). Es ist aber mit einer bundesrechtlich nicht tragfähigen Begründung zur Annahme der Begründetheit der Klage gelangt (2.). Das Urteil beruht auf dieser Rechtsverletzung (3.). Eine Zurückweisung der Revisionen wegen Ergebnisrichtigkeit aus anderen Gründen (§ 144 Abs. 4 VwGO) kommt nicht in Betracht (4.). Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO (5.). 20 1. Der Kläger ist als anerkannte Umweltvereinigung klagebefugt. Bei der von ihm begehrten Fortschreibung des Luftreinhalteplans handelt es sich um einen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 UmwRG, § 35 Abs. 1 Nr. 2 UVPG i.V.m. Nr. 2.2 der Anlage 5 des UVPG tauglichen Klagegegenstand (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 22). Zur Erfüllung des besonderen Zulässigkeitserfordernisses nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b UmwRG genügt bereits die bei einem Luftreinhalteplan bestehende Möglichkeit einer Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung und der damit verbundenen Beteiligungsberechtigung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 23). 21 2. Das angefochtene Urteil verstößt gegen § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, soweit das Oberverwaltungsgericht den Luftreinhalteplan des Beklagten hinsichtlich der durch den Einsatz von Luftfilteranlagen am Theodor-Heuss-Ring zu erzielenden Minderung der NO2-Belastung ohne Rücksicht auf nach Planerlass sich ergebende Erkenntnisse hierzu als prognosefehlerhaft angesehen hat. 22 a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Einschätzungen des Plangebers hinsichtlich der durch den Einsatz von Luftfiltern zu erzielenden Immissionsminderung wegen deren prognostischen Charakters einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 11 und Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 42). 23 Der hiergegen von der Beigeladenen erhobene Einwand, es handele sich um eine der vollständigen gerichtlichen Kontrolle unterliegende reine Tatsachenfrage, greift nicht durch. Die insoweit maßgebliche Unterscheidung ist nicht eine solche zwischen Prognosen und Tatsachenfragen, sondern eine solche zwischen prognostischen und nicht prognostischen Einschätzungen. Auch Prognosen sind tatsachenbezogen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 25.84 - BVerwGE 72, 38 <48 f.>). Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass von bestimmten feststellbaren (Ausgangs-)Tatsachen als Prognosebasis anhand anerkannter Erfahrungssätze oder mathematischer Verfahren auf den wahrscheinlichen Eintritt eines künftigen Sachverhalts geschlossen wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. April 2002 - 9 CN 1.01 - BVerwGE 116, 188 <190> und vom 29. Oktober 2009 - 3 C 26.08 - juris Rn. 25; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 114 Rn. 63). So liegt es auch bei der Beurteilung der durch den Einsatz von Luftfilteranlagen erzielbaren Minderung der NO2-Belastung am Theodor-Heuss-Ring. Sie erfordert eine naturgemäß mit Unsicherheiten behaftete prognostische Abschätzung, wie sich durch die Luftfilteranlagen die gegenwärtige Immissionssituation unter Berücksichtigung der technischen Beschaffenheit und Funktionsweise der Anlagen einerseits sowie der absehbaren konkreten betrieblichen und örtlichen Rahmenbedingungen des Anlagenbetriebs andererseits zukünftig voraussichtlich verändern wird. 24 b) Ohne Verletzung von Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht die vom Beklagten bei Erlass des Luftreinhalteplans angestellte Prognose zur Minderung der NO2-Belastung am Theodor-Heuss-Ring durch Luftfilteranlagen als auf unrealistischen Annahmen beruhend und deshalb mangelhaft bewertet. Zur Begründung hat es zum einen darauf abgehoben, dass praktische Erfahrungen mit dem Einsatz von Luftfiltern zur Reduzierung der NO2-Belastung eines Straßenabschnitts bislang fehlten. Zum anderen hat es festgestellt, das dem Beklagten bei Inkraftsetzung des Luftreinhalteplans vorliegende Sachverständigengutachten des Ingenieurbüros Lohmeyer habe die im Plan vorausgesetzte Minderungswirkung von Luftfiltern nicht hinreichend bestätigt, weil es den in Betracht kommenden Systemen entweder nur eine deutlich geringere oder eine räumlich sehr ungleichmäßige, stark schwankende und nur im Mittel ausreichende Minderungswirkung bescheinigt habe. Diese Erwägungen, an die der Senat in tatsächlicher Hinsicht gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), lassen einen Bundesrechtsverstoß nicht erkennen. Sie tragen den vom Oberverwaltungsgericht gezogenen Schluss auf eine wegen unrealistischer Annahmen mangelhafte Immissionsprognose bei Erlass des Luftreinhalteplans. 25 c) Wegen Verstoßes gegen § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zu beanstanden ist jedoch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Berücksichtigung neuer, nach Erlass des Luftreinhalteplans entstandener Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Luftfilteranlagen sei davon abhängig, dass der Beklagte sich solche Erkenntnisse zu eigen und erkennbar zur Grundlage einer aktualisierten Prognoseentscheidung gemacht habe, woran es hier - insbesondere mit Blick auf das Immissionsgutachten der Purevento GmbH vom 14. April 2020 - fehle. 26 Zwar ist das Oberverwaltungsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats zutreffend davon ausgegangen, dass nach Erlass eines Luftreinhalteplans vom Plangeber vorgenommene Aktualisierungen von Prognosen grundsätzlich zulässig und im Klageverfahren auf Planfortschreibung zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 26 f.). Entgegen dem Oberverwaltungsgericht bedeutet das aber nicht, dass nach Erlass eines Luftreinhalteplans eingetretene Umstände oder gewonnene Erkenntnisse für die gerichtliche Überprüfung planerischer Prognosen nur dann beachtlich sind, wenn sie den Plangeber zu einer Aktualisierung seiner ursprünglichen, dem Luftreinhalteplan zugrunde liegenden Prognosen veranlasst haben, wenn also - in den Worten des Oberverwaltungsgerichts - der Plangeber ""sich solche Erkenntnisse zu eigen und erkennbar zur Grundlage einer aktualisierten Prognoseentscheidung"" gemacht hat. Vielmehr kann sich eine ursprünglich mangelhafte Prognose allein schon aufgrund neuer Tatsachen oder Erkenntnisse im Nachhinein doch noch als tragfähig erweisen, so dass insoweit kein Anlass für eine Neuplanung (mehr) besteht. 27 Zwar ist für die Beurteilung der Frage, ob die einem Luftreinhalteplan zugrunde liegenden Prognosen rechtlich zu beanstanden sind, auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Plan abzustellen (BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 7, 11; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 42). Diese für die (inzidente) gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Luftreinhalteplans getroffene Aussage bedarf indes für die hier in Rede stehende Konstellation einer Klage auf Fortschreibung eines Luftreinhalteplans einer Ergänzung. In dem Zeitraum zwischen der Beschlussfassung über den Plan und dem für die Beurteilung des (Fort- oder erneuten) Bestehens einer Planungspflicht maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz kann es zu prognoserelevanten Veränderungen kommen oder können sich prognoserelevante neue Erkenntnisse ergeben. Diese können gleichermaßen die Prognosebasis wie die einer Prognose zugrunde liegenden Erfahrungssätze, Prämissen, fachwissenschaftlichen Einschätzungen, Methoden und dergleichen betreffen. Bezugspunkt für die Beurteilung der Relevanz nachträglicher Veränderungen und Erkenntnisse bleiben dabei stets die vom Plangeber angestellten Prognosen, die das Gericht wegen des dem Plangeber insoweit zukommenden Spielraums auch dann nicht durch eigene ersetzen darf, wenn sich eine behördliche Prognose als defizitär erweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 - 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <355>; OVG Münster, Urteil vom 12. September 2019 - 8 A 4775/18 - juris Rn. 452). Von einer unzulässigen eigenen Prognose des Gerichts zu unterscheiden ist die Berücksichtigung tatsächlicher Veränderungen oder neuer Erkenntnisse in Bezug auf die Grundlagen der Prognose. Solche Veränderungen oder neuen Erkenntnisse können gegebenenfalls dazu führen, dass sich eine ursprünglich nicht hinreichend gesicherte Prognose im Nachhinein als tragfähig erweist. Soweit das erkennbar der Fall ist, wäre eine wegen des ursprünglichen Prognosemangels erfolgende Verurteilung zur Neuplanung sachwidrig, weil für den mit einer Neuplanung verbundenen zeitlichen, personellen und sachlichen Aufwand mit Blick auf das gesetzliche Ziel der Luftreinhalteplanung keine Veranlassung mehr besteht. Nichts Anderes gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Plangeber - insbesondere wegen von ihm selbst erkannter prognoserelevanter Veränderungen oder neuer Erkenntnisse - seine Prognosen nachträglich aktualisiert. Die Beteiligungs- und Publizitätsanforderungen der Luftreinhalteplanung nach § 47 Abs. 5 und 5a BImSchG stehen dem jedenfalls dann nicht entgegen, wenn nicht methodisch vollständig neue Prognosen erstellt und vorgesehene Maßnahmen nicht grundlegend umgestaltet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 27). Im Hinblick auf etwaige Prognosefehler im Zeitpunkt des Planerlasses bedarf es dafür auch keiner gesetzlichen Fehlerheilungs- oder Unbeachtlichkeitsvorschriften. Der für Rechtsnormen geltende Grundsatz, wonach die Rechtswidrigkeit einer Norm ihre Nichtigkeit zur Folge hat, soweit nicht der Gesetzgeber etwas Anderes bestimmt, kann auf Luftreinhaltepläne nicht übertragen werden. Bei ihnen handelt es sich nicht um Rechtsnormen. Sie sind als auf den staatlichen Binnenbereich bezogene Handlungspläne konzipiert, die in ihrer Rechtsnatur Verwaltungsvorschriften ähnlich sind (BVerwG, Urteile vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 18). 28 3. Das angefochtene Urteil beruht auf dieser Verletzung von Bundesrecht. 29 Zwar hat das Oberverwaltungsgericht einen Prognosemangel nicht nur mangels einer aktualisierten Prognoseentscheidung des Beklagten, die neue Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Luftfiltern einzubeziehen hätte, angenommen. Vielmehr hat es zusätzlich und selbständig tragend (""ungeachtet dessen"") darauf abgehoben, dass die hier in Rede stehenden nachträglichen Erkenntnisse, insbesondere das Immissionsgutachten der Purevento GmbH, auch der Sache nach nicht geeignet seien, den Prognosemangel zu heilen. So handele es sich bei dem Gutachten um bloße Herstellerangaben, die auch inhaltlich die erheblichen Zweifel an der Wirksamkeit des Systems nicht auszuräumen vermochten. Ein Urteil, das in dieser Weise auf mehrere jeweils selbständig tragende Gründe gestützt ist, beruht aber dann im Sinne von § 137 Abs. 1 VwGO auf einer Rechtsverletzung, wenn diese sämtliche Begründungsstränge erfassen oder wenn jeder der Begründungsstränge von einem je eigenen Rechtsverstoß betroffen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2012 - 5 C 1.11 - BVerwGE 142, 132 Rn. 46; Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2021, § 137 Rn. 109). 30 So liegt es hier. Die Bundesrechtswidrigkeit der - im ersten Begründungsstrang tragendenden - Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, insbesondere das Purevento-Gutachten müsse unberücksichtigt bleiben, weil der Beklagte es sich nicht zu eigen und nicht erkennbar zur Grundlage einer aktualisierten Prognoseentscheidung gemacht habe, erfasst im Ergebnis auch die - im zweiten Begründungsstrang tragende - Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, das Gutachten sei auch der Sache nach nicht geeignet, die Prognose des Plangebers zur Minderung der NO2-Belastung durch Luftfilter zu stützen. Denn bei Vermeidung der Rechtsverletzung hätte das Oberverwaltungsgericht den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag der Beigeladenen, der auf den Beweis gerade für die Beurteilung der Aussagekraft des Gutachtens bedeutsamer Tatsachen abzielte, nicht mit der von ihm gegebenen Begründung, es sei nicht Aufgabe des Gerichts, die Fortschreibung des Luftreinhalteplans und eine insoweit erforderliche Prognoseentscheidung des Beklagten durch eine Beweisaufnahme vorzubereiten, ablehnen können. 31 Das Purevento-Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von Luftfilteranlagen unter Berücksichtigung verschiedener Maßnahmen zur Strömungsoptimierung entlang der gesamten Häuserfront Theodor-Heuss-Ring 61 bis 79 eine Minderung der NO2-Belastung im Jahresmittel von mindesten 33,9 % in 1,5 m Höhe und 25,3 % in 5 m Höhe gewährleistet (Gutachten S. 7, 16, 24). Dies bestätigt und übertrifft sogar die Prognose des Luftreinhalteplans, der von einer Minderung von ca. 20 % bzw. 10 % in den genannten Höhenschichten ausgeht. Der Beweisantrag zielte darauf, die Methodengerechtigkeit des Gutachtens entsprechend dem Stand von Wissenschaft und Technik und damit seine Eignung, die Prognose des Luftreinhalteplans zu tragen, zu klären. Dem hätte das Oberverwaltungsgericht nachgehen müssen, wenn es den Bundesrechtsverstoß vermieden, also nicht nach einer aktualisierten Prognoseentscheidung des Beklagten gefragt, sondern ausschließlich geprüft hätte, ob mit dem Gutachten neue Erkenntnisse vorliegen, die die ursprünglich mangelhafte Prognose des Beklagten nachträglich stützen. Insoweit stellt sich die Lage nicht wesentlich anders dar, als wenn dem Beklagten das Gutachten bereits bei der Beschlussfassung über den Luftreinhalteplan vorgelegen hätte, er seine Prognose darauf gestützt hätte und sodann Zweifel an der Eignung des Gutachtens aufgekommen wären. Auch solchen Zweifeln müsste ein Gericht nachgehen und hätte hierzu erforderlichenfalls Beweis zu erheben, ohne dass es damit seine eigene Prognose an die Stelle derjenigen des Plangebers setzte. 32 Dagegen liegt in der Ablehnung des Beweisantrags kein Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO). Denn bei der Prüfung von Verfahrensmängeln ist stets von der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der Vorinstanz auszugehen, selbst wenn deren Standpunkt verfehlt sein sollte (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2015 - 8 B 10.15 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 44 Rn. 18 m.w.N.). Danach hat das Oberverwaltungsgericht die beantragte Beweiserhebung verfahrensfehlerfrei mangels Entscheidungserheblichkeit abgelehnt. Die mit dem Beweisantrag adressierte Frage, hätte sich auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts zur Notwendigkeit einer Heilung von Prognosemängeln nur dann gestellt, wenn der Beklagte auf der Grundlage des Gutachtens eine neue Entscheidung getroffen hätte. Das hat er indes nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht getan. 33 4. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts stellt sich nicht deshalb aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil ein Einsatz von Luftfiltern am Theodor-Heuss-Ring aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich wäre und dieser Maßnahme des Luftreinhalteplans somit unter diesem Gesichtspunkt die zur Einhaltung des Grenzwerts nötige Eignung fehlte. 34 Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, ist nicht zu erkennen, dass Errichtung und Betrieb der Luftfilter namentlich aus Gründen des Lärmschutzes oder aus straßenverkehrsrechtlicher Sicht unüberwindbare Hindernisse entgegenstünden. Die von dem Kläger im Revisionsverfahren vorgelegten Lichtbilder der gegenwärtigen örtlichen Situation nach zwischenzeitlicher Aufstellung der Luftfilter auf dem Radweg am Theodor-Heuss-Ring und jeweils (nur) auf Höhe der Filter erfolgter Ausweisung des daneben verlaufenden bisherigen Gehwegs als gemeinsamen Geh- und Radweg (Zeichen 240 gemäß Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) rechtfertigen ungeachtet dessen, dass es sich dabei um im Revisionsverfahren grundsätzlich unbeachtlichen neuen Tatsachenvortrag handelt, keine andere Einschätzung. Denn selbst wenn, wie der Kläger geltend macht, die Anordnung eines gemeinsamen Geh- und Radwegs in der derzeit vorgesehenen Weise mangels ausreichenden Platzes aus Gründen der Sicherheit des Straßenverkehrs in rechtmäßiger Weise nicht in Betracht käme, läge darin kein unüberwindbares rechtliches Hindernis für die Aufstellung der Luftfilter an den vorgesehenen Standorten. So ist etwa denkbar, zusätzlichen Platz für eine parallele Abwicklung von Fußgänger- und Radverkehr zu Lasten des Kraftfahrzeugverkehrs auf dem an dieser Stelle dreispurigen Theodor-Heuss-Ring zu gewinnen. In jedem Fall bliebe noch die Möglichkeit einer vollständigen Beseitigung des Radwegs. 35 5. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO. Der Senat ist gehindert, gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Sache selbst zu entscheiden. In der Frage der Tragfähigkeit der auf die Minderungswirkung der Luftfilteranlagen bezogenen Immissionsprognose des Beklagten auf Grundlage des nunmehr vorliegenden Purevento-Gutachtens besteht mit Blick auf den hierzu von der Beigeladenen gestellten Beweisantrag weiterer tatsächlicher Aufklärungsbedarf. 36 Für den Fortgang des Verfahrens weist der Senat auf Folgendes hin: 37 a) Sollte sich erweisen, dass das Gutachten - gegebenenfalls auch in Verbindung mit sonstigen neuen Erkenntnissen - geeignet ist, die vom Beklagten prognostizierte Minderungswirkung von Luftfiltern zu bestätigen, genügte der Luftreinhalteplan bereits mit seiner ersten Maßnahmenstufe den gesetzlichen Anforderungen aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und 3 BImSchG und bedürfte deshalb keiner Fortschreibung. Die hierauf gerichtete Klage wäre abzuweisen, nachdem der Prognosemangel, den das Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der Reduzierung der Hintergrundbelastung durch städtische Maßnahmen um jährlich 0,3 µg/m³ festgestellt hat, angesichts der im Szenario ""Errichtung und Betrieb von Luftfilteranlagen"" prognostizierten Werte (39,5 µg/m³ in 2020 und 37,3 µg/m³ in 2021) nicht erheblich ins Gewicht fällt. 38 b) Andernfalls, also wenn sich die auf die Wirksamkeit von Luftfilteranlagen bezogene Prognose des Plangebers auch unter Berücksichtigung des Gutachtens sowie etwaiger sonstiger neuer Erkenntnisse als nicht hinreichend gesichert und mithin mangelhaft erweisen sollte, wäre der Luftreinhalteplan rechtswidrig und deshalb fortschreibungsbedürftig. 39 In diesem Fall wären die Maßnahmen des Luftreinhalteplans nicht im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG geeignet, den Zeitraum der Überschreitung des NO2-Jahresgrenzwerts so kurz wie möglich zu halten. Dies gilt trotz des auf einer zweiten Maßnahmenstufe festgelegten Verkehrsverbots für Diesel-Pkw der Abgasnormen Euro 1 bis 5 selbst dann, wenn die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, dieses Verbot sei zur kurzfristigen Einhaltung des Grenzwerts geeignet und grundsätzlich verhältnismäßig, zuträfe. Denn der Luftreinhalteplan regelt nicht mit der gebotenen Klarheit und Bestimmtheit, unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zeitpunkt seine zweite Stufe ""ausgelöst"" wird, das Dieselverkehrsverbot also anstelle oder zusätzlich zu dem primär geplanten - im hier zu unterstellenden Szenario in seiner Wirksamkeit nicht hinreichend gesicherten - Einsatz von Luftfiltern anzuordnen ist. Der Luftreinhalteplan (S. 52 f.) sieht eine Umsetzung von Stufe 2 ""für den Fall der Nichtumsetzung der Maßnahmen aus Stufe 1"" vor. Daneben wird die zweite Stufe mit der einer jeden Prognose anhaftenden Unsicherheit begründet, ferner damit, dass sich eine Prognose als fehlerhaft herausstellen könne, vereinbarte Maßnahmen gegebenenfalls nicht fristgerecht umgesetzt werden könnten oder nicht die prognostizierte Minderungswirkung erzielten. Unter welchen konkreten sachlichen und zeitlichen Voraussetzungen hiernach die Voraussetzung für die Anordnung eines Verkehrsverbots erfüllt sein soll und durch wen dies gegebenenfalls festzustellen ist - etwa durch den Plangeber oder durch die für Anordnungen nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zuständige Straßenverkehrsbehörde -, bleibt unklar. In der Folge ist damit auch die für den Fall der Umsetzung der zweiten Stufe prognostizierte Einhaltung des Grenzwerts in den Jahren 2020 und 2021 ungewiss, weil nicht planerisch gewährleistet ist, dass die Maßnahme der zweiten Stufe rechtzeitig ergriffen wird. 40 Dagegen lässt sich nicht einwenden, der Luftreinhalteplan sei hinsichtlich seiner ersten Maßnahmenstufe rechtswidrig und deshalb insoweit nicht bindend, was ohne Weiteres zur Folge habe, dass das auf der zweiten Stufe festgesetzte Verkehrsverbot anzuordnen sei. Dagegen sprechen Gründe der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowie der Sinn und Zweck der Luftreinhalteplanung. Als ein für die zuständigen Behörden verbindlicher (vgl. Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 47 Rn. 56 ff. m.w.N.) Handlungsplan dient ein Luftreinhalteplan dazu, die zur Grenzwerteinhaltung erforderlichen Maßnahmen zu bündeln, inhaltlich abzustimmen, für alle Träger öffentlicher Verwaltung verbindlich zu machen und ihre Durchsetzung durch deren Behörden nach Maßgabe der erforderlichen Rechtsgrundlage zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 26 zu Aktionsplänen nach § 47 Abs. 2 BImSchG a.F.). Den unmittelbar immissionswirksamen Einzelmaßnahmen wird eine zuständigkeits- und rechtsträgerübergreifende Planungsstufe vorgeschaltet, um koordiniert und effektiv für die Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Vorgaben zu sorgen (vgl. Jarass, BImSchG, a.a.O., § 47 Rn. 2). Ein Plan, der - wie gegebenenfalls hier - vorrangig Maßnahmen festlegt, deren Eignung zur schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung nicht hinreichend gesichert ist, und erst nachrangig geeignete Maßnahmen vorsieht, verfehlt seine auf die schnellstmögliche Einhaltung der Grenzwerte zielende Koordinierungsfunktion. Er erzeugt jedenfalls den Rechtsschein der Verbindlichkeit der vorrangigen aber unzulänglichen Festlegungen und ist deshalb geeignet, die zuständigen Behörden von wirksamen Immissionsminderungsmaßnahmen abzuhalten, weil diese nicht zu den vorrangig geplanten Maßnahmen gehören. Dieser Rechtsschein muss durch eine entsprechende Änderung des Luftreinhalteplans beseitigt werden. Nur so ist durch den Plan gewährleistet, dass der Zeitraum der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich gehalten wird. 41 Schließlich geben die Erwägungen in dem Luftreinhalteplan zur Funktion der zweiten im Verhältnis zur ersten Maßnahmenstufe noch Anlass zu folgenden generellen Bemerkungen: Ein mehrstufiges Vorgehen mag zulässig sein, um mit ergänzenden Maßnahmen auf einer zweiten Planungsstufe solchen auf der ersten Planungsstufe bestehenden Prognoseunsicherheiten zu begegnen, mit denen eine jede Prognose naturgemäß auch dann behaftet ist, wenn sie regelgerecht erstellt wurde. Rechtlich geboten ist ein solches Vorgehen freilich nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 48 ff.). Diese Möglichkeit einer mehrstufigen Planung kann sich grundsätzlich aber nur für den Fall bieten, dass sich eine rechtmäßige Prognose im Nachhinein als unzutreffend herausstellen sollte (fehlgeschlagene Prognose), nicht hingegen auch dann, wenn - wie gegebenenfalls hier in Bezug auf die Wirksamkeit der Luftfilter - eine Prognose mit Mängeln behaftet ist (fehlerhafte Prognose). Der Plangeber muss rechtmäßig, insbesondere prognosefehlerfrei planen. Eine hilfsweise, gleichsam salvatorische Sekundärplanung für den Fall der Rechtswidrigkeit, insbesondere der Prognosefehlerhaftigkeit einer anderen Primärplanung ist ihm nicht gestattet. Ein aus der Ungewissheit über die Wirksamkeit von Maßnahmen resultierender Prognosemangel lässt sich nicht durch Festlegung zusätzlicher, aber lediglich sekundär umzusetzender Maßnahmen ausgleichen. Ein ""experimentelles"" Vorgehen mittels primärer Maßnahmen, deren Eignung prognostisch nicht hinreichend gesichert ist, scheidet mit Rücksicht auf § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG regelmäßig aus, wenn hierdurch im Ergebnis die Umsetzung geeigneter anderer Maßnahmen verzögert wird." bverwg_2021-4,21.01.2021,"Pressemitteilung Nr. 4/2021 vom 21.01.2021 EN Stilllegungs- und Abbaugenehmigung für das Kernkraftwerk Isar 1 rechtmäßig Eine atomrechtliche Stilllegungsgenehmigung regelt nur die Fragen, die durch die Stilllegung und den Abbau einer kerntechnischen Anlage aufgeworfen werden, und lässt den Genehmigungsbestand i.Ü. unberührt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, eine anerkannte Umweltschutzvereinigung, wendet sich gegen die erste Genehmigung zur Stilllegung und zum Abbau des etwa 12 km nordöstlich von Landshut an der Isar gelegenen Kernkraftwerks Isar 1. Gegenstand der Genehmigung ist u.a. die Gestattung verschiedener Maßnahmen zur Stilllegung und zum Abbau des Kernkraftwerks. Der Kläger verlangt eine Überprüfung der Gesamtanlage am Stand von Wissenschaft und Technik. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Die angefochtene Stilllegungsgenehmigung muss nur die sich auf die Stilllegung des Kernkraftwerks beziehenden Fragen behandeln. Der für die Stilllegung und den Abbau einer kerntechnischen Anlage geltende Genehmigungsvorbehalt in § 7 Abs. 3 AtG löst nicht den gesamten bei der erstmaligen Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage anfallenden Prüfungsaufwand erneut aus und stellt die bestandskräftige und bindende Betriebsgenehmigung insgesamt nicht infrage. Die Stilllegungsgenehmigung soll sicherstellen, dass auch die zur Stilllegung und zum Abbau geplanten Maßnahmen im Hinblick auf die davon ausgehende nuklearspezifischen Gefahren den Genehmigungsvoraussetzungen des Atomgesetzes genügen. BVerwG 7 C 4.19 - Urteil vom 21. Januar 2021 Vorinstanz: VGH München, 22 A 17.40004 - Urteil vom 20. Dezember 2018 -","Urteil vom 21.01.2021 - BVerwG 7 C 4.19ECLI:DE:BVerwG:2021:210121U7C4.19.0 EN Atomrechtliche Stilllegungs- und Abbaugenehmigung Leitsätze: 1. Durch den Genehmigungsvorbehalt für die Stilllegung und den Abbau einer kerntechnischen Anlage in § 7 Abs. 3 Satz 1 AtG wird nicht der gesamte bei der Errichtung und Inbetriebnahme dieser Anlage angefallene Prüfungsaufwand erneut ausgelöst und die bestandskräftige Betriebsgenehmigung insgesamt in Frage gestellt. 2. Das Szenario ""gezielter Flugzeugabsturz"" kann für zur vorübergehenden Lagerung von schwach- bis mittelradioaktivem Material dienende Pufferlagerflächen eines stillgelegten Kernkraftwerks dem Restrisiko zugeordnet werden (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - 7 C 1.11 - BVerwGE 142, 159). Rechtsquellen AtG § 7 Abs. 1, 2 und 3 Instanzenzug VGH München - 20.12.2018 - AZ: VGH 22 A 17.40004 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 21.01.2021 - 7 C 4.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:210121U7C4.19.0] Urteil BVerwG 7 C 4.19 VGH München - 20.12.2018 - AZ: VGH 22 A 17.40004 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2021 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Dezember 2018 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gründe I 1 Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte atomrechtliche Genehmigung zur Stilllegung und zum Abbau des Kernkraftwerks Isar 1 (KKI 1). 2 Das KKI 1 ist Teil einer aus einem weiteren Kernkraftwerk (Isar 2), einem Standortzwischenlager und einer Transportbereitstellungsanlage bestehenden Kraftwerksanlage. Für die Errichtung und den Betrieb wurden insgesamt neun Teil- und 15 Änderungsgenehmigungen erteilt. Der kommerzielle Leistungsbetrieb ist im Jahr 1979 aufgenommen und im Frühjahr 2011 aufgrund einer Anordnung des Beklagten eingestellt worden. Die Berechtigung zum Leistungsbetrieb ist mit Inkrafttreten der 13. Novelle des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011 am 6. August 2011 erloschen. Alle Brennelemente sind in der Nachbetriebsphase aus dem Reaktordruckbehälter in das Brennelementelagerbecken umgeladen worden, von wo aus sie sukzessive in das Standortzwischenlager überführt werden. Nach Mitteilung der Beigeladenen vom 18. Dezember 2020 ist das Kernkraftwerk seit Oktober 2020 brennstofffrei. 3 Die Beigeladene beabsichtigt, das Kernkraftwerk in zwei Phasen abzubauen und beantragte mit Schreiben vom 4. Mai 2012 die Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG für die erste Stilllegungsphase. Am 17. Januar 2017 erteilte der Beklagte der Beigeladenen die ""Erste Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG zur Stilllegung und zum Abbau des Kernkraftwerks Isar 1 in Essenbach, Landkreis Landshut"" (1. SAG). Darin werden die Berechtigung der Beigeladenen zum Restbetrieb der Anlage zum Zwecke ihrer Stilllegung und ihres Abbaus festgestellt und die Nutzungsänderung von Raumbereichen sowie verschiedene Stilllegungs- und Abbaumaßnahmen einschließlich der Ableitung radioaktiver Stoffe mit Luft und Wasser im betriebsnotwendigen Umfang gestattet. Der Bescheid zählt darüber hinaus die der Genehmigung zugrundeliegenden umfangreichen Unterlagen auf und enthält - unter ausdrücklicher Aufhebung der bisherigen Auflagen - zahlreiche Inhalts- und Nebenbestimmungen unter anderem hinsichtlich der Sicherheitsstandards der Anlage, des Restbetriebs, der Entsorgung der Brennelemente und des Abbaus der Anlage. 4 Die gegen die Stilllegungs- und Abbaugenehmigung erhobene Klage hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 20. Dezember 2018 abgewiesen. Aus § 7 Abs. 3 Satz 3 AtG ergebe sich, dass mit dem Ende des Leistungsbetriebs die Inhalte bestandskräftig erteilter Genehmigungen nicht zwangsläufig vollständig wegfielen, sondern dass solche Genehmigungen fortgelten könnten. In dem Antrag auf eine Stilllegungsgenehmigung für ein Atomkraftwerk liege kein Verzicht auf die bisherigen Genehmigungen. Die Gestattung von Stilllegungs- und Abbauarbeiten verbiete sich nicht schon deshalb, weil noch bestrahlte Brennelemente und einzelne Defektstäbe im Brennelementelagerbecken vorhanden seien. Bei der Beantwortung der Frage, welche Risiken mit den in der Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG zugelassenen Stilllegungs- und Abbauarbeiten verbunden seien und welche Vorkehrungen gegen solche Risiken in der Genehmigung getroffen werden müssten, stünden der bisherige Bestand und die bisherige Nutzung der kerntechnischen Anlage nicht in ihrer Gesamtheit auf dem Prüfstand. Dies gelte auch angesichts geänderter Risikobewertungen, denen das ehemals ausreichende Schutzniveau nicht mehr genügen würde. Die gegenteilige Ansicht liefe praktisch auf eine Pflicht zur Nachrüstung einer unmittelbar danach schon wieder abzubauenden kerntechnischen Anlage hinaus. 5 Mit seiner Revision rügt der Kläger, der Verwaltungsgerichtshof habe das Verhältnis der Stilllegungs- und Abbaugenehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG und der Errichtungs- und Betriebsgenehmigung nach § 7 Abs. 1 AtG unzutreffend bestimmt und dadurch die Schutzansprüche der Anwohner verkürzt sowie erhebliche Risiken für Natur und Umwelt in Kauf genommen. Die erteilte Genehmigung lasse Eingriffe in den Anlagenbestand zu einem Zeitpunkt zu, in dem noch zahlreiche abgebrannte Brennelemente im Brennelementelagerbecken vorhanden seien. Die Auslegung des § 7 Abs. 3 AtG durch den Verwaltungsgerichtshof widerspreche Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift. Nach zutreffender Ansicht werde jede Phase eines Kernkraftwerks durch spezielle Genehmigungsregelungen abgedeckt. Die Betriebsgenehmigung könne daher nicht neben der Stilllegungs- und Abbaugenehmigung Geltung beanspruchen. Mit der Ablösung des Betriebsregimes durch das Stilllegungsregime dürften keinerlei sicherheitstechnischen Nachteile verbunden sein. Die Beachtung des Standes von Wissenschaft und Technik in Bezug auf die gebotene Vorsorge vor Schäden im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG sei nicht bereits durch die frühere Betriebsgenehmigung gewährleistet. Es sei allgemein bekannt, dass sämtliche alten Reaktoren der Baulinie, der das KKI 1 entstamme, heute nicht mehr genehmigungsfähig wären, weil sie nicht dem aktuellen Stand der Technik entsprächen. 6 Der Kläger beantragt, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Dezember 2018 und den Bescheid des Beklagten vom 17. Januar 2017 aufzuheben. 7 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils, die Revision zurückzuweisen. 8 Sie verteidigen das angefochtene Urteil. II 9 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil steht in Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). 10 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht entschieden, dass die Stilllegung und der Abbau einer kerntechnischen Anlage nicht den gesamten bei der Errichtung und Inbetriebnahme der Anlage angefallenen Prüfungsaufwand erneut auslöst, sondern nur die im Rahmen der Stilllegungs- und Abbauphase geplanten Maßnahmen und deren Auswirkungen auf den Anlagenbestand zu prüfen sind. Im Übrigen verbleibt es bei den für die Errichtung und den Betrieb der Anlage erteilten bestandskräftigen Genehmigungen. 11 1. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 AtG bedürfen die Stilllegung sowie der Abbau einer ortsfesten kerntechnischen Anlage im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 AtG der Genehmigung. § 7 Abs. 3 Satz 2 AtG ordnet für das Genehmigungsverfahren die sinngemäße Geltung der für die Errichtung und den Betrieb einer kerntechnischen Anlage geltenden Genehmigungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 2 AtG an. Soweit die geplanten Maßnahmen bereits Gegenstand einer Genehmigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AtG oder einer Anordnung nach § 19 Abs. 3 AtG gewesen sind, bedarf es nach § 7 Abs. 3 Satz 3 AtG keiner Stilllegungs- und Abbaugenehmigung. 12 Mit dieser Regelungsstruktur weist die Stilllegungs- und Abbaugenehmigung Parallelen zur Änderungsgenehmigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AtG auf. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die bei der Erteilung der Ausgangsgenehmigung zugunsten des Betreibers beantwortete Genehmigungsfrage sich nur zum Teil neu stellt (BVerwG, Urteil vom 21. August 1996 - 11 C 9.95 - BVerwGE 101, 347 <355>). Vergleichbar liegt es bei der Stilllegungs- und Abbaugenehmigung. Es ist nicht Sinn des für die Stilllegung und den Abbau einer kerntechnischen Anlage geltenden Genehmigungsvorbehalts in § 7 Abs. 3 Satz 1 AtG, den gesamten bei der erstmaligen Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage anfallenden Prüfungsaufwand erneut auszulösen und die bestandskräftige Betriebsgenehmigung insgesamt in Frage zu stellen. Es geht vielmehr darum sicherzustellen, dass auch die zur Stilllegung und zum Abbau geplanten Maßnahmen im Hinblick auf die davon ausgehenden nuklearspezifischen Gefahren den Genehmigungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 2 AtG genügen. Das Prüfprogramm der Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG bezieht sich daher zunächst auf die stillzulegenden und zu ändernden Anlagenteile oder betrieblichen Verfahrensschritte. Darüber hinaus erstreckt es sich auf diejenigen Anlagenteile und Verfahrensschritte, auf die sich die Stilllegung und der Abbau auswirken. Eine Einschränkung der behördlichen Prüfung kann sich somit im Einzelfall daraus ergeben, dass die Stilllegungs- und Abbaugenehmigung faktisch nicht notwendig die gesamte Anlage und ihren Betrieb beeinflusst (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 1996 - 11 C 9.95 - BVerwGE 101, 347 <355 f.> zur Änderungsgenehmigung). Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - der Abbau in mehreren Phasen vorgenommen wird. 13 Hiervon ausgehend ist gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 AtG danach zu fragen, ob die im Rahmen der Stilllegung und des Abbaus der Anlage konkret geplanten Maßnahmen vom Gestattungsumfang der bestandskräftigen Genehmigungen gedeckt sind. Zutreffend führt der Beklagte zur Verdeutlichung der gesetzlich vorgegebenen Regelungsstruktur in seiner Revisionserwiderung aus, dass nur solche ""abbauspezifischen Maßnahmen"", die nicht von den für den Betrieb erteilten (Teil-)Genehmigungen erfasst sind, einer Regelung in einer Genehmigung zur Stilllegung und zum Abbau einer kerntechnischen Anlage zugänglich sind und einer solchen bedürfen. Daraus wird deutlich, dass insbesondere die bestandskräftige Betriebsgenehmigung in dem Umfang, in dem die Genehmigungsfrage nicht neu aufgeworfen wird, weiterhin Gültigkeit behält und den rechtlichen Rahmen für den Fortbestand der Anlage bildet. Es besteht mit anderen Worten insoweit kein erweitertes Entscheidungsprogramm, das den Durchgriff auf den Ist-Zustand der Anlage und damit zusammenhängende Fragen rechtfertigt (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. August 1996 - 11 C 9.95 - BVerwGE 101, 347 <358 f.> und vom 22. Januar 1997 - 11 C 7.95 - BVerwGE 104, 36 <42> jeweils zu Änderungsgenehmigungen). Danach sind in einem Genehmigungsverfahren für die Erteilung einer Stilllegungs- und Abbaugenehmigung keine Fragen neu zu prüfen, die von der zur Genehmigung gestellten Stilllegung gerade nicht aufgeworfen werden und thematisch nur die (bestandskräftigen) Ausgangsgenehmigungen betreffen. 14 Entgegen der Auffassung des Klägers stellt dieses Verständnis der Stilllegungs- und Abbaugenehmigung keine (eklatante) Überdehnung des Wortlauts des § 7 Abs. 3 Satz 3 AtG dar. Die Annahme, der Anwendungsbereich der Vorschrift beschränke sich auf Maßnahmen, die bereits im Zusammenhang mit der Betriebsgenehmigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AtG im Hinblick auf die spätere Stilllegung geplant und mit dieser genehmigt worden seien, überzeugt nicht. Ein solches Verständnis der Norm findet im Wortlaut des § 7 Abs. 3 Satz 3 AtG keine Stütze. Danach ist für die Freistellung vom Genehmigungsvorbehalt allein entscheidend, dass die ""geplanten Maßnahmen"" von einer Genehmigung nach § 7 Abs. 1 AtG umfasst sind. Hierfür kommen insbesondere Maßnahmen in Betracht, die routinemäßig während des Leistungsbetriebs oder Nachbetriebs durchgeführt werden, aber auch im Rahmen der Stilllegung anfallen können, wie z.B. das Leerfahren des Reaktorkerns oder die Räumung des Nasslagers (vgl. Breuer, DVBl 2005, 1359 <1362 f.>). Gegen das vom Kläger vertretene Verständnis des Wortlauts spricht auch die Gesetzesbegründung, die auf die mit Satz 3 beabsichtigte inhaltliche Abgrenzung der Stilllegungs- und Beseitigungsgenehmigung vom Anwendungsbereich der Genehmigungstatbestände nach § 7 Abs. 1 AtG hinweist und damit von einem Nebeneinander der Genehmigungen nach § 7 Abs. 1 und 3 AtG ausgeht (BT-Drs. 7/5293 S. 3). Wäre der Gesetzgeber von einem Erlöschen der ursprünglich erteilten Genehmigungen ausgegangen, hätte es keiner gesetzlichen Regelung zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche der verschiedenen Genehmigungen bedurft. 15 Soweit demgegenüber in der älteren Literatur vereinzelt § 7 Abs. 3 Satz 3 AtG jedweder Anwendungsbereich abgesprochen wurde (vgl. Rebentisch, DVBl 1992, 1255 <1259>), beruht dieses Verdikt - wie der Beklagte zutreffend ausführt - auf einem von der gesetzlichen Dogmatik abweichenden rechtspolitischen Ansatz, der für die Abschaffung der als gesetzgeberischer Fehlgriff gewerteten Stilllegungsgenehmigung und für eine de lege ferenda an das Bundesimmissionsschutzgesetz angepasste Nachsorgebestimmung plädiert, jedoch de lege lata keine Bedeutung erlangt. 16 2. In der Beantragung der Stilllegungsgenehmigung liegt nicht zugleich ein konkludent erklärter Verzicht auf die Betriebsgenehmigung. Die Annahme eines Verzichts auf die bisherigen den Anlagenbestand und den Leistungsbetrieb regelnden Genehmigungen hätte für die Dauer des Genehmigungsverfahrens nach § 7 Abs. 3 AtG - und damit unter Umständen für mehrere Jahre - einen genehmigungslosen Zustand zur Folge und stünde damit nicht nur in Widerspruch zu der erkennbar auf eine Weitergeltung der bisherigen Genehmigungen angelegten Regelungsstruktur des § 7 Abs. 1 und 3 AtG und der Regelungsabsicht des Gesetzgebers, sondern würde auch den Schutzzielanforderungen des § 1 Abs. 2 AtG und den Interessen des Anlagenbetreibers widersprechen. Abgesehen davon ist der Annahme eines konkludenten Verzichts spätestens mit dem durch die Novelle des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011 (BGBl. I S. 1704) verfügten Ende der Berechtigung zum Leistungsbetrieb für 17 Kernkraftwerke und der daraus folgenden und inzwischen in § 7 Abs. 3 Satz 4 und 5 AtG kodifizierten Pflicht zur unverzüglichen Stilllegung und zum Abbau solcher Anlagen die Grundlage entzogen worden. 17 Das Nebeneinander von Betriebs- und Stilllegungsgenehmigung führt nicht zu Doppelprüfungen, wie sie der Kläger befürchtet. Das Gegenteil ist richtig. Maßnahmen, die bereits für den Leistungsbetrieb geprüft und genehmigt worden sind, müssen nicht (erneut) geprüft werden, so das Doppelprüfungen gerade vermieden werden. Welche Anlagenteile und Verfahrensschritte bereits genehmigt worden sind und welche im Stilllegungs- und Abbauverfahren erstmals in den Blick zu nehmen sind, lässt sich abstrakt nicht näher umschreiben, sondern richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Auch insoweit lassen sich die für die Änderungsgenehmigung entwickelten Grundsätze auf die Stilllegungsgenehmigung ohne Weiteres übertragen (BVerwG, Urteil vom 21. August 1996 - 11 C 9.95 - BVerwGE 101, 347 <356>). Soweit der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf den durch die Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG gesteuerten Stilllegungs- und Abbauprozess ausführt, dass sich der Zustand der kerntechnischen Anlage durch fortschreitende Abbaumaßnahmen ""degressiv"" verändere und den Geltungsbereich der Betriebserlaubnis nicht unberührt lasse, hat er diese Grundsätze nicht in Frage gestellt, sondern zum Ausdruck gebracht, dass sich durch Abbaumaßnahmen die parallel fortgeltende Betriebsgenehmigung teilweise ""auf andere Weise"" im Sinne von § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt und insoweit gleichsam ""abschmelzen"" kann. 18 3. Die angegriffene Genehmigung ist hinreichend bestimmt. Der Grundsatz der Bestimmtheit verlangt, dass der Adressat in der Lage sein muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zwar in dem Sinne, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist, und dass der Verwaltungsakt Grundlage für Maßnahmen der zwangsweisen Durchsetzung sein kann (BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2008 - 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 Rn. 11). Darüber hinaus muss ein Verwaltungsakt auch aus der Perspektive eines Dritten hinreichend bestimmt sein. Dritter in diesem Sinne ist auch der Kläger, der zwar nicht in eigenen Rechten betroffen ist, dem jedoch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG das Recht eingeräumt ist, den hier streitgegenständlichen Verwaltungsakt anzugreifen und gerichtlich sowohl in formeller als auch materieller Hinsicht überprüfen zu lassen. Daher kann der Kläger Mängel der Bestimmtheit, gemessen an einem potenziellen Dritten, rügen (BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1991 - 7 C 43.90 - BVerwGE 88, 286 <292 f.>). Entgegen der Auffassung des Klägers ist es unter Bestimmtheitsgesichtspunkten unbedenklich, dass die 1. SAG auf Regelungen aus dem bisherigen Genehmigungsbestand für das KKI 1 verweist. Das Bundesverwaltungsgericht hat es - ausdrücklich auch im Hinblick auf potenziell Drittbetroffene - für zulässig erachtet, dass eine Teilgenehmigung für eine kerntechnische Anlage eine vorangegangene (Teil-)Genehmigung auch in ihrem Regelungsgegenstand z.B. durch Aufhebung von Beschränkungen erweitert, sofern dies für den Dritten ausreichend zum Ausdruck kommt. Dabei stehen irreführende Bezeichnungen, wie z.B. einer Teilgenehmigung als Nachtrag, der Bestimmtheit nicht entgegen, solange das tatsächlich Gewollte dem Bescheid im Wege der Auslegung entnommen werden kann (BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1991 - 7 C 43.90 - BVerwGE 88, 286 <294>). Es genügt, dass der Drittbetroffene erkennen kann, was in dem angegriffenen Bescheid geregelt und inwiefern der vorangegangene Bescheid geändert wird, er muss aber nicht den geänderten Ausgangsbescheid nochmals in einer den Anforderungen des § 37 Abs. 1 VwVfG genügenden Weise zur Kenntnis gebracht bekommen. Der Zugang zu einem solchen Bescheid wird der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen des Bundes und der Länder über den Zugang zu Umweltinformationen gewährleistet (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2020 - 9 A 19.19 - UPR 2021, 40 Rn. 21 zu Unterlagen in der Öffentlichkeitsbeteiligung im Planungsrecht). Dass sich im Recht der Genehmigung kerntechnischer Anlagen üblicherweise mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Genehmigungen zu einem Gesamtgenehmigungsbestand zusammenfügen und in der Regel eine komplizierte ""Bescheidarchitektur"" ergeben, ist den jeweils aufwändigen Genehmigungsverfahren geschuldet und ändert an der Zulässigkeit von Inbezugnahmen anderer Bescheide nichts. Erforderlich, aber auch genügend ist, dass die weitergeltenden Unterlagen hinreichend genau bezeichnet sind. Das ist hier der Fall. Dies gilt insbesondere für die Modifikation von Inhalts- und Nebenbestimmungen unter Gliederungspunkt III der 1. SAG. Daraus geht hervor, dass die im Bescheid vom 7. Juli 2010 enthaltenen Auflagen aufgehoben und durch die nachfolgenden Auflagen ersetzt werden. Damit ist der vollständige Bestand der aktuell geltenden Inhalts- und Nebenbestimmungen auch für einen Drittbetroffenen erkennbar. 19 4. Der Verwaltungsgerichtshof ist zu Recht davon ausgegangen, dass die angefochtene Genehmigung die erforderliche Schadensvorsorge im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG sicherstellt. 20 Zutreffend geht das Urteil davon aus, dass sich das Niveau des Schutzes, der für Menschen, Tiere und Sachen und die Umwelt insgesamt geboten ist und durch den Inhalt der jeweiligen atomrechtlichen Genehmigung gewährleistet werden muss, bei der Stilllegung und dem Abbau der Anlage nicht von dem unterscheidet, das bei Errichtung und Betrieb einzuhalten ist. Soweit der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang von einem ""anderen"" Bewertungsmaßstab spricht, hat er lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Prüfung vom jeweiligen Risikosachverhalt abhängt und daher nach Einstellung des Leistungsbetriebs das verminderte Risiko- und Gefährdungspotenzial der Anlage der Prüfung zugrunde zu legen war. 21 Soweit der Kläger der Auffassung ist, die Beachtung des Standes von Wissenschaft und Technik in Bezug auf die gebotene Vorsorge gegen Schäden im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG sei nicht bereits durch die frühere Betriebsgenehmigung gewährleistet, setzt sich darin seine unzutreffende Ansicht zum Verhältnis von Betriebs- und Stilllegungsgenehmigung fort. Wie bereits dargelegt, besteht im Prüfprogramm einer Stilllegungsgenehmigung kein erweitertes Entscheidungsprogramm der zuständigen Behörde, das den Durchgriff auf den Ist-Zustand der Anlage und damit zusammenhängende Fragen rechtfertigen könnte. 22 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen umfassend geprüft und bewertet. Anders als der Kläger meint, wurden dabei die in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe zur Abgrenzung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Änderungen beachtet und die neu erlaubten Maßnahmen unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen oder Rückwirkungen auf die bestehende Anlage daraufhin überprüft, ob die Grundsätze der Schadensvorsorge nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG eingehalten werden. Dabei wurde jeweils im Einzelnen untersucht, inwieweit die bestehenden Regelungen der Betriebsgenehmigung den Abbau und seine Auswirkungen abdecken. Die Kritik des Klägers hieran bleibt pauschal und ist geprägt von der Vorstellung, dass jede Änderung am Reaktorgebäude und im Umfeld des Brennelementelagerbeckens die Genehmigungsfrage für die gesamte Anlage neu aufwerfe. So ist ihm insbesondere nicht darin zu folgen, dass ein Abbau von Anlagenteilen ""prinzipiell unakzeptabel"" sei, solange sich noch Brennelemente im Brennelementelagerbecken befinden. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass es eine Frage der im Einzelfall zu gewährleistenden und nachzuweisenden Schadensvorsorge ist, ob ein Abbau von Anlagenteilen genehmigt werden kann, obwohl die Anlage noch nicht frei von Kernbrennstoffen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgehend von der Betriebsgenehmigung dargelegt, dass keine stilllegungs- und abbaubedingten Gefahren durch die im Lagerbecken vorhandenen Brennelemente zu befürchten seien. Hiermit setzt sich die Revision nicht auseinander, sondern beschränkt sich auf die pauschale Kritik, der Verwaltungsgerichtshof habe das Prüfprogramm wesentlich verkürzt. 23 Ohne Rechtsverstoß hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, es sei bei der atomrechtlichen Genehmigung von Rechts wegen nicht ausgeschlossen, dass je nach Fallgestaltung gewisse genehmigungsbedürftige Einzelmaßnahmen nur ""grobmaschig"" überprüft und festgelegt würden, ihre Detailprüfung jedoch der aufsichtlichen Begleitung und Überwachung während des Vollzugs vorbehalten bleibe. Dies kommt entgegen der Kritik des Klägers keinem ""Freibrief"" für die Verlagerung der Vorsorge in die Aufsichtsphase gleich. 24 Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass die Genehmigungsbehörde die Prüfung und Einhaltung materiell-rechtlicher Gebote, Verbote und sonstiger Anforderungen bei einer Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG nicht in einem größeren Maß dem Aufsichtsverfahren überlassen könne, als dies bei einer Genehmigung nach § 7 Abs. 1 AtG der Fall sei. Er weist aber unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 9. August 1994 - 7 C 44.93 - BVerwGE 96, 258 < 267>) zutreffend darauf hin, dass es sich bei den Stilllegungs- und Abbaumaßnahmen um solche handelt, die mit der Errichtungsphase vergleichbar und daher in besonderer Weise funktional der staatlichen Aufsicht zuzuordnen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit betont, dass im Blick auf den praktischen Ablauf der Errichtungs- und Umrüstungsarbeiten etwaigen Wechselwirkungen besser durch baubegleitende Maßnahmen der Aufsichtsbehörde begegnet werden kann, weil sich erst vor Ort und in Kenntnis aller Details die beste von mehreren möglichen Lösungen ermitteln lässt. Ein solches Vorgehen vermeidet, dass das Genehmigungsverfahren mit ihm unangemessenen, weil auf den Horizont der Aufsicht gerichteten Fragestellungen befrachtet wird (BVerwG, Urteil vom 9. August 1994 - 7 C 44.93 - BVerwGE 96, 258 <267>). 25 Dementsprechend sind auch die vom Kläger angesprochenen und vom Verwaltungsgerichtshof anerkannten Abgrenzungsschwierigkeiten im Rahmen der Aufsicht zu lösen. Dass dies mit dem Regime der 1. SAG, insbesondere den Nebenbestimmungen III Nr. 6 und 7, die Auflagen zum Abbau der Anlage und Anzeige- und Vorlagepflichten enthalten, nicht gelingen könnte, zeigt die Revision nicht auf. Ihr diesbezüglicher Vortrag bleibt im Ungefähren. Dies gilt auch für die Kritik, eine Abbaureihenfolge sei nicht einmal im Groben in der 1. SAG festgelegt worden. Sie setzt sich nicht mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs auseinander, wonach in der Ereignisanalyse für jeden der drei Abbauabschnitte die vollständig abzubauenden Systeme und Anlagenteile aufgelistet und verschiedenartig (rot-grün) gekennzeichnet sind, je nachdem, ob sie - im jeweiligen Abschnitt - für den Schutz gegen denkbare Schadensereignisse weiterhin benötigt oder nicht mehr benötigt werden und daher demontiert werden dürfen. Der Verwaltungsgerichtshof verweist zudem darauf, es sei in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt worden, dass sich eine bestimmte sinnvolle Abbaureihenfolge schon daraus ergebe, dass das KKI 1 raumweise abgebaut werde, und im Übrigen bereits durch den technischen Aufbau des Kraftwerks vorgegeben sei. Auch damit setzt sich die Revision nicht auseinander. 26 5. Entgegen der Auffassung des Klägers leidet die 1. SAG beim erforderlichen Schutz vor Störmaßnahmen und Einwirkungen Dritter (SEWD) hinsichtlich des Szenario eines gezielten (terroristischen) Flugzeugabsturzes an keinem Fehler. 27 a) Wie der Verwaltungsgerichtshof herausgearbeitet hat, ist der vorhandene Anlagenbestand (Reaktorgebäude, Maschinenhaus, Dekontaminationsgebäude, bisherige Pufferlagerflächen) weitestgehend nicht Gegenstand der 1. SAG, sondern wird durch die insoweit fortgeltende Betriebsgenehmigung bestandskräftig geregelt. Die Nutzung der bereits vorhandenen Betriebseinrichtungen des Kernkraftwerks, insbesondere des Brennelementelagerbeckens, ist ebenfalls Teil der Betriebsgenehmigung und erfährt allein dadurch, dass sie nunmehr nicht mehr im Rahmen des Leistungsbetriebs erfolgt, sondern mit dem Ziel der Stilllegung, keine Änderung. Soweit der Kläger geltend macht, in der Stilllegungsphase seien zunächst mehr Brennelemente im Brennelementelagerbecken gelagert worden als während des Leistungsbetriebs, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Der Verwaltungsgerichtshof ist diesem Argument nachgegangen und nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, die Nutzung der Anlage im Restbetrieb und beim Abbau sei durch den Genehmigungsbestand abgedeckt. Wenn der Kläger auch an dieser Stelle darauf abstellt, dass die Baureihe 69, zu der das KKI 1 gehört, heutigen sicherheitstechnischen Standards nicht mehr entspreche, mag dies zutreffen, führt jedoch zu keiner anderen Beurteilung. Das KKI 1 steht nicht nach heutigen Maßstäben mit dem Ziel der Errichtung und des Betriebs zur Genehmigung, sondern mit dem Ziel seiner Stilllegung. Es verfügt über eine insoweit weiterhin - freilich mit der Ausnahme des eigentlichen Leistungsbetriebs (§ 7 Abs. 1a AtG) - bestandskräftige Betriebsgenehmigung, die die Lagerung von Brennelementen im Brennelementelagerbecken und den Pufferlagerflächen innerhalb des Reaktorgebäudes bzw. Maschinenhauses vorsieht. Für den Schutzzweck des Atomrechts ist es irrelevant, ob die Brennelemente nach der Lagerung im Lagerbecken wieder in den Reaktor zurückgebracht werden oder nach ihrem Abklingen entnommen werden, wie dies für die Stilllegung geplant ist. Würde man insoweit der Auffassung des Klägers folgen, wäre im Rahmen der Stilllegung eines Kernkraftwerks eine höhere Risikovorsorge zu treffen als während des Leistungsbetriebs. Soweit der Kläger vorträgt, es würden massive Eingriffe in den Anlagenkern vorgenommen, ist dieses Vorbringen schon deswegen unbeachtlich, weil es keine Stütze in den Feststellungen des angegriffenen Urteils findet. 28 b) Auch soweit im Rahmen der Stilllegung und des Abbaus des KKI 1 in einer Lagerhalle und auf dem Kraftwerksgelände außerhalb von Gebäuden neue Pufferlagerflächen eingerichtet werden, ist die 1. SAG nicht wegen unzureichender Schadensvorsorge zu beanstanden. 29 Es kann dahinstehen, ob diese Flächen, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom Beklagten und der Beigeladenen geltend gemacht, ebenfalls zum genehmigten Bestand gehören. Denn die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der Beklagte habe den gezielten terroristischen Flugzeugabsturz mit einem (zivilen) Flugzeug auf die neu zu errichtenden Pufferlagerflächen dem Restrisiko zuordnen dürfen und folglich nicht näher betrachten müssen, erweist sich als frei von Rechtsfehlern. Das Gericht stellt darauf ab, dass die Pufferlagerflächen nur ein geringes Gefahrenpotenzial und einen allenfalls nur noch geringen Symbolwert für terroristische Angriffe aufweisen und daher kein abwehrbedürftiges Szenario darstellen. Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden. Sie steht insbesondere nicht im Widerspruch zur Aussage im Urteil des Senats vom 22. März 2012 - 7 C 1.11 - (BVerwGE 142, 159 <165>), wonach das Szenario ""gezielter Flugzeugabsturz"" nicht dem Restrisiko, sondern der Schadensvorsorge zuzuordnen sei. Diese Aussage schließt es nicht aus, bei Fallgestaltungen, die sich durch ein besonders geringes Risikopotenzial von den Szenarien eines gezielten Flugzeugabsturzes auf ein noch im Leistungsbetrieb befindliches oder mit Brennelementen bestücktes Reaktorgebäude oder ein Standortzwischenlager unterscheiden, zu einer abweichenden Einschätzung zu kommen. Die Abgrenzung des durch Vorsorge verminderbaren Risikos vom nach den Maßstäben praktischer Vernunft nicht mehr in Rechnung zu stellenden Restrisiko, gegen dessen Verwirklichung keine behördlichen Maßnahmen erforderlich sind, weil es als ""unentrinnbarer Rest"" nicht weiter minimierbar ist, stellt eine Einzelfallentscheidung dar (BVerwG, Urteil vom 10. April 2008 - 7 C 39.07 - BVerwGE 131, 129 Rn. 19, 29, 32). Der der Genehmigungsbehörde dabei zukommende Funktionsvorbehalt, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist, erfasst auch die Risikoermittlung und -bewertung einschließlich des hinzunehmenden Restrisikos im Bereich des erforderlichen Schutzes gegen terroristische Anschläge (BVerwG, Urteil vom 10. April 2008 - 7 C 39.07 - BVerwGE 131, 129 Rn. 25). 30 Hieran gemessen hat die Genehmigungsbehörde das Risiko eines gezielten Absturzes auf die neuen Pufferlagerflächen als praktisch ausgeschlossen ansehen dürfen. Die Einschätzung des Beklagten, dass die zur Lagerung von schwach- und mittelradioaktiven Stoffen bzw. Abfällen vorgesehenen Flächen eines stillgelegten Kernkraftwerks neben dem noch vorhandenen Reaktorgebäude nicht nur ein geringeres Schadenspotenzial, sondern auch nur geringen Symbolwert für terroristische Angriffe besitzen und daher kein abwehrbedürftiges Szenario darstellen, ist nachvollziehbar. Es ist schlechterdings nicht vorstellbar und damit außerhalb jeder praktischen Vernunft, anzunehmen, dass ein terroristischer Flugzeugabsturz statt auf das wegen seiner Größe leicht und weithin erkennbare sowie symbolträchtige Reaktorgebäude, das jedenfalls im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung noch mit Brennelementen bestückt war, auf eine für weniger gefährliche Stoffe und Abfälle vorgesehene Lagerfläche auf dem Kraftwerksgelände durchgeführt wird. Entsprechendes gilt im Verhältnis eines Pufferlagers zum ebenfalls mit Brennelementen gefüllten Zwischenlager. Dies überzeugt vorliegend umso mehr, als sich auf dem Kraftwerksgelände nicht nur das stillgelegte KKI 1 und das Standortzwischenlager befinden, sondern auch das noch bis 2022 im Leistungsbetrieb befindliche Kernkraftwerk Isar 2. Angesichts dieser im Hinblick auf eine größtmögliche Schadensverursachung wesentlich attraktiveren und leichter zu identifizierenden und anzusteuernden Ziele liegt es außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, dass stattdessen die neuen Pufferlagerflächen Ziel eines terroristischen Angriffs mit einem Verkehrsflugzeug werden könnten. 31 Nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Einklang steht aber die weitere Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs, das Risiko eines gezielten Flugzeugabsturzes auf das KKI 1 insgesamt sei dem Restrisiko zuzuordnen. Seine Überlegung, dass ein seit fünf Jahren stillgelegtes und im Abbau befindliches Kernkraftwerk kein ""gutes Anschlagsziel"" sei, weil dort keine Kernspaltung mehr stattfinde und es für die Energieversorgung nicht mehr benötigt werde, ist nicht geeignet, einen gezielten Absturz auf das Reaktorgebäude als ein hypothetisches Restrisiko einzuordnen. Die Stilllegung eines Kernkraftwerks wird zwar die ""Attraktivität"" als Anschlagsziel aus den vom Verwaltungsgerichtshof genannten Gründen mindern und einen Terrorakt unwahrscheinlicher machen, aber nicht in einer Weise aufheben, dass ein Anschlag auf das Gebäude jenseits jeder Wahrscheinlichkeit liegt. Insbesondere kann einem bestehenden Reaktorgebäude, zumal solange es noch Brennelemente enthält, weder ein erhöhtes Gefahrenpotenzial noch jede Symbolwirkung abgesprochen werden. 32 Der in der Zuweisung eines gezielten Flugzeugabsturzes auf ein stillgelegtes Kernkraftwerksgebäude zum Restrisiko liegende Rechtsfehler des Verwaltungsgerichtshofs wirkt sich allerdings vorliegend nicht aus. Das Urteil beruht nicht hierauf, da der Verwaltungsgerichtshof zu Recht entscheidungstragend darauf abgestellt hat, dass das Reaktorgebäude und die Nebengebäude von der bestandskräftigen und durch die Stilllegungsgenehmigung insoweit nicht berührten Betriebsgenehmigung gedeckt sind und daher keiner neuen Risikobewertung bedürfen. 33 6. Die Verfahrensrüge bleibt ohne Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht dadurch gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verstoßen, dass er hinsichtlich der Ereignisanalyse angenommen hat, der Beklagte und die Beigeladene hätten das Auslaufen von Verdampferkonzentrat hinsichtlich der Auswirkungen als mit dem Absturz eines Großflugzeugs vergleichbar angesehen (""abdeckend""). Die von der Revision zitierte Passage des angegriffenen Urteils lässt sich zwar in diesem Sinne verstehen. Aus dem Gesamtkontext der Entscheidung geht jedoch hervor, dass der Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung gerade nicht die Annahme zugrunde gelegt hat, die möglichen Auswirkungen eines zufälligen oder terroristischen Absturzes eines Großflugzeugs seien geprüft worden. Der Verwaltungsgerichtshof hat vielmehr wiederholt und maßgeblich darauf abgestellt, dass es einer solchen Betrachtung weder in Bezug auf die durch die fortgeltende Betriebserlaubnis genehmigten Anlagenteile noch auf die in der Stilllegungs- und Abbaugenehmigung genehmigten Pufferlagerflächen bedurfte. Daher ist dem Beklagten zuzustimmen, wenn er die vom Kläger gerügten Ausführungen als missverständlich, aber für das Ergebnis des Gerichts unerheblich hält. 34 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2021-40,10.06.2021,"Pressemitteilung Nr. 40/2021 vom 10.06.2021 EN Keine Begrenzung der EEG-Umlage für Bananenreiferei Eine Bananenreiferei hat keinen Anspruch auf Begrenzung der EEG-Umlage für das Jahr 2014, weil sie kein Unternehmen des produzierenden Gewerbes im Sinne des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ist. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gestern entschieden. Die Klägerin betreibt im Bundesgebiet mehrere Bananenreifereien, in denen grüne, unreif geerntete Bananen mit Reifegas behandelt werden, bis sie den vom Abnehmer gewünschten Reifegrad erreichen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz sieht für stromintensive Unternehmen des produzierenden Gewerbes eine Begrenzung der EEG-Umlage vor. Dem produzierenden Gewerbe ordnet das EEG 2012 unter anderem Tätigkeiten zu, die nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008), Abschnitt C, zum verarbeitenden Gewerbe gehören. Die Klägerin beantragte erfolglos eine Begrenzung der EEG-Umlage für das Jahr 2014. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen und ausgeführt, zum produzierenden Gewerbe gehörten nur Unternehmen, die Ausgangsmaterial zu einer neuen, anderen Ware verarbeiteten. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Berufung der Klägerin stattgegeben. Die Zuordnung zum verarbeitenden Gewerbe setze nicht voraus, dass eine andere Ware hergestellt werde. Es genüge, dass die Bananenreiferei grüne, unreife, ungenießbare Bananen mit Hilfe eines physikalisch-chemischen Verfahrens in gelbe, reife, genießbare Bananen umwandle. Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil geändert und die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Begrenzung der EEG-Umlage, weil die Bananenreiferei nicht zum produzierenden Gewerbe im Sinne des Gesetzes gehört. Sie ist weder der Verarbeitung von Obst und Gemüse noch einem anderen verarbeitenden Gewerbe des Abschnitts C der WZ 2008 zuzuordnen. Dazu zählen nur Tätigkeiten zur Herstellung eines neuen Produkts durch Transformation des Ausgangsmaterials. Daran fehlt es hier. Mit der künstlichen Manipulation des Reifeprozesses der Bananen wird kein neues Erzeugnis hergestellt. Die Behandlung zur Beschleunigung der Reifung nach der Ernte ordnet die WZ 2008 nicht dem verarbeitenden Gewerbe, sondern der Landwirtschaft zu. BVerwG 8 C 27.20 - Urteil vom 09. Juni 2021 Vorinstanzen: VGH Kassel, 6 A 1008/17 - Urteil vom 07. November 2019 - VG Frankfurt/Main, 5 K 4598/14.F - Urteil vom 08. Juni 2016 -","Urteil vom 09.06.2021 - BVerwG 8 C 27.20ECLI:DE:BVerwG:2021:090621U8C27.20.0 EN Fruchtreiferei ist kein produzierendes Gewerbe im Sinne des EEG 2012 Leitsätze: 1. Eine Tätigkeit kann grundsätzlich nur dann dem produzierenden Gewerbe im Sinne von § 40 Satz 1, § 41 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 14 EEG 2012 zugeordnet werden, wenn sie die Ausgangsmaterialien in ein neues Produkt umwandelt. Das ist bei einer Bananenreiferei nicht der Fall. 2. Jede wirtschaftliche Tätigkeit ist genau einer der Kategorien der WZ 2008 zuzuordnen. Rechtsquellen EEG 2012 § 3 Nr. 14, § 40 Satz 1, § 41 Abs. 1 EEG 2017 § 103 Abs. 1 Instanzenzug VG Frankfurt am Main - 08.06.2016 - AZ: VG 5 K 4598/14.F VGH Kassel - 07.11.2019 - AZ: VGH 6 A 1008/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 09.06.2021 - 8 C 27.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:090621U8C27.20.0] Urteil BVerwG 8 C 27.20 VG Frankfurt am Main - 08.06.2016 - AZ: VG 5 K 4598/14.F VGH Kassel - 07.11.2019 - AZ: VGH 6 A 1008/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2021 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Soweit die Klägerin ihre Klage in der Berufungsinstanz - durch Beschränkung auf einen Bescheidungsantrag - zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt. Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juni 2016 wirkungslos. Im Übrigen wird das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. November 2019 geändert und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juni 2016 zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen. Gründe I 1 Die Klägerin betreibt im Bundesgebiet mehrere Fruchtreifereien. Darin werden in ihren Herkunftsländern grün geerntete und zu diesem Zeitpunkt für den Menschen ungenießbare, anschließend gekühlt nach Deutschland transportierte Bananen künstlich gereift, so dass sie verzehrbar werden und den vom jeweiligen Endabnehmer gewünschten Reifegrad erlangen. Dabei werden die Bananen in Druckreifekammern einem Reifegas ausgesetzt. Hierdurch wird das Stärke-Zucker-Verhältnis des Fruchtfleisches umgekehrt und dessen Säure- und Tanningehalt verringert. Außerdem erlangen die Bananen ihre gelbe Farbe. 2 Unter dem 28. Juni 2013 beantragte die Klägerin für drei Abnahmestellen eine Begrenzung der EEG-Umlage für das Jahr 2014 nach §§ 40 f. EEG 2012. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 17. Dezember 2013 ab. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. 3 In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihr Klagebegehren auf die Neubescheidung ihres Antrages beschränkt. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Berufungsverfahren teilweise eingestellt, das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte unter Aufhebung der ergangenen Bescheide zur Neubescheidung des Antrages verpflichtet. Die Klägerin sei ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes im Sinne von § 41 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 14 EEG 2012. Ihre Tätigkeit sei der Unterklasse 10.39.0 ""Sonstige Verarbeitung von Obst und Gemüse"" des Abschnitts C ""Verarbeitendes Gewerbe"" der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes, Ausgabe 2008 (WZ 2008) zuzuordnen. Dieser Abschnitt setze eine Umwandlung und damit eine mehr als geringfügige Verarbeitung von Stoffen oder Teilen in Waren voraus. Eine ganz andere Ware müsse dabei jedoch nicht zwangsläufig geschaffen werden. Die Umwandlung von rohen, ungenießbaren Bananen in reife, genießbare Bananen bestimmter Art und Güte mit Hilfe eines physikalisch-chemischen Prozesses stelle eine mehr als nur geringfügige Verarbeitung dar. 4 Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Revision hat die Beklagte im Wesentlichen vorgetragen, die Zuordnung zum verarbeitenden Gewerbe im Sinne des EEG 2012 setze voraus, dass die Tätigkeit des Unternehmens eine neue Ware oder ein neues Erzeugnis hervorbringe. Das sei nur bei einer wesentlichen Änderung oder Neugestaltung des Roh- oder Grundstoffes der Fall. Der Gegenstand der Bananenreiferei bleibe jedoch vor und nach dem Reifeprozess derselbe. Die Klägerin steuere lediglich zeitlich die ansonsten auch auf natürlichem Wege stattfindende Reifung. Richtigerweise sei ihre Tätigkeit der Unterklasse 46.31 ""Großhandel mit Obst, Gemüse und Kartoffeln"" des Abschnitts G der WZ 2008 zuzuordnen. 5 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. November 2019 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juni 2016 zurückzuweisen, soweit das Verfahren nicht wegen der Klagebeschränkung einzustellen ist. 6 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. 7 Sie verteidigt das Berufungsurteil. II 8 Soweit die Klägerin ihre Klage in der Berufungsverhandlung durch Beschränkung ihres Klagebegehrens teilweise zurückgenommen hat, ist das Verfahren einzustellen (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO) und das erstinstanzliche Urteil für wirkungslos zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Im Übrigen ist die Revision zulässig und begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beruht auf einer unrichtigen Anwendung von § 40 Satz 1, § 41 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 14 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in der Fassung vom 17. August 2012 - gültig ab 1. April 2012 - (BGBl. I S. 1754) - EEG 2012. Es stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden; dies führt zur Änderung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung. 9 1. Der Verwaltungsgerichtshof hat zutreffend das EEG 2012 als rechtlichen Maßstab für den Antrag der Klägerin auf Begrenzung der EEG-Umlage herangezogen. Die Vorschriften dieses Gesetzes sind zwar außer Kraft getreten, stellen aber weiterhin die Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Begrenzung der Umlage für das Jahr 2014 dar (vgl. § 103 Abs. 1 EEG 2017; BVerwG, Urteile vom 31. Mai 2011 - 8 C 52.09 - Buchholz 451.178 EEG Nr. 1 Rn. 15 und vom 23. Januar 2019 - 8 C 1.18 - Buchholz 451.178 EEG Nr. 7 Rn. 9). 10 2. Nach § 40 Satz 1 EEG 2012 begrenzt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle auf Antrag für eine Abnahmestelle die EEG-Umlage, die von Elektrizitätsversorgungsunternehmen an Letztverbraucher, die stromintensive Unternehmen des produzierenden Gewerbes mit hohem Stromverbrauch oder Schienenbahnen sind, weitergegeben wird, entsprechend §§ 41 und 42 EEG 2012. Zu den Unternehmen des produzierenden Gewerbes gehört jedes Unternehmen, das an der zu begünstigenden Abnahmestelle dem Bergbau, der Gewinnung von Steinen und Erden oder dem verarbeitenden Gewerbe in entsprechender Anwendung der Abschnitte B und C der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes, Ausgabe 2008 (im Folgenden: WZ 2008) zuzuordnen ist (§ 3 Nr. 14 EEG 2012). Mit der Bezugnahme des § 3 Nr. 14 EEG 2012 auf die Abschnitte B und C der WZ 2008 hat der Gesetzgeber diese in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise in das EEG 2012 inkorporiert. Sie sind der Beurteilung einer Unternehmenstätigkeit zugrunde zu legen und nach Maßgabe der üblichen Methoden der Gesetzesauslegung anzuwenden. Dabei ist in systematischer Hinsicht zu berücksichtigen, dass die WZ 2008 nach ihren für alle Abschnitte geltenden Vorbemerkungen einander ausschließende Kategorien enthält und jedes Element nur in eine Kategorie eingeordnet werden darf (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 8 C 1.18 - Buchholz 451.178 EEG Nr. 7 Rn. 11 f.). Gleichzeitig erfasst die WZ 2008 die Gesamtheit der Elemente vollständig. Deshalb ist jedes Element genau einer Kategorie zuzuordnen (vgl. Vorbemerkungen zur WZ 2008, S. 7). 11 Das Berufungsgericht hat die Zuordnung der Klägerin zu dem hier einzig in Betracht kommenden Abschnitt C der WZ 2008 mit der Erwägung bejaht, auch ein Unternehmen, das an der betreffenden Abnahmestelle aus den Ausgangsstoffen keine andere Ware herstelle, könne dem verarbeitenden Gewerbe im Sinne dieses Abschnitts angehören. Diese Annahme ist mit § 40 Satz 1, § 41 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 14 EEG 2012 nicht vereinbar, weil sie nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Verarbeitung grundsätzlich zu einem neuen Produkt führen muss. Eine verarbeitende Tätigkeit im Sinne der WZ 2008 erfasst die Transformation von Materialien, Substanzen oder Komponenten in neue Produkte. Materialien, Substanzen oder Komponenten sind Roh- oder Grundstoffe aus Land- und Forstwirtschaft, Fischerei oder Bergbau sowie Fertigerzeugnisse oder Halbwaren anderer verarbeitender Tätigkeiten (WZ 2008, S. 31 und dazu BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 8 C 1.18 - Buchholz 451.178 EEG Nr. 7 Rn. 15). 12 Das Erfordernis einer Umwandlung in neue Produkte wird bereits in der Gesetzesbegründung zu § 3 Nr. 14 EEG 2012 hervorgehoben. Sie geht davon aus, das in der Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 14 EEG 2012 genannte produzierende Gewerbe zeichne sich im Wesentlichen durch die Herstellung eines anderen Produkts im Sinne einer substanziellen Veränderung von Materialien oder durch die Veredelung von Erzeugnissen aus. Es erfolge regelmäßig eine mechanische, physikalische oder chemische Umwandlung von Stoffen oder Teilen in Waren, wobei bei der Herstellung von Waren Rohstoffe in Waren umgewandelt würden. Entscheidendes Kriterium sei, dass das Unternehmen durch seine wirtschaftliche Tätigkeit aus den Ausgangsmaterialien tatsächlich eine neue Ware herstelle (vgl. BT-Drs. 17/6071 S. 62). Mit diesem Erfordernis ist, wie sich aus der Verwendung der Formulierungen ""im Wesentlichen"" und ""regelmäßig"" entnehmen lässt, der Regelfall des produzierenden Gewerbes bezeichnet. Spezielle, davon ausnahmsweise abweichende Zuordnungen einzelner Tätigkeiten mögen den Grundsatz durchbrechen, stellen ihn aber nicht als solchen in Frage (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 8 C 1.18 - Buchholz 451.178 EEG Nr. 7 Rn. 19). 13 Aus der mit dem EEG 2012 vorgenommenen Erweiterung des Kreises der in die besondere Ausgleichsregelung der §§ 40 f. EEG 2012 einbezogenen Unternehmen durch Absenkung der Einstiegsschwellen des jährlichen Stromverbrauchs und des Verhältnisses der Stromkosten zur Bruttowertschöpfung (vgl. BT-Drs. 17/6071 S. 46, 84) folgt entgegen der Auffassung der Klägerin keine großzügige Auslegung des Begriffs des produzierenden Gewerbes. Der Gesetzgeber hat diesen Begriff mit dem EEG 2012 vielmehr konkretisiert, um eine mögliche missbräuchliche Inanspruchnahme der Vorteile der besonderen Ausgleichsregelung zu unterbinden (vgl. ebd. S. 62). Diese Zwecksetzung spricht daher für ein enges, ausschließlich an die ausdrücklichen Vorgaben der WZ 2008 anknüpfendes Verständnis des Begriffs, zu denen die Neuheit des Produkts gehört. 14 In systematischer Hinsicht bestätigen die Vorbemerkungen der WZ 2008 zu Abschnitt C, dass die Wirtschaftszweige dieses Abschnitts grundsätzlich die Umwandlung von Stoffen in neue Waren vornehmen und das Ergebnis ein neues Erzeugnis ist (WZ 2008, S. 187). Zwar ordnet die WZ 2008 die wesentliche Änderung oder Neugestaltung von Waren generell dem verarbeitenden Gewerbe zu. Ihr zufolge liegt darin aber noch keine Herstellung von Waren (vgl. WZ 2008, S. 186). Aus den Beispielen für Abschnitt C zuzuordnende Tätigkeiten lässt sich ebenfalls nicht ableiten, dass die WZ 2008 eine Herstellung neuer Produkte beim verarbeitenden Gewerbe nicht für erforderlich hielte. Die in den jeweiligen Erläuterungen der Unterklassen aufgeführten Tätigkeiten beschreiben diese nicht vollständig, sondern führen typische Tätigkeiten oder Institutionen mit deren Tätigkeiten auf (vgl. WZ 2008, Vorbemerkungen S. 63). Von diesen Beispielen ließe sich allenfalls die zur Unterklasse 16.10.0 ""Säge-, Hobel- und Holzimprägnierwerke"" aufgeführte Holztrocknung als Ausnahme zum Erfordernis der Transformation in ein neues Produkt nennen. Die WZ 2008 stellt diese Tätigkeit systematisch in den Kontext zahlreicher anderer holzverarbeitender Tätigkeiten, die zweifelsfrei der Herstellung eines neuen Produkts dienen. Sie wäre damit allenfalls eine Ausnahme vom gesetzlichen Regelerfordernis der Umwandlung in eine neue Ware, ohne dieses Erfordernis für andere Tätigkeiten des produzierenden Gewerbes in Frage zu stellen. Das gilt auch für die Abschnitt C Unterklasse 12.00.0 ""Tabakverarbeitung"" zugeordnete Tätigkeit des ""Entrippens und Redrying von Tabak"". Mit diesem Beispiel für eine verarbeitende Tätigkeit nimmt die WZ 2008 eine Abgrenzung zu den Abschnitt A zugeordneten Tätigkeiten des Anbaus und der Trocknung von Tabak vor. Weil sie für die Zuordnung zum verarbeitenden Gewerbe nicht schon die Trocknung genügen lässt, sondern auf den Eingriff in die Substanz durch das Entrippen abstellt, ist aus ihr kein Argument gegen das Regelerfordernis der Umwandlung in ein neues Produkt zu gewinnen. 15 3. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung revisiblen Rechts, weil es annimmt, die Tätigkeit eines Unternehmens des produzierenden Gewerbes im Sinne des § 3 Nr. 14 EEG 2012 müsse nicht zur Herstellung neuer Produkte führen. Es trifft auch im Ergebnis nicht zu (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Begrenzungsantrages, weil sie kein neues Produkt herstellt und daher kein Unternehmen des produzierenden Gewerbes im Sinne von § 40 Satz 1, § 41 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 14 EEG 2012 ist. Ihre Tätigkeit als Bananenreiferei ist somit nicht Abschnitt C der WZ 2008 und der dort einzig in Betracht kommenden Unterklasse 10.39.0 ""Sonstige Verarbeitung von Obst und Gemüse"" zuzuordnen. 16 a) Die vom Berufungsgericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellte Behandlung der unreif angelieferten Bananen mit Reifegas in den Reifekammern transformiert die Bananen nicht in ein neues Produkt, sondern manipuliert lediglich einen in ihnen bereits angelegten Reifeprozess. Neu ist ein Produkt nur, wenn sich die Identität des Ausgangsmaterials durch Umwandlung geändert hat. Dagegen kommt es nicht darauf an, mit welchem technischen oder sonstigen Aufwand eine die Identität wahrende Behandlung betrieben wird. Danach genügt zur Herstellung eines neuen Produkts nicht, dass ein im Ausgangsmaterial ansonsten auf natürlichem Wege ablaufender Vorgang im konkreten Fall unterbunden und durch eine künstliche Behandlung ersetzt wird. Bei der Bananenreiferei fehlt es an der Veränderung der Identität der Bananen, weil diese das Potential einer Reifung bereits in sich tragen und die künstlich manipulierte Reifung sie lediglich makelloser und zum für ihre hiesige Vermarktung gewünschten Zeitpunkt verzehrbar macht. Dadurch, dass die Klägerin einen dem Ausgangsstoff immanenten Vorgang der Reifung nach den jeweiligen Wünschen der Endabnehmer perfektioniert, stellt sie kein anderes, neues Erzeugnis her. Vielmehr behandelt sie ein und dasselbe landwirtschaftliche Erzeugnis so, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt vermarktungsgerecht angeboten werden kann. 17 b) Die WZ 2008 sieht für die Verarbeitung von Obst auch keine Ausnahme vom Regelerfordernis der Umwandlung in ein neues Erzeugnis vor. Die zur Unterklasse 10.39.0 des Abschnitts C aufgeführten Beispiele für verarbeitende Tätigkeiten transformieren ausnahmslos Obst und Gemüse in ein anderes, dauerhaft vom Ausgangserzeugnis abweichendes Produkt, und zwar entweder durch Herstellung eines anderen Nahrungsmittels oder durch identitätsändernde, über die Manipulation natürlicher Entwicklungen hinausgehende Vorgänge des Konservierens oder Röstens. Die Bananenreiferei wird in Abschnitt C auch nicht eigens aufgeführt, so dass keine ausnahmsweise ausdrückliche Zuordnung unter Verzicht auf die Herstellung einer neuen Ware vorliegt. 18 4. a) Auf der Grundlage der auf Vollständigkeit der Zuordnungen angelegten WZ 2008 ist die Bananenreiferei dem nach § 3 Nr. 14 EEG nicht dem produzierenden Gewerbe zugehörigen Abschnitt A ""Land- und Forstwirtschaft, Fischerei"" Gruppe 01.6 ""Erbringung von landwirtschaftlichen Dienstleistungen"" Unterklasse 01.63.0 ""Nach der Ernte anfallende Tätigkeiten in der pflanzlichen Erzeugung"" zuzuordnen. Diese Gruppe umfasst nach ihren Erläuterungen Tätigkeiten, die mit der landwirtschaftlichen Produktion verbunden sind, sowie der Landwirtschaft ähnelnde Tätigkeiten, die nicht zu Produktionszwecken im Sinne der Gewinnung landwirtschaftlicher Erzeugnisse unternommen werden, im Lohnauftrag (vgl. WZ 2008, S. 167). Sie schließt Tätigkeiten, die der Aufbereitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse für den Rohstoffmarkt dienen, zwar ein (vgl. WZ 2008, S. 155, 167), setzt eine Aufbereitung zu diesem Zweck aber entgegen der Auffassung der Klägerin nicht für alle ihr zuzuordnenden Tätigkeiten voraus. Ebenso wenig verlangt sie eine räumliche Nähe der jeweiligen Tätigkeit zum Ort des landwirtschaftlichen Anbaus. Für ein solches Näheerfordernis liefern weder der Wortlaut der Kategorien und ihrer Erläuterungen noch die Systematik oder der Sinn und Zweck des Abschnitts A Anhaltspunkte. Soweit die Klägerin es aus dem von ihr herausgestellten Bodenbezug der Landwirtschaft ableiten möchte, überzeugt dies gerade nicht für die zahlreichen zu Abschnitt A ausdrücklich aufgeführten Beispiele für nach der Ernte anfallende Dienstleistungen, die keinen engen räumlichen Bezug zum Ort der Ernte voraussetzen. Das trifft auf sämtliche Beispiele der hier einschlägigen Unterklasse 01.63.0 wie auch diejenigen der Unterklasse 01.64.0 ""Saatgutaufbereitung"" zu. 19 Die Tätigkeit der künstlichen Bananenreiferei nach der Ernte ist mit der landwirtschaftlichen Produktion verbunden im Sinne der Gruppe 01.6 der WZ 2008 (vgl. die Erläuterungen S. 167), denn sie ersetzt in modifizierter Form den durch die frühzeitige Ernte und den temperaturregulierten Transport der Bananen unterbundenen Prozess einer natürlichen Reifung. Sie ist damit den als typische Beispiele der Unterklasse 01.63.0 aufgeführten Tätigkeiten der Aufbereitung von Tabakblättern oder Kakaobohnen vergleichbar, mit denen das jeweilige Ernteerzeugnis ebenfalls - ortsunabhängig - nachbehandelt wird. 20 b) Dagegen lässt sich die Bananenreiferei keiner der anderen Kategorien der WZ 2008 zuordnen. 21 Eine Zuordnung zu Abschnitt G ""Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen"" Unterklasse 46.31.0 ""Großhandel mit Obst, Gemüse und Kartoffeln"" scheitert daran, dass dieser Abschnitt Tätigkeiten des Verkaufs mit den im Handel üblichen Verfahren wie dem Sortieren, Klassieren und Zusammenstellen, Mischen, Ab-, Aus- und Umpacken sowie der Lagerung von Waren erfasst, denen die Tätigkeit der Bananenreiferei nicht vergleichbar ist. Die Klägerin wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu keinem Zeitpunkt Eigentümerin der Bananen und nimmt daher ohne eigene Verkaufstätigkeit eine Dienstleistung vor, die sich von einer derartigen handelsüblichen, mit dem Weiterverkauf von Waren verbundenen Behandlung deutlich unterscheidet. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, die Bananenreiferei sei im Stichwortverzeichnis zur WZ 2008 der Unterklasse 46.31.0 zugeordnet, trifft dies nur auf eine gesonderte Version dieses Verzeichnisses und nicht auf die hier maßgebliche Gesamtfassung der WZ 2008 mit Erläuterungen zu, welche nur das Stichwort ""Bananen"" der Unterklasse 01.22.0 zuweist. Außerdem stellen die Hinweise zur WZ 2008 klar, dass das in Anhang 6 beigefügte Stichwortverzeichnis nicht als alleiniges Zuordnungsinstrument, sondern lediglich als Hinweis zur erleichterten Handhabung der Klassifikation vorgesehen ist, der einer weiteren Überprüfung im Einzelfall bedarf (vgl. Hinweise für die Benutzung der WZ 2008, S. 65). 22 Ebenso wenig könnte eine Erwähnung der Bananenreiferei als Stichwort zu einer den Großhandel umschreibenden Kategorie der Fassung der UN-Klassifikation ISIC Rev. 3.1 zur Einordnung in die WZ 2008 beitragen. Abgesehen davon, dass diese Fassung bereits zur Zeit der Schaffung der WZ 2008 durch die seit 2006 geltende ISIC Rev. 4 abgelöst worden ist, erstreckt sich die gesetzgeberische Inkorporierung einzelner Abschnitte der WZ 2008 nicht auf die internationale Klassifikation ISIC. Diese wird zwar in den Vorbemerkungen zur WZ 2008 als Ausgangspunkt der Harmonisierungsbemühungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft bei der Entwicklung von deren Klassifikation NACE erwähnt (vgl. Vorbemerkungen zur WZ 2008, S. 12). Ihr kommt aber - anders als der unionsrechtlich vorgegebenen, von der WZ 2008 übernommenen Klassifikation NACE Revision 2 (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 8 C 1.18 - Buchholz 451.178 EEG Nr. 7 Rn. 24) - keine Verbindlichkeit für den deutschen Gesetzgeber zu. 23 Eine Zuordnung der Bananenreiferei zu Abschnitt H ""Verkehr und Lagerei"" Unterklasse 52.10.0 ""Lagerei"" scheidet ebenfalls aus. Dieser Abschnitt umfasst nach seiner Erläuterung Tätigkeiten der Beförderung im Verkehr sowie damit verbundene Tätigkeiten wie den Betrieb verkehrsbezogener Infrastruktur und die Lagerei (vgl. WZ 2008, S. 404). Die Tätigkeit der Klägerin weist jedoch weder einen Bezug zum Verkehr noch zur Lagerei auf, sondern verkürzt mit der Herbeiführung der Reife vielmehr den Zeitraum einer möglichen weiteren Lagerung und des Transports der Bananen. 24 Da weitere Tatsachenfeststellungen nicht erforderlich sind, konnte der Senat nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Sache selbst entscheiden und die Berufung der Klägerin zurückweisen. 25 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2021-41,10.06.2021,"Pressemitteilung Nr. 41/2021 vom 10.06.2021 EN Übertragung von Rechten und Pflichten aus Taxikonzessionen bei Unzuverlässigkeit des Inhabers Die Genehmigung der Übertragung der Rechte und Pflichten aus einer Taxikonzession setzt nicht die Zuverlässigkeit des bisherigen Inhabers voraus, wohl aber, dass die Konzession zum Zeitpunkt der Übertragung noch besteht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gestern entschieden. Im Januar 2016 hörte die Beklagte den Kläger wegen Zweifeln an seiner Zuverlässigkeit zum Widerruf zweier Taxikonzessionen an, die sie ihm für die Zeit bis zum 7. August 2018 erteilt hatte. Der Kläger erhob Einwände und beantragte für den Fall, dass sich die Beklagte zum Widerruf entschließen sollte, die Übertragung der Rechte und Pflichten aus den Taxikonzessionen auf eine von ihm benannte Person zu genehmigen. Die Beklagte widerrief die Taxikonzessionen, ordnete die sofortige Vollziehung des Widerrufs an und lehnte den Genehmigungsantrag ab, weil der Kläger nicht mehr zuverlässig sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage dagegen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung - nur - hinsichtlich der Übertragungsgenehmigung zugelassen und sie mit Urteil vom 6. Oktober 2020 zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil im Ergebnis bestätigt. Die Klage war zulässig, obwohl der Kläger keinen Widerspruch gegen den angegriffenen Bescheid erhoben hatte. Zwar muss nach § 55 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) vor einer Klage gegen Verwaltungsakte nach diesem Gesetz stets ein Widerspruchsverfahren durchgeführt werden. Sein Fehlen führte aber hier nicht zur Unzulässigkeit der Klage, weil die auch für den Widerspruch zuständige Behörde sich rügelos auf die Klage eingelassen hatte. Die Klage war jedoch unbegründet, weil dem Kläger kein Anspruch auf Genehmigung der Übertragung seiner Konzessionen zustand. Allerdings setzt die Genehmigung nicht voraus, dass der bisherige Konzessionsinhaber noch zuverlässig im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG ist. Zuverlässig muss derjenige sein, der das Taxiunternehmen betreibt, und damit derjenige, auf den die Rechte und Pflichten aus der Konzession übertragen werden sollen. Die Genehmigung der Übertragung einer Taxikonzession kann aber nur beansprucht werden, wenn die Konzession noch besteht. Daran fehlte es hier, weil die Beklagte die Konzessionen des Klägers bereits im Juli 2016 sofort vollziehbar widerrufen und das Verwaltungsgericht den Widerruf rechtskräftig bestätigt hatte. BVerwG 8 C 32.20 - Urteil vom 09. Juni 2021 Vorinstanzen: OVG Münster, 13 A 1682/18 - Urteil vom 06. Oktober 2020 - VG Köln, 18 K 7560/16 - Urteil vom 09. März 2018 -","Urteil vom 09.06.2021 - BVerwG 8 C 32.20ECLI:DE:BVerwG:2021:090621U8C32.20.0 EN Genehmigung der Übertragung von Rechten und Pflichten aus einer Taxikonzession bei Unzuverlässigkeit des Inhabers Leitsätze: 1. § 55 Satz 1 PBefG verpflichtet zur Durchführung eines Vorverfahrens bei der Anfechtung aller Verwaltungsakte nach dem Personenbeförderungsgesetz (§ 68 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 VwGO); Entsprechendes gilt bei Klagen auf Vornahme solcher Verwaltungsakte (§ 68 Abs. 2 VwGO), jeweils vorbehaltlich der in § 55 Satz 2 PBefG genannten Ausnahmen. Eine Befugnis, hiervon Abweichendes zu regeln, hat der Landesgesetzgeber nicht. 2. Die Zuverlässigkeit des Inhabers einer Genehmigung zur Personenbeförderung ist nicht Voraussetzung für die Genehmigung der Übertragung der Rechte und Pflichten hieraus. 3. Eine Genehmigung zur Übertragung von Rechten und Pflichten aus einer Personenbeförderungsgenehmigung kann nicht mehr erteilt werden, wenn der Genehmigungsantrag zwar vor dem Erlöschen der Genehmigung gestellt wurde, die Personenbeförderungsgenehmigung aber zum Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung bereits erloschen ist. Rechtsquellen GG Art. 103 Abs. 1 VwGO § 68 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 2 PBefG § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 2 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 13 Abs. 5, § 13 Abs. 7, § 15 Abs. 1 Satz 5, § 55 JustG NW § 110 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 110 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Instanzenzug VG Köln - 09.03.2018 - AZ: VG 18 K 7560/16 OVG Münster - 06.10.2020 - AZ: OVG 13 A 1682/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 09.06.2021 - 8 C 32.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:090621U8C32.20.0] Urteil BVerwG 8 C 32.20 VG Köln - 09.03.2018 - AZ: VG 18 K 7560/16 OVG Münster - 06.10.2020 - AZ: OVG 13 A 1682/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2021 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger war Inhaber zweier bis zum 7. August 2018 befristeter Taxikonzessionen. Nachdem das Finanzamt die Beklagte im Januar 2015 über ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger informiert hatte, hörte sie ihn zum Widerruf der Taxikonzessionen an. Am 26. Februar 2016 beantragte der Kläger gemeinsam mit Herrn M. G. für den Fall des Widerrufs der Taxikonzessionen die Genehmigung der Übertragung der Rechte und Pflichten daraus auf diesen. Mit Bescheid vom 20. Juli 2016, dem Kläger zugestellt am 28. Juli 2016, widerrief die Beklagte die dem Kläger erteilten Taxikonzessionen, ordnete die sofortige Vollziehung des Widerrufs an und lehnte den Antrag auf Genehmigung der Übertragung der Rechte und Pflichten aus den Taxikonzessionen ab. 2 Das Verwaltungsgericht hat die gegen den Widerruf der Taxikonzessionen und hilfsweise auf Verpflichtung der Beklagten zur Genehmigung der Übertragung der Rechte und Pflichten daraus gerichtete Klage abgewiesen. Mit Beschluss vom 21. August 2019 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts nur hinsichtlich der Abweisung des Hilfsantrags zugelassen und den Zulassungsantrag im Übrigen abgelehnt. Mit Urteil vom 6. Oktober 2020 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Die Klage sei gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 und 2 JustG NW ohne vorherige Durchführung eines Vorverfahrens zulässig. § 55 Satz 1 PBefG stehe dem nicht entgegen. Jedenfalls dürfe dem Kläger ein rechtsfehlerhaft unterbliebenes Vorverfahren nicht entgegengehalten werden, weil die Beklagte sich als für den Erlass des Widerspruchsbescheides zuständige Behörde sachlich auf die Klage eingelassen habe. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die Erteilung der begehrten Genehmigung sei zwar nicht schon mangels persönlicher Zuverlässigkeit des Klägers, wohl aber deshalb abzulehnen, weil die Rechte und Pflichten aus den Taxikonzessionen zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht durch Widerruf, jedenfalls aber aufgrund der Befristung der Konzessionen erloschen gewesen seien. Dass der Kläger die Genehmigung vor dem Erlöschen der Konzessionen beantragt habe, könne daran nichts ändern, weil sein Antrag unvollständig gewesen sei. Daher greife auch die Genehmigungsfiktion des § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG nicht ein. Der Kläger habe zudem auf deren Eintritt verzichtet, indem er seinen Genehmigungsantrag lediglich hilfsweise gestellt habe. Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag sei zulässig, aber unbegründet, weil der Genehmigungsantrag auch zum Zeitpunkt des Erlöschens der Taxikonzessionen unvollständig gewesen sei. 3 Zur Begründung der Revision macht der Kläger geltend, das Berufungsgericht habe § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, weil es nicht aufgeklärt habe, ob sich die nach dessen Ansicht fehlenden Antragsunterlagen in anderen Verwaltungsvorgängen zu Anträgen auf Genehmigung der Übertragung von Rechten und Pflichten aus Taxikonzessionen auf Herrn M. G. befänden. Es habe außerdem seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es den Hinweis auf die vom Gericht angenommene Unvollständigkeit der Antragsunterlagen erst in der mündlichen Verhandlung erteilt habe. Die Genehmigungsfiktion des § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG sei eingetreten, weil mit dem Genehmigungsantrag alle notwendigen Unterlagen zur Überprüfung der subjektiven Genehmigungsvoraussetzungen eingereicht worden seien. 4 Der Kläger beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. März 2018 und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Oktober 2020 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Regelungen ihres Bescheides vom 20. Juli 2016 zu verpflichten, die Übertragung der Taxigenehmigungen mit den Ordnungsnummern 18 und 65 auf Herrn M. G. zu genehmigen, hilfsweise, festzustellen, dass die Ablehnung der beantragten Übertragung der Taxigenehmigungen mit den Ordnungsnummern 18 und 65 auf Herrn M. G. rechtswidrig war. 5 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 6 Sie verteidigt das angegriffene Urteil. II 7 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil beruht zwar auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 4 VwGO). 8 1. Die Zulässigkeitserwägungen des Berufungsurteils sind revisionsrechtlich nicht fehlerfrei. Seine Annahme, der Verpflichtungsantrag sei auch ohne Vorverfahren zulässig, wird unter anderem mit einer unzutreffenden Auslegung des § 55 Satz 1 PBefG begründet (a). Sie beruht jedoch nicht darauf, sondern stützt sich alternativ auf eine revisionsrechtlich fehlerfreie, selbständig tragende Hilfserwägung (b). Dagegen beruht die Annahme, die hilfsweise erhobene (Fortsetzungs-)Feststellungsklage sei zulässig, auf dem unzutreffenden Bejahen des erforderlichen Feststellungsinteresses (c). 9 a) Ein Vorverfahren war nicht schon nach § 110 Abs. 1 Satz 1 und 2 JustG NW entbehrlich. Diese Vorschrift greift gemäß § 110 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JustG NW nicht ein, weil § 55 Satz 1 PBefG für die Anfechtung aller Verwaltungsakte nach dem Personenbeförderungsgesetz - vorbehaltlich der in Satz 2 der Norm genannten, hier nicht einschlägigen Ausnahmen - die Durchführung eines Vorverfahrens vorschreibt. Entsprechendes gilt gemäß § 68 Abs. 2 VwGO für Verpflichtungsklagen auf Vornahme solcher Verwaltungsakte. 10 Schon die Verwendung des Wortes ""auch"" in § 55 Satz 1 PBefG legt nahe, dass ein Vorverfahren nicht nur bei der Anfechtung von Verwaltungsakten oberster Landesverkehrsbehörden oder des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, sondern auch in allen übrigen Fällen durchzuführen ist. Dem entspricht der systematische Zusammenhang mit § 55 Satz 2 PBefG, der auf § 28 Abs. 3a Satz 9 PBefG und § 29 Abs. 6 Satz 1 PBefG als Ausnahmen vom generellen Erfordernis eines Vorverfahrens bei der Anfechtung von Verwaltungsakten nach dem Personenbeförderungsgesetz verweist. Auch Sinn und Zweck des § 55 Satz 1 PBefG sprechen für die Annahme eines weiten Anwendungsbereichs der Vorschrift. Sie schreibt die Durchführung eines Vorverfahrens für die Anfechtung von Verwaltungsakten einer Gruppe von Behörden vor, bei denen der Bundesgesetzgeber von einer besonders hohen fachlichen Qualifikation ausgeht und deswegen ein Vorverfahren nach § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO grundsätzlich für entbehrlich hält (BT-Drs. 3/55 S. 38). Erachtet der Bundesgesetzgeber im Bereich des Personenbeförderungsgesetzes die Durchführung eines Vorverfahrens sogar bei Verwaltungsakten solcher Behörden für erforderlich, spricht dies erst recht für die Verpflichtung zur Durchführung eines Vorverfahrens beim Erlass von Verwaltungsakten im Bereich des Personenbeförderungsrechts durch nachgeordnete Behörden. 11 § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO räumt dem Landesgesetzgeber keine Befugnis ein, von der in § 55 Satz 1 PBefG angeordneten Pflicht zur Durchführung eines Vorverfahrens abzuweichen. § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO ermöglicht ein solches Abweichen nur, soweit sich die Pflicht zur Durchführung des Vorverfahrens aus § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergibt. Dafür sprechen der systematische Bezug zwischen § 68 Abs. 1 Satz 2 und Satz 1 VwGO sowie die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Die Begründung der ursprünglichen Fassung der Vorschrift erläutert, dass § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO spezialgesetzliche Ausnahmen von der Pflicht zur Durchführung eines Vorverfahrens, die bei Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsordnung bereits vorhanden gewesen seien, unangetastet lasse (BT-Drs. 3/55 S. 38). Dass die Vorschrift auch zur Abweichung von spezialgesetzlich angeordneten Verpflichtungen zur Durchführung eines Vorverfahrens ermächtigen soll, ist der Gesetzesbegründung dagegen nicht zu entnehmen (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1973 - 2 BvL 43/71, 2 BvL 44/71 - BVerfGE 35, 65 <76>). Solches hat der Gesetzgeber auch nicht durch Streichung der Worte ""für besondere Fälle"" mit Art. 1 Nr. 8 Buchst. a des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) vom 1. November 1996 (BGBl. I S. 1626) geregelt. Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Rechtsausschusses erläutern hierzu, dass die Streichung der Worte ""für besondere Fälle"" den Ländern die Möglichkeit einräume, das Widerspruchsverfahren bereichsspezifisch auszuschließen (BT-Drs. 13/5098 S. 23). Sie enthält jedoch keinen Hinweis darauf, dass die Abweichungsbefugnis der Länder mit der Gesetzesänderung auch auf spezialgesetzlich angeordnete Verpflichtungen zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens erweitert werden sollte. 12 b) Die Annahme, die Verpflichtungsklage sei auch ohne Vorverfahren zulässig, wird jedoch von einer von der Auslegung des § 55 Satz 1 PBefG unabhängigen, revisionsrechtlich fehlerfreien Alternativbegründung des Berufungsurteils getragen. Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht sie davon aus, dass ein Vorverfahren ausnahmsweise auch dann entbehrlich ist, wenn dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen wurde oder dessen Zweck ohnehin nicht mehr erreicht werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 15. September 2010 - 8 C 21.09 - BVerwGE 138, 1 Rn. 24). Das ist der Fall, wenn sich wie hier die für den Erlass eines Widerspruchsbescheides zuständige Behörde auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. April 1994 - 11 C 2.93 - Buchholz 436.36 § 18 BAföG Nr. 13 S. 3). 13 c) Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der hilfsweise erhobenen (Fortsetzungs-)Feststellungsklage zu Unrecht bejaht. Ausgehend von dem Ziel des Klägers, einen Genehmigungsanspruch am 7. August 2018 feststellen zu lassen, hat es - den Zeitpunkt der Erledigung des Verpflichtungsbegehrens offenlassend - jeweils unzutreffend ein Feststellungsinteresse für den Fall einer Erledigung des Rechtsstreits vor Klageerhebung oder - alternativ - ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse für den Fall einer Erledigung des Rechtsstreits nach Klageerhebung angenommen. Sollte sich das Verpflichtungsbegehren bereits vor Klageerhebung erledigt haben, könnte das vom Kläger allein geltend gemachte Präjudizinteresse ihm das erforderliche Feststellungsinteresse nicht vermitteln (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 1998 - 4 C 14.96 - BVerwGE 106, 295 S. 299). Sollte sich das Verpflichtungsbegehren erst mit Erlöschen der regulären Geltungsdauer der streitgegenständlichen Taxikonzessionen am 7. August 2018 erledigt haben, würde nichts Anderes gelten. Der beabsichtigte Schadensersatzprozess wäre offensichtlich aussichtslos. Er würde daran scheitern, dass das Verwaltungsgericht in Kammerbesetzung - und damit ein Kollegialgericht - den vom Kläger behaupteten Anspruch verneint hat (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2013 - 3 C 6.12 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 40 Rn. 12). Mangels selbständig tragender, fehlerfreier Alternativbegründung der Zulässigkeit des Antrags beruht das Urteil auch auf diesem Verfahrensfehler. 14 2. Darüber hinaus beruht die Berufungsentscheidung über den Haupt- wie den Hilfsantrag auf einer vom Kläger wirksam gerügten Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (a). Die Gehörsrüge greift hingegen nicht durch (b). 15 a) Das Berufungsgericht hat seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts gemäß § 86 Abs. 1 VwGO dadurch verletzt, dass es den von der Beklagten zum Verfahren 13 A 1680/18 nachgereichten Verwaltungsvorgang nicht zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht und ausgewertet hat. Für den Fall, dass dieser nicht die seines Erachtens fehlenden Antragsunterlagen enthielt, hätte es durch Befragen der Beklagten aufklären müssen, ob sich weitere sachlich zugehörige Anlagen in anderen Verwaltungsvorgängen zu Anträgen auf Übertragung von Rechten und Pflichten aus Taxikonzessionen auf Herrn M. G. befanden. 16 Diese Aufklärungsmaßnahmen mussten sich der Vorinstanz auch ohne förmlichen Beweisantrag des dort bereits anwaltlich vertretenen Klägers aufdrängen. Nach § 86 Abs. 1 VwGO ist das Gericht verpflichtet, den nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Art und Umfang der Aufklärungsmaßnahmen stehen in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Danach muss es zwar nicht ohne konkrete Anhaltspunkte nachforschen, ob vielleicht irgendwelche bislang unentdeckten Umstände Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des zu beurteilenden Verwaltungshandelns haben könnten. Ergeben sich aus dem Beteiligtenvorbringen oder dem sonstigen Prozessstoff jedoch konkrete Ansätze für die Ermittlung bislang nicht geklärter Umstände, auf die es nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidend ankommt, muss ihnen auch ohne förmlichen Beweisantrag nachgegangen werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. November 1982 - 9 C 74.81 - BVerwGE 66, 237 <238> und vom 14. November 1991 - 4 C 1.91 - NVwZ-RR 1992, 227 f.). Diese Voraussetzungen lagen hier vor. 17 Nach der Rechtsauffassung der Vorinstanz kam es für den Erfolg der Klage wegen der Genehmigungsfiktion des § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG maßgeblich auf die Vollständigkeit des Genehmigungsantrags des Klägers an. Auf die entsprechende Aufklärungsverfügung des Berichterstatters des Berufungsgerichts hatte die Beklagte mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2019 (Bl. 188 d.A.) mitgeteilt, der Genehmigungsantrag befinde sich samt aller zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen notwendigen Unterlagen in einem Verwaltungsvorgang, der zum Verfahren 13 A 1680/18 - einem Verfahren des Vaters des Klägers - nachgereicht worden sei. Wegen dieser Erklärung hätte das Berufungsgericht den Verwaltungsvorgang zum vorliegenden Verfahren beiziehen, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung auch dieses Verfahrens machen und verwerten müssen. Ein solches Vorgehen erübrigte sich nicht schon wegen der zeitgleichen Verhandlung des Verfahrens 13 A 1680/18 und weiterer Verfahren anderer Familienmitglieder des Klägers. Die Verbindung von Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung führt nicht dazu, dass sämtlicher Akteninhalt der gleichzeitig verhandelten Verfahren Teil des Prozessstoffs der jeweils anderen Verfahren wird. Sollte Akteninhalt wechselseitig ohne Beiziehung berücksichtigt worden sein, verstieße dies gegen § 108 Abs. 1 VwGO, weil der richterlichen Überzeugung dann nicht mehr ausschließlich der Prozessstoff des jeweils entschiedenen Verfahrens zugrunde läge. 18 Wäre das Berufungsgericht nach Beiziehung der zum anderen Verfahren nachgereichten Verwaltungsakte zur Auffassung gelangt, dass diese keine vollständigen Unterlagen zum Antrag des Klägers enthielt, hätte es dem Hinweis des Prozessbevollmächtigten des Klägers nachgehen und durch Nachfrage bei der Beklagten sowie gegebenenfalls durch Beiziehen der übrigen Verwaltungsvorgänge zur Übertragung von Rechten und Pflichten aus Taxikonzessionen auf Herrn M. G. ermitteln müssen, ob sich darin die von ihm vermissten Unterlagen zum Antrag des Klägers befanden. Dessen Aufklärungsanregung in der Berufungsverhandlung war nicht etwa mangels ausreichender Substantiierung unbeachtlich. Der Kläger hätte nämlich mangels Kenntnis, welche weiteren Verwaltungsvorgänge es bei der Beklagten zu Herrn M. G. gibt, seine Ermittlungsanregung nicht weiter konkretisieren und auch keinen auf ein bestimmtes Beweismittel bezogenen Beweisantrag stellen können. 19 Das Berufungsurteil beruht sowohl hinsichtlich der Entscheidung über den Haupt- als auch hinsichtlich der Entscheidung über den Hilfsantrag auf diesem Aufklärungsmangel, weil es jeweils entscheidungstragend auf die Unvollständigkeit des Antrags abgestellt hat. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass es ohne den Verstoß gegen die Amtsaufklärungspflicht zu einem anderen, für den Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre. 20 b) Dagegen beruht das Urteil nicht auf einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Das Recht auf rechtliches Gehör gewährleistet, dass die Beteiligten sich zu allen entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen äußern können. Es verbietet, eine Gerichtsentscheidung ohne vorherigen Hinweis auf einen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt zu stützen, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem Prozessverlauf nicht rechnen musste (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395 <409>; BVerwG, Beschluss vom 19. Juli 2010 - 6 B 20.10 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 54 Rn. 4). Danach ist die Rüge einer unzulässigen Überraschungsentscheidung unbegründet, weil das Berufungsgericht den Kläger nach dessen Vortrag in der Berufungsverhandlung darauf hingewiesen hat, dass es die Antragsunterlagen für unvollständig hielt. Gerade dieser Hinweis veranlasste den Kläger zur eben erwähnten Aufklärungsanregung. 21 Mit dem Vorwurf, der Hinweis sei nicht rechtzeitig erteilt worden, wird eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör nicht substantiiert gemäß § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO dargetan. Der Kläger hat nicht vorgetragen, welche aus der Sicht des Berufungsgerichts entscheidungserheblichen Umstände er bei einem früheren Hinweis vorgetragen hätte. Außerdem hat er nicht dargetan, weshalb es ihm nicht möglich gewesen wäre, sich das erstrebte - weitere - rechtliche Gehör durch einen Antrag auf Vertagung oder Schriftsatznachlass zu verschaffen. 22 3. Das Berufungsurteil beruht auch auf der Verletzung materiellen Bundesrechts. 23 a) Es geht allerdings revisionsrechtlich fehlerfrei davon aus, dass die Zuverlässigkeit des Inhabers einer Genehmigung zur Personenbeförderung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG nicht Voraussetzung für die Genehmigung der Übertragung der Rechte und Pflichten hieraus gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 PBefG ist. Für dieses Auslegungsergebnis spricht schon der Wortlaut der Vorschrift. Eine Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz darf nur erteilt werden, wenn keine Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Antragstellers als Unternehmer dartun. Das gilt auch für die hier streitige Genehmigung der Übertragung der Rechte und Pflichten aus einer bestehenden personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 PBefG. Bei einer solchen Genehmigung können zwar sowohl der Inhaber der Genehmigung, deren Rechte und Pflichten übertragen werden sollen, als auch derjenige, auf den die Rechte und Pflichten übertragen werden sollen, Antragsteller sein. Antragsteller als Unternehmer im Sinne der Vorschrift ist aber nur derjenige, der durch die Übertragung der Rechte und Pflichten zum Unternehmer wird, nicht auch der, der seine Unternehmereigenschaft dadurch verliert. Sinn und Zweck des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG bestätigen dieses Verständnis. Die Vorschrift dient wesentlich - wenn auch nicht nur - dem Verbraucherschutz (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 2015 - 3 C 14.14 - BVerwGE 152, 382 Rn. 17). Für den Fahrgast ist die Zuverlässigkeit dessen von Bedeutung, der für die Erfüllung des Vertrages, also für die ordnungsgemäße Beförderung, einstehen muss. Das ist derjenige, dem die Rechte und Pflichten aus einer personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung übertragen werden, nicht aber derjenige, der diese Rechte und Pflichten in Folge der Übertragung verliert. Die fortdauernde Zuverlässigkeit desjenigen, der die Rechte und Pflichten aus einer Taxikonzession überträgt, noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Genehmigung der Übertragung zu verlangen, wäre vom Regelungszweck nicht mehr gedeckt. 24 b) Das Berufungsgericht ist weiterhin zutreffend davon ausgegangen, dass die Übertragung von Rechten und Pflichten aus einer Genehmigung zur Personenbeförderung nur genehmigt werden kann, wenn diese im Zeitpunkt der Erteilung der Übertragungsgenehmigung noch bestehen. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 PBefG bedarf die Übertragung der aus der Genehmigung erwachsenden Rechte und Pflichten der Genehmigung. Schon der Wortlaut der Vorschrift legt nahe, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Genehmigung der Übertragung noch Rechte und Pflichten aus der erteilten Personenbeförderungsgenehmigung bestehen müssen. Dies wiederum setzt den Fortbestand der personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung voraus, aus der sich die Rechte und Pflichten ergeben. Eine Übertragungsgenehmigung kann nur erteilt werden, solange diese Genehmigung (noch) besteht. Mit deren Erlöschen gehen auch die durch sie begründeten Rechte und Pflichten unter mit der Folge, dass sie nicht mehr auf den Übertragungsempfänger übergehen können; eine Übertragungsgenehmigung ginge deshalb ins Leere. Das ist bereits anerkannt in Fällen, in denen der Antrag auf Übertragungsgenehmigung erst nach Erlöschen der personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung gestellt wurde (dazu vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 1996 - 11 B 10.96 - juris Rn. 6 und 8). Es gilt ebenso, wenn diese Genehmigung zwar im Zeitpunkt der Antragstellung noch bestand, jedoch vor - tatsächlicher oder nach § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG fingierter - Erteilung der Übertragungsgenehmigung erloschen ist. Für dieses Verständnis sprechen auch systematische Gründe. Nach § 2 Abs. 1 PBefG muss der Unternehmer, der Personen befördert, im Besitz einer Genehmigung sein, die auf Antrag (§ 12 PBefG) gemäß § 15 PBefG schriftlich für eine bestimmte Geltungsdauer im Rahmen des § 13 Abs. 5 Satz 5 und § 16 PBefG zu erteilen ist. Daraus ergibt sich, dass die Genehmigung Rechte und Pflichten erst mit ihrem Wirksamwerden und ihrer Aushändigung sowie nur bis zum Ablauf ihres Geltungszeitraums begründet. Zugleich folgt daraus, dass die Genehmigung nicht rückwirkend für eine bereits vorher begonnene Personenbeförderung erteilt werden kann. Denn in einem solchen Falle wäre der Unternehmer bei Beförderungsbeginn gerade noch nicht im Besitz der Genehmigung gewesen. 25 Mit Ablauf der Genehmigung untergegangene Rechte und Pflichten können weder übertragen, noch kann ihre Übertragung genehmigt werden. Eine dazu erforderliche Rückwirkung der Übertragungsgenehmigung sieht das Gesetz nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt eine Übertragungsgenehmigung nach Ablauf der personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung die mit dieser erloschenen Rechte und Pflichten auch nicht rückwirkend wiederaufleben oder in der Person des Übertragungsempfängers neu erstehen. Dies widerspräche der gesetzlichen Konzeption der Übertragungsgenehmigung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 PBefG, die von einem Austausch des Genehmigungsinhabers für die verbleibende Geltungsdauer der Genehmigung ausgeht und deshalb im Gesetz kurz als ""Genehmigungsübertragung"" umschrieben wird. 26 Träfe die gegenteilige Auffassung des Klägers zu, würden die gesetzlichen Regelungen über die Befristung von Genehmigungen und deren Verlängerung oder Wiedererteilung unterlaufen. Auch die Verpflichtung, im Fall eines Bewerberüberhangs die Auswahlkriterien des § 13 Abs. 5 PBefG zu beachten, würde zweckwidrig beschränkt, wenn die für Genehmigungsübertragungen geltenden Einschränkungen dieser Verpflichtung (§ 13 Abs. 7 PBefG) durch rückwirkende Übertragungsgenehmigungen beliebig perpetuiert werden könnten. Einer solchen Auslegung stünde auch das Recht von Neubewerbern auf chancengleichen Berufszugang entgegen. Die Privilegierung von Übertragungsempfängern gemäß § 13 Abs. 7 PBefG ist vor Art. 12 Abs. 1 GG nur gerechtfertigt, weil die Rechte und Pflichten aus der Genehmigung allein für deren restliche Geltungsdauer übertragen, aber nicht darüber hinaus verlängert oder gar rückwirkend jenseits der gesetzlichen Beschränkung der Geltungsdauer neu geschaffen werden. 27 Dass eine Übertragungsgenehmigung nicht mehr nach Erlöschen der zu übertragenden Genehmigung erteilt werden kann, führt entgegen der Revisionsbegründung nicht dazu, dass Rechte der Antragsteller durch pflichtwidriges Verzögern der Bescheidung ihres Antrags über den Ablauf der zu übertragenden Genehmigung hinaus willkürlich beschränkt oder gar vereitelt werden könnten. Vielmehr gibt § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG den Antragstellern die Möglichkeit, durch Einreichen eines vollständigen Antrags mehr als sechs Monate vor Auslaufen der Genehmigung (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 und 4 PBefG) eine selbst bei zulässiger Verlängerung der Prüfungsfrist noch rechtzeitige Bescheidung oder, bei Untätigkeit der Behörde, eine Genehmigungsfiktion (§ 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG) herbeizuführen. 28 c) Nicht mit Bundesrecht vereinbar sind die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine auf Billigkeitsgründe gestützte Übertragbarkeit von Rechten und Pflichten aus einer bereits erloschenen Genehmigung zur Personenbeförderung verneint hat. Sie stützen sich auf die verfahrensfehlerhafte Annahme, der Antrag des Klägers sei unvollständig und damit nicht genehmigungsfähig gewesen (Rn. 15 ff.). Auf diesem Mangel beruht das Berufungsurteil auch, weil es die von ihm für möglich gehaltene Billigkeitsausnahme nicht mit einer selbständig tragenden, revisionsrechtlich fehlerfreien Begründung abgelehnt hat. 29 d) Das Berufungsurteil beruht zudem auf fehlerhaften Erwägungen, mit denen es den Eintritt der Genehmigungsfiktion des § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG verneint. Seine Begründung, der Genehmigungsantrag sei unvollständig gewesen, geht von einem verfahrensfehlerhaft festgestellten Sachverhalt aus (Rn. 15 ff.). Die weitere Begründung mit einem Verzicht des Klägers auf den Eintritt der Genehmigungsfiktion übersieht, dass ein solcher rechtlich nicht möglich ist. § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG bestimmt, dass die beantragte Genehmigung als erteilt gilt, wenn sie nicht innerhalb der Frist für die Entscheidung über den Antrag versagt wird. Diese Rechtsfolge tritt kraft Gesetzes und unabhängig vom Willen des Begünstigten ein. Verzichtet werden kann daher nicht auf die Fiktion, sondern allenfalls auf die Rechte aus der fingierten Genehmigung. Ein solcher Verzicht war nicht schon darin zu sehen, dass der Antrag auf Übertragungsgenehmigung nur hilfsweise für den Fall des Widerrufs der Taxikonzessionen gestellt wurde. Vielmehr zeigt das Prozessverhalten des Klägers, dass er einen Eintritt der Fiktion trotz des Widerrufs für möglich hielt und (hilfsweise) festgestellt wissen wollte. 30 4. Das Berufungsurteil stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). 31 a) Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Genehmigung der Übertragung der Rechte und Pflichten aus den ihm erteilten Taxikonzessionen auf Herrn M. G. nicht zu. Die Taxikonzessionen waren zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bereits erloschen. Sie verloren ihre Wirksamkeit nicht erst mit dem regulären Ablauf ihrer Geltungsdauer, sondern schon am 28. Juli 2016 mit der Zustellung des für sofort vollziehbar erklärten Widerrufsbescheids. Er wurde bis zu seiner rechtskräftigen Bestätigung durch das - insoweit nicht mehr angegriffene - Urteil des Verwaltungsgerichts weder behördlich noch gerichtlich außer Vollzug gesetzt. 32 Die von dem Berufungsgericht erwogenen Billigkeitsgründe können eine andere Entscheidung nicht rechtfertigen. Für eine Ausnahme von der Regel, dass die Übertragung von Rechten und Pflichten aus einer personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 PBefG nur bis zu deren Erlöschen genehmigt werden kann, fehlt es an einem normativen Anknüpfungspunkt. Insbesondere ist nicht zu erkennen, weshalb trotz der Möglichkeit, gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, 4 und 5 PBefG die begehrte Genehmigung rechtzeitig herbeizuführen und dazu gegebenenfalls (Eil-)Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, eine Durchbrechung der gesetzlichen Regelung aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten sein sollte. 33 § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG kann dem Hauptantrag des Klägers ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Abgesehen davon, dass die Regelung keine Anspruchsgrundlage, sondern eine Fiktion normiert, liegen auch deren Voraussetzungen hier nicht vor. Das ergibt sich unabhängig von der Frage, ob die Antragsunterlagen vollständig waren, und unabhängig von den darauf bezogenen, verfahrensfehlerhaften Tatsachenfeststellungen des angegriffenen Urteils aus dem Umstand, dass die Taxikonzessionen des Klägers wegen seines aufschiebend bedingten Übertragungsgenehmigungsantrags bereits vor Ablauf der Dreimonatsfrist des § 15 Abs. 1 Satz 2 PBefG erloschen waren. Diese Frist begann erst mit dem Widerruf der Konzessionen zu laufen, weil der Übertragungsgenehmigungsantrag nur hilfsweise für den Fall des Widerrufs gestellt worden war. Wegen der ununterbrochenen sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs bis zu seiner rechtskräftigen Bestätigung verloren die Konzessionen ihre Wirksamkeit bereits, bevor die mit dem Widerruf beginnende Frist des § 15 Abs. 1 Satz 2 PBefG ablaufen konnte. 34 b) Der hilfsweise gestellte (Fortsetzungs-)Feststellungsantrag des Klägers ist unzulässig. Wie oben (Rn. 13) erläutert, ergibt sich das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse nicht aus der Absicht des Klägers, einen Amtshaftungsprozess vor den Zivilgerichten zu führen. Ein anderes Feststellungsinteresse im Sinne der Vorschrift hat er nicht geltend gemacht. 35 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2021-43,24.06.2021,"Pressemitteilung Nr. 43/2021 vom 24.06.2021 EN Keine rechtsmissbräuchliche Vaterschaftsanerkennung bei persönlichen Beziehungen zwischen Vater und Kind Die Anerkennung der Vaterschaft eines nichtdeutschen Kindes durch einen Vater deutscher Staatsangehörigkeit erfolgt ""nicht gezielt gerade zu dem Zweck"", die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für Einreise und Aufenthalt zu schaffen, wenn sie auch der Begründung, Fortsetzung oder Vertiefung einer Eltern-Kind-Beziehung dient. Das hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und Beamter im Dienst des Auswärtigen Amtes, der an verschiedenen Botschaften eingesetzt war. Er ist im Rechtssinne Vater von neun Kindern, deren leiblicher Vater er nach seinen Angaben ist. Drei dieser Kinder sind aus der Ehe mit einer japanischen Staatsangehörigen hervorgegangen. Bei sechs weiteren Kindern aus verschiedenen Beziehungen, mit denen er teils zusammenlebt oder denen er Unterhalt gewährt, hat er die Vaterschaft anerkannt. Während seines Dienstes in Kamerun lernte er den 2001 geborenen Sohn einer kamerunischen Staatsangehörigen kennen. Ende 2016 erkannte er dessen Vaterschaft notariell an. Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kamerun lehnte es in der Folgezeit ab, die Zustimmungserklärung der Mutter zur Vaterschaftsanerkennung zu beurkunden, und stellte mit dem angefochtenen Bescheid vom April 2018 fest, dass diese Zustimmungserklärung missbräuchlich sei (§ 85a AufenthG i.V.m. § 1597a BGB). Die hiergegen gerichtete Klage des Klägers hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung des Klägers stattgegeben, weil die Vaterschaftsanerkennung nicht missbräuchlich (§ 1597a Abs. 1 BGB) sei. Nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Gründen sei ein enges Verständnis einer „missbräuchlichen“ Vaterschaftsanerkennung geboten; eine solche liege nur vor, wenn der alleinige Zweck der Anerkennung darin bestehe, die rechtlichen Voraussetzungen für eine ansonsten verwehrte Einreise bzw. einen ansonsten verwehrten Aufenthalt zu schaffen. Anhaltspunkte, die im Fall für eine rein aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung durch den Kläger sprechen könnten, seien durch gewichtige Umstände, u.a. das Bestehen persönlicher Bindungen, entkräftet. Mit ihrer Revision hat die Bundesrepublik Deutschland u.a. geltend gemacht, für die Annahme einer „missbräuchlichen“, auf die aufenthaltsrechtlichen Folgen gerichteten Vaterschaftsanerkennung sei ausreichend, dass der aufenthaltsrechtliche Zweck ein prägender sei. Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Revision zurückgewiesen. Die Anerkennung der Vaterschaft eines minderjährigen Kindes nichtdeutscher Staatsangehörigkeit durch einen deutschen Staatsangehörigen zeitigt zwangsläufig (auch) aufenthaltsrechtliche Wirkungen. Diese darf ein die Vaterschaft Anerkennender auch wollen und bezwecken. Im Sinne des § 1597a Abs. 1 BGB ""nicht gezielt gerade zu dem Zweck"" solcher aufenthaltsrechtlichen Wirkungen erfolgt eine Vaterschaftsanerkennung jedenfalls dann, wenn mit ihr ein über die aufenthaltsrechtlichen Wirkungen hinausgehender, rechtlich anzuerkennender Zweck verfolgt wird. Dieser Zweck muss auf die Begründung, Fortsetzung oder Vertiefung einer Eltern-Kind-Beziehung bezogen sein. Aus der Vaterschaftsanerkennung resultierende Rechte und Pflichten muss der Anerkennende auch tatsächlich wahrnehmen (""leben"") wollen. Das konkrete Maß der tatsächlichen Wahrnehmung hat die Vielfalt grundrechtlich geschützter Möglichkeiten zu berücksichtigen, Eltern-Kind-Beziehungen autonom und weitestgehend frei von staatlichen Vorgaben auszugestalten; es gibt kein staatlich vorgeprägtes Bild eines Eltern-Kind-Verhältnisses. Ein solches, auch erst anzustrebendes Verhältnis umfasst indes notwendig auch Elemente von elterlicher Verantwortung, ohne dass diese in allen Dimensionen wahrgenommen werden muss. Eine häusliche Gemeinschaft ist nicht erforderlich; auch eine geistig-emotionale Nähebeziehung kann ausreichen. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hat die Ausländerbehörde aufgrund einer umfassenden Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen. Nach diesen Grundsätzen hat das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend verfahrensfehlerfrei die Fortführung und Vertiefung einer Eltern-Kind-Beziehung im Bundesgebiet als Zweck der Vaterschaftsanerkennung gesehen. BVerwG 1 C 30.20 - Urteil vom 24. Juni 2021 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 3 B 31.19 - Urteil vom 30. Januar 2020 - VG Berlin, 11 K 381.18 - Urteil vom 07. Juni 2019 -","Urteil vom 24.06.2021 - BVerwG 1 C 30.20ECLI:DE:BVerwG:2021:240621U1C30.20.0 EN Keine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung bei persönlichen Beziehungen zwischen Vater und Kind Leitsätze: 1. Nach § 85a AufenthG kann die Feststellung, dass eine Vaterschaftsanerkennung i.S.d. § 1597a Abs. 1 Satz 1 BGB ""missbräuchlich"" ist, auch aus Anlass der Beurkundung der Zustimmungserklärung der Kindesmutter getroffen werden, und zwar auch dann, wenn die Anerkennungserklärung des Vaters bereits vor dem Inkrafttreten der Regelung wirksam beurkundet worden ist. 2. Eine i.S.d. § 1597a Abs. 1 BGB missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn sie auch der Begründung, Fortsetzung oder Vertiefung einer Eltern-Kind-Beziehung und in diesem Sinne nicht gezielt gerade aufenthaltsrechtlichen Zwecken dient. 3. Der Anerkennende muss die aus der Vaterschaftsanerkennung resultierende elterliche Verantwortung auch tatsächlich wahrnehmen (""leben"") wollen; das konkret zu fordernde Maß der tatsächlichen Wahrnehmung hat die Vielfalt grundrechtlich geschützter Möglichkeiten zu berücksichtigen, Eltern-Kind-Beziehungen autonom und weitestgehend frei von staatlichen Vorgaben auszugestalten. Die elterliche Verantwortung muss nicht in allen Dimensionen wahrgenommen werden. 4. Die ausländerbehördliche Einstellung des Verfahrens nach § 85a Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist kein Verwaltungsakt. Rechtsquellen AufenthG § 27 Abs. 1a, § 85a BGB §§ 1594, 1595 Abs. 1, §§ 1597a, 1741 ff., § 1752 BGB (a.F.) § 1600 Abs. 1 Nr. 5 GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und 2 StAG § 6 Abs. 1 VwGO §§ 44a, 113 Abs. 1 Satz 2, § 144 Abs. 4 VwVfG § 46 Instanzenzug VG Berlin - 07.06.2019 - AZ: VG 11 K 381.18 OVG Berlin-Brandenburg - 30.01.2020 - AZ: OVG 3 B 31.19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 24.06.2021 - 1 C 30.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:240621U1C30.20.0] Urteil BVerwG 1 C 30.20 VG Berlin - 07.06.2019 - AZ: VG 11 K 381.18 OVG Berlin-Brandenburg - 30.01.2020 - AZ: OVG 3 B 31.19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Januar 2020 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, das Verfahren zur Prüfung, ob die Zustimmung der Kindesmutter zur Anerkennung der Vaterschaft missbräuchlich ist, einzustellen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der Beklagten, dass die Zustimmungserklärung der Kindesmutter zur Anerkennung der Vaterschaft ihres Kindes durch diesen missbräuchlich ist. 2 Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und Beamter im Dienst des Auswärtigen Amtes. Er ist Vater im Rechtssinne von neun Kindern, deren auch leiblicher Vater er nach seinen - von der Beklagten nicht bezweifelten - Angaben ist. Drei Kinder (geboren 1992, 1997 und 2007) sind aus einer 2016 geschiedenen Ehe mit einer ... Staatsangehörigen hervorgegangen. Die Vaterschaft für die weiteren sechs Kinder erkannte der Kläger an. Zwei Töchter (geboren 2002 und 2005) leben mit ihrer aus der M. stammenden Mutter mietfrei in einer Eigentumswohnung des Klägers in B. Auch die Mutter eines 2004 geborenen Sohnes ist ... Staatsangehörige; dieser Sohn lebt in den ..., deren Staatsangehörigkeit er besitzt. Ein aus der Beziehung zu einer weiteren ... Staatsangehörigen hervorgegangener Sohn (geboren 2009) ist ebenfalls Staatsangehöriger der ..., lebt in einer von dem Kläger angemieteten Wohnung in B. und erhält von diesem Unterhalt. Eine 2014 geborene Tochter und ein 2016 geborener Sohn haben eine ... Mutter; der Kläger lebt gemeinsam mit ihnen in einer Wohnung in B. 3 Von Mai 2011 bis August 2015 war der Kläger an der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in J. eingesetzt. Dort lernte er im Jahr 2013 oder 2014 den im Jahr 2001 geborenen M. kennen, der ebenso wie seine Mutter die ... Staatsangehörigkeit besitzt. Sein leiblicher Vater ist unbekannt. 4 Am 16. Dezember 2016 erkannte der Kläger bei einem Notar in B. an, Vater des M. zu sein. Ab Januar 2017 bemühte er sich bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in J., einen Termin zur Beurkundung der Zustimmung der Kindesmutter zur Vaterschaftsanerkennung zu vereinbaren. Mit Bescheid vom 20. April 2018 - adressiert an den Kläger als ""im Verfahren Bevollmächtigten"" - stellte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in J. fest, dass die Zustimmungserklärung zur Anerkennung der Vaterschaft des M. missbräuchlich sei, weil der Kläger nicht der biologische Vater sei und zwischen ihm und M. auch keine sozial-familiären Beziehungen bestünden. 5 Der Kläger hat hiergegen Klage erhoben und im Kern geltend gemacht, zwischen ihm und M. bestehe ein sozial-familiäres Verhältnis, ein familiäres Zusammenleben sei weiterhin beabsichtigt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen (Urteil vom 7. Juni 2019), weil die Vaterschaftsanerkennung missbräuchlich sei. Der Kläger sei nicht der leibliche Vater des M., zwischen beiden bestehe auch keine sozial-familiäre Beziehung, auf deren Grundlage der Kläger als rechtlicher Vater angesehen werden müsse. 6 Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht den angegriffenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das Verfahren zur Prüfung, ob die Zustimmung der Mutter des M. zur Anerkennung der Vaterschaft missbräuchlich ist, einzustellen (Urteil vom 30. Januar 2020). Zur Begründung hat es im Kern ausgeführt: Der gegenüber der Kindesmutter ergangene, dem Kläger bekanntgegebene Bescheid könne auch von diesem angefochten werden. Er sei zwar nicht wegen Verfahrensfehlern in dem - dem Verfahren nach § 85a Abs. 1 AufenthG vorgelagerten - Verfahren nach § 1597a Abs. 2 BGB oder wegen mangelnder Anhörung aufzuheben. Die in § 1597a Abs. 1 BGB i.V.m. § 85a AufenthG definierten Voraussetzungen für die behördliche Feststellung, dass die Zustimmungserklärung zur Anerkennung der Vaterschaft missbräuchlich sei, seien indes nicht erfüllt, so dass der Bescheid materiell rechtswidrig sei. Diese Regelungen seien zwar verfassungsgemäß, ihre Anwendung verletze auch nicht das Rückwirkungsverbot. Nach Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der Regelungen, missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen zu verhindern, die zum Ziel hätten, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, aber auch aus verfassungsrechtlichen Gründen sei indes ein enges Verständnis einer missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft dahin geboten, dass eine solche nur anzunehmen sei, wenn der alleinige Zweck der Zustimmungserklärung darin bestehe, die rechtlichen Voraussetzungen für eine ansonsten verwehrte Einreise bzw. einen ansonsten verwehrten Aufenthalt zu schaffen. Dies gelte entsprechend für die Zustimmungserklärung der Mutter. Die in § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 4 AufenthG normierten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft regelmäßig vermutet werde, seien nicht erfüllt, weil eine Regelvermutung jedenfalls im Einzelfall aufgrund atypischer Umstände erschüttert sei. Der Kläger habe keine Erklärung im Sinne des § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG abgegeben, bei Berücksichtigung des Kontextes auch nicht im Rahmen einer von der Beklagten herangezogenen Schutzschrift. In Bezug auf die vorangehenden Anerkennungen der Vaterschaft von Kindern unterschiedlicher Mütter lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger entgegen seiner Behauptung nicht der leibliche Vater aller von ihm bereits wirksam anerkannten Kinder sei, so dass weitere Ermittlungen nicht veranlasst gewesen seien. Aufgrund der sonstigen Umstände des Einzelfalls sei das Berufungsgericht nicht davon überzeugt, dass der Kläger mit der Anerkennung der Vaterschaft den alleinigen Zweck verfolge, dem M. ein diesem anderweitig verwehrtes Einreise- und Aufenthaltsrecht zu verschaffen. Bei einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles sei das Gericht vielmehr davon überzeugt, dass der Kläger die Vaterschaft nicht gezielt gerade zu dem Zweck anerkannt hat, um die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des M. im Bundesgebiet zu schaffen. Bestehende Anhaltspunkte, die für eine rein aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung durch den Kläger sprechen könnten, seien durch gewichtige Umstände entkräftet. Zwischen dem Kläger und M. bestünden weitreichende persönliche Bindungen, die der Kläger als für sich verbindlich und von Dauer ansehe. Der Kläger sei bereit, für M. Verantwortung zu tragen; auch gehe er mit der Vaterschaftsanerkennung finanzielle Risiken ein. Dass die Kindesmutter nicht in der Lage gewesen sei, Fragen zu einer sozial-familiären Beziehung zwischen M. und dem Kläger zu beantworten, ergebe sich so nicht aus den Akten; die Kindesmutter sei mit der Vaterschaftsanerkennung einverstanden. Das Begehren auf Einstellung des Verfahrens nach § 85a Abs. 1 AufenthG sei als Verpflichtungsbegehren zulässig und mangels Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung auch begründet. 7 Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 85a Abs. 1 und 2 AufenthG und § 1597a Abs. 1 BGB und macht zum Prüfungsmaßstab geltend, die Auslegung des Berufungsgerichts, nach der die Anerkennung der Vaterschaft nur missbräuchlich im Sinne von § 85a Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 1597a Abs. 1 BGB sein könne, wenn sie allein aufenthaltsrechtliche Zwecke verfolge, sei bundesrechtswidrig. Nach dem Wortlaut, der Systematik, dem Ziel und der Entstehungsgeschichte der Regelung umfasse die gesetzliche Legaldefinition für eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung auch und gerade Fälle, in denen der aufenthaltsrechtliche Zweck ein gewichtiger Teil eines Motivbündels und das primäre und prägende Motiv gewesen sei. Bei Zugrundelegung der zutreffenden Auslegung des § 1597a Abs. 1 BGB und des § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG sei bereits nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts der Missbrauchstatbestand erfüllt. Das Berufungsgericht habe zudem gegen den Überzeugungsgrundsatz verstoßen, indem es seiner Entscheidung tatsächliche Feststellungen zugrunde gelegt habe, die sich als aktenwidrige Annahmen darstellten, und auch sonst den Sachverhalt verfahrensfehlerhaft gewürdigt. Die hier zu überprüfende Zustimmung der Mutter des M. zur Vaterschaftsanerkennung des Klägers sei auch deswegen missbräuchlich, weil dieser die Umstände, die deren Missbräuchlichkeit durch den Kläger bewirkten, bekannt gewesen seien und die Mutter, die den Kläger kaum kenne und jedenfalls nicht mit diesem zusammengelebt habe, der Vaterschaftsanerkennung ersichtlich allein wegen der aufenthaltsrechtlichen Vorteile zugestimmt habe. Die Zielsetzung, die Zukunftsaussichten des eigenen Kindes verbessern zu wollen, sei für eine Mutter nachvollziehbar, aber aufenthaltsrechtlich eine missbilligte Zielsetzung. 8 Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. 9 Der Vertreter des Bundesinteresses bei dem Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht am Verfahren. II 10 Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis im Einklang mit Bundesrecht entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 20. April 2018 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO). Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Zustimmung der Mutter zu der Anerkennung der Vaterschaft des M. durch den insoweit klagebefugten (1.) Kläger in dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt (2.) nicht i.S.d. § 1597a Abs. 1 BGB i.V.m. § 85a Abs. 1 Satz 1 AufenthG missbräuchlich ist (3.) und daher auch das Prüfungsverfahren nach § 85a Abs. 1 Satz 3 AufenthG einzustellen ist (4.). 11 1. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht den Kläger als befugt angesehen (§ 42 Abs. 2 VwGO), den auf die Zustimmungserklärung der Kindesmutter bezogenen Bescheid der Beklagten vom 20. April 2018 im eigenen Namen anzufechten. Nach der Bewertung des Oberverwaltungsgerichts ist der Kläger zwar nicht selbst Adressat des Bescheides, sondern lediglich durch Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht empfangsbevollmächtigter Empfänger oder Bekanntgabeadressat eines materiell an die Kindesmutter gerichteten, damit wirksam bekanntgegebenen Bescheides. Der Bescheid berührt aber (auch) den Kläger in seinen Rechten. Denn er zielt darauf, die von diesem abgegebene Erklärung zur Anerkennung der Vaterschaft des M. nicht materiell wirksam werden zu lassen, und dies aus Gründen, die an die (vermeintlich) missbräuchliche Abgabe der Erklärung durch den Kläger anknüpfen. Auch wenn der Kläger gegen die Kindesmutter, die im Ergebnis nicht notwendig beizuladen war (§ 65 Abs. 2 i.V.m. § 142 Abs. 2 Satz 1 VwGO), keinen (zivilrechtlichen) Anspruch auf deren Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung hat, folgt aus dem Recht auf Anerkennung der Vaterschaft eines Kindes ein Recht auf Abwehr nicht rechtmäßiger Eingriffe durch die öffentliche Gewalt in die weiteren Voraussetzungen von deren Wirksamwerden. Die Feststellung nach § 85a Abs. 1 AufenthG bezieht sich, wie auch § 1597a Abs. 4 BGB unterstreicht, auf die Anerkennung der Vaterschaft eines Kindes durch einen bestimmten Vater als einheitliche, für und gegen alle wirkende Erklärung (s.a. Staudinger/Rauscher, BGB <2011>, § 1592 Rn. 68 ff.; § 1594 Rn. 5) insgesamt, nicht auf die jeweilige Erklärung des Kindesvaters oder der Kindesmutter. Die Aufhebung der angegriffenen Feststellung lässt das aus ihr folgende Beurkundungsverbot (§ 1597a Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 BGB) insgesamt entfallen. Dem Kläger könnte mithin auch nicht entgegengehalten werden, wenn die Kindesmutter selbst den Bescheid hätte bestandskräftig werden lassen. 12 2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts. Die Anfechtung der Feststellung nach § 85a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zielt darauf, das durch diese ausgelöste und fortwirkende Verbot, die für die Vaterschaftsanerkennung erforderliche Zustimmungserklärung der Kindesmutter zu beurkunden, durch Einstellung des Prüfungsverfahrens zu beseitigen und so die erklärte Anerkennung der Vaterschaft wirksam werden zu lassen. Materielles Recht gebietet keine Fixierung des maßgeblichen Zeitpunktes auf den der Abgabe der Erklärung durch den Anerkennenden oder den Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Bescheides, zumal eine Vaterschaftsanerkennung - wenn sie dann mit den erforderlichen Erklärungen vom Anerkennenden und der Kindesmutter versehen und damit i.S.d. § 1594 BGB wirksam geworden ist - rückwirkend (ex tunc) auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes wirkt (Umkehrschluss aus § 1594 Abs. 3 BGB). Mithin ist mit der Maßgabe auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung abzustellen, dass in Bezug auf die Rechtslage Rechtsänderungen, die hiernach eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen sind, falls sie das Gericht der Vorinstanz, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte. Danach ist über das Begehren des Klägers auf der Grundlage des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 10 des am 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Gesetzes vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2855), sowie des Bürgerlichen Gesetzbuches, zuletzt geändert durch das Siebte Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen vom 30. März 2021 (BGBl. I S. 607), zu entscheiden. § 85a AufenthG ist seit seiner Einfügung zum 29. Juli 2017 (Art. 1 Nr. 9c des Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20. Juli 2017, BGBl. I S. 2780) unverändert. Gleiches gilt für § 1597a BGB. 13 3. Das Oberverwaltungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht den angegriffenen Bescheid aufgehoben, weil er materiell mit § 85a AufenthG nicht in Einklang steht. Allerdings ist die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vaterschaftsanerkennung nach § 85a AufenthG auch dann möglich (3.1), wenn die Feststellung nach wirksam abgegebener Erklärung der Anerkennung der Vaterschaft getroffen wird und es für deren Wirksamkeit lediglich noch der Beurkundung der Zustimmungserklärung der Kindesmutter (§ 1595 Abs. 1 BGB) bedarf (3.1.1); § 85a AufenthG begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (3.1.2) und ist in diesen Fällen unabhängig davon anwendbar, ob die Erklärung des Vaters vor seinem Inkrafttreten abgegeben worden ist (3.1.3). Der vom Oberverwaltungsgericht herangezogene Prüfungsmaßstab erweist sich mit der Klarstellung als im Ergebnis zutreffend, dass eine i.S.d. § 1597a Abs. 1 Satz 1 BGB missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn sie auch der Begründung, Fortsetzung oder Vertiefung einer Eltern-Kind-Beziehung dient (3.2). Auf der Grundlage dieses Maßstabes hat das Oberverwaltungsgericht frei von Verfahrensfehlern (3.4) die hier strittige Vaterschaftsanerkennung durch den Kläger als ""nicht gezielt gerade dem Zweck dienend"", die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für Einreise und Aufenthalt zu schaffen, und damit nicht als ""missbräuchlich"" i.S.d. § 1597a Abs. 1 Satz 1 BGB gewertet (3.3). Dies bewirkt, dass auch die Zustimmungserklärung der Kindesmutter im Ergebnis nicht ""missbräuchlich"" und der Bescheid der Beklagten bereits aus diesem Grunde aufzuheben ist. Bei dieser Sachlage ist nicht zu vertiefen, ob der Bescheid entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bereits aus formellen Gründen aufzuheben gewesen wäre (3.5). 14 3.1 Nach § 85a AufenthG kann die Feststellung, dass eine Vaterschaftsanerkennung i.S.d. § 1597a Abs. 1 Satz 1 BGB ""missbräuchlich"" ist, auch aus Anlass der Beurkundung der Zustimmungserklärung der Kindesmutter getroffen werden und hindert dann deren Beurkundung (3.1.1). Das Inkrafttreten des verfassungsgemäßen (3.1.2) § 85a AufenthG erst nach der Beurkundung der Anerkennungserklärung des Klägers steht dem nicht entgegen (3.1.3). 15 3.1.1 Nach § 85a Abs. 1 AufenthG hat die Ausländerbehörde die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer - noch nicht wirksam gewordenen - Anerkennung einer Vaterschaft zu treffen, wenn diese i.S.d. § 1597a Abs. 1 BGB ""missbräuchlich"" ist. Diese Feststellung ist bezogen auf die Feststellung der Vaterschaft eines bestimmten Kindes durch einen bestimmten Vater, nicht hingegen auf die erforderlichen Erklärungen des Anerkennenden und der Kindesmutter. Sie hindert durch das Beurkundungsverbot des § 1597a Abs. 3 BGB das Entstehen einer zivilrechtlich wirksamen Vaterschaftsanerkennung. Dieser präventive Ansatz ersetzt die behördliche Vaterschaftsanfechtung, für die es nach der Nichtigerklärung des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB (a.F.) durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48) an einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage fehlt. Nach der grundsätzlich zweistufigen Konzeption des § 1597a BGB i.V.m. § 85a AufenthG ist diese Feststellung dem zivilrechtlichen Wirksamwerden der Vaterschaftsanerkennung vorgelagert, im Beurkundungsverfahren erkannten konkreten Anhaltspunkten für eine Missbräuchlichkeit der Anerkennung jedoch nachgelagert. Solche Zweifel können so lange erkannt werden und zu der Prüfung durch die Ausländerbehörde führen, wie noch nicht sämtliche für die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung erforderlichen Erklärungen beurkundet sind. § 1597a Abs. 4 BGB unterstreicht, dass § 85a Abs. 1 AufenthG auch dann anwendbar ist, wenn Zweifel erst im Verfahren zur Beurkundung der erforderlichen Zustimmung der Kindesmutter entstehen und rechtlich beachtlich geworden sind. Die Ausländerbehörde prüft indes auch in diesen Fällen nicht nachträglich die wirksam beurkundete Erklärung des Anerkennenden. Sie hat vielmehr inzident aus Anlass der (begehrten) Beurkundung der Zustimmung der Kindesmutter die Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung selbst zu prüfen. Die Beweggründe und Motive der Kindesmutter für die Zustimmungserklärung sind nur erheblich, soweit sie (mittelbar) Rückschlüsse auf die Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung selbst zulassen; bei objektiv nicht i.S.d. § 1597a Abs. 1 BGB missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung kommt es auf die Beweggründe für die Abgabe der Zustimmungserklärung nicht an. 16 3.1.2 § 85a AufenthG begegnet weder für sich allein noch in Verbindung mit § 1597a BGB durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (s.a. - m.w.N. - Berufungsurteil S. 12 f.; Sanders, FamRZ 2017, 1189 <1193>; krit. zur unzureichenden Eignung Dörig, Vaterschaftsanerkennung ist nicht schwer, ausländerrechtliche Missbrauchskontrolle hingegen sehr, NVwZ 2020, 106). 17 Die Möglichkeit, durch einfache Anerkennungserklärung eine (rechtliche) Vaterschaft unabhängig von einer bestehenden biologischen Vaterschaft zu begründen, ist zwar zivilrechtlich nicht von weiteren Voraussetzungen an die Qualität der Beziehung zwischen Anerkennenden und Kind abhängig; auch die nicht biologisch fundierte, rechtlich anerkannte Vaterschaft ist eine vollwertige Vaterschaft im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (BVerwG, Urteil vom 19. April 2018 - 1 C 1.17 - BVerwGE 162, 17 Rn. 17; BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 27). Der Gesetzgeber ist aber nicht gehindert, den zivilrechtlichen Grundsatz zu relativieren, nach dem eine Vaterschaftsanerkennung aus beliebigen Gründen zulässig und einer Missbrauchskontrolle nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. April 2018 - 1 C 1.17 - BVerwGE 162, 17 Rn. 15). Ein umfassender, unbeschränkter verfassungsrechtlicher Anspruch eines Mannes auf Anerkennung der Vaterschaft auch nicht biologisch von ihm abstammender Personen (§ 1592 Nr. 2, § 1597a Abs. 5 BGB) folgt weder aus Art. 2 Abs. 1 GG noch aus Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 oder Art. 16 Abs. 1 GG (s.a. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48). Eine Regelung, die in den Fällen des § 1597a Abs. 1 BGB bewirkt, dass auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten ist, die gerade darauf zielt, aufenthaltsrechtliche Vorteile zu erlangen, die das einschlägige Fachrecht zulässigerweise nicht gewährt, dient mithin zumindest einem legitimen Zweck und ist jedenfalls nicht grundsätzlich unzumutbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 48). Für die Begründung einer rechtlichen Vaterschaft kann der Gesetzgeber mithin aus dem - dem Grunde nach legitimen - Zweck der Migrationskontrolle Hürden errichten, wenn die Vaterschaftsanerkennung ""allein zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken vorgenommen"" (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 94 ff.) wurde, wenn und weil in diesem Fall der soziale Gehalt der Vaterschaft für das Kind typischerweise nicht hoch ist und der Gesetzgeber dann dem Interesse an der Durchsetzung aufenthaltsrechtlicher Zielsetzungen den Vorrang geben kann. 18 Die Auslegungsbedürftigkeit, die aus der Verweisung auf die Legaldefinition des § 1597a BGB folgt, überschreitet nicht das verfassungsrechtlich zulässige Maß. Der Gesetzgeber hat namentlich mit der Wendung, dass die Vaterschaftsanerkennung ""nicht gezielt gerade zu dem Zweck"" anderweitig nicht bestehender aufenthaltsrechtlicher Wirkungen erfolgen dürfe, bewusst (BT-Drs. 18/12415 S. 15 ff.) an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB (a.F.) (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 ) angeknüpft, die funktional als Vorgängernorm angesehen werden kann; durch die Regelvermutungstatbestände des § 85a Abs. 2 Satz 1 AufenthG sowie die - nicht als zusätzliche Regelvermutungstatbestände zu wertenden - in § 1597a Abs. 2 Satz 2 BGB nicht abschließend aufgeführten (weiteren) ""Anzeichen für das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte"" für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft (Verdachtstatbestände) hat er für die Anwendung und Auslegung dieser Wendung weitere Hinweise gegeben. Etwa aus Art. 6 GG folgenden weitergehenden Geboten kann durch eine verfassungskonforme Auslegung Rechnung getragen werden. Im Schrifttum geäußerte rechtspolitische Kritik an der 2017 verabschiedeten Regelung (BeckOK AuslR/Tewocht, Stand: 01. Januar 2021, § 85a AufenthG Rn. 2.1.) führt nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelung. Soweit aus verfassungsrechtlicher Perspektive u.a. eine unzureichende Beteiligung des Kindes, für das die Vaterschaft anerkannt werden soll, kritisiert wird (etwa Kaesling, NJW 2017, 3686 <3688>; Knittel, JAmt 2017, 339; Ermann/Hammermann, BGB, 16. Aufl. 2020, § 1597a Rn. 5, 8 ff.; Münchener Kommentar/Wellenhofer, BGB, Bd. 10., 8. Aufl. 2020, § 1597a Rn. 4), betrifft dies für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits im Ergebnis nicht erhebliche Aspekte, welche die anderen, hier entscheidungserheblichen Teilregelungen nicht in Frage stellen. 19 Die Regelung ist auch nicht unter dem Aspekt verfassungsrechtlich bedenklich, dass der Gesetzgeber in Fällen, in denen ein Kind keinen Vater hat, die Anerkennung der Vaterschaft bei Zustimmung der Kindesmutter grundsätzlich voraussetzungslos zulässt und - neben den Grenzen in § 1594 Abs. 2 BGB - zur Begrenzung eines Fehlgebrauchs zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken an die in § 1597a Abs. 1 Satz 1 BGB definierte Missbrauchsschwelle bindet, während die Adoption, die bei der Minderjährigenadoption (§ 6 Abs. 1 StAG) funktional vergleichbare staatsangehörigkeits- und in deren Folge aufenthaltsrechtliche Wirkungen auslösen kann, an deutlich höhere Voraussetzungen gebunden ist (vgl. dazu §§ 1741 ff., 1752 BGB; s.a. die Beschränkungen und Prüfungen bei der Adoptionsvermittlung durch das Adoptionsvermittlungsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. Juni 2021, BGBl. I S. 2010). Adoption und Vaterschaftsanerkennung sind unterschiedliche Regelungskomplexe zur Begründung bzw. Ausgestaltung nach Art. 6 GG geschützter familiärer Beziehungen. Dem Gesetzgeber ist hier ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen; die Grenzen, die Art. 3 Abs. 1 GG der Rechtfertigung von Differenzierungen setzt, sind ungeachtet gewisser ""funktionaler"" Überschneidungen zwischen beiden Rechtsinstituten bei den aufenthaltsrechtlichen Folgewirkungen nicht überschritten, zumal die im Ergebnis engeren Voraussetzungen für die Adoption anderen Zwecken als der Abwehr einer Umgehung aufenthaltsrechtlicher Regelungen dienen. Etwaigen Ungleichbehandlungen zu der in § 27 Abs. 1a AufenthG getroffenen Regelung zur Missbrauchsabwehr durch Eheschließung (dazu BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2020 - 1 C 12.19 - BVerwGE 168, 159) wäre im Rahmen der Auslegung Rechnung zu tragen. 20 3.1.3 Die Anwendung des § 85a Abs. 1 AufenthG führt nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung mit Blick darauf, dass der Kläger bereits vor dessen Inkrafttreten eine beurkundete Erklärung zur Anerkennung der Vaterschaft des Herrn M. abgegeben hatte. 21 a) Gegenstand der Feststellung der Beklagten ist eine materiell-rechtliche Bewertung einer Vaterschaftsanerkennung durch den Kläger, nicht die Anerkennungserklärung durch den Kläger selbst. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes konnten die Rechtswirkungen der Anerkennungserklärung durch den Kläger noch nicht geltend gemacht werden, weil die für die Wirksamkeit erforderliche (§ 1595 Abs. 1 BGB) Zustimmung der Kindesmutter nicht in der gehörigen Form (§ 1597 Abs. 1 BGB), also öffentlich beurkundet, vorlag. Die Anerkennung der Vaterschaft des M. durch den Kläger war zwar mit dessen Erklärung vom 16. Dezember 2016 ins Werk gesetzt worden, sie war aber im Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Bescheides vom 20. April 2018 noch nicht rechtswirksam geworden und damit abgeschlossen. Es liegt mithin allenfalls eine unechte Rückwirkung einer Rechtsänderung auf einen noch nicht (vollständig) abgeschlossenen Vorgang vor. 22 b) Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet, etwa, wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden (""tatbestandliche Rückanknüpfung""). Normen mit unechter Rückwirkung sind verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Allerdings können sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen ihrer Zulässigkeit ergeben. Diese Grenzen sind indes erst überschritten, wenn die von dem Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder nicht erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020 - 1 BvR 1679/17, 2190/17 - juris Rn. 127 ff.). Für die Gewichtung der Gründe des Gesetzgebers bleibt von Bedeutung, dass Normen mit unechter Rückwirkung grundsätzlich zulässig sind, gerade weil der Gesetzgeber einen weiten Spielraum benötigt, um in demokratischer Verantwortung seinen Gemeinwohlverpflichtungen gerecht werden zu können (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020 - 1 BvR 1679/17, 2190/17 - juris Rn. 131 f.). 23 c) Nach diesen Grundsätzen konnte der Gesetzgeber der Einführung des zweistufigen ""präventiven"" Kontrollsystems zur Vermeidung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung (§ 1597a BGB, § 85a AufenthG) Vorrang vor einem etwaigen Schutz des Vertrauens von Personen, welche die Vaterschaft durch Anerkennung anstreben, in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage einräumen. Der Gesetzgeber hat mit diesem System nicht erstmals Maßnahmen gegen eine - aus seiner Sicht - missbräuchliche Begründung einer familienrechtlichen Beziehung zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken getroffen. Er hat vielmehr das bis dahin geltende Anfechtungssystem mit Blick auf dessen verfassungsgerichtliche Beanstandung ersetzt. Dass Vaterschaftsanerkennungen, die diesen missbräuchlichen Zwecken dienen, unerwünscht sind, hatte er bereits durch § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB a.F. zum Ausdruck gebracht; das Bundesverfassungsgericht hat zwar das hierfür gewählte Mittel, nicht aber das Ziel der Missbrauchsabwehr selbst beanstandet. Eine Nutzung gesetzlich eröffneter Handlungs- oder Gestaltungsmöglichkeiten zu missbräuchlichen Zwecken verdient zudem jedenfalls dann einen allenfalls geringen Vertrauensschutz, wenn der Zweck, der zur Qualifizierung einer Vaterschaftsanerkennung als i.S.d. § 1597a Abs. 1 BGB missbräuchlich führt, so definiert ist, dass auch nur die vom Gesetzgeber im Rahmen seiner verfassungsrechtlich eröffneten Gestaltungsmacht zu erfassenden, tatsächlich missbräuchlichen Fälle erfasst werden. 24 3.2 Das Oberverwaltungsgericht ist in der Sache im Einklang mit Bundesrecht davon ausgegangen, dass eine i.S.d. § 1597a Abs. 1 BGB missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn sie auch der Begründung, Fortsetzung oder Vertiefung einer Eltern-Kind-Beziehung und in diesem Sinne nicht gerade gezielt aufenthaltsrechtlichen Zwecken (3.2.1) dient. Keiner abschließenden Beurteilung bedarf, ob die von dem Oberverwaltungsgericht für die Auslegung gebildeten Rechtssätze in vollem Umfang mit Bundesrecht vereinbar sind; sie sind dies zumindest im sachlichen, für die Tatsachenfeststellung und -würdigung maßgeblichen Kern, so dass sich die Entscheidung jedenfalls als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO). 25 3.2.1 § 1597a Abs. 1 BGB verbietet eine ""missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft."" Das Gesetz definiert diese dahin, dass die Vaterschaft nicht gezielt gerade zu dem Zweck anerkannt werden darf, die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes, des Anerkennenden oder der Mutter zu schaffen, auch nicht, um die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 Satz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) zu schaffen. 26 Diese Legaldefinition der ""missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung"" ist auslegungsbedürftig und auslegungsfähig. Hiervon ist jedenfalls eine Vaterschaft umfasst, die allein deswegen anerkannt wird, um die rechtlichen Voraussetzungen für einen anderweitig nicht erreichbaren rechtmäßigen Aufenthalt zu schaffen. Mit dem Wirksamwerden der Anerkennung der Vaterschaft eines drittstaatsangehörigen (minderjährigen) Kindes durch einen deutschen Staatsangehörigen treten regelmäßig und unabhängig von dem Willen des Anerkennenden Wirkungen für dessen erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt namentlich dann ein, wenn das Kind mit der Anerkennung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt. Weder die Vaterschaftsanerkennung durch einen Mann, der nicht der leibliche Vater des Kindes ist (§ 1597a Abs. 5 BGB), noch die aus einer solchen Anerkennung resultierenden aufenthaltsrechtlichen Folgen indizieren aber für sich betrachtet die Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung. Der Wortlaut des § 1597a Abs. 1 BGB, dass die Vaterschaft ""nicht gezielt gerade zu dem Zweck"" anerkannt werden darf, diese aufenthaltsrechtlichen Folgen zu bewirken, unternimmt die Abgrenzung der missbräuchlichen von einer nichtmissbräuchlichen Anerkennung nach deren Zweckrichtung. Die Feststellung des mit der Anerkennung verfolgten Zwecks wird indes dadurch erschwert, dass weder die Handlung (Vaterschaftsanerkennung) noch der erstrebte Erfolg (Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für eine erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt) als solche missbräuchlich sind, also - anders als regelmäßig im Strafrecht - weder aus der Handlung selbst noch dem erzielten Erfolg auf den subjektiv gewollten (alleinigen oder primären) Handlungszweck geschlossen werden kann. 27 Auf eine jedenfalls sehr enge Verknüpfung zwischen der Anerkennung und den aufenthaltsrechtlichen Folgen weist, dass die Vaterschaft ""nicht gezielt gerade zu dem Zweck"" anerkannt werden darf, um diese Folgen zu bewirken. Die Bezeichnung als ""missbräuchliche"" Vaterschaftsanerkennung verstärkt dies. Sie beschränkt sich nicht auf eine wertneutrale Umschreibung des unerwünschten Vorganges, sondern birgt Elemente eines rechtlich-moralischen Unwerturteils. Dieser Wortlaut lässt auch in Ansehung der abweichenden Formulierung, die der Gesetzgeber in § 27 Abs. 1a AufenthG gewählt hat, eine Auslegung zu, dass die aufenthaltsrechtliche Zwecksetzung der (nahezu) alleinige Zweck der Anerkennung sein muss, um missbräuchlich zu sein. 28 Bei einer an dem Regelungszweck der Bestimmung orientierten Auslegung bedarf indes die Frage, ob der aufenthaltsrechtliche Zweck alleiniger (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 = juris Rn. 46, 103) oder nur maßgeblicher, prägender, primärer bzw. Hauptzweck in einem Motivbündel gewesen ist, in dieser Form nicht der Entscheidung. Denn die aufenthaltsrechtlichen Wirkungen, welche die Anerkennung der Vaterschaft eines minderjährigen Kindes nichtdeutscher Staatsangehörigkeit durch einen deutschen Staatsangehörigen zwangsläufig zeitigt, darf ein die Vaterschaft Anerkennender auch gezielt wollen und bezwecken, etwa um Eltern-Kind-Beziehungen zu begründen, fortzusetzen oder zu vertiefen. Von § 85a AufenthG erfasst sind nur Vaterschaften, die zur Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts anerkannt wurden (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 = juris Rn. 99). Im Sinne des § 1597a Abs. 1 BGB ""nicht gezielt gerade zu dem Zweck"" solcher aufenthaltsrechtlichen Wirkungen erfolgt eine Vaterschaftsanerkennung mithin jedenfalls dann, wenn mit ihr ein über die aufenthaltsrechtlichen Wirkungen hinausgehender, rechtlich anzuerkennender Zweck verfolgt wird. Hingegen bleibt auch eine Vaterschaftsanerkennung missbräuchlich, die aus Sicht der insoweit maßgeblichen Perspektive des Anerkennenden nicht wegen der aufenthaltsrechtlichen Wirkungen, sondern allein wegen einer hierfür in Aussicht gestellten Geldzahlung erfolgt (vgl. § 1597a Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 BGB), bei der für den Anerkennenden etwaige aufenthaltsrechtliche Wirkungen völlig unerheblich sind. 29 3.2.2 Nach dem systematischen Zusammenhang, in dem diese Regelung steht, und ihrem Sinn und Zweck müssen diese hinzutretenden Zwecke bezogen sein auf die Anerkennung einer Vaterschaft selbst, also der Begründung, Fortsetzung oder Vertiefung einer Eltern-Kind-Beziehung dienen. Mit der wirksamen Anerkennung der Vaterschaft entsteht rechtlich ein Verwandtschaftsverhältnis. Es ist normativ für den Anerkennenden mit dem Elternrecht auf Pflege und Erziehung des Kindes (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), aber auch mit den damit korrespondierenden Pflichten (z.B. Betreuung und Erziehung; Unterhaltsgewährung) verbunden. Diese aus der Vaterschaftsanerkennung resultierende elterliche Verantwortung (s. etwa BVerfG, Urteil vom 24. März 1981 - 1 BvR 1516/78 u.a. - BVerfGE 56, 363 <382>) als ein Grundrecht im Interesse des Kindes (BVerfG, Urteile vom 6. Februar 2001 - 1 BvR 12/92 - BVerfGE 103, 89 <107> und vom 1. April 2008 - 1 BvR 1620/04 - BVerfGE 121, 69 <92>) muss der Anerkennende auch tatsächlich wahrnehmen (""leben"") wollen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 ); eine Anerkennung ist jedenfalls dann missbräuchlich, wenn weder eine persönliche Beziehung mit dem Kind oder dessen Mutter angestrebt wird noch die Bereitschaft besteht, ohne persönlichen Kontakt mögliche Rechte oder Pflichten, die mit der rechtlichen Elternschaft verbunden sind, wahrzunehmen. 30 Das konkret zu fordernde Maß der tatsächlichen Wahrnehmung hat indes die Vielfalt grundrechtlich geschützter Möglichkeiten zu berücksichtigen, Eltern-Kind-Beziehungen autonom und weitestgehend frei von staatlichen Vorgaben auszugestalten; es gibt kein staatlich vorgeprägtes Bild eines Eltern-Kind-Verhältnisses. Die Eltern können grundsätzlich frei vom staatlichen Einfluss nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen (vgl. etwa BVerfG, Urteile vom 16. Januar 2003 - 2 BvR 716/01 - BVerfGE 107, 104 <117> und vom 1. April 2008 - 1 BvR 1620/04 - BVerfGE 121, 69 <92>). Schon dies lässt vielfältige Ausformungen und Abstufungen in Bezug auf die ""gelebte"" Intensität einer grundrechtlich geschützten Eltern-Kind-Beziehung zu; ein Optimum oder gar ein Maximum gelebter väterlicher Fürsorge in materieller und immaterieller Hinsicht mag im Interesse des Kindes wünschenswert sein, ist aber gerade nicht Voraussetzung einer die Missbräuchlichkeit i.S.d. § 1597a Abs. 1 BGB ausschließenden Eltern-Kind-Beziehung. Überdies werden mit abnehmender Pflege- und Erziehungsbedürftigkeit sowie zunehmender Selbstbestimmungsfähigkeit des Kindes die im Elternrecht wurzelnden Rechtsbefugnisse zurückgedrängt, bis sie schließlich mit der Volljährigkeit des Kindes erlöschen (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 1982 - 1 BvR 845/79 - BVerfGE 59, 360 <382>; Beschluss vom 18. Juni 1986 - 1 BvR 857/85 - BVerfGE 72, 122 <137>). 31 Um eine i.S.d. § 1597a Abs. 1 BGB ""missbräuchliche"" Vaterschaftsanerkennung auszuschließen, kann das tatsächlich ""gelebte"" Eltern-Kind-Verhältnis auch erst angestrebt werden. Dieses Verhältnis umfasst notwendig Elemente von elterlicher Verantwortung, ohne dass diese in allen Dimensionen wahrgenommen werden muss. Namentlich müssen nicht alle in der elterlichen Sorge gebündelten Rechte und Pflichten durch den Anerkennenden in eigener Person oder gar in optimaler Weise wahrgenommen werden wollen. Erforderlich, aber hinreichend ist eine - angestrebte oder bereits wahrgenommene - tatsächliche Betätigung in Bezug auf einzelne Elemente der elterlichen Verantwortung wie z.B. die Gewährung von Sach- oder Barunterhalt. Die elterliche Verantwortung setzt eine häusliche Gemeinschaft nicht zwingend voraus; auch das Bestehen einer geistig-emotionalen Nähebeziehung kann ausreichen. Umgekehrt ist eine besondere geistig-emotionale Nähebeziehung nicht erforderlich, wenn andere aus der elterlichen Sorgen folgende Pflichten erfüllt werden (sollen und können); so ist etwa das Fehlen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB zwischen Vater und Kind kein zuverlässiger Indikator dafür, dass eine den Aufenthaltsstatus der Beteiligten objektiv verbessernde Vaterschaftsanerkennung gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile zielt (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 56). 32 3.2.3 Ob die vorbezeichneten Voraussetzungen gegeben sind, hat die Ausländerbehörde aufgrund einer umfassenden Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen. 33 a) Die Ausländerbehörde trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die aus der Vaterschaftsanerkennung folgende elterliche Verantwortung tatsächlich nicht wahrgenommen werden soll (vgl. auch Bergmann/Dienelt/Samel, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 85a AufenthG Rn. 15; VG Bremen, Beschluss vom 14. Oktober 2020 - 4 V 1713/20 -). Dem grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie ist dabei auch im Verfahren Rechnung zu tragen; ein tatsächlich bestehendes oder angestrebtes Familienleben darf im Rahmen des Prüfungsverfahrens nicht unnötig mit behördlichen und gerichtlichen Ausforschungen belastet werden. 34 b) Die ausländerbehördliche Prüfung hat umfassend alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, welche die Missbräuchlichkeit einer Vaterschaftsanerkennung zu be- oder widerlegen geeignet sind. Sie ist weder auf die in § 1597a Abs. 2 Satz 2 BGB nicht abschließend (""insbesondere"") aufgezählten Anzeichen für konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung (Verdachtstatbestände) noch auf die Regelvermutungstatbestände des § 85a Abs. 2 Satz 1 AufenthG beschränkt. Die Regelvermutungstatbestände enthalten indes eine Beweiserleichterung für die Ausländerbehörde, weil diese bei Vorliegen von einem oder mehreren Regelvermutungstatbeständen grundsätzlich von einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung ausgehen darf, wenn nicht Umstände erkennbar oder vorgetragen sind, welche die Vermutungswirkung entkräften oder gar widerlegen. Eine Umkehr der Beweislast tritt aber auch dann nicht ein, wenn und soweit ein die Vermutungswirkung ausfüllender Sachverhalt festgestellt (""bewiesen"") ist (in diese Richtung aber Bergmann/Dienelt/Samel, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 85a AufenthG Rn. 15; VG Dresden, Beschluss vom 1. Oktober 2018 - 3 L 611/18 - juris Rn. 18, 20; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 16. August 2018 - 24 K 1442/18 - juris Rn. 21). Für den Wegfall der Beweiserleichterung erforderlich, aber auch hinreichend ist, dass Umstände dargelegt und bewiesen werden, welche auch bei erfülltem Tatbestand die Vermutungswirkung widerlegen, oder die als atypische Umstände des Einzelfalls die Regelvermutung gar nicht erst entstehen lassen. Auch bei Erfüllung eines Regelvermutungstatbestandes liegt der Vollbeweis für ein Nichtvorliegen eines missbräuchlichen Zwecks nicht bei dem Anerkennenden. 35 Umgekehrt schließt das Nichtvorliegen von Regelvermutungstatbeständen eine Bewertung der Umstände des Einzelfalles dahin nicht zwingend aus, wenn anderweitige konkrete Anhaltspunkte nach Gewicht und Aussagekraft den Schluss rechtfertigten, dass eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung vorliegt. In diese Gesamtwürdigung können auch die in § 1597a Abs. 2 Satz 2 BGB genannten Verdachtstatbestände herangezogen werden, die indes nicht geeignet sind, die in § 85a Abs. 2 Satz 1 AufenthG abschließend aufgezählten Regelvermutungstatbestände zu erweitern. 36 c) Die Auslegung und Anwendung jedenfalls der Regelvermutungstatbestände des § 85a Abs. 2 Satz 1 AufenthG hat zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Vaterschaftsanerkennung grundsätzlich nicht an bestimmte Voraussetzungen gebunden hat und die Regelung dazu dient, eine missbräuchliche Umgehung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen zu verhindern. 37 aa) Für den Vermutungsbestand des § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 AufenthG folgt hieraus, dass eine Erklärung, die Anerkennung diene ""gezielt gerade einem Zweck"" im Sinne von § 1597a Abs. 1 BGB, nur dann vorliegt, wenn dies - auch unter Berücksichtigung des Zusammenhanges, in dem sie abgegeben worden ist, insoweit klar, eindeutig und unmissverständlich ist. Weil der Anerkennende die aufenthaltsrechtlichen Wirkungen, welche die Anerkennung der Vaterschaft eines minderjährigen Kindes nichtdeutscher Staatsangehörigkeit durch einen deutschen Staatsangehörigen zwangsläufig (auch) zeitigt, gezielt wollen und bezwecken darf (s.o. II. 3.2.1), reicht eine hierauf bezogene Erklärung nicht aus. Hinzutreten muss vielmehr der Sache nach die klare, eindeutige und unmissverständliche Erklärung, dass die Anerkennung nicht auch der Begründung, Fortsetzung oder Vertiefung einer Eltern-Kind-Beziehung dient. 38 bb) In Bezug auf den Regelvermutungstatbestand des § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG folgt aus einer systematischen Auslegung aus § 1597a Abs. 5 BGB, nach dem die Anerkennung einer Vaterschaft nicht missbräuchlich sein kann, wenn der Anerkennende der leibliche Vater des anzuerkennenden Kindes ist, dass die Anerkennung der Vaterschaft leiblicher Kinder auch dann, wenn diese von verschiedenen ausländischen Müttern stammen, bereits tatbestandlich der Regelung nicht unterfällt. § 1597a Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BGB und § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG setzen vielmehr voraus, dass der Anerkennende nicht der leibliche Vater der bereits anerkannten Kinder ist. 39 3.3 Das Oberverwaltungsgericht ist im sachlichen Einklang mit diesen Grundsätzen verfahrensfehlerfrei (3.4) und im Ergebnis zutreffend zu der im Rahmen der Prüfung der Zustimmungserklärung der Kindesmutter vorzunehmenden (3.3.1) Bewertung gelangt, dass die Anerkennung der Vaterschaft des M. durch den Kläger nicht i.S.d. § 1597a BGB missbräuchlich ist, weil die Voraussetzungen der Regelvermutungstatbestände des § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 3 AufenthG im Ergebnis nicht erfüllt sind (3.3.2) und sich dies auch nicht bei einer umfassenden Bewertung des Sachverhalts ergibt (3.3.3). 40 3.3.1 Das Oberverwaltungsgericht hat im Ansatz im Rahmen seiner Feststellung zu der Zustimmungserklärung der Kindesmutter geprüft, ob die Anerkennung der Vaterschaft durch den Kläger missbräuchlich ist. Im Einklang mit Bundesrecht (s.o. 3.1.1) hat es hierbei tragend auf die Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung und nicht auch darauf abgestellt, ob die Mutter des M. ihre Zustimmungserklärung aus Gründen abgegeben hat, die unabhängig von der Anerkennungserklärung durch den Kläger Missbrauch indizieren könnten. Dabei hat es nicht verkannt, dass konkrete Anhaltspunkte für den missbräuchlichen Charakter der Anerkennung erst bei der Beurkundung der Zustimmung durch die Kindesmutter bekannt werden können (BT-Drs. 18/12415 S. 22) (UA S. 15 f.). Nicht auf einen Rechtsfehler weist die Zusatzerwägung des Oberverwaltungsgerichts, dass auch keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass allein die Zustimmungserklärung der Kindesmutter missbräuchlich sei. 41 3.3.2 Im Ergebnis zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht weiterhin dahin erkannt, dass die Regelvermutungstatbestände des - hier allein in Betracht kommenden - Nr. 1 oder 3 des § 85a Abs. 2 Satz 1 AufenthG im vorliegenden Fall nicht greifen. 42 Die insoweit von der Beklagten herangezogenen Äußerungen des Klägers in einer Schutzschrift hat es dahin bewertet, dass seine Anerkennung nicht im Rechtssinne ""gezielt gerade einem Zweck im Sinne von § 1597a Abs. 1 BGB dient"", und zur Begründung auf den Zusammenhang mit den weiteren Äußerungen in der Schutzschrift verwiesen, nach denen der Kläger vom Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen ihm und M. ausgehe und er diesen u.a. materiell unterstützt habe. Unabhängig davon, ob die in diesem Zusammenhang referierten Äußerungen des Klägers in vollem Umfange zutreffen oder - so die Beklagte - den Grad der sozial-familiären Beziehungen sowie das Maß der Unterstützung überzeichnen, schließt bereits dieser Zusammenhang eine klare, eindeutige und unmissverständliche Erklärung i.S.d. § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG (s.o. 3.2.3 lit. c aa ) aus. 43 Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht nicht auf den Regelvermutungstatbestand des § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG (mehrfache Anerkennung der Vaterschaft von Kindern verschiedener ausländischer Mütter) abgestellt. Nach der von ihm getroffenen tatrichterlichen Feststellung, dass der Kläger der leibliche Vater der bislang anerkannten Kinder ist, hätte es insoweit zwar bereits den Tatbestand der Regelvermutung als nicht erfüllt sehen müssen (s.o. 3.2.3 lit. c bb ) und nicht erst darauf abstellen dürfen, dass wegen der auch biologischen Vaterschaft die Regelvermutung hinreichend erschüttert sei. Diese Unterschiede der dogmatischen Zuordnung des Rechtsgedankens des § 1597a Abs. 5 BGB, dass bei einer leiblichen Abstammung feststeht, dass die Vaterschaft nicht missbräuchlich anerkannt wurde, ändert indes nichts an der zutreffenden Bewertung, dass dieser Regelvermutungsgrund nicht greift. 44 3.3.3 Das Oberverwaltungsgericht hat sich im Rahmen seiner umfassenden Bewertung der aus seiner Sicht für und gegen eine Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung durch den Kläger sprechenden Anhaltspunkte (UA S. 20 ff.) der Sache nach nicht auf die Prüfung beschränkt, ob der aufenthaltsrechtliche Zweck deren ""alleiniger Grund"" gewesen ist. Es hat vielmehr eine von ihm nicht als ausreichend angesehene Förderungs- und Unterstützungsabsicht durch Verschaffung der deutschen Staatsangehörigkeit (auch dies ginge schon über eine ""rein"" aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung hinaus), das Alter des M., das bereits im Zeitpunkt des Kennenlernens nicht mehr dem Alter entspreche, in dem erstmals eine Vater-Kind-Beziehung begründet werde, dem Fehlen einer von M. unabhängigen Beziehung zur Kindesmutter und den Vorgängen um die Beantragung eines Schengen-Visums als Anhaltspunkte für eine rein aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung berücksichtigt. Für seine Bewertung, der Kläger habe die Vaterschaft nicht allein aus aufenthaltsrechtlichen Motiven anerkannt, hat es dann aber maßgeblich auf die - tatrichterlich festgestellten, im Einzelnen beschriebenen - persönlichen und emotionalen Bindungen, die aus Sicht des Klägers zeitlich nicht begrenzt seien, sowie dessen Bereitschaft abgestellt, für M. Verantwortung zu übernehmen. Dies knüpft auch insoweit an das für die Abgrenzung maßgebliche Kriterium an (s.o. 3.2.1, 3.2.2), als das Oberverwaltungsgericht davon ausgeht (UA S. 24), dass die von ihm festgestellte Beziehung den Zweck der Vaterschaftsanerkennung selbst dann nicht missbräuchlich machten, wenn damit keine umfassende Vater-Kind-Beziehung beabsichtigt sei. 45 3.4 Die mit der Revision geltend gemachten Verfahrensmängel liegen - ihre hinreichende Darlegung unterstellt - jedenfalls in der Sache nicht vor. Das Berufungsgericht ist verfahrensfehlerfrei zu seiner Bewertung gelangt, dass die Vaterschaftsanerkennung durch den Kläger nicht i.S.d. § 1597a BGB missbräuchlich ist. 46 3.4.1 Das Oberverwaltungsgericht hat seiner richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO) keinen aktenwidrigen Sachverhalt zu Grunde gelegt. 47 a) Die Verfahrensrüge, das Gericht habe den Sachverhalt ""aktenwidrig"" festgestellt, betrifft den Grundsatz der freien Beweiswürdigung und das Gebot der sachgerechten Ausschöpfung des vorhandenen Prozessstoffs (vgl. § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es verletzt § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wenn das Verwaltungsgericht bei seiner Beweiswürdigung von einem zweifelsfrei unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht (BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 -). Dies bedingt die schlüssig vorgetragene Möglichkeit, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss dieser Widerspruch offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf; der Widerspruch muss also ""zweifelsfrei"" sein (BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338; Beschlüsse vom 19. November 1997 - 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1 und vom 4. Oktober 2005 - 6 B 40.05 - juris Rn. 23; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 108 Rn. 57). Aktenwidrig kann mithin nur ein evidenter und zweifelsfreier Widerspruch sein; die Unrichtigkeit der getroffenen Feststellung muss ohne wertende Würdigung offen zutage liegen (BVerwG, Urteile vom 27. September 2006 - 9 C 4.05 - BVerwGE 126, 378 Rn. 19 und vom 25. November 2008 - 10 C 25.07 - NVwZ 2009, 595, 596 ). 48 Die Verfahrensrüge der ""Aktenwidrigkeit"" verlangt eine genaue Darstellung des Verstoßes, und zwar durch konkrete Angaben von Textstellen aus dem vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll. Diese Voraussetzungen sind erforderlich, da eine Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung als solche nicht als Verfahrensmangel rügefähig ist (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1999 - 4 BN 41.99 - UPR 2000, 226). 49 Auch ohne fristgerechte Verfahrensrüge darf ein offensichtlicher Widerspruch zwischen einer tatsächlichen Feststellung in der angefochtenen Entscheidung und der Aktenlage vom Revisionsgericht von Amts wegen berücksichtigt werden (BVerwG, Urteile vom 25. November 2008 - 10 C 25.07 - Buchholz 402.25 § 71 AsylVfG Nr. 15, vom 19. Juli 2012 - 10 C 2.12 - BVerwGE 143, 369 Rn. 16 und vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 79). Das setzt voraus, dass die Verwaltungsvorgänge, aus denen sich ein solcher offensichtlicher Widerspruch ergibt, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung der Vorinstanz gemacht und im angegriffenen Urteil verwendet worden sind. Eine widersprüchliche oder aktenwidrige Feststellung entfaltet keine Bindungswirkung (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1988 - 9 C 54.87 - BVerwGE 79, 291, 297 f.; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 137 Rn. 70). Aktenwidrig kann aber nur ein evidenter und zweifelsfreier Widerspruch sein; die Unrichtigkeit der getroffenen Feststellung muss ohne wertende Würdigung offen zutage liegen (BVerwG, Urteile vom 27. September 2006 - 9 C 4.05 -, BVerwGE 126, 378 Rn. 19 und vom 25. November 2008 - 10 C 25.07 - NVwZ 2009, 595, 596 = Rn. 17). 50 b) Nach diesen Maßstäben ist ein Verfahrensfehler wegen aktenwidriger Feststellungen nicht zu erkennen. 51 In Bezug auf die Äußerungen des Klägers in der Schutzschrift, welche die Beklagte als Erklärung i.S.d. § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gewertet wissen will, vernachlässigt das Vorbringen bereits, dass es auch nach Nr. 3.2.1 des Rundschreibens des Bundesministeriums des Innern und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Anwendung der Gesetzesregelungen zur Verhinderung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen vom 21. Dezember 2017 (BMI M3 - 20010/10#7; BMJV IVB2 - 1103/11 - 46 62/2017) nicht ausreichend ist, wenn der Anerkennenden angibt, die Anerkennung diene auch einem in § 1597a Abs. 1 BGB genannten Zweck. Die herangezogene Formulierung wird zudem - ebenso wie weitere Formulierungen aus dieser Schutzschrift - ohne die gebotene Berücksichtigung des Kontextes bewertet, ohne dass der von der Beklagten angenommene Aussagegehalt die sich aufdrängende oder gar einzig mögliche Ausdeutung der Äußerungen wäre. Soweit das Berufungsgericht dort die weiteren Angaben des Klägers in dieser Schutzschrift zur Intensität der Kontakte und dem Umfang der Unterstützung referiert, welche die Beklagte für sachlich unzutreffend hält, scheitert eine Aktenwidrigkeit bereits daran, dass sich das Oberverwaltungsgericht diese Äußerungen als Tatsachenfeststellungen weder an dieser Stelle noch sonst zu eigen gemacht hat. 52 Aus dem Kontext gelöst und nicht zwingend sind auch die Schlussfolgerungen, welche die Beklagte aus dem vom Kläger verwendeten Begriff der ""Mission"" zieht. Bei den weiteren Einwendungen gegen die Feststellung und Würdigung des Sachverhaltes ist jedenfalls nicht benannt, zu welchen Akteninhalten sich ein evidenter und zweifelsfreier Widerspruch ergeben soll; auch das Vorbringen, die Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts seien in sich widersprüchlich, gründen durchweg auf einer abweichenden Bewertung einzelner Sachverhaltselemente. 53 3.4.2 Die Rüge eines - von der Heranziehung aktenwidriger Feststellungen unabhängigen - Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) greift ebenfalls nicht durch. 54 a) Die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts ist vorrangig Aufgabe der Tatsachengerichte und unterliegt nur eingeschränkter Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist indes nicht schon dann infrage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Die Freiheit richterlicher Überzeugungsbildung findet zwar ihre Grenzen nicht nur im anzuwendenden Recht und dessen Auslegung, sondern auch in Bestimmungen, die den Vorgang der Überzeugungsbildung leiten. Hierzu zählen etwa gesetzliche Beweisregeln, allgemeine Erfahrungssätze und die Denkgesetze. Des Weiteren verlangt das Gebot der freien Beweiswürdigung, dass das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt. Das Gericht darf also nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht. Danach liegt ein Verstoß gegen dieses Gebot vor, wenn ein Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, es insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen, oder sein Urteil zu einer entscheidungserheblichen Frage auf zwei einander widersprechende Tatsachenfeststellungen stützt (vgl. zu Vorstehendem BVerwG, Urteil vom 22. Mai 2019 - 1 C 11.18 - NVwZ-RR 2019, 1018 Rn. 27 m.w.N.). 55 b) Nach diesen Grundsätzen ergibt sich aus dem Revisionsvorbringen keine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes. Der Sache nach wendet sich die Beklagte gegen die Feststellung und Würdigung des Sachverhaltes und stellt ihr die aus ihrer Sicht vorzugswürdige Bewertung entgegen, ohne einen Verfahrensfehler aufzuzeigen. 56 3.4.3 Entsprechendes gälte, soweit das Revisionsvorbringen dahin zu verstehen sein sollte, dass auch eine unzureichende Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend gemacht werden sollte. 57 Ein Tatsachengericht verletzt allerdings seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung, wenn sich ihm auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2015 - 1 B 2.15 - juris Rn. 2). Für eine entsprechende Rüge ist im Revisionsverfahren nicht nur auszuführen, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen jeweils in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; darzulegen ist auch, dass bereits im Verfahren vor dem Berufungsgericht auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder dass sich dem Berufungsgericht weitere Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (BVerwG, Urteile vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 m.w.N. und vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - BVerwGE 153, 234 Rn. 16). Daran fehlt es vorliegend; ein Aufklärungsmangel ist indes auch in der Sache selbst nicht erkennbar. 58 3.5 Die Feststellung der Beklagten, dass die Anerkennung der Vaterschaft durch den Kläger i.S.d. § 1597a BGB missbräuchlich sei, ist mithin nicht zu Recht erfolgt. Der angegriffene Feststellungsbescheid ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies hat das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden, so dass die Revision der Beklagten unbegründet ist. 59 Nicht zu entscheiden sind bei dieser Sachlage die vom Oberverwaltungsgericht im Ergebnis verneinten Fragen, ob sich eine fehlende Anhörung durch die beurkundende Stelle zu der beabsichtigten Aussetzung (§ 1597a Abs. 2 Satz 1 BGB) in dem vorgelagerten Vorprüfungsverfahren auf das ausländerbehördliche Prüfungsverfahren auswirken kann, ob es einer wie auch immer gestalteten förmlichen Mitteilung der beurkundenden Stelle an die zuständige Ausländerbehörde auch dann bedarf, wenn für beide Prüfungsschritte dieselbe Behörde im organisationsrechtlichen Sinne zuständig ist, und ob eine unterlassene oder unzureichende Anhörung der Ausländerbehörde zu einer Feststellung nach § 85a Abs. 1 Satz 2 AufenthG in entsprechender Anwendung des § 46 VwVfG nicht zur Aufhebung der gebundenen Feststellungsentscheidung führt. 60 4. Die Revision hat auch insoweit keinen Erfolg, als es den Ausspruch zur Verfahrenseinstellung betrifft. Mit der behördlichen Feststellungspflicht nach § 85a Abs. 1 Satz 2 AufenthG korrespondiert ein entsprechender Aufhebungs- und Einstellungsanspruch der von einer materiell-rechtswidrigen Feststellung nach § 85a Abs. 1 Satz 2 AufenthG Betroffenen (4.1). Bei der gerichtlichen Aufhebung einer behördlichen Feststellung hat der Betroffene - jedenfalls dann, wenn diese erfolgt, weil die Vaterschaftsanerkennung nicht missbräuchlich ist - auch ein Rechtsschutzbedürfnis dafür, dass die Ausländerbehörde das Verfahren ausdrücklich einstellt; § 44a VwGO steht dem nicht entgegen (4.2). Dieser Anspruch ist auf eine formlose Verfahrenshandlung gerichtet, die keinen Verwaltungsakt bildet, und ist daher mit einem Leistungs-, nicht einem Verpflichtungsbegehren zu verfolgen; insoweit ist der Entscheidungsausspruch des Oberverwaltungsgerichts klarzustellen (4.3). 61 4.1 § 85a Abs. 1 Satz 3 AufenthG knüpft die Einstellung des Verfahrens an das Ergebnis der ausländerbehördlichen Prüfung, wenn diese ergibt, dass die Vaterschaftsanerkennung nicht missbräuchlich ist. Diese Einstellungspflicht besteht bei einer rechtsschutzorientierten Auslegung jedenfalls auch dann, wenn eine ausländerbehördliche Feststellung nach § 85a Abs. 1 Satz 2 AufenthG durch verwaltungsgerichtliche Entscheidung rechtskräftig aufgehoben wird, weil die zu prüfende Vaterschaftsanerkennung nicht i.S.d. § 1597a Abs. 1 BGB missbräuchlich ist. Der Gesetzgeber hat für die Einstellung des Verfahrens erkennbar auf die materiell-rechtliche Rechtslage abgestellt, nicht auf das - materiell-rechtswidrige - Ergebnis der erfolgreich angefochtenen ausländerbehördlichen Prüfung. Der behördlichen Pflicht zur Einstellung des Verfahrens entspricht ein Anspruch der vom Prüfungsverfahren Betroffenen auf dessen Einstellung. Er kann im Wege der Klagehäufung (§ 44 VwGO) mit dem Anfechtungsbegehren verbunden werden (vgl. auch § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO). 62 4.2 Der Kläger hat ein Rechtsschutzbedürfnis für die auf Verfahrenseinstellung gerichtete Klage. Die verwaltungsgerichtliche Aufhebung des Bescheides vom 20. April 2018 allein bewirkt nicht das Ende des systematisch vom einzelnen Verwaltungsverfahren zu unterscheidenden ausländerbehördlichen Prüfungsverfahrens nach § 85a Abs. 1 AufenthG, das (regelmäßig) durch die Mitteilung der beurkundenden Stelle eingeleitet wird, und beseitigt als solche nicht die Beurkundungssperre des § 1597a Abs. 3 BGB. Dies bewirkt erst die Verfahrenseinstellung; § 85a Abs. 1 Satz 3 AufenthG dient insoweit auch der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in Bezug auf die zeitliche Reichweite der Beurkundungssperre des § 1597a Abs. 3 BGB. 63 Der - hier überdies mit der Anfechtungsklage gegen den Feststellungsbescheid der Beklagten verbundenen, also nicht isoliert erhobenen - Klage steht § 44a Satz 1 VwGO nicht entgegen. § 85a Abs. 1 Satz 3 AufenthG verselbständigt zudem die Einstellungsentscheidung bei Nichtvorliegen einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung insoweit, als bei rechtmäßigem behördlichem Handeln in Fällen nichtmissbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung keine anderweitige Sachentscheidung ergeht. Der auf Verfahrenseinstellung gerichteten Klage gebührte nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO Vorrang vor der anderweitig in Betracht kommenden negativen Feststellungsklage, gerichtet auf die Feststellung, dass die Vaterschaftsanerkennung nicht missbräuchlich ist. 64 4.3 Die ausländerbehördliche Einstellung des Verfahrens nach § 85a Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist der Sache nach das Gegenstück zur Aussetzungs- und Übermittlungsentscheidung nach § 1597a Abs. 2 BGB. Sie erfolgt als unselbständige Verfahrenshandlung, entgegen der - mit durchaus beachtlichen Gründen vertretenen - Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht durch Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG). Der Gesetzgeber hat das Gegenstück zur (positiven) Feststellung einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung (§ 85a Abs. 1 Satz 2 AufenthG) gerade nicht als (negative) Feststellung ausgestaltet. § 85a Abs. 3 Satz 2 AufenthG sieht bei der Verfahrenseinstellung auch in Bezug auf die Beteiligten lediglich eine ""Mitteilung"", nicht aber eine Bekanntgabe (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) vor; die Mitteilung ist auch nicht an die ""Unanfechtbarkeit"" der Verfahrensmitteilung gebunden. Der Wegfall der Beurkundungssperre (§ 1597a Abs. 3 BGB) ist Folge der Mitteilung, nicht Regelungsgegenstand der Verfahrenseinstellung; sie ermöglicht die Beurkundung einer für das Wirksamwerden der Vaterschaftsanerkennung erforderlichen Erklärung, verpflichtet als solche die beurkundende Stelle aber nicht dazu, die Beurkundung vorzunehmen. 65 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2021-44,25.06.2021,"Pressemitteilung Nr. 44/2021 vom 25.06.2021 EN Für die Entscheidung über Anordnungen gegenüber einer Schule gemäß § 1666 Abs. 1 und 4 BGB wegen dort geltender Corona-Schutzmaßnahmen verbleibt es bei der Zuständigkeit der Amtsgerichte/Familiengerichte Für die Entscheidung über eine an ein Amtsgericht gerichtete Anregung, die auf gerichtliche Anordnungen gegen eine Schule gemäß § 1666 Abs. 1 und 4 BGB wegen Corona-Schutzmaßnahmen zielt, sind die Amtsgerichte/Familiengerichte zuständig. Die Verweisung eines solchen Verfahrens an ein Verwaltungsgericht ist ausnahmsweise wegen eines groben Verfahrensverstoßes nicht bindend. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit Beschluss vom 16. Juni 2021 entschieden. Die Eltern minderjähriger Schüler hatten beim Amtsgericht Tecklenburg die Einleitung eines Verfahrens gem. § 1666 Abs. 1 und 4 BGB zur Beendigung der von ihnen befürchteten nachhaltigen Gefährdung des Kindeswohls angeregt, die sich u.a. aufgrund schulinterner Anordnungen zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes sowie zur Einhaltung von Mindestabständen zu anderen Personen ergebe. Das Amtsgericht hat mit Beschlüssen vom 23. April 2021 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Münster verwiesen. Das Verwaltungsgericht Münster wiederum hat mit Beschluss vom 26. Mai 2021 den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und das Bundesverwaltungsgericht zur Bestimmung der Zuständigkeit angerufen. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass das Amtsgericht Tecklenburg trotz der Verweisungsbeschlüsse vom 23. April 2021 zuständig geblieben ist. Zwar ist eine Verweisung für das Gericht, an das das Verfahren verwiesen worden ist, grundsätzlich bindend. Das gilt jedoch nicht, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht mehr nachvollziehbar erscheint und offensichtlich unhaltbar ist. Ein derartig qualifizierter Verfahrensverstoß des Amtsgerichts liegt hier vor. Denn die Eltern hatten sich in ihrem Schreiben an das Amtsgericht ausdrücklich darauf beschränkt, ein familiengerichtliches Tätigwerden gegen die Schule auf der Grundlage des § 1666 Abs. 1 und 4 BGB anzustoßen. Unterlassungsansprüche gegen die Schule, über die die Verwaltungsgerichte zu entscheiden hätten, haben sie nicht geltend gemacht. Über Maßnahmen gemäß § 1666 BGB entscheidet das Amtsgericht/Familiengericht jedoch selbständig von Amts wegen. Es hätte keine Verweisung aussprechen, sondern - da familiengerichtliche Anordnungen gegenüber Behörden rechtlich ausgeschlossen sind - entweder auf die Eröffnung eines Verfahrens verzichten oder ein bereits eröffnetes Verfahren einstellen müssen. Die trotzdem ausgesprochene Verweisung führt zu Brüchen mit den Prozessgrundsätzen der Verwaltungsgerichtsordnung. Diese kennt keine von Amts wegen einzuleitenden Verfahren, sondern überlässt es dem Kläger bzw. Antragsteller, ob und mit welcher Zielrichtung er ein Verfahren einleiten will. Erwiese sich die Verweisung für das Verwaltungsgericht als bindend, fänden sich die Kinder, für die lediglich bestimmte Maßnahmen angeregt wurden, nunmehr in der Rolle von Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens wieder. Das entspräche weder ihrem Willen noch ihrer vormaligen Stellung vor dem Amtsgericht. Deshalb erweist sich die Verweisung mit den Prinzipien der Verwaltungsgerichtsordnung als schlechterdings unvereinbar und löst für das Verwaltungsgericht keine Bindungswirkung aus. BVerwG 6 AV 1.21 - Beschluss vom 16. Juni 2021 Vorinstanz: VG Münster, VG 5 L 339/21 - Beschluss vom 26. Mai 2021 - BVerwG 6 AV 2.21 - Beschluss vom 16. Juni 2021 Vorinstanz: VG Münster, VG 5 L 340/21 - Beschluss vom 26. Mai 2021 -","27.07.2021 · IWW-Abrufnummer 223706 Bundesverwaltungsgericht: Beschluss vom 16.06.2021 – 6 AV 1.21 1. Bei einem rechtswegübergreifenden negativen Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten der ordentlichen und der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist für die Bestimmung des zuständigen Gerichts in analoger Anwendung des § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO derjenige oberste Gerichtshof des Bundes zuständig, der einem der beteiligten Gerichte übergeordnet ist und zuerst angegangen wird (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung). 2. Auch ein unanfechtbarer, fehlerhafter Verweisungsbeschluss an ein Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit ist gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG hinsichtlich des Rechtswegs bindend. Das gilt nur dann nicht, wenn die Entscheidung ausnahmsweise schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist, d.h. nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist. 3. Die Verweisung eines beim Amtsgericht/Familiengericht angeregten, auf Maßnahmen gegen eine Schule auf der Grundlage des § 1666 Abs. 1 und 4 BGB abzielenden Amtsverfahrens an ein Verwaltungsgericht ist verfahrensfehlerhaft und löst wegen des dadurch auftretenden unauflösbaren Widerspruchs mit Prozessmaximen der Verwaltungsgerichtsordnung keine Bindungswirkung aus. BundesverwaltungsgerichtBeschluss vom 16.06.2021BVerwG 6 AV 1.21In den Verwaltungsstreitsachenhat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichtsam 16. Juni 2021durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. xxx,den Richter am Bundesverwaltungsgericht xxx unddie Richterin am Bundesverwaltungsgericht xxx beschlossen:Tenor:Die Verfahren werden verbunden.Als zuständiges Gericht wird das Amtsgericht Tecklenburg/Familiengericht bestimmt.GründeI1Die Antragsteller, vertreten durch ihre Eltern, haben bei dem Amtsgericht Tecklenburg die Einleitung eines ""Kinderschutzverfahrens gem. § 1666 Abs. 1 und 4 BGB"" zur Beendigung der nachhaltigen Gefährdung des Kindeswohls angeregt, die sich u.a. aufgrund schulinterner Anordnungen zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes sowie zur Einhaltung von Mindestabständen zu anderen Personen ergebe. Deren Aufhebung sowie zeitnahe familiengerichtliche Anordnungen gegenüber den Lehrkräften und der Schulleitung seien zur Abwehr von Schäden der Antragsteller dringend erforderlich.2Das Amtsgericht/Familiengericht hat nach Anhörung der Antragsteller, die sich einer Verweisung widersetzt haben, mit Beschlüssen vom 23. April 2021 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und die Rechtsstreitigkeiten an das Verwaltungsgericht Münster verwiesen. Denn die Antragsteller wendeten sich gegen hoheitliches Handeln und für solche Streitigkeiten sei ausschließlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Die Beschlüsse sind unanfechtbar.3Das Verwaltungsgericht hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es sich für unzuständig halte und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit Beschlüssen vom 26. Mai 2021 hat es den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und das Bundesverwaltungsgericht zur Bestimmung der Zuständigkeit angerufen.II41. Das Bundesverwaltungsgericht ist zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem Amtsgericht Tecklenburg und dem Verwaltungsgericht Münster berufen.5Gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VwGO wird ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit von dem Gericht entschieden, das den beteiligten Gerichten übergeordnet ist. Zwar ist diese Vorschrift auf den Kompetenzkonflikt zwischen einem Verwaltungsgericht und einem Amtsgericht weder unmittelbar anwendbar noch gibt es für einen solchen Fall an anderer Stelle eine gesetzliche Regelung. Diese Regelungslücke ist aber - im Einklang mit der Rechtsprechung anderer oberster Gerichtshöfe des Bundes - in der Weise zu schließen, dass dasjenige oberste Bundesgericht den negativen Kompetenzkonflikt zwischen den Gerichten verschiedener Gerichtszweige entscheidet, das einem der beteiligten Gerichte übergeordnet ist und zuerst angegangen wird (BVerwG, Beschluss vom 10. April 2019 - 6 AV 11.19 - NJW 2019, 2112; BGH, Beschluss vom 26. Juli 2001 - X ARZ 69/01 - NJW 2001, 3631 <3632>). Denn obwohl ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener Beschluss, mit dem ein Gericht den bestrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine Zuständigkeitsbestimmung in Analogie zu § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit geboten, wenn es in einem Verfahren zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13 - MDR 2013, 1242 zu § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO). Eine solche Situation ist vorliegend gegeben. Sowohl das Amtsgericht Tecklenburg als auch das Verwaltungsgericht Münster haben entschieden, dass der Rechtsweg zu ihnen unzulässig sei.62. Für eine Entscheidung über die von den Antragstellern angeregten Maßnahmen gegenüber der Schule ist das Amtsgericht Tecklenburg/Familiengericht trotz der Verweisungsbeschlüsse vom 23. April 2021 zuständig geblieben. Denn die Antragsteller haben keinen kontradiktorischen Parteistreit um Unterlassungsansprüche gegen die Schule eingeleitet (2.1), so dass sich die Verweisungen des Amtsgerichts in so qualifizierter Weise als verfahrensfehlerhaft erweisen, dass sie keine Bindungswirkung zu äußern vermögen (2.2).72.1 Die Auslegung der an das Amtsgericht/Familiengericht gerichteten Schreiben der Antragsteller vom 14. April 2021 führt zu dem Ergebnis, dass sie keine gegen die Schule gerichteten Unterlassungsansprüche in einem kontradiktorischen Parteistreit geltend machen wollen. Für solch ein gerichtliches Streitverfahren wäre der vom Amtsgericht auf § 17a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 GVG gestützte Ausspruch der Unzulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten allerdings im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn über derartige Unterlassungsansprüche hätten gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Verwaltungsgerichte zu entscheiden. Sie beträfen das Schulverhältnis als Rechtsverhältnis zwischen dem Schüler und einer öffentlichen, von einer Gebietskörperschaft getragenen Schule, deren Handeln in inneren Schulangelegenheiten einschließlich der Schulordnungsmaßnahmen nach nordrhein-westfälischem Landesrecht dem Land zugerechnet wird (OVG Münster, Beschluss vom 14. Januar 2011 - 19 B 14/11 - NWVBl 2011, 270). Davon erfasst würden auch von der Schule angeordnete coronabedingte Schutzmaßnahmen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 28. April 2021 - 9 WF 343/21 - juris Rn. 8 ff.; OLG Naumburg, Beschluss vom 14. Mai 2021 - 1 UF 136/21 - juris Rn. 45 ff.).8Das Begehren der Antragsteller in ihren Schreiben vom 14. April 2021 an das Amtsgericht/Familiengericht beschränkt sich jedoch ausdrücklich darauf, ein familiengerichtliches Einschreiten des Amtsgerichts/Familiengericht gegen die Schule auf der Grundlage des § 1666 Abs. 1 und 4 BGB anzustoßen. Demzufolge liegt kein verfahrenseröffnender Sachantrag als Verfahrens- oder Prozesshandlung vor, sondern lediglich eine an das Amtsgericht/Familiengericht gerichtete Anregung gemäß § 24 Abs. 1 FamFG. Weder die Verfasser noch deren Kinder wurden dadurch zu Antragstellern im verfahrensrechtlichen Sinne (Ahn-Roth, in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 24 Rn. 3). Ein Prozess- oder Verfahrensrechtsverhältnis wurde durch diese Anregung nicht begründet.92.2 Gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG ist ein Verweisungsbeschluss für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs bindend. Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 23. April 2021 sind unanfechtbar geworden. Die in § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG angeordnete Bindungswirkung tritt auch bei einem fehlerhaften Verweisungsbeschluss ein, etwa wenn der Rechtsweg zu dem verweisenden Gericht entgegen dessen Rechtsauffassung gegeben war (BVerwG, Beschluss vom 10. März 2016 - 6 AV 1.16 - Buchholz 300 § 17a GVG Nr. 36 Rn. 4) oder das Gericht den Verweisungsbeschluss entgegen § 17a Abs. 4 Satz 2 GVG nicht begründet oder unter Verletzung des rechtlichen Gehörs (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2003 - X ARZ 138/03 - NJW 2003, 2990) getroffen hat.10Mit Rücksicht auf die in § 17a GVG eröffnete Möglichkeit, einen Verweisungsbeschluss in dem in § 17a Abs. 4 Satz 3 - 6 GVG vorgesehenen Instanzenzug überprüfen zu lassen, kann die gesetzlich angeordnete Bindungswirkung eines unanfechtbaren Verweisungsbeschlusses allenfalls bei extremen Rechtsverstößen durchbrochen werden. Das ist nur dann der Fall, wenn sich die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. Juni 1970 - 2 BvR 48/70 - BVerfGE 29, 45 <48 f.>, vom 23. Juni 1981 - 2 BvR 1107, 1124/77 und 195/79 - BVerfGE 58, 1 [BVerfG 23.06.1981 - 2 BvR 1124/77] <45> und vom 26. August 1991 - 2 BvR 121/90 - NJW 1992, 359 <361>). Hiervon kann ausgegangen werden, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BVerwG, Beschlüsse vom 10. März 2016 - 6 AV 1.16 - Buchholz 300 § 17a GVG Nr. 36 Rn. 4 und vom 10. April 2019 - 6 AV 11.19 - NJW 2019, 2112 Rn. 10; BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 2003 - X ARZ 138/03 - NJW 2003, 2990 <2991>, vom 9. Dezember 2010 - Xa ARZ 283/10 - MDR 2011, 253 und vom 18. Mai 2011 - X ARZ 95/11 - NJW-RR 2011, 1497; BFH, Beschluss vom 20. Dezember 2004 - VI S 7/03 - BFHE 209, 1 <3 f.>). Der den Verweisungsbeschlüssen des Amtsgerichts vom 23. April 2021 zugrundeliegende Verfahrensverstoß erweist sich als in dieser Weise qualifiziert, denn er führt zu einem unauflösbaren systematischen Widerspruch mit den Prozessmaximen der Verwaltungsgerichtsordnung.11Das Amtsgericht hat auf der Grundlage seines unzutreffenden Verständnisses des Begehrens der Antragsteller zu Unrecht die Konsequenz gezogen, die Verfahren an das Verwaltungsgericht zu verweisen. Denn die Vorschrift des § 17a GVG ist einschränkend dahingehend auszulegen, dass eine Verweisung von Amts wegen betriebener Verfahren ohne Charakter eines Parteienstreits mangels ""Beschreitung eines Rechtswegs"" durch einen Antragsteller oder Kläger nicht in Betracht kommt, sondern diese bei fehlender Zuständigkeit einzustellen sind (OLG Nürnberg, Beschluss vom 28. April 2021 - 9 WF 343/21 - juris Rn. 16; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28. April 2021 - 20 WF 70/21 - juris Rn. 5; OLG Frankfurt, Beschluss vom 5. Mai 2021 - 4 UF 90/21 - juris Rn. 10; OLG Naumburg, Beschluss vom 14. Mai 2021 - 1 UF 136/21 - juris Rn. 48; vgl. ferner Mayer, in: Kissel, GVG, 10. Aufl. 2021, § 17 Rn. 62; BT-Drs. 16/6308 S. 318 zu § 17a Abs. 6 GVG). Das Verfahren nach § 1666 BGB ist ein Amtsverfahren (OLG Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2018 - 13 WF 38/18 - NJW 2018, 1619; Schwab, in: MüKo zum BGB, Bd. 10, 8. Aufl. 2020, § 1666 Rn. 223; Coester, in: Staudinger, BGB, Buch 4, 2020, § 1666 Rn. 261), so dass das an das Amtsgericht/Familiengericht gerichtete Schreiben der Antragsteller - wie bereits ausgeführt - keinen Sachantrag, sondern lediglich eine Anregung gemäß § 24 Abs. 1 FamFG enthielt (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 15. Januar 2018 - 9 WF 12/18 - FamRZ 2018, 1012). Da kein Antragsverfahren (vgl. § 23 FamFG) vorlag, durfte das Amtsgericht keine Verweisung aussprechen. Mangels Eröffnung des Zivilrechtswegs hätte es entweder auf die Eröffnung eines Verfahrens verzichten oder ein bereits eröffnetes Verfahren einstellen müssen.12Da sich auch im Falle einer fehlerhaften Verweisung an ein Verwaltungsgericht das von diesem anzuwendende Prozessrecht im Grundsatz nach der Verwaltungsgerichtsordnung bestimmt, führt die Verweisung im vorliegenden Fall zu systematischen Friktionen mit den Prozessmaximen der Verwaltungsgerichtsordnung. Zwar hat der iudex ad quem auch im Falle einer fehlerhaften Verweisung mit Blick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes die Rechtsschutzfunktion des verweisenden Gerichts zu übernehmen. Das kann aber allenfalls zu Modifikationen der zugrunde zu legenden Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung führen (BVerwG, Urteil vom 6. Juni 1967 - 4 C 216.65 - BVerwGE 27, 170 <175>; BFH, Beschluss vom 14. Oktober 2005 - VI S 17/05 - DStRE 2006, 440; Ehlers, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 41 VwGO/§ 17a GVG Rn. 19), nicht jedoch deren grundlegende Verfahrensgrundsätze überspielen.13Die Verwaltungsgerichtsordnung gehorcht der Dispositionsmaxime (vgl. §§ 81, 88 und 92 VwGO) und kennt grundsätzlich nur kontradiktorische Parteistreitverfahren. Ein dem § 24 FamFG vergleichbares, von Amts wegen einzuleitendes Verfahren ist dieser Prozessordnung systemfremd und darf deshalb den Verwaltungsgerichten auch nicht im Wege der Verweisung ""aufgedrängt"" werden (vgl. Mayer, in: Kissel, GVG, 10. Aufl. 2021, § 17 Rn. 62). Erwiesen sich die vom Amtsgericht/Familiengericht ausgesprochenen verfahrensfehlerhaften Verweisungen als bindend, würde aus einem familiengerichtlichen Amtsverfahren ein kontradiktorischer Parteienstreit vor dem Verwaltungsgericht. Die Antragsteller, die am Amtsgericht keine Prozesshandlung in Form eines verfahrenseinleitenden Sachantrags vorgenommen, sondern als Nichtbeteiligte lediglich bestimmte Maßnahmen angeregt haben, fänden sich nunmehr in der Rolle von Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens wieder. Das entspräche weder ihrem Willen noch ihrer vormaligen Stellung vor dem Amtsgericht und würde zudem Gerichtskosten für sie auslösen, die im familiengerichtlichen Verfahren nicht anfallen. Die Annahme, eine gerichtliche Verweisung könne ein zuvor nicht bestehendes Prozessrechtsverhältnis begründen, erweist sich daher mit den Prinzipien der Verwaltungsgerichtsordnung als schlechterdings unvereinbar. Deshalb lösen die vom Amtsgericht Tecklenburg ausgesprochenen Verweisungen für das Verwaltungsgericht keine Bindungswirkung gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG aus. RechtsgebietGVGVorschriften§ 17a GVG" bverwg_2021-46,07.07.2021,"Pressemitteilung Nr. 46/2021 vom 07.07.2021 EN Grundlegende Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen müssen in Rechtsnormen geregelt sein Die grundlegenden Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen müssen wegen ihrer entscheidenden Bedeutung für Auswahlentscheidungen nach Maßgabe von Art. 33 Abs. 2 GG in Rechtsnormen geregelt sein. Bloße Verwaltungsvorschriften reichen hierfür nicht aus. Dienstliche Beurteilungen müssen mit einem Gesamturteil abschließen, in das sämtliche vom Dienstherrn bewertete Einzelmerkmale der drei Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG einfließen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin steht im Dienst einer Stadt in Rheinland-Pfalz. Im März 2015 schrieb die Stadt zwei Leitungsstellen aus, auf die sich auch die Klägerin bewarb. Für sämtliche Bewerber erstellte die Stadt Anlassbeurteilungen. In der Leistungsbewertung erzielte die Klägerin innerhalb des von der Beklagten gewählten fünfstufigen Bewertungssystems die zweithöchste Bewertung ""B"" (""übertrifft die Anforderungen""). Bei der Beurteilung der Befähigung wurde der Klägerin 15 Mal die zweithöchste der fünfstufigen Skala - ""II - stark ausgeprägt"" - und zweimal die dritthöchste Bewertung - ""III - normal ausgeprägt"" - zuerkannt. Die dienstliche Beurteilung weist weder ein Gesamturteil für die Befähigung noch ein zusammenfassendes Urteil der Leistungsbeurteilung und der Befähigung auf. Bei beiden Auswahlentscheidungen wurde die Klägerin nicht berücksichtigt; die von der Klägerin geführten Konkurrentenstreitverfahren blieben erfolglos. Die Klägerin wandte sich anschließend gegen die Anlassbeurteilung. Damit hatte sie vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Erfolg. Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts erneut dienstlich zu beurteilen. In Rheinland-Pfalz sind die Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen von Beamten derzeit nicht in Rechtsnormen geregelt; das Landesbeamtengesetz und die darauf gestützte Laufbahnverordnung überlassen die Bestimmung der Vorgaben allein Verwaltungsvorschriften. Dies hat dazu geführt, dass in Rheinland-Pfalz auf der Ebene bloßer Verwaltungsvorschriften eine Vielzahl unterschiedlichster Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen von Beamten besteht. Dies ist rechtlich unzureichend. Angesichts der Bedeutung von dienstlichen Beurteilungen für die allein nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffenden Auswahlentscheidungen müssen die grundlegenden Vorgaben für die Erstellung von dienstlichen Beurteilungen in Rechtsnormen geregelt werden. Der Gesetzgeber hat das System - Regelbeurteilungen oder Anlassbeurteilungen - sowie die Bildung eines Gesamturteils vorzugeben. Weitere Einzelheiten, wie etwa der Rhythmus von Regelbeurteilungen, der Inhalt der zu beurteilenden Einzelmerkmale von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung, der Beurteilungsmaßstab oder Vorgaben für die Vergabe der höchsten und der zweithöchsten Note (Richtwerte), können Rechtsverordnungen überlassen bleiben. Dass die Rechtslage in Rheinland-Pfalz diesen Vorgaben nicht entspricht, ist für einen Übergangszeitraum hinzunehmen, um einen der verfassungsgemäßen Ordnung noch ""ferneren"" Zustand zu vermeiden. Dienstliche Beurteilungen stellen die wesentliche Grundlage für Auswahlentscheidungen nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG dar. Um diese Funktion erfüllen zu können, müssen sie mit einem Gesamtergebnis abschließen. Denn die Auswahlentscheidung knüpft an das abschließende Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung an, das anhand einer Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte gebildet worden ist. Art. 33 Abs. 2 GG gibt drei Kriterien vor; der Gesetzgeber und erst recht die Exekutive sind nicht befugt, eines dieser drei Merkmale bei der Bildung des abschließenden Gesamturteils unberücksichtigt zu lassen. Dementsprechend muss das Gesamturteil sämtliche vom Dienstherrn bewertete Einzelmerkmale der drei Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG umfassen. Diesen Anforderungen entspricht die angegriffene Anlassbeurteilung nicht. BVerwG 2 C 2.21 - Urteil vom 07. Juli 2021 Vorinstanzen: OVG Koblenz, 2 A 10197/19.OVG - Urteil vom 24. August 2020 - VG Mainz, 4 K 82/17.MZ - Urteil vom 19. Januar 2018 -","Urteil vom 07.07.2021 - BVerwG 2 C 2.21ECLI:DE:BVerwG:2021:070721U2C2.21.0 EN Erfordernis von normativen Vorgaben für die Erstellung von dienstlichen Beurteilungen durch den Dienstherrn Leitsätze: 1. Wegen der Bedeutung von dienstlichen Beurteilungen für die allein nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffenden Auswahlentscheidungen müssen die grundlegenden Vorgaben für die Erstellung von dienstlichen Beurteilungen in Rechtsnormen geregelt werden. Dabei hat der Gesetzgeber das System - Regel- oder Anlassbeurteilungen - sowie die Bildung eines zusammenfassenden Gesamturteils vorzugeben. Weitere Einzelheiten, wie der Rhythmus von Regelbeurteilungen oder der Inhalt der zu beurteilenden Einzelmerkmale, können einer Rechtsverordnung auf der Grundlage einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigung überlassen bleiben. 2. Eine hinter diesen Anforderungen zurückbleibende Rechtslage ist für einen Übergangszeitraum hinzunehmen. 3. Eine dienstliche Beurteilung muss mit einem Gesamturteil abschließen, in das sämtliche vom Dienstherrn bewertete Einzelmerkmale der drei Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG einfließen. Dazu zählen auch die Einzelmerkmale der Befähigung (Aufgabe von BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 - 2 C 12.14 - BVerwGE 151, 333 Rn. 44). Rechtsquellen GG Art. 33 Abs. 2 und Art. 80 Abs. 1 Satz 2 BBG § 21 BLV § 49 Abs. 3 LVerf RP Art. 110 LPersVG RP § 69 Abs. 3 und 8 LBG RP § 25 ThürLaufbG §§ 2 und 49 BayLlbG Art. 54, 56, 58, 59 und 60 LbVO RP § 15 Instanzenzug VG Mainz - 19.01.2018 - AZ: VG 4 K 82/17.MZ OVG Koblenz - 24.08.2020 - AZ: OVG 2 A 10197/19.OVG Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 07.07.2021 - 2 C 2.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:070721U2C2.21.0] Urteil BVerwG 2 C 2.21 VG Mainz - 19.01.2018 - AZ: VG 4 K 82/17.MZ OVG Koblenz - 24.08.2020 - AZ: OVG 2 A 10197/19.OVG In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juli 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung und Dollinger sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel am 7. Juli 2021 für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. August 2020 wird aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 19. Januar 2018 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass für die Erstellung der neuen dienstlichen Beurteilung der Klägerin die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts maßgeblich ist. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisions- und des Berufungsverfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Anlassbeurteilung. 2 Die 1971 geborene Klägerin steht als Stadtamtfrau (Besoldungsgruppe A 11 LBesO) im Dienst der beklagten Stadt. Vom 17. Dezember 2012 bis Mai 2021 war die Klägerin Vorsitzende des Personalrats der Beklagten. Sie war zunächst zu 80 v.H., ab Mitte Oktober 2015 zu 85 v.H. und ab Juli 2017 vollständig vom Dienst freigestellt. 3 Im März 2015 schrieb die Beklagte zwei Leitungsstellen (Besoldungsgruppe A 12 LBesO) aus, auf die sich auch die Klägerin bewarb. Die Beklagte erstellte für sämtliche Bewerber Anlassbeurteilungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 31. Januar 2016. Der Bürgermeister der Beklagten (Beurteiler) holte vom unmittelbaren Dienstvorgesetzten der Klägerin einen Beurteilungsbeitrag ein und führte mit der Klägerin am 29. September 2016 ein persönliches Gespräch. Die dienstliche Beurteilung vom 7. Oktober 2016 wurde der Klägerin am 26. Oktober 2016 ausgehändigt. Das für die Besprechung der Beurteilung für den 10. November 2016 vorgesehene Gespräch brach die Klägerin kurz nach Beginn ab. Am 30. November 2016 wurde die dienstliche Beurteilung mit der Klägerin besprochen. 4 Die dienstliche Beurteilung gliedert sich in eine Leistungs- und eine Befähigungsbeurteilung. Bei der Gesamtbewertung der Leistungen erreichte die Klägerin die zweithöchste Bewertung ""B"". Zwar bewertete die Beklagte auch Befähigungsmerkmale. Die Beklagte bildete aber weder ein Gesamturteil der Befähigung noch fasste sie die Leistungs- und Befähigungsbewertung zusammen. Bei der Besetzung der beiden ausgeschriebenen Stellen kam die Klägerin nicht zum Zuge. Verfahren der Klägerin auf vorläufigen Rechtsschutz blieben ohne Erfolg. Beide Beförderungsstellen sind inzwischen mit Konkurrenten der Klägerin besetzt. 5 Die Klägerin erhob erfolglos Widerspruch gegen die dienstliche Beurteilung. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut dienstlich zu beurteilen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zwar habe die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Überprüfung ihrer Anlassbeurteilung. Die Klage sei aber unbegründet, weil die dienstliche Beurteilung nicht zu beanstanden sei. Es liege weder ein durchgreifender Verstoß gegen Verfahrensvorschriften vor noch sei die Beurteilung aus inhaltlichen Gründen zu beanstanden. 6 Hiergegen wendet sich die vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. August 2020 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 19. Januar 2018 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass für die Erstellung der neuen dienstlichen Beurteilung der Klägerin die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts maßgeblich ist. 7 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 8 Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt mit Art. 33 Abs. 2 GG revisibles Recht. 9 Die Klage ist zulässig (1.) und begründet. Die dienstliche Beurteilung vom 7. Oktober 2016 und der Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Für die Erstellung der neuen dienstlichen Beurteilung der Klägerin für den Zeitraum von Februar 2012 bis Ende Januar 2016 ist die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts maßgeblich (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung). Zwar hat die Beklagte gegen § 69 Abs. 8 Landespersonalvertretungsgesetz vom 28. September 2010 (GVBl. 2010, S. 292 - LPersVG RP) verstoßen, wonach der zu beurteilende Beamte vor dem Beurteilungsgespräch auf das Recht hinzuweisen ist, ein Mitglied des Personalrats an diesem Gespräch zu beteiligen. Dieser Gesetzesverstoß der Beklagten führt aber im Ergebnis nicht zum Erfolg der Klage, weil der Klägerin dieses Recht unabhängig von dem konkreten Anlass ihrer Bewerbung wegen ihrer langjährigen Mitgliedschaft im Personalrat der Beklagten hätte bekannt sein müssen (2.). Zwar waren und sind die normativen Vorgaben des Rechts des Landes Rheinland-Pfalz für die Erstellung der Anlassbeurteilung unzureichend. Aber auch dieser Umstand begründet nicht den Erfolg der Revision. Denn der Zustand der unzureichenden normativen Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen ist für einen Übergangszeitraum hinzunehmen (3.). Die Anlassbeurteilung ist aber deshalb rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil die Beklagte in der Beurteilung kein abschließendes Gesamturteil gebildet hat, in das sämtliche bewertete Einzelmerkmale der drei Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG eingeflossen sind (4.). Demgegenüber führen andere Aspekte, wie etwa die Behinderung der Klägerin oder das Erfordernis einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage für die Erstellung einer dienstlichen Beurteilung, nicht zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Beurteilung (5.). 10 Im Hinblick auf den Inhalt einer Anlassbeurteilung haben die Gerichte die Grenzen ihrer Prüfungskompetenz zu beachten. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Beurteilung ist auf die Überprüfung beschränkt, ob der Dienstherr gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die anzuwendenden Begriffe oder den gesetzlichen Rahmen verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Hingegen darf das Gericht nicht die fachliche und persönliche Beurteilung des Beamten durch seinen Dienstvorgesetzten in vollem Umfang nachvollziehen oder diese durch eine eigene Beurteilung ersetzen. Denn nur der für den Dienstherrn handelnde Vorgesetzte soll ein Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den - ebenfalls vom Dienstherrn zu bestimmenden - fachlichen und persönlichen Anforderungen des Amtes und der Laufbahn entspricht. Bei einem derartigen dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 - BVerfGE 141, 56 Rn. 56 m.w.N.; BVerwG, Urteile vom 26. Juni 1980 - 2 C 8.78 - BVerwGE 60, 245 <246> und vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - BVerwGE 153, 48 Rn. 9). 11 1. Obwohl die beiden von der Beklagten ausgeschriebenen Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 12 LBesO mittlerweile mit Mitbewerbern der Klägerin besetzt sind, kann der Klägerin das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für ihre Klage auf Aufhebung der Anlassbeurteilung und Verurteilung der Beklagten zur erneuten dienstlichen Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts nicht abgesprochen werden. Denn der Erfolg ihres Klagebegehrens kann die Rechtsposition der Klägerin tatsächlich verbessern. 12 Zurückliegende dienstliche Beurteilungen eines Beamten können für spätere Verwendungs- und Auswahlentscheidungen von Belang sein. Zwar sind für Auswahlentscheidungen in erster Linie aktuelle Beurteilungen maßgebend, die bezogen auf den einzelnen Beamten den gegenwärtigen Stand der nach Art. 33 Abs. 2 GG maßgeblichen Kriterien bewerten. Daneben können aber ältere dienstliche Beurteilungen als zusätzliche Erkenntnismittel berücksichtigt werden, anhand derer insbesondere positive oder negative Entwicklungstendenzen des Beamten im Hinblick auf Charaktereigenschaften, Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen beurteilt werden können (BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31.01 - Buchholz 237.9 § 20 SaarLBG Nr. 1 S. 2 f. und vom 2. März 2017 - 2 C 21.16 - BVerwGE 157, 366 Rn. 13). 13 Im Fall der Klägerin kommt hinzu, dass die Beklagte keine Regelbeurteilungen erstellt und die streitgegenständliche Anlassbeurteilung die letzte dienstliche Beurteilung ist, die an eine tatsächlich erbrachte dienstliche Leistung der Klägerin anknüpft. Denn später - von Juli 2017 bis Mai 2021 - war die Klägerin wegen ihrer Mitgliedschaft im Personalrat der Beklagten vollständig von ihren dienstlichen Pflichten freigestellt. 14 2. Zwar hat die Beklagte im Vorfeld der beiden Beurteilungsgespräche mit der Klägerin vom 10. und 30. November 2016 gegen die ihr aus § 69 Abs. 8 LPersVG RP obliegende gesetzliche Verpflichtung verstoßen, die Klägerin auf das ihr zustehende Recht hinzuweisen, ein Mitglied des Personalrats an dem Beurteilungsgespräch zu beteiligen. Beurteilungsgespräch im Sinne dieser Vorschrift ist ausschließlich das Gespräch, in dem die bereits erstellte dienstliche Beurteilung mit dem Beamten erörtert wird (a). Der Senat kann die Rechtsfolgen des Verstoßes der Beklagten gegen diese gesetzliche Verpflichtung aber dahingestellt sein lassen (b). Denn die Klägerin kann ihre Klage gegen die Anlassbeurteilung nicht auf diesen Gesetzesverstoß stützen. Die Berufung auf das Recht aus § 69 Abs. 8 LPersVG RP ist der Klägerin verwehrt, weil ihr die Möglichkeit, ein Mitglied des Personalrats zu dem Gespräch hinzuziehen, wegen ihrer seit Dezember 2012 bestehenden Mitgliedschaft im Personalrat der Beklagten bekannt sein musste (c). 15 a) Beurteilungsgespräch i.S.v. § 69 Abs. 3 Satz 6 und Abs. 8 LPersVG RP ist das Gespräch aus Anlass der Besprechung der bereits erstellten - und wie hier auch ausgehändigten - dienstlichen Beurteilung, nicht aber ein Gespräch zwischen dem zu beurteilenden Beamten und dem Beurteiler im Vorfeld der Erstellung der Beurteilung. 16 Dies folgt aus der Systematik des § 69 Abs. 3 Satz 5 und 6 LPersVG RP. Satz 5, der bestimmt, dass eine dienstliche Beurteilung auf Verlangen des Beschäftigten der Personalvertretung zur Kenntnis zu bringen ist, setzt die Existenz der dienstlichen Beurteilung voraus. Erst im Anschluss hieran, in Satz 6, sieht das Gesetz das Recht des Beamten auf Teilnahme eines Mitglieds des Personalrats an dem Beurteilungsgespräch vor. Hätte der Gesetzgeber die Teilnahme eines Mitglieds des Personalrats bereits im Stadium vor der Erstellung der dienstlichen Beurteilung vorgesehen, so hätte er die Regelung des Anspruchs des zu beurteilenden Beamten auf Teilnahme eines Mitglieds des Personalrats an dem Gespräch dem Satz 5 vorangestellt. 17 Auch der Zweck der Teilnahme des Mitglieds des Personalrats an einem Gespräch spricht für diese Auslegung. Durch die Teilnahme eines Vertreters an dem Gespräch erlangt der Personalrat keinen inhaltlichen Einfluss auf die dienstliche Beurteilung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2020 - 2 VR 2.20 - BVerwGE 167, 358 Rn. 28). Durch die Teilnahme soll der beurteilte Beamte dabei unterstützt werden, die Rechtmäßigkeit der ihm eröffneten dienstlichen Beurteilung zu überprüfen und ggf. Rechtsmittel einzulegen, sofern der Dienstherr berechtigte Einwendungen des Beamten nicht ausräumt. Es geht um die psychologische Unterstützung des betroffenen Beamten, um den auf ihm beim Beurteilungsgespräch lastenden Druck zu reduzieren. 18 b) Der Streitfall nötigt zu keiner Entscheidung über die Ansicht des Berufungsgerichts, § 69 Abs. 8 LPersVG RP sei eine bloße Ordnungsvorschrift, deren Nichtbeachtung nicht zur Rechtswidrigkeit der dienstlichen Beurteilung der Klägerin führe. 19 Zwar trifft die Überlegung des Berufungsgerichts zu, dass der Verfahrensmangel des Unterbleibens des Hinweises nach § 69 Abs. 8 LPersVG RP den Inhalt der dienstlichen Beurteilung nicht berührt, weil diese zum Zeitpunkt des Beurteilungsgesprächs bereits erstellt ist. Auch greift der Verweis auf die Materialien des Gesetzes, mit dem Absatz 8 angefügt worden ist, nicht durch. In der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 15/4466, S. 17 f. zu Nr. 25) wird auf § 78 Abs. 2 Satz 2 und § 79 Abs. 2 Satz 2 LPersVG RP verwiesen. Für die dort jeweils geregelten Hinweispflichten ist anerkannt, dass ein Verstoß des Dienstherrn gegen diese Pflichten regelmäßig zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme führt. §§ 78 f. LPersVG RP sind aber dem Bereich der Mitbestimmung und Mitwirkung des Personalrats zuzuordnen. Demgegenüber nennt § 69 LPersVG RP diejenigen Bereiche, in denen der Personalrat auf eine Beteiligung beschränkt ist. § 74 Abs. 1 LPersVG RP ist auf den Bereich des § 69 LPersVG RP nicht anwendbar. 20 Andererseits erscheint es bedenklich, wenn die Auslegung einer pflichtenbegründenden Norm dazu führt, dass ein Verstoß dagegen folgenlos bleibt. Denn bei § 69 Abs. 8 und Abs. 3 Satz 6 LPersVG RP handelt es sich, wie dargelegt, um eine gesetzliche Vorschrift, die dem Schutz des zu beurteilenden Beamten zu dienen bestimmt ist. Gerichte sind gehalten, Normen so auszulegen, dass der Entscheidung des Gesetzgebers die ihr zukommende Bedeutung beigemessen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 2020 - 2 C 11.20 - NVwZ-RR 2021, 260 Rn. 36), hier dem Schutz des Beamten in der belastenden Situation des Gesprächs über die Beurteilung (vgl. im Ergebnis: Lautenbach/Renninger/Beckerle/Enke/Winter, Personalvertretungsrecht Rheinland-Pfalz, Stand September 2020, § 69 Rn. 92 f.; Küssner/Hofe/Stöhr, Personalvertretungsgesetz für Rheinland-Pfalz, Band 1, Stand September 2020, § 69 Rn. 59). 21 Im Rahmen der ohnehin gebotenen Neuregelung (siehe 3.) hat der Landesgesetzgeber in Rheinland-Pfalz die Möglichkeit, die Rechtsfolgen eines Verstoßes eines Dienstherrn gegen § 69 Abs. 8 LPersVG RP klarzustellen. 22 c) Da der Klägerin als Mitglied des Personalrats die Vorschrift des § 69 Abs. 8 LPersVG RP hätte bekannt sein müssen, kann sie ihre Klage nicht auf die Verletzung dieser Vorschrift stützen, selbst wenn der Gesetzesverstoß des Dienstherrn zur Rechtswidrigkeit der betreffenden dienstlichen Beurteilung führen sollte. 23 § 69 LPersVG RP führt die allgemeinen Aufgaben der Personalvertretung und ihr Informationsrecht auf. Diese allgemeinen Aufgaben der Personalvertretung müssen einem Mitglied des Personalrats bekannt sein. Denn die Personalvertretung hat nach § 69 Abs. 1 Nr. 2 LPersVG RP darüber zu wachen, dass die zugunsten der Beschäftigten geltenden Gesetze und Verordnungen - dazu zählt auch das Recht aus § 69 Abs. 8 LPersVG RP - eingehalten werden. Zum Zeitpunkt des ersten Beurteilungsgesprächs am 10. November 2016 gehörte die Klägerin dem Personalrat der Beklagten seit nahezu vier Jahren an. Zudem hat die Klägerin bei ihrer Bewerbung um die Stelle der Leiterin der Personalstelle der Beklagten für sich geltend gemacht, sie verfüge als langjährige Personalratsvorsitzende über umfangreiche praktische Erfahrungen und arbeitsrechtliche Kenntnisse im Personalwesen und habe seit ihrer Wahl zur Vorsitzenden des Personalrats an einer Vielzahl von Fortbildungsveranstaltungen teilgenommen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin das erste Beurteilungsgespräch mit der Begründung abgebrochen hat, sie wolle vor einem solchen Gespräch externen Rechtsrat einholen. 24 3. Die normativen Vorgaben im Land Rheinland-Pfalz für die Erstellung der angegriffenen Anlassbeurteilung durch die Beklagte waren unzureichend. Dies führt allerdings nicht zur Aufhebung der angegriffenen Anlassbeurteilung, weil dieser Zustand für einen Übergangszeitraum hinzunehmen ist. 25 a) Entsprechend der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG) enthält das Beamtenstatusgesetz keine Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen. Regelmäßig regeln Landesgesetze auch für die Beamten der Gemeinden und Landkreise die rechtlichen Grundlagen für die Erstellung von Beurteilungen. Dies gilt etwa für § 49 Thüringer Laufbahngesetz vom 12. August 2014 (GVBl. S. 472 - ThürLaufbG), für § 92 Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. 2016, 310 - LBG NRW) und für die in Bayern maßgeblichen Art. 54 ff. Leistungslaufbahngesetz vom 5. August 2010 (GVBl. S. 410, 571 - BayLlbG). 26 Demgegenüber sind dem auch für die Beamten der beklagten Stadt maßgeblichen Landesbeamtengesetz des Landes Rheinland-Pfalz vom 20. Oktober 2010 (GVBl. S. 319 - LBG RP) keine inhaltlichen Bestimmungen für dienstliche Beurteilungen zu entnehmen. Das Gesetz ermächtigt in § 25 Abs. 1 Nr. 8 LBG RP lediglich die Landesregierung dazu, in einer Laufbahnverordnung die Grundsätze für dienstliche Beurteilungen zu regeln. 27 Aber auch die aufgrund von § 25 LBG RP erlassene Laufbahnverordnung der Landesregierung vom 19. November 2010 (GVBl. S. 444 - LbVO RP) trifft keine inhaltliche Regelung. In § 15 Abs. 1 Satz 1 LbVO RP wird lediglich entsprechend Art. 33 Abs. 2 GG bestimmt, dass Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Beamten zu beurteilen sind. In Satz 2 wird die oberste Dienstbehörde ermächtigt, das Nähere zu regeln. Entsprechend dem allgemeinen Verständnis sind damit Beurteilungsrichtlinien gemeint, die von der jeweiligen obersten Dienstbehörde als Verwaltungsvorschrift erlassen werden. 28 Das Fehlen von normativen Vorgaben hat zur Folge, dass die Bedingungen für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen für die im jeweiligen Geschäftsbereich tätigen Beamten und Richter von den Ministerien autonom festgesetzt werden. Die Sichtung der in Rheinland-Pfalz existierenden Beurteilungsrichtlinien belegt, dass dabei von der Exekutive ganz unterschiedliche Modelle für die Erstellung von dienstlichen Beurteilungen entwickelt und dem nachgeordneten Bereich vorgegeben werden. In einigen Bereichen sind nach den Richtlinien lediglich Anlassbeurteilungen zugelassen (z.B. Verwaltungsvorschrift des Ministeriums des Innern und für Sport vom 15. Oktober 2005 für Beurteilungen im Bereich der Polizei des Landes Rheinland-Pfalz, MinBl. 2005 S. 314), während für andere Verwaltungsbereiche die jeweilige Verwaltungsvorschrift Regelbeurteilungen zu bestimmten Stichtagen vorschreibt (z.B. Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen über die Beurteilung der Beamtinnen und Beamten der Steuerverwaltung vom 20. Februar 2019, MinBl. 2019 S. 56 und Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Justiz vom 15. August 2016, RP JBl. S. 167). Auch wird die für die Funktion der dienstlichen Beurteilung besonders bedeutsame Frage der Bildung des Gesamturteils in den Beurteilungsrichtlinien stark divergierend geregelt. In dem hier zugrunde liegenden Berufungsurteil (juris Rn. 51 ff.) hat es das Oberverwaltungsgericht unter Berufung auf das von der Beklagten verwendete Beurteilungsformular, das einen solchen Schritt nicht vorsieht, als rechtmäßig erachtet, dass die Beklagte aus der Leistungs- und der Befähigungsbeurteilung kein Gesamturteil gebildet hat. Bei der Anwendung der früher für den Bereich der Steuerverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz geltenden Verwaltungsvorschrift, die demgegenüber die Bildung eines Gesamturteils vorsieht, hat das Berufungsgericht diese Vorgehensweise ausgehend von der Richtlinie als geboten bewertet (OVG Koblenz, Urteil vom 24. September 2018 - 2 A 10400/18 - juris Rn. 37 ff.). 29 Die damit verbundene Problematik zeigt sich plastisch bei der Entstehung der streitgegenständlichen Anlassbeurteilung. Es fehlten nicht nur Vorgaben des Normgebers auf der Ebene des Gesetzes und der Rechtsverordnung aufgrund einer Art. 110 Abs. 1 Satz 2 LVerf RP genügenden gesetzlichen Grundlage. Darüber hinaus bestand und besteht im Bereich der Beklagten keine Verwaltungsvorschrift, die die Erstellung dienstlicher Beurteilungen von Beamten regelt. Die Beklagte, die lediglich über eine geringe Zahl von Beamten verfügt, beurteilt diese nicht regelmäßig. Die beiden Stellenausschreibungen vom März 2015 sind die einzigen in einem Zeitraum von mehr als zehn Jahren, für die von der Beklagten Beurteilungen erstellt worden sind. Die Beklagte hat im Revisionsverfahren eingeräumt, dass sie für die Anlassbeurteilungen einen Beurteilungsvordruck verwendet hat, der in der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums vom 15. Oktober 2005 für die dienstliche Beurteilung von Polizeivollzugsbeamten des Landes Rheinland-Pfalz vorgegeben ist. Sie hat im Revisionsverfahren auch darauf verwiesen, dass die ganz überwiegende Zahl von Kommunen des Landes Rheinland-Pfalz aufgrund der geringen Größe ihrer jeweiligen Personalkörper ebenfalls nicht über eine eigene Beurteilungsrichtlinie verfügt, an der sich die dienstliche Beurteilung ihrer Beamten ausrichten könnte. 30 b) Die in Rheinland-Pfalz bestehende große Bandbreite an Beurteilungsrichtlinien beeinträchtigt unmittelbar die Vergleichbarkeit dienstlicher Beurteilungen von Beamten innerhalb des Bereichs ihres Dienstherrn (z.B. Land Rheinland-Pfalz) und damit deren Funktion im Rahmen einer an Art. 33 Abs. 2 GG orientierten Auswahlentscheidung. Dienstliche Beurteilungen erhalten ihre wesentliche Aussagekraft erst aufgrund ihrer Relation zu den Bewertungen in den dienstlichen Beurteilungen anderer Beamter. Daraus folgt, dass die Beurteilungsmaßstäbe gleich sein und gleich angewendet werden müssen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. August 2016 - 2 BvR 1287/16 - NVwZ 2017, 46 Rn. 84 und BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 2 A 10.13 - BVerwGE 150, 359 Rn. 21). Der Dienstherr ist danach gehalten, in seinem Organisationsbereich sowohl für die Bildung gleicher Beurteilungsmaßstäbe als auch für deren gleichmäßige Anwendung Sorge zu tragen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. Februar 2017 - 2 BvR 1558/16 - NVwZ 2017, 1133 Rn. 11). Sind dienstliche Beurteilungen nicht in dem Sinne vergleichbar, dass sie einen rechtlich einwandfreien Vergleich der Bewerber ermöglichen, ist der Dienstherr gehalten, sie ""kompatibel"" zu machen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. August 2016 - 2 BvR 1287/16 - NVwZ 2017, 46 Rn. 85). 31 c) Für die Verwirklichung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG kommt dienstlichen Beurteilungen entscheidende Bedeutung zu. Dienstliche Beurteilungen sind - rechtlich wie tatsächlich - das entscheidende Instrument der Personalsteuerung, mit dem über das grundrechtsgleiche Recht des Beamten auf ""ein angemessenes berufliches Fortkommen"" (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 - BVerfGE 141, 56 Rn. 31, 36; BVerwG, Beschluss vom 17. März 2021 - 2 B 3.21 - ZBR 2021, 254 <256>) entschieden wird. Zwar schließt Art. 33 Abs. 2 GG die Nutzung anderer Instrumente zur Ermittlung des i.S.v. Art. 33 Abs. 2 GG bestgeeigneten Kandidaten nicht aus (BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. Mai 2011 - 2 BvR 764/11 - NVwZ 2011, 1191 Rn. 12; vgl. z.B. Art. 16 Abs. 1 Satz 4 BayLlbG). Allerdings basiert die Auswahlentscheidung, d.h. der Vergleich der Bewerber im Rahmen der Auswahl, in der Praxis vor allem auf dienstlichen Beurteilungen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. April 2004 - 1 BvR 838/01 u.a. - BVerfGE 110, 304 <332> und vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 - BVerfGE 141, 56 Rn. 58). Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Vergleichsgrundlage setzt voraus, dass sie inhaltlich aussagekräftig sind. Sie müssen eine tragfähige Grundlage für die Auswahlentscheidung vermitteln (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 29. Juli 2003 - 2 BvR 311/03 - BVerfGK 1, 292 <296 f.> und vom 7. März 2013 - 2 BvR 2582/12 - NVwZ 2013, 1603 Rn. 21). 32 Angesichts dieser Bedeutung von dienstlichen Beurteilungen für die allein nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffende Auswahlentscheidung können die Vorgaben für die Erstellung von Beurteilungen nicht allein Verwaltungsvorschriften überlassen bleiben. Die grundlegenden Vorgaben für ihre Erstellung müssen in Rechtsnormen geregelt werden. Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Verwirklichung eines Grundrechts oder - wie hier - eines grundrechtsgleichen Rechts maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen. Wesentlich in diesem Sinne sind alle Regelungen, die für die Verwirklichung dieses Rechts erhebliche Bedeutung haben und sie besonders intensiv betreffen (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1998 - 1 BvR 1640/97 - BVerfGE 98, 218 <251> und Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 52). Zudem ist die Regelungsform des Gesetzes für das Beamtenverhältnis typisch und sachangemessen; die wesentlichen Inhalte des Beamtenrechts sind daher durch Gesetz zu regeln (BVerfG, Beschlüsse vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <386> und vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 57). 33 Die Anwendung des verfassungsrechtlichen Wesentlichkeitsgrundsatzes auf die Erstellung von dienstlichen Beurteilungen von Beamten wegen ihrer Bedeutung für die Verwirklichung ihres Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2020 - 2 C 2.20 - BVerwGE 169, 254 Rn. 16 ff. und Beschluss vom 21. Dezember 2020 - 2 B 63.20 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 104 Rn. 23) hält der Senat auch im Hinblick auf die hieran geäußerte Kritik (OVG Magdeburg, Beschluss vom 19. Januar 2021 - 1 M 143/20 - Rn. 12 ff.; VGH Kassel, Beschluss vom 25. Februar 2021 - 1 B 376/20 - Rn. 43 ff. und OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Mai 2021 - 4 S 15/21 - Rn. 6 ff.) aufrecht. Regelungen zur Ausgestaltung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG unterliegen auch bei Beamten den allgemeinen Grundsätzen. Die gegen das Erfordernis einer Entscheidung des Gesetz- und Verordnungsgebers u.a. vorgebrachte Ansicht, die besondere Pflichtenstellung ihres öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses rechtfertige bei Beamten Abstriche von den allgemein geltenden rechtlichen Anforderungen mit der Folge, dass sich die Vorgaben für die Erstellung von dienstlichen Beurteilungen als dem wesentlichen Instrument für die Ausübung ihres Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG allein aus bloßen Verwaltungsvorschriften ergeben könnten, ist überholt. Die Einschätzung, welche rechtlichen Anforderungen für Regelungen im Beamtenverhältnis im Hinblick auf die Frage der Wesentlichkeit und damit einer hinreichenden (parlaments-)gesetzlichen Grundlage gelten, stellt sich unter dem im Lauf der Zeit gewandelten verfassungsrechtlichen Blickwinkel anders dar als noch vor einigen Jahren (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 57). 34 Für eine dienstliche Beurteilung wesentlich in diesem Sinne sind die Entscheidung über das Beurteilungssystem (Regelbeurteilungen oder bloße Anlassbeurteilungen, ggf. Letztere als Ausnahme der Erstgenannten) und die Vorgabe der Bildung des abschließenden Gesamturteils unter Würdigung aller Einzelmerkmale (BVerwG, Urteil vom 17. September 2020 - 2 C 2.20 - BVerwGE 169, 254 Rn. 16). Dieses abschließende Gesamturteil ist Ausgangspunkt des Vergleichs der Bewerber nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 - BVerfGE 141, 56 Rn. 58 m.w.N.). Allein die Bandbreite der Vorgaben der zahlreichen, insoweit stark divergierenden Beurteilungsrichtlinien der obersten Dienstbehörden des Landes Rheinland-Pfalz zur Bildung eines Gesamturteils (s. unten 4.) belegt die Notwendigkeit einer Entscheidung des Gesetzgebers, der dabei wiederum an Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist. 35 Der Gesetzgeber ist selbstverständlich nicht gehindert, im Gesetz unmittelbar mehr zu regeln als die genannten wesentlichen Aspekte (vgl. z.B. Art. 54 ff. BayLlbG). Er kann auch den Regelungsgehalt der drei Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG bestimmen, deren Abgrenzung nicht trennscharf möglich ist (vgl. § 2 Abs. 2 bis 4 ThürLaufbG). Allerdings ist der Gesetzgeber zu einer solch weitreichenden Regelung nicht gezwungen. Denn es besteht im Hinblick auf die Erstellung dienstlicher Beurteilungen kein umfassender Parlamentsvorbehalt. Der Gesetzgeber darf die Exekutive ermächtigen, durch Rechtsverordnung weitere Vorgaben zu regeln. Dabei kommt Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und den entsprechenden Bestimmungen der Verfassungen der Länder (hier: Art. 110 Abs. 1 Satz 2 LVerf RP), wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung im Gesetz bestimmt werden müssen, als Ausprägung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts die Funktion zu, die Festlegung der Bedingungen für die Ausübung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG durch die Exekutive nachvollziehbar auf eine parlamentarische Willensäußerung zurückzuführen. Die gesetzliche Ermächtigung zum Erlass der Rechtsverordnung muss so bestimmt sein, dass vorauszusehen ist, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 55 m.w.N.). Dagegen wäre es mit den Anforderungen des allgemeinen Rechtssatzvorbehalts unvereinbar, nur wenige Entscheidungen im Gesetz selbst zu treffen und die Bestimmungen für die Erstellung von dienstlichen Beurteilungen im Übrigen der Exekutive in Gestalt von bloßen Verwaltungsvorschriften zu überlassen. Durch den Vorbehalt einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung ist gewährleistet, dass die Exekutive in einem Bereich, der für die Ausübung des grundrechtsgleichen Rechts von großer Bedeutung ist, nur nach Maßgabe parlamentarischer Ermächtigung tätig wird. 36 Ermächtigt der Gesetzgeber aufgrund einer dem Bestimmtheitsgebot genügenden Vorschrift dazu, Grundsätze für dienstliche Beurteilungen oder für das Beurteilungsverfahren durch Rechtsverordnung zu regeln, so muss diese Regelung auch in Gestalt einer Rechtsverordnung getroffen werden. Die pauschale Weiterleitung der Ermächtigung in der Rechtsverordnung auf die Ebene der bloßen Verwaltungsvorschrift, wie etwa in § 15 Abs. 1 Satz 2 LbVO RP, ist ausgeschlossen. 37 Auch unter Beachtung der Anforderungen, die sich nach dem Vorstehenden aus dem Vorbehalt des Gesetzes ergeben, bleibt dem Gesetzgeber ein hinreichender (Gestaltungs-)Spielraum, wie er diesen Vorgaben genügt: So ist etwa eine Regelung der rechtlichen Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen nach dem Vorbild der Art. 54 ff. BayLlbG, die der Senat in seinem Beschluss vom 21. Dezember 2020 - 2 B 63.20 - (Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 104 Rn. 23) als Gegenbeispiel den defizitären Regelungen des brandenburgischen Landesrechts gegenübergestellt hat, nicht zwingend. Zudem ist zu beachten, dass die genannten gesetzlichen Regelungen in Bayern an zahlreichen Stellen Vorbehalte oder Einschränkungen vorsehen (z.B. Art. 56 Abs. 3 Satz 2, Art. 58 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 6 Satz 2 und 3, Art. 59 Abs. 1 Satz 2 sowie Art. 60 Abs. 1 Satz 5 BayLlbG). Wie bereits erwähnt, genügt der Gesetzgeber den genannten Anforderungen auch dadurch, dass er die wesentlichen Aspekte im Gesetz regelt und die weiteren Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen einer Rechtsverordnung aufgrund einer ausreichend bestimmten Ermächtigung überlässt (vgl. z.B. § 49 ThürLaufbG). Das betrifft z.B. den Rhythmus von Regelbeurteilungen, den Inhalt der zu beurteilenden Einzelmerkmale von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung, die Festlegung der Funktionen derjenigen Personen, die an der Erstellung der dienstlichen Beurteilung mitzuwirken haben, den Beurteilungsmaßstab und die Vorgaben für die Vergabe der höchsten sowie der zweithöchsten Note (Richtwerte). Dass auch die derzeitige Gesetzes- und Verordnungslage in Nordrhein-Westfalen (§ 92 Abs. 1 LBG NRW, § 8 LVO NRW) den hier beschriebenen Anforderungen genügt, hat der Senat bereits ausgesprochen (BVerwG, Urteil vom 17. September 2020 - 2 C 2.20 - BVerwGE 169, 254 Rn. 16 f.). Beispielhaft ist schließlich auch die Verordnungsermächtigung in § 21 Abs. 2 BBG in der Fassung des Gesetzes zur Regelung des Erscheinungsbildes von Beamtinnen und Beamten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 28. Juni 2021 (BGBl. I S. 2250) zu nennen. Mit dem genannten Änderungsgesetz hat der Bundesgesetzgeber die Ermächtigungsgrundlagen im Bundesbeamtengesetz für den Erlass von auf diesem Gesetz fußenden Rechtsverordnungen insbesondere betreffend die Erstellung dienstlicher Beurteilungen konkretisiert, um sie an die aus dem Vorbehalt des Gesetzes folgenden Vorgaben des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG anzupassen (so ausdrücklich BT-Drs. 19/26839 S. 2 f., 33 f., 39 f; BT-Drs. 19/28836 S. 2 f.). 38 Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass der Normgeber nicht gezwungen ist, die in einer dienstlichen Beurteilung zu bewertenden Einzelmerkmale einem der drei Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG genau zuzuordnen. Es muss nur gewährleistet sein, dass alle Einzelmerkmale, die der Normgeber als für Art. 33 Abs. 2 GG relevant ansieht, in das abschließende Gesamturteil einfließen. 39 In dem vom Normgeber bestimmten Rahmen, namentlich innerhalb des von ihm vorgegebenen Beurteilungssystems, ist der Dienstherr berechtigt, für verschiedene Gruppen von Beamten (z.B. für Polizeivollzugsbeamte) unterschiedliche Ausgestaltungen des Beurteilungsverfahrens, insbesondere der Beurteilungszeiträume und der Funktion der beteiligten Personen, vorzugeben. 40 d) Die in Rheinland-Pfalz zum Zeitpunkt der Erstellung der Anlassbeurteilung und auch jetzt noch geltenden Rechtsnormen sind unzureichend. Die vorhandenen Rechtsnormen und die auf sie gestützten Verwaltungsvorschriften können aber für einen Übergangszeitraum weiterhin angewendet werden, um einen der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferneren Zustand zu vermeiden (BVerfG, Beschluss vom 20. März 2013 - 2 BvF 1/05 - BVerfGE 133, 241 Rn. 51 m.w.N.; BVerwG, Urteile vom 1. Juni 1995 - 2 C 16.94 - BVerwGE 98, 324 <327 f.>, vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 <111> und vom 30. August 2012 - 2 C 23.10 - BVerwGE 144, 93 Rn. 16 sowie Beschluss vom 31. Januar 2019 - 1 WB 28.17 - BVerwGE 164, 304 Rn. 35). Ohne die vorübergehende Weitergeltung der aufgrund der landesrechtlichen Regelungen erlassenen Verwaltungsvorschriften, an der sich auch die Beklagte bei der Erstellung der Anlassbeurteilung der Klägerin orientiert hat, könnten die für die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung wichtigen Auswahlentscheidungen nicht getroffen werden. 41 4. Die Anlassbeurteilung der Klägerin ist rechtswidrig, weil die Beklagte in der Beurteilung kein abschließendes Gesamturteil gebildet hat. In dieses Gesamturteil müssen sämtliche vom Dienstherrn bewertete Einzelmerkmale der drei Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG einfließen. 42 a) Der Vergleich der Bewerber im Rahmen einer Auswahlentscheidung orientiert sich in erster Linie an den dienstlichen Beurteilungen. Dabei sind die Beurteilungen, soweit sie aussagekräftig sind, in ihrer Gesamtheit zugrunde zu legen. Maßgeblich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung. Dieses ist anhand einer Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 - BVerfGE 141, 56 Rn. 58 und Kammerbeschluss vom 4. Oktober 2012 - 2 BvR 1120/12 - NVwZ 2013, 573 Rn. 12; BVerwG, Beschluss vom 27. September 2011 - 2 VR 3.11 - Buchholz 232.1 § 48 BLV Nr. 1 Rn. 23). Um die ihr im Bereich von Auswahlentscheidungen nach Art. 33 Abs. 2 GG zukommende Funktion erfüllen zu können, muss eine dienstliche Beurteilung ein abschließendes Gesamturteil enthalten. 43 Art. 33 Abs. 2 GG nennt drei Kriterien, deren Gehalt der Normgeber zu definieren befugt ist. Der Gesetzgeber und erst recht die Exekutive - auf der Ebene von bloßen Verwaltungsvorschriften - sind aber nicht befugt, eines dieser drei Kriterien bei der Bildung des abschließenden Gesamturteils unberücksichtigt zu lassen. Dementsprechend schreibt etwa § 49 Abs. 3 Satz 1 BLV zutreffend die Bildung eines abschließenden - umfassenden - Gesamturteils vor (Lorse, Die dienstliche Beurteilung, 7. Aufl. 2020, Rn. 176; a.A. Schnellenbach/Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, Bd. 2, Stand Oktober 2020, Rn. 107b). 44 b) In seinem Urteil vom 19. März 2015 - 2 C 12.14 - (BVerwGE 151, 333 Rn. 44) hat der Senat ausgeführt, die dort (Rn. 42 des Urteils) aufgeführten Befähigungsmerkmale (in der dortigen Beurteilungsrichtlinie ""Potenzialabschätzung"" genannt) entzögen sich einer generellen und bezugsunabhängigen Gesamtbewertung oder gar Notenvergabe. Diese Rechtsprechung gibt der Senat auf. 45 Das Grundgesetz gibt in Art. 33 Abs. 2 vor, dass sämtliche Einzelmerkmale der drei Kriterien bei der Bildung des abschließenden Gesamturteils zu berücksichtigen sind, d.h. auch die Einzelmerkmale der Kriterien der Befähigung und der Eignung. Auch vom Dienstherrn definierte Befähigungsmerkmale - wie etwa Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, schriftliche Ausdrucksfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit oder körperliche Leistungsfähigkeit (vgl. Rn. 42 des Urteils vom 19. März 2015) - können ebenso wie die verwandten Einzelmerkmale der fachlichen Leistung auf der Basis der im Beurteilungszeitraum vom Beamten auf dem Dienstposten gezeigten Leistungen und seines Verhaltens im Einzelnen auf das Statusamt bezogen bewertet und diese Einzelbewertungen können - falls dies vorgegeben ist - zu einer Gesamtnote der Befähigung zusammengefasst werden. 46 Häufig sind die Beurteiler bereits gegenwärtig nach den jeweils geltenden Vorschriften verpflichtet, ein zusammenfassendes Gesamturteil unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände zu bilden (a.A. Schnellenbach/Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, Bd. 2, Stand Oktober 2020, Rn. 257 und dieselben, Beamtenrecht in der Praxis, 10. Aufl. 2020, § 11 Rn. 17). Dies gilt etwa für § 92 Abs. 1 Satz 3 LBG NRW, für Art. 58 Abs. 3 und Art. 59 BayLlbG, für § 49 Abs. 2 ThürLaufbG und für § 11 Thüringer Beurteilungsverordnung vom 18. Februar 2020 (GVBl. 2020, 64). Auch die neue Beurteilungsrichtlinie des Finanzministeriums Rheinland-Pfalz vom 20. Februar 2019 (MinBl. 2019, 56) sieht vor, dass die Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsmerkmale in die abschließende Gesamtbewertung einfließen (ähnlich die Beurteilungsrichtlinie für den Justizvollzugsdienst in Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 6. April 2016, JMBl. NRW S. 130, dazu OVG Münster, Beschluss vom 11. Dezember 2018 - 6 B 1386/18 -). 47 c) Die Art und Weise, wie das zusammenfassende Gesamturteil als Ergebnis der umfassenden Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen Merkmale zu bilden ist, ist von Art. 33 Abs. 2 GG nicht vorgegeben und unterliegt deshalb der Gestaltung durch den Normgeber; diesem ist es lediglich verwehrt, eines der drei Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG bei der Bildung des Gesamturteils unberücksichtigt zu lassen. 48 Dies bedeutet nicht, dass dienstliche Beurteilungen und ihnen zugrunde liegende Beurteilungsrichtlinien, die gegenwärtig - etwa nach ihrem formularmäßigen Aufbau - auf den ersten Blick keine mit ""Befähigung"" oder ""Eignung"" betitelte Rubriken aufweisen, deshalb defizitär wären. In vielen dienstlichen Beurteilungen und Beurteilungsrichtlinien finden sich Einzelmerkmale, die Eigenschaften bezeichnen, die sich nicht ""trennscharf"" nur einem, sondern oftmals auch einem anderen der drei Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG zuordnen lassen. So kann z.B. ein Einzelmerkmal zwar zuvörderst einen Aspekt der ""fachlichen Leistung"" i.S.v. Art. 33 Abs. 2 GG umschreiben (und dort ggf. aufgelistet sein), doch kann damit auch eine grundsätzliche ""charakterliche Eigenschaft"" angesprochen sein, die auch dem Kriterium der ""Eignung"" oder als ""Fähigkeit"" oder ""Fertigkeit"" auch dem Kriterium der ""Befähigung"" zugeordnet werden kann, wenn man die Begriffsdefinitionen dieser drei Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG in § 2 Abs. 2 bis 4 BLV zugrunde legt. Entscheidend ist, welchen materiellen Gehalt das Einzelmerkmal der jeweiligen dienstlichen Beurteilung hat. 49 d) Den vorstehenden Anforderungen an das abschließende Gesamturteil genügt die streitgegenständliche Anlassbeurteilung nicht. Zwar hat die Beklagte entsprechend dem von ihr verwendeten Beurteilungsvordruck der Beurteilungsrichtlinie der Polizei des Landes Rheinland-Pfalz vom 15. Oktober 2005 die allgemeinen Befähigungsmerkmale und die besonderen Befähigungsmerkmale für Vorgesetzte nach einer fünfstufigen Skala im Einzelnen bewertet; sie hat jedoch aus der Gesamtbewertung der Leistungen mit der Gesamtnote ""B"" der ebenfalls fünfstufigen Skala und der Bewertung der Befähigungsmerkmale kein zusammenfassendes Urteil gebildet. Dies muss der erneuten dienstlichen Beurteilung der Klägerin vorbehalten bleiben. Die Erstellung einer ordnungsgemäßen dienstlichen Beurteilung der Klägerin ist eine originäre Aufgabe der Beklagten als Dienstherrin und nicht eine des Gerichts. 50 5. Sonstige von der Klägerin im Laufe des Gerichtsverfahrens gegen die Anlassbeurteilung vorgebrachte Gründe begründen nicht deren Rechtswidrigkeit. 51 a) Die Länge des von der Beklagten für die Anlassbeurteilungen gewählten Zeitraums von vier Jahren ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die gewählte Zeitspanne hält sich ausgehend von der Praxis der Beklagten und mangels erkennbarer Relevanz früherer Zeiträume für den Anlass der Beurteilung im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums. 52 b) Die Behinderteneigenschaft der Klägerin hat die Beklagte angemessen berücksichtigt. Zum Zeitpunkt der Erstellung der dienstlichen Beurteilung war bei der Klägerin ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt. Ausweislich des Deckblatts der dienstlichen Beurteilung vom 7. Oktober 2016 hat die Beklagte diesen Umstand berücksichtigt. Zwar hat die Klägerin im Dezember 2017 einen Antrag auf Zuerkennung eines Grades der Behinderung von 50 gestellt. Das vom Berufungsgericht erörterte Problem der rückwirkenden Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft stellt sich hier jedoch nicht, weil dieser Antrag Anfang 2018 abgelehnt worden ist, ohne dass die Klägerin hiergegen vorgegangen ist. 53 c) Gegen die im Hinblick auf den rechtlichen Maßstab und die Subsumtion zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zum Aspekt der Voreingenommenheit des Erstellers des Beurteilungsbeitrags und des Beurteilers hat die Klägerin im Revisionsverfahren nichts vorgebracht. Zudem hat der für die Beklagte handelnde Beurteiler sowohl im Vorfeld der Anlassbeurteilung vom 7. Oktober 2016 als auch im Widerspruchsbescheid zutreffend deutlich gemacht, dass die im Beurteilungsbeitrag des Fachbereichsleiters der Klägerin anklingende Kritik am Einsatz der Klägerin für ihre Funktion als Vorsitzende des Personalrats in Relation zu ihrem dienstlichen Engagement keinen Eingang in die dienstliche Beurteilung gefunden hat. Denn die Personalratstätigkeit eines zu beurteilenden Beamten muss bei der dienstlichen Beurteilung unberücksichtigt bleiben. 54 d) Auch beruht die angegriffene Anlassbeurteilung auf einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage. 55 Eine dienstliche Beurteilung eines Beamten muss auf einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage basieren, die die Bewertung der Leistung und des Verhaltens des Beamten möglich machen muss (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 2 A 10.13 - BVerwGE 150, 359 Rn. 20). Als Anhaltspunkt für die Beurteilung der Frage, ob bei einem teilweise freigestellten Mitglied des Personalrats die tatsächliche Dienstleistung noch als Grundlage für die dienstliche Beurteilung ausreicht, können solche beamtenrechtlichen Vorschriften dienen, die im Hinblick auf den geringen Umfang der Tätigkeit des Beamten die fiktive Fortschreibung der letzten regelmäßigen dienstlichen Beurteilung vorsehen (vgl. z.B. § 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BLV oder auch § 9 Abs. 2 der Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten im Land Nordrhein-Westfalen vom 21.  Juni 2016, GV. NRW. 2016, 461). 56 Danach reichen die tatsächlichen Dienstleistungen der Klägerin in dem von der Beklagten festgesetzten Beurteilungszeitraum von Februar 2012 bis Januar 2016 auch in Anbetracht der krankheitsbedingten Abwesenheiten der Klägerin, die in der vom Berufungsgericht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Personalakte der Klägerin dokumentiert sind, als Grundlage für die Anlassbeurteilung - noch - aus. Entscheidende Bedeutung kommt dabei dem Umstand zu, dass die Klägerin im Jahr 2012 dem Personalrat erst ab dem 17. Dezember angehörte und nach dem Abschluss ihrer Wiedereingliederung ab dem 18. Juli 2012 im vollen Umfang dienstlich tätig war. In den Jahren 2013 bis 2015, in den die Klägerin noch zu 20 v.H. dienstlich tätig war, gingen die Zeiten krankheitsbedingter Abwesenheit stark zurück. 57 e) Die Anlassbeurteilung ist schließlich auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die der Beurteilung beigefügte Aufgabenbeschreibung hinter der Stellenbeschreibung aus dem Jahr 2009 zurückbleibt, die im Rahmen des Verfahrens zur Bewertung des von der Klägerin ausgeübten Dienstpostens erstellt worden ist. Der Beurteiler kann sich bei der dienstlichen Beurteilung darauf beschränken, die wesentlichen Tätigkeiten der zu Beurteilenden in gedrängter Form wiederzugeben. 58 6. Konnte der unterlegene Bewerber seine Rechtsschutzmöglichkeiten entsprechend Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vor der Ernennung des Konkurrenten ausschöpfen, scheidet eine Anfechtungsklage gegen die Ernennung nach dem Grundsatz der Rechtsbeständigkeit aus. Das betreffende Statusamt ist unwiderruflich mit der Folge vergeben, dass die Bewerbungsverfahrensansprüche der unterlegenen Bewerber untergehen (BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 27 ff.). Nach diesen Grundsätzen ausgeschlossen ist aber auch der Anspruch auf Neubescheidung des Anspruchs auf Beförderung in das höhere Statusamt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. 59 Im Hinblick auf ein beim Verwaltungsgericht gleichwohl offenbar noch anhängiges Neubescheidungsbegehren der Klägerin weist der Senat darauf hin, dass die Personalratstätigkeit eines unterlegenen Bewerbers hierfür ohne Bedeutung ist. Dass ein völlig freigestelltes Mitglied des Personalrats wegen dieser Freistellung keinen konkreten, dem höheren Statusamt entsprechenden Dienstposten anstrebt, ist nicht relevant. Es kommt auf das höhere Statusamt an, das allerdings rechtsbeständig vergeben ist. Der Dienstherr ist nicht verpflichtet, für das Personalratsmitglied eine weitere Beförderungsstelle zu schaffen (a.A. VG Mainz, Urteil vom 13. November 2020 - 4 K 1494/17 - UA S. 8 f. unter Verweis auf OVG Koblenz, Beschluss vom 11. Februar 2020 - 10 B 11743/19 -). Dementsprechend hat die hier ausgesprochene Aufhebung der Anlassbeurteilung der Klägerin vom 7. Oktober 2016 keine Auswirkungen auf das noch beim Verwaltungsgericht anhängige Verfahren der Klägerin. 60 7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2021-47,07.07.2021,"Pressemitteilung Nr. 47/2021 vom 07.07.2021 EN Reichweite des Verbots gewerblicher Ankäufe mit Gewährung des Rückkaufrechts Nach § 34 Abs. 4 der Gewerbeordnung (GewO) ist der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung des Rückkaufsrechts verboten. Dieses Verbot erfasst alle vertraglichen Gestaltungen, bei denen der Verkäufer dem gewerblich handelnden Käufer das Eigentum an einer beweglichen Sache überträgt und sich dieses durch Rückzahlung des Kaufpreises und Erbringung einer weiteren vertraglich vereinbarten Leistung wieder verschaffen kann, die über den Nutzungsersatz im Sinne von §§ 346, 347 BGB hinausgeht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das von seinen Kunden Kraftfahrzeuge ankauft. Gleichzeitig mieten die Kunden das jeweils verkaufte Fahrzeug für einen bestimmten Zeitraum. Ihnen wird ein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag eingeräumt, das nur bis zur Beendigung des Mietvertrags ausgeübt werden kann. Mit dessen Ablauf erlischt auch das Rücktrittsrecht. Das Landratsamt untersagte dieses Geschäftsmodell. Die hiergegen erhobene Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts sowie den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 34 Abs. 4 GewO werde die Tätigkeit der Klägerin nicht von dieser Norm erfasst, da die Verbindung eines Kaufvertrags und eines Mietvertrags nicht als Ankauf mit Gewährung eines Rückkaufsrechts im Sinne der Vorschrift angesehen werden könne. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil geändert und die Klageabweisung bestätigt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs verstößt das Geschäftsmodell der Klägerin gegen § 34 Abs. 4 GewO. Dieses gesetzliche Verbot erfasst sämtliche Vertragsgestaltungen, bei denen ein gewerblicher Ankäufer zwar den Rückerwerb der Sache ermöglicht, für dessen Verwirklichung aber zusätzliche, über einen bloßen Nutzungsersatz hinausgehende Leistungen des Verkäufers erforderlich sind. Denn in allen diesen Fällen besteht das Risiko, dass der gewerbliche Käufer - ohne an die für Pfandleiher und Pfandvermittler geltenden Einschränkungen gebunden zu sein - nach einem Scheitern des Rückerwerbs als Eigentümer frei über die Kaufsache verfügen und sich durch eine Vertragsgestaltung, die zu seinen Gunsten von den Pfandleihvorschriften abweicht, erhebliche Gewinne auf Kosten des Verkäufers (Kunden) verschaffen kann.  Vor der daraus folgenden Gefahr einer Umgehung der restriktiven Vorschriften für das Pfandleihgewerbe soll § 34 Abs. 4 GewO gerade schützen. Dieses Verständnis der Norm steht mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen, namentlich dem Bestimmtheitsgebot, im Einklang. Das Verbot richtet sich zudem in persönlicher Hinsicht an jedermann, nicht nur an Pfandleiher oder Pfandvermittler. BVerwG 8 C 28.20 - Urteil vom 07. Juli 2021 Vorinstanzen: VGH München, 22 B 18.1574 - Urteil vom 22. Juli 2020 - VG München, M 16 K 14.5826 - Urteil vom 29. November 2016 -","Urteil vom 07.07.2021 - BVerwG 8 C 28.20ECLI:DE:BVerwG:2021:070721U8C28.20.0 EN Reichweite des Verbots gewerblicher Ankäufe mit Gewährung des Rückkaufsrechts Leitsatz: Das Verbot des § 34 Abs. 4 GewO erfasst alle vertraglichen Gestaltungen, bei denen der Verkäufer dem gewerblich handelnden Käufer das Eigentum an einer beweglichen Sache überträgt und sich dieses durch Rückzahlung des Kaufpreises und Erbringung einer weiteren vertraglich vereinbarten Leistung wieder verschaffen kann, die über einen Nutzungsersatz im Sinne von §§ 346, 347 BGB hinausgeht (im Anschluss an BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 179/07 - NJW 2009, 3368). Rechtsquellen GG Art. 12 Abs. 1, Art. 103 Abs. 2 AEUV Art. 56 GewO § 34 Abs. 4, § 144 Abs. 2 Nr. 2 LStVG BY Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 VwZVG BY Art. 29, 31, 36 Instanzenzug VG München - 29.11.2016 - AZ: VG M 16 K 14.5826 VGH München - 22.07.2020 - AZ: VGH 22 B 18.1574 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 07.07.2021 - 8 C 28.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:070721U8C28.20.0] Urteil BVerwG 8 C 28.20 VG München - 29.11.2016 - AZ: VG M 16 K 14.5826 VGH München - 22.07.2020 - AZ: VGH 22 B 18.1574 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2021 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Juli 2020 wird geändert. Die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 29. November 2016 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen. Gründe I 1 Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das von seinen Kunden Kraftfahrzeuge ankauft. Gleichzeitig mieten die Kunden das jeweils verkaufte Fahrzeug für einen bestimmten Zeitraum. Ihnen wird ein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag eingeräumt, das nur bis zur Beendigung des Mietvertrags ausgeübt werden kann. Mit dessen Ablauf erlischt auch das Rücktrittsrecht. 2 Das Landratsamt München untersagte mit dem angefochtenen Bescheid dieses Geschäftsmodell und drohte der Klägerin für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld an. Die hiergegen erhobene Klage ist in erster Instanz erfolglos geblieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts sowie den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Das Geschäftsmodell der Klägerin verstoße nicht gegen § 34 Abs. 4 GewO. Dabei müsse nicht entschieden werden, ob sich diese Vorschrift nur an Pfandleiher oder Pfandvermittler oder an jedermann richte. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 34 Abs. 4 GewO werde die Tätigkeit der Klägerin nicht von dieser Norm erfasst, da die Verbindung eines Kaufvertrags und eines Mietvertrags nicht als Ankauf mit Gewährung eines Rückkaufsrechts im Sinne der Vorschrift angesehen werden könne. 3 Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, verfassungsrechtlicher Maßstab für die Auslegung des § 34 Abs. 4 GewO sei nicht Art. 103 Abs. 2 GG, sondern das allgemeine rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot. Im Einklang damit werde das Geschäftsmodell der Klägerin von der Verbotsnorm erfasst, da es nicht auf die Bezeichnung des den Kunden eingeräumten Gestaltungsrechts ankomme. Nach dem allein maßgeblichen tatsächlichen Regelungsgehalt werde hier ein Rückkaufsrecht im Sinne des § 34 Abs. 4 GewO gewährt. Die Vorschrift finde auch nicht nur auf Pfandleiher und Pfandvermittler Anwendung. 4 Der Beklagte beantragt, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Juli 2020 zu ändern und die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 29. November 2016 zurückzuweisen. 5 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. 6 Sie verteidigt das angefochtene Urteil. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt, nach der Genese und dem Sinn der Vorschrift würden alle Gewerbetreibenden von § 34 Abs. 4 GewO erfasst. Der sachliche Anwendungsbereich der Norm sei ebenfalls eröffnet. Das den Kunden der Klägerin eingeräumte Rücktrittsrecht stelle ein Rückkaufsrecht dar. Es bringe die Gefahren mit sich, vor denen § 34 Abs. 4 GewO schützen solle. Dieses Verständnis stehe mit Verfassungsrecht im Einklang. II 8 Die Revision ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar die Klage zu Recht als zulässig angesehen (1.), aber § 34 Abs. 4 GewO auf der Grundlage verfassungsrechtlicher Erwägungen, denen nicht zu folgen ist, einen zu engen sachlichen Anwendungsbereich beigemessen (2.). Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (3.). Vielmehr ist es zu ändern und die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückzuweisen (4.). 9 1. Die Anfechtungsklage ist zulässig. Dem Rechtsschutzbedürfnis für die Klage steht nicht entgegen, dass das Landgericht München I die Klägerin mit mittlerweile rechtskräftigem Urteil vom 12. September 2016 (4 HK O 21699/15) zur Unterlassung ihres Geschäftsmodells verurteilt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für eine verwaltungsgerichtliche Klage nur dann, wenn der Erfolg der Klage die Rechtsstellung des Klägers nicht verbessern würde; dabei muss diese Nutzlosigkeit eindeutig sein. Das könnte hier nur angenommen werden, wenn der Verwirklichung der von der Klägerin behaupteten Rechtsposition - der Ausübung ihrer mit dem angefochtenen Bescheid untersagten Tätigkeit - aufgrund der Verurteilung durch das Landgericht zivilrechtliche Hindernisse entgegenstünden, die sich schlechthin nicht ausräumen ließen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 1993 - 4 B 110.93 - NVwZ 1994, 482). So liegt es hier nicht, da die Unterlassungspflichten der Klägerin aus dem zivilgerichtlichen Urteil beispielsweise durch eine Einigung der dortigen Prozessparteien entfallen könnten. Bei Verneinung der Zulässigkeit einer Klage gegen die Untersagung würde zudem der Rechtsschutz der Klägerin gegen die damit verbundene Zwangsmittelandrohung deutlich verkürzt. 10 2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die untersagte Tätigkeit der Klägerin verstößt gegen § 34 Abs. 4 GewO. Danach ist der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung des Rückkaufsrechts verboten. Dieses Verbot erfasst alle vertraglichen Gestaltungen, bei denen der Verkäufer dem gewerblich handelnden Käufer das Eigentum an einer beweglichen Sache überträgt und sich dieses durch Rückzahlung des Kaufpreises und Erbringung einer weiteren vertraglich vereinbarten Leistung wieder verschaffen kann, die über einen Nutzungsersatz im Sinne von §§ 346, 347 BGB hinausgeht (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 179/07 - NJW 2009, 3368 Rn. 26). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs bedarf es keiner Einschränkungen dieser Voraussetzungen im Hinblick auf Zahl und Typus der vertraglichen Vereinbarungen. Das Verbot greift auch dann ein, wenn zwischen Verkäufer und Käufer mehrere Verträge abgeschlossen werden. Entsprechen diese Verträge nicht alle dem Vertragstypus des Kaufvertrags im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 433 ff. BGB), steht dies einer Anwendung des § 34 Abs. 4 GewO ebenfalls nicht entgegen. Ebenso unerheblich sind die von den Vertragsparteien gewählten Vertragsbezeichnungen. 11 a) Dieses Verständnis beruht auf dem Wortlaut der Vorschrift. § 34 Abs. 4 GewO setzt die Verbindung eines Ankaufs mit der Gewährung eines Rechts zum Rückkauf voraus. Beide Begriffe sind nicht normativ vorgeprägt. Der Rückkauf ist - ebenso wie der Ankauf - gesetzlich nicht definiert und insbesondere nicht mit dem Wiederkauf (§§ 456 ff. BGB) gleichzusetzen, weil er dem öffentlichen Recht entstammt (BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 179/07 - NJW 2009, 3368 Rn. 25). Er bedarf daher, wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt richtig gesehen hat, der Auslegung. Unter einem Rückkauf lässt sich nicht nur ein - gewissermaßen zum Ankauf spiegelbildlicher - Kaufvertrag im Sinne der §§ 433 ff. BGB verstehen, sondern auch jeder andere auf einer Willenserklärung des Verkäufers beruhende Rückerwerb, der zur Wiederherstellung der ursprünglichen Eigentums- und Besitzverhältnisse hinsichtlich des Kaufgegenstands führt. Der Wortlaut setzt dabei nicht voraus, dass alle maßgeblichen Vereinbarungen in einem einzigen Vertrag zusammengefasst sind, da der Ankauf lediglich ""mit"" der Gewährung des Rückkaufsrechts verbunden sein, nicht aber in einem einzigen Rechtsgeschäft erfolgen muss. 12 b) Die Entstehungsgeschichte der Norm deutet in dieselbe Richtung und spricht zusätzlich dafür, den Anwendungsbereich des Verbots auf den Rückerwerb der Kaufsache gegen Entgelt zu beschränken. 13 Seit jeher zielten die gewerberechtlichen Vorschriften über die Pfandleihe darauf zu verhindern, dass der Sache nach gewerbsmäßig durch Pfandrechte an beweglichen Sachen gesicherte Darlehen gegeben werden. Unter Rückkaufsgeschäften im Sinne des § 34 Abs. 4 GewO und der Vorgängervorschriften sind daher verschleierte Pfandleihgeschäfte zu verstehen (vgl. RG, Urteil vom 15. Mai 1912 - VI 473/11 - RGZ 79, 361 <364>; BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 179/07 - NJW 2009, 3368 Rn. 25). Das gesetzliche Verbot betrifft im Hinblick auf diesen entstehungsgeschichtlichen Hintergrund nicht jede Rückabwicklung eines Kaufvertrags zwischen einem gewerblichen Ankäufer und seinem Kunden, sondern nur solche Geschäfte, bei denen die Wiedererlangung der Kaufsache mit einer Pflicht des Verkäufers zur Erbringung einer vertraglich vereinbarten Leistung verbunden ist, die über die Rückerstattung des Kaufpreises und einen bloßen Nutzungsersatz im Sinne des §§ 346, 347 BGB hinausgeht. Nicht maßgeblich ist dabei, ob diese zusätzliche Leistung an eine bestimmte Gegenleistung - beispielsweise die Überlassung des Kapitals oder des Gebrauchs der Kaufsache an den Kunden - oder an sonstige Umstände wie den entstandenen Verwaltungsaufwand geknüpft ist oder ohne andere Gegenleistung als die Rückübereignung der Kaufsache erbracht werden muss. Die Vergleichbarkeit mit dem gewerblichen Pfandleihgeschäft folgt schon daraus, dass der Rückerwerb nicht nur von der Rückzahlung des Kaufpreises, sondern auch von der Erbringung der weiteren, den gesetzlich vorgesehenen Nutzungsersatz übersteigenden vertraglichen Leistung durch den Kunden abhängt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 a.a.O. Rn. 26). In diesen Fällen besteht die für den Erlass des § 34 Abs. 4 GewO maßgebliche Gefahr einer Umgehung der Pfandleihvorschriften. 14 Demgegenüber kommt es nach der Entstehungsgeschichte der Norm nicht darauf an, ob der Besitz der Sache schon im Rahmen des Ankaufs auf den Gewerbetreibenden übergeht, auch wenn eine solche Übergabe Voraussetzung der Entstehung eines zivilrechtlichen Pfandrechts ist (vgl. § 1205 Abs. 1 BGB). Vielmehr greifen die Regelungen der Gewerbeordnung über den gewerblichen Rückkauf seit jeher auch dann ein, wenn zwischen dem Käufer und dem Verkäufer zusätzlich ein Mietvertrag abgeschlossen und die tatsächliche Übergabe der Sache durch die Vereinbarung eines Besitzkonstituts (§ 930 BGB) ersetzt wurde (vgl. Bayerischer VGH, Entscheidung vom 26. Oktober 1917, GewArch 17 (1918), 470 <472 ff.>; Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Stand Februar 2021, § 34 Rn. 25). Ein verschleiertes Pfandleihgeschäft liegt daher auch dann vor, wenn der unmittelbare Besitz an der Kaufsache - entgegen § 433 Abs. 1 BGB (vgl. dazu Beckmann, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 433 Rn. 106 ff.) - während des für die Möglichkeit des Rückerwerbs ausbedungenen Zeitraums beim Verkäufer verbleibt. 15 c) Gesetzessystematische und teleologische Gesichtspunkte stützen dieses Verständnis. § 34 Abs. 4 GewO tritt zu den engen gesetzlichen Vorgaben für das Pfandleihgewerbe in § 34 Abs. 1 bis 3 GewO nebst der Pfandleiherverordnung hinzu und soll verhindern, dass diese restriktiven Vorschriften mittels gewerblicher Rückkaufsgeschäfte umgangen werden (vgl. BT-Drs. 3/318 S. 17; Höfling, in: Friauf u.a., GewO, § 34 Rn. 46). Zielsetzung aller Vorschriften ist damit der Schutz der Kunden (vgl. zu den Zielsetzungen der Pfandleiherverordnung BVerwG, Urteil vom 28. März 2018 - 8 C 9.17 - BVerwGE 161, 334 Rn. 20). Wegen dieses Gesetzeszwecks ist nicht die Zahl der zwischen dem Ankäufer und dem Kunden geschlossenen Verträge, ihre Bezeichnung oder ihre Zuordnung zu einem bestimmten Vertragstypus entscheidend. Vielmehr kommt es darauf an, ob die getroffenen Vereinbarungen nach ihrem Inhalt unter das Verbot fallen (BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 179/07 - NJW 2009, 3368 Rn. 24). Das ist bei jeder Vertragsgestaltung zu bejahen, bei der ein gewerblicher Ankäufer zwar den Rückerwerb der Sache anbietet, für dessen Verwirklichung aber zusätzliche, über die Rückzahlung des Kaufpreises und einen bloßen Nutzungsersatz hinausgehende Leistungen des Verkäufers erforderlich sind. Denn in allen diesen Fällen besteht das Risiko, dass der gewerbliche Käufer - ohne an die für Pfandleiher oder Pfandvermittler geltenden Einschränkungen gebunden zu sein - sich durch eine Vertragsgestaltung, die zu seinen Gunsten von den Pfandleihvorschriften abweicht, erhebliche Gewinne auf Kosten des Verkäufers (Kunden) verschaffen und nach einem Scheitern des Rückerwerbs als Eigentümer frei über die Kaufsache verfügen kann. Vor dieser Gefahr soll § 34 Abs. 4 GewO gerade schützen (vgl. BT-Drs. 3/318 S. 17). 16 d) Die dargestellte Interpretation genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben, die nicht gebieten § 34 Abs. 4 GewO im Sinne des Berufungsurteils einschränkend auszulegen. Auch aus dem Unionsrecht lässt sich ein derartiges Erfordernis nicht ableiten. 17 aa) Im Hinblick auf die von Verfassungs wegen gebotene Bestimmtheit ist zu berücksichtigen, dass eine Vorschrift nur dann rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht, wenn und soweit sich aus ihr mit ausreichender Bestimmbarkeit ermitteln lässt, wer von der Norm betroffen ist und was von den pflichtigen Personen verlangt wird. Normen müssen daher so genau gefasst sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Notwendigkeit der Auslegung einer Begriffsbestimmung nimmt der Norm noch nicht die Bestimmtheit. Die Betroffenen müssen jedoch die Rechtslage anhand objektiver Kriterien erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können. 18 Besondere Anforderungen sind gemäß Art. 103 Abs. 2 GG an die Bestimmtheit der Regelung bußgeld- oder strafbewehrter Pflichten zu stellen, zu denen § 34 Abs. 4 GewO gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 2 GewO gehört. Die zuletzt genannte Vorschrift stellt jedenfalls teilweise eine Blankettnorm dar, soweit der Gesetzgeber die Beschreibung des Ordnungswidrigkeitentatbestandes durch die Verweisung auf § 34 Abs. 4 GewO ersetzt hat. In einem solchen Fall muss neben der Sanktionsnorm auch die sie ausfüllende Vorschrift die Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG erfüllen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 - BVerfGE 143, 38 Rn. 44, 46 m.w.N.). Bei Ordnungswidrigkeiten- oder Straftatbeständen müssen die Adressaten im Regelfall bereits anhand des Wortlauts voraussehen können, ob ein Verhalten darunter fällt oder nicht. Ist der Tatbestand weiter gefasst, kann sich die erforderliche Bestimmtheit aus einer Auslegung unter Rückgriff auf weitere Normen ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2020 - 8 C 2.19 - Buchholz 442.01 § 1 PBefG Nr. 4 Rn. 9 f.). Ausgeschlossen ist eine Rechtsanwendung, die tatbestandsausweitend über den Inhalt der Norm hinausgeht, wobei der mögliche Wortsinn als äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation aus der Sicht des Normadressaten zu bestimmen ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Januar 1995 - 1 BvR 718/89 u.a. - BVerfGE 92, 1 <12> und vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a. - BVerfGE 126, 170 <197>). 19 Daran gemessen kann der Normadressat des § 34 Abs. 4 GewO auch unter Berücksichtigung der Auslegungsbedürftigkeit der Vorschrift ohne Weiteres voraussehen, ob seine Tätigkeit dem Verbot unterfällt oder nicht. Im Rahmen des möglichen Wortsinns hält sich jede Auslegung, die als gewerblichen Ankauf ""mit Gewährung des Rückkaufsrechts"" eine mit einem solchen Kaufvertrag verbundene, aber nicht notwendig darin enthaltene Vereinbarung eines Rechts des Verkäufers zum Rückerwerb der Kaufsache versteht. Die Entstehungsgeschichte der Regelung, ihr systematischer Zusammenhang und ihr Schutzzweck verengen den Anwendungsbereich auf eine Verbindung des gewerblichen Ankaufs mit vertraglichen Abreden, nach denen die Verwirklichung des Rückerwerbs von Leistungen des Verkäufers abhängt, die über die - gesetzlich für den Rücktrittsfall vorgesehene - Erstattung des Kaufpreises und den Nutzungsersatz (§§ 346 f. BGB) hinausgehen. Eine solche Vertragsgestaltung unterfällt dem Begriff ""Ankauf mit Gewährung des Rückkaufsrechts"" unabhängig davon, ob nur ein Kaufvertrag im Sinne der §§ 433 ff. BGB oder daneben noch eine andere schuldrechtliche Vereinbarung vorliegt. Diese Interpretation folgt aus der bereits dargelegten Anwendung der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung. Sie knüpft an die jeweils getroffenen vertraglichen Vereinbarungen und damit an objektive Kriterien an; den Normadressaten ist es ohne Weiteres möglich, ihre gewerbliche Tätigkeit daran auszurichten und die Grenzen zulässiger Vertragsgestaltung zu erkennen. 20 bb) Die dargestellte Auslegung des § 34 Abs. 4 GewO ist ferner mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Das gesetzliche Verbot stellt - entgegen der Annahme der Klägerin - keine Beschränkung der Berufswahl, sondern nur eine Regelung der Berufsausübung dar, die im Hinblick auf den Schutz der Verkäufer den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügt. Die Vorschrift verbietet lediglich eine bestimmte, für die Verkäufer besonders nachteilige Form der Vertragsgestaltung; unbenommen bleibt es den Gewerbetreibenden, Pfandkredite in dem von § 34 GewO gezogenen Rahmen zu vergeben (BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 179/07 - NJW 2009, 3368 Rn. 27). 21 cc) Schließlich verletzt dieses Verständnis der Verbotsnorm auch nicht die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV). Eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs ist zulässig, wenn mit ihr ein berechtigtes und mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, soweit sie in einem solchen Fall geeignet ist, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Als zwingender Grund des Allgemeinwohls, der eine Beschränkung rechtfertigen kann, ist - auch im Bereich der Finanzdienstleistungen - der Verbraucherschutz anerkannt (stRspr, vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - C-265/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​498], Citroën/FvF - Rn. 37 f.). Ferner muss die Regelung tatsächlich dem Anliegen gerecht werden, das verfolgte Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (EuGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - C-98/14 [ECLI:​EU:​C:​2015:​386], Berlington Hungary - Rn. 64). 22 Danach ist die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch § 34 Abs. 4 GewO unionsrechtskonform. Die Vorschrift dient der umfassenden Sicherung der Kunden des Gewerbetreibenden vor einer Umgehung der restriktiven Vorgaben der Pfandleihevorschriften einschließlich der Pfandleiherverordnung, die ihrerseits den Schutz der Verpfänder zum Ziel hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. März 2018 - 8 C 9.17 - BVerwGE 161, 334 Rn. 20). Die Eignung der Norm zur Erreichung dieses Ziels ist nicht zu bezweifeln, da auf ihrer Grundlage durch Pfandrechte an beweglichen Sachen gesicherte Darlehen nur nach den für Pfandleiher geltenden Vorschriften vergeben werden dürfen. Ein milderes, gleich wirksames Mittel, um dies zu erreichen, steht nicht zur Verfügung. Die Regelung ergänzt die gesetzlichen Vorgaben für Pfandleiher und Pfandvermittler durch das ausdrückliche Verbot von vertraglichen Umgehungen dieser Schutzvorschriften und genügt daher dem unionsrechtlichen Gebot der Kohärenz. 23 e) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts verstößt die untersagte Tätigkeit der Klägerin gegen § 34 Abs. 4 GewO. Nach den bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs räumt die Klägerin den Verkäufern der Kraftfahrzeuge ein Rücktrittsrecht ein. Zugleich wird ein mit dem Kaufvertrag verbundener, befristeter Mietvertrag geschlossen. Der Zeitraum, in dem das Rücktrittsrecht ausgeübt werden kann, entspricht der Laufzeit des Mietvertrags. Damit übertragen die Kunden als Verkäufer der gewerblich handelnden Klägerin als Käuferin das Eigentum an beweglichen Sachen und können sich dieses durch Rückzahlung des Kaufpreises und Erbringung des vertraglich vereinbarten Mietzinses wieder verschaffen. Die Pflicht zur Zahlung des Mietzinses aufgrund des Mietvertrages geht über den gesetzlichen Nutzungsersatz (vgl. § 346 Abs. 1, § 347 Abs. 1 Satz 1 BGB) hinaus und bleibt auch im Fall des Rücktritts vom Kaufvertrag als hiervon unabhängige vertragliche Leistungspflicht bestehen (vgl. OLG München, Urteil vom 11. Mai 2017 - 29 U 3818/16 - unter II.2.d)cc)). 24 3. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beruht auf dem dargestellten Bundesrechtsverstoß (§ 137 Abs. 1 VwGO) und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Anfechtungsklage hat nicht deswegen Erfolg, weil die Klägerin - was der Verwaltungsgerichtshof offen gelassen hat (UA S. 9 f.) - nicht vom persönlichen Anwendungsbereich des § 34 Abs. 4 GewO erfasst und der angegriffene Bescheid deshalb rechtswidrig wäre. 25 Das Verbot des § 34 Abs. 4 GewO richtet sich nicht nur an Pfandleiher oder Pfandvermittler, sondern an jedermann und damit auch an die Klägerin. Dies folgt aus dem Wortlaut der den gewerblichen Rückkaufhandel als Tätigkeit schlechthin verbietet, sowie aus der Entstehungsgeschichte und dem Schutzzweck der Norm. Eine Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs auf - ohnehin der staatlichen Aufsicht unterliegende - Pfandleiher und Pfandvermittler würde die Gefahr einer Umgehung des Verbots auslösen und widerspräche der Absicht des Gesetzgebers, den Abschluss von Rückkaufsgeschäften generell zu untersagen (vgl. BT-Drs. 3/318, S. 17; BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 179/07 - NJW 2009, 3368 Rn. 21 f.). Anderes folgt nicht daraus, dass sich dieses Verbot in § 34 GewO findet und damit einen Teil der Vorschrift bildet, die im Übrigen die gesetzlichen Vorgaben für die Pfandleihe und die Pfandvermittlung enthält. Daraus kann nicht die Absicht des Gesetzgebers hergeleitet werden, den persönlichen Anwendungsbereich der Verbotsnorm zu begrenzen; vielmehr sollen die Vorschriften für Pfandleiher und Pfandvermittler durch ein an jedermann gerichtetes Verbot der Umgehung dieser restriktiven Vorgaben ergänzt werden, das an die Stelle der vorherigen, ebenfalls für alle geltenden Gleichstellung von Rückkauf- und Pfandleihgeschäften in § 34 Abs. 2 GewO a.F. trat. 26 4. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), da die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hierfür ausreichen. Dem steht nicht entgegen, dass die angefochtene Untersagung auf die irrevisible landesrechtliche Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG BY) gestützt ist. Das Berufungsgericht hat diese Vorschrift nicht herangezogen, so dass ihrer Anwendung durch das Revisionsgericht nichts im Wege steht (BVerwG, Urteil vom 15. November 1990 - 3 C 49.87 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 224). 27 Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG BY können die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu verhüten oder zu unterbinden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigung sind im Hinblick auf den Verstoß der Klägerin gegen § 144 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 34 Abs. 4 GewO erfüllt. 28 Die Ermessensausübung seitens des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Soweit die Klägerin die Beteiligung des Zentralverbandes des Deutschen Pfandkreditgewerbes e.V. im Verwaltungsverfahren kritisiert, ist nicht erkennbar, dass diese zu sachfremden Erwägungen des Beklagten oder zu sonstigen Fehlern seiner Ermessensentscheidung geführt hätte. 29 Die Ermessensausübung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Art. 3 Abs. 1 GG beschränkt als gesetzliche Ermessensgrenze die Handlungsmöglichkeiten der Behörden. Ermächtigt ein Gesetz dazu, unter bestimmten Voraussetzungen bestimmte Verhaltensweisen nach Ermessen zu untersagen, und lässt es damit der Behörde die Wahl, nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zwischen mehreren Rechtsfolgen zu wählen, gebietet Art. 3 Abs. 1 GG, das Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichmäßig auszuüben. Ergreift oder unterlässt die Behörde von der Ermessensermächtigung gedeckte Maßnahmen zur Bekämpfung rechtswidriger Zustände, so hat sie in vergleichbaren Fällen in der gleichen Art und Weise zu verfahren. Das bedeutet bei einer Vielzahl von Verstößen zwar nicht, dass sie gleichzeitig tätig werden muss. Es ist ihr indes verwehrt, systemlos oder willkürlich vorzugehen. Behandelt sie mehrere Fallgruppen unterschiedlich, so bedarf es hierfür eines sachlichen Grundes. Dasselbe gilt, wenn sie sich darauf beschränkt, einen Einzelfall herauszugreifen (BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - 8 C 18.16 - BVerwGE 160, 193 Rn. 21). 30 Mit diesen Vorgaben steht die Ermessensausübung des Beklagten im Einklang. Anhaltspunkte für ein systemloses oder willkürliches Vorgehen bestehen ebenso wenig wie für eine Ungleichbehandlung innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs. Eine rechtliche Verpflichtung zu der von der Klägerin für erforderlich gehaltenen bundesweiten Koordinierung des Vorgehens ist weder aus Art. 3 Abs. 1 GG noch aus dem unionsrechtlichen Kohärenzerfordernis gemäß Art. 56 AEUV herzuleiten. 31 Die Zwangsgeldandrohung (Nummer 2 des angefochtenen Bescheides) beruht auf Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 und Art. 36 VwZVG BY. Sie ist rechtlich ebenso wenig zu beanstanden wie die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in Nummer 3 des Bescheides, die sich aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 sowie Art. 6 und 10 des Kostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis ergibt. 32 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2021-48,08.07.2021,"Pressemitteilung Nr. 48/2021 vom 08.07.2021 EN Bundesnachrichtendienst muss Auskünfte zu sog. Kennenlernterminen, nicht aber zu von Journalisten initiierten Einzelgesprächen erteilen Journalisten können auf der Grundlage des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verlangen, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) mitteilt, welche Medienvertreter aus Anlass sog. Kennenlerntermine Zugang zu seiner Liegenschaft in Berlin erhalten haben. Demgegenüber muss der BND nicht die Namen der Medienvertreter und der von ihnen vertretenen Medien nennen, mit denen er auf deren Initiative Einzelgespräche geführt hat. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist Journalist und Redakteur einer Tageszeitung. Er bat den BND um Auskunft, welchen Medienvertretern dieser Zugang zu seiner Liegenschaft in Berlin gewährt und mit welchen dieser im Jahr 2019 vertrauliche Einzelgespräche geführt hat. Ziel des Auskunftsbegehrens ist, Informationen über die Pressearbeit des BND und insbesondere über die Praxis der Einzelgespräche zu erhalten. Der BND hat vorprozessual nur einen Teil der Fragen beantwortet. Während des Klageverfahrens hat er weitere Fragen beantwortet und unter anderem mitgeteilt, dass seit Anfang 2019 bis zur Auskunftserteilung 44 Medienvertreter um Einzelgespräche nachgesucht haben und 51 Einzelgespräche geführt worden sind. Mit seiner Klage hat der Kläger Auskunft begehrt, welchen Medienvertretern und welchen von ihnen vertretenen Medien der BND seit dem 4. Juni 2019 an welchem Tag aus welchem Anlass Zugang zu seiner Liegenschaft in Berlin gewährt hat und welche weiteren schriftlichen Informationen dem BND zu dem jeweiligen Termin vorliegen. Zudem hat er wissen wollen, mit welchen Medienvertretern der BND an welchem Tag ein Einzelgespräch geführt hat und welche Medien diese vertreten haben. Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz zu entscheiden hat, hat teilweise Erfolg gehabt. Hinsichtlich des ersten Auskunftsbegehrens hat der BND während des Klageverfahrens mitgeteilt, dass er Medienvertretern Zugang zu seiner Liegenschaft nur aus Anlass von sog. Kennenlernterminen gewährt hat. Insoweit hat der BND den Auskunftsanspruch erfüllt und die Klage war abzuweisen. Demgegenüber hatte die Klage insoweit Erfolg, als der BND darüber Auskunft zu erteilen hat, welchen Medienvertretern er an welchem Tag zum Zwecke des Kennenlernens Zugang zu seiner Liegenschaft in Berlin gewährt hat. Dem Auskunftsinteresse stehen schutzwürdige private Interessen der betroffenen Journalisten und der von ihnen vertretenen Medien nicht entgegen. Der Nennung ihrer Namen kann der BND nicht das Recherche- und Redaktionsgeheimnis entgegenhalten, weil die begehrten Auskünfte keinen Bezug zu einer konkreten Recherche erkennen lassen und daher keine Gefahr besteht, dass durch die Auskünfte über die Kennenlerntermine konkrete Recherchetätigkeiten aufgedeckt werden. Ebenso wenig steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Medienvertreter entgegen, da die Auskunft deren auf Öffentlichkeit angelegte berufliche Sphäre betrifft. Soweit der Kläger weitere Auskünfte zu den Einzelgesprächen begehrt hat, ist die Klage erfolglos geblieben. Sollten die Namen der Medienvertreter und der von ihnen vertretenen Medien sowie das Datum der Einzelgespräche bekannt werden, bestünde die Gefahr, dass diese Informationen Rückschlüsse auf die konkreten Recherchetätigkeiten zulassen. Diese Informationen können unter Berücksichtigung des zeitlichen Rahmens, auf den sich das Auskunftsbegehren bezieht, und unter Einbeziehung von Veröffentlichungen der jeweiligen Medienvertreter Anhaltspunkte zu deren konkreten Recherchethemen geben. Dies stellt einen Eingriff in das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Recherche- und Redaktionsgeheimnis der betroffenen Medienvertreter und Medien dar mit der Folge, dass das ebenfalls auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG beruhende Auskunftsinteresse des Klägers im Rahmen der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht überwiegt. BVerwG 6 A 10.20 - Urteil vom 08. Juli 2021","Urteil vom 08.07.2021 - BVerwG 6 A 10.20ECLI:DE:BVerwG:2021:080721U6A10.20.0 EN Zum verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse gegen den Bundesnachrichtendienst über dessen Zusammenarbeit mit der Presse Leitsätze: 1. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Bundesbehörden aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gebietet der auskunftspflichtigen Stelle grundsätzlich nicht, vor Erteilung oder Ablehnung der Auskunft die Betroffenen, deren private Interessen in die Abwägung mit dem Auskunftsinteresse der Presse einzustellen sind, anzuhören oder um deren Einwilligung in die Auskunftserteilung nachzusuchen. 2. Der Bundesnachrichtendienst ist befugt, Einzelgespräche als nichtöffentliche individuelle Kommunikationsform im Rahmen seiner Öffentlichkeits-, Presse- und Informationsarbeit zu führen. 3. Das von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Recherche- und Redaktionsgeheimnis des einzelnen Medienvertreters und des von ihm vertretenen Mediums steht einem Auskunftsbegehren entgegen, wenn durch die Erteilung der begehrten Auskunft ein hinreichend konkreter Bezug zu den Recherchen der betroffenen Medienvertreter besteht, der die Annahme einer Gefahr der Aufdeckung der Recherche durch Dritte rechtfertigt. Dies ist der Fall, wenn die Beantwortung der gestellten Fragen gegebenenfalls in der Zusammenschau mit anderweitig vorhandenen Informationen Rückschlüsse auf die konkrete Recherchetätigkeit der betroffenen Medienvertreter zulässt. Rechtsquellen GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 IFG § 8 VwGO § 44, § 50 Abs. 1 Nr. 4, § 91 Abs. 1, § 92 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 08.07.2021 - 6 A 10.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:080721U6A10.20.0] Urteil BVerwG 6 A 10.20 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 8. Juli 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Steiner ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt: Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat und die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Auskünfte zu erteilen, -  welchen Medienvertretern und welchen von ihnen vertretenen Medien der Bundesnachrichtendienst seit dem 4. Juni 2019 aus Anlass sog. Kennenlerntermine Zugang zu seiner Liegenschaft in Berlin gestattet hat (jeweils unter Angabe des Datums) und  -  welche weiteren schriftlichen Informationen dem Bundesnachrichtendienst zu dem jeweiligen Termin vorliegen.  Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte. Gründe I 1 Der Kläger ist Journalist und Redakteur einer Tageszeitung. Er begehrte im November 2019 von dem Bundesnachrichtendienst mittels 17 Anträgen Auskünfte über dessen Pressearbeit, insbesondere über die sog. Einzelgespräche. Er möchte mit seinem Auskunftsbegehren die Beziehungen des Bundesnachrichtendienstes zu Medienvertretern und Medien aufdecken. Das Auskunftsbegehren bezog sich auf das Jahr 2019. Sollten für das Jahr 2019 keine Informationen vorliegen, begehrte er hilfsweise die Auskünfte für die Jahre 2017 und 2018 sowie weiter hilfsweise eine vertrauliche Auskunftserteilung. 2 Der Bundesnachrichtendienst beantwortete die mit den Anträgen gestellten Fragen nur teilweise. Der Kläger hielt an den unbeantworteten Auskunftsanträgen fest und ergänzte sein Auskunftsbegehren um die Anträge 18 bis 23, die neben Informationen zu den Einzelgesprächen auch die Gewährung des Zugangs für Medienvertreter zu der Liegenschaft des Bundesnachrichtendienstes in Berlin betrafen. 3 Mit seiner im August 2020 erhobenen Klage hat der Kläger seine vorprozessualen Auskunftsanträge 1 bis 8 und 13 bis 23 als Anträge 1 bis 19 einschließlich der hilfsweisen Anträge weiterverfolgt. Während des Klageverfahrens hat der Bundesnachrichtendienst im September 2020 die Auskunftsanträge 1 bis 17 beantwortet und unter anderem mitgeteilt, dass von Januar 2019 bis einschließlich März 2020 insgesamt 44 Medienvertreter um Einzelgespräche nachgesucht haben, 51 Einzelgespräche im Zeitraum von Januar 2019 bis März 2020 geführt worden sind und wie sich die Gespräche monatsweise auf diesen Zeitraum verteilen. Daraufhin haben die Beteiligten insoweit den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Eine Antwort zu den Anträgen 18 und 19, die sich auf die Medienvertreter beziehen, denen der Bundesnachrichtendienst Zugang zu seiner Liegenschaft in Berlin gewährt hat, hat der Bundesnachrichtendienst unter Berufung insbesondere auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Medienvertreter verweigert. Aus Anlass der Antworten hat der Kläger außergerichtlich elf zusätzliche Auskunftsanträge zu den genannten Komplexen gestellt, die der Bundesnachrichtendienst im Oktober 2020 ebenfalls überwiegend beantwortet hat. Er hat unter anderem die abstrakten Themen und die betroffenen Staaten genannt, die Gegenstand der Einzelgespräche waren, nicht aber die weiteren Fragen zu den Medienvertretern, mit denen er Einzelgespräche geführt hatte, beantwortet. Der Kläger hat die letztgenannten Fragen sodann als Anträge 20 und 21 in das Klageverfahren einbezogen. Des Weiteren hat er seinen Hilfsantrag betreffend die Auskünfte für die Jahre 2017 und 2018 zurückgenommen, nachdem die Beklagte mitgeteilt hatte, dass Informationen für das Jahr 2019 vorliegen. 4 Der Kläger stützt sich auf den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse und begründet seine Klage im Wesentlichen damit, dass der Schutzanspruch der an den Einzelgesprächen beteiligten Medienvertreter und Medien sein Auskunftsinteresse nicht überwiege. Er wolle nicht die Recherchen seiner Kollegen ausforschen, sondern nur den Umfang der Medienarbeit des Bundesnachrichtendienstes in seiner denkbar abstraktesten Form ermitteln. Gleiches gelte für die von dem Bundesnachrichtendienst begehrten Informationen über den Zugang von Medienvertretern zu dessen Liegenschaft in Berlin. Dementsprechend sei das Recherche- und Redaktionsgeheimnis der Medienvertreter und der von ihnen vertretenen Medien durch die begehrten Auskünfte nicht berührt. Die persönlichen Rechte der Betroffenen stünden dem Auskunftsbegehren ebenfalls nicht entgegen, da es sich ausschließlich auf deren beruflichen Bereich beziehe. 5 Der Bundesnachrichtendienst sei im Übrigen nicht befugt, Einzelgespräche mit Medienvertretern zu führen. Die Voraussetzungen zur Durchführung vertraulicher Hintergrundgespräche lägen nicht vor. Der Bundesnachrichtendienst müsse die Themen vorgeben und auch den Teilnehmerkreis sachgerecht auswählen. Da bei den auf Vertraulichkeit angelegten Informationsveranstaltungen wie den Einzelgesprächen die Öffentlichkeit ausgeschlossen sei, seien derartige Veranstaltungen mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur regierungsamtlichen Öffentlichkeitsarbeit unvereinbar. Die vertrauliche Auskunftserteilung erfülle den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse nicht, weil die Informationen nicht zur öffentlichen Meinungsbildung verwendet werden dürften. Zudem verschleiere sie aus Sicht der Öffentlichkeit den Urheber der Information. Die Einzelgespräche seien zu dokumentieren, da nur auf diese Weise deren Praxis nachgeprüft werden könne. Darüber hinaus sei zu prüfen, ob die auskunftspflichtige Stelle die von der Auskunftserteilung in ihren Interessen Betroffenen anzuhören und um deren Einwilligung in die Auskunftserteilung nachzusuchen habe. Die Anhörung diene der Ermittlung des Gewichts der entgegenstehenden Belange und - aus Sicht der Betroffenen - dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes. Zugleich könnten mit der Einwilligung schutzwürdige Belange beseitigt werden, die der Auskunftserteilung entgegenstünden. Zu bedenken sei allerdings, dass derartige verfahrensrechtliche Anforderungen auch zu Lasten der Effektivität des presserechtlichen Auskunftsanspruchs gingen. 6 Der Kläger beantragt zuletzt, der Beklagten aufzugeben, ihm Auskunft darüber zu erteilen, 18. welchen Medienvertreterinnen/Medienvertreter bzw. Vertreterinnen/Vertreter welcher Medien der Bundesnachrichtendienst seit 4. Juni 2019 aus beruflichen Gründen außerhalb von ausschließlich oder überwiegend für Medienvertreter organisierte Veranstaltungen und Einzelgesprächen jeweils wann (Datum) Zugang zu seiner Liegenschaft in Berlin gestattet hat, 19. was jeweils der Anlass dafür war und welche weiteren schriftlichen Informationen dem Bundesnachrichtendienst zu dem jeweiligen Anlass bzw. Termin vorliegen, 20. wer die 44 Medienvertreter sind, die seit Anfang 2019 für ein Einzelgespräch zugelassen wurden, und welche Medien sie jeweils vertreten haben, 21. welche der Medienvertreter jeweils wann (Datum) eine solche Informationsmöglichkeit erhalten haben, sowie hilfsweise sämtliche Auskünfte vertraulich und nicht zur Verwendung für eine öffentliche Berichterstattung zu erteilen. 7 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 8 Sie habe den Auskunftsanspruch des Klägers erfüllt. Den weiteren Auskunftsbegehren stünden schützenswerte private Interessen der Betroffenen gegenüber. 9 Der Bundesnachrichtendienst habe Medienvertretern ausschließlich aus Anlass sog. Kennenlerntermine, die von einzelnen Journalisten initiiert worden seien, Zugang zu seiner Liegenschaft in Berlin gewährt. Derartige Termine unterfielen dem Schutzbereich der Pressefreiheit, da sie der Vorbereitung der Informationsbeschaffung dienten. Auch stehe dem Auskunftsbegehren das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Journalisten entgegen. 10 Die Befugnis zur Führung von Einzelgesprächen ergebe sich aus dem Recht zur Öffentlichkeitsarbeit. Die Einzelgespräche beruhten auf presserechtlichen Auskunftsersuchen der jeweiligen Medienvertreter, weshalb der Bundesnachrichtendienst weder das Thema des Einzelgesprächs vorgeben noch eine Auswahl von Teilnehmern vornehmen könne. Der Bundesnachrichtendienst müsse derartigen Auskunftsersuchen nachkommen, sofern keine schutzwürdigen Interessen entgegenstünden. Lediglich die Form ihrer Erfüllung - schriftlich oder mündlich bzw. im Rahmen eines Einzelgesprächs - stehe in seinem Ermessen. Eine Bevorzugung einzelner Medienvertreter sei ausgeschlossen, da eine Pflicht zur Beantwortung der Auskunftsbegehren bestehe, wenn deren Voraussetzungen vorlägen. Die routinemäßige Vereinbarung der Vertraulichkeit bei Einzelgesprächen, die sich auf den Inhalt und die Umstände des Gesprächs beziehe, sei zulässig. Der Journalist erkläre sich in diesem Fall mit der Erledigung seines Auskunftsersuchens durch das Einzelgespräch einverstanden. Mit der Vertraulichkeitsabrede verfehlten die Journalisten nicht ihre Aufgabe, weil über die Art und Weise ihrer Recherche nur sie selbst entscheiden könnten und die vertraulich gegebenen Informationen geeignet seien, das Lagebild eines Journalisten abzurunden bzw. Anhaltspunkte für neue Recherchen zu schaffen, auch wenn keine geheim zu haltenden Informationen preisgegeben würden. 11 Der Bundesnachrichtendienst habe bei der Abwägung des Auskunftsinteresses mit entgegenstehenden Belangen den Schutz der Grundrechte der mit ihm in Kontakt tretenden Journalisten zu achten und - soweit möglich - zu gewährleisten. Hierzu zähle das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Journalisten. Für eine Weitergabe von persönlichen Daten der Journalisten bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage, die nicht in dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse liege. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Personen begrenze den Anspruch. Einzelgespräche wiesen nicht den gleichen Öffentlichkeitsbezug auf wie die Hintergrundgespräche mit mehreren Journalisten. Die begehrten Informationen über die Einzelgespräche unterfielen der Pressefreiheit, insbesondere dem Recherchegeheimnis der Journalisten. Die Einzelgespräche dienten dem jeweiligen Journalisten zur Beschaffung von Informationen im Rahmen seiner Recherche unter Nutzung des ihm zustehenden Auskunftsanspruchs. Eine Offenbarung seiner Person und weiterer Informationen begründe zusammen mit späteren Veröffentlichungen die Gefahr von Rückschlüssen auf konkrete Recherchethemen und -quellen. Dies treffe den Kernbereich der Pressefreiheit. Im Falle einer Stattgabe des Auskunftsbegehrens bestehe zudem die Gefahr des Missbrauchs, indem sich Journalisten über den Auskunftsanspruch Informationen über die Recherchearbeiten von Kollegen verschafften. Eine Einwilligung der betroffenen Medienvertreter in die Auskunftserteilung liege nicht vor und sei auch nicht einzuholen. Der auf vertrauliche Auskunftserteilung gerichtete Hilfsantrag sei vom Auskunftsanspruch nicht gedeckt, weil eine solche Auskunft den Zweck des Anspruchs, die Öffentlichkeit zu unterrichten, nicht erfülle. 12 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Inhalte der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs verwiesen. II 13 Soweit der Kläger seinen Antrag, die Beklagte hilfsweise zur Auskunft über die Jahre 2017 und 2018 zu verurteilen, wenn Informationen für das Jahr 2019 nicht vorliegen, gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO zurückgenommen hat, ist das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Gleiches hat in entsprechender Anwendung der letztgenannten Vorschrift zu geschehen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Anträge 1 bis 17 übereinstimmend für erledigt erklärt haben. 14 Im Übrigen ist die sich auf den Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes beziehende Klage, für die das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO zuständig ist und über die der Senat mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO), zulässig (1.) und teilweise begründet (2.). 15 1. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse ist mit der Leistungsklage gerichtlich geltend zu machen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 9 m.w.N.). Der Kläger als Journalist und Redakteur kann analog § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, durch die Ablehnung der Auskunft zu den Anträgen 18 bis 21 in seinem verfassungsrechtlich verankerten Auskunftsanspruch verletzt zu sein. Ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ist gegeben, da der Kläger das mit diesen Anträgen verfolgte Auskunftsbegehren zuvor bei der auskunftspflichtigen Stelle ohne Erfolg geltend gemacht hat (vgl. zum Kongruenzgebot: BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2017 - 6 VR 1.17 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 6 Rn. 9). Der Kläger hat vor Erhebung der Klage und ihrer Erweiterung um die Anträge 20 und 21 erfolglos um Beantwortung der jeweiligen Fragen bei dem Bundesnachrichtendienst nachgesucht. 16 Die mit der Einbeziehung der Anträge 20 und 21 in das Klageverfahren verbundene Klageänderung ist nach § 91 Abs. 1 VwGO zulässig. Die Ausführungen der Beklagten, sie erachte die Klageerweiterung als sachdienlich, aber die Anträge 20 und 21 als unbegründet, können als konkludente Einwilligung gewertet werden (zur Zulässigkeit der konkludenten Einwilligung: Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 91 Rn. 27). Dessen ungeachtet erweist sich die Klageänderung auch als sachdienlich, da sich die beiden Fragenkomplexe auf die Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes mit den Medienvertretern beziehen und mit der Erweiterung der Klage um die Anträge 20 und 21 eine endgültige Beilegung des Streits zwischen den Beteiligten erreicht werden kann. Ebenfalls erfüllt sind die Voraussetzungen des § 44 VwGO, weil sich die geltend gemachten Auskunftsansprüche gegen dieselbe Beklagte richten, ihre Geltendmachung in einem tatsächlichen Zusammenhang steht und dasselbe Gericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO zuständig ist. 17 2. Die Klage ist teilweise begründet. Anspruchsgrundlage für das Auskunftsbegehren des Klägers gegen den Bundesnachrichtendienst ist der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse (a)). Dieser Anspruch verlangt von der auskunftspflichtigen Stelle nicht, die Betroffenen, deren Interessen in die Abwägung einzustellen sind, vor der Erteilung oder der Ablehnung der Auskunft anzuhören und um deren Einwilligung in die Auskunftserteilung nachzusuchen (b)). Die Klage ist hinsichtlich der Anträge 18 und 19 begründet mit Ausnahme der in Antrag 19 enthaltenen Frage nach dem Anlass für die Zugangsgewährung; insoweit hat die Beklagte den Anspruch erfüllt und ist die Klage abzuweisen (c)). Ebenfalls abzuweisen ist die Klage hinsichtlich der mit den Anträgen 20 und 21 erfassten Auskunftsbegehren zu den Einzelgesprächen (d)). 18 a) Das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verleiht in seiner objektiv-institutionellen Dimension und in Ermangelung einer einfachgesetzlichen Regelung den Presseangehörigen einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden, soweit auf diese die Landespressegesetze mit den in ihnen enthaltenen Auskunftsanspruchsnormen wegen einer entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes keine Anwendung finden. Nur der auf diese Weise gewährleistete, prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die für die Demokratie essentielle freie Presse in den Stand, die ihr zukommende Informations- und Kontrollfunktion auch gegenüber Bundesbehörden wirksam wahrzunehmen. Auf Grund dieses verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Presseangehörige auf hinreichend bestimmte Fragen behördliche Auskünfte verlangen, soweit die entsprechenden Informationen bei der Behörde vorhanden sind und schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen oder Privater an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen im Einzelfall. Dabei kommt eine Bewertung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht. Zudem darf der Anspruch in seinem materiellen Gehalt nicht hinter demjenigen der im Wesentlichen inhaltsgleichen, auf eine Abwägung zielenden Auskunftsansprüche nach den Landespressegesetzen zurückbleiben. Entscheidend ist, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, die den Anspruch auf Auskunft ausschließen (stRspr, BVerwG, Urteile vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 13, 16 ff. und - 6 C 66.14 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 15 Rn. 12, 23 ff. und vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 13). So verstanden hat der Senat an seiner ursprünglichen, den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse auf das Niveau eines ""Minimalstandards"" beschränkenden Rechtsprechung (vgl. dazu noch: BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 29) schon seit einigen Jahren nicht mehr festgehalten. 19 Bei dem in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Auskunftsanspruch handelt es sich um ein Individualrecht der einzelnen Presseangehörigen. Zu den auskunftspflichtigen Stellen gehört der Bundesnachrichtendienst. Die von Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG umfasste Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Regelung der Sachmaterie ""Bundesnachrichtendienst"" schließt als Annex die Befugnis zur Regelung von Auskunftspflichten gegenüber der Presse ein. Damit sind Ansprüche auf Erteilung von Auskünften durch den Bundesnachrichtendienst auf Grund landespresserechtlicher Vorschriften ausgeschlossen. Da der Bund von seiner Regelungsbefugnis bisher keinen Gebrauch gemacht hat, greift der unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG herzuleitende Auskunftsanspruch ein. Eine Bereichsausnahme zugunsten des Bundesnachrichtendienstes in Entsprechung zu § 3 Nr. 8 IFG ist de lege lata nicht gerechtfertigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 14 f.). 20 Dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse können Belange entgegenstehen, die nach Maßgabe einer Abwägung mit dem Informationsinteresse der Presse ein schutzwürdiges öffentliches oder privates Interesse an der Geheimhaltung von Informationen begründen. Sie begrenzen diesen Auskunftsanspruch, sind von dem Bundesnachrichtendienst darzulegen und durch das Gericht grundsätzlich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollumfänglich zu überprüfen. Eine in diesem Rahmen gebotene Geheimhaltung wird durch das Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO gewährleistet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 16 ff. m.w.N.). 21 Die im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblichen privaten Interessen, denen bei der im Rahmen des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse gegenüber Bundesbehörden durchzuführenden Abwägung Vorrang vor dem in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Informationsinteresse der Presse zuzubilligen ist, können sich insbesondere aus den Grundrechten Dritter ergeben. Die praktische Konkordanz zwischen den konfligierenden Grundrechtspositionen der Presse und der privaten Dritten, die im Anwendungsbereich der Landespressegesetze auf einfachgesetzlicher Grundlage hergestellt werden kann, muss bei Auskunftsbegehren der Presse gegenüber Bundesbehörden mangels einer Regelung des Bundesgesetzgebers im einfachen Recht im Rahmen der Auslegung und Anwendung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG hergestellt werden. Setzt sich der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch im Rahmen der durchzuführenden Abwägung durch, ist verfassungsrechtlich determiniert, dass die Belange der Presse überwiegen. In diesem Fall erweist sich Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zugleich als hinreichende Ermächtigung für die mit der Auskunftserteilung verbundenen Eingriffe in die Grundrechte Dritter (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - BVerwGE 151, 348 Rn. 41 und vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 21 f.). 22 Voraussetzung für die Geltendmachung des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs ist, dass die Auskunftsbegehren einen hinreichend bestimmten Bezug auf konkrete Tatsachenkomplexe erkennen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 30; OVG Münster, Beschluss vom 3. April 2019 - 15 B 1850/18 - AfP 2019, 261 <263>). Gegenstand des Anspruchs sind diejenigen Informationen, die bei der auskunftspflichtigen Stelle vorhanden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2020 - 10 C 18.19 - BVerwGE 167, 319 Rn. 28; Beschlüsse vom 3. Dezember 2020 - 6 A 3.20 - DVBl 2021, 588 Rn. 11 und vom 23. März 2021 - 6 VR 1.21 - NVwZ-RR 2021, 663 Rn. 17). Vorhanden sind die Informationen nicht nur dann, wenn sie elektronisch gespeichert oder verschriftlicht in Akten oder Vorgängen enthalten sind. Zu den bei der Behörde vorhandenen Informationen gehören auch auf dienstliche Vorgänge und Wahrnehmungen bezogene Informationen, die nicht verschriftlicht bzw. nicht aktenkundig gemacht wurden (ebenso zum Auskunftsanspruch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 MStV: BVerwG, Urteil vom 26. April 2021 - 10 C 1.20 - juris Rn. 25). Die Grenze des Auskunftsanspruchs ist überschritten, wenn aus dem Informationsanspruch ein Informationsverschaffungsanspruch wird, die Behörde also die begehrten Informationen erst beschaffen muss, weil sie nicht tatsächlich über die Informationen verfügt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2015 - 1 BvR 1452/13 - NVwZ 2016, 50 Rn. 15 f.; BVerwG, Urteile vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 32 und vom 26. April 2021 - 10 C 1.20 - juris Rn. 24 zu § 5 Abs. 1 Satz 1 MStV). 23 b) Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse gebietet der auskunftspflichtigen Stelle grundsätzlich nicht, vor Erteilung oder Ablehnung der Auskunft die Betroffenen, deren private Interessen in die Abwägung mit dem Auskunftsinteresse der Presse einzustellen sind, anzuhören oder um deren Einwilligung in die Auskunftserteilung nachzusuchen. 24 Die Anhörung der Betroffenen ist eines der der auskunftspflichtigen Stelle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel für die Ermittlung und Gewichtung der privaten Interessen. Sie eröffnet zugleich den Betroffenen die Möglichkeit, noch vor der beabsichtigten Auskunftserteilung vorbeugenden gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Verbindet die auskunftspflichtige Stelle darüber hinaus die Anhörung mit der Aufforderung, sich zu einer Einwilligung in die Auskunftserteilung zu äußern, trägt dies dem Interesse des Anspruchsinhabers an einer weitest möglichen Auskunftserteilung Rechnung. Denn die Einwilligung der Betroffenen könnte das Gewicht der schützenswerten Interessen in einem Maße verringern, dass sie der Auskunftserteilung nicht mehr entgegenstehen. 25 Allerdings ist bei der Prüfung der Notwendigkeit derartiger prozeduraler Pflichten zu berücksichtigen, dass der materielle Gehalt des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse ein besonderes Gewicht hat und diese Grundrechtsposition der Presse nicht über das Verfahrensrecht ausgehöhlt oder entwertet werden darf (zu dieser Grenze einfachgesetzlicher Verfahrens- und Formvorschriften siehe nur: BVerfG, Beschluss vom 22. April 2021 - 2 BvR 320/20 - juris Rn. 32 m.w.N. zu Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG). Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse ist als Mittel der Informationsbeschaffung vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst. Ihm kommt ebenso wie den in den Pressegesetzen der Länder normierten Auskunftsansprüchen eine besondere Bedeutung für die effektive Berichterstattung und Wahrnehmung der Aufgabe der Presse zu, da erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen die für die Demokratie essentielle freie Presse in den Stand versetzt, die ihr zukommende Informations- und Kontrollfunktion wirksam wahrzunehmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 8. September 2014 - 1 BvR 23/14 - NJW 2014, 3711 Rn. 26 und vom 14. September 2015 - 1 BvR 857/15 - NJW 2015, 3708 Rn. 16; BVerwG, Urteile vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 17 und vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 15; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Oktober 2020, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 275; zur Zulässigkeit der presserechtlichen Datenverarbeitung ohne Einwilligung der Betroffenen: BGH, Urteil vom 1. Februar 2011 - VI ZR 345/09 - NJW 2011, 2285 Rn. 24 m.w.N.). Die verfassungsrechtliche Aufgabe verbietet eine verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Auskunftsanspruchs, die dessen Zweck vereiteln oder maßgeblich gefährden würde. Eine anhörungsbedingte Verzögerung der Auskunftserteilung birgt die Gefahr in sich, dass die Presse ihren Informations- und Kontrollauftrag mangels Aktualität im Zeitpunkt der Informationserteilung nicht mehr erfüllen kann. Eine Pflicht der auskunftspflichtigen Stellen, die Betroffenen vor der Auskunftserteilung anzuhören und um ihre Einwilligung nachzusuchen, wirkt sich hiernach nicht nur zu Gunsten, sondern auch zu Lasten der Effektivität der Aufgabenerfüllung der Presse aus. Dementsprechend ist eine Anhörung verfassungsrechtlich nicht geboten. Vielmehr trägt das dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch immanente Abwägungsmodell der Effektivität der Aufgabenwahrnehmung hinreichend Rechnung, indem es der auskunftspflichtigen Stelle die Aufgabe zuweist, die entgegenstehenden schützenswerten Interessen zu ermitteln und zu gewichten. Die Betroffenen sind insoweit auf den der Auskunftserteilung nachgelagerten Rechtsschutz verwiesen und können wegen der Bedeutung des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs keine Beteiligung verlangen, wie sie in § 8 IFG für den nicht grundrechtlichen fundierten Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz in den Fällen der Betroffenheit schutzwürdiger Belange Dritter vorgesehen ist. 26 Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass eine Anhörung der betroffenen Medienvertreter im Auskunftsverfahren und nachfolgend ihre Einbeziehung in das gerichtliche Verfahren im Wege der Beiladung zu einer Offenlegung der persönlichen Daten führen würde, welche die Beklagte gerade für schützenswert erachtet. Dies nähme die begehrte Erteilung der Auskunft vorweg und liefe dem Abwägungsmodell zuwider. 27 c) Der Kläger möchte wissen, welchen Medienvertretern und welchen von ihnen vertretenen Medien der Bundesnachrichtendienst seit dem 4. Juni 2019 aus beruflichen Gründen außerhalb von ausschließlich oder überwiegend für Medienvertreter organisierten Veranstaltungen und Einzelgesprächen wann Zugang zu seiner Liegenschaft in Berlin gestattet hat (Antrag 18), aus welchem Anlass die Zugangsgewährung stattgefunden hat und welche schriftlichen Informationen dazu vorliegen (Antrag 19). Diese Auskunftsbegehren hat die Beklagte bezogen auf die Frage nach den Anlässen der Zugangsgewährung erfüllt, weshalb insoweit die Klage erfolglos ist (aa)). Demgegenüber steht dem Kläger der geltend gemachte Auskunftsanspruch hinsichtlich der weiteren mit den beiden Anträgen gestellten Fragen zu (bb)). 28 aa) Die Beklagte hat während des gerichtlichen Verfahrens mitgeteilt, dass der Bundesnachrichtendienst seit dem 4. Juni 2019 Medienvertretern aus beruflichen Gründen ausschließlich aus Anlass von sog. Kennenlernterminen Zugang zu seiner Liegenschaft in Berlin gewährt hat. Mit dieser Angabe hat die Beklagte die erste Frage im Antrag 19 erfüllt. Der Auskunftsanspruch des Klägers ist nach dem Rechtsgedanken des auch im öffentlichen Recht anwendbaren § 362 Abs. 1 BGB erloschen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2018 - 6 A 8.16 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 7 Rn. 21). Die Klage ist insoweit als unbegründet abzuweisen. 29 bb) Demgegenüber ist die Klage begründet, soweit der Kläger Auskunft begehrt, welchen Medienvertretern und der von ihnen vertretenen Medien der Bundesnachrichtendienst seit dem 4. Juni 2019 an welchem Tag zum Zwecke des Kennenlernens Zugang zu seiner Liegenschaft in Berlin gewährt hat und welche schriftlichen Informationen hierzu vorliegen. Die hierauf gerichteten Fragen sind hinreichend konkret; die begehrten Angaben liegen dem Bundesnachrichtendienst nach dessen Einlassung vor. Schutzwürdige öffentliche Interessen, die der Auskunftserteilung entgegenstehen, hat der Bundesnachrichtendienst nicht dargelegt. Die angeführten privaten Interessen der Medienvertreter und der von ihnen vertretenen Medien entfalten weder unter dem Gesichtspunkt des Grundrechts der Pressefreiheit (1) noch am Maßstab des Persönlichkeitsrechts (2) ein die Ablehnung der Auskunftserteilung rechtfertigendes Gewicht. 30 (1) Das Grundrecht der Pressefreiheit schließt diejenigen Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten mit ein, ohne die die Presse ihre Funktion nicht in angemessener Weise erfüllen kann. Der Schutz reicht von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen (vgl. BVerfG, Teilurteil vom 5. August 1966 - 1 BvR 586/62 u.a. - BVerfGE 20, 162 <176> und Urteil vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 538/06 u.a. - BVerfGE 117, 244 <259>; BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 38). Die Recherche- und Redaktionstätigkeit der Medien ist damit vom Schutzbereich erfasst, auch soweit Informationen von einer öffentlichen Stelle beschafft werden. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schützt jede Tätigkeit medienspezifischer Informationsbeschaffung, weil zwischen einer freien Presse und der Informationsbeschaffung ein besonders enger Funktionszusammenhang vorliegt und eine solche Vorbereitungstätigkeit erst die Grundlage für eine effektive Wahrnehmung der Aufgaben einer freien Presse in der Gesellschaft legt (vgl. ergänzend Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Oktober 2020, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 275). 31 Hiernach fallen die sog. Kennenlerntermine in den Schutzbereich des Grundrechts der Pressefreiheit, da sie den Medienvertretern und Medien als Grundlage dienen, zukünftig Informationen von den zuständigen Ansprechpartnern des Bundesnachrichtendienstes zu beschaffen. Aus Sicht des Bundesnachrichtendienstes sind derartige Termine Bestandteil der Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit, zu deren Verrichtung der Bundesnachrichtendienst als öffentliche Stelle auch ohne besondere Ermächtigung im Zusammenhang mit der ihm jeweils zugewiesenen Sachaufgabe berechtigt ist (zu Letzterem BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 28 m.w.N.). 32 Die Herausgabe der vom Kläger begehrten Informationen, wem der Bundesnachrichtendienst wann anlässlich von sog. Kennenlernterminen Zugang zu seiner Liegenschaft in Berlin gewährt hat und welche weiteren schriftlichen Informationen der Behörde zu dem jeweiligen Termin vorliegen, stellt einen Eingriff in die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Pressefreiheit der Medienvertreter und der von ihnen vertretenen Medien dar. Allerdings kommt dem Schutz der Recherche- und Redaktionstätigkeit bei der Erteilung der begehrten Auskünfte kein dem Auskunftsinteresse entgegenstehendes Gewicht zu. Sog. Kennenlerntermine dienen der (ersten) Kontaktaufnahme mit den Mitarbeitern, respektive der Pressestelle des Bundesnachrichtendienstes. Sie haben als solche keinen Bezug zu einer konkreten Recherche der Medienvertreter, weshalb mit den begehrten Informationen über die Einzelheiten der Kennenlerntermine keine Gefahr der Aufdeckung konkreter Recherchen und Redaktionstätigkeiten verbunden ist. Das Grundrecht der Pressefreiheit ist allenfalls in einem Randbereich betroffen. 33 (2) Ebenso wenig kann die Beklagte dem Auskunftsinteresse die persönliche Betroffenheit der Medienvertreter und der von ihnen vertretenen Medien erfolgreich entgegenhalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berührt die Gefahr einer künftigen Veröffentlichung persönlicher Angaben nicht das informationelle Selbstbestimmungsrecht, sondern das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - BVerfGE 152, 152 Rn. 90 f; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 23. März 2021 - 6 VR 1.21 - NVwZ-RR 2021, 663 Rn. 20). Die von dem Kläger im Zusammenhang mit den Kennenlernterminen begehrten Informationen betreffen die einen starken Öffentlichkeitsbezug aufweisende berufliche Tätigkeit der Medienvertreter und deren gegenüber der Intim- und Privatsphäre weniger schutzwürdige Sozialsphäre (zur unterschiedlichen Weite des Persönlichkeitsschutzes: BVerwG, Urteil vom 27. September 2018 - 7 C 5.17 - NVwZ 2019, 473 Rn. 33 m.w.N. insbesondere aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Sie unterliegen zudem keiner Vertraulichkeitsabrede und lassen - wie zuvor dargelegt - Rückschlüsse auf konkrete Recherche- und Redaktionstätigkeiten der Medienvertreter und Medien nicht zu. Angesichts dessen kommt dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als in die Abwägung einzustellendes privates Interesse nur ein geringeres Gewicht gegenüber dem Auskunftsinteresse des Klägers zu. 34 d) Die Klage ist in Bezug auf die Anträge 20 und 21 abzuweisen. Dies folgt nicht bereits aus der Befugnis des Bundesnachrichtendienstes, Einzelgespräche zu führen (unter aa)). Die Unbegründetheit der Klage ergibt sich aus dem Umstand, dass dem Auskunftsinteresse als privates schützenswertes Interesse das von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfasste Recherche- und Redaktionsgeheimnis der betroffenen Medienvertreter und der von ihnen vertretenen Medien entgegensteht (unter bb)). Auch der hilfsweise gestellte Antrag auf vertrauliche Auskunft kann insoweit keinen Erfolg haben (unter cc)). 35 aa) Einzelgespräche zwischen Medienvertretern und dem Bundesnachrichtendienst kommen nach den unbestritten gebliebenen Einlassungen der Beklagten auf Initiative der Medienvertreter zustande, wenn diese ein solches Gespräch wünschen oder sich hiermit einverstanden erklären. Die Medienvertreter wenden sich an den Bundesnachrichtendienst und bitten um Informationen zu einem bestimmten Thema. Dazu müssen sie ihr Auskunftsersuchen, das in einem Einzelgespräch erörtert werden soll, hinreichend konkretisieren. Eine Auswahl der für ein Einzelgespräch in Betracht kommenden Medienvertreter sowie eine vertretungsweise Wahrnehmung des Einzelgesprächs auf Seiten der Medienvertreter sind ausgeschlossen. Routinemäßig treffen die an einem Einzelgespräch Beteiligten eine Abrede, dass Inhalt und Umstände des Gesprächs von beiden Seiten vertraulich behandelt werden. Die Einzelgespräche werden in den für externe Besucher vorgesehenen Räumlichkeiten in der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes geführt. 36 Die mit dem Bundesnachrichtendienst geführten Einzelgespräche haben aus Sicht der Medienvertreter ihren Ausgangspunkt in der Geltendmachung des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs und sind als Mittel der Informationsbeschaffung vom Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst. Gleichzeitig sind die Einzelgespräche Bestandteil der Öffentlichkeits-, Presse- und Informationsarbeit des Bundesnachrichtendienstes, die nach der Senatsrechtsprechung auch individuelle Kommunikationsformen umfasst (BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 27 m.w.N.). Dabei bergen Einzelgespräche keine Gefahr der Verschleierung des Urhebers der Informationen in sich, weil der Bundesnachrichtendienst offen gegenüber dem um Auskunft ersuchenden Medienvertreter auftritt. Da der Bundesnachrichtendienst bei solchen Gesprächen die Informationen - wie dargelegt - nicht von sich aus zu einem von ihm festgelegten Thema an einen von ihm ausgewählten Kreis von Teilnehmern erteilt, kommen entgegen der klägerischen Auffassung die für individuelle Kommunikationsformen ""im kleinen Kreis"" wie den Hintergrundgesprächen geltenden Voraussetzungen nicht zum Tragen. Allerdings muss der Bundesnachrichtendienst auch bei diesem Format dem Neutralitätsgebot und dem Gebot der Sachlichkeit genügen; eine Steuerung der Medien über die Informationsweitergabe ist unzulässig (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 28 m.w.N.). 37 Der Bundesnachrichtendienst ist nicht verpflichtet, die Umstände und den Inhalt der Einzelgespräche im Einzelnen zu dokumentieren. Verfassungsrechtlich geboten ist eine Dokumentation nur dann, wenn der Auskunftserteilung ein weitreichender Grundrechtseingriff immanent ist oder die Dokumentation zur Sicherung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs bzw. effektiven Durchsetzung von Grundrechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) sowie zur verfahrensrechtlichen Absicherung von anderen Verfassungsprinzipien erforderlich ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. September 2016 - 2 BvR 2453/15 - BVerfGE 143, 22 Rn. 20 und 33, vom 24. Juli 2018 - 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16 - BVerfGE 149, 293 Rn. 84, vom 18. Dezember 2018 - 1 BvR 142/15 - BVerfGE 150, 244 Rn. 157, vom 19. September 2019 - 1 BvR 2059/18, 1 BvR 1063/19 - WissR 52, 63 <67> und vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13, 1 BvR 2618/13 - NJW 2020, 2699 Rn. 249 f.). Diese Voraussetzungen sind bei der Führung von Einzelgesprächen der Medienvertreter mit dem Bundesnachrichtendienst nicht per se erfüllt, da ein weitreichender Eingriff in Grundrechte oder eine Beeinträchtigung von anderen Verfassungsprinzipien ausschließlich einzelfallabhängig in Betracht kommen kann, nicht aber stets mit der Erfüllung des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs einhergeht. Allerdings liegt es im eigenen Interesse des Bundesnachrichtendienstes, im Einzelfall die Einzelgespräche zu dokumentieren, wenn die Auskunftserteilung mit Grundrechtseingriffen verbunden ist, um die Wahrung des Neutralitätsgebots und des Gebots der Sachlichkeit darlegen zu können. 38 Aus der Feststellung, dass der Bundesnachrichtendienst hiernach grundsätzlich zur Durchführung von vertraulichen Einzelgesprächen befugt ist, lässt sich indes für die Entscheidung über dem Auskunftsinteresse entgegenstehende schutzwürdige Interessen nichts herleiten. Hierfür kommt es ausschließlich darauf an, ob hinsichtlich der begehrten Informationen die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs erfüllt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 29). 39 bb) Im Rahmen der gebotenen Abwägung steht dem Auskunftsinteresse des Klägers, dessen Bewertung grundsätzlich nicht in Betracht kommt, das ebenfalls auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG beruhende und als schützenswert zu erachtende private Interesse der betroffenen Medienvertreter und Medien am Schutz ihrer Recherche- und Redaktionstätigkeit entgegen, sodass dem Kläger der mit den Anträgen 20 und 21 geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zusteht. 40 Wie bereits dargelegt, schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG jede Tätigkeit medienspezifischer Informationsbeschaffung. Hierzu gehört die Erteilung von Informationen durch die öffentlichen Stellen auch dann, wenn - wie bei den Einzelgesprächen - die begehrte Auskunft nur vertraulich übermittelt wird. Auch diese Form der Informationserteilung genießt den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, denn ihre Bedeutung ist für die Informationsbeschaffung nicht zu unterschätzen. Die Presse und die Medien sind zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben auf die Erteilung von Auskünften durch öffentliche Stellen angewiesen. Diese Form der Informationsbeschaffung kann das einzige zur Verfügung stehende Mittel der Recherchearbeit sein, wenn private Informanten oder andere Mittel der verdeckten Recherche nicht zur Verfügung stehen (vgl. Eichhoff, Investigativer Journalismus aus verfassungsrechtlicher Sicht, 2010, S. 169). Die begehrte Auskunftserteilung über die Umstände einer solchen Informationsbeschaffung greift daher in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ein. 41 Maßstab für die Gewichtung des Schutzes der Recherche- und Redaktionstätigkeit ist, ob im Falle der Beantwortung der mit den Anträgen gestellten Fragen ein hinreichend konkreter Bezug zu den Recherchen der betroffenen Medienvertreter besteht, der die Annahme einer Gefahr der Aufdeckung der Recherche durch Dritte rechtfertigt. Dies ist der Fall, wenn die Beantwortung der vom Kläger gestellten Fragen gegebenenfalls in der Zusammenschau mit anderweitig vorhandenen Informationen Rückschlüsse auf die konkrete Recherchetätigkeit der betroffenen Medienvertreter zulässt. Liegen diese Voraussetzungen vor, entfaltet das von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Recherche- und Redaktionsgeheimnis der betroffenen Medienvertreter und Medien im Rahmen der Abwägung der gegenläufigen Interessen ein solches Gewicht, dass das ebenfalls auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG beruhende Auskunftsinteresse das Interesse am Schutz der Recherche- und Redaktionsarbeit nicht überwiegt. So verhält es sich hier. 42 Wenn die mit dem Antrag 20 begehrte Auskunft erteilt wird, wer die 44 Medienvertreter und die von ihnen vertretenen Medien gewesen sind, die zwischen Januar 2019 und März 2020 ein Einzelgespräch mit dem Bundesnachrichtendienst geführt haben, besteht die Gefahr, dass Dritte Rückschlüsse auf die konkrete Recherchetätigkeit des einzelnen betroffenen Medienvertreters und die konkrete Redaktionsarbeit des vertretenen Mediums ziehen. Mit dem Namen des Medienvertreters bzw. des Mediums wird bereits der Gegenstand der Recherchetätigkeit konkretisiert und individualisiert. Diese Informationen können mit den bisherigen Veröffentlichungen des Medienvertreters und des vertretenen Mediums über nachrichtendienstliche Aufgabenbereiche verknüpft werden. Aus diesen Informationen können sich im Rahmen einer Zusammenschau mit den vom Bundesnachrichtendienst vorab benannten abstrakten Themen und betroffenen Staaten, die Gegenstand der Einzelgespräche gewesen sind, und dem eingeschränkten Zeitraum, in dem die streitgegenständlichen Einzelgespräche geführt worden sind, hinreichend konkrete Anhaltspunkte ergeben, die wiederum auf den Inhalt des geführten Einzelgesprächs und damit die konkrete Recherchetätigkeit des betroffenen Journalisten oder Medienvertreters schließen lassen. In Anknüpfung hieran verstärkt die Nennung des Datums, an dem das Einzelgespräch geführt worden ist, die Gefahr der Offenlegung der jeweiligen konkreten Recherche- und Redaktionstätigkeit, sodass auch dem mit dem Antrag 21 verfolgten Auskunftsbegehren nicht stattzugeben ist. 43 cc) Der für die Anträge 20 und 21 hilfsweise gestellte Antrag, die Auskunft vertraulich und nicht zur Verwendung für eine öffentliche Berichterstattung mit Quellenangabe zu erhalten, ist ebenfalls unbegründet. Die Abrede einer in diesem Sinne verminderten Verwertbarkeit der Information reicht für den Schutz des privaten Interesses Dritter an der Wahrung des Recherche- und Redaktionsgeheimnisses nicht aus. Der Beklagten kann nicht angesonnen werden, den Schutz dieses Geheimnisses in die Hand des Klägers zu geben (vgl. ebenso bei schützenswerten öffentlichen Interessen: BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 24). 44 3. Der Kläger und die Beklagte haben die Kosten je zur Hälfte zu tragen. Die Entscheidung beruht, soweit der Senat über die Klage in der Sache entschieden hat, auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, hinsichtlich des zurückgenommenen Teils der Klage mit der Kostenfolge zu Lasten des Klägers auf § 155 Abs. 2 VwGO und in Bezug auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil, für den die Beklagte die Kosten zu tragen hat, auf § 161 Abs. 2 VwGO. Nach der letztgenannten Vorschrift ist über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden und sind insoweit die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, da die Leistungsklage bezogen auf die Anträge 1 bis 17 voraussichtlich zulässig und begründet gewesen wäre. Die Beklagte hat während des Klageverfahrens die bereits vorprozessual geltend gemachten Auskunftsbegehren beantwortet." bverwg_2021-49,27.07.2021,"Pressemitteilung Nr. 49/2021 vom 27.07.2021 EN Klagen gegen Höchstspannungsfreileitung durch Birkenwerder erfolglos Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss für eine 380-kV-Freileitung von Neuenhagen nach Henningsdorf abgewiesen. Die Leitung ist der östliche Abschnitt des Gesamtvorhabens ""380-kV-Nordring Berlin"", ein Vorhaben nach dem Energieleitungsausbaugesetz. Die planfestgestellte Leitung soll teils im Verbund mit der Autobahn A 10 und weit überwiegend auf der Trasse einer bestehenden und künftig abzubauenden Freileitung geführt werden. Sie quert auf mehreren Kilometern auf der Nordseite der Autobahn A 10 das Gebiet der Gemeinde Birkenwerder. Dort befinden sich Wohnhäuser, Kleingärten und Wochenendhäuser. Die Klagen der Gemeinde Birkenwerder, eines Umweltverbandes und Privater gegen den Planfeststellungsbeschluss blieben erfolglos. Fehler im Verwaltungsverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht verneint. Insbesondere genügten die für die Öffentlichkeitsbeteiligung ausgelegten Unterlagen, um die Auswirkungen des Vorhabens genau zu erkennen. Der Bundesgesetzgeber hat den Bedarf für die Leitung festgestellt; diese Entscheidung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Verlegung eines Erdkabels oder andere Kabellösungen – etwa eine Einhausung entlang einer Lärmschutzwand – schieden von Rechts wegen aus, weil das Energieleitungsausbaugesetz die Errichtung von Freileitungen vorsieht. Der Planfeststellungsbeschluss hat sich frei von beachtlichen Abwägungsfehlern für die Trasse durch Birkenwerder und damit gegen eine großräumige Umgehung von Birkenwerder und Borgsdorf entschieden. Er durfte berücksichtigen, dass die gewählte Trasse durch die Bestandstrasse vorbelastet ist und die Leitung gebündelt mit der Autobahn geführt wird. Die Alternativtrassen wären dagegen teurer gewesen, hätten einen Landschaftsraum neu in Anspruch genommen und ein unionsrechtlich geschütztes FFH-Gebiet gequert. Die kleinräumigen Situationen sind fehlerfrei bewältigt. Insbesondere werden die Masten auf die Grundstücke der Kläger nicht erdrückend wirken. BVerwG 4 A 13.19 - Urteil vom 27. Juli 2021 BVerwG 4 A 14.19 - Urteil vom 27. Juli 2021","Urteil vom 27.07.2021 - BVerwG 4 A 14.19ECLI:DE:BVerwG:2021:270721U4A14.19.0 EN Planfeststellung einer Höchstspannungsfreileitung (Nordring Berlin). Leitsätze: 1. Die in der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz genannten Vorhaben werden grundsätzlich als Freileitung errichtet und nach Maßgabe der § 2 Abs. 1 und 2 EnLAG als Erdkabel. Sonstige Gestaltungen, die weder Freileitung noch Erdkabel sind, scheiden aus. 2. Der Mast einer Freileitung kann für ein Wohngebäude im Extremfall eine für den Eigentümer unzumutbare erdrückende Wirkung entfalten. Liegt keine erdrückende Wirkung vor, kann ein Mast ein einzelnes Wohngebäude in abwägungserheblicher Weise optisch bedrängen. Vor dem bloßen Anblick einer Freileitung schützt das Eigentumsrecht nicht. Rechtsquellen BImSchG § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Satz 3, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 6 Satz 3 EnLAG § 1, § 2 Abs. 1 und 2 EnWG § 43 Abs. 3, § 43e Abs. 3 Satz 1, § 49 Abs. 1 Satz 2 GG Art. 28 Abs. 2 Satz 1 UVPG a.F. § 6 Abs. 3, § 9 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 UVP-RL Art. 6 Abs. 4 VwGO § 67 Abs. 4 VwVfG § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.07.2021 - 4 A 14.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:270721U4A14.19.0] Urteil BVerwG 4 A 14.19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2021 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Decker, Prof. Dr. Külpmann, Dr. Hammer und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger am 27. Juli 2021 für Recht erkannt: Die Klagen werden abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen der Kläger zu 1 und die Kläger zu 2, letztere als Gesamtschuldner, zu je 1/6 und die Klägerin zu 3 zu 2/3. Gründe I 1 Die Kläger wenden sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss für eine Höchstspannungsfreileitung nordöstlich von Berlin. 2 Der angegriffene Beschluss vom 30. August 2019 (PFB) stellt den Plan für die Errichtung und den Betrieb einer 380-kV-Freileitung vom Portal Umspannwerk (UW) Neuenhagen bis zum Mast 189 mit den Einschleifungen UW Malchow und UW Hennigsdorf fest. Die Trassenlänge beträgt 42,5 km auf der Hauptachse und 6,6 km auf den Abzweigen Malchow und Hennigsdorf. Insgesamt werden 115 neue Masten errichtet. Der Planfeststellungsbeschluss setzt Folgemaßnahmen sowie Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege fest. Die Leitung ist ein Abschnitt des Gesamtvorhabens ""Nordring Berlin"", das als ""Neubau Höchstspannungsleitung Neuenhagen - Wustermark (als 1. Teil des Berliner Rings), Nennspannung 380 kV"" unter Nr. 11 in die Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) aufgenommen ist. Der westliche Abschnitt des Gesamtvorhabens wurde bereits errichtet. 3 Der Trassenverlauf folgt überwiegend der Trasse der seit 1958 bestehenden 220-kV-Hochspannungsfreileitung Neuenhagen - Wustermark - Hennigsdorf, die zurückgebaut werden soll. Das Gebiet der Gemeinden Hohen Neuendorf und Birkenwerder erreicht die Leitung aus östlicher Richtung von der Gemeinde Summt. Ab Mast 86 löst sie sich vom Verlauf der Bundesautobahn A 10 nach Norden und führt auf der Bestandstrasse durch den Mühlenbecker Forst. Nach etwa 4 km erreicht sie bei Mast 95 die Autobahn erneut und verläuft, nach einer kurzen Verschwenkung auf der Bestandstrasse, unmittelbar nördlich der künftig sechsspurigen A 10. Kurz nach Mast 100 erreicht sie die Ortslage und verläuft zwischen Mast 101/103 (im Folgenden: Mast 101) und Mast 102/102 (im Folgenden: Mast 102) entlang eines für Kleingärten und zum Wohnen genutzten Gebiets, bis sie über die Bundesstraße B 96 und die Autobahnabfahrt Birkenwerder geführt wird. Auch im Weiteren soll die Leitung nördlich entlang der Autobahn errichtet werden. Im Bereich der Gemeinde Birkenwerder soll zwischen Mast 99 und 104_2 die 110-kV-Bahnstromleitung Priort-Karow auf dem Gestänge der neuen Leitung mitgeführt werden. Planfestgestellt sind in diesem Bereich Tonnenmasten mit vier Traversen. 4 Die Beigeladene beantragte die Planfeststellung unter dem 2. Juli 2014. Die Unterlagen wurden mehrfach ausgelegt, zuletzt Anfang des Jahres 2018, und die Einwendungen im Februar 2019 mündlich erörtert. 5 Der Kläger zu 1 ist ein eingetragener Verein und verfügt über die Anerkennung zur Einlegung von Rechtsbehelfen nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Gemäß § 2 Abs. 1 seiner Satzung verfolgt er als Zweck die Förderung des Umweltschutzes und den Erhalt einer gesunden Lebensumgebung im Raum Hohen Neuendorf - Birkenwerder und darüber hinaus. 6 Die Kläger zu 2 sind Miteigentümer des Grundstücks Flur ... Flurstück ... der Gemarkung B. (...). Es ist mit einem Wohnhaus bebaut und liegt rund 50 m nördlich der A 10. Im Bestand steht dem Grundstück am nächsten der 130 m entfernte und westlich der B 96 errichtete Mast 122, ein etwa 61 m hoher Einebenenmast. Der Planfeststellungsbeschluss sieht vor, diesen Mast zu demontieren und etwa 60 m östlich vom Wohnhaus den Mast 102, einen knapp 81 m hohen Tonnenmast mit vier Traversen zu errichten; zwischen Mast und Wohngrundstück ist eine Lärmschutzwand errichtet. Das Grundstück wird weder für einen Maststandort noch für einen Schutzstreifen in Anspruch genommen. 7 Auf dem Gebiet der Klägerin zu 3, der Gemeinde B., sind die Masten 96 - 104 und 106 planfestgestellt. Die Klägerin zu 3 ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung B., Flur ... Flurstück ... (...), das für einen Schutzstreifen der Leitung in Anspruch genommen wird. Das Grundstück ist mit einem eingeschossigen, zum Wohnen genutzten Gebäude bebaut. Derzeit befindet sich in etwa 45 m Entfernung, auf der gegenüberliegenden Seite des ... Weges ein Einebenenmast mit einer Höhe von etwa 55 m. Etwa an gleicher Stelle sieht der Plan den Mast 101 vor, einen Tonnenmast mit vier Traversen und einer Höhe von knapp 76 m. 8 Die Kläger halten den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig. Sie rügen unter anderem Verfahrensfehler und fordern, Birkenwerder großräumig zu umgehen, um das Ortsbild zu schützen. Technische Alternativen eines Erdkabels oder einer oberirdischen Leitungsführung entlang der Autobahn seien rechtsfehlerhaft abgelehnt worden. Auf die Wohngebäude wirke die Leitung erdrückend. Der Planfeststellungsbeschluss durchkreuze kommunale Planungen auf dem Gebiet nördlich der A 10. 9 Die Kläger beantragen jeweils, den Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung und den Betrieb des östlichen Teils der 380-kV-Freileitung Neuenhagen-Wustermark-Hennigsdorf (380-kV-Nordring Berlin) vom Portal Umspannwerk (UW) Neuenhagen bis zum Mast 189 mit den Einschleifungen UW Malchow und UW Hennigsdorf vom 30. August 2019 aufzuheben, hilfsweise, den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären, weiter hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss um Schutzvorkehrungen bzw. die Feststellung eines Entschädigungsanspruchs dem Grunde nach zu ergänzen. 10 Der Beklagte beantragt, die Klagen abzuweisen. 11 Die Beigeladene beantragt, die Klagen abzuweisen. 12 Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss. 13 Der Senat hat mit Beschlüssen vom 27. Juli 2020 - 4 VR 7.19 u.a. - (NVwZ 2021, 723 = ZNER 2020, 438) und vom 4. Dezember 2020 - 4 VR 6.19 - (juris) Eilanträge des Klägers zu 1 und der Klägerin zu 3 abgelehnt. Die Kläger zu 2 haben ihren Eilantrag zurückgenommen. II 14 Über die nach § 93 Satz 1 VwGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 1 Abs. 3 EnLAG i.V.m. Nr. 11 der Anlage zum EnLAG im ersten und letzten Rechtszug. 15 Die Klagen sind unbegründet. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen Rechtsvorschriften, die nach § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwRG für diese Entscheidung von Bedeutung sind und Belange berühren, die zu den Zielen gehören, die der Kläger zu 1 nach seiner Satzung fördert. Er verletzt weder die Kläger zu 2 noch die Klägerin zu 3 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in ihren Rechten. Die Kläger können daher weder eine Aufhebung des Beschlusses noch die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit oder seine Ergänzung um Schutzvorkehrungen oder die Feststellung von Entschädigungsansprüchen verlangen. Auf die unterschiedlichen Rügebefugnisse kommt es insoweit nicht an (vgl. für Vereinigungen nach § 3 Abs. 1 UmwRG BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2017 - 9 A 14.16 - BVerwGE 160, 78 Rn. 10 und Beschluss vom 12. Juli 2018 - 7 B 15.17 - Buchholz 451.224 § 36 KrWG Nr. 1 Rn. 19; für nicht enteignend betroffene Eigentümer BVerwG, Urteil vom 16. März 2021 - 4 A 10.19 - juris Rn. 13; für Gemeinden BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 23 und vom 10. April 2019 - 9 A 22.18 - BVerwGE 165, 185 Rn. 10). 16 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 52 und vom 20. Januar 2021 - 4 A 4.19 - UPR 2021, 269 Rn. 22). Zu berücksichtigen sind allerdings Rechtsänderungen, die zum Fortfall eines vormaligen Rechtsverstoßes des Planfeststellungsbeschlusses führen (BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 255 f. und vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 52). Das Energiewirtschaftsgesetz findet damit Anwendung in der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus vom 13. Mai 2019 (BGBl. I S. 706). Das im Juli 2014 eingeleitete Verfahren war im Übrigen nach § 2 Abs. 4 Satz 1 EnLAG in der bis vor dem 31. Dezember 2015 geltenden Fassung des Energieleitungsausbaugesetzes zu Ende zu führen, weil die Vorhabenträgerin einen Antrag nach § 2 Abs. 4 Satz 2 EnLAG nicht gestellt hat (PFB S. 73) (im Folgenden: EnLAG a.F.). Hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung war das Verfahren gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 2 UVPG nach der Fassung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der vor dem 16. Mai 2017 geltenden Fassung zu Ende zu führen, weil die Unterlagen nach § 6 UVPG in der bis dahin geltenden Fassung des Gesetzes vorgelegt worden waren (PFB S. 61) (im Folgenden: UVPG a.F.). 17 A. Der Planfeststellungsbeschluss ist frei von Verfahrensfehlern ergangen. 18 1. Die Planfeststellungsbehörde war nicht verpflichtet, nach Vorlage weiterer Unterlagen im Jahr 2019 die Öffentlichkeit erneut zu beteiligen. 19 Maßgeblich sind § 43b Nr. 1 Buchst. b EnWG a.F., § 9 Abs. 3 UVPG a.F. i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG a.F. Ändert danach der Träger des Vorhabens die nach § 6 UVPG a.F. erforderlichen Unterlagen im Laufe des Verfahrens, so kann von einer erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit abgesehen werden, soweit keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Umweltauswirkungen zu besorgen sind. Die Öffentlichkeit muss zudem neu beteiligt werden, wenn eine nach Gegenstand, Systematik und Ermittlungstiefe neue oder über die bisherigen Untersuchungen wesentlich hinausgehende Prüfung von Umweltbetroffenheiten vorgenommen wird (BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 34). Dies beurteilt sich danach, ob bereits die ursprünglichen Unterlagen die nach § 6 Abs. 3 Satz 3 UVPG a.F. nötige Anstoßwirkung entfalten oder ob eine solche erstmalig von den neuen Unterlagen ausgeht. Die Anstoßwirkung soll den Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung sicherstellen, durch Einbeziehung von Meinungsäußerungen und Bedenken der Öffentlichkeit zu Umweltbelangen den behördlichen Entscheidungsprozess besser und transparenter zu gestalten. Sie setzt voraus, dass die Unterlagen potenziell Betroffenen und den anerkannten Vereinigungen die Beurteilung ermöglichen, ob und in welchem Umfang ihre Belange oder ihre satzungsgemäßen Interessen von den Umweltauswirkungen betroffen werden können (BVerwG, Urteile vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 28 und vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 54 ; vgl. PFB S. 63). 20 Aus dem Unionsrecht ergeben sich keine weitergehenden Anforderungen. Nach Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012 L 26 S. 1) (UVP-RL) erhält die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig und in effektiver Weise die Möglichkeit, sich an den umweltbezogenen Entscheidungsverfahren nach Art. 2 Abs. 2 UVP-RL zu beteiligen und hat zu diesem Zweck das Recht, der zuständigen Behörde bzw. den zuständigen Behörden gegenüber Stellung zu nehmen und Meinungen zu äußern, wenn alle Optionen noch offenstehen und bevor die Entscheidung über den Genehmigungsantrag getroffen wird. Nach Erwägungsgrund 16 der Richtlinie wird der Entscheidungsprozess dadurch nachvollziehbarer und transparenter, und in der Öffentlichkeit wächst das Bewusstsein für Umweltbelange sowie die Unterstützung für die getroffenen Entscheidungen. Die Richtlinie fordert nicht, dass die Angaben, anhand derer die Auswirkungen eines Projekts beurteilt werden können, unbedingt in einem einzigen Dokument enthalten sein müssen. Die betroffene Öffentlichkeit muss aber die tatsächliche Möglichkeit haben, sich an Entscheidungsverfahren zu beteiligen und sich im Hinblick darauf gebührend vorzubereiten. Die Öffentlichkeit muss anhand der ihr zugänglich gemachten Aktenstücke einen genauen Überblick über die Auswirkungen des fraglichen Projekts erlangen können. Es ist Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, ob die der Öffentlichkeit vor der Genehmigung des fraglichen Projekts zugänglichen Akten diese Anforderungen sämtlich erfüllen (EuGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 [ECLI:​EU:​C:​2020:​391] - NVwZ 2020, 1177 Rn. 85 f., 89 ). 21 Weiteren Klärungsbedarf zeigen die Kläger mit ihrer Forderung nach einer Vorlage zum Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV nicht auf: Es bedarf einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung, wenn die bereits ausgelegten Unterlagen nicht ausreichten, um einen genauen Überblick über die Auswirkungen eines Projekts zu erlangen. Wenn weitere Unterlagen über die bisherigen Unterlagen im Hinblick auf den Gegenstand, die Systematik oder Ermittlungstiefe hinausgehen, werden die Behörde und ihr nachfolgend das Gericht daher prüfen müssen, ob die bereits ausgelegten Unterlagen ausreichten, um einen genauen Überblick zu gewinnen. Ist dies der Fall, bedarf es keiner erneuten Auslegung, weil der Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung bereits erreicht ist (vgl. auch BVerwG, Urteile vom 7. Mai 2014 - 4 CN 5.13 - Buchholz 406.11 § 3 BauGB Nr. 15 Rn. 16 und vom 8. März 2017 - 4 CN 1.16 - BVerwGE 158, 182 Rn. 19 zum Bebauungsplanverfahren). 22 a) Für die ""Vertiefende Betrachtung der großräumigen Trassenalternativen im Bereich Birkenwerder"" vom 17. Juni 2019 der ... GmbH & Co. KG (im Folgenden: ""Vertiefende Betrachtung"") war keine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit notwendig (vgl. PFB S. 65 f.). Die visuellen Wirkungen des Vorhabens waren aus den im Jahr 2018 ausgelegten Unterlagen hinreichend genau erkennbar. 23 Aus diesen Unterlagen ergaben sich Standort, Höhe und Form der Masten der Freileitung. Die Siedlungsstruktur ließ sich den Unterlagen entnehmen und war den Betroffenen bekannt, soweit ihre eigenen Grundstücke und deren Umgebung in Rede standen. Um die visuellen Auswirkungen des Projekts abzuschätzen, waren weder eine Visualisierung noch eine sachverständige Untersuchung notwendig. Freileitungen unterschiedlichster Bauart und Höhe sind überall im Bundesgebiet anzutreffen, ihr Aufbau und Anblick allgemein bekannt. Im Gemeindegebiet der Klägerin zu 3 befindet sich zudem in vergleichbarer Lage bereits eine Leitung, mag auch die planfestgestellte Leitung nach Höhe, Aufbau und Maststandorten abweichen. Einer sachverständigen Aufbereitung bedurfte es nicht: Anders als bestimmte Immissionen oder Beeinträchtigungen einzelner Wasserkörper können visuelle Wirkungen ohne technischen oder naturwissenschaftlichen Sachverstand erfasst und gewürdigt werden. Der zu erwartende Anblick von Leitungen einer bestimmten Höhe und Bauart stößt bei Betroffenen auf Ablehnung oder Gleichgültigkeit, ohne dass es weiterer Erläuterungen bedarf. So sah sich die Planfeststellungsbehörde nach Auslegung der Unterlagen mit der Forderung konfrontiert, die Lage Birkenwerder großräumig zu umgehen (PFB S. 298 ff.), auch wegen der erwarteten visuellen Wirkungen und der permanenten Sichtbarkeit der Leitung (vgl. auch PFB S. 325, 327). Die Unterlagen ließen es auch zu, Bildmontagen zu erstellen und zur Unterstützung von Einwendungen in das Verwaltungsverfahren einzubringen. 24 Die Vertiefende Betrachtung gab keinen Anlass zu einer erneuten Auslegung. Grund für die Ausarbeitung war das Senatsurteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - (BVerwGE 161, 263), dem die Gutachter weitere Anforderungen an die Abwägung von Trassenalternativen entnommen haben. Auch die Untersuchung der privaten Belange (""Vertiefende Betrachtung"", S. 14 - 25) ging über die bisherigen Unterlagen aber nicht in einem solchen Umfang hinaus, dass eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung notwendig gewesen wäre. Im Übrigen nahm das Senatsurteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - (BVerwGE 161, 263 Rn. 78 ff.) nicht für sich in Anspruch, neue Anforderungen an die behördliche Abwägung aufzustellen (anders etwa in BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 29 und 31) oder für visuelle Belastungen neue Beurteilungskategorien einzuführen (vgl. ebd. Rn. 87 ff. m.w.N.), sondern beanstandete - anknüpfend an vorhandene Rechtsprechung - eine einzelne Behördenentscheidung. 25 b) Die Vorlage der ""Machbarkeitsstudie zur 380-kV-Teilverkabelung des 380-kV-Nordring[s] Berlin im Bereich Birkenwerder"" der ... GmbH vom 3. Mai 2019 machte keine erneute Auslegung notwendig. Die Studie äußert sich zu dem Gutachten von Brakelmann/Jarass ""Geplante 380-kV-Freileitung im Raum Birkenwerder: Möglichkeiten von Kabellösungen"" vom 1. März 2018 (im Folgenden: Brakelmann/Jarass) und den dort vorgeschlagenen technischen Lösungen, nicht aber zu den Auswirkungen des zur Planfeststellung beantragten Vorhabens. Eine über die bisherigen Unterlagen hinausgehende Anstoßwirkung konnte sie daher nicht entfalten. 26 2. Der Planfeststellungsbeschluss leidet auch darüber hinaus nicht an beachtlichen Verfahrensfehlern. Dies ergibt sich im Einzelnen aus den im Senatsbeschluss vom 27. Juli 2020 - 4 VR 7.19 u.a. - (NVwZ 2021, 723 Rn. 15 bis 21, 24, 29 bis 31 ) dargelegten Gründen, die von den Klägern nicht angegriffen worden sind und an denen der Senat festhält. 27 B. Die Planrechtfertigung liegt vor. 28 1. Das Vorhaben ist ein Abschnitt des Vorhabens Nr. 11 der Anlage zum EnLAG a.F. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 EnLAG a.F. entspricht es den Zielsetzungen des § 1 EnWG. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 EnLAG a.F. stehen für dieses Vorhaben die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf fest. Diese Feststellungen sind nach § 1 Abs. 2 Satz 3 EnLAG a.F. für die Planfeststellung verbindlich. Die gesetzliche Bedarfsfeststellung gilt auch für einen Abschnitt eines Vorhabens (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 39). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Feststellung eines Bedarfs bestehen nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 30 ff. und Beschluss vom 27. Juli 2020 - 4 VR 7.19 u.a. - NVwZ 2021, 723 Rn. 35). 29 Der Gesetzgeber hat mit der Aufnahme des Vorhabens Nr. 11 in die Anlage zum EnLAG a.F. die Grenzen seines weiten Gestaltungs- und Prognosespielraums nicht überschritten. Zwar ist der Gesetzgeber bei der Feststellung des Bedarfs für ein Vorhaben nicht völlig frei. Würden in den Bedarfsplan nach dem Energieleitungsausbaugesetz Vorhaben aufgenommen, denen im Hinblick auf einen künftigen Bedarf jegliche Notwendigkeit fehlt, überschritte dies die Grenzen des gesetzgeberischen Spielraums. Eine derartige fehlerhafte Bedarfsfeststellung ließe sich nicht als Konkretisierung des Gemeinwohlerfordernisses für eine Enteignung rechtfertigen und wäre verfassungswidrig. Insoweit ist die fachgerichtliche Prüfung des gesetzlich festgelegten Bedarfs für ein Vorhaben aber auf eine Evidenzkontrolle beschränkt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 36 m.w.N.). 30 Das Vorhaben ""Nordring Berlin"" ist weder ein Vorhaben der dena-Netzstudie I noch ein Vorhaben von gemeinsamen Interesse gemäß der Leitlinien der Europäischen Union. Der Gesetzgeber war indes nicht gehindert, aus sachlichen Gründen den Bedarf für weitere Vorhaben festzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 4 A 1.16 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 5 Rn. 20 zum Vorhaben Nr. 13 der Anlage zum EnLAG). Die Leitung Neuenhagen - Wustermark dient der Erhöhung der horizontalen Übertragungsfähigkeit im Osten der Vattenfall-Regelzone, insbesondere für den Ferntransport von Windenergie (Abtransport von überschüssigem Windstrom) und den Abtransport künftiger Kraftwerkseinspeiseleistung durch Zubau von Übertragungskapazität (BT-Drs. 16/10491 S. 17). Diese Gründe tragen die Aufnahme eines Vorhabens in den Bedarfsplan. Die Bundesregierung hält den Bedarf nach wie vor für gegeben (BT-Drs. 19/4675 S. 10). Die Bestätigung des Netzentwicklungsplans Strom für das Zieljahr 2030 durch die Bundesnetzagentur vom 22. Dezember 2017 weckt keine Zweifel an der gesetzlichen Bedarfsfeststellung. Der Netzentwicklungsplan bestätigt das Projekt P180: Marzahn - Teufelsbruch (""380-kV-Diagonale Berlin""). Er sieht das für das Jahr 2030 geplante Projekt aber nicht als Alternative zu der verfahrensgegenständlichen Leitung an. Denn diese liegt als Teil des Startnetzes (vgl. ebd. S. 256) der Netzausbauplanung als Ausgangspunkt zugrunde (vgl. PFB S. 68). 31 Der Gesetzgeber durfte einen Bedarf auch angesichts der tatsächlichen Auslastung der 220-kV-Leitung auf dem Berliner Nordring (etwa im Jahr 2017) annehmen. Denn eine Belastung mit weniger als 50 % belegt keine Unterauslastung. Vielmehr werden Stromnetze nach dem n-1-Kriterium so ausgelegt, dass der Ausfall eines Stromkreises durch andere Stromkreise kompensiert werden kann, die ihrerseits entsprechende Reserven aufweisen müssen. Im Übrigen kann die tatsächliche Auslastung in der Vergangenheit die Planrechtfertigung für einen Bedarf infolge des Ausbaus der Energieerzeugung nicht widerlegen. 32 2. Der Senat hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die im Gesetz festgelegten Anfangs- und Endpunkte der Trasse. Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG scheidet aus. 33 Der Bedarfsplan des Energieleitungsausbaugesetzes nennt regelmäßig Anfangs- und Endpunkt einer Trasse. Diese Netzverknüpfungspunkte sind verbindlich und bestimmen das Vorhaben. Ein Vorhaben mit einem anderen Anfangspunkt ist keine Trassenvariante, sondern ein anderes Vorhaben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 2018 - 4 A 13.17 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 39 Rn. 4), das von der gesetzlichen Bedarfsfeststellung nicht gedeckt ist. Erweist sich im Zuge einer Planung ein anderer Anfangspunkt als sachgerecht oder vorzugswürdig, hat der Gesetzgeber darüber zu befinden, ob er diesen in die Anlage zum EnLAG aufnimmt, so den Bedarf für ein anderes Vorhaben feststellt und die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts begründet (vgl. Art. 4 Nr. 3 des Gesetzes vom 13. Mai 2019 - BGBl. I S. 706 zu Vorhaben Nr. 5 nach dem EnLAG). 34 Die Kläger haben nicht aufgezeigt, warum die vorgesehene Netzverknüpfung evident unsachlich sein sollte. Der Beginn der Leitung in Neuenhagen entspricht dem Beginn des Vorhabens Nr. 3 der Anlage zum EnLAG (""Uckermarkleitung""), das Teil der dena-Netzstudie I ist (BT-Drs. 16/10491 S. 10) und dessen Aufnahme in das Energieleitungsausbaugesetz der Senat gebilligt hat (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 51 ff.). Die eindeutige Vorzugswürdigkeit anderer Varianten behaupten die Kläger unter Hinweis auf eine kürzere Leitungslänge und schematische Zeichnungen. Der Vortrag mag andere Möglichkeiten der Netzanbindung aufzeigen, ist aber schon mangels Substantiierung nicht geeignet, die evidente Unsachlichkeit und damit Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Bedarfsfeststellung auch nur nahezulegen. Zwar trifft der Einwand der Kläger zu, dass die gesetzliche Bedarfsfeststellung die von ihnen geforderten Alternativen der behördlichen Abwägung entzieht. Diese Folge der gesetzlichen Bedarfsfeststellung zeigt aber nicht deren evidente Fehlerhaftigkeit auf. 35 C. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen zwingendes Recht. 36 1. Er genügt den Anforderungen des Immissionsschutzrechts mit Blick auf die entstehenden elektromagnetischen Felder. Dies hat der Senat in seinem Eilbeschluss vom 27. Juli 2020 - 4 VR 7.19 u.a. - (NVwZ 2021, 723 Rn. 40 bis 56 ) im Einzelnen dargelegt. An diesen Ausführungen hält er fest. Die Kläger haben Einwendungen insoweit nicht erhoben. 37 2. Die Anforderungen des Immissionsschutzrechts sind hinsichtlich der von der Anlage ausgehenden Geräusche gewahrt. Die Leitung unterfällt als sonstige ortsfeste Einrichtung nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, bedarf aber nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Sie genügt hinsichtlich der entstehenden Geräusche den Betreiberpflichten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG, weil sie keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorruft. 38 Den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert für anlagenbezogene Lärmimmissionen die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl S. 503). Ihr kommt eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 53 und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 60). 39 Der Planfeststellungsbeschluss sieht die Anforderungen der TA Lärm als gewahrt an (PFB S. 245 ff.; vgl. auch PFB S. 321 ff.) und beruft sich auf ein Schalltechnisches Gutachten (... GmbH, Schalltechnisches Gutachten auf Basis der TA Lärm, SHNG2017-142-Rev. 3 vom 14. März 2019, im Folgenden: SHN-Gutachten). Die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung unterschreite die maßgeblichen Immissionsrichtwerte bei schwachem Niederschlag an 14 von 15 Immissionsorten um mehr als 6 dB(A) und sei daher nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm im Hinblick auf den Gesetzeszweck nicht relevant (SHN-Gutachten, S. 18 ff.). Dieser Befund gilt für alle Immissionsorte im Hoheitsgebiet der Klägerin zu 3 und in dem räumlichen Bereich, innerhalb dessen der Kläger zu 1 Ziele verfolgt. 40 Die Kritik der Kläger an der Lärmprognose bleibt erfolglos. Sie richtet sich vorrangig gegen ein schalltechnisches Gutachten aus dem Jahr 2014, nicht gegen das SHN-Gutachten und bleibt daher weitgehend unsubstantiiert. Das SHN-Gutachten untersucht unterschiedliche Witterungsbedingungen und berechnet jeweils Mit-Wind-Situationen (ebd. S. 15). Welche Windgeräusche die Kläger darüber hinaus beachtet sehen möchten, legen sie nicht dar. Die Forderung, das Grundstück ... als maßgeblichen Immissionsort zu betrachten, beruht auf der unzutreffenden Annahme, das Wohngebäude werde direkt überspannt. Im Übrigen spricht nichts dafür, dass es dort zu unzumutbaren Lärmimmissionen kommt. Zwischen Mast 101 und 102 betrachtet das Gutachten die Immissionsorte 6B (...) und 6C (...). Bei schwachem Niederschlag werden die maßgeblichen Immissionsrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet (nachts) dort um 9 und 10 dB(A) unterschritten, bei starkem Niederschlag die Immissionsrichtwerte für seltene Ereignisse um 16 und 17 dB(A). Damit sind auch am Wohnhaus der Kläger zu 2 keine unzumutbaren Lärmeinwirkungen zu befürchten. Die Sorge der Kläger zu 2 ist unbegründet, sie könnten Geräusche von Vogelschutzmarkern hören. Solche Marker sind zwischen Mast 101 und Mast 102 nicht planfestgestellt (vgl. Maßnahmenblatt VAFB12). 41 3. Verstöße gegen Anforderungen des Raumordnungsrechts hat der Senat in seinem Beschluss vom 27. Juli 2020 - 4 VR 7.19 u.a. - (NVwZ 2021, 723 Rn. 57 bis 64 ) geprüft und verneint. An diesen, von den Klägern nicht mehr angegriffenen Erwägungen hält er fest. 42 D. Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an beachtlichen Abwägungsfehlern. 43 Nach § 43 Abs. 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Februar 1975 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63 f.> und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 73). 44 1. Der Planfeststellungsbeschluss entscheidet sich im Ergebnis zutreffend für die Errichtung einer Freileitung anstelle eines Erdkabels oder anderer technischer Varianten. 45 a) Die Ablehnung eines Erdkabels (PFB S. 71 ff.) ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte war nicht befugt, der Beigeladenen gegen deren Willen die Errichtung und den Betrieb eines Erdkabels aufzugeben. Denn die Leitung gehört nicht zu den in § 2 Abs. 1 EnLAG a.F. genannten Vorhaben. Der Beklagte konnte daher ein Erdkabel nicht nach § 2 Abs. 2 EnLAG a.F. verlangen. Ein solches Verlangen konnte die Planfeststellungsbehörde auch nicht auf das Abwägungsgebot des § 43 Abs. 3 EnWG stützen (BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 129 und Beschluss vom 27. Juli 2020 - 4 VR 7.19 u.a. - NVwZ 2021, 723 Rn. 101 bis 108). Dies gilt für alle Gestaltungen, die Erdkabel zum Gegenstand haben, also Kabel, die in die Erde eingebracht sind (BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2021 - 4 A 4.19 - UPR 2021, 269 Rn. 30), sei es in einem offenen Graben oder einem Bohrverfahren. 46 b) Gestützt auf das Gutachten von Brakelmann/Jarass hat die Klägerin zu 3 im Verwaltungsverfahren andere technische Gestaltungen skizziert. Diesen ist gemein, dass die Leitung auf oder knapp oberhalb des Geländeniveaus in baulichen Anlagen oder in Wällen entlang der Autobahn geführt wird. Solche Gestaltungen sind kein Erdkabel im Sinne des § 2 Abs. 1 EnLAG a.F. (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2021 - 4 A 4.19 - UPR 2021, 269 Rn. 29 zu § 3 Abs. 5 BBPlG). Diese, teils als ""innovative Kabellösungen"" (Brakelmann/Jarass, S. 20) bezeichneten Vorschläge, haben die Kläger im gerichtlichen Verfahren überwiegend nicht mehr verfolgt, sondern als Denkanstöße für die Planaufstellung verstanden wissen wollen. 47 Hiervon unabhängig genügt der prozessuale Vortrag zu den Varianten in erheblichem Umfang nicht § 67 Abs. 4 VwGO. Nach Satz 1 der Vorschrift müssen sich die Beteiligten vor dem Bundesverwaltungsgericht außer im Prozesskostenhilfeverfahren durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind nach Satz 3 nur die in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO bezeichneten Personen zugelassen, also unter anderem Rechtsanwälte und Rechtslehrer an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen. § 67 Abs. 4 VwGO verlangt eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs (BVerwG, Beschluss vom 6. September 1965 - 6 C 57.63 - BVerwGE 22, 38 <39>). Der Vertretungszwang soll die Sachlichkeit des Verfahrens und die sachkundige Erörterung des Streitfalles, insbesondere der entscheidungstragenden Rechtsfragen, gewährleisten (BVerwG, Urteil vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 16). Es genügt daher nicht, Ausführungen Dritter ohne rechtliche Einordnung in einen Schriftsatz zu übernehmen, wie dies in den Schriftsätzen der Kläger zu 1 und 2 vom 26. Februar 2020 (S. 61 bis 75) und der Klägerin zu 3 vom 8. Januar 2020 (S. 51 bis 63) geschieht. 48 c) Die Kläger verlangen eine Einhausung der Leitung. Parallel zur Lärmschutzwand entlang der A 10 solle eine zweite Wand errichtet werden, die Konstruktion überdacht und in dem entstehenden Raum die Kabel montiert werden. Diese Variante schlagen Brakelmann/Jarass zur Kostenreduzierung vor (ebd. S. 50). Der Planfeststellungsbeschluss lehnt sie ab (PFB S. 81 f.). Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte wäre nicht befugt gewesen, der Beigeladenen eine solche Gestaltung aufzugeben. 49 aa) Dem Vorschlag dürfte schon § 49 Abs. 1 Satz 2 EnWG entgegenstehen. Danach sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Dies sind solche technischen Regeln, die von den herrschenden Fachkreisen als richtig anerkannt sind und praktiziert werden; darüber hinaus müssen sie in der Praxis erprobt sein (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 40). Brakelmann/Jarass räumen indes ein, ein ""Infrastrukturkanal entlang einer Lärmschutzwand"" sei bisher noch nicht in Deutschland realisiert worden (ebd. S. 50). 50 bb) Der Variante stand die Entscheidung des Energieleitungsausbaugesetzes entgegen, Vorhaben nach dem Bedarfsplan grundsätzlich als Freileitung und nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 und 2 EnLAG a.F. als Erdkabel zu errichten. Sonstige Gestaltungen, die weder Freileitung noch Erdkabel sind, scheiden aus. 51 § 1 Abs. 1 EnLAG a.F. regelt Vorhaben nach § 43 Satz 1 EnWG (in der Fassung vor Inkrafttreten von Art. 1 Nr. 19 des Gesetzes vom 13. Mai 2019 - BGBl. I S. 706). Nach der - einzig in Betracht kommenden - Nr. 1 der Vorschrift sind dies Hochspannungs f r e i leitungen mit einer Nennspannung von 110 Kilovolt oder mehr. Der Gesetzgeber wollte mit dem Energieleitungsausbaugesetz einen raschen Ausbau des Höchstspannungsübertragungsnetzes erreichen (BT-Drs. 16/10491 S. 1), das eine hohe Versorgungssicherheit und Versorgungsqualität gewährleisten müsse (ebd. S. 9). Er erwog zwar Alternativen zum Netzausbau, sah aber den Bedarf, die absehbaren Netzengpässe mit den ""jetzt zur Verfügung stehenden Mitteln"" kurz- und mittelfristig zu beseitigen (ebd. S. 14). Die Anlage des Energieleitungsausbaugesetzes stellt daher den Bedarf für bestimmte Leitungen fest, die als Freileitungen errichtet werden und wählt damit die für die Übertragung von Drehstrom im Höchstspannungsnetz übliche technische Gestaltung. Abweichende technische Gestaltungen sieht das Gesetz in § 2 Abs. 1 und 2 EnLAG a.F. vor, der Erdkabel zum Gegenstand hat (vgl. ebd. S. 16). Es wäre systematisch nicht einsichtig, die Anordnung von Erdkabeln nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 und 2 EnLAG a.F. auf bestimmte Pilotvorhaben und Voraussetzungen zu begrenzen, andere, noch weniger übliche Lösungen nach § 43 Abs. 3 EnWG aber der behördlichen Abwägung zu überlassen. Vielmehr beschränkt der Begriff des Erdkabels in § 2 Abs. 1 EnLAG a.F. die als Alternative zur Freileitung zur Verfügung stehenden technischen Gestaltungen. Davon geht auch die Bundesregierung aus, die mit der Ausweitung des Erdkabelbegriffs auf alle Erdleitungen einschließlich Kabeltunnel und gasisolierte Rohrleitungen durch § 2 Abs. 1 Satz 2 EnLAG in der Fassung von Art. 5 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsbaus vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2490) die Möglichkeit eröffnen wollte, ""hinsichtlich anderer technischer Lösungen"" Erfahrungen zu sammeln (BT-Drs. 18/4655 S. 3). 52 cc) Die geforderte Einhausung führt die Leitung oberirdisch und ist daher kein Erdkabel. Sie ist aber auch weder eine Freileitung noch deren Bestandteil, wie die Kläger in Auseinandersetzung mit dem Beschluss vom 27. Juli 2020 - 4 VR 7.19 u.a. - (NVwZ 2021, 723) und dem Urteil vom 20. Januar 2021 - 4 A 4.19 - (UPR 2021, 269) geltend gemacht haben. 53 Freileitungen sind Leitungen, deren an Masten befestigte Leiterseile durch die Luft geführt werden. Kabel, die entlang einer Lärmschutzwand eingehaust verlaufen, sind keine Freileitungen. Etwas Anderes folgt nicht aus Nr. 2.7 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der Verordnung über elektromagnetische Felder - 26. BImSchV (26. BImSchVVwV) (BAnz AT 03.03.2016 B5, BAnz AT 03.03.2016 B6). Danach ist eine Freileitung die Gesamtheit einer Anlage zur oberirdischen Fortleitung von Elektrizität. Die Ausführungen unter 5.3.1 der 26. BImSchVVwV zur Minimierung der Immissionen von Drehstromfreileitungen zeigen indes, dass auch die Verwaltungsvorschrift davon ausgeht, dass die Leiterseile an Masten hängen und einen Abstand zum Boden wahren. 54 Erfolglos bleibt der Einwand der Kläger, die Einhausung der Leitung entlang der Autobahn sei Bestandteil einer Freileitung. Zu den Vorhaben nach dem Energieleitungsausbaugesetz gehören nach § 1 Abs. 4 EnLAG a.F. auch die für den Betrieb von Energieleitungen notwendigen Anlagen und die notwendigen Anlagen an den Netzverknüpfungspunkten. Auch § 43 Abs. 2 EnWG geht davon aus, dass mit einer Freileitung weitere Anlagen planfestgestellt werden können, ohne dass der Charakter einer Freileitung entfällt. Diese, auf bestimmte technische Situationen zugeschnittenen und tatbestandlich beschränkten Regelungen rechtfertigen aber nicht den Schluss, dass der Begriff der Freileitung Gestaltungen umfasst, in denen auf einem beachtlichen Teilstück der Strom nicht in frei hängenden Leitungen, sondern in - durch ein Bauwerk eingehausten und fest montierten - Kabeln weitergeleitet wird. 55 Auf die Kosten der Gestaltung kommt es danach nicht an; der hilfsweise beantragten Beweiserhebung bedarf es nicht. 56 2. Die Planfeststellung hat sich ohne Abwägungsfehler für den großräumigen Verlauf der Leitung zwischen - den von Anlage Nr. 11 zum EnLAG a.F. rechtlich vorgegebenen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2020 - 4 VR 7.19 u.a. - NVwZ 2021, 723 Rn. 72) – Anfangs- und Endpunkten der Leitung entschieden und eine Umgehung von Birkenwerder und Borgsdorf abgelehnt. 57 Bestehen keine rechtlich zwingenden Vorgaben, ist die Auswahl unter verschiedenen Trassenvarianten eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten ist die Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit erst überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <11> und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 82). 58 a) Die betrachteten Alternativen umgehen Birkenwerder und das nördlich gelegene Borgsdorf. Sie geben hinter Mühlenbeck den Verbund mit der Autobahn A 10 auf. Eine Variante (""L 211"") führt im Verbund mit der Landesstraße L 211 nach Nordwesten, verschwenkt etwas östlich von Borgsdorf nach Südwesten, kreuzt nördlich von Borgsdorf die Bahnlinie, wird zunächst in südwestlicher Richtung geführt und erreicht westlich des Oranienburger Kanals von Norden her die Antragstrasse. Die Variante ""Gastrasse"" folgt zunächst der Variante ""L 211"", wird aber südlich davon entlang einer Gastrasse durch den Mühlenbecker Forst geführt, verschwenkt kurz vor Briese nach Nordwesten und erreicht südlich von Borgsdorf wieder die Trasse ""L 211""; im Folgenden ist der Verlauf identisch. Die planfestgestellte Trasse ist in diesem Abschnitt knapp 8 km lang bei geschätzten Kosten von 8,1 Mio. €, die Varianten jeweils knapp 13 km mit geschätzten Kosten von 14,8 Mio. €. 59 Der Planfeststellungsbeschluss lehnt beide großräumigen Varianten ab (PFB S. 97 ff.). Er erkennt die Entlastung der Bereiche Birkenwerder und Hohen Neuendorf, weil visuelle Beeinträchtigungen vermieden werden und die Belastung durch Lärm und elektromagnetische Felder ganz entfällt. Angesichts der tatsächlichen Vorbelastung durch die Bestandstrasse, der im Bereich verbleibenden Bahnstromleitung Priort-Karow, der Neuzerschneidung eines Freiraums im Bereich des naturnahen Erholungsraums Briesetal auf einer Länge von mehr als 10 km und der zusätzlichen Kosten hält er die Alternativvarianten aber nicht für vorzugswürdig (PFB S. 101 f.). 60 b) Die Prüfung räumlicher Trassenvarianten erfolgt nicht auf ""freiem Felde"" (BVerwG, Urteile vom 5. Juli 1974 - 4 C 50.72 - BVerwGE 45, 309 <316> und vom 24. Mai 2018 - 4 C 4.17 - BVerwGE 162, 114 Rn. 37), sondern hat den Naturraum und die Infrastruktur in den Blick zu nehmen. Zwar gibt es keinen zwingenden Planungsleitsatz, bestehende Leitungstrassen für ein neues Vorhaben zu nutzen. Der Ausbau des Netzes unter Nutzung vorhandener Trassenräume hat aber grundsätzlich Vorrang vor dem Neubau auf neuen Trassen (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 35; Beschluss vom 28. März 2020 - 4 VR 5.19 - juris Rn. 39). Die von einer Be-standstrasse geprägte Situationsgebundenheit von Grundstücken und Gebieten ist daher ein Kriterium, das sich in der Abwägung gegen konkurrierende Belange durchsetzen kann. Sofern eine vorhandene Leitung bereits eine Trasse vorgibt, die sich insgesamt als verträglich erweist, kann es fehlerfrei sein, wenn eine vertiefte Prüfung alternativer großräumiger Trassen unterbleibt. Im Rahmen der Abwägung ist zudem das Bündelungsgebot zu beachten. Danach sind linienförmige Infrastrukturen zu bündeln und Zerschneidungen der Landschaft zu vermeiden (vgl. etwa § 1 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG, § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 6 ROG). Hieran gemessen lagen dem Beklagten hinreichende Untersuchungen vor, um die Nachteile der Alternativtrassen zu erkennen und sich abwägend gegen sie zu entscheiden. Eine solche Abwägungsentscheidung hat der Beklagte getroffen. Mehr ist nicht verlangt. 61 Anders als die Kläger meinen, musste der Planfeststellungsbeschluss für die planfestgestellte Trasse dabei den Bündelungsanteil im Abschnitt zwischen Summt und Birkenwerder nicht mit weniger als 50 % bemessen (vgl. PFB S. 300). Nach dem Bündelungsgebot sind mehrere lineare Infrastrukturen, z.B. Straßen, Schienenwege oder Energieleitungen, möglichst parallel zu führen (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 35). Hiervon ausgehend nimmt der Planfeststellungsbeschluss zutreffend eine vollständige Bündelung der planfestgestellten Trasse mit der A 10 (bis Mast 86) und der 110-kV-Bahnstromleitung Priort-Karow an (ab Mast 86). 62 c) Der Planfeststellungsbeschluss erkennt die Nachteile der Alternativtrassen. Ein Freiraum werde auf einer Länge von mehr als 10 km zerschnitten. Dies führe zu einem erheblichen neuen Eingriff in Natur und Landschaft. Hinzu kämen die Mehrkosten von rund 6 Mio. €. Diese Nachteile bestreiten auch die Kläger nicht. Der Planfeststellungsbeschluss durfte ihnen erhebliches Gewicht beimessen. 63 Der Planfeststellungsbeschluss wägt auch die Querung von Schutzgebieten zutreffend ab (PFB S. 98, 300). Solche Gebiete können durch Überspannung beeinträchtigt werden, auch wenn keine Flächen durch Masten oder Nebenanlagen in Anspruch genommen werden. Denn innerhalb des Schutzstreifens der Leitungen gelten Nutzungseinschränkungen für Tätigkeiten, welche die Leitung gefährden oder ihre Erreichbarkeit für Reparatur und Wartungszwecke verhindern. Die Breite des technischen Schutzstreifens folgt aus dem seitlichen Ausschwingen der Leiterseile und einem zusätzlichen Sicherheitsabstand. Bei einem Mastabstand von 400 m ergibt sich auf unbewaldeten Flächen eine maximale Schutzstreifenbreite von etwa 40 m beidseitig der Leitungsachse, auf bewaldeten Flächen bei einer Baumhöhe von bis zu 40 m beträgt sie durchschnittlich 50 m, max. 55 m (PFB S. 54 f.). Für das FFH-Gebiet Briesetal prognostiziert die ""Vertiefende Betrachtung"" (S. 26 ff.) daher erhebliche Beeinträchtigungen des Lebensraumtyps 3260 (Flüsse der planaren bis montanen Stufe mit Vegetation des Ranunculion fluitantis und des Callitrichio-Batrachion) (nach Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen - FFH-Richtlinie) durch Überspannungen und die Veränderungen des Mikroklimas und Beeinträchtigungen sowohl des prioritären Lebensraumtyps 91E0* (Auen-Wälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior ) als auch der Arten Biber, Fischotter und Kammmolch durch die Anlage des Schutzstreifens, den Seilzug und Aufwuchsbeschränkungen. Damit setzen sich die Kläger nicht auseinander. Warum und inwiefern der Rückbau der auf anderer Trasse verlaufenden 220-kV-Leitung eine Rolle spielen könnte, legen sie nicht dar. 64 d) Die Kläger halten die Nachteile der planfestgestellten Trasse für unterschätzt. Diese Kritik bleibt erfolglos. Insbesondere die visuellen Wirkungen der Leitungen sind ausreichend berücksichtigt. 65 aa) Höchstspannungsfreileitungen beeinträchtigen das Orts- und Landschaftsbild, das sie als sichtbare technische Einrichtung beeinflussen oder prägen. Diese Wirkungen können räumlich weit reichen und sind abwägungserheblich. Der Planfeststellungsbeschluss geht diesen Beeinträchtigungen für die Barnimplatte, den Verdichtungsraum Berlin und Westbarnim nach (PFB S. 139 ff.). Dass die geforderten Alternativtrassen insoweit Vorteile bieten könnten, machen die Kläger nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich. 66 bb) Die Beeinträchtigungen des Wohnumfeldes durch visuelle Belastungen sind ausreichend berücksichtigt. Nähern sich Freileitungen Wohngebäuden an, wird das Wohnumfeld gestört. Davon geht der Gesetzgeber in unterschiedlichen Zusammenhängen auch bei Entfernungen aus, die eine Zuordnung der visuellen Wirkung zu bestimmten, einzelnen Grundstücken regelmäßig nicht mehr zulassen (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 EnLAG, § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 BBPlG, vgl. auch BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 4 A 1.16 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 5 Rn. 53 zu einer raumordnungsrechtlichen Regelung). Der Planung ist daher aufgegeben, das Ziel eines ausreichenden Abstandes zu Wohngebäuden in die Abwägung einzustellen. Welches Gewicht dieser Belang hat und ob er sich gegen gegenläufige Belange durchsetzt, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Rechtsordnung kennt kein striktes Verbot, Freileitungen in der Nähe von Wohngebäuden zu führen. 67 Dem trägt der Planfeststellungsbeschluss ausreichend Rechnung. Die Lage der Leitung, die Annäherung an die Wohnbebauung und die Sichtbarkeit der Leitung waren dem Beklagten bekannt. Er stellt die Belastungen des Wohnumfeldes im Bereich Birkenwerder auch nicht in Abrede, hält sie aber wegen der bestehenden Vorbelastung, der Parallelführung mit der A 10 und aufgrund von Sichtverschattungen mit unterschiedlichen Formulierungen für ""nicht erheblich"" (PFB S. 153) und ""hinnehmbar"" (PFB S. 265,), sie führten nur ""zu geringen Konflikten"" (PFB S. 267, 332). Diese Bewertung mag im Einzelnen rhetorisch zugespitzt scheinen, hält sich aber auch unter Berücksichtigung der ""Vertiefenden Betrachtung"" in den vom Abwägungsgebot gezogenen Grenzen. Denn insbesondere das Gebiet nördlich der A 10 ist erheblich vorbelastet. Die Lage wird nachhaltig von der Autobahn geprägt, die das Siedlungsgebiet von Birkenwerder durchschneidet. Die Klägerin zu 3 hat selbst darauf hingewiesen, dass sie aus Lärmschutzgründen in der Vergangenheit in unmittelbarer Nähe zur Autobahn die planungsrechtliche Grundlage für eine Wohnbebauung nicht schaffen konnte und sieht insoweit nur ein künftiges Wohnbaupotential; auch ihr Flächennutzungsplan stellt im Nahbereich der Trasse keine Wohnnutzung dar. So finden sich dort zwar vereinzelt Wohnnutzungen. Es überwiegen jedoch Kleingärten (teils außer Nutzung), die keine Wohngebäude sind und daher auch keinen Wohnumfeldschutz für sich beanspruchen können. Angesichts dieser Umstände zeigen die mit der ""Vertiefenden Betrachtung"" ermittelten Sichtbeziehungen nicht auf, dass die Belastung des Wohnumfeldes in beachtlicher Weise unterschätzt worden ist. 68 cc) Die Kläger meinen, die Ergebnisse der ""Vertiefenden Betrachtung"" seien nicht ausreichend gewürdigt. Dies bleibt erfolglos. Die ""Vertiefende Betrachtung"" vergleicht die Trassenkorridore hinsichtlich privater Belange (4.). Dazu geht sie (unter 4.3) auch der optischen Wirkung der Leitung auf einzelne Grundstücke nach. 69 (1) Masten einer Freileitung können für Wohngebäude in Extremfällen (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 89) eine erdrückende Wirkung entfalten, die für den Eigentümer unzumutbar ist. In einem solchen Fall hat die Planfeststellungsbehörde dem Träger des Vorhabens Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, die zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf die Rechte des jeweiligen Grundeigentümers erforderlich sind (§ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG). Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen - wie häufig - untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, hat der Betroffene nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld. Ist die visuelle Wirkung nicht erdrückend, ist sie zumutbar. Sie kann insbesondere nicht mit anderen, gleichfalls noch zumutbaren Einzelbelastungen zu einer insgesamt unzumutbaren Wirkung summiert werden. Für diese Forderung der Kläger gibt es weder eine rechtliche Grundlage noch einen handhabbaren Maßstab. 70 Wird die Schwelle einer erdrückenden Wirkung nicht erreicht, können visuelle Wirkungen abwägungserheblich sein, weil die Leitung die Wohnbebauung optisch bedrängt (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 90). Eine solche Belastung ist zwar noch zumutbar, verlangt aber in der Abwägung Beachtung (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 190 und vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 38). Sie setzt indes einige Erheblichkeit für ein konkretes Grundstück voraus: Die Masten der Leitung müssen sich bestimmten einzelnen Grundstücken so annähern, dass sie gerade deren Situation deutlich mitprägen. 71 Die visuellen Wirkungen einer Freileitung im Übrigen betreffen das Wohnumfeld, berühren aber nicht das Eigentumsrecht. Dies gilt insbesondere für die Sichtbarkeit einer Leitung. Der Anblick einer Leitung und damit einer Einrichtung technischen oder industriellen Charakters mag in einem Wohngebiet als störend oder unästhetisch wahrgenommen werden. Freileitungen gehören aber ebenso wie andere Infrastruktureinrichtungen, Fabriken oder Windenergieanlagen zur Raumausstattung eines Industrielandes. Vor ihrem Anblick schützt das Eigentumsrecht nicht. 72 (2) Der Planfeststellungsbeschluss verneint eine erdrückende Wirkung der Leitung (PFB S. 100). Dies hält für das Wohngebäude der Kläger zu 2 und das Gebäude der Klägerin zu 3 rechtlicher Nachprüfung stand. 73 (a) Die Leitung wirkt auf das Grundstück ... nicht erdrückend. Eine erdrückende Wirkung baulicher Anlagen liegt in Ausnahmefällen vor, wenn die Anlage ein Nachbargrundstück abriegelt, ihm die Luft zum Atmen nimmt oder es - einem Gefängnishof vergleichbar - einmauert (so etwa OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Dezember 2014 - 1 MN 118/14 - ZfBR 2015, 274 <278>). Eine solche Wirkung kann von einem Gittermast, der für die visuelle Wirkung maßgeblich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 89), regelmäßig nicht ausgehen. Dieser ist lichtdurchlässig und lässt einen, wenn auch eingeschränkten Blick auf die dahinter liegende Landschaft oder Bebauung zu und ist in der Regel nur für bestimmte Blicke von Bedeutung. Erdrückend wirken kann ein Mast aber, wenn das benachbarte Grundstück und die auf ihm errichteten Gebäude ihre Eigenständigkeit und Charakteristik verlieren (OVG Münster, Beschluss vom 22. April 2021 - 10 A 3745/18 - juris Rn. 31). Auch dies kommt aber nur in Ausnahmefällen vor. 74 Der rund 81 m hohe Mast 102 wird in etwa 65 m Entfernung zum Wohnhaus der Kläger zu 2 errichtet. Die Wirkung auf das Grundstück ist deutlich gemindert, weil die Lärmschutzwand für die A 10 Mast und Grundstück voneinander trennt. Diese ist nach den klägerischen Angaben 5 bis 6 m hoch und steht etwa 7 m von der Grundstücksgrenze des etwas tiefer liegenden Grundstücks entfernt. Sie prägt damit das Grundstück wesentlich und riegelt es zum Mast hin optisch ab. Die hinzutretende Belastung wird nur bei einem Blick nach oben, aber nicht auf Augenhöhe eintreten. Schließlich ist das Grundstück bereits durch die bestehende Leitung beeinträchtigt. Deren Mast 122 ist zwar niedriger, verfügt über eine andere Konstruktionsform und ist weiter entfernt, wirkt aber bereits auf das Grundstück ein. 75 Die Kläger wenden sich zudem gegen die Verschiebung des Mastes 102 nach Osten. Dies bleibt erfolglos. Nach Einschätzung des Planfeststellungsbeschlusses muss der bisherige Mast 122 aufgrund zu geringer Freiräume sowohl unter Verkehrssicherheitsaspekten als auch zur Erhaltung der Zugänglichkeit unter Betriebssicherheitsaspekten versetzt werden. Es komme hinzu, dass der Mast 102 durch die geplante Böschungsänderung und den Neubau der Lärmschutzwand im Auffahrtsohr der Autobahn in seiner Betriebssicherheit gefährdet wäre (PFB S. 114, 302). Diese tragenden Gründe ziehen die Kläger nicht substantiiert in Zweifel. Soweit sie auf die im Planfeststellungsbeschluss erwähnte Behelfsbrücke verweisen, mag dieser Grund nach Abbau der Brücke entfallen sein. Die weiteren tragenden Gründe des Planfeststellungsbeschlusses bleiben davon unberührt. Hinsichtlich einzelner Maststandorte genügt es, wenn die Planfeststellungsbehörde Gründe anführt, die geeignet sind, die gegen diesen Standort sprechenden Gründe aufzuwiegen. So liegt es hier. Die Belange der Betriebssicherheit und Zugänglichkeit reichen aus, um die Verschiebung eines einzelnen Mastes um etwa 60 m zu rechtfertigen, die im Kern ein einzelnes Wohngrundstück zwar betrifft, aber nicht unzumutbar belastet. 76 (b) Weder Mast 101 noch die Leiterseile wirken auf das Gebäude im ... Weg ... erdrückend. Es mag offenbleiben, ob das Gebäude den Schutz einer Wohnbebauung verdient, obwohl die Klägerin zu 3 zur Gebietsnutzung ""Wochenendhäuser, Erholung"" angegeben, eine Baugenehmigung nicht vorgelegt hat und das Äußere des Gebäudes an der Bestimmung zur dauernden Wohnnutzung Zweifel weckt. Denn der 75,80 m hohe Mast steht zwar nur in 45 m Entfernung zum Wohngebäude, dieses ist aber durch den Bestandsmast ganz erheblich vorbelastet. Zudem trennt der ... Weg das Gebäude von dem Maststandort, so dass es seine Eigenständigkeit und Charakteristik bewahrt (vgl. zu ähnlichen Größenverhältnissen BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 88). Dass der Text des Planfeststellungsbeschlusses (S. 99) die Höhe des Mastes mit 65,80 m angibt, ist mit Blick auf die erdrückende Wirkung angesichts der Größenverhältnisse unbeachtlich, führt aber auch nicht auf einen beachtlichen Abwägungsfehler. Denn angesichts der weiteren Abwägung und der vom Planfeststellungsbeschluss betonten gravierenden Nachteile der Alternativtrassen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass sich die fehlerhafte Zuordnung einer einzelnen Masthöhe auf das Abwägungsergebnis nicht ausgewirkt hat (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Dezember 2015 - 1 BvR 685/12 - NVwZ 2016, 524 Rn. 26 ff.). 77 (3) Der Planfeststellungsbeschluss erkennt die hohe Sichtbarkeit der Masten für 141 Gebäude (PFB S. 100) und stellt sie in seine Abwägung ein. Die optisch bedrängende Wirkung der Leitung, welche die ""Vertiefende Betrachtung"" für insgesamt 30 Gebäude annimmt, erwähnt er nicht. Darin liegt kein beachtlicher Abwägungsfehler. 78 Zwar ist die Beeinträchtigung durch eine optisch bedrängende Wirkung für einzelne Grundstücke höher als bei einer hohen Sichtbarkeit der Leitung, dafür ist die Zahl der betroffenen Grundstücke geringer. So hat der Planfeststellungsbeschluss eine hohe Sichtbarkeit für immerhin 141 Gebäude in seine Erwägungen eingestellt (PFB S. 100), davon 54 Einfamilienhäuser. Die optisch bedrängende Wirkung betrifft dagegen zwar 30 Gebäude, davon aber nur vier Einfamilienhäuser. Auch bei ausdrücklicher Behandlung dieser Wirkung hätte der Belang daher keine höhere Bedeutung erlangt. Denn der optisch bedrängenden Wirkung auf Kleingärten (25) wäre kein eigenständiges Gewicht zugekommen. Weil diese nicht dem dauernden Wohnen dienen (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 BKleingG) und nur eine auf 24 Quadratmeter Grundfläche begrenzte Laube in einfacher Ausführung (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 BKleingG) zulässig ist, werden sie vor einer solchen Wirkung nicht geschützt. 79 (4) Die Kläger haben weitere Kritik an der ""Vertiefenden Betrachtung"" und der Alternativenprüfung geübt. Diese ist auch in ihrer Gesamtheit nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit der Abwägungsentscheidung in ihrem Kern in Zweifel zu ziehen. Sie zeigen keinen Bewertungsfehler auf, der - sein Vorliegen unterstellt - geeignet sein könnte, Belange zu Tage zu fördern, welche die vom Planfeststellungsbeschluss in den Mittelpunkt gerückten erheblichen Nachteile der Alternativtrassen aufwiegen. 80 Die Kläger rügen unzureichende Untersuchungen wie einen zu kleinen Untersuchungsraum, die fehlende Untersuchung der Leitung insgesamt, geringfügige Unterschiede hinsichtlich der Schutzstreifen und eine zu geringe Untersuchungstiefe bei Siedlungsbetroffenheiten auf den Alternativtrassen. Diese Kritik übersieht das Ziel des Variantenvergleichs. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass weitergehende Ermittlungen Erkenntnisse hätten erbringen können, die sich auf die Reihenfolge der Alternativen ausgewirkt hätte. 81 Die ""Vertiefende Betrachtung"" legt für die Führung durch den Wald Donaumasten zugrunde, die über schmalere Traversen als Einebenenmasten verfügen, aber größere Spannfelder ermöglichen und daher wegen der längeren Leiterseile zu einer größeren indirekten Waldinanspruchnahme führen. Einebenenmasten lehnt die Betrachtung dagegen ab, weil diese wegen der kürzeren Spannfelder mehr Masten und damit eine größere direkte Waldinanspruchnahme zur Folge haben (""Vertiefende Betrachtung"", S. 13). Diese Überlegungen reichen für den Variantenvergleich aus. 82 Die Kläger meinen, für die - abwägungserheblichen (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 91) – Beeinträchtigungen der Bebaubarkeit von Grundstücken seien nicht nur Bebauungspläne, sondern auch Bebauungsmöglichkeiten nach § 34 BauGB zu betrachten. Dies mag auf sich beruhen. Denn die Kläger zeigen nicht auf, welche Bebauungsmöglichkeiten sie insoweit beeinträchtigt sehen. Namentlich fehlt substantiierter Vortrag, wo im Trassenbereich trotz der überwiegenden, teils aufgegebenen Nutzung als Kleingärten ein Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB bestehen könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2015 - 4 C 5.14 - BVerwGE 152, 275 Rn. 15). Die Kritik der Kläger an den Überlegungen zu einer verstärkten Überspannung (""Vertiefende Betrachtung"", S. 24 f.) bleibt unsubstantiiert. 83 Der Planfeststellungsbeschluss geht davon aus, dass die 110-kV-Bahnstromleitung Priort-Karow aus technischen Gründen im Bereich Birkenwerder verbleiben müsse (PFB S. 98 f., 78 f.). Damit setzen sich die Kläger nicht hinreichend auseinander. Sie dringen nicht mit ihrer Kritik durch, der Planfeststellungsbeschluss habe sich fehlerhaft für Tonnenmasten anstelle von Einebenenmasten oder Doppel-Einebenenmasten entschieden. Der Planfeststellungsbeschluss wägt deren jeweilige Vor- und Nachteile ab (PFB S. 89). Weiteres war nicht verlangt, weil klare ästhetische Vorteile der einen oder anderen Gestaltung fehlen (BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 120). 84 dd) Der Beklagte hat die städtebaulichen Ziele der Klägerin zu 3 ausreichend abgewogen, welche diese mit dem Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan ""Wohngebiet Birkenwerder Nord"" vom 5. November 2015 verfolgt. 85 Die dem Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zuzuordnende gemeindliche Planungshoheit vermittelt eine wehrfähige, in die Abwägung einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn das Vorhaben nachhaltig eine bestimmte Planung der Gemeinde stört, wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder gemeindliche Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Darüber hinaus muss die Planfeststellungsbehörde auf noch nicht verfestigte, aber konkrete Planungsabsichten einer Gemeinde abwägend dergestalt Rücksicht nehmen, dass durch die Fachplanung von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötigerweise ""verbaut"" werden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 6. September 2018 - 3 A 15.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 86 Rn. 28 und vom 15. Oktober 2020 - 7 A 10.19 - juris Rn. 39 f.). Erhebliches Gewicht hat der Gesichtspunkt der Priorität: Die Gemeinde hat mit ihrer Bauleitplanung auf eine Fachplanung Rücksicht zu nehmen, wenn letztere hinreichend verfestigt ist; umgekehrt ist aber die kommunale Bauleitplanung im Rahmen einer zeitlich nachfolgenden Fachplanung bei hinreichender Verfestigung zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 9.12 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 165 Rn. 21). Bei einem Fachplanungsvorhaben tritt in der Regel mit der Auslegung der Planunterlagen eine hinreichende Verfestigung ein (BVerwG, Beschluss vom 5. November 2002 - 9 VR 14.02 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 171 S. 133 f.). 86 Der Planfeststellungsbeschluss hat die Planung der Klägerin zu 3 für ein ""Wohngebiet Birkenwerder Nord"" zur Kenntnis genommen, sich aber an der Planfeststellung nicht gehindert gesehen (PFB S. 175, 261 und 356 f.). Die Bauleitplanung sei erst nach der Antragstellung im Fachplanungsverfahren am 2. Juli 2014 begonnen worden. Sie setze sich zudem in Widerspruch zum Bebauungsplanentwurf 03 ""Grenzweg"", der 1993 eine (inzwischen erfolgte) Bebauung der Trasse des früheren, nördlich gelegenen 220-kV-Nordrings vorgesehen habe und - in Absprache mit dem damaligen Leitungsbetreiber - eine Trassenfläche entlang der Autobahn als Reservetrasse für den damals bereits angedachten 380-kV-Nordring. 87 Dies ist nicht zu beanstanden. Die Unterlagen für die Planfeststellung lagen erstmals ab dem 6. November 2014 aus, die Klägerin zu 3 beschloss die Aufstellung des Bebauungsplans erst im November 2015. Es oblag daher der Klägerin zu 3, auf die Fachplanung Rücksicht zu nehmen. Sie kann keine zeitliche Priorität für ihre Planung beanspruchen, weil sie bereits 1993 einen Beschluss für einen Bebauungsplan getroffen hat. Dass dieser Aufstellungsbeschluss noch praktische Bedeutung gehabt haben könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin zu 3 in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, sich an die damaligen, nach ihrem Inhalt nicht bestrittenen Absprachen zum Erhalt einer Reservetrasse nicht mehr gebunden zu sehen. Der Beklagte durfte der Ausübung der Planungshoheit durch den Aufstellungsbeschluss daher untergeordnetes Gewicht beimessen und diese im Ergebnis hintanstellen. 88 ee) Der Einwand, das Kriterium ""Abstand zur Wohnbebauung"" sei fehlerhaft gewichtet worden, überzeugt nicht und wird vom Planfeststellungsbeschluss zu Recht zurückgewiesen (PFB S. 300 ff., ferner S. 99 ff.). Die vier festgestellten Überspannungen außerhalb der bestehenden Trasse nach § 4 Abs. 3 der 26. BImSchV werden von den hier in Rede stehenden Alternativen nicht berührt. 89 3. Die Abwägung kleinräumiger Alternativen ist nicht zu beanstanden. 90 a) Der Planfeststellungsbeschluss hat sich im Bereich Birkenwerder - Hohen Neuendorf von Mast 100 bis Mast 105 abwägungsfehlerfrei für die planfestgestellte Trasse entschieden und damit gegen den standortgleichen Ersatz der 220-kV-Leitung. Das legt der Eilbeschluss dar. An diesen, den Beteiligten bekannten Erwägungen hält der Senat fest (BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2020 - 4 VR 7.19 u.a. - NVwZ 2021, 723 Rn. 79 bis 82, 86 bis 88) und verweist zu den visuellen Wirkungen der Leitung auf die Ausführungen in diesem Urteil. 91 b) Der Planfeststellungsbeschluss lehnt im Bereich Summt - Birkenwerder von Mast 82 bis Mast 100 abwägungsfehlerfrei die kleinräumige Variante c ab. Dies legt der Eilbeschluss im Einzelnen dar (BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2020 - 4 VR 7.19 u.a. - NVwZ 2021, 723 Rn. 89 bis 100). An diesen Erwägungen hält der Senat auch im Hauptsacheverfahren fest. Substantiierte Einwände haben die Kläger nicht erhoben. Sie haben in Erwiderung auf den Eilbeschluss zwar die Bilanz der Waldinanspruchnahme als entscheidendes Auswahlkriterium weiter ""für klärungsbedürftig"" gehalten, lassen aber eine Auseinandersetzung mit dessen Erwägungen (a.a.O. Rn. 100) vermissen. Ihre Behauptung, es komme auf allen erwogenen Varianten zu Rodungen, zieht den angenommenen unterschiedlichen Umfang der Waldinanspruchnahme nicht in Zweifel. Hiervon unabhängig ist nicht ersichtlich, dass ein Abwägungsfehler subjektive Rechte der Kläger zu 2 oder der Klägerin zu 3 verletzen könnte. 92 E. Die Kläger beanstanden die Ermittlung und Bewertung der Eingriffe in das Landschafts- und Ortsbild als fehlerhaft. 93 Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung sind gemäß § 14 Abs. 1 BNatSchG Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ist anzunehmen, wenn die Veränderung von einem gegenüber den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter als nachteilig und störend empfunden wird. Bei der Bewertung der Eingriffs-wirkungen eines Vorhabens steht der Planfeststellungsbehörde ebenso wie bei der Bewertung der Kompensationswirkung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu. Die in einem Planfeststellungsbeschluss vorgenommenen Quantifizierungen bei Eingriffswirkungen und Kompensationsmaßnahmen sind daher nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich; sie sind vom Gericht hinzunehmen, sofern sie im Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und auch nicht auf einem Bewertungsverfahren beruhen, das sich als unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 146). 94 1. Die Kläger werfen dem Planfeststellungsbeschluss vor, die visuellen Auswirkungen der Leitung zu unterschätzen und damit von dem Ergebnis der ""Vertiefenden Betrachtung"" der Alternativen abzuweichen. Dies geht fehl. Die Untersuchungen der ""Vertiefenden Betrachtung"" ermitteln die visuellen Wirkungen auf einzelne private Betroffene und deren Grundeigentum. Die nach § 15 Abs. 6 Satz 3 BNatSchG in der Nebenbestimmung V.2 Nr. 24 und 25 festgesetzten Ersatzzahlungen bemessen sich aber nach Dauer und Schwere des Eingriffs in das Landschaftsbild und betrachten andere, weiter reichende Sichtbeziehungen. Daher geht die Kritik am Untersuchungsraum der ""Vertiefenden Betrachtung"" insoweit ins Leere. Maßgeblich ist vielmehr der für das Landschaftsbild betrachtete Untersuchungsraum von 2 km beidseitig des Leitungsverlaufs (PFB S. 139); dies gilt auch für das Vorliegen von Sichtverschattungen. 95 Der Eingriff in das Landschaftsbild wird durch die Masten als prägende Bauteile genügend erfasst. Es bedarf keiner eigenständigen Berücksichtigung der Leiterseile, weil diesen die massive Wirkung eines Bauwerks fehlt; der Begriff des ""Leiterseilvorhangs"" führt insoweit nicht weiter. Auch Breite und Zahl der Traversen müssen nicht gesondert betrachtet werden. Denn maßgeblich für die Störung des Landschaftsbildes ist die Errichtung eines hohen Bauwerks industriellen Charakters, das auf das Landschaftsbild einwirkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 100). 96 Die Kläger halten die Wahl des Masttyps Tonne nicht für ausreichend begründet und verlangen die Wahl von Einebenenmasten. Der Einwand bleibt erfolglos. Er setzt sich nicht mit den Überlegungen zur Mastwahl auseinander (PFB S. 88 f.). Die Führung auf Einebenenmasten hätte gegenüber der Bestandsleitung deutlich breitere Schutzstreifen und teils einen neuen Trassenkorridor erfordert. Im Bereich der Gemeinde Birkenwerder hätte es zudem wegen der Mitnahme der Bahnstromleitung Doppel-Einebenenmasten mit 24 m breiten Traversen bedurft, während für die Doppeltonnenmasten schmalere, 17 m breite Traversen genügen. Diese Erwägungen reichen aus. 97 Der Verweis auf das Vorhaben Nr. 3 nach der Anlage zum EnLAG (""Uckermarkleitung"") und die dort geplanten Masten zeigt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG auf. Diese Planung hat andere Probleme in einem anderen Landschaftsraum zu bewältigen. 98 2. Die Kläger beanstanden die Höhe der Ausgleichszahlungen. Der Planfeststellungsbeschluss orientiert sich am Erlass des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung zur naturschutzrechtlichen Beurteilung von Antennenträgern für die Telekommunikation (Antennenträgererlass des MUNR) vom 17. August 1998 (ABl./98, [Nr. 35], S. 769), geändert durch Bekanntmachung des MLUR vom 9. Mai 2002 (ABl./02, [Nr. 22], S. 559) und legt 400 € je Bauwerkshöhenmeterdifferenz in Landschaftsschutzgebieten und 200 € außerhalb solcher Gebiete zugrunde. Die Wahl des niedrigeren Wertes rechtfertigt der Planfeststellungsbeschluss mit der anthropogenen Vorbelastung des Raums (PFB S. 213). Diese Überlegung ist nachvollziehbar. 99 Die Kritik der Kläger beschränkt sich im Kern auf die Wiedergabe einer Stellungnahme der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt vom 16. Dezember 2014. Damit genügt sie nicht den Anforderungen des § 43e Abs. 3 Satz 1 EnWG. Denn die Norm verlangt eine Auseinandersetzung mit dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss, gegen den sich die Klage richtet. Eine lediglich pauschale Bezugnahme auf im Planfeststellungsverfahren erhobene Einwände oder deren wörtliche Wiederholung in der Klagebegründung ohne Würdigung des Planfeststellungsbeschlusses genügt nicht (BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 4 A 16.16 - Buchholz 451.17 § 43e EnWG Nr. 2 Rn. 37). Dies gilt auch für die Einwände von Behörden oder Dritten. Hiervon unabhängig zeigt die Stellungnahme der Senatsverwaltung keinen Rechtsfehler der gewählten Methode, sondern räumt selbst ein, ihre Forderung nach deutlich höheren Kompensationszahlungen sei eine ""Setzung"". 100 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2021-5,26.01.2021,"Pressemitteilung Nr. 5/2021 vom 26.01.2021 EN Kenntnisse der deutschen Sprache bewirken für sich allein kein Abrücken von einem vorherigen Bekenntnis zu einem nichtdeutschen Volkstum Für ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum reichen allein deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) nicht aus, wenn der Betroffene zuvor ein Bekenntnis zu einem nichtdeutschen Volkstum (sog. Gegenbekenntnis) abgegeben hat. Dies hat der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig ohne mündliche Verhandlung am 26. Januar 2021 entschieden. Die Klägerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, beantragte im November 2013 die Erteilung eines Aufnahmebescheides als Spätaussiedlerin. Das Bundesverwaltungsamt lehnte den Antrag u.a. mit der Begründung ab, die Klägerin sei mangels Bekenntnisses zum deutschen Volkstum keine deutsche Volkszugehörige. Denn sie sei in ihrem ersten Inlandspass und in den Geburtsurkunden ihrer Kinder mit russischer Nationalität eingetragen. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte zur Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung (§ 15 Abs. 1 BVFG) an die inzwischen in das Bundesgebiet eingereiste Klägerin verpflichtet. Sie stamme nach ihrer Mutter von einer deutschen Volkszugehörigen ab. Zwar habe sie sich bis zum Verlassen des Aussiedlungsgebietes nicht ausdrücklich durch Nationalitätenerklärung zum deutschen Volkstum bekannt. Sie habe aber durch den Erwerb ausreichender deutscher Sprachkenntnisse ein Bekenntnis auf andere Weise abgegeben. Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hat Erfolg. Zwar kann durch den Nachweis von deutschen Sprachkenntnissen auf dem Niveau B1 des GER nach der Neufassung des § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz auf andere Weise ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum erbracht werden. Der bloße Erwerb solcher Deutschkenntnisse reicht aber nicht, um von einem zuvor ausdrücklich abgelegten Gegenbekenntnis abzurücken. In der Angabe einer anderen als der deutschen Nationalität gegenüber staatlichen Stellen bei der Ausstellung amtlicher Dokumente liegt regelmäßig ein Bekenntnis zu einem nichtdeutschen Volkstum. Für ein ernsthaftes Abrücken von einem solchen Gegenbekenntnis bedarf es äußerer Tatsachen, die einen inneren Bewusstseinswandel und den Willen erkennen lassen, nur dem deutschen und keinem anderen Volkstum anzugehören. Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht keine hinreichenden Feststellungen getroffen, so dass der Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung und Entscheidung zurückverwiesen worden ist. BVerwG 1 C 5.20 - Urteil vom 26. Januar 2021 Vorinstanzen: OVG Münster, 11 A 1665/17 - Urteil vom 13. November 2019 - VG Köln, 10 K 6530/15 - Urteil vom 21. Juni 2017 -","Urteil vom 26.01.2021 - BVerwG 1 C 5.20ECLI:DE:BVerwG:2021:260121U1C5.20.0 EN Kenntnisse der deutschen Sprache bewirken für sich allein kein Abrücken von einem Bekenntnis zu einem nichtdeutschen Volkstum (sog. Gegenbekenntnis) Leitsatz: Allein durch den Nachweis von Deutschkenntnissen kann ein Bekenntnis auf andere Weise nach § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG nur erbracht werden, wenn der Betroffene kein ausdrückliches Bekenntnis zu einem anderen Volkstum abgegeben hat. Liegt ein derartiges Gegenbekenntnis vor, genügt nicht ein Verhalten, das nach dem Willen des Gesetzgebers ein Bekenntnis auf andere Weise darstellen kann, sondern bedarf es eines glaubhaften Abrückens von diesem Gegenbekenntnis. Rechtsquellen BVFG 2013 § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 2, § 15 Abs. 1 und 2, § 27 Abs. 2 BVFG 1993 § 6 Instanzenzug VG Köln - 21.06.2017 - AZ: VG 10 K 6530/15 OVG Münster - 13.11.2019 - AZ: OVG 11 A 1665/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 26.01.2021 - 1 C 5.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:260121U1C5.20.0] Urteil BVerwG 1 C 5.20 VG Köln - 21.06.2017 - AZ: VG 10 K 6530/15 OVG Münster - 13.11.2019 - AZ: OVG 11 A 1665/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 26. Januar 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß und Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. November 2019 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG). 2 Die 1961 in der ehemaligen Sowjetunion geborene Klägerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation. Mit Bescheid vom 1. Oktober 2013 wurde sie in den ihrer Mutter bzw. Großmutter im Februar 1995 erteilten Aufnahmebescheid einbezogen. Im August 2014 reiste sie mit ihrer Familie in das Bundesgebiet ein und erhielt eine Bescheinigung als Abkömmling nach § 15 Abs. 2 BVFG. 3 Noch zuvor im November 2013 beantragte die Klägerin von der Russischen Föderation aus die Erteilung eines Aufnahmebescheides als Spätaussiedlerin. Der Antrag wurde im März 2014 auf ihre Anerkennung als Spätaussiedlerin erweitert. Im Rahmen des Aufnahmeverfahrens legte sie nach ihrer Einreise ein ärztliches Attest über die Erkrankung ihrer Mutter sowie B 1-Sprachzertifikate des Goethe-Instituts vom 22. Juli 2014 (Module ""Sprechen"", ""Lesen"" und ""Schreiben""), ausgestellt in St. Petersburg, und vom 19. Januar 2015 (Modul ""Hören""), ausgestellt in Moskau, vor. 4 Die Beklagte lehnte den Aufnahmeantrag mit Bescheid vom 21. Mai 2015 mit der Begründung ab, die Klägerin habe ihren Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet aufgegeben und für die Erteilung eines Härtefallaufnahmebescheides gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG keine besondere Härte glaubhaft gemacht. Der Anerkennung als Spätaussiedlerin stehe das fehlende Bekenntnis zur deutschen Nationalität entgegen. Sie sei in ihrem ersten Inlandspass und in den Geburtsurkunden ihrer 1983 und 1987 geborenen Söhne mit russischer Nationalität eingetragen und habe vor ihrer Ausreise keine Änderung der Nationalitätsangaben veranlasst. 5 Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2015 zurückgewiesen. Der Klägerin könne keine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG ausgestellt werden, weil sie mangels Bekenntnisses zum deutschen Volkstum keine deutsche Volkszugehörige und damit keine Spätaussiedlerin sei. Die durch die B 1-Zertifikate belegten deutschen Sprachkenntnisse der Klägerin seien nicht geeignet, das notwendige Bekenntnis glaubhaft zu machen. 6 Im Klageverfahren machte die Klägerin u.a. geltend, Bemühungen, im Jahr 1987 anlässlich der Geburt ihres Sohnes ihre Nationalität in der Geburtsurkunde eintragen zu lassen, seien fehlgeschlagen. Sie legte zudem eine Bescheinigung des Standesamtes des Bezirks K. vom Mai 2016 vor, wonach eine Änderung ihrer Nationalität im Heiratsregister abgelehnt worden sei. 7 Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 21. Juni 2017 abgewiesen. 8 Im Berufungsverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, das Nichtbestehen des Moduls ""Hören"" der Sprachprüfung vor der Ausreise sei ihrer Hörbehinderung geschuldet gewesen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Berufung zurückgenommen, soweit sie auf die Erteilung eines Härtefallaufnahmebescheides gerichtet gewesen ist. 9 Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 13. November 2019 das Berufungsverfahren im Umfang der Klagerücknahme eingestellt, das Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise geändert und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 21. Mai 2015 und des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2015 zur Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG verpflichtet. Die Klägerin habe zum Zeitpunkt ihrer Übersiedlung nach Deutschland im August 2014 die Voraussetzungen der Spätaussiedlereigenschaft nach der seit September 2013 geltenden Fassung des Bundesvertriebenengesetzes erfüllt. Sie stamme von einer deutschen Volkszugehörigen ab. Ihre Mutter sei Spätaussiedlerin. Die Klägerin habe auch ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgelegt. Dieses liege allerdings nicht durch Nationalitätenerklärung vor, weil sie in ihrem ersten Inlandspass und in den Geburtsurkunden ihrer Kinder mit russischer Nationalität eingetragen sei und bis zu ihrer Ausreise keine Änderung ihrer Personenstandsurkunden durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung herbeigeführt habe. Das begründe kein die deutsche Volkszugehörigkeit ausschließendes Gegenbekenntnis (mehr), weil sie sich inzwischen durch Erlernen der deutschen Sprache im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BVFG auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt habe. Darin liege ein die frühere Erklärung zu einer nichtdeutschen Nationalität rückgängig machendes positives Verhalten. Auch ein derartiges Bekenntnis auf andere Weise müsse grundsätzlich bereits im Aussiedlungsgebiet erbracht werden, ohne dass der Gesetzgeber den Nachweis zwingend an die Vorlage eines bestimmten Zertifikates geknüpft habe. Der Aufnahmebewerber müsse nur den Nachweis erbringen, die Anforderungen entsprechend dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) zu erfüllen. Es dürfte zwar regelmäßig die Annahme gerechtfertigt sein, dass ein Antragsteller, der ein oder mehrere der vier Module des Goethezertifikats nicht bestanden habe, den Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse nicht geführt habe. Im Einzelfall könne aber aus dem Verfehlen eines positiven Ergebnisses beim Ablegen einzelner Modulprüfungen dann nicht auf unzureichende Deutschkenntnisse geschlossen werden, wenn das Nichtbestehen nicht mangelnden Sprachkenntnissen, sondern gesundheitlichen Gründen geschuldet sei. Die Klägerin habe zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass sie das Modul ""Hören"" vor der Ausreise nicht wegen mangelhafter Deutschkenntnisse, sondern wegen einer krankhaften Veränderung ihrer Hörfähigkeit nicht bestanden habe. Dass sie seinerzeit keinen spezifischen Bedarf angemeldet oder wenigstens auf die schlechte Tonqualität des Übertragungsgeräts hingewiesen habe, rechtfertige nicht die Annahme nicht ausreichender Sprachkenntnisse. Dies werde durch den Umstand bestätigt, dass sie die Prüfung ""Hören"" innerhalb eines Zeitraums von (nur) viereinhalb Monaten nach Verlassen des Aussiedlungsgebietes erfolgreich abgelegt habe. 10 Zur Begründung ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 6 Abs. 2 BVFG. Deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau B 1 des GER stellten zwar ein gegenüber dem Bekenntnis zum deutschen Volkstum durch eine Nationalitätenerklärung gleichwertiges Bekenntnis auf andere Weise dar, könnten aber nicht wie eine Nationalitätenerklärung frühere Bekenntnisse zu einem anderen Volkstum ersetzen. Der Annahme der deutschen Volkszugehörigkeit der Klägerin stehe ihr Bekenntnis zum russischen Volkstum durch Wahl der Nationalitäteneintragung russisch in ihrem ersten Inlandspass und die daraus folgende und bis heute fortbestehende entsprechende Nationalitäteneintragung in den Geburtsurkunden ihrer 1983 und 1987 geborenen Kinder entgegen. Dieses Gegenbekenntnis sei durch den Nachweis von deutschen Sprachkenntnissen nicht unbeachtlich geworden. 11 Die Klägerin verteidigt das Berufungsurteil und macht insbesondere geltend, dass sich aus § 6 Abs. 2 BVFG nicht die Notwendigkeit einer vorherigen Änderung der Nationalitätenerklärung ergebe. Entsprechende Bemühungen hätten außerdem keinen Erfolg gehabt. Auch darin liege ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum. 12 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und teilt die Rechtsauffassung der Beklagten. II 13 Die Revision der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist zulässig und mit dem Ergebnis der Zurückverweisung begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), indem es für ein frühere Erklärungen zu einer nichtdeutschen Nationalität rückgängig machendes positives Verhalten der Klägerin ein Bekenntnis zur deutschen Nationalität auf andere Weise im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BVFG durch Spracherwerb genügen lässt (1.) und hinsichtlich der für die Zuerkennung der Spätaussiedlereigenschaft nach § 4 und § 6 Abs. 2 BVFG erforderlichen deutschen Abstammung der Klägerin allein auf die Mutter und deren Spätaussiedlereigenschaft abstellt (2.). Da es für die Annahme der beiden genannten Tatbestandsvoraussetzungen der Spätaussiedlereigenschaft an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts fehlt, ist das Verfahren gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (3.). 14 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der hier vorliegenden Verpflichtungsklage grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderungen sind allerdings zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Der von der Klägerin verfolgte Anspruch auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung beurteilt sich somit grundsätzlich nach dem Bundesvertriebenengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. August 2007 (BGBl. I S. 1902), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 6. Mai 2019 (BGBl. I S. 646). Ein abweichender Beurteilungszeitpunkt ist nur zugrunde zu legen, wenn und soweit das materielle Recht dies ausnahmsweise gebietet. Das ist hier der Fall, soweit bei der Anwendung des § 15 Abs. 1 BVFG zu beurteilen ist, ob die Klägerin Spätaussiedlerin ist (s.u.). 15 Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG stellt das Bundesverwaltungsamt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Personen, die - wie die Klägerin - bei ihrer Einreise lediglich in den Aufnahmebescheid einer Bezugsperson einbezogen waren (vgl. § 27 Abs. 2 BVFG), kann nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG eine solche Bescheinigung nur ausgestellt werden, wenn die Erteilung eines Aufnahmebescheides beantragt und nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt worden ist (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017 - 1 C 21.16 - BVerwGE 160, 128 Rn. 14). 16 Ob eine Person nach §§ 4, 6 BVFG Spätaussiedler ist, richtet sich - auch im Bescheinigungsverfahren - grundsätzlich nach der Rechtslage bei Aufnahme in das Bundesgebiet (BVerwG, Urteile vom 12. März 2002 - 5 C 45.01 - BVerwGE 116, 119 <121 f.> und vom 28. Mai 2015 - 1 C 24.14 - BVerwGE 152, 164 Rn. 20). Diese Fixierung des Zeitpunktes, nach dem sich entscheidet, ob eine Person Spätaussiedler geworden ist, auf den Zeitpunkt der Aufenthaltnahme gründet im Spätaussiedlerbegriff selbst und damit im materiellen Recht (BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 - 1 C 29.14 - BVerwGE 152, 283 Rn. 38). Da die Übersiedlung der Klägerin im August 2014 erfolgte, beurteilt sich ihre Spätaussiedlereigenschaft mithin nach §§ 4, 6 BVFG 2013. 17 Die Spätaussiedlereigenschaft setzt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 BVFG die deutsche Volkszugehörigkeit voraus. Deutscher Volkszugehöriger ist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BVFG 2013, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird. Nach dem 31. Dezember 1923 Geborene sind gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG deutsche Volkszugehörige, wenn sie von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammen und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört haben. Das Bekenntnis auf andere Weise kann insbesondere durch den Nachweis ausreichender deutscher Sprachkenntnisse entsprechend dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) oder durch den Nachweis familiär vermittelter Deutschkenntnisse erbracht werden (§ 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG). Das Bekenntnis zum deutschen Volkstum muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Aufnahmeantrag, in Fällen des § 27 Abs. 2 (inzwischen: § 27 Abs. 1 Satz 2) im Zeitpunkt der Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich dieses Gesetzes, zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können, es sei denn, der Aufnahmebewerber kann diese Fähigkeit wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht besitzen (Satz 3). Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum wird unterstellt, wenn es unterblieben ist, weil es mit Gefahr für Leib und Leben oder schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden war, jedoch aufgrund der Gesamtumstände der Wille unzweifelhaft ist, der deutschen Volksgruppe und keiner anderen anzugehören (Satz 4). 18 1. Das Oberverwaltungsgericht geht zwar zutreffend davon aus, dass hinsichtlich des nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG für die Annahme der deutschen Volkszugehörigkeit erforderlichen Bekenntnisses zum deutschen Volkstum für die Klägerin nur ein Bekenntnis auf andere Weise durch Spracherwerb gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BVFG in Betracht kommt (a). Der bloße Erwerb deutscher Sprachkenntnisse entsprechend dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) reicht aber nicht, um von einem zuvor ausdrücklich abgelegten Gegenbekenntnis abzurücken (b). 19 a) Die Klägerin gehörte schon wegen der russischen Nationalität ihres Vaters nach dem Recht ihres Herkunftsstaats nicht zur deutschen Nationalität. Hierzu zählten nach der sowjetischen Passverordnung von 1974 nur Abkömmlinge, bei denen beide Elternteile dem deutschen Volkstum zugehörten (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 - BVerwGE 99, 133 <140>). Dies belegt auch der russische Nationalitäteneintrag in den von ihr vorgelegten amtlichen Dokumenten. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist auch nicht zu entnehmen, dass die Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt vor ihrer Ausreise gegenüber staatlichen Stellen bei der Ausstellung amtlicher Dokumente eine Erklärung zur deutschen Nationalität abgegeben und damit von einem bei gemischtnationalen Eltern eröffneten Wahlrecht Gebrauch gemacht hat. Nach eigenen Angaben war sie in ihrem ersten - mit Vollendung des 16. Lebensjahrs im Jahr 1977 ausgestellten - Inlandspass mit russischer Nationalität eingetragen. Soweit sie vorgetragen hat, sie habe sich 1987 bei der Ausstellung der Geburtsurkunde für ihren Sohn A. erfolglos um einen deutschen Nationalitäteneintrag bemüht, hat das Berufungsgericht dies ausdrücklich offengelassen. Etwaige weitere Bemühungen um eine Änderung des Nationalitäteneintrags in amtlichen Dokumenten nach ihrer Übersiedlung sind schon deshalb unbeachtlich, weil ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete abgegeben werden muss. 20 Damit kommt nur ein Bekenntnis auf andere Weise nach § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG durch den Nachweis ausreichender deutscher Sprachkenntnisse entsprechend dem Niveau B 1 des GER in Betracht. Entsprechende Sprachkenntnisse hat das Oberverwaltungsgericht mit Blick auf das von der Klägerin nach der Einreise vorgelegte B 1-Sprachzertifikat angenommen. Dabei ist es in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass die Klägerin das Modul ""Hören"" nur wegen einer krankhaften Veränderung der Hörfähigkeit nicht schon vor der Übersiedlung bestanden habe. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist insbesondere, dass das Berufungsgericht nicht auf den Nachweis, sondern auf das tatsächliche Vorhandensein der für ein Bekenntnis auf sonstige Weise erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse bei Ausreise abgestellt hat. Zwar muss nach § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG das Bekenntnis auf andere Weise durch den ""Nachweis"" entsprechender Sprachkenntnisse erbracht werden. Die Intention des Gesetzgebers spricht aber dafür, dass im Zeitpunkt der Ausreise tatsächlich vorliegende Sprachkenntnisse ausreichen. Letztlich ging es ihm bei der Gesetzesänderung darum, unbillige Ablehnungsentscheidungen durch das 2001 eingefügte Merkmal der familiären Vermittlung der deutschen Sprache als unabdingbare Voraussetzung für die deutsche Volkszugehörigkeit zu vermeiden. Insbesondere die jüngere Generation der Spätaussiedlerbewerber sollte eine Chance erhalten, weil sich eine deutschstämmige Person auch durch das Erlernen der deutschen Sprache außerhalb der Familie mit ihrer Sprache und Kultur auseinandersetzen und zu ihrem Deutschsein bekennen könne (BT-Drs. 17/13937 S. 6). 21 b) Diese Sprachkenntnisse genügen allein für ein Bekenntnis der Klägerin zum deutschen Volkstum hier jedoch deshalb nicht, weil sie bei Beantragung ihres ersten Inlandspasses eine Erklärung zur russischen Nationalität abgegeben hat. Zwar kann nach § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG ein Bekenntnis auf andere Weise durch den Nachweis von Deutschkenntnissen erbracht werden. Dies gilt aber nur, wenn der Betroffene kein ausdrückliches Bekenntnis zu einem anderen Volkstum abgegeben hat. Liegt ein derartiges Gegenbekenntnis vor, genügt nicht ein Verhalten, das nach dem Willen des Gesetzgebers ein Bekenntnis auf andere Weise darstellen kann, sondern bedarf es eines glaubhaften Abrückens von diesem Gegenbekenntnis. Hierfür genügt der bloße Nachweis von Deutschkenntnissen nicht. 22 aa) In der Angabe einer anderen als der deutschen Volkszugehörigkeit gegenüber amtlichen Stellen liegt grundsätzlich ein die deutsche Volkszugehörigkeit ausschließendes Gegenbekenntnis zu einem fremden Volkstum (BVerwG, Urteil vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 - BVerwGE 99, 133 <140 f.> zu § 6 BVFG 1993 m.w.N.). Dies hat zur Folge, dass objektive Merkmale und Beweisanzeichen, aus denen an sich ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum gefolgert werden könnte, ihre Wirkung verlieren. Hat sich jemand vor amtlichen Stellen ausdrücklich zu einer anderen Nationalität als der deutschen erklärt, schließt dies grundsätzlich aus, gleichzeitig ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum ""auf andere Weise"" anzunehmen (BVerwG, Urteil vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 - BVerwGE 99, 133 <144> zu § 6 BVFG 1993). 23 bb) Nach § 6 Abs. 2 BVFG 2013 bedarf es - anders als nach der mit dem Spätaussiedlerstatusgesetz vom 30. August 2001 (BGBl. I S. 2266) zwischenzeitlich eingeführten Rechtslage - keines durchgängigen Bekenntnisses (mehr). Entscheidend ist allein, ob im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebiets ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum vorliegt. Damit ist es - in gleicher Weise wie bei einem bis zum Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen abzulegenden Bekenntnis zum deutschen Volkstum - möglich, von einer in früherer Zeit abgegebenen Erklärung zu einer nichtdeutschen Nationalität bis zum maßgebenden Zeitpunkt durch Hinwendung zum deutschen Volkstum abzurücken (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 - BVerwGE 99, 133 <146> zu § 6 BVFG 1993). Um eine frühere Erklärung zu einer nichtdeutschen Nationalität rückgängig zu machen, reicht es aber nicht aus, wenn eine Lebensführung, die ohne das Gegenbekenntnis die Annahme der deutschen Volkszugehörigkeit aufgrund schlüssigen Gesamtverhaltens gerechtfertigt hätte, lediglich beibehalten wurde. Vielmehr bedarf es eines darüber hinausgehenden positiven Verhaltens, aus dem sich eindeutig der Wille ergibt, nur dem deutschen Volk und keinem anderen Volkstum zuzugehören (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 - BVerwGE 99, 133 <146> zu § 6 BVFG 1993). 24 Auf diese zu § 6 BVFG 1993 ergangene Rechtsprechung kann bei der Anwendung von § 6 BVFG 2013, der das zwischenzeitliche Erfordernis eines durchgängigen (positiven) Bekenntnisses zum deutschen Volkstum nicht mehr enthält, wieder zurückgegriffen werden. Der Gesetzgeber hat mit dem 10. BVFG-Änderungsgesetz vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3554) die Anforderungen an die deutsche Volkszugehörigkeit zwar abgesenkt, hält im Grundsatz aber weiterhin daran fest, dass der Bewerber vor dem Verlassen der Aussiedlungsgebiete ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgegeben und dieses im Vorhandensein gewisser Deutschkenntnisse eine Bestätigung gefunden haben muss. Auch wenn nach aktuellem Recht ein Bekenntnis auf andere Weise durch das Erlernen der deutschen Sprache und den Nachweis von Deutschkenntnissen auf dem Niveau B 1 des GER erbracht werden kann, gilt dies nur dann, wenn nicht zugleich Anhaltspunkte vorliegen, die gegen eine Zuwendung zum deutschen Volkstum sprechen. Nach den Gesetzesmaterialien beruht § 6 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BVFG auf der Erkenntnis, dass sich eine deutschstämmige Person auch durch das Erlernen der deutschen Sprache außerhalb der Familie mit ihrer Sprache und Kultur auseinandersetzen und zu ihrem Deutschsein bekennen kann und insbesondere die jüngere Generation der Spätaussiedlerbewerber, der die früher bestehende Möglichkeit zur Abgabe von Nationalitätenerklärungen in Inlandspässen oder anderen amtlichen Dokumenten in einigen Nachfolgestaaten der Sowjetunion wie der Russischen Föderation und der Ukraine seit 1998 verwehrt ist, eine Chance erhalten sollte, ihre Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe zu bekunden (BT-Drs. 17/13937 S. 5 f.). Den Gesetzesmaterialien ist indes nicht zu entnehmen, dass diese Erleichterung auch dann gelten soll, wenn aufgrund eines bei Ausstellung des ersten Inlandspasses abgegebenen Gegenbekenntnisses Zweifel an einer inneren Hinwendung zum deutschen Volkstum und deren Erkennbarkeit für die äußere Umgebung bestehen. 25 Auch wenn mit der Neuregelung des § 6 BVFG im Allgemeinen beim Nachweis entsprechender Deutschkenntnisse ohne weitere Prüfung vermutet wird, dass dahinter subjektiv ein entsprechender Wille und das Bewusstsein stehen, ausschließlich dem deutschen Volk als national geprägter Kulturgemeinschaft anzugehören, und der Betroffene im Aussiedlungsgebiet als deutscher Volkszugehöriger wahrgenommen wurde, gilt dies nicht schlechthin, sondern nur dann, wenn keine Anhaltspunkte vorliegen, die gegen eine tatsächliche innere Hinwendung zum deutschen Volkstum sprechen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das innere Bewusstsein, einem bestimmten Volkstum zuzugehören, in der Regel mit der Bekenntnisfähigkeit abgeschlossen ist. Um gleichwohl einem trotz Ablegung eines Bekenntnisses zu einem bestimmten Volkstum ergriffenen Verhalten einen Bekenntnischarakter für ein anderes Volkstum beimessen zu können, bedarf es daher weiterer äußerer Tatsachen, die einen Bewusstseinswandel erkennen lassen (BVerwG, Urteil vom 23. März 2000 - 5 C 25.99 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 92 S. 2). Damit sind bei einem ausdrücklichen Gegenbekenntnis zu einem nichtdeutschen Volkstum auch weiterhin besondere Anforderungen an die Ernsthaftigkeit eines späteren Bekenntniswandels und dessen äußere Erkennbarkeit zu stellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das neue Bekenntnis - wie hier - noch nicht einmal ausdrücklich gegenüber staatlichen Stellen erklärt wird, sondern lediglich von einem bestimmten - bei isolierter Betrachtung bekenntnisneutralen - Verhalten (hier: dem außerfamiliären Erwerb von Deutschkenntnissen auf dem Niveau B 1 des GER) auf ein Bekenntnis auf andere Weise geschlossen werden soll. 26 2. Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung der deutschen Abstammung der Klägerin überdies einen mit Bundesrecht unvereinbaren Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt. Denn es hat nicht geprüft, ob die Mutter der Klägerin oder - angesichts des dem Vertriebenenrecht zugrunde liegenden generationenübergreifenden Abstammungsbegriffs (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Januar 2008 - 5 C 8.07 - BVerwGE 130, 197 Rn. 12 ff. und vom 29. Oktober 2019 - 1 C 43.18 - BVerwGE 167, 9 Rn. 11 ff.) - ein sonstiger Vorfahre im maßgeblichen Zeitpunkt der Geburt der Klägerin 1961 als berücksichtigungsfähige Bezugsperson deutscher Staats- oder Volkszugehörigkeit war. Stattdessen hat es die deutsche Abstammung der Klägerin allein damit begründet, dass ihre Mutter Spätaussiedlerin sei. Die Spätaussiedlereigenschaft der Mutter hänge allein davon ab, ob diese im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer eigenen Übersiedlung Anfang 1996 die Voraussetzungen der §§ 4 und 6 BVFG in der seinerzeit gültigen Fassung (BVFG 1993) erfüllte. Für die Frage, ob die Klägerin deutscher Abstammung ist, kommt es hingegen auf die deutsche Volkszugehörigkeit einer Bezugsperson im Zeitpunkt der Geburt der Klägerin im Jahre 1961 an (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2019 - 1 C 43.18 - BVerwGE 167, 9 Rn. 25). Dabei ist in rechtlicher Hinsicht auf § 6 BVFG in der vor dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung abzustellen (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2019 - 1 C 43.18 - BVerwGE 167, 9 Rn. 26). Das bis zum 31. Dezember 1992 geltende Recht unterschied zwischen bekenntnisfähigen Personen, nämlich solchen, die bei Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen für ein Bekenntnis reif genug waren, zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekenntnisfähigen Personen (sog. bekenntnisunfähige Frühgeborene) und nach diesem Zeitpunkt geborenen Personen (sog. Spätgeborene; vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 - BVerwGE 99, 133 <136 f.>). 27 Zu Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen (in der früheren Sowjetunion am 22. Juni 1941) war die 1937 geborene Mutter der Klägerin noch nicht bekenntnisfähig. Bei einem Kind, das kurz vor Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen noch nicht selbst ein verbindliches eigenes Volkstumsbekenntnis ablegen konnte, war entscheidend auf die Volkszugehörigkeit der Eltern und bei Eltern verschiedenen Volkstums wiederum darauf abzustellen, ob der die Familie prägende Elternteil zum maßgeblichen Zeitpunkt deutscher Volkszugehöriger war. Maßgebend war daher, ob sich die Eltern oder der die Familie zu diesem Zeitpunkt prägende Elternteil kurz vor Beginn der Vertreibungsmaßnahmen zum deutschen Volkstum bekannt haben. Eines zusätzlichen späteren Bekenntnisses des zu diesem Zeitpunkt Minderjährigen und einer späteren Bestätigung des Bekenntnisses bedurfte es nicht, weil es auf das Verhalten nach dem maßgebenden Zeitpunkt nicht ankam. Somit konnte auch ein Kind aus einer Familie mit gemischtem Volkstum deutscher Volkszugehörigkeit sein, wenn der die Familie prägende Elternteil deutscher Volkszugehöriger war (BVerwG, Urteile vom 11. Dezember 1974 - 8 C 97.73 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 27 S. 26 f., vom 23. Februar 1988 - 9 C 41.87 - BVerwGE 79, 73 <75 f.> und vom 16. Februar 1993 - 9 C 25.92 - BVerwGE 92, 70 <73>). 28 3. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Auch wenn die Voraussetzungen hierfür im Übrigen vorliegen (a), fehlt es für eine abschließende Entscheidung durch den Senat an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen zum Abstammungs- (b) und zum Bekenntniserfordernis (c), sodass das Berufungsurteil im stattgebenden Umfang aufzuheben und die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist. 29 a) Nach den - nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit gemäß § 137 Abs. 2 VwGO für den Senat grundsätzlich bindenden - tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts verfügte die Klägerin bei Ausreise über Sprachkenntnisse auf dem Niveau B 1 des GER, sodass das Bestätigungserfordernis des § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG erfüllt ist. Die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung ist auch nicht nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG ausgeschlossen. Für die Frage, ob ein Aufnahmebescheid beantragt, aber nicht bestandskräftig abgelehnt worden ist, ist der Zeitpunkt der Einreise maßgeblich (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017 - 1 C 21.16 - BVerwGE 160, 128 Rn. 15). Die Klägerin hat noch von der Russischen Föderation aus - mit Antrag vom November 2013, beim Bundesverwaltungsamt eingegangen im April 2014 - und damit vor ihrer Übersiedlung im August 2014 einen Antrag auf Aufnahme aus eigenem Recht gestellt, der von der Behörde erst nach der Übersiedlung abgelehnt worden ist. 30 b) Das Oberverwaltungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft, ob die Mutter der Klägerin oder - angesichts des dem Vertriebenenrecht zugrunde liegenden generationenübergreifenden Abstammungsbegriffs - ein sonstiger Vorfahre, insbesondere die Großeltern mütterlicherseits, im maßgeblichen Zeitpunkt der Geburt der Klägerin 1961 als berücksichtigungsfähige Bezugsperson deutscher Staats- oder Volkszugehörigkeit war und hierzu keine ausdrücklich Feststellungen getroffen. Mit Blick auf die Anerkennung der Mutter als Spätaussiedlerin spricht allerdings viel dafür, dass deren Vater und/oder Mutter in dem für diese maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen deutsche Volkszugehörige waren. 31 c) Hinsichtlich des Bekenntniserfordernisses wird das Oberverwaltungsgericht nach Zurückverweisung zunächst zu prüfen haben, ob die Klägerin in der Vergangenheit eine Erklärung zu einer nichtdeutschen Nationalität abgegeben hat. Dafür spricht der russische Nationalitäteneintrag in ihrem ersten sowjetischen Inlandspass. Denn nach sowjetischen Recht hatten Kinder aus gemischtnationalen Ehen ein Wahlrecht und konnten sich bei Vollendung des 16. Lebensjahrs und Ausstellung des ersten Inlandspasses selbst wirksam für die Nationalität des einen oder des anderen Elternteils entscheiden (BVerwG, Urteil vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 - BVerwGE 99, 133 <140 f.>). Es ist weder geltend gemacht noch tatrichterlich festgestellt, dass der Klägerin seinerzeit ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum nicht möglich oder zumindest nicht zuzumuten war, weil es mit schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden gewesen wäre (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 4 BVFG). 32 Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Klägerin - etwa bei Ausstellung ihres ersten Inlandspasses - ein Gegenbekenntnis zu einem nichtdeutschen Volkstum abgegeben hat, reicht allein der spätere Erwerb von Deutschkenntnissen nicht für ein ernsthaftes Bekenntnis zum deutschen Volkstum, sondern bedarf es nach den vorstehenden Ausführungen weiterer objektiver Umstände, aus denen sich ergibt, dass tatsächlich ein Abrücken von diesem Gegenbekenntnis und eine innere Hinwendung zum deutschen Volkstum stattgefunden hat. Das für eine Abkehr von einem Gegenbekenntnis erforderliche positive Verhalten, aus dem sich eindeutig der Wille ergibt, nur dem deutschen Volk und keinem anderen Volkstum zuzugehören (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 - BVerwGE 99, 133 <146 ff.> zu § 6 BVFG 1993), kann in der Regel auch durch Bemühungen zu einer Änderung von nichtdeutschen Nationalitäteneintragungen in den wesentlichen amtlichen Dokumenten belegt werden. 33 In diesem Zusammenhang wird etwa zu prüfen sein, ob und gegebenenfalls aus welchen Gründen sich die Klägerin - wie von ihr vorgetragen - schon 1987 bei der Ausstellung der Geburtsurkunde ihres Sohnes ausdrücklich und ernsthaft zur deutschen Nationalität erklärt hat, ohne dass dies von den Behörden seinerzeit in die Geburtsurkunde aufgenommen worden ist, und warum sie dies nicht auch bei anderen Anlässen - etwa anlässlich ihrer Heirat oder der Geburt des anderen Sohnes - versucht hat. Weiter dürfte zu berücksichtigen sein, ob und in welchem Umfang eine - vom Oberverwaltungsgericht offengelassene - innerfamiliäre Vermittlung der deutschen Sprache stattgefunden hat, wann und aus welchen Gründen die Klägerin angefangen hat, Deutsch zu lernen bzw. ihre innerfamiliär vermittelten Sprachkenntnisse zu vertiefen, und ob und ggf. welche sonstigen objektiven Umstände für eine ernsthafte und erkennbare Hinwendung zum deutschen Volkstum sprechen. 34 4. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten." bverwg_2021-50,28.07.2021,"Pressemitteilung Nr. 50/2021 vom 28.07.2021 EN Kein Anspruch auf Linienverkehrsgenehmigung bei unzureichender Bedienung des Schulverkehrs Die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung kann versagt werden, wenn der beantragte Verkehr den Anforderungen des einschlägigen Nahverkehrsplans zum Schulverkehr nicht entspricht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin und die Beigeladenen beantragten jeweils die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung für eine eigenwirtschaftlich betriebene, dem Nahverkehr dienende ""sonstige"" Buslinie für zehn Jahre. Der Beklagte erteilte den Beigeladenen die begehrte Genehmigung und lehnte den Antrag der Klägerin ab. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und den Beklagten verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Erteilung der Linienverkehrsgenehmigung erneut zu bescheiden. Den Anträgen der Klägerin und der Beigeladenen stünden keine Versagungsgründe entgegen. Der Nahverkehrsplan verpflichte auch nicht dazu, den Schulverkehr vollständig zu bedienen. Im Übrigen habe die Klägerin verbindlich zugesichert, ihren Fahrplan entsprechend der Nachfrage weiterzuentwickeln. Der Beklagte müsse daher zwischen den gestellten Anträgen sachgerecht auswählen. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts geändert und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Der Beklagte hat eine Genehmigung des Antrags der Klägerin ermessensfehlerfrei verweigert. Nach § 13 Abs. 2a PBefG kann eine Genehmigung zur Personenbeförderung versagt werden, wenn der beantragte Verkehr mit einem Nahverkehrsplan nicht im Einklang steht. Das war hier der Fall. Der einschlägige Nahverkehrsplan sieht neben dem Fern- und dem Regionalverkehr ""sonstige"" Linien vor und weist ihnen eine Erschließungsfunktion ""in der Regel mit Bedeutung vorrangig für den Schulverkehr"" zu. Damit verlangt er die ausreichende Bedienung des Schulverkehrs durch solche Linien und erklärt deren weitere Aufgaben für regelmäßig nachrangig. Der Anforderung, den Schulverkehr ausreichend zu bedienen, wird der von der Klägerin beantragte Verkehr nicht gerecht, weil er nicht alle notwendigen Heimfahrten nach Beendigung des Nachmittagsunterrichts anbietet. Das Bundesverwaltungsgericht hat offengelassen, ob einem Genehmigungsantrag beigefügte verbindliche Zusicherungen geeignet sind, der Genehmigung entgegenstehende Mängel des Antrags zu beheben. Die Zusicherung der Klägerin war dazu jedenfalls zu unbestimmt, weil sie keine ausreichende Bedienung des Schulverkehrs für den gesamten Genehmigungszeitraum gewährleistete. BVerwG 8 C 33.20 - Urteil vom 28. Juli 2021 Vorinstanzen: OVG Münster, 13 A 254/17 - Urteil vom 10. Dezember 2019 - VG Münster, 10 K 1418/14 - Urteil vom 14. Dezember 2016 -","Urteil vom 28.07.2021 - BVerwG 8 C 33.20ECLI:DE:BVerwG:2021:280721U8C33.20.0 EN Versagung einer Linienverkehrsgenehmigung wegen unvollständiger Bedienung des Schulverkehrs Leitsätze: 1. Der Vorrang der eigenwirtschaftlichen Erbringung von Verkehrsleistungen im Öffentlichen Personennahverkehr (§ 8 Abs. 4 Satz 1 und § 8a Abs. 1 Satz 1 PBefG) setzt die Genehmigungsfähigkeit des eigenwirtschaftlich zu betreibenden Verkehrs voraus. 2. § 8 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 8a Abs. 1 Satz 1 PBefG verpflichtet nicht dazu, einen nach Umfang oder Qualität von der geforderten Gesamt- oder Teilleistung abweichenden Verkehr zu genehmigen und dessen Defizite durch Vergabe der Restleistungen als öffentlichen Dienstleistungsauftrag auszugleichen (Schutz vor ""Rosinenpicken""). Rechtsquellen PBefG § 8 Abs. 4 Satz 1, § 8a Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1a, § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a und b, § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 13 Abs. 2a Satz 1 BGB §§ 133, 157 VwGO § 114 Satz 1 VwVfG § 40 Instanzenzug VG Münster - 14.12.2016 - AZ: VG 10 K 1418/14 OVG Münster - 10.12.2019 - AZ: OVG 13 A 254/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.07.2021 - 8 C 33.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:280721U8C33.20.0] Urteil BVerwG 8 C 33.20 VG Münster - 14.12.2016 - AZ: VG 10 K 1418/14 OVG Münster - 10.12.2019 - AZ: OVG 13 A 254/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juli 2021 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 2019 wird geändert. Die Berufung wird insgesamt zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 und der im Revisionsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Im Übrigen trägt die Beigeladene zu 1 ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Gründe I 1 Die Klägerin und die beiden miteinander kooperierenden Beigeladenen beantragten jeweils die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung für den eigenwirtschaftlichen Betrieb der Buslinie L 178 (L.A.N.B.) für den Zeitraum vom 21. August 2014 bis zum 20. August 2024. Beide Anträge sahen gegenüber dem bei der Antragstellung geltenden Fahrplan zusätzliche Fahrten vor. Die Klägerin sicherte außerdem zu, ""das Fahrtenangebot für Schüler in Abstimmung mit den Aufgabenträgern entsprechend der Nachfrageentwicklung anzupassen"". 2 Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin ab. Den Widerspruch der Klägerin wies er zurück. Zur Begründung führte er aus, der Genehmigung stehe § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b PBefG entgegen. Der beantragte Verkehr solle ohne eine wesentliche Verkehrsverbesserung in erheblichem Umfang Verkehrsaufgaben wahrnehmen, die die Beigeladene zu 1 mit der ""RegioBus""-Linie R 73 und die Deutsche Bahn AG mit der Regionalbahnlinie RB 64 bereits in ausreichendem Maße wahrnähmen. Bei der ""RegioBus""-Linie R 73 drohten jährliche Einnahmeverluste, die ihren eigenwirtschaftlichen Betrieb gefährdeten. Zusätzlich wurde die Antragsablehnung auf § 13 Abs. 2a PBefG gestützt. Der beantragte Verkehr gehe über die der Linie L 178 in dem Nahverkehrsplan des Kreises S. zugewiesene Erschließungs- oder Zubringerfunktion hinaus und trete aufgrund der Taktung von An- und Abfahrtszeiten an gemeinsamen Haltepunkten in Konkurrenz zu der ""RegioBus""-Linie R 73 und der Regionalbahnlinie RB 64. Er werde zudem der eigentlichen Kernaufgabe der Linie L 178 - der Schülerbeförderung - nicht vollständig gerecht. Dort fehlten zwingend notwendige Fahrten. Außerdem würden nicht alle erforderlichen Haltestellen bedient. 3 Nach Klageerhebung hat der Beklagte den Beigeladenen die begehrte Linienverkehrsgenehmigung erteilt und den Widerspruch der Klägerin dagegen zurückgewiesen. Die Klägerin hat ihre Klage daraufhin auf diese Bescheide erstreckt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. 4 Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und den Beklagten unter Aufhebung der vorgenannten Bescheide und Widerspruchsbescheide verpflichtet, den Genehmigungsantrag der Klägerin erneut zu bescheiden. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Der Erteilung der von der Klägerin begehrten Genehmigung stünden keine zwingenden Versagungsgründe gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG entgegen. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a PBefG greife nicht ein, weil die Buslinie L 178 von den vorhandenen (Regional-)Verkehrsmitteln nicht vollständig erfüllte Aufgaben der Erschließung und des Schulverkehrs wahrnehme. Der Versagungstatbestand des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b PBefG sei nicht gegeben, weil der von der Klägerin beantragte Verkehr ein anderes Quell- und Zielgebiet bediene als die ""RegioBus""-Linie R 73. Der Beklagte könne dem Antrag der Klägerin auch keine sonstige Gefährdung öffentlicher Verkehrsinteressen im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG entgegenhalten. Ein ruinöser Wettbewerb des beantragten Verkehrs mit der ""RegioBus""-Linie R 73 sei schon wegen der verschiedenen Zielgruppen nicht zu befürchten und werde auch nicht belegt. Die Fahrgastzählung sei nicht aussagekräftig; gleiches gelte für die Bezifferung der befürchteten Einnahmeverluste, weil die Beigeladenen deren Verhältnis zu den Gesamterlösen der Linie R 73 nicht offengelegt hätten. Zweifel an der Dauerhaftigkeit des beantragten Verkehrs seien wegen des langjährigen eigenwirtschaftlichen Betriebs der Linie L 178 unbegründet. Der Beklagte habe die beantragte Genehmigung auch nicht gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG mit der Begründung versagen dürfen, der beantragte Verkehr erfülle nicht sämtliche Bedürfnisse des Schulverkehrs und gehe über die für die Linie L 178 im Nahverkehrsplan vorgesehene Erschließungs- und Zubringerfunktion hinaus. Es könne offenbleiben, ob die genannten Gesichtspunkte öffentliche Verkehrsinteressen darstellten. Der beantragte Verkehr beeinträchtige sie jedenfalls nicht in einer Weise, dass der Beklagte abwägungsfehlerfrei von einem Versagungsgrund habe ausgehen dürfen. Andernfalls wäre der Antrag der Klägerin auch dann nicht genehmigungsfähig, wenn es sich um den einzigen Antrag handelte. Damit würde der Beklagte entgegen § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG dem vollständigen Wegfall des eigenwirtschaftlichen Betriebs dieser Buslinie den Vorzug vor ihrer lediglich nicht vollständigen eigenwirtschaftlichen Bedienung geben. Im Übrigen habe der Beklagte unberücksichtigt gelassen, dass die Bedürfnisse des Schulverkehrs im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufs der Antragsfrist ohnehin nur eine Momentaufnahme darstellten. Ihre unbefriedigende Erfüllung durch die Klägerin sei daher nur von begrenzter Aussagekraft, zumal die Klägerin gemäß § 12 Abs. 1a PBefG verbindlich zugesichert habe, ihren Fahrplan entsprechend den Bedürfnissen des Schulverkehrs in Abstimmung mit den Schulträgern weiterzuentwickeln. Schließlich liege auch der Versagungsgrund des § 13 Abs. 2a PBefG nicht vor. Der Nahverkehrsplan verlange keine vollständige Bedienung des Schulverkehrs durch die Linie L 178, sondern messe ihr lediglich eine Erschließungsfunktion ""in der Regel mit Bedeutung vorrangig für den Schulverkehr"" zu. Die Anforderungen an ihre Erschließungsfunktion seien damit gleich in zweifacher Weise, nämlich durch die Worte ""in der Regel"" und ""vorrangig"", eingeschränkt. 5 Zur Begründung ihrer Revision führen die Beigeladenen aus, der Versagungsgrund des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a PBefG könne auch vorliegen, wenn, wie hier, ein erheblicher Teil des beantragten Verkehrs mit vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigend zu bedienen sei. Die Annahme des Berufungsgerichts, Defizite bei der Bedienung des Schulverkehrs könnten die Versagung der Genehmigung nicht rechtfertigen, verletze den insoweit bestehenden Beurteilungsspielraum des Beklagten. Die Zusicherung der Klägerin, ihr Fahrplanangebot für den Schulverkehr der Nachfrageentwicklung anzupassen, könne den vom Beklagten angenommenen Versagungsgrund nicht ausräumen. Solchen Zusicherungen komme erst im Rahmen der Auswahl zwischen mehreren genehmigungsfähigen Anträgen nach § 13 Abs. 2b PBefG Bedeutung zu. 6 Die Beigeladenen beantragen, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 2019 zu ändern und die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 14. Dezember 2016 zurückzuweisen. 7 Der Beklagte unterstützt das Revisionsvorbringen, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. 8 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. 9 Sie verteidigt das Berufungsurteil. Die beantragte teilweise Parallelbedienung beeinträchtige keine öffentlichen Verkehrsinteressen. Das Oberverwaltungsgericht habe hinsichtlich der Bedienung des Schulverkehrs zu Recht einen Beurteilungsfehler des Beklagten bejaht. Die Zusicherung gemäß § 12 Abs. 1a PBefG sei schon bei der Prüfung des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG zu berücksichtigen und hinreichend bestimmt, um die Annahme des Versagungsgrundes auszuschließen. 10 Der Vertreter des Bundesinteresses trägt vor, nach dem Willen des Gesetzgebers könnten Zusicherungen nach § 12 Abs. 1a PBefG erst bei der Auswahl zwischen genehmigungsfähigen Anträgen gemäß § 13 Abs. 2b PBefG Bedeutung gewinnen. II 11 Die Revision hat Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht und stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Dies führt zur Änderung des Berufungsurteils und zur vollständigen Zurückweisung der Berufung. 12 1. Das Berufungsgericht ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass dem Antrag der Klägerin weder die Versagungsgründe des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a PBefG (a) oder Buchst. b dieser Vorschrift (b) entgegengehalten werden können, noch eine Beeinträchtigung öffentlicher Verkehrsinteressen wegen einer Gefährdung des eigenwirtschaftlichen Betriebs der Linie R 73 durch den beantragten Verkehr (c) oder wegen Zweifeln an der Fähigkeit der Klägerin diesen dauerhaft eigenwirtschaftlich zu erbringen (d). Dagegen hat das Berufungsgericht unzutreffend angenommen, der Beklagte habe die von der Klägerin beantragte Genehmigung nicht gemäß § 13 Abs. 2a Satz 1 PBefG mit der Begründung versagen dürfen, der beantragte Verkehr widerspreche dem maßgeblichen Nahverkehrsplan, weil er nicht sämtliche Bedürfnisse des Schulverkehrs erfülle (e). 13 a) Der Versagungsgrund des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a PBefG liegt vor, wenn der beantragte Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigend bedient werden kann. Das ist der Fall, wenn keine Lücke im Verkehrsangebot besteht, wenn - mit anderen Worten - die Nachfrage das Angebot nicht übersteigt (BVerwG, Urteile vom 11. Oktober 1968 - 7 C 111.66 - BVerwGE 30, 251 <253> und vom 24. Juni 2010 - 3 C 14.09 - BVerwGE 137, 199 Rn. 15 und 17). Ob und welche öffentlichen Verkehrsbedürfnisse bestehen, ist gerichtlich uneingeschränkt zu überprüfen. Nur hinsichtlich ihrer Bewertung und der Frage, ob sie mit den bereits vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigend gedeckt werden können, kommt der Genehmigungsbehörde ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 1989 - 7 C 39.87 - BVerwGE 82, 260 <265>, vom 29. Oktober 2009 - 3 C 1.09 - BVerwGE 135, 198 Rn. 35, vom 24. Juni 2010 - 3 C 14.09 - BVerwGE 137, 199 Rn. 13 und vom 24. Oktober 2013 - 3 C 26.12 - BVerwGE 148, 175 Rn. 21). Hier hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend eine Angebotslücke angenommen. Das Bedürfnis nach einer Feinerschließung des ländlichen Raums einschließlich der Bedienung des Schulverkehrs kann nach den revisionsrechtlich bindenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts ohne die beantragte Linie L 178 durch die vorhandenen Linien R 73 und RB 64 für die abseits der Regionallinien liegenden Ortschaften nicht gedeckt werden. Dass der Beklagte § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a PBefG dennoch für einschlägig hält, beruht nicht auf einer Überschreitung seines Beurteilungsspielraums hinsichtlich von Bewertungen. Vielmehr hält er den Versagungstatbestand zu Unrecht schon für gegeben, wenn die vorhandenen Verkehrsmittel einen großen Teil der bestehenden und vom beantragten Verkehr gedeckten Bedürfnisse - hier: entlang der Regionallinien - befriedigend bedienen können. Dabei übersieht er die Lücke, die wegen der ungedeckten Nachfrage in den nicht an den Regionalverkehr angebundenen Ortschaften verbleibt. 14 b) Das Berufungsgericht hat auch den Versagungsgrund des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b PBefG zu Recht verneint. Er ist erfüllt, wenn der beantragte Verkehr ohne eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung Verkehrsaufgaben wahrnehmen soll, die vorhandene Unternehmen oder Eisenbahnen bereits wahrnehmen. Das ist nicht schon dann der Fall, wenn er dieselbe Strecke bedient. Erforderlich ist darüber hinaus, dass derselbe Nutzerkreis angesprochen wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Dezember 1977 - 7 C 59.74 - BVerwGE 55, 159 <162 f.> und vom 24. Juni 2010 - 3 C 14.09 - BVerwGE 137, 199 Rn. 25). Daran fehlt es hier, weil der von der Klägerin beantragte Verkehr nach den bindenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts lediglich teilweise dieselbe Strecke wie die ""RegioBus""-Linie R 73 und die Regionalbahnlinie RB 64 bedient. Er dient darüber hinaus der Feinerschließung weiterer von ihm angefahrener Ortschaften. Damit zielt er auf einen anderen Nutzungskreis als der genannte Bestandsverkehr. Dieser verbindet allein die regionalen Zentren und die zwischen ihnen liegenden Ortschaften. 15 c) Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass ein zwingender Versagungsgrund gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG auch wegen einer nicht in den Regelbeispielen der Buchstaben a bis d aufgeführten Beeinträchtigung eines öffentlichen Verkehrsinteresses vorliegen kann, und dass danach nicht mehreren Unternehmen für denselben Verkehr parallele Linienverkehrsgenehmigungen erteilt werden dürfen, wenn davon auszugehen ist, dass eine annähernd kostendeckende Bedienung einer Linie nur durch ein Unternehmen erfolgen kann und eine Konkurrenz zu einem ruinösen Wettbewerb führen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 - 3 C 14.09 - BVerwGE 137, 199 Rn. 15). Eine die Versagung rechtfertigende Beeinträchtigung öffentlicher Verkehrsinteressen durch einen Parallelverkehr setzt allerdings, wie das Berufungsurteil ausführt, keine völlige Übereinstimmung der Linienführung voraus. Ein ruinöser Wettbewerb ist auch nicht erst bei einer Konkurrenzlage anzunehmen, die absehbar zur Insolvenz eines der konkurrierenden Unternehmen führen würde. Es genügt die Gefahr, dass der beantragte Parallelverkehr dem vorhandenen Verkehr wegen einer erheblichen Überschneidung der Linienführung und des Nutzerkreises derart viele Kunden entzieht, dass dieser nicht mehr eigenwirtschaftlich betrieben werden kann. Dies kann auch drohen, wenn der beantragte Verkehr auf eine Übernahme des Quell- und Zielverkehrs zielt, der bereits von dem Bestandsverkehr bedient wird (vgl. VGH München, Beschluss vom 8. März 2016 - 11 ZB 15.19 01 - juris Rn. 18). Das folgt aus der Zielsetzung dieses Versagungsgrundes, Gefahren für das verlässliche und dauerhafte Funktionieren des vorhandenen Linienverkehrs durch eine Vernichtungskonkurrenz zwischen Bestandsverkehren und neu hinzukommenden Verkehren zu verhindern (BT-Drs. 3/255 S. 27, BT-Drs. 3/2450 S. 4). 16 Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der von der Klägerin beantragte Verkehr den eigenwirtschaftlichen Betrieb der ""RegioBus""-Linie R 73 und der Regionalbahnlinie RB 64 trotz teilweiser paralleler Linienführung und teilweiser Überschneidung der Zielgruppen nicht gefährdet. Nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen zielen der beantragte Verkehr und der Bestandsverkehr auf die Bedienung unterschiedlichen Quell- und Zielverkehrs. Soweit die Nutzergruppen sich im Mittelteil der jeweiligen Linien überschneiden, ist nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts keine ruinöse Konkurrenz in dem Sinne zu besorgen, dass ein eigenwirtschaftlicher Betrieb der Linien R 73 oder RB 64 gefährdet wäre. Hinsichtlich der Regionalbahnlinie liegen dafür nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts keine Anhaltspunkte vor. Für die Linie R 73 ist nach der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Oberverwaltungsgerichts ebenfalls nicht belegt, dass ein die Eigenwirtschaftlichkeit bedrohendes Defizit zu erwarten wäre. Nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen ist die für die Linie R 73 vorgelegte Fahrgastzählung nicht aussagekräftig und kann aus dem vorgetragenen voraussichtlichen Einnahmenausfall von 30 000 € jährlich schon mangels Vergleichsdaten zum Gesamtertrag der Linie nicht auf eine Gefährdung der Eigenwirtschaftlichkeit geschlossen werden. An diese tatsächlichen Annahmen ist die revisionsgerichtliche Beurteilung gebunden, weil die Beigeladenen keine Verfahrensrügen erhoben haben (§ 137 Abs. 2 VwGO). 17 d) Revisionsrechtlich fehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, die Versagung sei hier nicht wegen der Gefahr einer vorzeitigen, mindestens teilweisen Einstellung des genehmigten Linienbetriebs gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG gerechtfertigt. Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen, dass öffentliche Verkehrsinteressen im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG auch beeinträchtigt sind, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Bewerber um eine eigenwirtschaftliche Linienverkehrsgenehmigung die betreffende Linie wegen fehlender Kostendeckung nicht dauerhaft - also nicht während der gesamten Laufzeit der Genehmigung - in dem der Genehmigung zugrunde liegenden Umfang betreiben kann, obwohl ein entsprechendes Verkehrsbedürfnis besteht. Dazu genügt die Gefahr, dass ein solcher Verkehr wegen fehlender Kostendeckung auch nur teilweise vorzeitig eingestellt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2013 - 3 C 26.12 - BVerwGE 148, 175 Rn. 24). 18 Das Vorliegen einer solchen Gefahr hat das Berufungsgericht mit dem Hinweis auf den langjährigen eigenwirtschaftlichen Betrieb der Linie L 178 revisionsrechtlich fehlerfrei verneint. Aus der von der Klägerin geplanten Ausweitung des Fahrtenangebots außerhalb des Schulverkehrs hat es keinen gegenteiligen Schluss gezogen, weil die dadurch entstehenden Mehrkosten nach seinen bindenden Feststellungen jedenfalls durch die Einnahmen aus dem Schulverkehr auszugleichen wären, die 80 % bis 90 % der Gesamteinnahmen ausmachen. 19 e) Nicht mit Bundesrecht vereinbar sind jedoch die Erwägungen, mit denen das Berufungsurteil eine Beeinträchtigung öffentlicher Verkehrsinteressen im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG wegen unvollständiger Bedienung des Schulverkehrs und Überschreitens der im Nahverkehrsplan vorgesehenen Erschließungs- und Zubringerfunktion der Linie L 178 verneint. Es lässt offen, ob eine befriedigende Bedienung des Schulverkehrs und eine ausreichende Erfüllung einer der Buslinie zugewiesenen Erschließungs- und Zubringerfunktion als öffentliches Verkehrsinteresse im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG anzuerkennen wären, und stellt darauf ab, dass der beantragte Verkehr diese Interessen jedenfalls nicht in einer Weise beeinträchtige, dass der Beklagte abwägungsfehlerfrei von einem zwingenden Versagungsgrund hätte ausgehen dürfen. Andernfalls müsse nämlich auch, wenn nur ein einziger Antrag vorliege und entsprechende Angebotsdefizite aufweise, dem Wegfall des eigenwirtschaftlichen Betriebs der Linie entgegen § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG der Vorrang vor einer lediglich unvollständigen Bedienung öffentlicher Verkehrsinteressen gegeben werden. Überdies habe der Beklagte verkannt, dass die Erfordernisse des Schulverkehrs wegen ständiger Stundenplanänderungen stets nur eine Momentaufnahme darstellten. Die unvollständige Bedienung des Schulverkehrs durch das Fahrplanangebot der Klägerin habe daher nur begrenzte Aussagekraft für die Beurteilung, ob die Bedienung während des gesamten Genehmigungszeitraums befriedigend sei, zumal die Klägerin gemäß § 12 Abs. 1a PBefG verbindlich zugesichert habe, ihren Fahrplan entsprechend den Bedürfnissen des Schulverkehrs in Abstimmung mit den Schulträgern weiterzuentwickeln. Diese Argumentation ist mit Bundesrecht in mehrfacher Hinsicht nicht vereinbar. 20 aa) § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG differenziert nicht zwischen Beeinträchtigungen eines öffentlichen Verkehrsinteresses, die die Versagung einer Personenbeförderungsgenehmigung rechtfertigen, und solchen, die dies nicht tun. Der klare Wortlaut der Vorschrift gebietet ausnahmslos die Versagung einer Personenbeförderungsgenehmigung, wenn durch den beantragten Verkehr die öffentlichen Verkehrsinteressen beeinträchtigt werden. Die Gesetzesbegründung, nach der bereits die Beeinträchtigung der öffentlichen Verkehrsinteressen zur Ablehnung des Genehmigungsantrags führen soll (BT-Drs. 3/255 S. 27), stützt das Ergebnis der Wortlautinterpretation. Dafür sprechen auch Sinn und Zweck des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG. Die Vorschrift enthält objektive Zulassungsvoraussetzungen für die Durchführung gewerblicher Personenbeförderung zum Schutz höherwertiger Güter (BT-Drs. 3/2450 S. 4). Werden sie verfehlt, gebietet deren Schutz stets die Versagung der beantragten Personenbeförderungsgenehmigung. 21 bb) Der in § 8 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 8a Abs. 1 Satz 1 PBefG geregelte Vorrang der eigenwirtschaftlichen Erbringung von Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs schränkt die zwingenden Versagungsgründe des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG nicht ein. § 8a Abs. 1 Satz 1 PBefG regelt, dass öffentliche Dienstleistungsaufträge für gewerbliche Personenbeförderung nur erteilt werden dürfen, soweit eine ausreichende Verkehrsbedienung nicht entsprechend § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG möglich ist. Die Reichweite der in § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG geregelten Versagungsgründe wird durch diese Regelung schon ihrem Wortlaut nach nicht relativiert. Vielmehr kann sowohl ein eigenwirtschaftlicher Verkehr nach § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG als auch ein Verkehr nach § 8a Abs. 1 Satz 1 PBefG nur genehmigt werden, wenn ihm keine Versagungsgründe im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG entgegenstehen. Dies bestätigt die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG (BT-Drs. 12/6269 S. 143). Sie erläutert, dass mit der Einführung der Vorschrift am Grundsatz der Eigenwirtschaftlichkeit der Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr festgehalten werde. Könne der Personenbeförderungsunternehmer den eigenwirtschaftlichen Betrieb des Verkehrs nicht gewährleisten, sei dieser aber dennoch notwendig, müsse er als gemeinwirtschaftliche Leistung betrieben werden. Danach hat der Grundsatz des Vorrangs der eigenwirtschaftlichen Bedienung nur für die Auswahl zwischen jeweils genehmigungsfähigen Anträgen Bedeutung. Er befreit weder von zwingenden Genehmigungsvoraussetzungen, noch verpflichtet er dazu, eine die öffentlichen Verkehrsinteressen - in welcher Weise auch immer - beeinträchtigende eigenwirtschaftliche Verkehrsbedienung zu genehmigen und deren Defizite durch die Vergabe der Restleistungen als öffentlichen Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 8a PBefG auszugleichen (BT-Drs. 17/8233 S. 13, zu Nr. 3 <§§ 8a und 8b> sowie die Stellungnahme des Bundesrates, a.a.O. S. 23: ""umfassende[r] Schutz vor ""Rosinenpicken""). 22 Der systematische Zusammenhang bestätigt dieses Auslegungsergebnis. § 8 Abs. 3 Satz 2 PBefG behält es dem Aufgabenträger vor, die Anforderungen an Umfang und Qualität des Verkehrsangebots zu definieren; er bestimmt auch die Vorgaben für die Integration verschiedener Leistungen und entscheidet, inwieweit sie als Gesamt- oder Teilleistungen (beispielsweise Teilnetze oder einzelne Linien statt eines Linienbündels) zu erbringen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 2019 - 8 B 53.19 - juris Rn. 6; BT-Drs. 17/8233 S. 13, zu Nr. 3 <§§ 8a und 8b>). Wenn eine ausreichende Verkehrsbedienung für eine so definierte Gesamt- oder Teilleistung nicht eigenwirtschaftlich möglich ist, lässt § 8a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 und 4 PBefG eine Vergabe als öffentlichen Dienstleistungsauftrag zu. Ein Angebot, die Gesamt- oder Teilleistung eigenwirtschaftlich nur unvollständig oder in geringerer als der verlangten Qualität zu erbringen, zwingt danach auch dann nicht zur Genehmigung, wenn es das einzige eigenwirtschaftliche Angebot darstellt. In einem solchen Fall kann die eigenwirtschaftliche Erbringung nämlich keine nach den Vorgaben des Aufgabenträgers ausreichende Verkehrsbedienung leisten. 23 cc) Fehlerhaft ist auch die Annahme des Berufungsurteils, eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Befriedigung sämtlicher Bedürfnisse des Schulverkehrs fehle, weil diese Bedürfnisse nur eine Momentaufnahme darstellten. Sie übersieht, dass der Überprüfung der von der Klägerin angegriffenen Entscheidungen die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zugrunde zu legen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. April 2000 - 3 C 6.99 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 7 und vom 24. Oktober 2013 - 3 C 26.12 - BVerwGE 148, 175 Rn. 13). Das Gericht muss daher prüfen, ob der Erteilung der Genehmigung zu diesem Zeitpunkt Versagungsgründe nach § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG entgegenstehen. Kommt es, wie hier, bei der Prüfung eines Versagungsgrundes auf den Umfang des beantragten Verkehrs an, sind ihr der von dem Antragsteller innerhalb der Antragsfrist des § 12 Abs. 5 Satz 1 PBefG beantragte Verkehr und gegebenenfalls gemäß § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG zulässige Antragsergänzungen zugrunde zu legen. 24 dd) Das Berufungsgericht verneint eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Befriedigung sämtlicher Bedürfnisse des Schulverkehrs außerdem mit dem Argument, die Klägerin habe gemäß § 12 Abs. 1a PBefG verbindlich zugesichert, ihren Fahrplan entsprechend den Bedürfnissen des Schulverkehrs in Abstimmung mit den Schulträgern weiterzuentwickeln. Auch diese Erwägung ist revisionsrechtlich zu beanstanden. Ob schon die Annahme, Zusicherungen nach § 12 Abs. 1a PBefG könnten zwingende Versagungsgründe ausräumen, gegen Bundesrecht verstößt, kann hier dahinstehen. Die von der Klägerin abgegebene Zusicherung wäre hierfür jedenfalls nicht bestimmt genug. Die Verpflichtung zu einer mit den Aufgaben- oder Schulträgern (vgl. UA S. 4 und 27) abzustimmenden Weiterentwicklung des Fahrplanangebots entsprechend den Bedürfnissen des Schulverkehrs erklärt zwar die Bereitschaft zu Nachbesserungen, enthält aber keine Verpflichtung zu gewährleisten, dass bereits ab dem ersten Schultag für jeden am Schulverkehr Teilnehmenden nicht nur der Transport zur Schule, sondern auch eine an die Unterrichtszeiten angepasste Beförderung zurück zum Wohnort sichergestellt ist. Der Einwand der Klägerin, sie habe im Gegensatz zu den Beigeladenen nicht schon aus dem vorigen Genehmigungszeitraum Kenntnis von der Stundenplangestaltung gehabt, rechtfertigt keine großzügigere Beurteilung. Jedem Anbieter steht es frei, sich rechtzeitig vor Ablauf der Antragsfrist bei Aufgaben- und Schulträgern über die für das kommende Schuljahr geplanten Unterrichtszeiten zu informieren. 25 f) Zu Unrecht meint das Berufungsurteil, auch die Tatbestandsvoraussetzungen einer Versagung nach § 13 Abs. 2a Satz 1 PBefG lägen nicht vor. Seine Annahme, der beantragte Verkehr widerspreche trotz unvollständiger Bedienung des Schulverkehrs nicht dem 2. Nahverkehrsplan des Kreises S. aus dem Jahr 2006, beruht auf einem Verstoß gegen §§ 133 und 157 BGB. Diese Regeln sind nicht nur bei der Auslegung von Willenserklärungen zu beachten, sondern auch auf die Auslegung von Nahverkehrsplänen im Sinne des § 13 Abs. 2a Satz 1 PBefG entsprechend anzuwenden. Der Nahverkehrsplan ist keine Rechtsnorm und auch kein Verwaltungsakt, weil ihm keine verbindliche Außenwirkung zukommt. Er ist gemäß § 13 Abs. 2a Satz 2 PBefG an die Genehmigungsbehörde adressiert. Diese hat ihn zu berücksichtigen, nicht aber zwingend zu beachten. Er ist damit ein innerbehördlicher Mitwirkungsakt, ähnlich einer Verwaltungsvorschrift (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 10. Juli 2018 - 9 S 2424/17 - KommJur 2018, 337; Heinze, in: Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn. 44). Die berufungsgerichtliche Aussage, dem Nahverkehrsplan sei kein Erfordernis der vollständigen Bedienung des Schulverkehrs zu entnehmen, verletzt die Pflicht aus §§ 133 und 157 BGB, bei der Interpretation mehrdeutiger Formulierungen alle Auslegungsalternativen zu berücksichtigen und das Gemeinte unter Berücksichtigung des Kontextes zu bestimmen. Das Berufungsurteil versteht die Zuweisung einer Erschließungsfunktion ""in der Regel mit Bedeutung vorrangig für den Schulverkehr"" als doppelte Relativierung der Wichtigkeit der Schülerbeförderung. Dies wird der grammatikalischen Konstruktion nicht gerecht, nach der die Angabe ""in der Regel"" nicht die ""Bedeutung"" relativiert, sondern auf ""vorrangig"" bezogen ist. Näher liegt deshalb die vom Berufungsgericht übergangene Auslegungsalternative, nach der die sonstigen Linien eine Erschließungsfunktion für den Schulverkehr haben, der regelmäßig Vorrang vor ihren sonstigen Erschließungsaufgaben zukommt. Der Kontext der Formulierung lässt erkennen, dass diese Auslegung das Gemeinte wiedergibt. Die sonstigen Linien ergänzen den Fern- und Regionalverkehr durch eine Feinerschließung. Sie soll sicherstellen, dass öffentliche Aufgaben wie die Schülerbeförderung auch in der Fläche erfüllt werden. Der regelmäßige Vorrang dieser Funktion rechtfertigt sich aus der allgemeinen Schulpflicht und dem Umstand, dass minderjährige Schüler für längere Strecken und bei ungünstiger Witterung in der Regel auf den ÖPNV angewiesen sind. Bei zutreffender Auslegung verlangt der Nahverkehrsplan daher die vollständige Bedienung des Schulverkehrs. 26 Nicht mit Bundesrecht vereinbar ist schließlich die berufungsgerichtliche Annahme, der Beklagte hätte bei der Ermessensausübung gemäß § 13 Abs. 2a PBefG berücksichtigen müssen, dass die Klägerin verbindlich zugesichert habe, ihren Fahrplan an die Bedürfnisse des Schulverkehrs anzupassen. Dazu war der Beklagte nach § 40 VwVfG nicht verpflichtet. Wegen ihrer Unbestimmtheit war die Zusicherung nicht geeignet, eine verlässliche, vollständige Bedienung des Schulverkehrs zu gewährleisten. Deshalb die Genehmigung zu verweigern, widersprach weder dem Zweck der Ermessensermächtigung, noch überschritt es deren gesetzliche Grenzen. 27 2. Das Urteil beruht auf den festgestellten Verstößen gegen Bundesrecht. Es stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar, weil der Beklagte sich in rechtlich nicht zu beanstandender Weise gemäß § 13 Abs. 2a PBefG darauf berufen hat, dass der von der Klägerin beantragte Verkehr den Erfordernissen des einschlägigen Nahverkehrsplans widerspricht. 28 Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts erfüllt der von der Klägerin beantragte Verkehr nicht die der Linie L 178 im Nahverkehrsplan zugewiesene Aufgabe der vollständigen Bedienung des Schulverkehrs. Der Beklagte hat das ihm eingeräumte Versagungsermessen erkannt, es dem Zweck des § 13 Abs. 2a Satz 1 PBefG entsprechend ausgeübt und dessen gesetzliche Grenzen gewahrt. 29 3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil diese entscheidungsreif ist. Weitere Tatsachenermittlungen sind nicht erforderlich. Dies führt zur Änderung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung auch im Übrigen. Die zulässige Klage ist insgesamt unbegründet. Der angegriffene Versagungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat die Versagung der Genehmigung, wie ausgeführt, ermessensfehlerfrei auf den Versagungsgrund des § 13 Abs. 2a Satz 1 PBefG gestützt. Auf die Frage, ob die unzureichende Bedienung des Schulverkehrs bereits den zwingenden Versagungstatbestand des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG erfüllte, kam es danach nicht mehr an. 30 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2021-58,16.09.2021,"Pressemitteilung Nr. 58/2021 vom 16.09.2021 EN Ein Teil der Klagen gegen die S-Bahnstrecke 4 in Hamburg unzulässig Ein Teil der Klagen gegen die S-Bahnstrecke 4 in Hamburg ist unzulässig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der S-Bahnlinie 4 in Hamburg, Planungsabschnitt 1. Die Deutsche Bahn plant den Bau der S-Bahnlinie 4 von Hamburg Hasselbrook bis Ahrensburg-Gartenholz. Die insgesamt ca. 17 km lange Strecke wird in drei Abschnitten geplant, von denen der erste eine Teilstrecke von ca. 3 km umfasst (Hamburg- Hasselbrook bis Luetkensallee in Wandsbek). Insgesamt 21 Kläger sind Eigentümer von Grundstücken im zweiten Planungsabschnitt. Sie sind der Auffassung, dass die Planfeststellung des ersten Planungsabschnitts zwangsläufig dazu führen werde, dass ihre Grundstücke bei Feststellung des zweiten Planungsabschnitts teilweise enteignet werden. Bei einem weiteren Kläger handelt es sich um eine Naturschutzvereinigung. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klagen abgewiesen. Die 21 Grundstückseigentümer können gegenwärtig keine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen. Das setzte voraus, dass im vorangehenden Planungsabschnitt sog. Zwangspunkte gesetzt werden, die unweigerlich zu einer späteren Inanspruchnahme ihrer Grundstücke führen. Daran fehlt es hier. Mit der Planung des zweiten Planungsabschnitts ist beispielsweise noch abzuwägen, auf welcher Seite der dort bereits bestehenden Strecke die S-Bahngleise zu errichten sind und ob auch in diesem Abschnitt zwei Gleise erforderlich sind oder ob ein Gleis genügt. Die Kläger können auch dann ihre Rechte effektiv wahrnehmen, wenn sie zunächst die Feststellung des zweiten Planabschnitts abwarten. Eines ausnahmsweise zulässigen vorbeugenden Rechtsschutzes bedarf es hier nicht. Der klagende Verband ist nicht klageberechtigt, weil die auf das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg bezogene Anerkennung allein Schutzgebiete von Vögeln erfasst. Der Kläger hat eine Beeinträchtigung solcher Schutzgebiete jedoch nicht geltend gemacht. Das Bundesverwaltungsgericht wird am 28./29. September 2021 weitere Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss mündlich verhandeln. BVerwG 7 A 5.21 - Urteil vom 16. September 2021","Urteil vom 16.09.2021 - BVerwG 7 A 5.21ECLI:DE:BVerwG:2021:160921U7A5.21.0 EN Unzulässige Klagen gegen Planfeststellungsbeschluss Neubau S-Bahnlinie S4 in Hamburg (PFA 1) Leitsätze: 1. Ein Eigentümer kann sich gegen eine heranrückende Planung, die sein Grundstück noch nicht unmittelbar betrifft, zur Wehr setzen, wenn ein Zwangspunkt geschaffen wird, der im weiteren Planungsverlauf zwangsläufig dazu führen muss, dass er in seinen Rechten betroffen wird (Bestätigung von BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2012 - 9 A 6.10 -). 2. Eine durch § 8 Abs. 3 Nr. 2 UmwRG und seine Vorgängervorschriften übergeleitete Anerkennung als Naturschutzverband gemäß § 29 Abs. 2 BNatSchG a.F. gilt nur in ihrem ursprünglichen geographischen und inhaltlichen Umfang. Rechtsquellen VwGO § 42 Abs. 2 UmwRG § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, §§ 3, 8 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG a.F. § 29 Abs. 2 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 16.09.2021 - 7 A 5.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:160921U7A5.21.0] Urteil BVerwG 7 A 5.21 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2021 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther, Dr. Seegmüller, Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel für Recht erkannt: Die Klagen werden abgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger zu 1 bis 5, 9, 12 bis 14, 19 bis 21 jeweils 1/34 und die Kläger zu 15 und 16 als Gesamtschuldner 1/34, die Klägerin zu 6 trägt 5/34 und die Klägerin zu 7 4/34, die Kläger zu 8 und 22 tragen jeweils 2/34, die Kläger zu 10 und 11 sowie die Kläger zu 17 und 18 tragen jeweils als Gesamtschuldner 4/34. Gründe I 1 Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben ""Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg - Bad Oldesloe Planungsabschnitt 1 Hasselbrook - Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek"". 2 Die beigeladene DB Netz AG plant den Bau der S-Bahnlinie S4 von Hamburg-Hasselbrook bis Ahrensburg-Gartenholz. Die insgesamt ca. 17 km lange Strecke wird in drei Abschnitte aufgeteilt, von denen der erste eine Teilstrecke von ca. 3 km umfasst (Hamburg-Hasselbrook bis Luetkensallee in Wandsbek). Der Bau der S-Bahnlinie S4 ist Bestandteil der Maßnahmen zur Engpassbeseitigung im Großknoten Hamburg. Von Hamburg-Hasselbrook bis Ahrensburg soll die Strecke zweigleisig und von Ahrensburg bis Ahrensburg-Gartenholz eingleisig gebaut werden; im Übrigen soll die S-Bahn die bestehenden Gleise nutzen. Daneben sollen zugunsten des Güterverkehrs Anpassungen einschließlich teilweiser Neuerrichtungen der bestehenden Gleisführungen erfolgen. 3 Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der 1. Planfeststellungsabschnitt, dessen Feststellung die Beigeladene im August 2016 beantragte. Am 24. August 2020 wurde der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung der 4. Planänderung erlassen und im Amtlichen Anzeiger der Stadt Hamburg am 15. September 2020 öffentlich bekannt gemacht. 4 Die Grundstücke der Kläger zu 1 bis 21 liegen sämtlich entlang des 2. Planfeststellungsabschnitts. 5 Der Kläger zu 22 ist eine vom Land Schleswig-Holstein und von der Freien und Hansestadt Hamburg anerkannte Naturschutzvereinigung mit Sitz in Hamburg. Satzungszweck des Klägers zu 22 ist im Hinblick auf seine Anerkennung in Schleswig-Holstein der Natur-, Umwelt- und Tierschutz sowie die Landschaftspflege ohne satzungsmäßige Gebietsbeschränkung. Zweck des Vereins ist im Hinblick auf seine Anerkennung in Hamburg, Schutzgebiete für gefährdete Vögel, insbesondere Seevögel, zu schaffen und zu erhalten. 6 Die Kläger haben am 26. September 2020 gemeinsam mit weiteren Klägern Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen BVerwG 7 A 13.20 geführt wurde. Die ebenfalls beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat der Senat mit Beschluss vom 28. Oktober 2020 (BVerwG 7 VR 3.20 ) abgelehnt. Erste Bauarbeiten finden statt. Mit Beschluss vom 17. Juni 2021 hat der Senat das Verfahren der Kläger von dem Verfahren BVerwG 7 A 13.20 abgetrennt und unter dem hiesigen Aktenzeichen fortgeführt. Im vorausgehenden Hinweisschreiben war darauf hingewiesen worden, dass Zweifel an der Zulässigkeit der Klagen bestünden und zunächst hierüber verhandelt werden solle. 7 Die Kläger machen geltend, die Kläger zu 1 bis 21 seien klagebefugt, weil für sie mit der Planung im 1. Planfeststellungsabschnitt, dem keine eigene Verkehrsbedeutung zukomme, sog. Zwangspunkte gesetzt würden, sodass im Folgeabschnitt denkbare Alternativen, durch die ihre Grundstücke von einer Inanspruchnahme verschont blieben, ausgeschlossen seien. Der Kläger zu 22 könne seine Klage auf das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und das Bundesnaturschutzgesetz stützen. Er habe eine Anerkennung sowohl in Schleswig-Holstein als auch für den Bereich der Freien und Hansestadt Hamburg. Auch habe er unter dem 2. September 2021 eine weitere Anerkennung durch das Umweltbundesamt beantragt. 8 Die Kläger beantragen, den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahnbundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben ""Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg - Bad Oldesloe Planungsabschnitt 1 Hasselbrook - Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek"" aufzuheben, hilfsweise, ihn für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären. 9 Die Beklagte und die Beigeladene beantragen, die Klagen abzuweisen. 10 Sie halten die Klagen für unzulässig. II 11 Die Klagen sind unzulässig. 12 1. Die Kläger zu 1 bis 21 sind nicht gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Sie sind weder von den Bauarbeiten noch vom Betrieb der Strecke unmittelbar oder mittelbar betroffen. Ihre Grundstücke, die hier eine Betroffenheit in eigenen Rechten vermitteln könnten, liegen sämtlich nicht am streitgegenständlichen Planfeststellungsabschnitt 1, sondern am Planfeststellungsabschnitt 2. 13 Eine Klagebefugnis besteht auch nicht im Rahmen des vorbeugenden Rechtsschutzes. Die Kläger zu 1 bis 21 machen insoweit geltend, dass mit dem Planfeststellungsabschnitt 1 ein Zwangspunkt gesetzt werde, sodass ihre Grundstücke im Rahmen der weiteren Planfeststellung unweigerlich betroffen würden. 14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich ein Eigentümer gegen eine heranrückende Planung, die sein Grundstück noch nicht unmittelbar betrifft, zur Wehr setzen, wenn ein Zwangspunkt geschaffen wird, der im weiteren Planungsverlauf zwangsläufig dazu führen muss, dass er in seinen Rechten betroffen wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Juni 1981 - 4 C 5.78 - BVerwGE 62, 342 <353 f.> und vom 21. März 1996 - 4 C 1.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 115 S. 131; Beschluss vom 2. November 1992 - 4 B 205.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 92 S. 102 f.). Dadurch soll der künftig notwendig Rechtsbetroffene zur Sicherung seines effektiven Rechtsschutzes vor der Schaffung vollendeter Tatsachen bewahrt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2012 - 9 A 6.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 34 Rn. 21). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. 15 Die Beklagte hat nachvollziehbar ausgeführt, dass die Gleise im Planfeststellungsabschnitt 2 nördlich, südlich oder beidseitig der vorhandenen Trasse geführt werden können. Eine Inanspruchnahme der klägerischen Grundstücke ist damit nicht zwingend gegeben. Ob diese Alternativen gleichermaßen vernünftig oder naheliegend erscheinen, ist nicht erheblich. Die vorverlagerte Rechtsschutzmöglichkeit soll nicht der Planfeststellungsbehörde das Risiko rechtsfehlerhafter Planfeststellung abnehmen (BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 16.95 - Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 10 S. 16 f.). Ebenso ist es unbeachtlich, ob Planfeststellungsabschnitt 1 eine eigene Verkehrsfunktion zukommt. Anders als im straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren ist dies bei eisenbahnrechtlichen Planungen nicht erforderlich (BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 1995 - 11 VR 6.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 8 S. 28, vom 9. September 2013 - 7 B 2.13 - juris Rn. 12 und vom 29. Oktober 2020 - 7 VR 7.20 - Buchholz 442.09 § 18e AEG Nr. 4 Rn. 14). 16 Effektiver Rechtsschutz kann gegen einen Planfeststellungsbeschluss über einen anschließenden Planfeststellungsabschnitt in Anspruch genommen werden, der die Grundstücke der Kläger unmittelbar berührt. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit früherer Planfeststellungsabschnitte ist hierbei nicht ausgeschlossen. Das gilt insbesondere im Hinblick auf eine dem Abwägungsgebot genügende Alternativenprüfung. Auch bei schrittweiser Planverwirklichung verengt sich diese nicht auf die Prüfung, inwieweit die geschaffenen Abschnitte noch Variationsspielräume im Folgeabschnitt lassen. Die Planung muss in jedem Stadium dem Einwand standhalten, einem anderen Lösungskonzept unterlegen zu sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2012 - 9 A 6.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 34 Rn. 23). Die von der Planfeststellungsbehörde gewählte Abschnittsbildung kann im Rahmen der Anfechtung des jeweiligen Planfeststellungsbeschlusses ihrerseits einer Prüfung dahin unterzogen werden, ob sie sich innerhalb der der planerischen Gestaltungsfreiheit gesetzten Grenzen hält, insbesondere ob die Abschnittsbildung als solche den Anforderungen des Abwägungsgebotes entspricht (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1981 - 4 C 5.78 - BVerwGE 62, 342 <353>). 17 2. Der Kläger zu 22 ist nicht klagebefugt. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG, die einzige in Betracht kommende Rechtsvorschrift, die hier die Klagebefugnis vermitteln könnte, sind nicht erfüllt. Nach dieser Norm kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen berührt zu sein. 18 a) Der Kläger zu 22, dessen Tätigkeitsbereich über das Gebiet eines Landes hinausgeht, verfügt über keine nach dem geltenden Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz in diesem Fall erforderliche Anerkennung durch das Umweltbundesamt (§ 3 Abs. 2 Satz 1 UmwRG). Auf seinen entsprechenden Antrag an das Umweltbundesamt vom 2. September 2021 war im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch keine Entscheidung ergangen. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass dies aus Gründen geschah, die von dem Kläger zu 22 nicht zu vertreten sind (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwRG). Vielmehr waren ausweislich des Schreibens des Umweltbundesamtes vom 8. September 2021 hierfür zunächst noch die Satzung des Klägers zu 22 sowie ein Eintragungsnachweis des zuständigen Registergerichts vorzulegen. Anhaltspunkte für eine schuldhafte Verzögerung der Bearbeitung des Antrags durch das Umweltbundesamt bestehen nicht. 19 Der Kläger zu 22 ist aber mit Bescheid der Umweltbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg vom 23. September 1992 nach § 29 Abs. 2 BNatSchG in der damals gültigen Fassung für seinen satzungsgemäßen Aufgabenbereich als Naturschutzvereinigung anerkannt worden. Entsprechend des seinerzeitigen Satzungszwecks benannte der Bescheid die folgenden fachbezogenen Aufgaben: ""Schutzgebiete für gefährdete Vögel, insbesondere die Seevögel, zu schaffen und zu erhalten."" Mit der Einführung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes im Jahr 2006 sowie bei weiteren Novellierungen dieses Gesetzes ist den früheren Anerkennungen u.a. nach § 29 Abs. 2 BNatSchG a.F. fortwährend Bestandsschutz gewährt worden. Dies folgt aus § 3 Abs. 1 Satz 4 UmwRG in der Fassung vom 7. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2816), aus § 5 Abs. 2 UmwRG in der Fassung vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542) und aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UmwRG in der Fassung vom 23. August 2017 (BGBl. I S. 3290). 20 Diese Regelungen erhalten den Umfang der früher schon bestehenden Anerkennung aufrecht, sie erweitern ihn jedoch nicht; Einschränkungen und Begrenzungen bleiben bestehen (vgl. BT-Drs. 16/12274 S. 79 zu § 5 Abs. 2 UmwRG; Schlacke, in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 8 UmwRG Rn. 13). Das genannte Übergangsrecht enthält nur eine Bestandsschutzklausel. Die Reichweite der Anerkennungen soll hierdurch gerade nicht erweitert werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Juli 2015 - 6 A 11.14 - NuR 2016, 342 f.; Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2021, § 8 UmwRG Rn. 26). 21 b) Vor diesem Hintergrund macht der Kläger zu 22 nicht im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG geltend, in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt zu sein. Dieser ist auf Schutzgebiete für gefährdete Vögel, insbesondere die Seevögel, beschränkt. Den Schutz der Vögel macht der Kläger zu 22 aber nicht zum Gegenstand seiner Beanstandungen. In der Klageschrift heißt es lediglich unter der Überschrift ""Naturschutzrechtliche Betroffenheiten in PFA 1"": ""Hier sind insbesondere Fledermausrouten betroffen, aber auch Amphibien und Vogelarten"". Sodann wird in der Klageschrift aus dem Erläuterungsbericht zitiert, in dem allerdings betont wird, dass die drei nachgewiesenen Vogelarten (Mäusebussard, Gelbspötter und Haussperling) nicht beeinträchtigt werden. In der Bewertung der artenschutzrechtlichen Thematik durch die Kläger werden allein Fledermäuse, der Kammmolch sowie Fischotter, Schlammpeitzger, Moorfrosch und sechs Fledermausarten in Planfeststellungsabschnitt 3 angesprochen. Bei Fledermäusen sowie den anderen genannten Arten handelt es sich aber nicht um Vögel. 22 Auf die weitergehende Anerkennung des Klägers zu 22 durch das Land Schleswig-Holstein kommt es nicht an, weil diese keine Wirkung für das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg entfaltet. 23 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 159 Satz 1 und 2, § 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 100 ZPO, § 426 Abs. 1 BGB. Die Aufteilung in Vierunddreißigstel erklärt sich wie folgt: Unter Berücksichtigung von Ziffer 34.2 bzw. von Ziffer 34.4 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist bei der Betroffenheit eines Grundstücks bzw. einer Wohneinheit in einem Mehrfamilienhaus von einem Streitwert von 15 000 € auszugehen (Ziffer 34.2.1.2). Dies war mit einer Wohneinheit maßgeblich für die Kläger zu 1 bis 5, 9, 12 bis 14, 19 bis 21 sowie als Gesamtschuldner die Kläger zu 15 und 16. Bei dem Kläger zu 8 waren zwei Wohneinheiten, bei den Klägern zu 10 und 11 gesamtschuldnerisch vier Wohneinheiten, bei der Klägerin zu 6 insgesamt fünf Wohneinheiten à 15 000 € (A.weg 9 a, 9 b und 13) und bei der Klägerin zu 7 ein Gewerbebetrieb mit 60 000 € (Ziffer 34.2.2) in Ansatz zu bringen. Für die Kläger zu 17 und 18 fällt gesamtschuldnerisch ein Gewerbebetrieb an, für die Verbandsklage des Klägers zu 22 gilt ein Streitwert von 30 000 €." bverwg_2021-60,28.09.2021,"Pressemitteilung Nr. 60/2021 vom 28.09.2021 EN Öffentlichkeit von Ratssitzungen Eine Verletzung des kommunalrechtlichen Grundsatzes der Sitzungsöffentlichkeit durch fehlerhafte Vergabe eines Teils der Sitzplätze führt zur Nichtigkeit der in der Sitzung gefassten Beschlüsse, wenn die demokratische Kontrollfunktion der Öffentlichkeit nicht mehr gewährleistet war. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gestern entschieden. Der Bürgermeister der Stadt Gladbeck berief für den 26. November 2015 eine Ratssitzung ein. Wegen des erwarteten großen Zuschauerinteresses vergab die Verwaltung Eintrittskarten. Von den insgesamt 73 Plätzen wurden acht der Presse, neun verschiedenen Funktionsträgern und sieben dem Bürgermeister zur Verfügung gestellt. Die im Rat vertretenen Fraktionen erhielten insgesamt 25 Karten, die ihnen im Verhältnis zu ihrem Stimmenanteil bei der Kommunalwahl 2014 zugeteilt wurden. Die restlichen 24 Karten vergab die Verwaltung nach der Reihenfolge der Anfragen. Die Klägerin, eine Ratsfraktion, hat gegen den Rat der Stadt Klage erhoben und geltend gemacht, dieses Vergabesystem verletze den Grundsatz der Öffentlichkeit und führe zur Unwirksamkeit der in der Ratssitzung gefassten Beschlüsse. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, die Beschlüsse des Beklagten aus dem öffentlichen Teil der Ratssitzung seien unwirksam. Das Oberverwaltungsgericht hat dieses Urteil teilweise geändert. Es hat die Feststellung der Verletzung von Organrechten der Klägerin aufrechterhalten. Den weitergehenden Antrag, die Nichtigkeit der Beschlüsse festzustellen, hat es jedoch abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil im Ergebnis bestätigt. Seine Annahme, der Beklagte habe die Organrechte der Klägerin verletzt, indem er bei Durchführung der Ratssitzung gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit verstoßen habe, steht mit Bundesrecht im Einklang. Das Berufungsgericht ist in Auslegung irrevisiblen Landesrechts davon ausgegangen, dass der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit eine chancengleiche Zugangsmöglichkeit für jedermann ohne Ansehen der Person im Rahmen verfügbarer Kapazitäten verlangt. Eine bevorzugte Vergabe von Zuhörerplätzen hat es nur für zulässig gehalten, soweit sie aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist, sofern daneben noch eine relevante Anzahl an allgemein zugänglichen Plätzen verbleibt. Dieser Maßstab verletzt kein höherrangiges Recht und steht insbesondere mit dem Demokratiegebot im Einklang. Revisionsrechtlich fehlerfrei ist auch die Annahme, die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes führe nur bei schweren Verstößen zur Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse. Dem Demokratiegebot widerspricht aber die Annahme, ein schwerer Verstoß fehle schon, wenn eine relevante Anzahl allgemein zugänglicher Plätze verbleibe und die Zuhörerschaft insgesamt nicht das Gepräge eines von den politischen Akteuren gezielt zusammengestellten Publikums habe. Richtigerweise ist darauf abzustellen, ob die Funktion der Sitzungsöffentlichkeit, demokratische Kontrolle sicherzustellen, noch gewährleistet ist. Das war hier der Fall. BVerwG 8 C 31.20 - Urteil vom 27. September 2021 Vorinstanzen: OVG Münster, 15 A 2750/18 - Urteil vom 07. Oktober 2020 - VG Gelsenkirchen, 15 K 5404/15 - Urteil vom 12. Juli 2018 -","Urteil vom 27.09.2021 - BVerwG 8 C 31.20ECLI:DE:BVerwG:2021:270921U8C31.20.0 EN Öffentlichkeit von Ratssitzungen Leitsatz: Eine Verletzung des kommunalrechtlichen Grundsatzes der Sitzungsöffentlichkeit durch fehlerhafte Vergabe eines Teils der Sitzplätze führt nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG zur Unwirksamkeit der in der Sitzung gefassten Beschlüsse, wenn die demokratische Kontrollfunktion der Öffentlichkeit nicht mehr gewährleistet war. Rechtsquellen GG Art. 5 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1, Art. 103 Abs. 1 VwGO § 43 Abs. 1, § 108 Abs. 1 und 2 GO NRW § 48 Abs. 2 Satz 1, § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Instanzenzug VG Gelsenkirchen - 12.07.2018 - AZ: VG 15 K 5404/15 OVG Münster - 07.10.2020 - AZ: OVG 15 A 2750/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.09.2021 - 8 C 31.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:270921U8C31.20.0] Urteil BVerwG 8 C 31.20 VG Gelsenkirchen - 12.07.2018 - AZ: VG 15 K 5404/15 OVG Münster - 07.10.2020 - AZ: OVG 15 A 2750/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2021 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revisionen werden zurückgewiesen. Die Beteiligten tragen die Kosten des Revisionsverfahrens jeweils zur Hälfte. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die im öffentlichen Teil der Ratssitzung des Beklagten am 26. November 2015 gefassten Beschlüsse unwirksam sind. 2 Der Bürgermeister der Stadt G. berief eine Ratssitzung für den 26. November 2015 ein. Im Mittelpunkt der Tagesordnung stand der mögliche Ausbau der B 224 zur Autobahn A 52. Wegen des erwarteten großen Zuschauerinteresses vergab die Verwaltung für die Ratssitzung Eintrittskarten. Von den im Ratssaal verfügbaren 73 Plätzen wurden acht der Presse, neun verschiedenen Funktionsträgern und sieben dem Bürgermeister zur Verfügung gestellt. Die im Rat vertretenen Fraktionen erhielten insgesamt 25 Karten, die ihnen im Verhältnis zu ihrem Stimmenanteil bei der Kommunalwahl 2014 zugeteilt wurden. 3 Am 17. Dezember 2015 hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht, dieses Vergabesystem verletze den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit und führe zur Unwirksamkeit der in der Ratssitzung gefassten Beschlüsse. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, die Beschlüsse des Beklagten aus dem öffentlichen Teil der Ratssitzung seien unwirksam. Das Oberverwaltungsgericht hat dieses Urteil teilweise geändert und festgestellt, dass der Beklagte die Organrechte der Klägerin verletzt habe, indem er mit der Durchführung der Ratssitzung gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit verstoßen habe; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. 4 Der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit verlange die chancengleiche Zugangsmöglichkeit für jedermann ohne Ansehen der Person im Rahmen verfügbarer Kapazitäten. Bei der Umsetzung dieses Grundsatzes stehe dem Vorsitzenden des Rates zwar ein durch das Willkürverbot begrenzter Ermessensspielraum zu. Doch sei eine bevorzugte Vergabe von Zuhörerplätzen nur zulässig, soweit sie aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sei und sofern daneben noch eine relevante Anzahl an allgemein zugänglichen Plätzen verbleibe. Nach diesem Maßstab werde die Platzvergabe den Anforderungen des Öffentlichkeitsgrundsatzes nicht gerecht. Der Bürgermeister habe seinen Ermessensspielraum überschritten, weil er den Ratsfraktionen 25 Eintrittskarten ohne jegliche Begrenzung der Weitergabe an bestimmte Personengruppen überlassen habe. Zudem sei für die Reservierung von Plätzen für drei Einzelpersonen sowie den Personalrat kein sachlicher Grund ersichtlich. Die bevorzugte Platzvergabe an vier Mitglieder einer Bürgerinitiative erweise sich im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG ebenfalls als ermessensfehlerhaft, weil die gegenteilige Ziele verfolgende Bürgerinitiative keine Plätze erhalten habe. 5 Der Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz führe allerdings nicht zur Unwirksamkeit der in der Ratssitzung gefassten Beschlüsse. Verstöße gegen Verfahrensvorschriften führten nicht generell zur Nichtigkeit der betreffenden Hoheitsakte. Für die Frage der Rechtsfolgen eines Verfahrensverstoßes komme der Schwere der jeweiligen Verletzung ausschlaggebende Bedeutung zu. Bei einer fehlerhaften Platzvergabe werde den grundlegenden demokratischen Grundsätzen jedenfalls dann noch genügt, wenn eine relevante Anzahl an für jedermann chancengleich zugänglichen Plätzen vorhanden sei und die Zuhörerschaft auch insgesamt nicht das Gepräge eines von den politischen Akteuren zielgerichtet zusammengestellten Publikums habe. Diese aufeinander bezogenen Kriterien seien vorliegend noch erfüllt. Die Anzahl von 24 allgemein zugänglichen Plätzen, die insgesamt knapp ein Drittel der Publikumsplätze ausgemacht hätten, sei als relevanter Anteil anzusehen, weil allenfalls ein kleiner Anteil der Karten gezielt an Befürworter des Autobahnausbaus vergeben worden sei. Die Vergabe der den Fraktionen überlassenen Karten sei durch so viele verschiedene Akteure erfolgt, dass eine gezielte Lenkung des Publikums fernliege. 6 Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor, das Berufungsurteil gehe zwar zutreffend von einer Verletzung des Grundsatzes der Sitzungsöffentlichkeit aus. Seine Annahme, dieser Verstoß führe nicht zur Unwirksamkeit der in der Sitzung gefassten Beschlüsse, sei jedoch mit dem Demokratieprinzip nicht vereinbar. Wegen der allgemeinen staatsrechtlichen Bedeutung des Öffentlichkeitsgrundsatzes für parlamentarische Gremien, zu denen auch die kommunalen Vertretungskörperschaften gehörten, müsse dessen Verletzung grundsätzlich zur Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse führen. Zudem verstoße die Feststellung des Berufungsurteils, die fehlerhafte Vergabe der Zuhörerplätze habe nicht zu einer gelenkten Öffentlichkeit geführt, gegen allgemeine Erfahrungssätze. 7 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Oktober 2020 teilweise zu ändern und festzustellen, dass die Beschlüsse des Beklagten im öffentlichen Teil der Sitzung vom 26. November 2015 unwirksam sind, sowie die Revision des Beklagten zurückzuweisen. 8 Der Beklagte beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Oktober 2020 teilweise und das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 12. Juli 2018, berichtigt durch Beschluss vom 17. Juli 2018, zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen, sowie die Revision der Klägerin zurückzuweisen. 9 Er verteidigt das Berufungsurteil, soweit es die Feststellung der Unwirksamkeit der Ratsbeschlüsse abgelehnt hat, und macht zur Begründung seiner Revision geltend, die vom Berufungsgericht angenommene Verletzung der Organrechte der Klägerin beruhe auf einem fehlerhaften Verständnis des Grundsatzes der Sitzungsöffentlichkeit. Eine willkürliche Vergabe der Zuhörerplätze liege auch unter Berücksichtigung des Demokratieprinzips nicht vor. Für die Ratsfraktionen tätige Personen und sachkundige Bürger nähmen in der Kommunalpolitik und in der Ratsarbeit besondere Funktionen wahr; ihre Anwesenheit in der Ratssitzung sei daher aus sachlichen Gründen geboten. Die Vergabe zweier Plätze an den Personalrat sowie die Reservierung von sieben Plätzen zur Verteilung durch den Bürgermeister sei ebenfalls nicht willkürlich gewesen. II 10 Die Revisionen haben keinen Erfolg. Das Berufungsurteil beruht zwar auf der Verletzung von Bundesrecht, erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). 11 1. Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht für zulässig gehalten. Sie ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Die von der Klägerin begehrte Feststellung betrifft ein konkretes organschaftliches Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift. Die auch für die kommunalverfassungsrechtliche Feststellungsklage entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 1988 - 7 B 208.87 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 80 S. 25 m.w.N.) hat das Berufungsgericht in Auslegung irrevisiblen Landesrechts bejaht. Es hat § 48 Abs. 1 Satz 2 und § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) die Befugnis der Ratsfraktion zur gemeinderatsinternen Öffentlichkeitsarbeit entnommen und daraus einen Anspruch der Ratsfraktion auf rechtmäßige Verwirklichung des Öffentlichkeitsprinzips abgeleitet. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine Verletzung des Organrechts erscheint möglich. Die Klägerin kann sich auch auf ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung berufen. 12 2. Das Berufungsurteil leidet nicht unter den von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmängeln. Es beruht weder auf einem Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) noch auf einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). 13 a) Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist es Sache des Tatsachengerichts, sich im Wege der freien Beweiswürdigung eine Überzeugung von dem nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Die Beweiswürdigung ist revisionsrechtlich grundsätzlich dem sachlichen Recht zuzuordnen. Deshalb ist die Einhaltung der aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO folgenden Verpflichtung nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter eine aus seiner Sicht fehlerhafte Bewertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt und daraus andere Schlüsse ziehen will als die angefochtene Entscheidung. Ein als Verfahrensfehler einzuordnender Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann zwar ausnahmsweise gegeben sein, wenn die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 30. Dezember 2016 - 9 BN 3.16 - NVwZ-RR 2017, 1037 Rn. 12 und vom 22. Oktober 2020 - 5 BN 3.20 - juris Rn. 22, jeweils m.w.N.). Das ist hier indessen nicht der Fall. Das Berufungsgericht stützt seine Annahme, in Bezug auf die über die Ratsfraktionen zum Zuge gekommenen Zuhörer könne nicht von einer gelenkten Öffentlichkeit ausgegangen werden, auf die Feststellung, dass die der bisherigen Verwaltungspraxis entsprechende Überlassung von Eintrittskarten an die Ratsfraktionen nach deren Proporz wegen der Weitergabe dieser Eintrittskarten durch eine Vielzahl verschiedener Akteure eine gezielte Lenkung des Publikums fernliegend erscheinen lasse. Diese Schlussfolgerung missachtet weder allgemeine Erfahrungssätze noch ist sie denkgesetzwidrig. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze liegt nicht schon vor, wenn die Schlussfolgerung des Tatsachengerichts nicht zwingend ist oder nach Auffassung eines Beteiligten fernliegend oder spekulativ erscheint. Denkfehlerhaft ist sie nur, wenn sie denklogisch schlechterdings unmöglich ist, weil die Gesetze der Logik nur einen anderen, abweichenden Schluss zulassen (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 - 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271; Beschlüsse vom 10. Dezember 2003 - 8 B 154.03 - NVwZ 2004, 627 und vom 6. März 2008 - 7 B 13.08 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54 S. 17 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. 14 b) Sollte das Vorbringen der Klägerin zugleich als Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) zu verstehen sein, wäre diese nicht begründet. Das Berufungsurteil setzt sich in den Entscheidungsgründen mit den von der Klägerin angeführten Aspekten der Kartenvergabe, die zu einer gezielten Steuerung der Öffentlichkeit geführt haben sollen, ausdrücklich auseinander. Dass es aus den festgestellten Tatsachen andere Schlussfolgerungen als die Klägerin gezogen hat, begründet keine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. 15 3. Das Berufungsgericht geht im Einklang mit revisiblem Recht davon aus, der Beklagte habe die Organrechte der Klägerin verletzt, indem er bei der Durchführung der Ratssitzung gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit verstoßen habe (a). Revisionsrechtlich fehlerfrei ist auch seine Annahme, die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes führe nur bei schweren Verstößen zur Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse. Die Auffassung, ein schwerer Verstoß fehle schon, wenn eine relevante Anzahl allgemein zugänglicher Plätze verbleibe und die Zuhörerschaft insgesamt nicht das Gepräge eines von den politischen Akteuren gezielt zusammengestellten Publikums habe, verletzt hingegen das Demokratiegebot (b). 16 a) Nach der für das Revisionsgericht bindenden Auslegung irrevisiblen Landesrechts durch das Berufungsgericht verlangt der in § 48 Abs. 2 Satz 1 GO NRW verankerte Grundsatz der Öffentlichkeit von Ratssitzungen eine chancengleiche Zugangsmöglichkeit für jedermann ohne Ansehen der Person im Rahmen verfügbarer Kapazitäten. Bei der Verwirklichung dieses Grundsatzes hat das Berufungsgericht dem Vorsitzenden des Rates einen durch das Willkürverbot begrenzten Ermessensspielraum zuerkannt und eine bevorzugte Vergabe von Zuhörerplätzen nur für zulässig gehalten, soweit sie im Einzelfall aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist und sofern daneben noch eine relevante Anzahl an allgemein zugänglichen Plätzen verbleibt. Auch ein besonderes berufliches oder dienstliches Interesse kann nach dem berufungsgerichtlichen Verständnis des Öffentlichkeitsgrundsatzes eine bevorzugte Platzvergabe sachlich rechtfertigen. Diese Auslegung steht mit Bundesrecht, namentlich dem Demokratiegebot, im Einklang. 17 aa) Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Ratssitzungen konkretisiert Anforderungen des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG), an dessen Grundsätze die Gemeinden gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 GG gebunden sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. März 1995 - 4 B 33.95 - Buchholz 406.11 § 24 BauGB Nr. 6 S. 2). Für das Demokratiegebot des Grundgesetzes ist die Öffentlichkeit des Staatshandelns als Voraussetzung von Verständnis und Vertrauen der Bürger konstitutiv (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 - 1 BvR 2623/95 u.a. - BVerfGE 103, 44 S. 63; Sachs, in: Sachs, Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 20 Rn. 18). Öffentliche Debatte und Diskussion sind wesentliche Elemente des demokratischen Parlamentarismus. Sie eröffnen nicht nur Möglichkeiten des Ausgleichs widerstreitender Interessen, die sich bei einem weniger transparenten Verfahren nicht so ergäben, sondern auch die demokratische Kontrolle durch die Bürger. Damit dienen sie der Verantwortlichkeit der Volksvertretung gegenüber den Wählern, die ein zentraler Mechanismus des effektiven Einflusses des Volkes auf die Ausübung der Staatsgewalt ist (BVerfG, Urteil vom 7. November 2017 - 2 BvE 2/11 - BVerfGE 147, 50 Rn. 200 f. m.w.N.). Die Öffentlichkeit von Ratssitzungen stellt einen tragenden Grundsatz der demokratischen Willensbildung in den Kommunen dar. Sie verfolgt den Zweck, der Allgemeinheit in Bezug auf die Arbeit des kommunalen Vertretungsorgans Publizität, Information, Kontrolle und Integration zu vermitteln (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 23. Mai 2003 - 1 MR 10/03 - NVwZ-RR 2003, 774). Die Auslegung des Öffentlichkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht wird diesen Anforderungen gerecht. Sie gewährleistet die chancengleiche Zugangsmöglichkeit für jedermann und lässt einen bevorzugten Zugang Einzelner nur bei sachlicher Rechtfertigung und nur in so begrenztem Umfang zu, dass die allgemeine Zugänglichkeit gewahrt bleibt. Das bundesverfassungsrechtliche Demokratiegebot verlangt keine strengere Auslegung des Grundsatzes der Sitzungsöffentlichkeit. Insbesondere lässt sich ihm nicht entnehmen, dass eine durch sachliche Gründe gerechtfertigte bevorzugte Vergabe von Zuhörerplätzen von vornherein ausgeschlossen wäre. 18 bb) Revisionsrechtlich fehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Platzvergabe für die in Rede stehende Ratssitzung den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit verletzt hat. Dass 25 Karten den Ratsfraktionen zur Verteilung überlassen wurden, hat es ebenso wie die bevorzugte Platzvergabe an drei namentlich benannte Einzelpersonen und an Mitglieder nur einer von zwei mit dem streitigen Thema befassten Bürgerinitiativen im Einklang mit Art. 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG für sachlich nicht gerechtfertigt und daher für unzulässig gehalten. 19 Nach den bindenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsurteils (§ 137 Abs. 2 VwGO) wurden die Eintrittskarten den Fraktionen ohne jede Zweckbindung zur beliebigen Verteilung überlassen. Ob dies eine Weitergabe der Karten an die für die Fraktionen tätigen Personen ermöglichen sollte und ob deren Bevorzugung durch sachliche Gründe gerechtfertigt wäre, konnte das Berufungsgericht offenlassen. Es hat revisionsrechtlich fehlerfrei darauf abgestellt, dass eine solche Zweckbindung schon mangels entsprechender Vorgaben für die Kartenvergabe durch die Fraktionen nicht sichergestellt war. 20 Eine sachliche Rechtfertigung für die Bevorzugung dreier namentlich genannter Personen hat es revisionsrechtlich fehlerfrei verneint. Die bevorzugte Berücksichtigung von vier Mitgliedern einer für den Straßenausbau eintretenden Bürgerinitiative hat es zu Recht als Verstoß gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG eingeordnet, weil für Mitglieder der den Ausbau ablehnenden Bürgerinitiative keine Plätze reserviert wurden. 21 cc) Mit dem demokratischen Grundsatz der Öffentlichkeit gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG steht auch in Einklang, dass das Berufungsgericht die Vergabe von Zuhörerplätzen an interessierte Bürgerinnen und Bürger nach dem Prioritätsprinzip unbeanstandet gelassen hat. Eine allein an dem zeitlichen Eingang einer Anfrage orientierte Platzvergabe stellt ein objektives Verteilungsverfahren dar, das jedem Bürger im Rahmen verfügbarer Kapazitäten gleichen Zugang zur Ratssitzung ermöglicht. Auch die bevorzugte Vergabe von Plätzen an Vertreter der Presse durfte das Berufungsgericht für zulässig erachten. Diese Praxis trägt Art. 5 Abs. 1 GG Rechnung, dient dem Informationsinteresse der Bürger und fördert die öffentliche Kontrolle der Ratssitzung. 22 b) Das Berufungsurteil geht ohne Verstoß gegen Bundesrecht davon aus, die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes führe nur bei schweren Verstößen zur Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse. Hingegen steht seine Annahme, ein schwerer Verstoß fehle schon, wenn eine relevante Anzahl allgemein zugänglicher Plätze verbleibe und die Zuhörerschaft insgesamt nicht das Gepräge eines von den politischen Akteuren gezielt zusammengestellten Publikums habe, mit dem Demokratiegebot nicht im Einklang. 23 aa) Das Berufungsgericht ist der von der Klägerin vertretenen Auffassung, wonach jeder Verstoß gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit zur Unwirksamkeit der in der Ratssitzung gefassten Beschlüsse führen soll, zu Recht nicht gefolgt. Zwar stellt der unrechtmäßige vollständige Ausschluss der Öffentlichkeit einen erheblichen Verfahrensmangel dar, der regelmäßig die Unwirksamkeit der in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse zur Folge hat (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 9. April 1976 - 58/75 - NJW 1976, 1931; VGH Mannheim, Urteil vom 20. Juli 2000 - 14 S 237/99 - NVwZ-RR 2001, 462 <463>, OVG Weimar, Beschluss vom 14. Juni 2021 - 3 ZKO 434/17 - juris Rn. 9; Rabeling, NVwZ 2010, 411 <412>; Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, 4. Aufl. 2019, S. 314 Rn. 629; Lange, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2019, S. 409 Rn. 91 m.w.N. in Fußnote 258). Daraus folgt jedoch nicht, dass demokratische Grundsätze im Sinne des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG dazu verpflichteten, bei jedem Verstoß gegen die Sitzungsöffentlichkeit stets alle betroffenen Ratsbeschlüsse für nichtig zu halten. Wenn nur ein begrenzter Teil der zur Verfügung stehenden Plätze ermessensfehlerhaft vergeben wurde, während die übrigen für jedermann chancengleich zugänglich blieben, ist die Nichtigkeitsfolge bundesrechtlich nicht zwingend. Vielmehr erlaubt es der Grundsatz der Rechtssicherheit, der nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG neben dem Demokratiegebot zu beachten ist, eine Nichtigkeit nur bei schweren Verstößen gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz vorzusehen. So hat das Berufungsgericht die irrevisible kommunalrechtliche Regelung verstanden. Diese Auslegung ist mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit vereinbar, weil schwere Verstöße regelmäßig ohne Weiteres zu erkennen sind, sodass über die Nichtigkeit der in der betreffenden Ratssitzung gefassten Satzungs- und anderen Beschlüsse kein Zweifel bestehen kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 15. Januar 2008 - 2 BvL 12/01 - BVerfGE 120, 56 S. 79 und vom 8. Dezember 2009 - 2 BvR 758/07 - BVerfGE 125, 104 S. 132 zu Verfahrensfehlerfolgen bei der Gesetzgebung). Bei sonstigen Verletzungen des Grundsatzes der Öffentlichkeit von Ratssitzungen bleibt es dann bei der Wirksamkeit der verfahrensfehlerhaften Beschlüsse, bis sie durch den Rat, die Kommunalaufsichtsbehörde oder eine gerichtliche Entscheidung aufgehoben werden. 24 bb) Die Voraussetzungen, unter denen eine ermessensfehlerhafte Vergabe eines Teils der Zuschauerplätze einen schweren Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz darstellt und nach demokratischen Grundsätzen die Nichtigkeit der in der Sitzung gefassten Beschlüsse zur Folge haben muss, sind nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG entsprechend dem Zweck dieser Gewährleistung anhand der demokratischen Funktion der Öffentlichkeit zu bestimmen. Die berufungsgerichtliche Annahme, ein schwerer Verstoß gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit fehle schon, wenn eine relevante Anzahl allgemein zugänglicher Plätze verbleibe und die Zuhörerschaft insgesamt nicht das Gepräge eines von den politischen Akteuren gezielt zusammengestellten Publikums habe, steht damit nicht im Einklang. Das Demokratieprinzip verlangt eine wirksame Kontrolle der Gemeindevertretung durch die Öffentlichkeit. Maßgeblich ist daher nicht, ob der Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz das Ergebnis bewusster oder gar absichtlicher politischer Einflussnahme ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob trotz der fehlerhaften Platzvergabe die Information der Allgemeinheit, die Transparenz der Sitzung und die demokratische Kontrollfunktion der Öffentlichkeit noch gewährleistet sind. Dies setzt voraus, dass eine hinreichende Anzahl allgemein zugänglicher Plätze verbleibt und die Zusammensetzung der Zuhörerschaft zufallsabhängig ist. Werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, liegt ein schwerer Verstoß gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit vor, der zur Unwirksamkeit der in der Sitzung gefassten Beschlüsse führt. 25 4. Das Berufungsurteil erweist sich indessen aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Bei Anwendung des bundesrechtlich zutreffenden Maßstabs führt der festgestellte Verstoß gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit nicht zur Unwirksamkeit der in der Ratssitzung gefassten Beschlüsse. Insoweit hat das Berufungsgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen stand in der Ratssitzung vom 26. November 2015 ein hinreichender Anteil der Plätze für jedermann zur Verfügung. Außerdem war die Zusammensetzung des Publikums ganz überwiegend zufallsbestimmt. Neben den nach dem Prioritätsprinzip an interessierte Bürgerinnen und Bürger zugeteilten Plätzen wurden auch die über die Ratsfraktionen verteilten Eintrittskarten nicht gezielt an Befürworter des Straßenausbaus ausgegeben. Sie wurden den Ratsfraktionen ohne einen Verwendungszusatz überlassen und anschließend durch eine Vielzahl verschiedener Akteure verteilt. Damit waren nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen mindestens 49 der 73 Eintrittskarten, mithin rund zwei Drittel aller verfügbaren Plätze, an Zuhörer gelangt, die keiner bestimmten inhaltlichen Positionierung zugeordnet werden konnten. 26 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO." bverwg_2021-66,07.10.2021,"Pressemitteilung Nr. 66/2021 vom 07.10.2021 EN Klage gegen Höchstspannungsfreileitung in Krefeld erfolglos Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute eine Klage der Stadt Krefeld gegen eine Höchstspannungsfreileitung abgewiesen. Der angegriffene Beschluss genehmigt Bau und Betrieb einer 380-kV-Höchstspannungsfreileitung zwischen den Punkten Fellerhöfe und St. Tönis. Für die etwa 7,3 km lange Leitung sollen 23 Masten mit einer Höhe zwischen 57,6 m und 71,5 m neu errichtet werden. Auf ihrem nördlichen Teilstück soll die Leitung östlich einer Bestandsleitung in der Nähe der Wohnbebauung verlaufen. Die Stadt Krefeld ist Eigentümerin mehrerer zum Wohnen genutzter Grundstücke in diesem Bereich, die für Schutzstreifen in Anspruch genommen werden. Das Bundesverwaltungsgericht hatte einen ersten Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2012 für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353), weil keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden war. Die Behörde holte diese Prüfung in einem ergänzenden Verfahren nach, das sie im Juni 2019 mit einem Planergänzungsbeschluss abschloss. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Klage der Stadt Krefeld blieb erfolglos. Beachtliche Verfahrensfehler hat das Bundesverwaltungsgericht nicht festgestellt. Dass in der Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung der Unterlagen die Angabe einer Internet-Adresse fehlte, bleibt rechtlich folgenlos. Im ergänzenden Verfahren musste kein Erörterungstermin durchgeführt werden. Die Abwägungsentscheidung verletzt die Stadt Krefeld nicht in eigenen Rechten. Die Planung durfte sich gegen eine Führung der Leitung westlich der Bestandstrasse entscheiden. Denn die planfestgestellte Trasse war durch eine frühere Leitung vorbelastet, kann in einem engeren Verbund mit einer Bestandstrasse geführt werden und bedarf keiner technisch aufwändigen Leitungskreuzung. Diesen Gesichtspunkten durfte die Behörde gegenüber den Belangen der Stadt Krefeld als Grundeigentümerin den Vorrang einräumen. Weiterer Ermittlungen bedurfte es insoweit nicht. Zur Geltendmachung von Belangen der Wohnbevölkerung war die Stadt Krefeld nicht berufen. BVerwG 4 A 9.19 - Urteil vom 07. Oktober 2021","Urteil vom 07.10.2021 - BVerwG 4 A 9.19ECLI:DE:BVerwG:2021:071021U4A9.19.0 EN Gemeindeklage gegen Planfeststellung für eine Höchstspannungsfreileitung (ergänzendes Verfahren) Leitsatz: Eine Verletzung des § 27a VwVfG ist unbeachtlich. Rechtsquellen 26. BImschV § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 3 EnWG § 43 Abs. 3, § 43d Satz 1 GG Art. 28 Abs. 2 Satz 1 UmwRG § 4 Abs. 1 und 1a VwGO § 113 Abs. 1 Satz 1 VwVfG §§ 27a, 75 Abs. 1a Satz 2, § 76 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 07.10.2021 - 4 A 9.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:071021U4A9.19.0] Urteil BVerwG 4 A 9.19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2021 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Decker, Prof. Dr. Külpmann, Dr. Hammer und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger am 7. Oktober 2021 für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin. Gründe I 1 Die Klägerin, eine nordrhein-westfälische Gemeinde, wendet sich gegen die Planfeststellung für eine Höchstspannungsfreileitung. 2 Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses (PFB) in Gestalt eines Ergänzungsbeschlusses (PEB) ist ein Abschnitt des Vorhabens Nr. 14 der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) (""Neubau Höchstspannungsleitung Niederrhein - Utfort - Osterath, Nennspannung 380 kV""). Planfestgestellt ist die Errichtung und der Betrieb einer rund 7,3 km langen 380-kV-Höchstspannungsfreileitung vom Punkt (Pkt.) Fellerhöfe zum Pkt. St. Tönis (Bauleitnummer 4571) einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Folgemaßnahmen sowie der Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Die Leitung dient einem Lückenschluss und soll die Energieversorgung der Stadt K. und ihrer Umgebung langfristig sichern. Es sollen 23 Masten unterschiedlichen Bautyps mit einer Höhe zwischen 57,6 m und 71,5 m errichtet und 17 Masten der 220-kV-Höchstspannungsfreileitung Osterath - Wesel/Niederrhein (Bl. 2339) demontiert werden. Die Demontage ist abgeschlossen, die überwiegende Zahl der Masten bereits errichtet. 3 Beginnend am Pkt. Fellerhöfe kreuzt die Trasse die Autobahn A 44 und wird auf deren Nordseite nach Westen geführt, kreuzt an der Anschlussstelle Fichtenhain die L 382 und verläuft weiter in überwiegend westlicher Richtung bis zu einer stillgelegten Eisenbahntrasse. Dort verschwenkt die Leitung nach Norden und erreicht entlang der Eisenbahntrasse das Edelstahlwerk. Im folgenden, zwischen Mast 15 und 16 beginnenden und etwa 2,9 km langen Abschnitt verläuft die Leitung in weitgehend nördlicher Richtung zum Pkt. St. Tönis. Sie wird auf einem bisher von der Freileitung Bl. 2339 genutzten Trassenraum geführt und befindet sich dort zwischen der Ortslage der Klägerin im Osten und der Freileitung Bl. 2388 im Westen. Die Trassenachse nähert sich der Ortslage (bei vertikaler Projektion) teils bis auf 30 m an, zur Trassenachse der Freileitung Bl. 2388 wahrt sie einen Abstand von 35 bis 40 m. 4 Für den Bau der Leitung werden Grundstücke der Klägerin teils für Schutzstreifen, teils für Maststandorte in Anspruch genommen. Die Klägerin ist unter anderem Eigentümerin der Grundstücke Gemarkung ..., Flur ..., Flurstücke ... Diese, an der Straße ... liegenden Grundstücke werden zwischen Mast 16 und 17 für den Schutzstreifen der Leitung in Anspruch genommen, betroffen sind Flächen zwischen 20 qm und 120 qm. Die Grundstücke sind mit Erbbaurechten belastet und werden als Hausgärten für Wohngebäude genutzt, denen sich die Trassenachse bei vertikaler Projektion auf etwa 40 m nähert. Die Klägerin ist auch Eigentümerin des rund 6 ha großen Grundstücks Gemarkung ... Flur ..., Flurstück ..., das als Kleingartensiedlung genutzt wird; auf einer Teilfläche soll Mast 17 der Leitung errichtet werden. Zum Grundeigentum der Klägerin gehören außerdem die Grundstücke ..., Flur ..., Flurstücke ... Dort befindet sich ein Spielplatz, den die Immissionsprognose als maßgeblichen Immissionsort für elektromagnetische Felder betrachtet. Darüber hinaus werden weitere Grundstücke der Klägerin in Anspruch genommen. 5 Die Bezirksregierung Düsseldorf erließ unter dem 7. November 2012 den Planfeststellungsbeschluss für die Leitung. Auf eine Klage der Klägerin stellte der Senat mit Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - (BVerwGE 148, 353) dessen Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit fest, weil keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden war, und wies die Klage im Übrigen ab. 6 Die Vorhabenträgerin beantragte im März 2017 unter Vorlage einer Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens, um die Umweltverträglichkeitsprüfung nachzuholen. Nach einer öffentlichen Bekanntgabe lagen die Unterlagen vom 19. April 2017 bis zum 18. Mai 2017 öffentlich aus. Ein Erörterungstermin unterblieb. 7 Mit Planergänzungsbeschluss vom 28. Juni 2019 stellte der Beklagte fest, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung keine neuen abwägungsrelevanten Belange ermittelt und zu keiner anderen Bewertung geführt habe. Das Abwägungsergebnis könne erhalten bleiben, die Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses blieben im Kern unverändert. Der Planergänzungsbeschluss lehnt es unter anderem ab, die Trasse ab Mast 15 in einem als B 2 bezeichneten Korridor westlich der Leitung 2388 zu führen und schließt sich insoweit der Umweltverträglichkeitsstudie an (PEB S. 94 ff.). Bei der Variante B 2 entfalle die Bündelung mit der Paralleltrasse Bl. 2388, die Zahl der Masten wäre höher, am Kreuzungspunkt würden erhöhte Abspannmasten notwendig (ähnlich PFB S. 53). Gegen eine Trasse in der Variante B 2 spräche zudem die Betroffenheit von denkmalgeschützten Hoflagen, Versorgungsleitungen und eines Wasserschutzgebietes. Die technischen Probleme seien von der konkreten Lage im Trassenraum B 2 unabhängig. Die Variante verstoße gegen ein Ziel der Raumordnung. 8 Die Klägerin sieht sich durch den Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des Ergänzungsbeschlusses in ihren Rechten verletzt. Sie beanstandet Fehler bei der Auslegungsbekanntmachung und rügt das Unterlassen eines Erörterungstermins. Die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Abwägung der räumlichen Alternative B 2 seien fehlerhaft. Die planfestgestellte Trasse sei nicht vorbelastet, weil die frühere Leitung Bl. 2339 seit Jahrzehnten keinen Strom mehr geführt habe. Eine Alternative westlich und gebündelt mit der Bl. 2388 entlaste die Ortslage und ihre eigenen Grundstücke. Die technischen Schwierigkeiten einer solche Trasse seien überschätzt, es bedürfe weder mehr noch höherer Masten. Die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Abwägung litten an Ermittlungs- und Bewertungsdefiziten. 9 Die Klägerin beantragt, den Planfeststellungsbeschluss vom 7. November 2012 für den Neubau der 380-kV-Höchstspannungsleitung Punkt Fellerhöfe - Punkt St. Tönis, Bl. 4571 in den Abschnitten Punkt Fellerhöfe - Punkt St. Tönis in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 28. Juni 2019 aufzuheben, hilfsweise für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären, weiter hilfsweise, den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses zu verpflichten, über Schutzvorkehrungen zur Wahrung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie der Klägerin und zum Schutz ihres Grundeigentums, insbesondere vor Immissionen, sowie im Hinblick auf die Ermittlungs- und Bewertungsanforderungen im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsuntersuchung sowie den Anforderungen einer hierauf beruhenden Abwägung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. 10 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 11 Die Beigeladene beantragt, die Klage abzuweisen. 12 Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des Ergänzungsbeschlusses und machen ferner geltend, über einige Einwände der Klägerin sei mit dem Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - rechtskräftig entschieden. 13 Der Senat hat mit Beschluss vom 28. März 2020 - 4 VR 5.19 - einen Eilantrag der Klägerin abgelehnt. II 14 Die Klage bleibt erfolglos. 15 A. Sie ist zulässig. 16 I. Dem Aufhebungsantrag steht die Rechtskraft des Senatsurteils vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - (BVerwGE 148, 353) nicht entgegen, die als Prozesshindernis von Amts wegen zu berücksichtigen wäre (BVerwG, Urteile vom 23. Juni 2020 - 9 A 22.19 - BVerwGE 168, 368 Rn. 20 und vom 29. April 2021 - 4 C 2.19 - UPR 2021, 281 Rn. 15). Mit seinem Urteil vom 17. Dezember 2013 hat der Senat einen Antrag auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 7. November 2012 abgewiesen. Die Abweisung eines Aufhebungsbegehrens setzt indes voraus, dass nach § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG die Heilung der festgestellten Rechtsfehler in einem ergänzenden Verfahren tatsächlich möglich erscheint. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass an dieser Einschätzung nach einem Heilungsversuch in einem ergänzenden Verfahren aufgrund neuer rechtlicher oder tatsächlicher Entwicklungen und Erkenntnisse nicht mehr festgehalten werden kann (BVerwG, Urteil vom 4. Juni 2020 - 7 A 1.18 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 18 Rn. 9). Gerade eine nachgeholte Umweltverträglichkeitsprüfung kann solche Erkenntnisse zu Tage zu fördern. Mit einem erneuten Aufhebungsantrag kann daher geltend gemacht werden, dass nach Abschluss des ergänzenden Verfahrens eine Heilung ausgeschlossen erscheint. 17 II. Die Klägerin ist klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Sie ist Eigentümerin von Grundstücken, auf denen Masten errichtet oder die von den Schutzstreifen des Vorhabens erfasst werden. Sie kann daher wie ein privater Grundstückseigentümer geltend machen, die vollständige oder teilweise Inanspruchnahme der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke verletze das Gebot einer gerechten Abwägung ihrer eigenen Belange. Die Klagebefugnis erfasst den gesamten Streitgegenstand, unabhängig davon, ob die Verletzung anderer Rechte möglich erscheint (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 19 und 21). 18 B. Die Klage ist unbegründet. Der Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des Planergänzungsbeschlusses verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten. Der Verwaltungsakt war daher weder nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben, noch seine Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit festzustellen oder eine Verpflichtung nach § 113 Abs. 5 VwGO auszusprechen. 19 I. Die gerügten Verstöße gegen Verfahrensvorschriften führen nicht auf einen beachtlichen Verfahrensfehler. 20 1. Die Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung der Unterlagen genügte § 27a Abs. 2 VwVfG NRW nicht. Dieser Mangel bleibt aber folgenlos. 21 a) Anwendbar ist das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der vor dem 16. Mai 2017 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94, im Folgenden: UVPG a.F.). Dies folgt aus § 74 Abs. 2 Nr. 2 UVPG, weil bereits vor dem genannten Zeitpunkt die Unterlagen nach § 6 UVPG a.F. vorgelegt worden waren. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 UVPG a.F. hat die zuständige Behörde die Öffentlichkeit zu den Umweltauswirkungen zu beteiligen. Nach Satz 3 der Vorschrift muss das Beteiligungsverfahren den Anforderungen des § 73 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 bis 7 des Verwaltungsverfahrensgesetzes entsprechen. Gemäß § 73 Abs. 5 Satz 1 VwVfG NRW haben die Gemeinden, in denen der Plan auszulegen ist, die Auslegung vorher ortsüblich bekannt zu machen. Ist durch Rechtsvorschrift eine ortsübliche Bekanntmachung angeordnet, soll die Behörde deren Inhalt nach § 27a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW zusätzlich im Internet veröffentlichen. Dies ist geschehen. 22 Die Bekanntmachung der Auslegung vom 22. März 2017, veröffentlicht im Amtsblatt der Bezirksregierung Düsseldorf vom 30. März 2017 (S. 121), genügte indes § 27a Abs. 2 VwVfG NRW nicht. Denn in der ortsüblichen Bekanntmachung war die Internetseite nicht angegeben. Der Fehler ist durch die Bekanntmachung vom 27. April 2017, veröffentlicht im Amtsblatt der Bezirksregierung Düsseldorf vom 11. Mai 2017 (S. 179), nicht geheilt worden. § 27a Abs. 2 VwVfG NRW verlangt die Angabe der Internetseite ""in"" der Bekanntmachung und damit zu deren Zeitpunkt; die Bekanntmachung muss nach § 9 Abs. 1 Satz 3 UVPG a.F. i. V. m. § 73 Abs. 5 Satz 1 VwVfG NRW vorher, also vor Auslegung der Unterlagen erfolgen. Am 11. Mai 2017 hatte die Auslegungsfrist aber bereits begonnen. 23 b) Der Verstoß führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Ergänzungsbeschlusses. 24 aa) Eine Verletzung des § 27a VwVfG ist unbeachtlich (wie hier Ziekow, VwVfG, 4. Aufl. 2020, § 27a Rn. 7; Prell, in: BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand 1. Oktober 2020, § 27a Rn. 26; Schiller, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG 6. Aufl. 2021, 27a Rn. 19; Luch, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch/Schulz, Verwaltungsverfahrensgesetz und E-Government, 2. Aufl. 2014, § 27a Rn. 24; ebenso OVG Münster, Urteil vom 12. November 2018 - 11 D 96/17.AK - NVwZ-RR 2019, 546 Rn. 18; a.A. Schneider, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand Juli 2020, § 27a Rn. 20; Engel/Pfau, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 27a Rn. 16; Siegel, VerwArch 105 <2014>, 241 <247 f.>; unklar Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 27a Rn. 16 f.; Ritgen, in: Knack/Henneke, VwVfG, 11. Aufl. 2020, § 27a Rn. 87), auch wenn das Landesrecht dies nicht ausdrücklich bestimmt (vgl. § 5a Satz 2 VwVfGBbg). 25 Die Veröffentlichung der Bekanntmachung und der Unterlagen im Internet ist nicht zwingend angeordnet, sondern ""soll"" erfolgen. Diese Formulierung sollte u.a. dem Umstand Rechnung tragen, ""dass noch nicht alle Behörden über die erforderliche Technik verfügen"" (so LT NRW Drs. 16/5230 S. 43; BT-Drs. 17/12525 S. 9). Der Gesetzgeber stellte damit die Pflicht des § 27a Abs. 1 VwVfG unter den Vorbehalt einer ausreichenden personellen und technischen Ausstattung der Behörde anstatt ihre Befolgung strikt oder im Wege eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses anzuordnen. Er wollte zudem weiteren Umständen Rechnung tragen. Es gäbe Unterlagen, die nicht in brauchbarer Form im Internet dargestellt werden könnten, auch könne der berechtigte Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen einer Veröffentlichung entgegenstehen. Eingang in den Wortlaut des Gesetzes haben diese Überlegungen indes nicht gefunden. § 27a Abs. 1 VwVfG lässt damit die Voraussetzungen einer Internetveröffentlichung in erheblichem Maße ungeregelt und stellt sie unter den Vorbehalt einer ausreichenden Ausstattung der Behörde. Angesichts dessen liegt die Annahme fern, dass Fehler bei der Anwendung des § 27a Abs. 1 VwVfG zur Rechtswidrigkeit des jeweiligen Verwaltungsaktes führen könnten und der Streit um die Voraussetzungen der Norm - etwa: technische Fähigkeit der Behörde oder das Vorliegen schutzwürdiger Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse - Gegenstand gerichtlicher Verfahren werden sollte. 26 Daher erfolgt die Veröffentlichung der Bekanntmachung im Internet nach § 27a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW nur ""zusätzlich"". Die auszulegenden Unterlagen sollen nach § 27a Abs. 1 Satz 3 VwVfG NRW ""auch"" über das Internet zugänglich gemacht werden. Die Veröffentlichung der Bekanntmachung und der Unterlagen im Internet ist also kein integraler Teil der Bekanntmachung oder Veröffentlichung, sondern tritt ergänzend neben diesen Verfahrensschritt. Maßgeblich bleibt nach § 27a Abs. 1 Satz 4 VwVfG NRW der Inhalt der zur Einsicht ausgelegten Unterlagen. Fehlen Sonderregeln, bleibt daher für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes und für die gerichtliche Prüfung die herkömmliche Bekanntmachung ""auf dem Papier"" maßgeblich. 27 Aus § 27a Abs. 2 VwVfG NRW folgt nichts Anderes. Danach ist in der öffentlichen Bekanntmachung die Internetseite anzugeben. Diese Pflicht ergänzt § 27a Abs. 1 VwVfG NRW als Nebenpflicht. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen diese reichen daher nicht weiter als die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Hauptpflicht. 28 bb) Angesichts dessen bedarf keiner Entscheidung, ob der Verfahrensfehler zum Erfolg der Klage führen könnte, obwohl die Klägerin selbst trotz der fehlenden Angabe der Internetseite in der Lage war, die Unterlagen herunterzuladen und für ihre Einwendung zu verwerten (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG; § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dazu Seibert, NVwZ 2019, 337 <344>). 29 2. Die Bekanntmachung der Auslegung im Übrigen und der Umfang der ausgelegten Unterlagen ist nicht zu beanstanden. 30 a) Die Bekanntmachung vom 22. März 2017 weist darauf hin, dass eine Einwendung oder Stellungnahme den geltend gemachten Belang und das Maß der Beeinträchtigung erkennen lassen müsse. Dies ist zulässig (BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2020 - 4 VR 7.19 - juris Rn. 18 insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 11). 31 b) In der Bekanntmachung heißt es: ""Nach Ablauf der Einwendungsfrist sind Einwendungen nach § 43b EnWG i.V.m. § 73 Abs. 4 VwVfG ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Eine Ausnahme vom Präklusionsausschluss kann sich mit Blick auf die Inhalte des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 insbesondere bezogen auf die Schutzgüter entsprechend § 2 Abs. 1 UVPG ergeben."" Dieser Hinweis mag schwer verständlich sein, ist aber nicht verfahrensfehlerhaft. 32 Die Bekanntmachung muss so formuliert sein, dass ein Bürger nicht davon abgehalten wird, sich am Verfahren zu beteiligen. Sie darf aus diesem Grund keine Zusätze enthalten, die geeignet sein könnten, einzelne Bürger von der Einreichung von Stellungnahmen abzuhalten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2021 - 4 BN 50.20 - NVwZ 2021, 1311 Rn. 3). Dafür ist nichts ersichtlich. Die Formulierung ""kann"" deutet zwar mögliche Ausnahmen von der gesetzlich angeordneten und verwaltungsverfahrensrechtlich fortbestehenden Präklusion an, ist aber nicht geeignet, Betroffene von Einwendungen abzuhalten. Dabei ist dem Beklagten zugutezuhalten, dass im Zeitpunkt der Bekanntmachung die Folgen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:​EU:​C:​2015:​683] - (NJW 2015, 3495) noch nicht vollständig geklärt waren, weil das Gesetzgebungsverfahren für das Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29. Mai 2017 (BGBl. I S. 1298) noch nicht abgeschlossen war. Daher war jeder Hinweis auf dieses Urteil und seine Folgen mit Unsicherheiten behaftet. 33 c) Die Kritik der Klägerin bleibt unsubstantiiert, die Bekanntmachung sei fehlerhaft, weil die vorhandenen Stellungnahmen nicht vollständig genannt seien. Nach § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG a.F. hat die zuständige Behörde bei der Bekanntmachung zu Beginn des Beteiligungsverfahrens nach § 9 Abs. 1 UVPG a.F. die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten, welche Unterlagen nach § 6 UVPG a.F. vorgelegt wurden. Welche von der Vorhabenträgerin vorgelegten Unterlagen die Klägerin vermisst, legt sie nicht dar. 34 3. Der Beklagte hat ohne Rechtsfehler von einem Erörterungstermin abgesehen. 35 a) Verwaltungsverfahrensrechtlich gilt für das ergänzende Verfahren im Sinne des § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG NRW nach § 43d Satz 1 EnWG der § 76 VwVfG NRW mit der Maßgabe, dass im Falle des § 76 Abs. 1 VwVfG NRW von einer Erörterung im Sinne des § 73 Abs. 6 VwVfG NRW und des § 18 Abs. 1 Satz 4 UVPG abgesehen werden kann. § 43d Satz 1 EnWG bestimmt damit das für das ergänzende Verfahren maßgebliche Verfahrensrecht (vgl. Deutsch, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 76 Rn. 14 f.). Anders als die Klägerin meint, ist § 43d Satz 1 EnWG nicht auf die Fälle wesentlicher Planänderungen nach § 76 Abs. 1 VwVfG NRW beschränkt. Die in § 43d Satz 1 EnWG geregelte Maßgabe für den Fall einer wesentlichen Planänderung nach § 76 Abs. 1 VwVfG NRW erlaubt es der Planfeststellungsbehörde vielmehr, selbst in Fällen einer wesentlichen Änderung von einem Erörterungstermin abzusehen und beugt Streit um die Frage vor, ob eine Änderung wesentlich ist (vgl. BT-Drs. 16/54 S. 31, 40). Die Norm lässt aber schon nach ihrem Wortlaut nicht den Umkehrschluss zu, dass sie die in § 76 Abs. 2 und 3 VwVfG NRW eröffneten Möglichkeiten beschränken wollte, in Fällen unwesentlicher Änderung von einem neuen Planfeststellungsverfahren nach Absatz 2 abzusehen oder nach Absatz 3 kein Anhörungsverfahren und damit keinen Erörterungstermin nach § 73 Abs. 6 VwVfG NRW durchzuführen. Systematisch läge es fern, in Fällen wesentlicher Planänderungen einen Erörterungstermin für verzichtbar, in Fällen unwesentlicher Planänderungen dagegen für geboten zu halten. 36 Nach § 43d Satz 1 EnWG i.V.m. § 76 Abs. 3 VwVfG NRW bedarf es ferner keines Anhörungsverfahrens und damit keines Erörterungstermins, wenn ein ergänzendes Verfahren nicht auf eine Änderung des regelnden Teils des Plans gerichtet ist. In einem solchen Fall erweist sich § 43d Satz 1 EnWG als Rechtsfolgeverweisung (vgl. BT-Drs. 16/54 S. 25: ""partielle[n] Rechtsgrund- und Rechtsfolgeverweisung""). Das ergänzende Verfahren ist nach § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG NRW darauf gerichtet, erhebliche Mängel der Abwägung oder Verletzungen von Form- und Verfahrensvorschriften zu beheben. Es muss nicht zu einer Änderung des Plans führen. Vielmehr darf der Vorhabenträger in einem ergänzenden Verfahren das Ziel verfolgen, an einer als vorzugswürdig erkannten Gestaltung eines Vorhabens festzuhalten (BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2018 - 4 C 4.17 - BVerwGE 162, 114 Rn. 37). Auch für diese Fälle verweist § 43d Satz 1 EnWG auf § 76 VwVfG NRW, der - gegebenenfalls nach Maßgabe des § 43d Satz 1 EnWG - weder für wesentliche noch für unwesentliche Planänderungen einen Erörterungstermin fordert. Aus systematischer Sicht spricht nichts dafür, hiervon abweichend einen Erörterungstermin zu verlangen, wenn das ergänzende Verfahren nicht auf eine Änderung der planerischen Festsetzungen gerichtet ist. 37 b) Das Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung gebot nicht die Durchführung eines Erörterungstermins. 38 Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 UVPG a.F. hat die zuständige Behörde die Öffentlichkeit zu den Umweltauswirkungen zu beteiligen. Nach Satz 3 der Vorschrift muss das Beteiligungsverfahren den Anforderungen des § 73 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 bis 7 des Verwaltungsverfahrensgesetzes entsprechen. Diese Vorschrift verweist zwar nicht auf die Ausnahmeregelungen des § 76 Abs. 2 und 3 VwVfG und des § 43d Satz 1 EnWG i.V.m. § 76 Abs. 1 VwVfG. § 43a Nr. 4 und § 43d Satz 1 Halbs. 2 EnWG zeigen indes, dass mit einem verwaltungsverfahrensrechtlich zulässigen Unterlassen eines Erörterungstermins zugleich die Notwendigkeit eines Erörterungstermins nach dem Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung entfällt. 39 c) Dieses Ergebnis steht mit Unions- und Völkerrecht in Einklang (vgl. zu § 17a Nr. 5 FStrG BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 9 A 1.14 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 238 Rn. 18), insbesondere gebieten weder Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012 L 26 S. 1, UVP-Richtlinie), zuletzt geändert durch Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014, noch Art. 8 des Übereinkommens vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (BGBl. 2006 II S. 1251, Aarhus-Konvention) eine mündliche Erörterung vor Erlass eines Planfeststellungs- oder -ergänzungsbeschlusses. 40 d) Der Beklagte hat nicht ermessensfehlerhaft von einem Erörterungstermin abgesehen. 41 Der Erörterungstermin dient zur Ermittlung des Sachverhalts und soll möglichst zu einer Einigung mit den Planbetroffenen führen. Hierfür muss die Genehmigungsbehörde eine Prognose im Hinblick darauf anstellen, ob ein Erörterungstermin zu neuen Erkenntnissen führen könnte, die für die Planänderung zur Abhilfe von Abwägungsmängeln von Bedeutung sind (Gaentzsch, FS Sellner, 2010, S. 219 <222>). Die Anhörungsbehörde ist im Sinne der Befriedungsfunktion des Erörterungstermins zudem beauftragt zu entscheiden, ob eine Erörterung geeignet und nötig ist, Konflikte auszuräumen und Gerichte zu entlasten (BR-Drs. 363/05 S. 41 f.; BT-Drs. 16/54 S. 26; BVerwG, Urteile vom 9. Juni 2010 - 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 35 und vom 25. März 2015 - 9 A 1.14 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 238 Rn. 18). 42 Hiervon ausgehend lassen die Erwägungen des Beklagten weder einen Verstoß gegen den Zweck des eingeräumten Ermessens noch ein Überschreiten der gesetzlichen Grenzen erkennen (§ 114 Satz 1 VwGO). Er hat eine Durchführung eines Erörterungstermins zur angemessenen Berücksichtigung der schriftlich dargestellten öffentlichen und privaten Belange bei der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht für erforderlich gehalten. Die Beigeladene habe ausführlich zu den Einwendungen Stellung genommen. Auf dieser Grundlage ergäben sich keine maßgeblichen Änderungen oder Ergänzungen im Hinblick auf das Gesamtvorhaben (PEB S. 24 f.). Auch die weiteren, in diesem Zusammenhang von der Klägerin angeführten Aktenbestandteile lassen nicht erkennen, dass der Beklagte die Möglichkeit eines Erörterungstermins nicht erkannt oder sachwidrige Erwägungen angestellt haben könnte. 43 Die Prognose des Beklagten zu den Chancen eines Erörterungstermins ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Eine Einigung im Erörterungstermin war nicht zu erwarten, insbesondere nicht mit der Klägerin, die sich am umfangreichsten geäußert hatte. Es sprach nichts dafür, dass weitere, im Laufe des seit etlichen Jahren betriebenen Planungsverfahrens nicht erkannte Gesichtspunkte hätten deutlicher werden können. Die Beteiligung der Öffentlichkeit im schriftlichen Verfahren durfte der Beklagte vielmehr für ausreichend halten. Denn die ausgelegten Unterlagen waren - gerade im Vergleich zu anderen Planfeststellungsverfahren - weder besonders umfangreich noch besonders komplex. 44 4. Die Klägerin beanstandet einzelne Feststellungen in der Umweltverträglichkeitsstudie als fehlerhaft oder nicht nachvollziehbar. Damit macht sie keinen Verfahrensfehler im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 oder des § 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG geltend. Verfahrensfehler in diesem Sinne sind nur Verstöße gegen Rechtsvorschriften, welche die äußere Ordnung des Verfahrens, also den Verfahrensablauf als solchen, betreffen (vgl. § 9 VwVfG NRW) (BVerwG, Urteil vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 - BVerwGE 161, 17 Rn. 29 und Beschluss vom 31. Januar 2019 - 4 B 9.17 - juris Rn. 23). Von den einzelnen Verfahrensschritten und ihrer Durchführung zu unterscheiden sind die Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung der Umweltverträglichkeitsprüfung, die vor allem in den § 6 Abs. 2 bis 4, § 11 UVPG a.F. bzw. den §§ 16, 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 3 UVPG ihren Niederschlag finden. Hierunter fällt auch die nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 UVPG a.F. angeordnete Variantenprüfung, deren Ergebnis und Verarbeitung im Ergänzungsbeschluss die Klägerin für rechtswidrig hält. 45 II. Einen Verstoß gegen zwingendes Recht zu ihren Lasten zeigt die Klägerin nicht auf. Sie beanstandet einen Verstoß gegen § 4 Abs. 3 Satz 1 der 26. BImSchV. Danach dürfen Niederfrequenzanlagen zur Fortleitung von Elektrizität mit einer Frequenz von 50 Hertz und einer Nennspannung von 220 Kilovolt oder mehr, die in einer neuen Trasse errichtet werden, Gebäude oder Gebäudeteile nicht überspannen, die zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Die Klägerin zeigt weder auf, welche Gebäude oder Gebäudeteile, die zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, von der Leitung überspannt sein sollen, noch, dass insoweit ihre Rechte als Eigentümerin beeinträchtigt sein könnten. Ob § 4 Abs. 3 Satz 1 der 26. BImSchV angesichts der Übergangsvorschrift des Satz 2 zu beachten war, bedarf keiner Entscheidung. 46 III. Die Abwägungsentscheidung verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten. Der Beklagte hat sich ohne Rechtsfehler zu ihren Lasten für den planfestgestellten Verlauf entschieden. 47 1. Nach § 43 Abs. 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Februar 1975 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63 f.> und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 73). 48 Bestehen keine rechtlich zwingenden Vorgaben, ist die Auswahl unter verschiedenen Trassenvarianten eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Die Ausübung der planerischen Gestaltungsfreiheit unterliegt rechtlichen Bindungen: Die Wahl einer Trassenvariante ist rechtsfehlerhaft, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen. Anders als der Beklagte meint, ist die gerichtliche Kontrolle aber nicht auf das Abwägungsergebnis beschränkt. Die Abwägungsentscheidung ist vielmehr auch fehlerhaft, wenn der Planungsbehörde in Folge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <11> und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 82). 49 2. Der Beklagte hat es abgelehnt, die Trasse westlich der Bl. 2388 in dem Korridor der Variante B 2, insbesondere an dessen östlichen Rand, zu führen. Dies unterliegt nach Maßgabe des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO gerichtlicher Kontrolle. 50 a) Einer gerichtlichen Kontrolle steht die Rechtskraft des Senatsurteils vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - (BVerwGE 148, 353) nicht entgegen. 51 Erklärt ein Gericht einen Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar, steht mit der Rechtskraft dieses Urteils zwischen den Beteiligten (auch) bindend fest, dass der Planfeststellungsbeschluss über die Beanstandung des Gerichts hinaus nicht an weiteren Fehlern leidet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - BVerwGE 149, 31 Rn. 28, vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 39 und vom 24. Mai 2018 - 4 C 4.17 - BVerwGE 162, 114 Rn. 45). Der Planfeststellungsbeschluss vom 7. November 2012 hatte bereits eine Führung der Leitung westlich der Leitung Bl. 2388 abgelehnt (PFB S. 53). Die Klägerin war dem nicht substantiiert entgegengetreten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2013 - 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 25). Der erkennende Senat hat die Trassenwahl in seinem Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - (BVerwGE 148, 353) nicht beanstandet. Dennoch unterliegt die Abwägung durch den Planergänzungsbeschluss insoweit der gerichtlichen Kontrolle. Wie die Reichweite der Rechtskraft eines Feststellungsurteils im Planfeststellungsrecht im Einzelnen abzugrenzen ist, bedarf keiner Entscheidung (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 4. Juni 2020 - 7 A 1.18 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 18 Rn. 32). Denn die im Rahmen der nachgeholten Umweltverträglichkeitsprüfung getroffenen Feststellungen und Bewertungen waren in einer erneuten Zulassungsentscheidung zu würdigen. Diese Würdigung musste ergebnisoffen durchgeführt werden und ist ihrerseits mit Rechtsbehelfen angreifbar (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 45). Die auf der Grundlage einer nachgeholten Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommene Abwägung muss also einer gerichtlichen Abwägungskontrolle standhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2018 - 4 C 4.17 - BVerwGE 162, 114 Rn. 37). Die Klägerin kann aus den vorgenannten Gründen auch rügen, dass ihre Planungshoheit unzureichend berücksichtigt worden ist, obwohl der Senat eine Verletzung ihrer Planungshoheit in seinem Urteil vom 17. Dezember 2013 (ebd. Rn. 61) verneint hat. 52 b) Die gerichtliche Kontrolle der Abwägung muss die Struktur der behördlichen Entscheidung berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 114). Der Beklagte hat für die Variante B 2 einen etwa 300 m breiten Korridor in den Blick genommen. Dies ist ungewöhnlich. 53 Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass ein solches Vorgehen zu Fehleinschätzungen führen kann. Dies zeigt die Abwägungsentscheidung zu Variante B 2 augenfällig: Beeinträchtigungen denkmalgeschützter Hoflagen mögen bei einer Führung am westlichen Rand des Korridors abwägungserheblich sein, ihnen kommt bei einer Führung am östlichen Rand dagegen keine Bedeutung zu. Ebenso entfällt der Bündelungseffekt mit der Bl. 2388 vollumfänglich am westlichen Rand des Korridors, während er am östlichen Rand möglicherweise - ganz oder zu einem Teil - erreicht werden kann. Die Beeinträchtigungen von Leitungen etwa der Gas- oder Wasserversorgung können je nach Lage der Trasse im Korridor unterschiedliches Gewicht haben oder ganz entfallen. Auch die Vorteile einer Alternative können falsch eingeschätzt werden: So wird am westlichen Rand des Korridors der Varianten B 2 die Ortslage der Klägerin deutlich stärker entlastet als bei einer Führung an dessen östlichen Rand in der Nähe der Bl. 2388. 54 Rechtlich ausgeschlossen ist die Betrachtung eines Korridors nicht. Abwägungsfehlerfrei ist eine solche Prüfung aber nur, wenn die angeführten Gründe geeignet sind, alle ernsthaft in Betracht kommenden Varianten innerhalb des Korridors abzulehnen. Dies gilt besonders für die von der Klägerin geforderte Variante B 2 (Ost), die ""gespiegelt"" – also im gleichen Abstand wie die planfestgestellte Leitung - oder jedenfalls möglichst nahe an der Bl. 2388 geführt wird. Denn auch die Klägerin räumt ein, dass am westlichen Rand des Korridors die Bündelung mit der Bl. 2388 entfällt, die Leitung dort länger wäre und in weitem Umfang bisher nicht in Anspruch genommene Flächen benötigt würden. 55 c) § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO begrenzt die gerichtliche Abwägungskontrolle. 56 Die Klägerin als von der Fachplanung betroffene Gemeinde ist auf die Rüge von Vorschriften beschränkt, die ihrem Schutz dienen. Weder die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgte Selbstverwaltungsgarantie und Planungshoheit noch das zivilrechtliche Eigentum an den Grundstücken, die durch das planfestgestellte Vorhaben in Anspruch genommen werden, vermitteln ihr einen Anspruch auf Vollüberprüfung des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 23 und vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 13). Sie ist hinsichtlich des Abwägungsgebots grundsätzlich darauf beschränkt, eine fehlerhafte Abwägung ihrer eigenen Belange zu rügen. Eine Gemeinde kann sich weder zum Kontrolleur anderer staatlicher Behörden in Bezug auf die Wahrung des objektiven öffentlichen Rechts aufschwingen noch als Sachwalterin von Rechten Dritter bzw. des Gemeinwohls Belange ihrer Bürger vertreten (stRspr, BVerwG, Urteile vom 28. November 2017 - 7 A 13.17 - NVwZ 2018, Beilage Nr. 1, 19 Rn. 53 und vom 23. Juni 2021 - 7 A 10.20 - juris Rn. 24). Warum sich aus dem Recht der Europäischen Union etwas Anderes ergeben sollte, ist nicht ersichtlich. Denn § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO steht mit dessen Vorgaben in Einklang (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 - NJW 2015, 3495 Rn. 34). 57 Die gerichtliche Abwägungskontrolle ist damit auf die Prüfung beschränkt, ob die eigenen, planfeindlichen Belange der Klägerin ausreichend ermittelt und bewertet worden sind und die für die Trassierung sprechenden, planstützenden Belange so ausreichend ermittelt und bewertet sind, dass der Beklagte ihnen vor den Belangen der Klägerin den Vorrang einräumen durfte. 58 3. Der Beklagte hat die dem Vorhaben entgegenstehenden Belange der Klägerin erkannt und hinreichend berücksichtigt. Diese sind von eher untergeordnetem Gewicht. 59 a) Der Beklagte hat festgestellt, dass es auf den im Eigentum der Klägerin stehenden und als Spielplatz genutzten Grundstücken ..., Flur ..., Flurstücke ... zu einer elektrischen Feldstärke von 2,8 kV/m kommt (PEB S. 47), die magnetische Flussdichte wird mit 16 µT prognostiziert (UVS S. 106). Diese Einwirkungen sind nicht belanglos. Sie bleiben aber deutlich unterhalb der sich aus § 3 Abs. 2 Satz 1 der 26. BImSchV i.V.m. Anhang 1a ergebenden Grenzwerte von 5 kV/m und 100 µT, die für solche Orte gelten, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Immissionen in der prognostizierten Höhe stehen einer Leitungstrasse nicht entgegen, sondern konnten - wie geschehen (PEB S. 47) – im Wege der Abwägung überwunden werden. Dass dem Spielplatz wegen seiner baulichen Gestaltung oder seiner Lage ein besonderes Gewicht zukommen müsste, macht die Klägerin nicht geltend. 60 Für die Trasse werden Flächen im Kleingartengebiet T. durch Überspannung und einen Maststandort in Anspruch genommen. Dieser Nutzung kam in der Abwägung nur untergeordnete Bedeutung zu. Kleingärten dienen nicht dem dauernden Wohnen (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 BKleingG), sondern nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf und zur Erholung. Ein abwägungserheblicher Belang auf Schutz des Wohnumfeldes steht daher weder ihren Nutzern noch dem Eigentümer zu. Die Klägerin zeigt im Übrigen nicht auf, in welcher Weise sie die Zwecke der Kleingartenanlage durch die Leitung vereitelt sieht, worin die hohe Bedeutung für die umliegenden Wohngebiete liegen soll und warum sie in dieser Funktion durch die planfestgestellte Leitung nachhaltig beeinträchtigt wird. 61 Dem Interesse an gänzlicher Vermeidung einer Mehrbelastung durch elektromagnetische Felder der Grundstücke kommt zudem ein geringeres Gewicht zu, weil sowohl der Kinderspielplatz als auch die Kleingartenanlage in Kenntnis der Überschneidung mit dem Schutzstreifen von Höchstspannungsfreileitungen errichtet bzw. erweitert wurden. Denn die Schutzwürdigkeit eines Grundstücks wird dadurch erheblich gemindert, dass die schutzwürdige Nutzung nach Errichtung einer Hochspannungsleitung in deren Einwirkungsbereich begründet wird. Das Interesse an der Vermeidung einer Mehrbelastung kann aus diesem Grund hinter anderen abwägungsrelevanten Belangen zurückstehen (BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 7 VR 4.10 - UPR 2011, 26 Rn. 40). 62 b) Die Klägerin zeigt nicht auf, dass gemeindliche Planungen unzureichend berücksichtigt worden sein könnten. 63 Die dem Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zuzuordnende gemeindliche Planungshoheit vermittelt eine wehrfähige, in die Abwägung einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn das Vorhaben nachhaltig eine bestimmte Planung der Gemeinde stört, wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder gemeindliche Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Darüber hinaus muss die Planfeststellungsbehörde auf noch nicht verfestigte, aber konkrete Planungsabsichten einer Gemeinde abwägend dergestalt Rücksicht nehmen, dass durch die Fachplanung von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötigerweise ""verbaut"" werden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 6. September 2018 - 3 A 15.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 85 Rn. 28 und vom 15. Oktober 2020 - 7 A 10.19 - juris Rn. 39 f.). Die Klägerin hat derartige Beeinträchtigungen ihrer Planungshoheit nicht aufgezeigt. Sie rügt zwar die Beeinträchtigung vorhandener oder durch Planung ausgewiesener Wohngebiete. Eine nachhaltige Beeinträchtigung ist aber nicht ersichtlich, weil die maßgeblichen Grenzwerte eingehalten werden und die Wohngebiete nach Errichtung der Höchstspannungsfreileitungen geplant und verwirklicht worden sind. 64 Die Planung im Bereich des ""Campus F."" und die Realisierung des dortigen Bebauungsplans Nr. 653 (jetzt 795) (vgl. UVS S. 155) stört die planfestgestellte Trasse nicht nachhaltig. Dies haben der 7. Senat (Beschluss vom 28. Februar 2013 - 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 23) und der erkennende Senat (Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 61) bereits ausgesprochen. Die Klägerin macht nicht geltend, dass diese Einschätzung durch die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung in Zweifel gezogen sein könnte. Die von ihr geforderte Trassenführung im Korridor der Variante B 2 betrifft diesen Bereich ohnehin nicht. 65 c) Einwirkungen elektromagnetischer Felder auf trassennahe Wohngebiete sind kein abwägungserheblicher Belang der Klägerin. Die Anforderungen des Immissionsschutzrechts an den Schutz der Wohnbevölkerung vor Immissionen dienen dem allgemeinen öffentlichen Interesse und dem Schutz Betroffener und sind nicht dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht zugeordnet (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 17). 66 d) Die Trasse nimmt Grundstücke in Anspruch, die im Eigentum der Klägerin stehen, sowohl durch Maststandorte als auch durch Schutzstreifen, die durch Dienstbarkeiten gesichert werden. 67 Die Klägerin kann verlangen, dass die Beschränkungen ihres privatrechtlichen Eigentums in der Abwägung berücksichtigt werden. Sie hat indes selbst nicht gerügt, dass ihre privatrechtliche Position als Eigentümerin hinsichtlich aller betroffenen Grundstücke in die Abwägung unzureichend Eingang gefunden hätte. Dies ist auch nicht ersichtlich, weil für das Vorhaben vorrangig Grundflächen der öffentlichen Hand in Anspruch zu nehmen sind (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Juli 2009 - 1 BvR 2187/07 u.a. - NVwZ 2009, 1283 <1286>; BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 - 4 CN 6.01 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 111 S. 37). Darauf weist die Klägerin im Zusammenhang mit der Abwägung von Trassenalternativen selbst hin. 68 e) Die Klägerin macht geltend, die Beeinträchtigungen der in ihrem Eigentum stehenden und zum Wohnen genutzten Grundstücke auf der Westseite der Straße ... seien in der Abwägung unzureichend berücksichtigt worden. 69 aa) Die Klägerin kann als Grundeigentümerin verlangen, dass die Belastung ihrer Grundstücke mit einer Dienstbarkeit in der Abwägung hinreichend Beachtung findet. Der Senat unterstellt zu ihren Gunsten, dass sie auch Störungen des Wohnumfeldes - etwa durch visuelle Beeinträchtigungen - oder den Schutz vor Immissionen elektromagnetischer Felder als eigene Belange geltend machen kann, obwohl die Grundstücke mit Erbbaurechten belastet sind und auch die Erbbauberechtigten diese Beeinträchtigungen rügen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 1988 - 1 BvR 1301/84 - BVerfGE 79, 174 <191>; BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 16). 70 bb) Die betroffenen Belange haben ein gewisses Gewicht. Dass der Inhalt der Dienstbarkeiten die Nutzung der Gartengrundstücke wesentlich erschweren könnte, macht die Klägerin aber nicht geltend. Der Betrieb der Leitung führt zu Immissionen durch elektromagnetische Felder, diese bleiben jedoch prognostisch deutlich unterhalb der Grenzwerte der 26. BImSchV. 71 Die Klägerin rügt darüber hinaus Störungen des Wohnumfeldes durch die Sichtbarkeit der Leitungen. 72 Soweit sie eine Beweiserhebung durch Einnahme des Augenscheins oder Sachverständigengutachten zu den Wohngebieten entlang der G.straße und der Straßen ""..."" und ""..."" beantragt hat, ist nicht erkennbar, warum dies zur Ermittlung ihrer eigenen Belange erforderlich sein könnte. Insoweit, aber auch hinsichtlich der Straße F. liegen Bilder und Karten vor. Die Klägerin zeigt nicht auf, warum das Material nicht ausreichen sollte, um dem Senat eine Bewertung der Situation zu ermöglichen und es deswegen einer Inaugenscheinnahme oder eines Sachverständigengutachtens bedürfen könnte (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. Dezember 2008 - 4 BN 26.08 - ZfBR 2009, 277 <278> und vom 30. Juni 2014 - 4 B 51.13 - BauR 2014, 1763 <1764>). 73 cc) Das Gewicht der Belange wird durch die Vorbelastung wesentlich gemindert. Die Wohngebäude sind nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ab den 1960er Jahren entstanden und damit an die bestehende Leitung Bl. 2339 herangebaut worden. Die Klägerin hat dazu beigetragen, dass sich die Wohnbebauung den Höchstspannungsfreileitungen angenähert hat. 74 Der Ergänzungsbeschluss durfte die Vorbelastung durch die Bl. 2339 berücksichtigen (vgl. PEB S. 96). Die Planfeststellungsbehörde ist verpflichtet, in ihrer Abwägung tatsächliche und rechtliche Vorbelastungen in den Blick zu nehmen und zu bewerten (BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1998 - 11 A 3.98 - BVerwGE 107, 350 <357> und Beschluss vom 26. September 2013 - 4 VR 1.13 - UPR 2014, 106 Rn. 57), ohne dass sie sich in der Abwägung zwingend für eine vorbelastete Trasse entscheiden müsste (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 35 a.E.). Die Vorbelastung reduziert im Grundsatz die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Schutzgüter aufgrund des bisherigen tatsächlichen Zustands und deren Gewicht in der Abwägung. Wenngleich der Planergänzungsbeschluss die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts falsch wiedergibt (PEB S. 96 f.), nimmt er im Ergebnis zutreffend eine Vorbelastung an. Insbesondere schließt der Wegfall der plangegebenen Vorbelastung die Berücksichtigung der tatsächlichen Vorbelastung als Abwägungselement nicht aus, welche die Situationsgebundenheit der betroffenen Grundstücke mitbestimmt. Denn die tatsächliche Gebietsprägung entfällt nicht durch die Veränderung der rechtlichen Situation (Rubel, DVBl 2017, 585 <589 f.>). Dies gilt auch hinsichtlich der Schutzstreifen. Obwohl für die Leitung neue Schutzstreifen begründet werden sollen, lässt dies die faktische Vorbelastung durch Schutzstreifen für eine frühere Leitung unberührt. Zu einer neuen Belastung kommt es nur dort, wo bisher keine Schutzstreifen ausgewiesen waren oder vorhandene Schutzstreifen aufgeweitet werden müssen (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 54). 75 Die Klägerin macht geltend, die Vorbelastung durch die Bl. 2339 sei entfallen, weil diese Leitung im Jahr 2012 seit vier Jahrzehnten außer Betrieb gewesen sei; sie habe bei Mast 37 - westlich des Edelstahlwerks - geendet. Diese Behauptungen sind nicht beweisbedürftig, nachdem weder der Beklagte noch der Beigeladene ihnen widersprochen haben. Dass die Leitung über einen längeren Zeitraum nicht betrieben worden ist, lässt die Vorbelastung nicht entfallen. Maßgebend für die Vorbelastung ist das tatsächliche Vorhandensein einer Leitung. Diese wirkt auf das Landschaftsbild ein, das Wohnumfeld wird gerade durch die Sichtbarkeit einer Leitung als gestört empfunden, während die Wirkungen des Betriebs - etwa Immissionen durch elektromagnetische Felder, Geräusche - dahinter deutlich zurücktreten. Dies ist dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt. Auch die Klägerin sieht das Wohnumfeld gerade durch visuelle Beeinträchtigungen der neuen Leitung gestört. Dass die Leitung in ihren wesentlichen Teilen bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses noch vorhanden war, hat die Klägerin nicht in Frage gestellt. Sie behauptet den ""Beginn der Demontage"" – wohl der Leiterseile –, ohne dies räumlich oder sachlich näher zu beschreiben oder darzulegen, zu welchem konkreten Zeitpunkt die Demontage von Leiterseilen offenkundig geworden ist. Ihre Angabe, die Leitung sei ""etwa 2012"" abgebaut worden, behauptet nicht substantiiert eine Demontage vor dem im November 2012 erlassenen Planfeststellungsbeschluss. 76 Die Klägerin hat unter Beweis gestellt, dass den Anwohnerinnen und Anwohnern bekannt gewesen sei, dass die Leitung Bl. 2339 seit vier Jahrzehnten außer Betrieb gewesen sei, an Mast 37 geendet habe und mit der Demontage dieser Freileitung bereits vor Beginn des Planfeststellungsverfahrens begonnen worden sei. Damit ist keine dem Beweis zugängliche Tatsache benannt. Es ist nicht erkennbar, die Kenntnis welcher Personen ermittelt werden soll und welchen Zeitpunkt die Klägerin insoweit für maßgeblich hält. Die Behauptung ist darüber hinaus ins Blaue hinein aufgestellt. Die Klägerin hat keine Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, warum die Zeugen in der Lage sein könnten, über innere Tatsachen anderer Personen Auskunft zu geben; der Verweis auf einen Zeitungsartikel genügt insoweit nicht. Es kommt auf die Behauptung im Übrigen nicht an. Denn für die Vorbelastung war das tatsächliche Bestehen der Leitung maßgeblich, weder die Einstellung des Betriebes noch die Kenntnis davon. 77 4. Der Planergänzungsbeschluss hat die Belange der Klägerin ohne Rechtsfehler zu deren Lasten hintangestellt. Die für den planfestgestellten Verlauf der Leitung angeführten Gründe erweisen sich als noch ausreichend ermittelt und hinreichend tragfähig, um ihnen in der Abwägung Vorrang vor den Belangen der Klägerin zu geben. Eine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle der Abwägungsentscheidung kann die Klägerin dagegen nicht verlangen. 78 a) Der planfestgestellte Trassenverlauf - in einem Abstand von etwas weniger als 40 m parallel und im Gleichschritt zu der fortbestehenden Hoch- und Höchstspannungsleitung St. Tönis - Osterath, Bl. 2388 - erzielt einen Bündelungseffekt. Er verwirklicht damit das Gebot, linienförmige Infrastrukturen zu bündeln, das in verschiedenen Vorschriften des Planungsrechts Ausdruck gefunden hat (vgl. etwa § 1 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG, ferner § 2 Abs. 2 Nr. 2 ROG; vgl. auch 8.2-1 Landesentwicklungsplan NRW 2017) (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 35). Sinn und Zweck des Bündelungsgebots ist der Schutz von Natur und Landschaft vor weiterer Zerschneidung und deren Folgen für den Naturhaushalt und das Landschaftsbild sowie die Vermeidung weiterer Flächeninanspruchnahme (BVerwG, Beschluss vom 15. September 1995 - 11 VR 16.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 6 S. 7; OVG Münster, Urteil vom 24. August 2016 - 11 D 2/14.AK - juris Rn. 178). Inwieweit bei einer Parallelführung noch von einer Bündelung ausgegangen werden kann, hängt im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalls ab. Hierbei ist neben naturräumlichen Gegebenheiten auch die Breite der Schutzabstände der vorhandenen Infrastruktur zu berücksichtigen. 79 Der Planergänzungsbeschluss hat der Variante B 2 einen Bündelungseffekt abgesprochen (PEB S. 95). Für Trassenverläufe im westlichen Bereich des Trassenkorridors B 2 trifft dies zu. Der Planfeststellungsbeschluss durfte aber auch einen Verlauf am östlichen Rand des Trassenkorridors B 2 in dieser Hinsicht als nachteilig bewerten. Die Klägerin reklamiert für diese Variante einen Bündelungseffekt, wenn die Trasse ""gespiegelt"" zur geplanten Trasse auf der westlichen Seite der Leitung Bl. 2388 geführt würde. Nach den Plankarten verlaufen auf der von der Klägerin geforderten Trasse die Rohwasserleitung/SWK-Energie (Rohwasserleitung DN 500 GGG) und die Wasserleitung/SWK-Energie (DN 600 GGG); diese wahren einen Abstand zur Trassenachse der Bl. 2388 von 30 bis 38 m und verlangen einen eigenen Schutzstreifen von 9,5 m. 80 Die Klägerin geht - insoweit in Übereinstimmung mit den übrigen Beteiligten - davon aus, dass bei einer parallelen Führung von Rohrleitungen und Höchstspannungsfreileitungen technische Mindestabstände empfohlen werden. Ihre Behauptung, die Freileitung könne bei Wahrung der technischen Empfehlungen in einem Abstand von 35 m westlich der Bl. 2388 und damit auf der Wasserleitung errichtet werden, ist ins Blaue hinein aufgestellt. Die Klägerin hat sie auch nicht durch Erkundigungen bei ihren Stadtwerken untermauert. Hiervon unabhängig ist nicht ersichtlich, warum eine solche, handgreiflich fernliegende Lösung in die Abwägung hätte eingestellt werden müssen, selbst wenn sie nicht nach jeder Betrachtungsweise ausscheiden sollte. 81 Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Errichtung der Leitungsachse der Bl. 4571 in einem Abstand von 50 m zur Bl. 2388 den einschlägigen technischen Empfehlungen widerspricht. Ausgehend von einem Abstand der Wasserleitungen von etwa 35 m zur östlich verlaufenden Bl. 2388 müsste eine westlich parallel errichtete Leitung in einem Abstand von 15 m den empfohlenen Mindestabstand unterschreiten, den auch die Klägerin mit 20 m angibt. Nach den unwidersprochenen Angaben der Beigeladenen bezeichnet die als Bezugspunkt des Mindestabstandes angegebene Masterdung den äußeren Rand des Mastfußes. Dieser hat zur Mastachse, darauf weist die Klägerin zutreffend hin, einen Abstand von 5 m. Dies würde den empfohlenen Abstand auf 60 m erhöhen. Damit könnte das Ziel einer Bündelung schlechter erreicht werden als mit der planfestgestellten Variante. Ob man einer solchen Variante den Bündelungseffekt in Gänze abspricht, ist nachrangig und hängt davon ab, ob der Schutz des Landschaftsbildes oder das Ziel sich überschneidender Schutzstreifen in den Vordergrund gerückt wird. 82 Der Senat hatte keinen Anlass, der Beweisbehauptung nachzugehen, die Leitung könne in einem Abstand von 50 m westlich der Bl. 2388 errichtet werden. Nach Auffassung der Klägerin kann ein solcher Abstand gewahrt werden, wenn die Planung nach einer Prüfung des Einzelfalls die empfohlenen Abstände unterschreitet. Der Beklagte durfte sich indes auf Varianten beschränken, die den technischen Abstandsempfehlungen entsprachen. Er war nicht gehalten, zur Schonung der Belange der Klägerin ein Unterschreiten technischer Empfehlungen zu prüfen, die Alternativtrasse soweit als möglich an die Wohnbebauung heranzuführen und damit die angestrebte Entlastung zu einem gewissen Teil wieder zu vermindern. Hiervon unabhängig hätte eine im Abstand von 50 m geführte Trasse einen geringeren Bündelungseffekt als die planfestgestellte Variante. 83 Zwar verschwenken die Wasserleitungen bei Mast 4 der Bl. 2388 nach Westen und verlaufen mit jeweils geringen Abständen zwischen Mast 3 der Bl. 2388 und Mast 22 der Bl. 4571. Diese Konfliktsituation im nördlichen Bereich betrifft aber nur ein kürzeres Teilstück. Dass Abstandsempfehlungen im Bestand unterschritten werden, gibt zudem keinen Anlass, bei der Planung einer Trasse auf einer längeren Teilstrecke von technischen Empfehlungen abzuweichen. 84 b) Angesichts der technischen Hindernisse für eine ""gespiegelte"" Variante ist die Erwägung nicht zu beanstanden, dass eine Trasse im Korridor der Variante B 2 mehr Flächen in Anspruch nähme, die bislang nicht durch Schutzstreifen belastet sind. Denn eine solche Trasse müsste von der Wasserleitung und damit zugleich von der Bl. 2388 abrücken, so dass die in Anspruch genommene Fläche vergrößert würde. 85 Der Senat hat keinen Anlass, der Behauptung der Klägerin nachzugehen, dass die Variante B 2 nicht länger als die planfestgestellte Trasse sei. Die Klägerin legt schon nicht dar, ob diese Behauptung für alle im Trassenkorridor B 2 gelegenen Varianten gelten soll, für die von ihr favorisierte ""gespiegelte"" Variante oder für eine Variante, die sich unter Einhaltung technischer Empfehlungen soweit als möglich der Leitung Bl. 2388 annähert. Die Behauptung setzt sich auch nicht mit den Darlegungen der Beigeladenen zur Anbindung von Mast 22 einer ""gespiegelten"" Variante an Mast 65 oder 66 der Bl. 4539 auseinander, die bereits Gegenstand des Eilverfahrens gewesen ist (BVerwG, Beschluss vom 28. März 2020 - 4 VR 5.19 - Rn. 42). Es kommt auf die unter Beweis gestellte Tatsache aber auch nicht an: Denn der Planergänzungsbeschluss (PEB S. 94 f.) hält der Variante B 2 nicht die größere Länge entgegen, sondern die dadurch bewirkte ""umfangreichere Flächeninanspruchnahme, darunter auch von bislang unbelasteter Fläche"" (PEB S. 94), also die ""erstmaligen Grundstücksbetroffenheiten"" (PEB S. 95). Diese Nachteile einer im Trassenkorridor der Variante B 2 verlaufenden Trasse sind von einem Längenvergleich unabhängig. 86 c) Der Ergänzungsbeschluss befasst sich ohne Rechtsfehler zu Lasten der Klägerin mit den technischen Schwierigkeiten der Variante B 2. 87 aa) Die Beigeladene hat unter Hinweis auf die Situation am Punkt St. Tönis plausibel gemacht, dass die dortige Anbindung an die Bl. 4539 und die Bl. 4540 die Errichtung neuer, weil tragfähigerer Masten erfordert und zu einer Verlängerung der Leitung führt. Dem ist die Klägerin nach dem Eilbeschluss des Senats nicht mehr entgegengetreten. Dass eine Einbindung der Bl. 4571 an den Punkt St. Tönis technisch möglich ist, wenn die Variante B 2 parallel zur Bl. 2388 geführt würde, bedarf keines Beweises, weil weder der Beklagte noch die Beigeladene diese Möglichkeit bestreiten. Die weiter unter Beweis gestellte Behauptung, es komme dort nicht zu Masterhöhungen, ist ins Blaue hinein aufgestellt und setzt sich mit der Kreuzung mit der Bl. 2388 bei Mast 2a nicht auseinander. Hiervon unabhängig geht der Vortrag daran vorbei, dass die Beigeladene weitere technische Hindernisse im Bereich St. Tönis ins Feld führt, namentlich den Neubau eines Mastes der Bl. 4539 und des Mastes Nr. 53 der Bl. 4540, die zusätzlich erforderlich wären. Ob auch Masten demontiert würden, spielt insoweit keine Rolle. 88 bb) Die Beigeladene hat erläutert, dass es bei einer Kreuzung der Leitung Bl. 2388 zwischen den Masten 15 und 16 zu einer Erhöhung der Masten um 17 m bzw. 14 m kommen müsste und auf die Schwierigkeiten einer schleifenden Kreuzung verwiesen. Es bedürfe einer Erhöhung, weil anderenfalls die Leiterseile der untersten Traverse der Bl. 4571 auf der gleichen Höhe wie die obersten Leiterseile der Bl. 2388 verliefen. Die Kreuzungssituation bei den niedrigeren Masten 13 und 14 lässt sich dem nicht entgegenhalten, weil die dort gekreuzte Leitung - ein Abzweig der Bl. 2388 - bereits im Bestand niedriger verläuft. 89 Die Klägerin bestreitet die Notwendigkeit einer Erhöhung. Ihre Beweisbehauptung, im Bereich der Masten 8 bis 10 der Bl. 2388 sei eine Überquerung der Freileitung durch die gegenständliche Freileitung technisch möglich, ohne die Masten 15 bis 17 gegenüber der planfestgestellten Variante zu erhöhen ist ins Blaue hinein aufgestellt. Sie steht im Widerspruch zu ihrem Vorbringen als Trägerin öffentlicher Belange im Aufstellungsverfahren, dass es zu einer ""gewissen Erhöhung"" (Einwendungsschreiben vom 6. Juli 2017, S. 19) kommen werde. Allerdings hat die Klägerin geltend gemacht, der Konflikt könne durch Umbaumaßnahmen an der Bl. 2388 gelöst werden, indem diese niedriger oder ihre Leiterseile ""straffer"" geführt würden. Ob diese Möglichkeit besteht, bedarf keiner Entscheidung. Denn die Abwägung der technischen Varianten durfte sich auf Varianten der planfestgestellten Trasse beschränken und musste sich nicht auf Umbaumaßnahmen an anderen Leitungen erstrecken, die ihrerseits - wie Masterhöhungen - erkennbar mit erheblichem Aufwand verbunden sein würden. 90 d) Hinsichtlich der weiteren von der Klägerin gerügten Abwägungsmängel verweist der Senat auf die Erwägungen des Eilbeschlusses vom 28. März 2020 - 4 VR 5.19 - (Rn. 47 f. [Hoflagen, Denkmalschutz], Rn. 49 [Wasserschutzgebiete]). Es kommt aus den Gründen des Eilbeschlusses nicht auf die Frage an, ob einer Variante im Korridor B 2 zwingendes Artenschutz- oder Raumordnungsrecht entgegenstände (ebd. Rn. 51). 91 e) Es bedurfte keiner weiteren oder vertieften Ermittlungen der Planfeststellungsbehörde, um die Belange der Klägerin zu überwinden. Denn eine Variante B 2 (Ost) hätte nur geringe Vorteile für die Klägerin. 92 Zwar wäre die Belastung mit Schutzstreifen entfallen, dafür wären aber andere Grundstücke in Anspruch genommen worden. Vollständig entfallen wären die Immissionen elektromagnetischer Felder auf die im Eigentum der Klägerin stehenden und zum Wohnen genutzten Grundstücke an der F., die indes auch bei der planfestgestellten Variante unterhalb der Grenzwerte verbleiben. Zudem wäre zwar das Wohnumfeld durch die geringere Sichtbarkeit der Leitung entlastet, es wäre indes weiterhin durch die Nähe zu Höchstspannungsfreileitungen geprägt. Denn die im Bestand verbleibende Leitung Bl. 2388 verläuft in 80 m Entfernung zu den Wohngebäuden und 60 m Entfernung zur Grundstücksgrenze. Auch die Bl. 4571 hätte weiterhin auf die Wohngrundstücke eingewirkt, wenn sie - wie von der Klägerin angedacht - in einem möglichst engen Verbund mit der Bl. 2388 auf deren westlicher Seite geführt würde. Einer Entlastung der Situation am Spielplatz in B. und in der Kleingartenanlage kommt nur geringes Gewicht zu. 93 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2021-68,26.10.2021,"Pressemitteilung Nr. 68/2021 vom 26.10.2021 EN Räumliche Abgrenzung des Netzgebiets der allgemeinen Versorgung im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes § 36 Abs. 1 Satz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) erlegt Energieversorgungsunternehmen für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, bestimmte Pflichten auf. Grundversorger in diesem Sinne ist nach § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG jeweils das Energieversorgungsunternehmen, das die meisten Haushaltskunden in einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung beliefert. In räumlicher Hinsicht entspricht ein solches Netzgebiet jeweils dem Gebiet, für das ein Vertrag im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 1 EnWG zwischen einem Energieversorgungsunternehmen und der Gemeinde über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen besteht, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet gehören (Konzessionsvertrag). Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, betreibt das Stromnetz in einer baden-württembergischen Gemeinde und hat mit ihr drei Konzessionsverträge geschlossen, die jeweils für bestimmte Teile des Gemeindegebiets gelten. Mit dem angefochtenen Bescheid stellte das Umweltministerium des beklagten Landes die Klägerin als Grundversorger für die Jahre 2019 bis 2021 in einem der erwähnten drei Teile des Gemeindegebiets fest. Für die beiden übrigen Teile wurden die im Verfahren beigeladenen weiteren Energieversorgungsunternehmen als Grundversorger festgestellt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen diesen Bescheid abgewiesen. Unter einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung sei das Gemeindegebiet oder ein Teil davon zu verstehen, in dem ein Netz auf der Grundlage eines Konzessionsvertrages betrieben werde (Konzessionsgebiet). Entsprechend der in den drei Netzgebieten jeweils gegebenen Zahl von Haushaltskunden der Klägerin und der Beigeladenen sei die angefochtene Feststellung rechtmäßig. Das Bundesverwaltungsgericht hat die verwaltungsgerichtliche Auslegung des Begriffs des Netzgebiets der allgemeinen Versorgung bestätigt. Dem Willen des Gesetzgebers zufolge ist der Grundversorger nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Sie ergeben sich im Hinblick auf die räumliche Abgrenzung aus der Systematik des Energiewirtschaftsgesetzes, das namentlich in seinen § 3 Nr. 29c und § 46 Abs. 2 Satz 1 eine Verknüpfung zwischen den Netzgebieten der allgemeinen Versorgung und den Konzessionsgebieten innerhalb einer Gemeinde herstellt. Zudem entspricht ein solches Verständnis den gesetzlichen Zwecken einer effizienten Energieversorgung und der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs in diesem Bereich (§ 1 Abs. 1 und 2 EnWG). BVerwG 8 C 2.21 - Urteil vom 26. Oktober 2021 Vorinstanz: VG Stuttgart, 18 K 1797/19 - Urteil vom 20. Oktober 2020 -","Urteil vom 26.10.2021 - BVerwG 8 C 2.21ECLI:DE:BVerwG:2021:261021U8C2.21.0 EN Räumliche Abgrenzung des Netzgebiets der allgemeinen Versorgung nach § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG Leitsatz: Ein Netzgebiet der allgemeinen Versorgung im Sinne von § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG umfasst jeweils ein Gebiet (Konzessionsgebiet) innerhalb einer Gemeinde, für das ein Vertrag im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 1 EnWG zwischen einem Energieversorgungsunternehmen und der Gemeinde über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen besteht, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet gehören (Konzessionsvertrag). Rechtsquellen EnWG §§ 1, 18, 36, 46 BGB §§ 133, 157 Instanzenzug VG Stuttgart - 20.10.2020 - AZ: VG 18 K 1797/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 26.10.2021 - 8 C 2.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:261021U8C2.21.0] Urteil BVerwG 8 C 2.21 VG Stuttgart - 20.10.2020 - AZ: VG 18 K 1797/19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2021 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gründe I 1 Die Klägerin ist ein Energieversorgungsunternehmen, das in der Stadt C. das Stromnetz betreibt und Letztverbraucher mit Energie beliefert. Zwischen ihr und der Stadt C. bestehen drei Verträge über die Nutzung öffentlicher Wege für die Verlegung und den Betrieb von Stromverteilernetzen nach § 46 Abs. 1 EnWG (Konzessionsverträge), deren räumlicher Geltungsbereich sich jeweils über einen Teil des Gemeindegebiets (Konzessionsgebiete) erstreckt. 2 Die Klägerin teilte dem Umweltministerium des beklagten Landes im Juli 2018 mit, dass sie Grundversorger nach § 36 Abs. 2 EnWG für das Elektrizitätsversorgungsnetz C. für die Jahre 2019 bis 2021 sei, da sie am 1. Juli 2018 die meisten Haushaltskunden versorgt habe. Zweitgrößter Versorger sei die Beigeladene zu 2. Diese erhob gegenüber dem Umweltministerium Einwände gegen die Feststellung der Klägerin als Grundversorger. 3 Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. Februar 2019 stellte das Umweltministerium rückwirkend zum 1. Januar 2019 für die Jahre 2019 bis 2021 die Klägerin als Grundversorger im Bereich der Stromversorgung für eines der drei Konzessionsgebiete und die Beigeladenen als Grundversorger jeweils für eines der beiden anderen Konzessionsgebiete fest (Ziffer 1). Die Klägerin habe diese Feststellung in ihren Netzgebieten zu veröffentlichen und umzusetzen (Ziffer 2). Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, das für die Feststellung des Grundversorgers in räumlicher Hinsicht maßgebliche Netzgebiet der allgemeinen Versorgung (§ 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG) sei jeweils mit dem Konzessionsgebiet gleichzusetzen. Mit ihrer Klage gegen diesen Bescheid, die zugleich auf ihre Feststellung als Grundversorger über die Kernstadt hinaus in den übrigen Ortsteilen von C. gerichtet ist, macht die Klägerin geltend, dass unter dem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung das gesamte von einem Netzbetreiber versorgte, physisch verbundene Netzgebiet zu verstehen sei. 4 Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Sie sei als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig, aber nicht begründet. Der Begriff des Netzgebiets der allgemeinen Versorgung in § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG sei bezogen auf das Gemeindegebiet oder einen Teil davon zu verstehen, für den ein Konzessionsvertrag nach § 46 EnWG abgeschlossen sei. Dies ergebe sich aus der Systematik und den Zwecken des Energiewirtschaftsgesetzes; der Wortlaut und die Genese des § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG stünden diesem Verständnis nicht entgegen. 5 Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend: Das Verwaltungsgericht berücksichtige den Wortlaut des § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG nicht hinreichend. Seine Argumentation zur Gesetzessystematik sei widersprüchlich und unklar. Zudem verkenne das Verwaltungsgericht die Zwecksetzung der aus § 36 Abs. 1 EnWG folgenden Pflichten der Grundversorger. Soweit der angefochtene Bescheid sie zur Veröffentlichung und Umsetzung der getroffenen Feststellung verpflichte, stehe er mit dem Bestimmtheitsgebot nicht im Einklang. 6 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. Oktober 2020 zu ändern, den Bescheid des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg vom 13. Februar 2019 aufzuheben, soweit darin nicht die Klägerin als Grundversorger festgestellt wird, und festzustellen, dass die Klägerin Grundversorger im Bereich der Stromversorgung für die Jahre 2019 bis 2021 - auch - für die Ortsteile T., Ö., G., W., Ti., J., O., M., H. und R. der Gemeinde C. ist. 7 Der Beklagte und die Beigeladenen beantragen jeweils, die Revision zurückzuweisen. 8 Sie verteidigen das angefochtene Urteil. II 9 Die zulässige Sprungrevision ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als zulässig angesehen. Sein Urteil steht zum überwiegenden Teil im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das ihm zugrundeliegende Verständnis des Begriffs des Netzgebiets der allgemeinen Versorgung (§ 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG) ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat daher keinen Anspruch auf die begehrte gerichtliche Feststellung, dass sie - über die seitens des Beklagten getroffene Feststellung hinaus - im Ergebnis im gesamten Gemeindegebiet von C. Grundversorger ist. Die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, Ziffer 2 des Bescheides sei rechtmäßig, beruht zwar auf einer bundesrechtswidrigen Auslegung des angefochtenen Bescheides, erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). 10 1. Die Klage ist sowohl mit dem Anfechtungsantrag als auch mit dem Feststellungsbegehren zulässig. Die Feststellung des Grundversorgers ergeht im Falle der Erhebung von Einwänden durch die nach Landesrecht zuständige Behörde (§ 36 Abs. 2 Satz 4 EnWG). Die Aufhebung dieser Entscheidung kann durch eine Anfechtungsklage begehrt werden (§ 42 Abs. 1 VwGO). Zudem kann die Klägerin ihr Anliegen, selbst in weiterem Umfang als in dem angefochtenen Bescheid als Grundversorger festgestellt zu werden, im Wege einer Feststellungsklage durchsetzen. Eine Verpflichtungsklage ist hier nicht im Sinne des § 43 Abs. 2 VwGO vorrangig, da das Energiewirtschaftsgesetz weder einen Anspruch des Unternehmens gegen eine Behörde auf eine durch Verwaltungsakt zu treffende derartige Feststellung vorsieht noch verfahrensrechtliche Regelungen für einen entsprechenden Antrag enthält. 11 2. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die in dem angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen mit § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG im Einklang stehen. Danach ist Grundversorger das Energieversorgungsunternehmen, das die meisten Haushaltskunden in einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung beliefert. In räumlicher Hinsicht entspricht ein solches Netzgebiet jeweils dem Gebiet (Konzessionsgebiet) innerhalb einer Gemeinde, für das ein Vertrag im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 1 EnWG zwischen einem Energieversorgungsunternehmen und der Gemeinde über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen besteht, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet gehören (Konzessionsvertrag). Dieser Interpretation ist gegenüber einer Gleichsetzung des Netzgebiets mit dem Gemeindegebiet oder - so die Auffassung der Klägerin (im Anschluss namentlich an Busche, in: Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl. 2019, § 36 EnWG Rn. 34) - mit dem gesamten von einem Netzbetreiber versorgten, physisch verbundenen Netzgebiet der Vorzug zu geben (vgl. zu den vertretenen Auffassungen etwa Borries/Lohmann, Das Netzgebiet der allgemeinen Versorgung zur Bestimmung des Grundversorgers, EnWZ 2015, 441 <443>; Schüler/Tittel, Alle Jahre wieder - Die Identifikation des Grundversorgers, EnWZ 2018, 154 <157 f.>). 12 a) Der Wortlaut des § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG lässt ein solches Verständnis zu. Der Begriff des Netzgebiets der allgemeinen Versorgung wird im Energiewirtschaftsgesetz nicht näher erläutert, weist aber einen spezifischen Aussagegehalt auf. Daraus folgt, dass das Netzgebiet nicht in jedem Fall mit dem Gebiet einer Gemeinde deckungsgleich sein muss, da § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG - anders als andere Normen des Energiewirtschaftsgesetzes - gerade nicht das Gemeindegebiet (vgl. beispielsweise § 18 Abs. 1 Satz 1 oder § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG) oder die Gemeinde als räumlichen Anknüpfungspunkt bezeichnet (vgl. Heinlein/Weitenberg, in: Theobald/Kühling, Energierecht, Stand Januar 2021, § 36 EnWG Rn. 93; Rühling/Meyer, Zur Feststellung des Grundversorgers nach § 36 Abs. 2 EnWG, EWeRK 2015, 133 <135>). Ebenso wenig lassen sich dem Wortlaut des § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass das Netzgebiet stets einem Netzbetreiber - ohne Berücksichtigung anderer oder weiterer Kriterien - zuzuordnen wäre, da die Vorschrift nicht auf ein ""Netz"", sondern auf ein ""Netzgebiet"" abstellt. 13 b) Die Gesetzgebungsgeschichte spricht ebenfalls gegen eine Gleichsetzung des Netzgebiets mit dem Gemeindegebiet oder dem Netz eines Betreibers. Dem Willen des Gesetzgebers zufolge soll die Bestimmung der Person des Grundversorgers nach objektiven Kriterien erfolgen (BT-Drs. 15/3917 S. 66). Diese gesetzgeberische Intention erfordert die Entwicklung eigenständiger Begriffsvoraussetzungen (vgl. de Wyl, in: Schneider/Theobald, Praxishandbuch Energiewirtschaft, 5. Aufl. 2021, § 15 Rn. 36). Sie lässt es zugleich nicht zu, an das Energiewirtschaftsgesetz in der vor Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970) geltenden Fassung anzuknüpfen, nach deren § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG die allgemeine Versorgung durch Energieversorgungsunternehmen ausdrücklich auf Gemeindegebiete bezogen war. Aus dieser früher geltenden Regelung lässt sich für die räumliche Abgrenzung des Netzgebiets der allgemeinen Versorgung nichts herleiten, da sich den Gesetzgebungsmaterialien keine Anhaltspunkte für eine insoweit beabsichtigte Kontinuität des Begriffsverständnisses entnehmen lassen. 14 Zugleich streitet die vom Gesetzgeber gewollte Bestimmung des Netzgebiets nach objektiven Kriterien gegen die Anknüpfung an das von einem Netzbetreiber errichtete Netz. Denn bei einem solchen Verständnis hätte es der Netzbetreiber in der Hand, Größe und Zuschnitt des Netzgebiets zu verändern (vgl. Borries/Lohmann, Das Netzgebiet der allgemeinen Versorgung zur Bestimmung des Grundversorgers, EnWZ 2015, 441 <444 f.>; Hellermann, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl. 2015, § 36 Rn. 38; Rasbach, in: Kment, EnWG, 2. Aufl. 2019, § 36 Rn. 27; Schüler/Tittel, Alle Jahre wieder - Die Identifikation des Grundversorgers, EnWZ 2018, 154 <159>). Eine derartige Anknüpfung des Netzgebiets an Entscheidungen des Netzbetreibers stellt nicht die vom Gesetzgeber gewollte Heranziehung objektiver Kriterien dar. 15 c) Objektive Kriterien, die dafürsprechen, unter einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung jeweils ein Konzessionsgebiet innerhalb einer Gemeinde zu verstehen, ergeben sich aus der Systematik des Energiewirtschaftsgesetzes. 16 § 18 Abs. 1 Satz 1 EnWG geht davon aus, dass Energieversorgungsnetze der allgemeinen Versorgung innerhalb von Gemeindegebieten betrieben werden. Die nach dieser Vorschrift bestehende Anschlusspflicht ist Voraussetzung der in § 36 EnWG geregelten Grundversorgung (vgl. Ehring, in: Elspas/Graßmann/Rasbach, EnWG, 2018, § 36 Rn. 39). Daraus lässt sich schließen, dass ein Netzgebiet der allgemeinen Versorgung, mit dem die Grundversorgung gewährleistet wird, stets innerhalb der jeweiligen Gemeindegrenze liegt. 17 Mit dieser Anknüpfung an das Gemeindegebiet als äußerste Grenze eines Netzgebiets der allgemeinen Versorgung steht auch die Zuständigkeitsregelung des § 36 Abs. 2 Satz 3 und 4 EnWG im Einklang, nach der die nach Landesrecht zuständige Behörde die dort genannten Entscheidungen trifft. Das Gesetz geht damit nicht von Netzgebieten aus, die sich über Gemeindegebiete und damit möglicherweise über Landesgrenzen hinaus erstrecken. Der Verweis der Klägerin auf eine dann aus ihrer Sicht eintretende Zuständigkeit der Bundesnetzagentur nach § 55 Abs. 2 EnWG ändert - unabhängig davon, ob sie tatsächlich besteht - nichts an dem für die systematische Auslegung maßgeblichen Gesichtspunkt, dass jedenfalls regelmäßig nur eine Landesbehörde innerhalb ihres räumlichen Zuständigkeitsbereichs zuständig sein soll. 18 Die gesetzliche Verknüpfung zwischen dem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung und dem Konzessionsgebiet stellt § 3 Nr. 29c EnWG her. Dort ist ausdrücklich von dem Konzessionsgebiet die Rede, in dem ein Netz der allgemeinen Versorgung im Sinne des § 18 Abs. 1 und § 46 Abs. 2 EnWG betrieben wird. Auch wenn diese Vorschrift unmittelbar nur für Gasverteilungsnetze Anwendung findet (Theobald, in: Theobald/Kühling, Energierecht, Stand Januar 2021, § 3 EnWG Rn. 231), stützt sie das entsprechende Verständnis des Begriffs des Netzgebiets auch in § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG, da sie nach dem Willen des Gesetzgebers ergänzende Bestimmungen im Hinblick auf die Verwendung der Begriffe enthält (vgl. BT-Drs. 15/5268 S. 117). Diese Funktion einer Verdeutlichung des Begriffsinhalts ist nicht auf bestimmte, gesetzlich besonders aufgeführte Formen der Energieversorgung beschränkt. 19 § 46 Abs. 2 Satz 1 und 2 EnWG deutet schließlich in dieselbe Richtung. Diese Regelungen betreffen die Konzessionsverträge zwischen einem Energieversorgungsunternehmen und einer Gemeinde. Die an die jeweilige vertragliche Bindung anknüpfende Versorgungsaufgabe des Energieversorgungsunternehmens als Konzessionsnehmer (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juni 2014 - EnVR 10/13 - NVwZ 2014, 1600 Rn. 31 ff., und Urteil vom 7. April 2020 - EnZR 75/18 - NVwZ-RR 2020, 929 Rn. 24) bezieht sich auch im Rahmen der Grundversorgung nach § 36 EnWG auf das jeweilige Konzessionsgebiet. 20 d) Die Gleichsetzung des Netzgebiets der allgemeinen Versorgung mit dem jeweiligen Konzessionsgebiet steht schließlich mit den in § 1 Abs. 1 und 2 EnWG aufgeführten Zielen des Energiewirtschaftsgesetzes in Einklang. Sie unterstützt insbesondere einen unverfälschten Wettbewerb, weil auch kleineren Energieversorgungsunternehmen ermöglicht wird, die Stellung des Grundversorgers einzunehmen. Zudem entspricht das in der Praxis ohne weiteres handhabbare Kriterium des Konzessionsgebiets dem in § 1 Abs. 1 EnWG genannten Ziel der effizienten leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas (Heinlein/Weitenberg, in: Theobald/Kühling, Energierecht, Stand Januar 2021, § 36 EnWG Rn. 95; de Wyl, in: Schneider/Theobald, Praxishandbuch Energiewirtschaft, 5. Aufl. 2021, § 15 Rn. 36). Ein solches Begriffsverständnis gewährleistet überdies auch deswegen die Beachtung der gesetzlichen Ziele des Energiewirtschaftsrechts, weil diese ihrerseits schon bei dem Abschluss von Konzessionsverträgen zu berücksichtigen sind. So haben Gemeinden ihre öffentlichen Verkehrswege zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern nach § 46 Abs. 1 Satz 1 EnWG diskriminierungsfrei - und damit auch verbraucherfreundlich im Sinne des § 1 Abs. 1 EnWG - zur Verfügung zu stellen. Bei der Auswahl des Unternehmens, mit dem ein Konzessionsvertrag geschlossen werden soll, ist die Gemeinde den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG verpflichtet (§ 46 Abs. 4 Satz 1 EnWG). 21 e) Das Verwaltungsgericht hat die von ihm zutreffend verstandene Vorschrift revisionsrechtlich fehlerfrei angewandt und die Feststellung der jeweiligen Grundversorgereigenschaft für die in der Stadt C. existierenden Konzessionsgebiete in dem angefochtenen Bescheid als rechtmäßig angesehen. Die hierfür maßgebliche Zahl der meisten belieferten Haushaltskunden in dem jeweiligen Netzgebiet hat das Verwaltungsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend und von den Beteiligten unbeanstandet ermittelt. 22 3. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides sei rechtmäßig, beruht auf einer revisionsrechtlich fehlerhaften, gegen §§ 133 und 157 BGB verstoßenden Auslegung des angefochtenen Bescheides, erweist sich aber im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). 23 a) Nach Ziffer 2 des Bescheides hat die Klägerin die Feststellung der Grundversorger in ihren Netzgebieten entsprechend Ziffer 1 zu veröffentlichen und umzusetzen. Das Verwaltungsgericht stützt diesen Teil des Bescheides auf § 36 Abs. 2 Satz 3 EnWG; danach kann die nach Landesrecht zuständige Behörde die zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Durchführung des Verfahrens nach § 36 Abs. 2 Satz 1 und 2 EnWG erforderlichen Maßnahmen treffen. Der nicht näher erläuterte Hinweis des Verwaltungsgerichts auf diese Vorschrift geht an dem Gehalt des angefochtenen Bescheides vorbei und steht mit den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, deren Anwendung dem Revisionsgericht obliegt, nicht im Einklang. 24 Das Verwaltungsgericht ist, wie sich seinem Rückgriff auf § 36 Abs. 2 Satz 3 EnWG entnehmen lässt, ohne weiteres davon ausgegangen, dass es sich bei Ziffer 2 des Bescheides um einen selbständigen belastenden Verwaltungsakt handelt. Ein derartiges Verständnis wird dem angefochtenen Bescheid in seinem Gesamtzusammenhang nicht gerecht. Ziffer 2 des Bescheides weist keinen eigenständigen Regelungsgehalt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG auf. 25 Zwar mag die Aufnahme der Veröffentlichungs- und Umsetzungspflicht in den Tenor des Bescheides auf eine selbständige Anordnung hindeuten. Dagegen spricht jedoch bereits, dass das Umweltministerium diesen Teil des Entscheidungssatzes nicht gesondert begründet und insbesondere nicht die bei der Anordnung von Maßnahmen nach § 36 Abs. 2 Satz 3 EnWG gebotenen Erwägungen zu ihrer Erforderlichkeit angestellt hat. Vielmehr hat es die Begründung zu Ziffer 1 und 2 des Bescheides zusammengefasst, ist dabei aber allein auf die Feststellung der Grundversorgereigenschaft eingegangen. 26 In inhaltlicher Hinsicht kann Ziffer 2 des Bescheides daher lediglich entnommen werden, dass das Umweltministerium die in § 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 EnWG bezeichneten gesetzlichen Pflichten des Grundversorgers und damit die aus Ziffer 1 des Bescheides folgenden rechtlichen Konsequenzen der getroffenen Feststellung zwar - im Sinne einer klarstellenden Erläuterung der in Ziffer 1 des Bescheides getroffenen Regelung - ausdrücklich benennen, aber nicht selbständig anordnen wollte. Für eine solche über einen bloßen Hinweis auf die Rechtslage hinausgehende Intention, die auf eine neben die gesetzlichen Pflichten tretende selbständige Regelung zu Lasten der Klägerin gerichtet wäre, ist keinerlei Anhaltspunkt erkennbar. 27 b) Die Abweisung der Klage gegen den angefochtenen Bescheid durch das Verwaltungsgericht hat gleichwohl in vollem Umfang Bestand (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil die zutreffend als bloße Erläuterung der gesetzlichen Folgen einer Feststellung nach § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG verstandene Ziffer 2 des Bescheides revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist. 28 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2021-69,28.10.2021,"Pressemitteilung Nr. 69/2021 vom 28.10.2021 EN Keine Einsicht in Twitter-Direktnachrichten des Bundesinnenministeriums Nach dem Informationsfreiheitsgesetz besteht kein Anspruch auf Einsicht in Twitter-Direktnachrichten, die das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) in den Jahren 2016 bis 2018 erhalten und versandt hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger betreibt die Internetseite FragDenStaat und begehrt Einsicht in Twitter-Direktnachrichten des BMI. Twitter-Direktnachrichten ermöglichen es zu kommunizieren, ohne dass andere Nutzer die Nachrichten lesen können. Im streitgegenständlichen Zeitraum hat das BMI die Direktnachrichten für informelle Kommunikation genutzt. Diese umfasste u. a. Terminabsprachen, Danknachrichten für Bürgeranfragen etwa betreffend Tipp- und Verlinkungsfehler oder Fragen von Journalisten nach zuständigen Personen. Die Direktnachrichten werden beim BMI selbst nicht gespeichert; sie sind für das BMI aber bei der Twitter Inc. abrufbar. Das BMI hat den Anspruch des Klägers abgelehnt, weil Direktnachrichten keine Aktenrelevanz zukomme und sie deshalb keine amtlichen Informationen seien. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben. Der Begriff der amtlichen Informationen sei weit auszulegen und erfasse allein solche Informationen nicht, die ausschließlich privaten (persönlichen) Zwecken dienten. Auf die Sprungrevision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Amtliche Informationen setzen voraus, dass ihre Aufzeichnung amtlichen Zwecken dient. Der Gesetzgeber verlangt mit dieser Definition eine bestimmte Finalität der Aufzeichnung. Nicht nur die Information selbst muss amtlichen Zwecken dienen, sondern gerade ihre Aufzeichnung. Dies ist bei Twitter-Direktnachrichten nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Bei Nachrichten, die wie hier aufgrund ihrer geringfügigen inhaltlichen Relevanz keinen Anlass geben, einen Verwaltungsvorgang anzulegen, ist dies jedoch nicht der Fall. Die Speicherung erfolgt bei der Twitter Inc. nach deren Geschäftsmodell. Das BMI hat der Speicherung durch die Twitter Inc. keinen amtlichen Zweck beigegeben. Ein solcher ist auch vor dem Hintergrund der Registraturrichtlinie der Bundesministerien und den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Aktenführung nicht ersichtlich. Fußnote: § 2 Nr. 1 Satz 1 Informationsfreiheitsgesetz: Im Sinne dieses Gesetzes ist 1. amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. […] BVerwG 10 C 3.20 - Urteil vom 28. Oktober 2021 Vorinstanz: VG Berlin, 2 K 163.18 - Urteil vom 26. August 2020 -","Urteil vom 28.10.2021 - BVerwG 10 C 3.20ECLI:DE:BVerwG:2021:281021U10C3.20.0 EN Zugang zu Twitter-Direktnachrichten des BMI Leitsätze: 1. Eine als Twitter-Direktnachricht bei der Twitter Inc. gespeicherte Information kann eine amtliche Information gemäß § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG sein. 2. Eine Information ist nur dann amtlich im Sinne des § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG, wenn ihre Aufzeichnung und nicht nur ihr Inhalt amtlichen Zwecken dient. 3. Eine Aufzeichnung dient objektiv nur dann amtlichen Zwecken, wenn ihr Inhalt nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Aktenführung aktenrelevant ist. Rechtsquellen IFG § 1 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 2 Nr. 1 VwGO § 134 Abs. 1 Satz 1 EMRK Art. 10 Instanzenzug VG Berlin - 26.08.2020 - AZ: VG 2 K 163.18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.10.2021 - 10 C 3.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:281021U10C3.20.0] Urteil BVerwG 10 C 3.20 VG Berlin - 26.08.2020 - AZ: VG 2 K 163.18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2021 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein, Dr. Wöckel und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr für Recht erkannt: Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. August 2020 wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Kläger begehrt Zugang zu Twitter-Direktnachrichten des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI). Twitter-Direktnachrichten ermöglichen es Twitter-Nutzern, abseits der öffentlichen Tweets zu kommunizieren, ohne dass andere Nutzer die Nachrichten lesen können. 2 Die Fa. Twitter Inc. gewährt dem jeweiligen Nutzer auf der Grundlage einer vorgegebenen Nutzervereinbarung eine gebührenfreie Lizenz zur Nutzung ihrer Software. Das BMI bedient sich zudem einer Redaktions-Software der Firma F. GmbH, die es ihm ermöglicht, eine größere Anzahl an eingehenden Nachrichten den Mitgliedern einer Social-Media-Redaktion zuzuweisen und zu beantworten. Das BMI hat Zugriff auf die Direktnachrichten über die auf dienstlichen mobilen Endgeräten installierte Twitter-App und die Redaktions-Software der Firma F. GmbH. Sämtliche Direktnachrichten sind auf den Servern der Twitter Inc. gespeichert und von der Beklagten jedenfalls bis zum Tage der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vollständig abrufbar. Soweit Nachrichten auch auf den Servern der F. GmbH gespeichert sind, werden diese in einem monatlichen Rhythmus gelöscht, soweit sie älter als drei Monate sind. Bei der Beklagten findet keine eigene Speicherung der Nachrichten statt. 3 Den Antrag des Klägers lehnte das BMI mit der Begründung ab, die Direktnachrichten hätten nicht die Notwendigkeit eines Verwaltungshandelns ergeben und seien deswegen keine amtlichen Informationen. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos. 4 Das Verwaltungsgericht hat der daraufhin erhobenen Klage stattgegeben. Der Kläger habe einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Anhaltspunkte, dass auch das Umweltinformationsgesetz oder das Verbraucherinformationsgesetz einschlägig seien, bestünden nicht. Twitter-Direktnachrichten seien amtliche Informationen im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes. Der Begriff sei weit auszulegen; allein Informationen, die ausschließlich privaten (persönlichen) Zwecken dienten, würden hiervon nicht erfasst. Auf eine Aktenrelevanz der Nachrichten komme es nicht an. 5 Die Beklagte begründet die hiergegen erhobene und vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision wie folgt: 6 Bei den Direktnachrichten handele es sich nicht um amtliche Informationen. Ihnen komme keine Aktenrelevanz zu. Ob eine Information amtlichen Zwecken diene, hänge maßgeblich davon ab, ob sie für die inhaltliche Bearbeitung eines Verwaltungsvorgangs relevant sei und folglich Bestandteil dieses Vorgangs werden solle. Wann eine Information veraktungspflichtig sei, richte sich nach dem bestehenden Fachrecht, speziell nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Aktenführung. Den streitgegenständlichen Nachrichten komme eine hinreichende Relevanz nicht zu. Es handele sich um informelle Kommunikation bei Bürger- und Presseanfragen. Sie trete weitgehend an die Stelle fernmündlicher Kontaktaufnahmen. 7 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. August 2020 abzuändern und die Klage abzuweisen. 8 Der Kläger beantragt, die Sprungrevision der Beklagten zurückzuweisen. 9 Er verteidigt das angegriffene Urteil. II 10 Die Sprungrevision hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. 11 1. Die Sprungrevision ist gemäß § 134 Abs. 1 Satz 1 VwGO zulässig, wenn sie vom Verwaltungsgericht zugelassen ist und Kläger und Beklagte ihrer Einlegung schriftlich zustimmen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 9. Oktober 2020 die Sprungrevision zugelassen. Der Kläger hat zwar wörtlich nur der ""Sprungrevision"", nicht aber ihrer ""Einlegung"" zugestimmt. Dies genügt dann, wenn diese Zustimmung nach Zustellung des Urteils und damit in Kenntnis des Urteilsinhalts abgegeben wurde (BVerwG, Urteil vom 3. November 1992 - 9 C 32.92 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 41 und Beschluss vom 8. März 2002 - 5 C 54.01 - juris Rn. 3). Hier ist das Urteil dem Kläger am 10. September 2020 zugestellt worden. Die Zustimmung wurde unter dem 30. September 2020 erteilt. 12 2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), sodass die Klage abzuweisen ist. 13 a) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, vom Begriff der amtlichen Informationen seien allein solche ausgenommen, die ausschließlich und eindeutig privaten (persönlichen) Zwecken dienen, verletzt Bundesrecht. Die streitgegenständlichen Direktnachrichten stellen keine amtlichen Informationen im Sinne des § 2 Nr. 1 Satz 1 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) dar. Nach dieser Vorschrift ist eine amtliche Information jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. 14 aa) § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG ist im Hinblick auf die in Betracht kommenden Aufzeichnungs- bzw. Speicherungsmedien weit auszulegen. Sie umfasst sowohl analoge als auch digitale Medien. Zu diesen gehören bereits nach der Regierungsbegründung Aufzeichnungen (Schriften, Tabellen, Diagramme, Bilder, Pläne und Karten sowie Tonaufzeichnungen), die elektronisch (Magnetbänder, Magnetplatten, Disketten, CD-ROMs, DVDs), optisch (Filme, Fotos auf Papier), akustisch oder anderweitig gespeichert sind (BT-Drs. 15/4493 S. 8 f.; vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 7 C 20.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 21 Rn. 10). Diese nicht abschließende Aufzählung, die weitgehend den technischen Stand aus dem Jahr 2004 wiedergibt, ist entsprechend der technischen Entwicklung anzupassen. Allein durch die Wahl eines anderen Aufzeichnungs- oder Speicherungsmediums entfällt nicht der Charakter einer Information als amtlich. Ohne dies im Übrigen rechtlich einzuordnen ist es demnach grundsätzlich möglich, dass eine bei der Twitter Inc. gespeicherte Direktnachricht eine amtliche Information ist. 15 bb) Eine so aufgezeichnete bzw. gespeicherte Information ist nur dann eine amtliche Information, wenn gerade ihre Aufzeichnung amtlichen Zwecken dient. Diese Finalität, amtlichen Zwecken zu dienen, bezieht das Gesetz nicht auf die Information selbst, sondern auf ihre Aufzeichnung. Dieser Zweck kann seinen Ausdruck entweder in dem subjektiven Willen derjenigen Behörde finden, die die Aufzeichnung veranlasst, oder in objektiven Regelungen über eine ordnungsgemäße Aktenführung. 16 (1) Eine subjektive Bestimmung zur Aufzeichnung der streitgegenständlichen Direktnachrichten durch das BMI hat nicht stattgefunden. Das BMI speichert die Direktnachrichten selbst nicht. Es hat sich auch nicht der Twitter Inc. zum Zwecke der Speicherung bedient. Die Twitter Inc. folgt mit der Speicherung keiner amtlichen Zweckbestimmung oder einem amtlichen Auftrag, sondern allein ihrem eigenen Geschäftsmodell. Dieses gilt gleichermaßen für private und institutionelle Kunden. Die Einrichtung eines Twitter-Kundenkontos führt demnach automatisch zur Speicherung der Nachrichten bei der Twitter Inc., die diese ihren Kunden bei Bedarf auch wieder zur Verfügung stellt. Damit wird die Twitter Inc. aber nicht zum Verwaltungshelfer im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 3 IFG. Diese Vorschrift erweitert den Kreis der informationspflichtigen Stellen um diejenigen Personen des Privatrechts, derer sich eine Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2020 - 10 C 25.19 - NVwZ 2021, 890 Rn. 14). 17 Das BMI nutzt den Twitter-Kanal zwar zur Abwicklung amtlicher Kommunikation, namentlich der ministeriellen Öffentlichkeitsarbeit. Die Speicherung bei der Twitter Inc. erfolgt hingegen nicht zu amtlichen Zwecken. Für das BMI erledigt sich der amtliche Zweck der Kommunikation mit deren Abwicklung. Nach seiner eigenen Darstellung ersetzt die Kommunikation per Twitter diejenige Kommunikation, die ansonsten fernmündlich abgewickelt würde. Das steht in Übereinstimmung mit den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, wonach es sich bei dieser Kommunikation um informelle Abstimmungskommunikation handelt. Abgestimmt würden Termine und Ansprechpartner für die Redaktionsplanung der Social Media-Redaktionen der Ressorts und nachgeordneten Behörden. Bei Bürgeranfragen bedanke sich das Referat Internet, Soziale Medien für erhaltenes Feedback, Hinweise auf Tipp- und Verlinkungsfehler, teile Kontaktdaten zu Ansprechpartnern für das jeweilige Anliegen mit oder weise auf allgemeine, bereits öffentlich einsehbare Informationen hin. Direktnachrichten von Journalisten beträfen Fragen nach Zuständigen, Terminabsprachen und sonstige formale Abstimmungskommunikation. 18 (2) Auch bei objektiver Betrachtung nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Aktenführung waren die Direktnachrichten mit dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Inhalt nicht zu amtlichen Zwecken aufzuzeichnen. Maßgeblich ist insoweit, ob sie Teil eines Verwaltungsvorgangs werden sollen, mit anderen Worten ob sie aktenrelevant sind (vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 2 Rn. 45, 50, 57). Nur in diesem Fall dient die Aufzeichnung einem amtlichen Zweck. Schon die Regierungsbegründung zum Entwurf des Informationsfreiheitsgesetzes nimmt nicht nur private Informationen, sondern auch solche, die nicht mit amtlicher Tätigkeit zusammenhängen, vom Begriff der amtlichen Informationen aus (BT-Drs. 15/4493 S. 9). Die hiernach gebotene Auslegung des § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG ist enger als das Verständnis des Verwaltungsgerichts, wonach allein private (persönliche) Informationen nicht dem Begriff der amtlichen Information unterfallen. Im Zusammenhang mit dem erforderlichen amtlichen Zweck der Aufzeichnung gehören demnach solche Informationen nicht zu den amtlichen Informationen, die - etwa wegen ihres bagatellartigen Charakters - nicht aufzuzeichnen sind. Hierbei handelt es sich um Informationen, die nicht den Gegenstand eines Verwaltungsvorgangs bilden sollen. Anders als bei dem Begriff des Verwaltungsverfahrens in § 9 VwVfG ist es im Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes unerheblich, ob der Verwaltungsvorgang ein nach außen gerichtetes Behördenverhalten betrifft oder ob er einen rein innerdienstlichen Vorgang erfasst; maßgeblich ist allein, dass es sich um Informationen handelt, die zu amtlichen Zwecken festzuhalten oder zu speichern sind (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 7 C 20.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 21 Rn. 10). Dies ist bei dem vom Verwaltungsgericht bindend festgestellten Inhalt der streitgegenständlichen Direktnachrichten (vgl. oben, (1)) nicht der Fall. 19 Eine Aufzeichnungspflicht ergibt sich auch nicht aus der Richtlinie für das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut (Akten und Dokumenten) in Bundesministerien (RegR) vom 11. Juli 2001 (GMBl. S. 471). Diese ergänzt nach ihrem § 1 Abs. 1 die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien und regelt das Bearbeiten von Geschäftsvorfällen und Verwalten von Schriftgut in den Bundesministerien. Sie enthält Konkretisierungen allgemeiner Grundsätze ordnungsgemäßer Aktenführung. § 1 Abs. 3 RegR stellt klar, dass die Regelungen auch für die elektronische Bearbeitung und Verwaltung von Schriftgut gelten. Die Registraturrichtlinie sieht eine Differenzierung zwischen aktenrelevantem Schriftgut und solchem Schriftgut vor, das sofort oder alsbald zu vernichten ist. Letzteres ist nicht zu dienstlichen Zwecken aufzuzeichnen. Es wird nicht Gegenstand eines Verwaltungsvorgangs. § 10 Abs. 1 Satz 1 RegR sieht vor, dass jedem aktenrelevanten Dokument ein Geschäftszeichen zugeordnet wird. Satz 2 regelt, dass Dokumente ohne Informationswert zu vernichten sind; bei nur geringem Informationswert sind sie als Weglegesachen nach Anlage 1 zu behandeln. Weglegesachen sind danach nicht zu den Akten zu nehmen, sondern kurzfristig, in der Regel bis zum Ablauf des Kalenderjahres aufzubewahren. Auch ihnen kommt keine Aktenrelevanz zu. 20 b) Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. 21 aa) Ansprüche nach dem Umweltinformationsgesetz oder dem Verbraucherinformationsgesetz bestehen nicht, weil die streitgegenständlichen Direktnachrichten nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die das Bundesverwaltungsgericht binden (§ 137 Abs. 2 VwGO), keine entsprechenden Informationen enthalten. 22 bb) Ein presserechtlicher Auskunftsanspruch besteht ebenfalls nicht. 23 (1) Zwar ist die Klage insoweit zulässig. Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht, weil der presserechtliche Auskunftsanspruch einen eigenständigen Streitgegenstand darstellt, der mit der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machen ist (BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 2016 - 7 C 7.15 - AfP 2016, 564, Rn. 2 ff.). § 68 Abs. 1 und 2 VwGO sieht die Durchführung eines Vorverfahrens lediglich für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 und 2 VwGO vor, nicht hingegen für die allgemeine Leistungsklage. 24 Auch ist das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis des Klägers gegeben, obwohl er sich diesen Streitgegenstand betreffend nicht zuvor an die Beklagte gewandt, sondern einen presserechtlichen Auskunftsanspruch unmittelbar und erstmalig im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht geltend gemacht hat. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist Ausfluss des Verbots des Rechtsmissbrauchs und schützt das Gericht, nicht die anderen Beteiligten. Eine Klage ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, wenn sie dem Kläger keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil bringen kann (BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3>; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, vor §§ 40 bis 53 Rn. 11), auch weil das in der Klage zum Ausdruck kommende Begehr einfacher - durch schlichte Antragstellung - zu erfüllen ist. Deswegen ist in der Regel eine Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, bei der der Kläger sich nicht zuvor mit einem Antrag an die Behörde gewandt hat. Hier erscheint dies jedoch entbehrlich, weil die Beklagte mit ihrem gesamten Vortrag im Vor- und Klageverfahren deutlich gemacht hat, dass sie nicht gedenke, die begehrten Informationen an den Kläger herauszugeben. Hier auf einen neuerlichen Antrag zu drängen, erschiene als bloße Förmelei. 25 (2) Die Klage ist insoweit aber unbegründet. Der presserechtliche Auskunftsanspruch gewährt den Presseangehörigen einen verfassungsunmittelbaren Anspruch gegenüber Bundesbehörden, soweit auf diese die Landespressegesetze mit den in ihnen enthaltenen Auskunftsanspruchsnormen wegen der entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes keine Anwendung finden. Aufgrund dieses Anspruchs können Presseangehörige auf hinreichend bestimmte Fragen behördliche Auskünfte verlangen, soweit die entsprechenden Informationen bei der Behörde vorhanden sind und schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen oder Privater an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen (BVerwG, Urteile vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 13 und vom 25. Oktober 2018 - 7 C 6.17 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 19 Rn. 13). 26 Der Kläger hat schon keine hinreichend konkrete Frage gestellt, sondern eine umfassende Einsicht in alle Direktnachrichten über einen Zeitraum von knapp zweieinhalb Jahren beantragt. Ein solches Verhalten ist nicht auf eine konkrete Information gerichtet, sondern es dient der Ausforschung. 27 Außerdem ist der presserechtliche Auskunftsanspruch auf Auskünfte begrenzt und gewährt keinen Anspruch auf Einsicht in Vorgänge, wie dies der Kläger begehrt. Der Auskunftsanspruch kann sich allein dann zu einem Akteneinsichtsanspruch verdichten, wenn andere Formen des Informationszugangs im Hinblick auf die begehrte Information unsachgemäß wären und nur auf diese Weise vollständige und wahrheitsgemäße Sachverhaltskenntnis vermittelt werden kann (BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2020 - 10 C 18.19 - BVerwGE 167, 319 Rn. 31). Hierfür ist nichts ersichtlich. 28 cc) Aus Art. 10 EMRK ergeben sich hier wie regelmäßig auch sonst keine weitergehenden Rechte (vgl. allgemein: BVerwG, Urteile vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 45, vom 24. Januar 2018 - 6 A 8.16 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 7 Rn. 34 und vom 25. Oktober 2018 - 7 C 6.17 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 19 Rn. 18). 29 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2021-7,26.01.2021,"Pressemitteilung Nr. 7/2021 vom 26.01.2021 EN Keine Verlängerung der Dublin-Überstellungsfrist wegen Flüchtigseins des Asylbewerbers bei Kenntnis des Aufenthaltsorts im Kirchenasyl Kennt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Aufenthaltsort eines Asylbewerbers, der sich im sog. „offenen“ Kirchenasyl befindet, kann es diesen nicht (mehr) als „flüchtig“ i.S.d. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO ansehen und deswegen die Frist zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nicht auf 18 Monate verlängern. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin, eine iranische Staatsangehörige, reiste gemeinsam mit ihrem Ehemann mit einem durch das polnische Konsulat in Teheran erteilten Schengen-Visum in das Bundesgebiet ein. Sie beantragten im September 2018 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Nachdem die polnischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge anerkannt hatten, lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 22. Oktober 2018 den Asylantrag der Klägerin als unzulässig ab und ordnete deren Abschiebung nach Polen an. Hiergegen erhob die Klägerin Klage; ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Anfang Januar 2019 ab. Die Klägerin hielt sich ab dem 28. Januar 2019 im Kirchenasyl auf, ohne zunächst den Behörden ihren neuen Aufenthaltsort mitgeteilt zu haben. Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 1. April 2019 dem Bundesamt ihren Aufenthalt im Kirchenasyl offengelegt hatte, verlängerte dieses Anfang Mai 2019 die Überstellungsfrist auf 18 Monate, weil die Klägerin flüchtig i.S.d. Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO sei. Im März 2020 hatten die polnischen Behörden dem Bundesamt mitgeteilt, dass vorerst keine Überstellungen von und nach Polen erfolgten. Das Bundesamt setzte daraufhin Mitte April 2020 die Vollziehung der Abschiebungsanordnung nach § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO bis auf Weiteres aus, weil im Hinblick auf die COVID 19-Pandemie derzeit Dublin-Überstellungen nicht möglich seien. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylgesuchs sei nicht gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Beklagte übergegangen, weil diese zunächst durch den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz unterbrochen und dann wegen Flüchtigseins der Klägerin wirksam auf 18 Monate bis zum 7. Juli 2020 verlängert worden sei. Die Klägerin sei i.S.d. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO flüchtig gewesen, da sie sich seit dem 28. Januar 2019 nicht mehr in der ihr zugewiesenen Unterkunft aufgehalten habe, ohne die zuständigen Behörden über ihren Aufenthaltsort zu informieren. Die vor Ablauf der verlängerten Überstellungsfrist erfolgte Aussetzung der Vollziehung durch das Bundesamt habe die Frist erneut unterbrochen, weil sie aus einem sachlich gerechtfertigten Grund erfolgt sei. Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat der (Sprung-)Revision der Klägerin stattgegeben. Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylgesuchs ist durch den Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist bereits Mitte 2019 auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil das Bundesamt diese Frist nicht wirksam verlängert hat. Denn die Klägerin ist im Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung des Bundesamtes nicht (mehr) flüchtig i.S.d. Art. 29 Abs. 2 Satz Alt. 2 Dublin III-VO gewesen, weil zu diesem Zeitpunkt ihr Aufenthaltsort im Kirchenasyl dem Bundesamt bekannt war. Eine Überstellung der Klägerin ist dann aber rechtlich und tatsächlich (wieder) möglich gewesen. Daran ändert die (rechtlich nicht verbindliche) Verfahrensabsprache zwischen dem Bundesamt und den Kirchen zum Vorgehen bei Personen, die sich im Kirchasyl befinden, nichts. Sie beeinflusst insbesondere nicht die Auslegung des unionsrechtlichen Rechtsbegriffs „flüchtig“ i.S.v. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO. Der Sachverhalt gab keinen Anlass zur abschließenden Prüfung, ob und unter welchen Voraussetzungen in Ausnahmefällen trotz bekannter Anschrift ein (fortbestehendes) Flüchtigsein i.S.d. Unionsrechts angenommen werden kann. BVerwG 1 C 42.20 - Urteil vom 26. Januar 2021 Vorinstanz: VG Düsseldorf, 22 K 8760/18.A - Urteil vom 21. Juli 2020 -","Urteil vom 26.01.2021 - BVerwG 1 C 42.20ECLI:DE:BVerwG:2021:260121U1C42.20.0 EN Verlängerung der Dublin III-Überstellungsfrist wegen Flüchtigseins des Asylbewerbers Leitsätze: 1. Kennt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Aufenthaltsort eines Asylbewerbers, der sich im sogenannten offenen Kirchenasyl befindet, kann es diesen nicht (mehr) als flüchtig im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO ansehen und deswegen die Frist zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nicht auf 18 Monate verlängern. 2. Dies gilt auch dann, wenn sich der Antragsteller zuvor innerhalb der sechsmonatigen Überstellungsfrist (Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO) in einem verdeckten Kirchenasyl befunden hat, dem Bundesamt aber vor Ergehen der Verlängerungsentscheidung dessen Aufenthaltsort bekannt geworden ist. Rechtsquellen AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a Abs. 1 VO (EU) Nr. 604/2013 Art. 12 Abs. 2 und 4, Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1, Art. 22 Abs. 1, Art. 27 Abs. 3 und 4, Art. 29 Abs. 1 und 2 Instanzenzug VG Düsseldorf - 21.07.2020 - AZ: VG 22 K 8760/18.A Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 26.01.2021 - 1 C 42.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:260121U1C42.20.0] Urteil BVerwG 1 C 42.20 VG Düsseldorf - 21.07.2020 - AZ: VG 22 K 8760/18.A In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke und Dr. Rudolph, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 21. Juli 2020 geändert. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22. Oktober 2018 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin, eine iranische Staatsangehörige, wendet sich gegen die Ablehnung ihres Asylantrags als unzulässig und die Anordnung ihrer Abschiebung nach Polen. 2 Die Klägerin reiste gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Kläger in dem Revisionsverfahren 1 C 43.20 , in das Bundesgebiet ein und beantragte am 19. September 2018 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Ein Abgleich mit dem Visa-Informationssystem (VIS) ergab, dass der Klägerin und ihrem Ehemann durch das polnische Konsulat in Teheran Schengen-Visa mit Gültigkeit vom 4. September 2018 bis zum 13. September 2018 erteilt worden waren. Am 5. Oktober 2018 richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) ein Aufnahmegesuch an die Republik Polen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO). Die polnischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 18. Oktober 2018 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO. 3 Mit Bescheid vom 22. Oktober 2018 lehnte das Bundesamt den Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG als unzulässig ab (Ziff. 1), stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (Ziff. 2), ordnete die Abschiebung nach Polen an (Ziff. 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 4). 4 Die Klägerin erhob am 30. Oktober 2018 hiergegen Klage. Einen am gleichen Tag gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. Januar 2019 ab. 5 Ab dem 28. Januar 2019 hielt sich die Klägerin nicht mehr in der ihr zugewiesenen Unterkunft in der Zentralen Unterbringungseinrichtung N. auf, ohne zunächst den Behörden ihren neuen Aufenthaltsort mitgeteilt zu haben. Die Zentrale Ausländerbehörde E. meldete die Klägerin am 22. Februar 2019 als seit diesem Tag unbekannt verzogen. 6 Am 19. März 2019 teilte das Bundesamt den polnischen Behörden mit, dass ein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung eingelegt worden sei, die aufschiebende Wirkung zum 7. Januar 2019 entfallen sei und das Ende der Überstellungsfrist nunmehr auf den 7. Juli 2019 falle. Mit Schriftsatz vom 1. April 2019 teilte die Klägerin dem Bundesamt mit, dass sie sich im Kirchenasyl befinde. Beigefügt war ein Dokument der evangelischen Kirchengemeinde Internationale Freikirche K. vom 28. Januar 2019, ausweislich dessen sich die Klägerin und ihr Ehemann seit dem 28. Januar 2019 im Kirchenasyl befänden. 7 Die Beklagte teilte dem Verwaltungsgericht mit Schreiben vom 6. Mai 2019 mit, dass die 18-monatige Überstellungsfrist gelte, da die Klägerin flüchtig im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO sei; die Überstellungsfrist ende nunmehr mit Ablauf des 7. Juli 2020. Mit elektronischem Schreiben vom gleichen Tag informierte das Bundesamt die polnischen Behörden darüber entsprechend. 8 Einen auf Änderung des ablehnenden Eilbeschlusses vom 7. Januar 2019 gerichteten Eilantrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. September 2019 ab. 9 Mit Schreiben vom 26. März 2020 teilten die polnischen Behörden dem Bundesamt mit, dass bis auf Weiteres alle Überstellungen von und nach Polen ausgesetzt würden. 10 Das Bundesamt setzte mit Schreiben an die Klägerin vom 15. April 2020 die Vollziehung der Abschiebungsanordnung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO bis auf Weiteres aus. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, im Hinblick auf die Entwicklung der Corona-Krise seien derzeit Dublin-Überstellungen nicht zu vertreten. 11 Mit Urteil vom 21. Juli 2020 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Zuständigkeit sei nicht gemäß Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Beklagte übergegangen, weil diese zunächst durch den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz unterbrochen und dann wegen Flüchtigseins der Klägerin wirksam auf 18 Monate bis zum 7. Juli 2020 verlängert worden sei. Die Klägerin sei im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO flüchtig gewesen, weil sie sich seit dem 28. Januar 2019 nicht mehr in der ihr zugewiesenen Unterkunft aufgehalten habe, ohne die zuständigen Behörden über ihre Abwesenheit pflichtgemäß informiert zu haben. Der Verlängerung der Überstellungsfrist stehe nicht entgegen, dass dem Bundesamt zum Zeitpunkt seiner Verlängerungsentscheidung am 6. Mai 2019 die neue Anschrift der Klägerin bekannt gewesen sei. Die vor Ablauf der verlängerten Überstellungsfrist erfolgte Aussetzung der Vollziehung durch das Bundesamt habe die Frist erneut unterbrochen, weil sie aus einem sachlich gerechtfertigten Grund erfolgt sei. 12 Die Klägerin macht mit ihrer Sprungrevision insbesondere geltend, die Verlängerung der Überstellungsfrist sei rechtswidrig und verstoße gegen Art. 27 Abs. 4 und Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO sowie § 80 Abs. 4, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 13 Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung. 14 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren nicht beteiligt. II 15 Die zulässige Sprungrevision der Klägerin ist begründet. 16 Das Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), weil der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - vom 22. Oktober 2018 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO) verletzt. Die Voraussetzungen, unter denen ein Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit unzulässig ist, liegen nicht (mehr) vor (1.). Die (Unzulässigkeits-)Entscheidung verletzt die Klägerin unter den hier gegebenen Umständen in eigenen Rechten (2.). Damit fehlt es auch an den Voraussetzungen für den Erlass der Folgeentscheidungen in Ziff. 2 bis 4 des Bescheides (3.). 17 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens sind das Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 3 des Neunundfünfzigsten Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 9. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2075) sowie die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31) - Dublin III-VO. Da es sich um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Tatsachengericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es diese nunmehr träfe, die während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Änderungen zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist. 18 1. Die Klage ist, soweit sie sich gegen die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziff. 1 des Bescheids des Bundesamts vom 22. Oktober 2018 richtet, als Anfechtungsklage statthaft (BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 - BVerwGE 153, 162 Rn. 13 f. und vom 26. Februar 2019 - 1 C 30.17 - Buchholz 402.251 § 29 AsylG Nr. 6 Rn. 12) und auch im Übrigen zulässig. 19 Die Klage ist auch begründet. Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG liegen im maßgeblichen Zeitpunkt nicht (mehr) vor. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist hier nicht der Fall, vielmehr ist die Bundesrepublik Deutschland für das Asylverfahren der Klägerin zuständig geworden. 20 a) Das Verwaltungsgericht ist zunächst im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass für die Durchführung des Asylverfahrens die Zuständigkeit Polens nach Art. 12 Abs. 2 und 4 Unterabs. 1 Dublin III-VO begründet war. Die Beklagte hat die Republik Polen fristgerecht um Aufnahme der Klägerin ersucht (Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO). Die Republik Polen hat dem Aufnahmegesuch innerhalb der von Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO bestimmten Zwei-Monats-Frist zugestimmt. 21 b) Nicht im Einklang mit Bundesrecht steht dagegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags sei nicht wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Beklagte übergegangen. Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylgesuchs ist vielmehr durch den Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist mit Ablauf des 7. Juli 2019 auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. 22 aa) Nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO erfolgt die Überstellung, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat (Alt. 1) oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat (Alt. 2). Verzögert sich die Überstellung wegen eines Rechtsbehelfsverfahrens mit aufschiebender Wirkung, ist der zuständige Mitgliedstaat hierüber unverzüglich zu unterrichten (Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 zur Änderung dieser Verordnung - DVO Dublin III-VO). Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur (Wieder-)Aufnahme verpflichtet, und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. 23 bb) Nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO ist hier die sechsmonatige Überstellungsfrist erstmals nach der Annahme des Aufnahmegesuchs durch die polnischen Behörden vom 18. Oktober 2018 in Lauf gesetzt worden. Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die so in Lauf gesetzte Überstellungsfrist durch den fristgemäß gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung vom 30. Oktober 2018 unterbrochen worden ist (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO), worüber das Bundesamt die polnischen Behörden auch am 19. März 2019 informierte. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Unterrichtung Polens über die Verzögerung der Überstellung mehr als vier Monate nach Stellung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht dazu führte, dass gemäß Art. 9 Abs. 2 DVO Dublin III-VO ein Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland erfolgte. Art. 9 Abs. 1 DVO Dublin III-VO sieht zwar eine ""unverzügliche"" Unterrichtung vor, enthält aber weder eine konkrete Frist noch eine dem Art. 9 Abs. 2 Satz 2 DVO Dublin III-VO entsprechende Regelung über einen Zuständigkeitsübergang. Zudem folgt aus der Anknüpfung des Art. 9 Abs. 2 Satz 2 DVO Dublin III-VO an Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO, dass ein Zuständigkeitsübergang wegen Nichteinhaltung von Informationspflichten die fehlende Mitteilung der Einlegung eines Rechtsbehelfs binnen sechs Monaten voraussetzt; das Bundesamt hatte Polen hier aber binnen sechs Monaten über die Einlegung des Rechtsbehelfs informiert. Mit Ergehen der ablehnenden gerichtlichen Entscheidung vom 7. Januar 2019 wurde die sechsmonatige Überstellungsfrist erneut in Gang gesetzt (vgl. stRspr, BVerwG, Urteile vom 26. Mai 2016 - 1 C 15.15 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 83 Rn. 11 und vom 8. Januar 2019 - 1 C 16.18 - BVerwGE 164, 165 Rn. 17) und endete am 7. Juli 2019. 24 cc) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die sechsmonatige Überstellungsfrist sei durch die Mitteilung des Bundesamtes vom 6. Mai 2019 nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO bis zum 7. Juli 2020 wegen Flüchtigseins der Klägerin verlängert worden, steht mit Bundesrecht nicht in Einklang. Die Klägerin war im Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung nicht ""flüchtig"" im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO, weshalb die Überstellungsfrist am 7. Juli 2019 abgelaufen und die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen war. 25 Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​218], Jawo - Rn. 53 ff.) ist ein Antragsteller ""flüchtig"" im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO, wenn er sich den für die Durchführung seiner Überstellung zuständigen nationalen Behörden gezielt entzieht, um die Überstellung zu vereiteln. Dies kann angenommen werden, wenn die Überstellung nicht durchgeführt werden kann, weil der Antragsteller die ihm zugewiesene Wohnung verlassen hat, ohne die zuständigen nationalen Behörden über seine Abwesenheit zu informieren, sofern er über die ihm insoweit obliegenden Pflichten unterrichtet wurde, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 - Rn. 70). Hiernach setzt der Begriff ""flüchtig"" objektiv voraus, dass sich der Antragsteller den zuständigen nationalen Behörden entzieht und die Überstellung hierdurch tatsächlich (zumindest zeitweise) unmöglich macht (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 - Rn. 60). Das Verhalten des Antragstellers muss kausal dafür sein, dass er nicht an den zuständigen Mitgliedstaat überstellt werden kann (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 - Rn. 70; OVG Bautzen, Beschluss vom 27. April 2020 - 5 A 157/20.A - juris Rn. 5; VGH München, Urteil vom 12. Februar 2020 - 14 B 19.50010 - AuAS 2020, 81 <83>). Subjektiv ist erforderlich, dass sich der Antragsteller gezielt und bewusst den nationalen Behörden entzieht und seine Überstellung vereiteln will (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 - Rn. 56). Aufgrund der erheblichen Schwierigkeiten, den Beweis für die innere Tatsache der Entziehungsabsicht zu führen und um das effektive Funktionieren des Dublin-Systems zu gewährleisten, darf aus dem Umstand des Verlassens der zugewiesenen Wohnung, ohne die Behörden über die Abwesenheit zu informieren, zugleich auf die Absicht geschlossen werden, sich der Überstellung zu entziehen, sofern der Betroffene ordnungsgemäß über die ihm insoweit obliegenden Pflichten unterrichtet wurde (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 - Rn. 61 f.). 26 Nach den den Senat bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) hat sich die Klägerin seit dem 28. Januar 2019 nicht mehr in der ihr zugewiesenen Unterkunft in N. aufgehalten, sondern sich nach K. in ein Kirchenasyl begeben, ohne - trotz Belehrung über eine entsprechende Verpflichtung - das für die Abschiebungsanordnung zuständige Bundesamt (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG) über den neuen Aufenthaltsort informiert zu haben. Bis zur Bekanntgabe ihrer neuen Anschrift am 1. April 2019 befand sich die Klägerin im Kirchenasyl, ohne dass ihr Aufenthaltsort dem Bundesamt bekannt war (sog. verdecktes Kirchenasyl; vgl. zur Unterscheidung zwischen verdecktem und offenem Kirchenasyl: Botta, ZAR 2017, 434 <435>). Ein darin etwa zu sehendes Flüchtigsein endete aber jedenfalls am 1. April 2019, als die Klägerin dem Bundesamt ihren neuen Aufenthaltsort bekannt gab, sodass es sich nunmehr um ein offenes Kirchenasyl handelte. Der Staat ist durch das offene Kirchenasyl weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert, die Überstellung durchzuführen. Er verzichtet vielmehr aufgrund einer rechtlich nicht verbindlichen Verfahrensabsprache mit den Kirchen darauf, das Recht durchzusetzen (vgl. BT-Drs. 19/2349 S. 1). Die staatliche Respektierung des Kirchenasyls begründet kein Vollstreckungshindernis, aufgrund dessen die Behörden gehindert wären, eine Überstellung durchzuführen, weshalb eine im offenen Kirchenasyl befindliche Person nicht ""flüchtig"" im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO ist. Die politische Entscheidung, eine Überstellung zu unterlassen, schafft keine Rechtsgrundlage für eine Verlängerung der Überstellungsfrist und führt nicht dazu, dass das offene Kirchenasyl der Überstellung tatsächlich entgegensteht. Vielmehr verzichtet der Staat als Ausdruck des Respekts vor einer christlich-humanitären Tradition bewusst darauf, das Recht durchzusetzen (vgl. in diesem Sinne auch: VGH München, Urteil vom 12. Februar 2020 - 14 B 19.50010 - AuAS 2020, 81 <83>; OVG Koblenz, Beschluss vom 4. Februar 2020 - 7 A 10885/19 - juris Rn. 12; OVG Bremen, Beschluss vom 18. September 2019 - 1 LA 125/19 - juris Rn. 7; OVG Münster, Beschluss vom 5. September 2019 - 13 A 2890/19.A - juris Rn. 12 ff.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 25. Juli 2019 - 10 LA 155/19 - InfAuslR 2019, 400 <401>; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: September 2020, § 29 AsylG Rn. 49a; Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 29 AsylG Rn. 53). Namentlich kann die rechtlich nicht verbindliche Verfahrensabsprache zwischen der Beklagten und den Kirchen zum Vorgehen bei Personen, die sich im Kirchenasyl befinden, auch nicht die Auslegung des unionsrechtlichen Rechtsbegriffs ""flüchtig"" im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO beeinflussen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2020 - 1 B 19.20 - InfAuslR 2020, 427). 27 dd) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die erforderliche Kausalität der Flucht für die Nichtdurchführbarkeit der Überstellung hier nicht schon deswegen zu bejahen, weil im Zeitpunkt des ""Wiederauftauchens"" der Klägerin nicht mehr eine ungekürzte Frist von sechs Monaten für die Überstellung zur Verfügung stand. Wie aus der Verwendung der Zeitform des Präsens in Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO (""flüchtig ist"") folgt, muss der Antragsteller im Zeitpunkt der Verlängerung der Dublin-Überstellungsfrist noch (aktuell) flüchtig sein, die Flucht also noch fortbestehen. Nach dem insoweit klaren und eindeutigen Wortlaut des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO entfällt die tatbestandliche Voraussetzung des ""Flüchtigseins"" zu dem Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller dem Bundesamt seinen Aufenthaltsort offenlegt. Ab diesem Zeitpunkt ist eine Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate unzulässig, weil sich der Antragsteller der Überstellung nicht mehr gezielt entzieht und die Durchsetzung der Überstellung möglich ist. Dass für eine Überstellung grundsätzlich ein zusammenhängender Zeitraum von sechs Monaten zur Verfügung stehen soll (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 [ECLI:​EU:​C:​2009:​41], Petrosian - Rn. 43 ff.), um die Überstellung zu bewerkstelligen, rechtfertigt deswegen keine andere Beurteilung, weil es die Beklagte selbst in der Hand hat, bei zwischenzeitlichen Überstellungshindernissen infolge einer Flucht i.S.d. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO zeitnah durch eine Verlängerung der Überstellungsfrist zu reagieren; etwaige Kommunikationsmängel im Verhältnis zu den mit dem Vollzug der Überstellung betrauten Behörden müsste sich die Beklagte zurechnen lassen (s.a. BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2020 - 1 B 19.20 - InfAuslR 2020, 427). Ob in Ausnahmefällen trotz bekannter Anschrift, etwa bei Verhinderung fortgesetzter Überstellungsversuche oder einem Verhalten, das einer fortdauernden Flucht gleichsteht, ein (fortbestehendes) Flüchtigsein im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO angenommen werden kann, bedarf hier mangels Anhaltspunkten für einen möglichen Ausnahmefall nicht der Entscheidung. Da die Klägerin im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamts am 6. Mai 2019 nicht (mehr) flüchtig war und das Bundesamt zu diesem Zeitpunkt auch Kenntnis davon hatte, durfte es die Überstellungsfrist nicht verlängern. Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylgesuchs der Klägerin ist mithin infolge des Ablaufs der sechsmonatigen Überstellungsfrist bereits am 7. Juli 2019 auf die Beklagte übergegangen. Die behördliche Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung nach § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO vom April 2020 konnte daher schon deswegen die bereits abgelaufene Frist nicht (erneut) unterbrechen oder diese neu in Lauf setzen. 28 2. Die Klägerin hat auch einen subjektiv-öffentlichen Anspruch darauf, dass die objektive Zuständigkeitsordnung eingehalten und ein durch das Fristenregime des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO bewirkter Zuständigkeitsübergang beachtet wird (BVerwG, Beschluss vom 2. Dezember 2019 - 1 B 75.19 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- und Asylrecht Nr. 107 Rn. 10). Insbesondere ist Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO dahin auszulegen, dass im Rahmen eines gegen eine Überstellungsentscheidung gerichteten Verfahrens die betreffende Person sich auf Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO berufen und geltend machen kann, dass die sechsmonatige Überstellungsfrist abgelaufen sei, weil sie nicht flüchtig gewesen sei (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 - Rn. 70). 29 3. Hat das Bundesamt den Asylantrag zu Unrecht wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit als unzulässig abgelehnt und ist der Bescheid insoweit aufzuheben, liegen auch die Voraussetzungen für die Folgeentscheidungen in Ziffer 2 bis 4 des angefochtenen Bescheids nicht vor. 30 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor." bverwg_2021-70,09.11.2021,"Pressemitteilung Nr. 70/2021 vom 09.11.2021 EN Gemeindliches Vorkaufsrecht in Gebieten einer Erhaltungssatzung (Milieuschutzsatzung) Das Vorkaufsrecht für ein Grundstück, das im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung bzw. -verordnung liegt, darf von der Gemeinde nicht auf der Grundlage der Annahme ausgeübt werden, dass der Käufer in Zukunft erhaltungswidrige Nutzungsabsichten verfolgen werde. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin, eine Immobiliengesellschaft, wendet sich gegen die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts. Sie erwarb ein im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gelegenes Grundstück, das mit einem Mehrfamilienhaus aus dem Jahre 1889 bebaut ist, in dem sich 20 Mietwohnungen und zwei Gewerbeeinheiten befinden. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich einer Verordnung, die dem Schutz der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen dient (sog. Milieuschutzsatzung). Das Bezirksamt übte das Vorkaufsrecht zugunsten einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft aus, um der Gefahr zu begegnen, dass ein Teil der Wohnbevölkerung aus dem Gebiet verdrängt wird, wenn im Anschluss an die Veräußerung die Wohnungen aufgewertet und die Mieten erhöht oder die Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt würden. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertige. Die sozialen Erhaltungsziele würden gefördert. Werde das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt, seien nach Lage der Dinge die vom Bezirksamt aufgezeigten erhaltungswidrigen Entwicklungen zu befürchten. Ein gesetzlicher Ausschlussgrund für die Ausübung des Vorkaufsrechts liege nicht vor; die zu erwartenden Nutzungen des Erwerbers seien ebenfalls zu berücksichtigen. Das Bundesverwaltungsgericht ist dem nicht gefolgt; es hat das Berufungsurteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Der Beklagte durfte sein Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB für das im Geltungsbereich einer Erhaltungsverordnung gelegene Grundstück nicht ausüben. Nach § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut ist und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 aufweist. Diese Voraussetzungen liegen nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und für den Senat daher bindenden Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts vor. § 26 Nr. 4 BauGB ist nach seinem Wortlaut eindeutig auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung über das Vorkaufsrecht bezogen. Eine Auslegung in dem Sinne, dass die Vorschrift auf Vorkaufsrechte für Grundstücke im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung keine Anwendung findet, kommt nicht in Betracht. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung des BauGB die alte Rechtslage nach dem BBauG insoweit unverändert übernehmen wollte und ihm dies bei der Gesetzesformulierung lediglich ""misslungen"" ist. Die vom Oberverwaltungsgericht angestellte Prüfung, ob zukünftig von erhaltungswidrigen Nutzungsabsichten auszugehen ist, scheidet daher aus. BVerwG 4 C 1.20 - Urteil vom 09. November 2021 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 10 B 9.18 - Urteil vom 22. Oktober 2019 - VG Berlin, 13 K 724.17 - Urteil vom 17. Mai 2018 -","Urteil vom 09.11.2021 - BVerwG 4 C 1.20ECLI:DE:BVerwG:2021:091121U4C1.20.0 EN Vorkaufsrecht im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung Leitsatz: Der Ausübungsausschlussgrund des § 26 Nr. 4 BauGB greift auch bei Vorkaufsfällen im Gebiet einer Erhaltungssatzung (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 172 BauGB), wenn das Grundstück entsprechend deren Zielen und Zwecken bebaut ist und genutzt wird. Dabei kommt es maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts an, während mögliche zukünftige Entwicklungen nicht von Bedeutung sind. Rechtsquellen BauGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr.1, Abs. 3 Satz 1, § 26 Nr. 4, § 27 Abs. 1 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 3, § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 Instanzenzug VG Berlin - 17.05.2018 - AZ: VG 13 K 724.17 OVG Berlin-Brandenburg - 22.10.2019 - AZ: OVG 10 B 9.18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 09.11.2021 - 4 C 1.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:091121U4C1.20.0] Urteil BVerwG 4 C 1.20 VG Berlin - 17.05.2018 - AZ: VG 13 K 724.17 OVG Berlin-Brandenburg - 22.10.2019 - AZ: OVG 10 B 9.18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2021 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Decker, Dr. Hammer und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Oktober 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Mai 2018 sowie der Bescheid des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin vom 11. August 2017 und dessen Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2018 aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin ein Negativzeugnis über die Nichtausübung des Vorkaufsrechts für den Kaufvertrag vom 15. Mai 2017 über das Grundstück H.straße ..., ... Berlin zu erteilen. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten um die Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts für ein Wohngrundstück. 2 Die Beigeladene ist Eigentümerin des Grundstücks H.straße ... in Berlin. Es ist mit einem Mehrfamilienhaus aus dem Jahre 1889 bebaut und verfügt in einem fünfgeschossigen Vorderhaus, einem Seitenflügel und einem Quergebäude über insgesamt 20 Mietwohnungen und 2 Gewerbeeinheiten. Im Jahr 2004 wurden Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt, wozu auf der Grundlage eines Fördervertrags mit dem beklagten Land öffentliche Fördermittel in Anspruch genommen wurden. Das Grundstück befindet sich im räumlichen Geltungsbereich der vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg erlassenen Erhaltungsverordnung für das Gebiet ""Chamissoplatz"", die als sogenannte Milieuschutzsatzung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung dient. Des Weiteren gilt für das Grundstück eine Verordnung des beklagten Landes, die einen Genehmigungsvorbehalt für die Begründung von Wohnungseigentum in Erhaltungsgebieten vorsieht. Schließlich liegt das Grundstück im Geltungsbereich eines Baunutzungsplans, der ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. 3 Mit notariellem Vertrag vom 15. Mai 2017 verkaufte die Beigeladene das Grundstück zum Preis von 3,4 Mio. € an die Klägerin. Diese trat in den Fördervertrag ein, dessen Bindungen spätestens im Jahr 2026 ablaufen. Eine ihr vom Bezirksamt angebotene Vereinbarung über die Abwendung des Vorkaufsrechts lehnte die Klägerin ab. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft WBM unterzeichnete als vorkaufsbegünstigter Dritter am 10. August 2017 eine Verpflichtungserklärung. 4 Mit Bescheid vom 11. August 2017 lehnte das Bezirksamt den Antrag auf Erteilung eines Negativzeugnisses ab und übte unter Berufung auf § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB sein Vorkaufsrecht zugunsten der WBM aus. 5 Das Verwaltungsgericht wies die Klage nach erfolglosem Widerspruchsverfahren ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts lägen vor. Das Wohl der Allgemeinheit könne dies schon dann rechtfertigen, wenn im Hinblick auf eine bestimmte gemeindliche Aufgabe überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt würden. Im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung sei dies gegeben, wenn erhaltungswidrige Entwicklungen zu befürchten seien, die der Käufer voraussichtlich beabsichtige. Die Anforderungen an diesen Nachweis dürften nicht überspannt werden. Bei einer Würdigung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse habe das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass mit der Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten der WBM das Ziel der Erhaltungsverordnung gefördert werde. Es sei auch zu befürchten, dass in der nachgefragten innerstädtischen Lage die Zusammensetzung der sozialgemischten Wohnbevölkerung aufgrund der Verdrängung einkommensschwächerer Gruppen nicht erhalten werde. Der relativ hohe Kaufpreis lasse erwarten, dass die Klägerin das Grundstück anders als bisher nutzen und den Kaufpreis durch mieterhöhende bauliche Maßnahmen refinanzieren werde. Diese Annahme werde dadurch bestärkt, dass die Klägerin die angebotene Abwendungserklärung nicht angenommen habe. Sie sei eine private Immobiliengesellschaft, was für eine Bewirtschaftung bzw. Vermarktung des Wohngebäudes nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und Erfordernissen spreche. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei schließlich nicht durch § 26 Nr. 4 BauGB ausgeschlossen. Diese Vorschrift sei dem Grunde nach anwendbar, wobei sich der Ausübungsausschluss im Falle einer gesonderten Erhaltungssatzung allein nach dessen zweiter Alternative richte. Diese sei ungeachtet des engen Wortlauts sachgerecht dahingehend auszulegen, dass bei der Beurteilung und Bewertung, ob das Grundstück entsprechend den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme - hier der sozialen Erhaltungssatzung - genutzt werde, auch die zu erwartenden künftigen Nutzungen durch den Käufer zu berücksichtigen seien. Die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten eines Dritten lägen vor. Schließlich habe der Beklagte sein Ermessen fehlerfrei betätigt. 6 Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass der vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegte Maßstab nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB in sich widersprüchlich und fehlerhaft sei. Das Oberverwaltungsgericht missachte die gesetzliche Ausgestaltung der Ziele einer Erhaltungsverordnung nach § 172 BauGB, verzichte zu Unrecht auf eine konkrete Gefährdung der Erhaltungsziele durch den Grundstückserwerb und lege im Rahmen der Rechtfertigung der Vorkaufsrechtsausübung Umstände außerhalb des Erwerbsvorgangs zugrunde. Des Weiteren gehe es rechtsfehlerhaft davon aus, dass § 26 Nr. 4 Alt. 1 BauGB für Grundstücke, die wie hier im Geltungsbereich sowohl eines Bebauungsplans als einer Erhaltungssatzung lägen, nicht einschlägig sei. Im Rahmen des § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB berücksichtige das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht künftige erhaltungswidrige Entwicklungen. 7 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Oktober 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Mai 2018 sowie den Bescheid des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg vom 11. August 2017 und dessen Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin ein Negativzeugnis über die Nichtausübung des Vorkaufsrechts für den Kaufvertrag vom 15. Mai 2017 über das Grundstück H.straße ..., ... Berlin zu erteilen. 8 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 9 Er verteidigt das angefochtene Urteil, ist allerdings der Auffassung, dass § 26 Nr. 4 BauGB auf ein Vorkaufsrecht im Geltungsbereich einer sozialen Erhaltungssatzung schon deswegen keine Anwendung finde, weil es sich dabei nicht um eine städtebauliche Maßnahme handele. 10 Die Beigeladene hat sich nicht geäußert. II 11 Die Revision ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Senat kann auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen selbst antragsgemäß über das geltend gemachte Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 12 Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Beklagte das Vorkaufsrecht am betroffenen Grundstück der Beigeladenen auf der Grundlage von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 24 Abs. 3, § 27a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB rechtmäßig ausgeübt. Dieser Bewertung steht jedoch der Ausübungsausschlussgrund nach § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB entgegen. 13 1. Das Grundstück der Beigeladenen liegt im Geltungsbereich der auf der Grundlage des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 246 Abs. 2 Satz 1 BauGB, § 30 Abs. 1 Satz 1 AGBauGB-BE erlassenen Erhaltungsverordnung ""Chamissoplatz"" vom 25. Mai 2005. Deren Rechtmäßigkeit wird von den Beteiligten nicht infrage gestellt; diesbezügliche Zweifel drängen sich dem Senat auch nicht auf. Der Beklagten steht folglich nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB ein Vorkaufsrecht zu. Es darf gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff wird begrenzt im Sinne einer negativen Tatbestandsvoraussetzung durch die Ausübungsausschlussgründe nach § 26 BauGB normativ begrenzt. Der dortige Katalog konkretisiert Beispielsfälle, in denen das Allgemeinwohl die Ausübung des Vorkaufsrechts typischerweise nicht rechtfertigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 1993 - 4 B 100.93 - Buchholz 406.11 § 25 BauGB Nr. 1 S. 2; vgl. auch Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 24 Rn. 63, § 26 Rn. 1). Hier steht § 26 Nr. 4 BauGB der Ausübung des Vorkaufsrechts entgegen. Auf die übrigen Erwägungen des Berufungsgerichts, insbesondere zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB, kommt es danach für die revisionsgerichtliche Prüfung nicht mehr an. 14 2. Nach § 26 Nr. 4 BauGB ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen, wenn - erstens - das Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bebaut ist und genutzt wird und - zweitens - eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB aufweist. 15 Die letztgenannte Voraussetzung ist nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) gegeben. Der Zustand des verkauften Anwesens steht seiner bestimmungsgemäßen Nutzung nicht entgegen; es entspricht auch den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Die erste Voraussetzung ist ebenfalls zu bejahen. 16 a) Dem steht nicht entgegen, dass nach den auf das nicht revisible Landesrecht bezogenen und auch als solchen nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die im geltenden Baunutzungsplan festgesetzte Geschoßflächenzahl überschritten ist. Denn der Ausschlussgrund der Plankonformität der Bebauung und Nutzung (§ 26 Nr. 4 Alt. 1 BauGB), die sich mangels einschränkender Vorgaben im Gesetz auf alle nach Maßgabe des § 30 BauGB möglichen Festsetzungen bezieht (vgl. Kronisch, in: Brügelmann, BauGB, Stand September 2017, § 26 Rn. 47), ist nicht einschlägig, wenn die Ausübung des Vorkaufsrechts ungeachtet der planungsrechtlichen Situation mit der Wahrung der Ziele einer Erhaltungssatzung begründet wird. 17 Mit den beiden Alternativen der ersten Voraussetzung des § 26 Nr. 4 BauGB hat das Gesetz Ausübungsausschlussgründe für verschiedenartige Vorkaufsrechte zusammengeführt, die gleichwohl in ihrer Zielrichtung unterscheidbar sind und weiterhin nach ihrem Bezugspunkt unterschieden werden. Schon die Verwendung des bestimmten Artikels ( des Bebauungsplans) legt nahe, dass sich die Alternative 1 allein auf die Fallkonstellation bezieht, dass das Vorkaufsrecht der Sicherung der Festsetzungen eines Bebauungsplans dient (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr.  1 BauGB). Die Begründung des Gesetzentwurfs bestärkt dieses Verständnis, wenn dort - die Gesamtregelung allerdings nicht erschöpfend - als Regelungsvorbild allein auf § 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BBauG und damit auf das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BBauG verwiesen wird (BT-Drs. 10/4630 S. 83 ), nicht aber auf das nach § 24a BBauG, dessen Satz 3 auf § 24 Abs. 2 Satz 2 BBauG gerade nicht Bezug nimmt. Die Fallkonstellationen der Alternative 2 treten ergänzend hinzu: Eine Überschneidung der Anwendungsbereiche kommt nur dann in Betracht, wenn der Bebauungsplan gerade auf die Umsetzung der städtebaulichen Maßnahme zielt (siehe auch Kronisch, in: Brügelmann, BauGB, a.a.O., § 26 Rn. 40); dies ist hier schon aufgrund der zeitlichen Abläufe auszuschließen. 18 b) Der Klägerin kommt § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB zugute. 19 aa) Zu den hiervon erfassten städtebaulichen Maßnahmen zählt grundsätzlich auch der Erlass einer Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB. Dieser Begriff ist wie auch in § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB als Gegenbegriff zum Bebauungsplan weit zu verstehen; darunter fallen alle Maßnahmen, die einen städtebaulichen Bezug aufweisen und der Gemeinde dazu dienen, ihre Planungsvorstellungen zu verwirklichen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 1994 - 4 B 70.94 - Buchholz 406.11 § 25 BauGB Nr. 2 S. 3; vom 8. September 2009 - 4 BN 38.09 - BRS 74 Nr. 129 Rn. 4 und vom 19. Dezember 2018 - 4 BN 42.18 - BRS 86 Nr. 78 S. 515). Diese können sich auch auf einen städtebaulich motivierten Bestands- bzw. Erhaltungsschutz beziehen (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 25 Rn. 15; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 25 Rn. 5; Paetow, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand 2012, § 25 Rn. 4, Stand 2008, § 26 Rn. 10) und in diesem Rahmen als Teilaspekt einer ""gemeindlichen Sozialplanung"" (vgl. BT-Drs. 7/2495 S. 53) auch Ziele und Zwecke - in erster Linie durch eine entsprechende Nutzung des Bestands - verfolgen. 20 Unbeachtlich ist, dass in §§ 172 ff. BauGB der Begriff der ""Maßnahme"" nicht verwendet wird. Das unterscheidet die Vorschriften über die Erhaltungssatzung von anderen im Zweiten Kapitel des Baugesetzbuches (Besonderes Städtebaurecht) aufgeführten städtebaulichen Instrumenten wie insbesondere den Sanierungsmaßnahmen (§§ 136 ff. BauGB) und den Entwicklungsmaßnahmen (§§ 165 ff. BauGB), die auf eine Veränderung und Umgestaltung eines Gebiets ausgerichtet sind. Die auf den Schutz eines Bestands ausgerichtete Erhaltungssatzung samt den darauf beruhenden gemeindlichen Einwirkungsmöglichkeiten ist gleichwohl Teil des besonderen Maßnahmenrechts des Städtebaurechts (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 172 Rn. 2; Bank, in: Brügelmann, BauGB, Stand Oktober 2011, Rn. 2 vor §§ 172-174; § 172 Rn. 9). Von einem umfassenden Begriff der städtebaulichen Maßnahme geht innerhalb des Zweiten Kapitels des Baugesetzbuches auch § 187 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauGB aus; denn hierunter fallen u.a. alle Satzungen, die auf der Grundlage des Baugesetzbuches erlassen werden (vgl. Möller, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 187 Rn. 4; Schriever/Linke, in: Brügelmann, BauGB, Stand September 2015, § 187 Rn. 22; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 187 Rn. 5). Dieses weite Verständnis findet sich im hier relevanten Kontext ebenfalls in der Begründung des Gesetzentwurfs, wenn dort im Zusammenhang mit der Abwendungsbefugnis unter Bezug auf die Vorschrift des § 24a Satz 2 BBauG betreffend das Vorkaufsrecht in Erhaltungsgebieten von einer ""maßnahmengemäßen"" Nutzung die Rede ist (BT-Drs. 10/4630 S. 83 ). Die bei der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs herangezogenen ""Materialien zum Baugesetzbuch - Berichte der Arbeitsgruppen und der Gesprächskreise zum Baugesetzbuch"" (Schriftenreihe 03 ""Städtebauliche Forschung"" des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Heft Nr. 03.108, 1984; siehe BT-Drs. 10/4630 S. 49) haben dieses Begriffsverständnis in gleicher Weise zugrunde gelegt (S. 137). 21 bb) Der Ausschlussgrund greift demnach auch bei Vorkaufsfällen im Gebiet einer Erhaltungssatzung (§ 24 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 172 BauGB), wenn das Grundstück entsprechend deren Zielen und Zwecken bebaut ist und genutzt wird. Auch in dieser Fallgestaltung kommt es maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts an, während mögliche zukünftige Entwicklungen nicht von Bedeutung sind (siehe zum Streitstand etwa Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 26 Rn. 22). Dieses Verständnis der Norm knüpft an den hinreichend klaren und insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift an, der auch nicht mithilfe anderer Auslegungsmethoden überwunden werden kann. 22 (1) Das Gesetz bedient sich der Zeitform des Präsens (""bebaut ist und genutzt wird""), die zuvörderst einen gegenwärtigen Zustand umschreibt, nicht aber zukünftige Verhältnisse und Entwicklungen in den Blick nimmt. Daran ändert sich nichts dadurch, dass sowohl der Bebauung als auch der Nutzung ein Element der Dauer innewohnt; denn das Gesetz stellt ersichtlich gerade auf einen bestimmten Zeitpunkt in einem Kontinuum ab. Ein grammatikalisch durchaus möglicher und insbesondere in der Umgangssprache intendierter Zukunftsbezug bei Verwendung des Präsens kann sich zwar außer aus eindeutigen Zeitangaben auch aus dem Sinnzusammenhang ergeben. Allein der Verweis auf das Erhaltungsziel, das auf die (fortdauernde) Bewahrung eines gegebenen Zustands bezogen ist, reicht nicht aus, um den grammatikalischen Sonderfall als gegeben anzunehmen. Für ein abweichendes Wortverständnis gibt auch die Entstehungsgeschichte nichts her. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 10/4630 S. 83 ) ist § 26 Nr. 4 BauGB den Regelungen in § 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, Satz 3 Halbs. 1 BBauG nachgebildet. In § 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BBauG fehlt indessen jeglicher Anhaltspunkt für eine zukunftsbezogene Verwendung des Präsens. 23 Der Wortlaut des § 26 Nr. 4 BauGB kann auch nicht mit der Begründung als unklar - und folglich auslegungsbedürftig - bezeichnet werden, dass bei einer am Wortlaut orientierten Auslegung das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB bezogen auf den wesentlichen Inhalt des § 172 BauGB seinen Sinn verlöre (so Roos, in: Brügelmann, BauGB, Stand März 2003, § 24 Rn. 56). Vielmehr wird damit der Sache nach behauptet, dass die Vorschrift aus teleologischen Erwägungen einer den Wortlaut korrigierenden bzw. ergänzenden Auslegung bedürfe (so denn auch Roos a.a.O. Rn. 58 f.). 24 (2) Stellt § 26 Nr. 4 BauGB nach seinem klaren Wortlaut einheitlich für alle Vorkaufsrechtsfälle bei der Beurteilung einer plan- bzw. maßnahmenkonformen Bebauung und Nutzung auf den gegenwärtigen Zustand ab, könnte der so verstandene Ausübungsausschlussgrund bei Vorkaufsfällen im Gebiet einer Erhaltungssatzung nur dann unberücksichtigt bleiben und damit eine zukunftsgerichtete Betrachtung im Rahmen des § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB ermöglichen, wenn die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion der Norm vorlägen und demnach die zu weit gefasste Regelung auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen wäre (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 7. Mai 2014 - 4 CN 5.13 - Buchholz 406.11 § 3 BauGB Nr. 15 Rn. 14 und vom 22. Mai 2014 - 5 C 27.13 - Buchholz 428.4 § 1 AusglLeistG Nr. 26 Rn. 21 f. m.w.N.). Eine gesetzgeberische Konzeption, die der Neuregelung des Vorkaufsrechts im Gesetz über das Baugesetzbuch zugrunde liegt, im Normtext aber nur unvollkommen zum Ausdruck gekommen ist und folglich eine entsprechende Korrektur eines insoweit ""misslungenen"" Gesetzestextes erforderte (siehe etwa Paetow, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand 2008, § 26 Rn. 11; so bereits in der Vorauflage Lemmel, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 2. Aufl. 1995, § 26 Rn. 8), ist jedoch mit der gebotenen Eindeutigkeit nicht nachzuweisen. Demgegenüber reicht der Hinweis nicht aus, dass allein eine den Wortlaut des Gesetzes berichtigende Interpretation zu einer als wünschenswert und sinnvoll erachteten Regelung führe. Eine solche vor dem Hintergrund neuer Entwicklungen und drängender Probleme auf dem Wohnungsmarkt zu schaffen, ist Sache des Gesetzgebers. 25 Den Gesetzesmaterialien zur Ausgestaltung des Vorkaufsrechts im Baugesetzbuch ist nicht zu entnehmen, dass das der Sicherung von städtebaulichen Erhaltungszielen dienende Vorkaufsrecht nach § 24a BBauG in seiner inhaltlichen Ausformung unverändert in das Baugesetzbuch überführt werden sollte. 26 Die Gesetzesänderungen im Bereich des Vorkaufsrechts zielten allgemein darauf ab, die Regelungen zu straffen oder aus Gründen der Vereinfachung neu zu fassen (BT-Drs. 10/4630 Einl. B. 11, S. 50, 52). Das Vorkaufsrecht sollte auf der Grundlage der gewonnenen Erfahrungen ""auf die Fälle wirklichen städtebaulichen Bedürfnisses beschränkt werden"" (BT-Drs. 10/4630 S. 56). Wegen geringer praktischer Bedeutung sollten die Vorkaufsrechte nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 und nach § 25a BBauG entfallen. Eine nur beschränkte Relevanz des Vorkaufsrechts nach § 24a BBauG stand dem Gesetzgeber ebenfalls deutlich vor Augen. Aus Untersuchungen, auf die in den bei der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs herangezogenen ""Materialien zum Baugesetzbuch"" Bezug genommen wird (S. 135), geht hervor, dass das Vorkaufsrecht nach § 24a BBauG niemals angewendet und nur viermal - jeweils außerhalb von Erhaltungsgebieten - angedroht worden ist (siehe Schäfer/Schmidt-Eichstaedt, Praktische Erfahrungen mit dem Bundesbaugesetz, Forschungsbericht 34, 1984, S. 228 f., 251). Auch zur Reduzierung eines angesichts des geringen Anteils von Fällen, in denen ein Vorkaufsrecht überhaupt ausgeübt wurde, letztlich überflüssigen Verwaltungsaufwands ist in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB das Vorkaufsrecht auf die durch Satzung festgesetzten Gebiete beschränkt worden (siehe auch Materialien a.a.O. S. 136); ein solches Erfordernis war nach dem Gesetzeswortlaut bisher nicht vorgesehen (so auch die h.M. im Schrifttum, siehe die Nachweise bei Konrad, ZRP 1986, 96 <98 mit Fn. 29>). Aus der Formulierung ""Nr. 4 entspricht § 24a des Bundesbaugesetzes"" (BT-Drs. 10/4630 S. 82 ) kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass mit Ausnahme des räumlichen Anwendungsbereichs das Vorkaufsrecht insoweit im Wesentlichen unberührt bleiben sollte (so aber Roos, in: Brügelmann, BauGB, Stand März 2003, § 24 Rn. 57). Dem steht schon entgegen, dass es nunmehr an einer tatbestandlichen Anknüpfung an zukünftige Nutzungsabsichten fehlt (vgl. Kronisch, in: Brügelmann, BauGB, Stand Juli 2018, § 24 Rn. 185). Nichts anderes folgt auch aus der allgemeinen Feststellung, wonach der Gemeinde ""gesetzliche Vorkaufsrechte weiterhin (...) in Satzungsgebieten nach dem bisherigen § 39h BBauG zustehen"" sollen (BT-Drs. 10/4630 S. 56). Denn über den genauen Inhalt dieses Rechts ist damit noch nichts gesagt. Es wird vielmehr durch die Neuregelung im Einzelnen ausgeformt. 27 Mit der Ausübungsvoraussetzung nach § 24 Abs. 3 BauGB wird in Bezug auf eine Rechtfertigung durch das Wohl der Allgemeinheit die alte Rechtslage wiederholt (§ 24a Satz 3 i.V.m. § 24 Abs. 2 Satz 1 BBauG). Demgegenüber wird mit der Neuregelung der Ausübungsausschlussgründe insoweit die Rechtslage geändert, als diese Gründe nunmehr einheitlich für alle Vorkaufsrechte gelten und der Ausschlussgrund der plankonformen Bebauung und Nutzung (§ 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BBauG) entsprechend auf eine maßnahmenkonforme Bebauung und Nutzung erstreckt wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 1993 - 4 B 100.93 - Buchholz 406.11 § 25 BauGB Nr. 1 S. 3). Darin liegt ein Unterschied zum Regelungsvorschlag im Bericht der Arbeitsgruppe 5, die sich in Absatz 4 des Vorschlags zum Ausschluss des Vorkaufsrechts noch im Anschluss an die bestehenden Vorschriften auf die planentsprechende Bebauung und Nutzung beschränkt hat und somit festhalten konnte, dass die Ausschlussgründe des geltenden Rechts erhalten bleiben (Materialien a.a.O. S. 138). Wenn der Gesetzentwurf hiervon abweicht und die Reichweite des Ausschlussgrundes erweitert, spricht vieles dafür, dass er sich für eine neue inhaltliche Ausgestaltung des Vorkaufsrechts im Gebiet von Erhaltungssatzungen ausgesprochen hat. In den weiteren parlamentarischen Beratungen ist darauf - soweit schriftlich dokumentiert - nicht weiter eingegangen worden (siehe BT-Drs. 10/6166 S. 135 f.), der Bundesrat hat zu §§ 24 bis 26 BauGB-E keine Empfehlungen formuliert (siehe BR-Drs. 575/1/85 S. 42 bis 44), und das Gesetz ist so verabschiedet worden. Damit wird das Vorkaufsrecht in Erhaltungsgebieten eingeengt, läuft aber nicht von vornherein leer. Ein Anwendungsbereich verbleibt jedenfalls in den Fällen, in denen eine bauliche Anlage Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB aufweist (vgl. auch Kronisch, in: Brügelmann, BauGB, Stand September 2017, § 26 Rn. 53; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 27 Rn. 44). Ein eindeutiger Widerspruch zwischen der in der Begründung des Gesetzentwurfs formulierten Regelungsabsicht und dem Verständnis der gesetzlichen Regelung, die eine interpretatorische Korrektur angezeigt erscheinen ließe, liegt folglich nicht vor. Vielmehr war dem Gesetzgeber eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs des Vorkaufsrechts im Interesse einer Vereinheitlichung und auch Vereinfachung der verschiedenen Vorkaufsrechte - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der (damals) geringen praktischen Bedeutung dieses städtebaulichen Instruments - unbenommen. Eine Vereinfachung des Vorkaufsrechts mag dabei auch darin gesehen werden, dass zum einen die Schwierigkeiten eines hinreichend verlässlichen Nachweises künftiger erhaltungswidriger Nutzungsabsichten entfallen (siehe dazu Kronisch, in: Brügelmann, BauGB, Stand Juli 2018, § 24 Rn. 182 f.) und zum anderen eine Abgrenzung entbehrlich ist, inwiefern die Erhaltungsziele die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigen oder die Möglichkeiten einer Genehmigungsversagung nach § 172 Abs. 4 BauGB für deren Verwirklichung ausreichen (siehe dazu Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 24 Rn. 65a, 76 einerseits; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 24 Rn. 25 a.E. andererseits). 28 Des Weiteren belegen auch die neugefassten Regelungen über das Abwendungsrecht in § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht, dass dem Gesetzgeber dabei die Ausübung des Vorkaufsrechts zur Abwehr drohender Nutzungsänderungen in Erhaltungsgebieten vor Augen stand. Die Ausübung des Vorkaufsrechts kann abgewendet werden, wenn der Käufer in der Lage ist, das Grundstück binnen angemessener Frist den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme entsprechend zu nutzen. Die Abwendung setzt folglich ein fristgerechtes Handeln voraus. Eine Verpflichtung zum Unterlassen einer Änderung, die in Zukunft zu befürchten steht, wird demgegenüber nicht erwähnt. 29 3. Kommt es von Gesetzes wegen allein auf eine maßnahmenkonforme Nutzung im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts an, ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die mit dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten in Einklang stehen, die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage hat danach auch insoweit Erfolg, als sie auf die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung eines Negativzeugnisses gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB gerichtet ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 30 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2021-71,09.11.2021,"Pressemitteilung Nr. 71/2021 vom 09.11.2021 EN Zulässigkeit eines sog. Wohnungsbordells in einem Mischgebiet Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass ein sog. Wohnungsbordell in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Mischgebiet bauplanungsrechtlich nicht von vorneherein unzulässig ist. Die Klägerin begehrt eine Baugenehmigung für die Änderung einer Wohnnutzung in eine gewerbliche Nutzung. Sie ist Mieterin dreier miteinander verbundener Wohnungen mit insgesamt 428 m2 im 2. Obergeschoss eines siebenstöckigen Gebäudes in Berlin. Dort betreibt sie seit 1996 eine prostitutive Einrichtung (sog. Wohnungsbordell). Das Gebäude liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der ein Mischgebiet ausweist. Der Bauantrag wurde abgelehnt. Das Oberverwaltungsgericht hob das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts auf und wies die Klage ab. Das Vorhaben der Klägerin sei bauplanungsrechtlich unzulässig. Ein bordellartiger Betrieb, wie ihn die Klägerin führe, sei mit der im Mischgebiet ebenfalls zulässigen Wohnnutzung wegen der damit bei typisierender Betrachtung verbundenen ""milieutypischen Unruhe"" nicht vereinbar. Das Prostituiertenschutzgesetz von 2016 ändere daran nichts. Eine atypische Fallgestaltung, die eine Einzelfallbetrachtung erfordere, liege nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das der Typisierung zugrundeliegende Störpotenzial fehlerhaft bestimmt, weil es den Begriff der ""milieubedingten Unruhe"" zu weit verstanden hat. Begleitumständen des Prostitutionsgewerbes, die keine städtebauliche Relevanz haben, ist vielmehr mit Auflagen und ordnungsrechtlichen Mitteln zu begegnen. Die Unverträglichkeit von bordellartigen Betrieben und Wohnnutzung beruht auf der Annahme, dass die Betriebe nach außen als solche in Erscheinung treten und dies gerade in den Abend- und Nachtstunden zu Störungen insbesondere durch den Zu- und Abgangsverkehr führt. Dieses typische Störpotenzial kommt einem auf Diskretion angelegten, nach 20.00 Uhr geschlossenen sog. Wohnungsbordell nicht zu. Es unterscheidet sich für den Betrachter nicht erkennbar von der sonst zulässigen Nutzung und zieht daher insbesondere keine Laufkundschaft an. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines sog. Wohnungsbordells ist daher mittels Einzelfallbetrachtung zu prüfen. Die dafür erforderlichen Tatsachenfeststellungen hat das Oberverwaltungsgericht nicht getroffen. Das führt zur Zurückverweisung. BVerwG 4 C 5.20 - Urteil vom 09. November 2021 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, OVG 2 B 2.18 - Urteil vom 29. Oktober 2019 - VG Berlin, VG 19 K 195.16 - Urteil vom 24. Mai 2018 -","Urteil vom 09.11.2021 - BVerwG 4 C 5.20ECLI:DE:BVerwG:2021:091121U4C5.20.0 EN Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines sog. Wohnungsbordells im Mischgebiet Leitsätze: 1. An der Beurteilung prostitutiver Betriebe auf der Grundlage der eingeschränkten Typisierungslehre haben weder das Prostitutionsgesetz noch das Prostituiertenschutzgesetz etwas geändert. 2. Das Störpotenzial eines sog. Wohnungsbordells im Mischgebiet nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO 1962 lässt sich nicht typisierend erfassen. Es bedarf vielmehr einer Einzelfallprüfung. Rechtsquellen VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB § 1 Abs. 6 Nr. 2 und 3, § 30 Abs. 1 BauNVO 1962 § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 Instanzenzug VG Berlin - 24.05.2018 - AZ: VG 19 K 195.16 OVG Berlin-Brandenburg - 29.10.2019 - AZ: OVG 2 B 2.18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 09.11.2021 - 4 C 5.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:091121U4C5.20.0] Urteil BVerwG 4 C 5.20 VG Berlin - 24.05.2018 - AZ: VG 19 K 195.16 OVG Berlin-Brandenburg - 29.10.2019 - AZ: OVG 2 B 2.18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2021 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Decker, Prof. Dr. Külpmann und Dr. Hammer für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Oktober 2019 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über die baurechtliche Zulässigkeit einer prostitutiven Einrichtung in der Form eines sog. Wohnungsbordells. 2 Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung ehemaliger Wohnräume in ""gewerbliche Nutzung (gewerbliche Zimmervermietung, bordellähnlicher Betrieb)"". Sie ist Mieterin dreier miteinander verbundener, insgesamt 428 m2 großer Wohneinheiten im 2. Obergeschoss eines siebenstöckigen Gebäudes in Berlin. Dort betreibt sie seit 1996 eine prostitutive Einrichtung (Wohnungsbordell). Das Gebäude war ursprünglich als Wohnhaus genehmigt und weist 28 Wohneinheiten auf. Derzeit wird es jedenfalls im Vorderhaus, in dem sich auch der Betrieb der Klägerin befindet, überwiegend gewerblich oder freiberuflich genutzt. Das Gebäude liegt im Geltungsbereich des mit Verordnung vom 15. September 1964 (GVBl. S. 1045) festgesetzten Bebauungsplans IX-73. Dieser setzt ein Mischgebiet gemäß § 6 BauNVO 1962 fest. 3 Den Bauantrag lehnte der Beklagte ab. Die auf Erteilung der Baugenehmigung gerichtete Klage hatte beim Verwaltungsgericht Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung. Die Nutzungsänderung sei nicht nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO 1962 im Mischgebiet allgemein zulässig. Zwar sei bei dem Betrieb der Klägerin von einem Gewerbebetrieb auszugehen. Aufgrund einer (begrenzt) typisierenden Betrachtungsweise, die für Bordelle oder - wie hier - bordellartige Betriebe anzustellen sei, könne dem Verwaltungsgericht jedoch nicht darin gefolgt werden, dass der Betrieb der Klägerin das Wohnen nicht wesentlich störe. Solche Betriebe seien vielmehr mit der im Mischgebiet zulässigen Wohnnutzung unverträglich. Denn sie seien regelmäßig mit nach außen wirkenden Begleiterscheinungen in ihrer gerichtsbekannten Ausprägung, der sog. ""milieubedingten"" Unruhe, verbunden. Ihr belästigender Charakter folge aus dem städtebaulichen Konfliktpotential, welches das Nebeneinander von prostitutiver Tätigkeit und Wohnen begründe. Die gegen die herkömmliche Differenzierung von Wohnungsprostitution, bordellartigen Betrieben und Bordellen angeführten Argumente überzeugten nicht. Die Unterscheidung sei hinreichend differenziert, um das typische Störpotential prostitutiver Betriebe sachgerecht zu erfassen. Für den Sonderfall des ""Berliner Wohnungsbordells"" ergebe sich nichts Anderes. Ferner gäben weder das Prostitutionsgesetz noch das Prostituiertenschutzgesetz Anlass zu einer abweichenden Einschätzung. Eine atypische Fallgestaltung, die die Beurteilung anhand einer typisierenden Betrachtung ausschlösse, sei ebenfalls nicht gegeben. Die Mischgebietsunverträglichkeit von Bordellen oder bordellartigen Betrieben stehe im Einklang mit Bundesrecht. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB seien nicht gegeben. 4 Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Auffassung, dass es sich bei ihrem Betrieb um einen das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieb i.S.v. § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO 1962 handele. Angesichts des Regelungsregimes des Prostituiertenschutzgesetzes könne an der typisierenden Einordnung bordellartiger Betriebe nicht festgehalten werden. Wie § 12 Abs. 7 ProstSchG zeige, ständen Baugenehmigung und Betriebserlaubnis nach § 12 ProstSchG nebeneinander. Die funktionsgerechte Nutzung werde aber vom Prostituiertenschutzgesetz geregelt. Da der klägerische Betrieb danach das Wohnen nicht wesentlich störe, sei er zulässig. Die Klägerin macht zudem Verfahrensmängel geltend. 5 Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. II 6 Die Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das angegriffene Urteil verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die tatrichterlichen Feststellungen lassen eine Entscheidung in der Sache nicht zu (§ 144 Abs. 4 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). 7 Das Oberverwaltungsgericht ist der Auffassung, das klägerische Vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es den Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplans IX-73 widerspreche (§ 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO 1962). Es handele sich um keinen, das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieb i.S.v. § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO 1962. Das ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. 8 Nach § 6 Abs. 1 BauNVO 1962 dienen Mischgebiete dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Allgemein zulässig sind u.a. sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO 1962). 9 1. Zutreffend geht das Oberverwaltungsgericht davon aus, dass es sich bei dem Betrieb der Klägerin um einen sonstigen Gewerbebetrieb handelt (BVerwG, Beschlüsse vom 5. Juni 2014 - 4 BN 8.14 - ZfBR 2014, 574 Rn. 10, vom 2. November 2015 - 4 B 32.15 - Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr. 23 Rn. 4 f. und vom 16. August 2017 - 4 B 18.17 - BRS 85 Nr. 47). Die Annahme, dieser sei bei typisierender Betrachtung als das Wohnen wesentlich störend einzustufen, steht hingegen mit Bundesrecht nicht im Einklang. Das Oberverwaltungsgericht hat die Reichweite der Typisierung überdehnt, weil es bei der Bestimmung des hierfür maßgeblichen Störpotentials den Begriff der ""milieubedingten"" Unruhe zu weit gefasst hat. 10 a) Bei der bauplanungsrechtlichen Beurteilung, ob ein Betrieb als im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO (in allen Fassungen) ""das Wohnen wesentlich störender"" und damit im Mischgebiet unzulässiger Gewerbebetrieb zu bewerten ist, ist im Ausgangspunkt eine - eingeschränkte - typisierende Betrachtung anzustellen (grundlegend BVerwG, Urteil vom 3. Februar 1984 - 4 C 54.80 - BVerwGE 68, 342 <346 f.>; ferner BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 - 7 C 7.92 - Buchholz 406.12 § 15 BauNVO Nr. 22). Der Betrieb ist als unzulässig einzustufen, wenn von Betrieben seines Typs bei funktionsgerechter Nutzung üblicherweise für die Umgebung in diesem Sinne unzumutbare Störungen ausgehen können; auf das Maß der konkret hervorgerufenen oder in Aussicht genommenen Störungen kommt es grundsätzlich nicht an (BVerwG, Urteil vom 13. Juni 1969 - 4 C 21.67 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 23; Beschlüsse vom 22. November 2002 - 4 B 72.02 - Buchholz 406.12 § 6 BauNVO Nr. 17 und vom 27. Juni 2018 - 4 B 10.17 - Buchholz 406.12 § 6 BauNVO Nr. 19 Rn. 8). Eine typisierende Betrachtungsweise verbietet sich jedoch, wenn der zur Beurteilung stehende Betrieb zu einer Branche gehört, deren übliche Betriebsformen hinsichtlich des Störgrades eine große Bandbreite aufweisen, die von nicht wesentlich störend bis störend oder sogar erheblich belästigend reichen kann. Ist mithin ein Betrieb einer Gruppe von Gewerbebetrieben zuzurechnen, die hinsichtlich ihrer Mischgebietsverträglichkeit zu wesentlichen Störungen führen können, aber nicht zwangsläufig führen müssen, wäre eine abstrahierende Bewertung des konkreten Betriebs nicht sachgerecht. Ob solche Betriebe in einem Mischgebiet zugelassen werden können, hängt dann von ihrer jeweiligen Betriebsstruktur ab. Maßgeblich ist, ob sich die Störwirkungen, die die konkrete Anlage bei funktionsgerechter Nutzung erwarten lässt, innerhalb des Rahmens halten, der durch die Gebietseigenart vorgegeben ist (BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2018 - 4 B 10.17 - Buchholz 406.12 § 6 BauNVO Nr. 19 Rn. 9). 11 b) Eine typisierende Betrachtung kann auch das Störpotential prostitutiver Betriebe in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen sachgerecht erfassen. Sie deckt aber nicht das gesamte Spektrum solcher Einrichtungen ab. 12 aa) So wird angenommen, dass - hier nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts allerdings nicht entscheidungserheblich - die sogenannte Wohnungsprostitution gesondert zu betrachten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juni 1995 - 4 B 137.95 - Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 9) und typischerweise als mischgebietsverträglich einzuordnen sei (siehe etwa VGH Mannheim, Beschluss vom 9. August 1996 - 8 S 1987/96 - NVwZ 1997, 601; Urteil vom 13. Februar 1998 - 5 S 2570/96 - NVwZ-RR 1998, 550; VGH München, Beschlüsse vom 19. Mai 1999 - 26 ZB 99.770 - UPR 1999, 395 und vom 10. Juni 2010 - 1 ZB 09.19 71 - juris Rn. 23). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass die Prostituierte in der Wohnung, in der sie dauerhaft wohnt, der Prostitution nachgeht. Diese gewerbliche Nutzung der Räumlichkeiten ist in der Regel von außen nicht wahrnehmbar und hat keine erheblichen negativen Auswirkungen auf die benachbarte Wohnnutzung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2014 - 6 C 28.13 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 105 Rn. 21; VGH Mannheim, Urteil vom 24. Juli 2002 - 5 S 149/01 - GewArch 2003, 496; OVG Koblenz, Beschluss vom 16. September 2013 - 8 A 10560/13 - juris Rn. 12). 13 bb) Zu sonstigen Prostitutionseinrichtungen, denen der prägende Bezug zur Wohnung der Prostituierten fehlt, und die Bordelle sowie bordellartige Betriebe in unterschiedlicher Gestalt umfassen, hat der Senat entschieden, dass es sich um das Wohnen wesentlich störende Betriebe handelt. Zur Begründung hat er maßgeblich auf die von einem solchen Betrieb ausgehenden Nachteile und Belästigungen, insbesondere auf den Lärm des Zu- und Abgangsverkehrs und sonstige ""milieubedingte"" Unruhe abgestellt (BVerwG, Urteil vom 25. November 1983 - 4 C 21.83 - BVerwGE 68, 213 <216>; siehe auch Urteil vom 12. September 2013 - 4 C 8.12 - BVerwGE 147, 379 Rn. 14). Eine typisierende Betrachtung kann danach nur soweit reichen, als es um Betriebe geht, die insbesondere solche beeinträchtigenden Auswirkungen auf ihre Umgebung hervorrufen können, die dem städtebaulich zu verstehenden Begriff der ""milieubedingten"" Unruhe zuzuordnen sind. Dieser ist allein auf Störungen ausgerichtet, aus denen Konflikte zu anderen Nutzungsarten, insbesondere zur Wohnnutzung, entstehen können und die durch räumliche Trennung und Gliederung widerstreitender Nutzungsarten, nämlich der Verweisung in eine andere Gebietskategorie der Baunutzungsverordnung, gelöst werden können (BVerwG, Urteil vom 25. November 1983 - 4 C 21.83 - a.a.O.). 14 Solche Störungen setzen voraus, dass der prostitutive Betrieb nach außen - in welcher Form auch immer - in Erscheinung tritt, wie z.B. durch Werbung im Umfeld des Betriebs oder auch eine entsprechende (Fassaden-)Gestaltung (Aufschriften, auffällige Werbung). Hierdurch hebt sich die Einrichtung von der umgebenden Nutzung ab und ist so dem Prostitutionsgewerbe ohne weiteres zuzuordnen. Eine deutlich in Erscheinung tretende prostitutive Einrichtung löst zusätzlichen, gebietsfremden (Publikums-)Verkehr aus, weil hierdurch vor allem Laufkundschaft angesprochen und zum Besuch des Betriebs angeregt wird. Das bringt Unruhe (Immissionen, insbesondere Lärm) in das Mischgebiet, beeinträchtigt damit die Wohnruhe und wirkt sich negativ auf das soziale Umfeld (§ 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB) und die Wohnbedürfnisse, insbesondere von Familien mit Kindern aus (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB). Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass nicht nur die Kunden, sondern auch die Prostituierten die Betriebsstätte aufsuchen und wieder verlassen müssen, weil in Bordellen oder bordellähnlichen Betrieben im Unterschied zu solchen der Wohnungsprostitution nicht gewohnt wird und dort zudem immer mehrere Prostituierte tätig sind. Hinzu kommt, dass solche Betriebe regelmäßig auch in den Nachtstunden geöffnet sind. Schließlich kann mit nach außen in Erscheinung tretenden Bordellen oder bordellartigen Betrieben ein sog. Trading-down-Effekt einhergehen (siehe hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1994 - 4 C 13.93 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 172 S. 25; Beschluss vom 21. Dezember 1992 - 4 B 182.92 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 15 jeweils zu Vergnügungsstätten). Die sichtbare Existenz eines Bordells oder bordellähnlichen Betriebs kann auch Auswirkungen auf den Bodenmarkt im betroffenen Gebiet haben (§ 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB). Ferner sind negative Folgen für die Bewohnerstrukturen denkbar, weil Bewohner sich durch einen solchen ohne weiteres wahrnehmbaren Betrieb veranlasst sehen können, das Gebiet zu verlassen (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB). Das gilt umso mehr, wenn die Prostituierten oder andere Bedienstete vor dem Betrieb für den Besuch der Einrichtung ""werben"". 15 Ausgehend von einem so verstandenen Begriff der ""milieubedingten"" Unruhe kann der im Rahmen des § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO 1962 anzustellenden typisierenden Betrachtungsweise nur ein Betrieb zugrunde gelegt werden, der nach außen als solcher in Erscheinung tritt und/oder in den Nachtstunden (ab 22.00 Uhr) betrieben wird. 16 c) Das Oberverwaltungsgericht ist demgegenüber von einem unzutreffenden Verständnis der ""milieubedingten"" Unruhe ausgegangen und hat deshalb den Kreis der von einer typisierenden Betrachtung erfassten Betriebe zu weit gezogen. Es hat darauf abgestellt, dass bei Bordellen oder bordellähnlichen Betrieben mit milieutypischen Begleiterscheinungen wie Belästigungen durch alkoholisierte oder unzufriedene Kunden, organisierte Kriminalität, Menschen- und Drogenhandel, ausbeutender Zuhälterei, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Verstößen gegen das Waffenrecht und Gewaltkriminalität bis hin zu Tötungsdelikten zu rechnen sei. Hierbei handelt es sich jedoch - auch in Ansehung des Senatsurteils vom 25. Januar 2007 - 4 C 1.06 - (BVerwGE 128, 118) – nicht um städtebauliche Belange. Solchen Gefahren, die in keinem Baugebiet hingenommen werden können, ist vielmehr mit ordnungsrechtlichen Mitteln zu begegnen. Darauf hat der Senat bereits im Urteil vom 25. November 1983 - 4 C 21.83 - (BVerwGE 68, 213 <216 f.>) hingewiesen. Das Oberverwaltungsgericht lässt zudem unberücksichtigt, dass dem Bauplanungsrecht keine sozial-ethischen (Moral-)Vorstellungen zugrunde liegen (Stühler, BauR 2010, 1013 <1033>; derselb. GewArch 2018, 335 <336>) und es auch nicht seine Aufgabe ist, rechtswidriges Verhalten zu sanktionieren (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - 4 C 15.12 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 394 Rn. 9). 17 2. An der Beurteilung prostitutiver Betriebe auf der Grundlage der eingeschränkten Typisierungslehre haben weder das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz - ProstG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3983) noch das Gesetz zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen (Prostituiertenschutzgesetz - ProstSchG) vom 21. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2372) etwas geändert. 18 Das Prostitutionsgesetz regelt ausschließlich vergütungs- und sozialversicherungsrechtliche Fragen und hat folglich auf das Bauplanungsrecht keinen Einfluss. Auch das Prostituiertenschutzgesetz hat den bauplanungsrechtlichen Rahmen nicht verändert, wenn der Begriff der ""milieubedingten"" Unruhe - wie geboten - auf seinen städtebaulichen Gehalt zurückgeführt wird (vgl. auch Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 6a BauNVO Rn. 39 m.w.N.; Fickert/Fieseler, BauNVO, 13. Aufl. 2019, § 4a Rn. 23.74). Der Gesetzgeber verfolgt damit andere als städtebauliche Ziele (vgl. BT-Drs. 18/8556 S. 33). Das bringt bereits § 12 Abs. 7 ProstSchG zum Ausdruck, wonach Erlaubnis- oder Anzeigepflichten nach anderen Vorschriften, wie etwa des Baurechts, unberührt bleiben. Die Erlaubnis nach § 12 ProstSchG besitzt keine Konzentrationswirkung (Fickert/Fieseler, a.a.O., § 4 Rn. 9.621). Auch aus § 14 Abs. 2 Nr. 5 ProstSchG folgt nichts Abweichendes. Die dort erwähnte ""örtliche Lage"" erfasst zwar auch bauplanungsrechtliche Erwägungen. Die Gesetzesbegründung belegt indessen, dass § 14 Abs. 2 Nr. 5 ProstSchG dem § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG nachgebildet ist (BT-Drs. 18/8556 S. 79 mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1989 - 1 C 18.87 -). Daher sind die zum Verhältnis von Gaststättengenehmigung und Baugenehmigung entwickelten Grundsätze auf das Verhältnis von Baugenehmigung und Erlaubnis nach § 12 ProstSchG übertragbar (vgl. VGH München, Beschluss vom 30. März 2021 - 22 ZB 20.19 72 - BayVBl 2021, 411 Rn. 13). Dem entsprechend gilt auch hier der Vorrang der Entscheidung der sachnäheren Behörde (BVerwG, Urteile vom 17. Oktober 1989 - 1 C 18.87 - BVerwGE 84, 11 S. 13 f. und vom 4. Oktober 1988 - 1 C 72.86 - BVerwGE 80, 259 <261 f.>). Die Prüfung der mit dem bestimmungsgemäßen Betrieb eines Prostitutionsgewerbes in einer konkreten baulichen Umgebung verbundenen Störungen fällt auch weiterhin in die originäre Zuständigkeit der Baugenehmigungsbehörde. Diese entscheidet hierüber allein nach baurechtlichen Maßstäben und mit bindender Wirkung für die für den Vollzug des Prostituiertenschutzgesetzes zuständige Behörde. Das Prostituiertenschutzgesetz vollzieht die baurechtliche Prüfung nach, hat hierauf aber keinen Einfluss. Auch mittelbar ergeben sich keine Folgen aus dem Prostituiertenschutzgesetz für das Bauplanungsrecht. Die Bekämpfung der vom Oberverwaltungsgericht benannten strafrechtlich relevanten Begleiterscheinungen der Prostitution gehört zwar zu den Zielen des Prostituiertenschutzgesetzes (vgl. BT-Drs. 18/8556 S. 33). Wie ausgeführt, werden damit aber keine städtebaulichen Belange angesprochen. Der Gesetzgeber bringt mit dem Prostituiertenschutzgesetz vielmehr seine Erwartung zum Ausdruck, den beschriebenen Begleiterscheinungen durch die Neuregelung wirksam begegnen zu können (vgl. BT-Drs. 18/8556 S. 2). 19 3. Unter Anwendung vorstehender Rechtssätze lässt sich danach der klägerische Betrieb nicht typisierend erfassen. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) weicht er vom vertypten Erscheinungsbild eines Bordells bzw. bordellähnlichen Betriebs deutlich ab. Im Unterschied zum ""typischen Betrieb"" nutzt der klägerische Betrieb keine Außenwerbung; er ist von außen nicht als prostitutiver Betrieb wahrnehmbar. Das Betriebskonzept zielt auf Diskretion und Anonymität; Kontakt zu Kunden erfolgt nur über E-Mail und/oder Telefon, so dass Laufkundschaft ausgeschlossen bleibt. Die Zahl der Kunden ist geringer als bei großen Bordellen oder Laufhäusern. Erwartet werden bis zu 30 Besucher pro Tag, und damit eher weniger als in einer Arzt- oder Massagepraxis, die sich ebenfalls in dem Gebäude befinden. Der Betrieb schließt um 20.00 Uhr; dort wird nicht übernachtet. Damit entfallen nächtliche (nach 22.00 Uhr) dem Betrieb zurechenbare (Ruhe-)Störungen. Hieraus folgt, dass das Störpotential nicht im Wege der Typisierung bestimmt werden kann. Es ist vielmehr eine Einzelfallprüfung erforderlich, die den Betrieb am Maßstab des zur Genehmigung gestellten Bau- und Betriebskonzepts auf seine Vereinbarkeit mit der im Mischgebiet ebenfalls zulässigen Wohnnutzung in den Blick nimmt. 20 Diese Prüfung kann der Senat nicht selbst vornehmen, weil das Oberverwaltungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - hierzu keine Feststellungen getroffen hat. Das zwingt zur Zurückverweisung. Das Oberverwaltungsgericht wird zu prüfen haben, ob der Betrieb, der eine Nähe zur Wohnungsprostitution aufweist, insgesamt wohnähnlich in Erscheinung tritt und dem Gebäude, in dem er sich befindet, nicht das Gepräge gibt. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass er am Standort bereits seit 1996 betrieben wird. Ob dies bisher beanstandungsfrei erfolgte, bedarf ebenfalls der Aufklärung, weil sich hieraus Rückschlüsse auf seine Vereinbarkeit mit der Wohnnutzung ziehen lassen. 21 Mit der Zurückverweisung kommt es auf die Verfahrensrügen nicht mehr an." bverwg_2021-72,11.11.2021,"Pressemitteilung Nr. 72/2021 vom 11.11.2021 EN Aufnahme eines Fachkrankenhauses in den Krankenhausplan bei Ausweisung fachgebietsübergreifender Gesamtbettenzahlen Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass ein Krankenhausträger die Aufnahme seines Krankenhauses in den Krankenhausplan auch dann nicht unabhängig von einer tatsächlichen Bedarfsdeckung und bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren Krankenhäusern ohne Auswahlentscheidung beanspruchen kann, wenn der Krankenhausplan lediglich die Gesamtbettenzahl je Krankenhaus ausweist, nicht aber die Bettenzahl je Fachgebiet oder Fachabteilung. Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin ab, sie mit einem neu zu errichtenden Fachkrankenhaus für Geriatrie in Dresden mit 32 Betten in den Krankenhausplan des Freistaates Sachsen aufzunehmen. Die dagegen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass die Klägerin unabhängig von dem im Raum Dresden vorhandenen Angebot an akutgeriatrischen Krankenhausbetten einen Anspruch auf Aufnahme in den Krankenhausplan habe. Es hat die Prüfung, wie hoch der tatsächliche Bettenbedarf sei und ob dieser bereits ohne das Krankenhaus der Klägerin gedeckt sei, für entbehrlich gehalten, da die für den Fall der notwendigen Auswahl vorgesehene Auswahlentscheidung des Beklagten rechtlich unmöglich sei. Die Auswahlentscheidung setze voraus, dass der Beklagte im Fall des Vorrangs der neu aufzunehmenden Klinik der Klägerin die Kapazitäten von akutgeriatrischen Abteilungen in anderen Dresdner Krankenhäuser entsprechend verringere. Wegen der Praxis des Beklagten, im Krankenhausplan allein die Gesamtbettenzahl je Krankenhaus festzulegen und die Aufteilung der Gesamtbetten auf die ausgewiesenen Fachabteilungen dem jeweiligen Krankenhaus zu überlassen, sei jedoch die Bettenreduzierung für eine bestimmte Fachabteilung nicht möglich. Die Unmöglichkeit einer Auswahlentscheidung führe zu einem Planaufnahmeanspruch. Auf die Revision des Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Über die Aufnahme eines Krankenhauses in den Krankenhausplan hat der Beklagte anhand einer Gegenüberstellung des Versorgungsangebots des Krankenhauses mit dem diesbezüglichen konkreten Versorgungsbedarf zu entscheiden. Betrifft das Versorgungsangebot einen Bedarf, der von anderen Krankenhäusern nicht befriedigt wird, ist das Krankenhaus, wenn es leistungsfähig und auch im Übrigen geeignet ist, in den Plan aufzunehmen. Ist das Angebot größer als der Bedarf, hat der Beklagte gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen, welches Krankenhaus den Zielen der Krankenhausplanung am besten gerecht wird. Danach durfte das Oberverwaltungsgericht der Klägerin nicht unabhängig von einer tatsächlichen Bedarfsdeckung und ohne Einhaltung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 2 KHG einen Anspruch auf Planaufnahme zuerkennen. Eine Planaufnahme des Krankenhauses der Klägerin verlangt nicht, dass zeitgleich die Bettenkapazitäten von anderen Plankrankenhäusern entsprechend verringert werden. Der Beklagte kann die teilweise Planherausnahme eines bei der Auswahl nachrangigen Krankenhauses auch später verfügen. Ob die Beschränkung auf Ausweisung der Gesamtbettenzahl je Krankenhaus im Krankenhausplan des Beklagten einen Krankenhausvergleich und eine Auswahlentscheidung unmöglich macht, lässt sich auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nicht beurteilen. Sollte dies der Fall sein, wäre die Rahmenplanung mit den Regelungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes unvereinbar. Ein Anspruch auf Planaufnahme wird dadurch nicht begründet. BVerwG 3 C 6.20 - Urteil vom 11. November 2021 Vorinstanzen: OVG Bautzen, 5 A 684/17 - Urteil vom 21. Juni 2018 - VG Dresden, 7 K 2658/14 - Urteil vom 05. April 2016 -","Urteil vom 11.11.2021 - BVerwG 3 C 6.20ECLI:DE:BVerwG:2021:111121U3C6.20.0 EN Aufnahme eines Fachkrankenhauses in den Krankenhausplan bei Ausweisung fachgebietsübergreifender Gesamtbettenzahlen Leitsätze: 1. Ein Krankenhausträger kann die Feststellung der Aufnahme seines Krankenhauses in den Krankenhausplan (§ 8 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 KHG) auch dann nicht unabhängig von einer tatsächlichen Bedarfsdeckung und bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren Krankenhäusern ohne Auswahlentscheidung beanspruchen, wenn der Krankenhausplan lediglich die Gesamtbettenzahl je Krankenhaus ausweist, nicht aber die Bettenzahl je Fachgebiet oder Fachabteilung. 2. Beantragt der Träger die Aufnahme in den Krankenhausplan für ein erst noch zu errichtendes Krankenhaus, setzt die nach § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 2 KHG erforderliche Leistungsfähigkeit des Krankenhauses ein hinreichend konkretisiertes und schlüssiges Finanzierungskonzept voraus. Rechtsquellen KHG § 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1 und 4, § 8 Abs. 2 Instanzenzug VG Dresden - 05.04.2016 - AZ: VG 7 K 2658/14 OVG Bautzen - 21.06.2018 - AZ: OVG 5 A 684/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 11.11.2021 - 3 C 6.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:111121U3C6.20.0] Urteil BVerwG 3 C 6.20 VG Dresden - 05.04.2016 - AZ: VG 7 K 2658/14 OVG Bautzen - 21.06.2018 - AZ: OVG 5 A 684/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2021 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und Dr. Sinner für Recht erkannt: Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2018 wird aufgehoben, soweit es die Klage der Klägerin betrifft. In diesem Umfang wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt die Aufnahme in den Krankenhausplan des beklagten Freistaates mit einem neu zu errichtenden Fachkrankenhaus mit Schwerpunkt Geriatrie. 2 Sie unterhält in D. ein Medizinisches Versorgungszentrum zur ambulanten geriatrischen Versorgung von Patienten und möchte ein integriertes Geriatrie- und Gesundheitszentrum (im Folgenden: IGGZ) aufbauen, in dem die Versorgungskette vom niedergelassenen Arzt über die ambulante bis hin zur stationären Akutgeriatrie und anschließender Rehabilitation reicht. Mit Schreiben vom 30. Mai 2012 beantragte sie gemeinsam mit einer Projektentwicklungsgesellschaft - der vormaligen Klägerin zu 2 - die Aufnahme in den Krankenhausplan des Beklagten mit einem neu zu errichtenden Internistischen Fachkrankenhaus mit Schwerpunkt Geriatrie in D.-N. mit 32 Betten Akutgeriatrie. Nach Einholung der Stellungnahme des Krankenhausplanungsausschusses sowie Anhörung der Klägerin lehnte der Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 3. März 2014 ab. Nach Prüfung der vorgelegten Konzeption fehle es bereits an der Geeignetheit, Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit des Krankenhauses. Das Personalkonzept unterliege erheblichen Zweifeln, die nach dem Geriatriekonzept des Freistaates Sachsen geforderte Interdisziplinarität der Versorgung sei nicht hinreichend gewährleistet und es liege kein schlüssiges Finanzierungskonzept vor. Darüber hinaus bestehe im Stadtgebiet D. keine Versorgungslücke im Bereich akutgeriatrischer Leistungen. Es gebe einen Bedarf in Höhe von maximal 102 Betten, der durch die vorhandenen Allgemeinkrankenhäuser mit geriatrischer Fachabteilung vollständig gedeckt werde. Die - nur ergänzend vorgenommene - Auswahlentscheidung falle zum Nachteil des geplanten Fachkrankenhauses aus. Die Allgemeinkrankenhäuser seien wegen ihres breiten Fachgebietsspektrums besser geeignet, geriatrische Patienten zu versorgen. 3 Das Verwaltungsgericht Dresden hat der dagegen gerichteten Klage stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, das geplante Fachkrankenhaus in den Krankenhausplan aufzunehmen. Es sei bedarfsgerecht, leistungsfähig und arbeite wirtschaftlich. Es stünden keine anderen geeigneten Krankenhäuser zur Deckung des zu versorgenden akutgeriatrischen Bedarfs zur Verfügung. Im maßgeblichen Einzugsbereich des Stadtgebiets D. würden mindestens 104 Krankenhausbetten benötigt. Dieser Bedarf werde durch das Versorgungsangebot der Allgemeinkrankenhäuser nicht vollständig gedeckt. Sie verfügten insgesamt über 72 akutgeriatrische Betten. Weitere 80 Betten, die der Beklagte in Ansatz gebracht habe, könnten nicht berücksichtigt werden, weil es sich um eine Rehabilitationseinrichtung handele. 4 Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage der vormaligen Klägerin zu 2 unter entsprechender Änderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Insoweit ist das Berufungsurteil rechtskräftig. Im Übrigen ist die Berufung ohne Erfolg geblieben. Dazu hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Das geplante Fachkrankenhaus sei bedarfsgerecht, da es in D. unstreitig einen höheren Bedarf als die von der Klägerin angebotenen 32 akutgeriatrischen Betten gebe. Das Krankenhaus sei auch leistungsfähig. Die Klägerin habe ein hinreichend konkretisiertes und schlüssiges Konzept vorgelegt, das erkennen lasse, dass die Finanzierung des Vorhabens hinreichend gesichert sei. Das gelte sowohl für die Mobiliar-Ausstattung der Klinik als auch für die Aufnahme des Krankenhausbetriebs. Hinsichtlich der Immobilie sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 2 Eigentümerin des Grundstücks sei, auf dem das IGGZ gebaut werden solle. Es stehe somit ein geeignetes Grundstück für den Bau des Krankenhauses zur Verfügung. Einer hinreichend gesicherten Finanzierung der Errichtung der Immobilie bedürfe es im derzeitigen Verfahrensstadium noch nicht. Sollten die notwendigen Räumlichkeiten des Krankenhauses nicht errichtet werden, wäre der Feststellungsbescheid aufzuheben, so dass der Betrieb eines den aktuellen medizinischen Erfordernissen nicht entsprechenden Krankenhauses nicht zu besorgen sei. Der nach dem Konzept vorgesehene ärztliche Personalschlüssel mit 6,5 Vollkraftstellen genüge zur Herstellung der notwendigen personellen Leistungsfähigkeit. Die Besetzung der Stellen mit geeigneten Ärzten/Ärztinnen sei mit Blick auf die geplante Kooperation mit den H. gewährleistet. Schließlich sei das Konzept auch in Bezug auf die Auslastung der geplanten Fachklinik schlüssig. Die alleinige Gesellschafterin der Klägerin sei zugleich Gesellschafterin mehrerer Medizinischer Versorgungszentren im Großraum D. Das spreche dafür, dass es zu Zuweisungen geeigneter Patienten durch Hausärzte kommen werde. Die Klägerin habe unabhängig von der im Raum D. vorhandenen Kapazität an akutgeriatrischen Krankenhausbetten einen Anspruch auf Aufnahme in den Krankenhausplan. Die Prüfung der Bedarfsdeckung sei entbehrlich, weil eine Auswahlentscheidung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 KHG, § 7 Abs. 2 Satz 2 SächsKHG nicht möglich sei. Der Krankenhausplan weise nur die Gesamtbettenzahl je Krankenhaus aus und verzichte auf eine fachabteilungsbezogene Festlegung der Bettenzahl. Die Gesamtbetten könnten von den Krankenhäusern individuell und situationsbezogen auf die ausgewiesenen Fachgebiete bzw. Versorgungsaufträge aufgeteilt werden. Es sei deshalb bereits zweifelhaft, ob einem festgestellten Bedarf das tatsächliche Versorgungsangebot der Krankenhäuser gegenübergestellt werden könne. Jedenfalls würde eine Auswahlentscheidung voraussetzen, dass der Beklagte im Fall des Vorrangs des Krankenhauses der Klägerin die Kapazitäten akutgeriatrischer Fachabteilungen in anderen Plankrankenhäusern entsprechend verringere. Das sei jedoch wegen der fehlenden fachabteilungsbezogenen Kapazitätsplanung nicht möglich. Die Unmöglichkeit einer Auswahlentscheidung führe unter Berücksichtigung von Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG zum Anspruch auf Planaufnahme. 5 Zur Begründung seiner Revision macht der Beklagte im Wesentlichen geltend: Das Oberverwaltungsgericht habe unter Verstoß gegen § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 2 KHG die Leistungsfähigkeit des geplanten Krankenhauses festgestellt. Bei einem neu zu errichtenden Krankenhaus setze die Feststellung einer auf Dauer angelegten Leistungsfähigkeit voraus, dass der Krankenhausträger Eigentümer des Grundstücks sei, auf dem das Krankenhaus errichtet und betrieben werde, oder über ein Erbbaurecht oder ein vergleichbares dingliches Nutzungsrecht verfüge. Zumindest sei erforderlich, dass der Träger ein schlüssiges Konzept für den Rechteerwerb einschließlich Finanzierung vorlege. Der Verweis auf die Klägerin zu 2 als Eigentümerin des vorgesehenen Baugrundstücks genüge nicht, um ein schlüssiges Konzept bejahen zu können, da sie nicht Trägerin des geplanten Krankenhauses sei. Zugleich liege ein Verstoß gegen die gerichtliche Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung vor. Auch die Annahme, die Finanzierung des Vorhabens sei hinreichend gesichert, beruhe auf einem bundesrechtswidrigen Maßstab. Die nicht weiter konkretisierte mündliche Finanzierungszusage genüge nicht, um das für die Feststellung der dauerhaften Leistungsfähigkeit erforderliche Maß an Sicherheit und Verbindlichkeit zu vermitteln. Des Weiteren müsse, wenn - wie hier - auf eine öffentliche Förderung der Investitionskosten verzichtet werde, auch für die Errichtung des Krankenhausgebäudes ein schlüssiges Finanzierungskonzept vorliegen. Hinsichtlich der Auslastung habe das Oberverwaltungsgericht gleichfalls die Anforderungen an die Feststellung der Leistungsfähigkeit verkannt. Seine Annahme, es könne vor allem mit Patientenzuweisungen aus Medizinischen Versorgungszentren gerechnet werden, deren Gesellschafterin zugleich Gesellschafterin der Klägerin sei, gerate in Konflikt mit den straf- und berufsrechtlichen Vorschriften zur Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen. Auch bei der Beurteilung der personellen Leistungsfähigkeit sei das Gericht von einem fehlerhaften Maßstab ausgegangen. Der Krankenhausträger müsse einen konkreten Stellenplan für das ärztliche und sonstige medizinische Personal vorlegen. Das Personalkonzept sei daher unzureichend, wenn - wie hier - die konkrete Zuordnung der einzelnen ärztlichen Funktionsstellen unklar sei. Des Weiteren habe das Oberverwaltungsgericht unter Verstoß gegen § 1 Abs. 1 KHG, § 86 Abs. 1 VwGO die Bedarfsgerechtigkeit des geplanten Krankenhauses bejaht. Es habe versäumt, den tatsächlichen akutgeriatrischen Versorgungsbedarf zu ermitteln. Das Berufungsurteil verletze außerdem § 8 Abs. 2 KHG. Die Planungspraxis des Beklagten, lediglich Gesamtbettenzahlen auszuweisen, stehe mit Bundesrecht im Einklang. Das Krankenhausfinanzierungsgesetz gebe nicht vor, dass die Krankenhauspläne der Länder fachgebietsspezifische Bettenzahlen je Krankenhaus ausweisen müssten. Die Rahmenplanung schließe eine Auswahlentscheidung auch nicht aus. Die Auskunftspflicht der Krankenhausträger nach § 28 Abs. 1 Satz 3 KHG gebe den Krankenhausplanungsbehörden ein geeignetes Instrument an die Hand, um die Versorgungskapazitäten zu ermitteln. Ergänzend könne ein Abgleich mit den tatsächlichen Leistungs- und Belegungsdaten der Einrichtungen vorgenommen werden. Die Zuerkennung eines Anspruchs auf Aufnahme in den Krankenhausplan ohne Feststellungen zum Bedarf und zur Bedarfsdeckung und ohne notwendige Auswahl zwischen mehreren Krankenhäusern sei mit § 8 Abs. 2 KHG unvereinbar. 6 Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und macht darüber hinaus geltend, dass eine Krankenhausplanung, die sich auf die Ausweisung von Gesamtbettenzahlen beschränke, unzulässig sei. Sie bevorzuge tendenziell Bestandskliniken im Vergleich zu Neubewerbern und sei daher mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht den Bedarf für zusätzliche 32 akutgeriatrische Betten auf der Basis der Bedarfsberechnung des Beklagten zutreffend bejaht. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält das Berufungsurteil in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit für rechtsfehlerhaft. Ein Anspruch auf Planaufnahme unabhängig von der Bedarfssituation widerspreche der Systematik des § 8 Abs. 2 KHG. II 8 Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Klägerin habe unabhängig von einer tatsächlichen Bedarfsdeckung einen Anspruch auf Aufnahme ihres Krankenhauses in den Krankenhausplan des Beklagten, weil eine Auswahlentscheidung mangels fachgebietsbezogener Ausweisung von Bettenzahlen unmöglich sei, verstößt gegen § 8 Abs. 2 KHG (1.). Auch seine Annahme, das geplante Krankenhaus sei leistungsfähig, beruht auf einem Rechtsfehler. Die in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht den Schluss, dass die Finanzierung des Vorhabens hinreichend gesichert ist (2.). Im Übrigen greifen die in Bezug auf die Leistungsfähigkeit sowie die Bedarfsgerechtigkeit des Krankenhauses vorgebrachten Revisionsrügen des Beklagten nicht durch (3.). Die Sache ist gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen, weil es für eine abschließende Entscheidung noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf, die der Senat nicht treffen kann (4.). 9 1. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG) in der für das Verpflichtungsbegehren maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1991 (BGBl. I S. 886), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Juli 2021 (BGBl. I S. 2754), entscheidet die zuständige Landesbehörde bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren Krankenhäusern unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen und der Vielfalt der Krankenhausträger nach pflichtgemäßem Ermessen, welches Krankenhaus den Zielen der Krankenhausplanung des Landes am besten gerecht wird. Nach § 6 Abs. 1 Halbs. 1 KHG stellen die Länder zur Verwirklichung der in § 1 KHG genannten Ziele Krankenhauspläne auf. Gemäß § 1 Abs. 1 KHG ist Zweck dieses Gesetzes die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser, um eine qualitativ hochwertige, patienten- und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen digital ausgestatteten, qualitativ hochwertig und eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu gewährleisten und zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen. 10 Danach kann ein Krankenhausträger die Feststellung der Aufnahme seines Krankenhauses in den Krankenhausplan auch dann nicht unabhängig von einer tatsächlichen Bedarfsdeckung und bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren Krankenhäusern ohne Auswahlentscheidung beanspruchen, wenn der Krankenhausplan - wie hier - lediglich die Gesamtbettenzahl je Krankenhaus ausweist, nicht aber die Bettenzahl je Fachgebiet oder Fachabteilung. 11 a) Die durch das Oberverwaltungsgericht vorgenommene Anwendung und Auslegung der irrevisiblen Vorschriften des Gesetzes zur Neuordnung des Krankenhauswesens (Sächsisches Krankenhausgesetz - SächsKHG) vom 19. August 1993 (SächsGVBl. S. 675), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. April 2018 (SächsGVBl. S. 198, 211), sowie seine Feststellungen zur Krankenhausplanungspraxis des Beklagten sind für das Revisionsverfahren bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Danach ist von Folgendem auszugehen: Für das Gebiet des Freistaates ist ein Krankenhausplan gemäß § 6 KHG aufzustellen (§ 3 SächsKHG). Der Krankenhausplan muss den Stand und die vorgesehene Entwicklung der für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung erforderlichen Krankenhäuser, insbesondere nach Standort, Träger, Bettenzahl und Fachrichtung ausweisen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 SächsKHG). Fachabteilungsspezifische Bettenzahlen wurden zuletzt in dem ab 1. Januar 2002 gültigen Krankenhausplan ausgewiesen. In den darauffolgenden Krankenhausplänen wurden lediglich Gesamtbettenzahlen und Versorgungsaufträge (Hauptabteilungen) ausgewiesen. Die Gesamtbetten können von den Krankenhäusern individuell und situationsbezogen auf die jeweils ausgewiesenen Fachgebiete bzw. Versorgungsaufträge aufgeteilt werden. 12 b) Bundesrechtlich sind die Länder verpflichtet, einen Krankenhausplan aufzustellen (§ 6 Abs. 1 KHG), in dem der landesweite Versorgungsbedarf in räumlicher, fachlicher und struktureller Gliederung beschrieben wird (Bedarfsanalyse), die zur Bedarfsdeckung geeigneten Krankenhäuser verzeichnet werden (Krankenhausanalyse) und festgelegt wird, mit welchen dieser Krankenhäuser der beschriebene Bedarf gedeckt werden soll (Versorgungsentscheidung; vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 - 3 C 11.16 - Buchholz 451.74 § 8 KHG Nr. 18 Rn. 24 m.w.N.). Gemäß § 6 Abs. 4 KHG wird das Nähere durch das Landesrecht bestimmt. Es obliegt daher der Ausgestaltung durch das Landesrecht, anhand welcher räumlichen, fachlichen und strukturellen Gliederung die Darstellung des Versorgungsbedarfs im Krankenhausplan im Einzelnen vorgenommen wird (BVerwG, Beschlüsse vom 25. Oktober 2011 - 3 B 17.11 - Buchholz 451.74 § 6 KHG Nr. 7 Rn. 4 und vom 11. Juni 2021 - 3 B 43.19 - juris Rn. 12 m.w.N.). § 6 KHG legt für die Krankenhausplanung keinen Detaillierungsgrad fest, so dass durch das Landesrecht auch eine Rahmenplanung bestimmt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2016 - 3 C 6.15 - BVerwGE 156, 124 Rn. 30). Unabhängig von der gewählten Planungstiefe gilt aber, dass der Landesgesetzgeber die Vorgaben des Krankenhausfinanzierungsgesetzes zu beachten hat. Die Krankenhausplanung muss zur Verwirklichung der in § 1 KHG genannten Ziele geeignet sein und darf eine nach § 8 Abs. 2 Satz 2 KHG erforderliche Auswahlentscheidung nicht unmöglich machen. Daher trifft die Länder im Fall der Rahmenplanung eine Beobachtungspflicht im Hinblick auf die Folgen der geringeren Planungstiefe für die Steuerung der Krankenhausversorgung. Erweist sich die Rahmenplanung als nicht ausreichend, um die Vorgaben in § 6 Abs. 1, § 8 Abs. 2 KHG zu erfüllen, ist die Krankenhausplanung anzupassen. 13 c) Ob die Beschränkung auf eine Ausweisung fachgebietsübergreifender Gesamtbettenzahlen im Krankenhausplan des Beklagten diesen Anforderungen genügt, lässt sich für den Senat auf der Grundlage der in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht beurteilen. Das Oberverwaltungsgericht hat angezweifelt, dass bei einer bloßen Gesamtbettenausweisung die Bedarfsdeckung in einem bestimmten Fachgebiet ermittelt werden könne, da die Zuordnung von Betten zu einem Fachgebiet allein durch die Krankenhäuser anhand unternehmerischer Gesichtspunkte erfolge. Der Beklagte macht geltend, dass sich die erforderlichen Daten über die Auskunftspflicht der Krankenhäuser nach § 28 Abs. 1 Satz 3 KHG ermitteln ließen. Die von den Krankenhäusern gemeldeten Bettenzahlen für die Fachteilungen könnten mit den tatsächlichen Leistungs- und Belegungsdaten abgeglichen werden. Auch der Vertreter des Bundesinteresses geht unter Verweis auf § 28 Abs. 1 Satz 3 KHG davon aus, dass die Rahmenplanung der Ermittlung der Bedarfsdeckung nicht entgegenstehe. Die Klägerin wendet ein, die von den Krankenhäusern gemeldeten Daten könnten interessengeleitet sein und die Rahmenplanung benachteilige tendenziell Neubewerber um die Aufnahme in den Krankenhausplan im Vergleich zu Plankrankenhäusern. Das Oberverwaltungsgericht ist dem nicht abschließend nachgegangen. Sollte die Rahmenplanung des Beklagten keine valide Ermittlung der fachgebietsbezogenen - hier akutgeriatrischen - Bedarfsdeckung ermöglichen, würde sie dem Regelungsgebot des § 6 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 KHG nicht gerecht. 14 d) Das Oberverwaltungsgericht hat eine Prüfung, wie hoch der Bedarf im Fachgebiet Akutgeriatrie im Einzugsgebiet D. ist und ob er bereits ohne das geplante Krankenhaus der Klägerin gedeckt ist, für entbehrlich gehalten. Folgerichtig hat es weder Feststellungen zum tatsächlichen Versorgungsbedarf getroffen noch dazu, ob ein Fall der Unterversorgung oder des Überangebots vorliegt. Gleichwohl hat es der Klägerin einen Anspruch auf Feststellung der Aufnahme ihres Krankenhauses in den Krankenhausplan zuerkannt. Das ist mit § 8 Abs. 2 KHG unvereinbar. 15 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat ein Krankenhausträger, der sich - wie hier die Klägerin - auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen kann, gemäß § 8 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 KHG einen Anspruch auf Feststellung der Aufnahme seines Krankenhauses in den Krankenhausplan, wenn das Krankenhaus zur bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung geeignet und leistungsfähig ist sowie wirtschaftlich arbeitet und wenn es anbietet, einen anderweitig nicht gedeckten Bedarf zu befriedigen. Ist eine Auswahl notwendig (§ 8 Abs. 2 Satz 2 KHG), weil das Krankenhaus mit einem oder mehreren anderen Krankenhäusern um einen festgestellten Bedarf konkurriert, hat der Träger einen Anspruch auf fehlerfreie Auswahlentscheidung. Ein Anspruch auf Feststellung der Planaufnahme besteht, wenn sich das Krankenhaus in der Auswahl im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 2 KHG als ""am besten"" durchsetzt (BVerwG, Urteile vom 25. September 2008 - 3 C 35.07 - BVerwGE 132, 64 Rn. 18 f., vom 14. April 2011 - 3 C 17.10 - BVerwGE 139, 309 Rn. 15, jeweils m.w.N., und vom 26. April 2018 - 3 C 11.16 - Buchholz 451.74 § 8 KHG Nr. 18 Rn. 23; Beschluss vom 12. Februar 2007 - 3 B 77.06 - juris Rn. 5). Danach kann die Klägerin nicht unabhängig von einer tatsächlichen Bedarfsabdeckung und von der gegebenenfalls erforderlichen Auswahlentscheidung des Beklagten die Feststellung der Aufnahme ihres Krankenhauses in den Krankenhausplan des Beklagten beanspruchen. Ein solcher Anspruch widerspricht den gesetzlich bestimmten Anspruchsvoraussetzungen und dem Zweck des Gesetzes, eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Krankenhäusern zu gewährleisten (§ 1 Abs. 1 KHG; vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 1990 - 1 BvR 355/86 - BVerfGE 82, 209 <230 f.> = juris Rn. 82 ff.); er lässt sich daher auch nicht aus Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG ableiten. 16 e) Das Oberverwaltungsgericht hat die angenommene Unmöglichkeit einer Auswahlentscheidung darauf gestützt, deren Umsetzung setze voraus, dass der Beklagte im Fall des Vorrangs des Krankenhauses der Klägerin die akutgeriatrischen Kapazitäten (Bettenzahlen) eines anderen Plankrankenhauses verringere. Das trifft nicht zu. Eine Planaufnahme des Krankenhauses der Klägerin verlangt nicht, dass der Beklagte zeitgleich die Bettenkapazität eines anderen Plankrankenhauses verringert. 17 Über die Aufnahme eines Krankenhauses in den Krankenhausplan hat der Beklagte anhand einer Gegenüberstellung des Versorgungsangebots des Krankenhauses mit dem konkreten Versorgungsbedarf zu entscheiden. Sind neben dem Krankenhaus der Klägerin auch andere Krankenhäuser geeignet, den Bedarf zu befriedigen (Überangebot), hat der Beklagte gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 KHG auszuwählen, welches Krankenhaus den Zielen der Krankenhausplanung des Landes am besten gerecht wird. Erweist sich das Versorgungsangebot der Klägerin im Vergleich mit den konkurrierenden Versorgungsangeboten der anderen Krankenhäuser als unterlegen, führt dies zur Feststellung der Nichtaufnahme ihres Krankenhauses in den Krankenhausplan (§ 8 Abs. 1 Satz 3 KHG). Setzt sich das Versorgungsangebot der Klägerin im Vergleich mit den anderen Krankenhäusern durch, hat der Beklagte die Planaufnahme ihres Krankenhauses festzustellen. Im Übrigen ist ihm ein Einschätzungsspielraum eingeräumt, ob er die Aufnahme der Klägerin zum Anlass nimmt, einen Mitbewerber ganz oder teilweise aus dem Krankenhausplan herauszunehmen, und - bejahendenfalls - zu welchem Zeitpunkt dies erfolgen soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 35.07 - BVerwGE 132, 64 Rn. 18 und Rn. 24). Der Beklagte ist zwar aus fiskalischen Gründen gehalten, eine Überversorgung im Bereich der Plankrankenhäuser möglichst zu vermeiden bzw. abzubauen. Dies dient auch dazu, die Zwecke des Krankenhausfinanzierungsgesetzes zu erreichen, die bei einer gleichen Förderung unnötiger oder leistungsschwächerer Krankenhäuser gefährdet würden (BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 35.07 - a.a.O. Rn. 33; BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 1990 - 1 BvR 355/86 - BVerfGE 82, 209 <231> = juris Rn. 84; Kammerbeschluss vom 23. April 2009 - 1 BvR 3405/08 - NVwZ 2009, 977 <978> = juris Rn. 15). Aus § 8 Abs. 2 Satz 2 KHG ergibt sich jedoch kein Verbot einer vorübergehenden Überversorgung. Der Beklagte kann daher eine in Aussicht genommene Verringerung von Bettenkapazitäten anderer Krankenhäuser auch erst zu einem späteren Zeitpunkt verfügen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 35.07 - a.a.O.). 18 2. Beantragt der Krankenhausträger die Aufnahme in den Krankenhausplan für ein erst noch zu errichtendes Krankenhaus, setzt die nach § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 2 KHG erforderliche Leistungsfähigkeit des Krankenhauses ein hinreichend konkretisiertes und schlüssiges Finanzierungskonzept voraus. Davon ist das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgegangen. Zu beanstanden ist jedoch seine Würdigung, diese Voraussetzung sei in Bezug auf das von der Klägerin geplante Krankenhaus ausgehend von den festgestellten Tatsachen erfüllt. 19 a) Ein Krankenhaus ist leistungsfähig im Sinne von § 1 Abs. 1 KHG, wenn es dauerhaft den Anforderungen entspricht, die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft an ein Krankenhaus der betreffenden Art (z.B. Allgemeinkrankenhaus, Fachkrankenhaus, Krankenhaus der Regel- oder der Maximalversorgung) zu stellen sind. Die sächliche und personelle Ausstattung des Krankenhauses muss auf Dauer so angelegt sein, dass die Leistungsfähigkeit konstant erhalten bleibt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2020 - 3 C 14.18 - BVerwGE 168, 1 Rn. 22 m.w.N.). Bei einem Fachkrankenhaus kommt es vor allem darauf an, ob die Zahl der dort tätigen Fachärzte/-ärztinnen und weiteren Ärzte/Ärztinnen die Anforderungen erfüllt, die nach den medizinischen Erkenntnissen ein Krankenhaus dieser Fachrichtung erfüllen muss. Darüber hinaus kommt es darauf an, ob das Krankenhaus die nach medizinischen Erkenntnissen erforderliche weitere personelle sowie räumliche und medizinisch-technische Ausstattung besitzt (BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1986 - 3 C 67.85 - Buchholz 451.74 § 8 KHG Nr. 11 S. 109 = juris Rn. 69; zu den näheren Anforderungen an die personelle Ausstattung im ärztlichen Bereich: BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2020 - 3 C 14.18 - a.a.O. Rn. 26 ff.). Es müssen nachvollziehbare Anhaltspunkte für die auf Dauer angelegte Leistungsfähigkeit vorliegen (BVerwG, Urteil vom 25. März 1993 - 3 C 69.90 - Buchholz 451.74 § 1 KHG Nr. 8 S. 2 = juris Rn. 35). 20 b) Diese Anforderungen gelten auch für die Aufnahme eines erst noch zu errichtenden (Fach-)Krankenhauses in den Krankenhausplan. 21 aa) Die Feststellung der Aufnahme in den Krankenhausplan kann auch für ein Krankenhaus beantragt werden, das neu errichtet werden soll. Das lässt sich aus § 9 KHG ableiten, wonach auf Antrag des Krankenhausträgers Investitionskosten gefördert werden können, die für die Errichtung von Krankenhäusern einschließlich der Erstausstattung mit den für den Krankenhausbetrieb notwendigen Anlagegütern entstehen (§ 8 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 KHG). Entsprechend setzt die Feststellung der Leistungsfähigkeit eines Krankenhauses im Verfahren auf Planaufnahme nicht voraus, dass das Krankenhaus den Betrieb schon aufgenommen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2020 - 3 C 14.18 - BVerwGE 168, 1 Rn. 20 ff.; neu zu errichtende Tagesklinik). 22 bb) Aus § 8 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 KHG ergeben sich keine Anhaltspunkte, wonach bei den Anforderungen an die Leistungsfähigkeit von Krankenhäusern danach zu differenzieren wäre, ob es sich um eine bestehende oder um eine neu zu errichtende Einrichtung handelt. § 1 Abs. 1 KHG stellt auf die Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Krankenhäusern ab. Das Merkmal der Leistungsfähigkeit bezieht sich danach auf die notwendigen Voraussetzungen für den Krankenhausbetrieb. Die zuständige Landesbehörde hat vorausschauend zu beurteilen, ob das beantragte Krankenhaus mit der beabsichtigten Betriebsausstattung dauerhaft leistungsfähig ist. Die beabsichtigte räumliche, personelle und medizinisch-technische Ausstattung ist vom Krankenhausträger im Antragsverfahren durch Vorlage geeigneter Unterlagen darzulegen. 23 c) Bei einem Krankenhaus, das den Betrieb noch nicht aufgenommen hat oder erst noch errichtet werden muss, ist die vorausschauende Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Vergleich zu einem Krankenhaus mit laufendem Betrieb erschwert. Stehen die Bereitstellung der Räumlichkeiten und die weitere sächliche sowie personelle Ausstattung des Krankenhauses noch aus, ist die Beurteilungsgrundlage für die Behörde ""dünner"" als bei einem Krankenhaus im Betrieb, das über eine vorhandene Ausstattung verfügt. Die größere Prognoseunsicherheit ist durch entsprechende Darlegungsanforderungen soweit wie möglich zu reduzieren. Von dem Träger eines geplanten, noch zu errichtenden Krankenhauses ist daher zu verlangen, dass er Unterlagen vorlegt, die konkrete Beschreibungen der fachlichen Ausrichtung des Krankenhauses sowie der beabsichtigten personellen, räumlichen und medizinisch-technischen Ausstattungen enthalten. Darüber hinaus muss er die Realisierbarkeit des Vorhabens schlüssig dartun. Das Oberverwaltungsgericht hat deshalb zu Recht angenommen, die einzureichenden Unterlagen müssten auch erkennen lassen, dass die Finanzierung des Vorhabens ausreichend gesichert ist. Erforderlich ist ein hinreichend konkretisiertes und plausibles Finanzierungskonzept (vgl. dazu auch VGH Mannheim, Urteile vom 5. Dezember 2012 - 9 S 2770/10 - MedR 2013, 800 <801> = juris Rn. 26 und vom 16. April 2015 - 10 S 96/13 - MedR 2016, 453 <459 f.> = juris Rn. 38). 24 d) Die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen nicht den Schluss, dass die Finanzierung des geplanten Krankenhauses hinreichend gesichert ist. 25 aa) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Feststellung, der Klägerin stehe ein geeignetes Grundstück für die Errichtung des geplanten Krankenhauses zur Verfügung. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung darauf verwiesen, dass die vormalige Klägerin zu 2 Eigentümerin des in Aussicht genommenen Grundstücks ist. Ein dingliches Nutzungsrecht der Klägerin musste es unter den hier gegebenen Umständen nicht für erforderlich halten. Nach den im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen möchte die Klägerin das IGGZ gemeinsam mit der vormaligen Klägerin zu 2 aufbauen. Beide beantragten die Aufnahme des geplanten Krankenhauses in den Krankenhausplan und legten das Konzept für das Projekt vor. Die Klägerin zu 2 soll zwar nicht Trägerin des geplanten Krankenhauses werden (UA Rn. 55). Das Oberverwaltungsgericht hat aber nicht festgestellt, dass sie nicht mehr Projektträgerin des IGGZ ist. Es konnte daher vertretbar annehmen, dass ihr Grundstück der Klägerin weiterhin für die Errichtung des geplanten Krankenhauses sicher zur Verfügung stehen wird. Danach greift auch die Aufklärungsrüge des Beklagten nicht durch. Dem Oberverwaltungsgericht mussten sich keine Ermittlungen in Bezug auf ein dingliches Nutzungsrecht der Klägerin an dem Grundstück aufdrängen. 26 bb) Das Berufungsurteil ist jedoch rechtsfehlerhaft, soweit es die hinreichend gesicherte Finanzierung der Mobiliar-Ausstattung des Vorhabens auf eine in der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung des Geschäftsführers der Klägerin stützt. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat der Geschäftsführer, der zugleich Geschäftsführer der H. GmbH ist, verbindlich zugesichert, dass die H. GmbH die Errichtung des geplanten Krankenhauses in einer Größenordnung von 7 bis 8 Mio. € finanziell absichern werde. Das genügt dem Maßstab eines hinreichend konkretisierten und plausiblen Finanzierungskonzepts nicht. Dass die Klägerin Unterlagen vorgelegt hat, die die mündliche Finanzierungszusage konkretisieren, ergibt sich aus den im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen nicht. Die Erklärung selbst lässt bereits nicht erkennen, auf welcher rechtsgeschäftlichen Grundlage die finanzielle Absicherung erfolgen soll. Danach hätte sich dem Oberverwaltungsgericht eine weitere Sachaufklärung aufdrängen müssen. 27 cc) Soweit es den Nachweis einer hinreichend gesicherten Finanzierung der Errichtung der Immobilie vor der Aufnahme in den Krankenhausplan als entbehrlich angesehen hat, hat es dies vertretbar damit begründet, nach den überzeugenden Ausführungen der Klägerin sei die Planaufnahme Bedingung für eine finanzielle Absicherung des Projekts. Das Finanzierungskonzept muss jedoch zumindest erkennen lassen, mit welchen Baukosten der Krankenhausträger rechnet und mit welchen Mitteln (Eigenmittel, staatliche Fördermittel, sonstige Fremdmittel) die Finanzierung erfolgen soll. Dass dies hier nicht der Fall wäre, geht aus den berufungsgerichtlichen Feststellungen nicht hervor. 28 3. Die übrigen Rügen des Beklagten greifen nicht durch. 29 a) Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass das geplante Krankenhaus bedarfsgerecht ist. 30 Ein Krankenhaus ist im Sinne von § 1 Abs. 1 KHG bedarfsgerecht, wenn es nach seinen objektiven Gegebenheiten in der Lage ist, einen vorhandenen Bedarf zu decken. Das ist der Fall, wenn das Versorgungsangebot des Krankenhauses notwendig ist, um den in seinem Einzugsbereich vorhandenen Bedarf zu befriedigen, weil anderenfalls eine Unterversorgung gegeben wäre. Darüber hinaus ist ein Krankenhaus auch dann bedarfsgerecht, wenn es neben anderen Krankenhäusern geeignet wäre, den vorhandenen Bedarf zu decken (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1986 - 3 C 67.85 - Buchholz 451.74 § 8 KHG Nr. 11 S. 107; BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. März 2004 - 1 BvR 88/00 - NJW 2004, 1648 <1649>). Danach ist das Krankenhaus der Klägerin bedarfsgerecht. Das Oberverwaltungsgericht hat zugrunde gelegt, dass im Stadtgebiet D. ein Bedarf von mehr als 32 akutgeriatrischen Betten besteht. Dagegen wendet sich der Beklagte erfolglos mit der Verfahrensrüge. Die berufungsgerichtliche Feststellung meint nicht, dass die von der Klägerin angebotenen 32 akutgeriatrischen Betten zusätzlich nötig sind, um den in D. vorhanden Bedarf zu decken, sondern dass ein tatsächlicher Bedarf von mindestens 33 akutgeriatrischen Betten vorhanden ist. Der Beklagte zeigt nicht auf, dass diese tatsächliche Annahme fehlerhaft ist. Er hat in dem angefochtenen Bescheid selbst auf einen Bedarf in Höhe von 70 Betten bzw. 102 Betten abgestellt. Dass er im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht von einem Bedarf von weniger als 33 Betten ausgegangen wäre, lässt sich seinem Revisionsvorbringen nicht entnehmen. Dafür bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte. Der Beklagte hat unmittelbar vor dem Termin mitgeteilt, dass in drei anderen Krankenhäusern in D. mindestens 102 akutgeriatrische Betten angeboten würden (Schriftsatz vom 15. Juni 2018). 31 b) Das Oberverwaltungsgericht ist auch ohne Verstoß gegen Bundesrecht davon ausgegangen, dass das geplante Krankenhaus nach dem vorgelegten Konzept über die erforderliche personelle Leistungsfähigkeit im ärztlichen Bereich verfügt. Es hat zugrunde gelegt, dass 6,5 Vollkraftstellen (VK) einen Krankenhausbetrieb ermöglichten, der den aktuellen medizinischen Erfordernissen entspricht. Dass die konkrete Zuordnung der einzelnen ärztlichen Funktionsstellen im Konzept nicht hinreichend klar sei, hat es für unerheblich gehalten. Das ist nicht zu beanstanden. Dem Konzept der Klägerin lässt sich entnehmen, dass sich die Zahl von 6,5 VK auf die Funktionsstellen eines ärztlichen Direktors (0,10), eines Chefarztes (0,40), eines Oberarztes (1,0), eines Facharztes (1,0) sowie auf mehrere Assistenzärzte (4) aufteilen soll. Dieser Personalschlüssel ist von dem Beklagten nicht durchgreifend in Frage gestellt worden. Unklar ist die Zuordnung (nur) hinsichtlich der Aufteilung in Vollzeit- und Teilzeitstellen. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass dies der Feststellung der personellen Leistungsfähigkeit nicht entgegensteht. Da sich für die Klägerin die konkrete Anzahl von Vollzeit- und Teilzeitkräften erst mit der Besetzung der ärztlichen Stellen absehen lässt, genügt es, wenn sie dies dem Beklagten bei Aufnahme des Krankenhausbetriebs mitteilt. 32 c) Schließlich wendet sich der Beklagte ohne Erfolg gegen die berufungsgerichtliche Feststellung, die Klägerin habe hinreichend plausibel gemacht, dass eine Auslastung des geplanten Krankenhauses gesichert sei. Die Rüge, die in den Blick genommenen Patientenzuweisungen weckten wegen §§ 299a f. StGB und § 31 Abs. 2 der Berufsordnung der Sächsischen Landesärztekammer Bedenken, greift nicht durch. Das Oberverwaltungsgericht hat keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen, die den Verdacht rechtfertigen würden, die Patientenzuweisungen könnten berufsrechtlich unzulässig oder strafbar sein (zu der für die Tatbestandsverwirklichung nach § 299a und § 299b StGB erforderlichen Unrechtsvereinbarung: Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446 S. 17 ff.; zu unerlaubten Patientenzuweisungen im Sinne der ärztlichen Berufsordnungen: BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 - I ZR 111/08 - NJW 2011, 2211 Rn. 27 ff.; Bundesärztekammer, Hinweise und Erläuterungen zu Kooperationen zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten und Ärztinnen, DÄBl. 24/2016 v. 17. Juni 2016, Bekanntgaben der Herausgeber, A 1 f.). Ein solcher Verdacht lässt sich nicht schon darauf stützen, dass die alleinige Gesellschafterin der Klägerin zugleich Gesellschafterin mehrerer Medizinischer Versorgungszentren ist. § 95 Abs. 1a Satz 1 SGB V sieht ausdrücklich vor, dass medizinische Versorgungszentren von zugelassenen Krankenhäusern gegründet werden können. 33 4. Ob sich die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im Ergebnis als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), ist offen. Die tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil reichen für eine abschließende Sachentscheidung durch den Senat nicht aus. Da er die erforderlichen weiteren Tatsachenfeststellungen nicht selbst treffen kann, ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO)." bverwg_2021-73,25.11.2021,"Pressemitteilung Nr. 73/2021 vom 25.11.2021 EN Über Sanierungsmaßnahmen im Vogelschutzgebiet Eiderstedt muss neu verhandelt werden Über die Verpflichtung des Deich- und Hauptsielverbands Eiderstedt zu Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen wegen der Schädigung der Trauerseeschwalbe im Vogelschutzgebiet Eiderstedt muss vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht erneut verhandelt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Naturschutzbund Deutschland - Landesverband Schleswig-Holstein - begehrt gegenüber dem beklagten Kreis Nordfriesland, den beigeladenen Deich- und Hauptsielverband Eiderstedt zu Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz zu verpflichten. Der Deich- und Hauptsielverband betreibe sein Siel- und Schöpfwerk unter Missachtung der Erhaltungsziele des Vogelschutzgebiets. Die Absenkung des Wasserstands störe die Trauerseeschwalbe, die dort ihr wichtigstes schleswig-holsteinisches Brutgebiet habe. Der Beigeladene beruft sich unter anderem darauf, es liege keine erhebliche Schädigung vor, weil sich seine Tätigkeit im Rahmen der zulässigen normalen Bewirtschaftung bewege. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verfahren zur Klärung der Reichweite der Umwelthaftungsrichtlinie (RL 2004/35/ EG), deren Umsetzung das Umweltschadensgesetz dient, ausgesetzt (BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2019 - 7 C 8.17). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 9. Juli 2020 (C-297/19) entschieden, dass der Begriff der beruflichen Tätigkeit im Sinne der Umwelthaftungsrichtlinie auch Tätigkeiten erfasst, die aufgrund gesetzlicher Aufgabenübertragung im öffentlichen Interesse ausgeübt werden. Weiter hat der Gerichtshof geklärt, dass die Bewirtschaftung eines Gebiets nicht nur die unmittelbare Bodenertragsnutzung, sondern auch den Betrieb eines Schöpfwerks umfassen kann. Die Normalität der Bewirtschaftung ist in erster Linie anhand der Bewirtschaftungsdokumente zu ermitteln, wobei die Erfüllung der in der Habitat- und Vogelschutzrichtlinie vorgesehenen Ziele und Verpflichtungen nicht infrage gestellt werden darf. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf der Grundlage dieser bindenden Vorgaben das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Es wird insbesondere zu klären haben, ob der Siel- und Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen eine im dargelegten Sinne normale Bewirtschaftungsweise darstellt. Grundlage für die Ermittlung ist der für das Vogelschutzgebiet Eiderstedt erlassene Managementplan, der etwa eine Absenkung des Wasserstandes unter den Stand bei Ausweisung des Vogelschutzgebietes für nicht zulässig erklärt. Ob der Managementplan seinerseits die Ziele und Verpflichtungen der Habitat- und Vogelschutzrichtlinie achtet, wird das Oberverwaltungsgericht gegebenenfalls zu klären haben. BVerwG 7 C 6.20 - Urteil vom 25. November 2021 Vorinstanzen: OVG Schleswig, 1 LB 2/13 - Urteil vom 04. Februar 2016 - VG Schleswig, 6 A 186/11 - Urteil vom 20. September 2012 -","Urteil vom 25.11.2021 - BVerwG 7 C 6.20ECLI:DE:BVerwG:2021:251121U7C6.20.0 EN Haftung nach dem Umweltschadensgesetz für Schädigung der Trauerseeschwalbe Leitsätze: 1. Der Begriff der beruflichen Tätigkeit im Sinne von § 2 Nr. 4 USchadG beschränkt sich nicht auf Tätigkeiten, die einen Bezug zum Markt oder Wettbewerbscharakter haben, sondern umfasst sämtliche in einem beruflichen Rahmen - im Gegensatz zu einem rein persönlichen oder häuslichen Rahmen - ausgeübte Tätigkeiten und damit auch solche, die aufgrund gesetzlicher Aufgabenübertragung im öffentlichen Interesse ausgeübt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 9. Juli 2020 - C-297/19 [ECLI:EU:C:2020:533] - NuR 2020, 610 Rn. 76 f.). 2. Der Begriff der normalen Bewirtschaftung im Sinne von § 19 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BNatSchG kann landwirtschaftliche Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit umfassen und schließt Tätigkeiten ein, die, wie die Be- und Entwässerung, die notwendige Ergänzung dazu sein können (vgl. EuGH, Urteil vom 9. Juli 2020 - C-297/19 - NuR 2020, 610 Rn. 57). 3. Eine Bewirtschaftung kann nur dann als normal angesehen werden, wenn sie der guten Praxis - wie unter anderem der guten landwirtschaftlichen Praxis - entspricht. Darüber hinaus kann die Bewirtschaftung eines von der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie erfassten Gebiets nur dann als normal angesehen werden, wenn sie die Ziele und Verpflichtungen achtet, die in diesen Richtlinien vorgesehen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 9. Juli 2020 - C-297/19 - NuR 2020, 610 Rn. 52 und 55). 4. Die Normalität einer Bewirtschaftungsweise ist anhand der Bewirtschaftungsdokumente zu ermitteln. Enthalten diese keine ausreichenden Angaben, um diese Beurteilung vorzunehmen und ergibt sich die Normalität einer Maßnahme auch nicht aus einer früheren Bewirtschaftungsweise, können diese Dokumente unter Bezugnahme auf die in der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie festgelegten Ziele und Verpflichtungen oder mit Hilfe von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts, die zur Umsetzung dieser Richtlinien erlassen worden sind oder mit dem Sinn und Zweck dieser Richtlinien in Einklang stehen, beurteilt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 9. Juli 2020 - C-297/19 - NuR 2020, 610 Rn. 60). 5. Aus einer früheren Bewirtschaftungsweise ergibt sich eine normale Bewirtschaftung eines Gebiets, wenn Bewirtschaftungsmaßnahmen betroffen sind, die, weil sie über einen gewissen Zeitraum praktiziert worden sind, als für das betreffende Gebiet üblich angesehen werden können. Darüber hinaus steht auch die aus einer früheren Bewirtschaftungsweise resultierende normale Bewirtschaftung unter dem Vorbehalt, dass sie die Erfüllung der in der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie vorgesehenen Ziele und Verpflichtungen nicht infrage stellen darf (vgl. EuGH, Urteil vom 9. Juli 2020 - C-297/19 - NuR 2020, 610 Rn. 61). 6. Der als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch des Unionsrechts anerkannte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann insbesondere bei unterschiedlich großen Verursacherbeiträgen gegen eine Heranziehung sämtlicher Verursacher zu Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz streiten. Der zuständigen Behörde steht insoweit ein Auswahlermessen zu. Rechtsquellen RL 2004/35/EG Art. 2 Nr. 1, 2 und 7, Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b, Art. 16 Abs. 1, Art. 17, Anhang I Abs. 2 und 3 RL 2000/60/EG Art. 11 Abs. 3 Buchst. e USchadG § 1 Satz 1, § 2 Nr. 4, § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 6 Nr. 2, § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 2, § 13 Abs. 1 BNatSchG § 3 Abs. 2, § 5 Abs. 2, § 14 Abs. 2 Satz 2, §§ 19, 33 WHG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 VwGO § 88 BGB § 276 LNatSchG SH § 2 Abs. 4 Satz 1 und 2, § 8 Abs. 2 Nr. 2, § 11 Abs. 8 Satz 2 bis 4 LWG SH § 25 Abs. 1 Nr. 1 Instanzenzug VG Schleswig - 20.09.2012 - AZ: VG 6 A 186/11 OVG Schleswig - 04.02.2016 - AZ: OVG 1 LB 2/13 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 25.11.2021 - 7 C 6.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:251121U7C6.20.0] Urteil BVerwG 7 C 6.20 VG Schleswig - 20.09.2012 - AZ: VG 6 A 186/11 OVG Schleswig - 04.02.2016 - AZ: OVG 1 LB 2/13 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2021 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Löffelbein, Dr. Wöckel und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr für Recht erkannt: Auf die Revisionen des Beklagten und des Beigeladenen sowie die Anschlussrevision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. Februar 2016 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 4. Juli 2016 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, begehrt vom Beklagten, dem Beigeladenen Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz aufzugeben. Der Beigeladene habe durch Baggerarbeiten sowie den Betrieb eines Siel- und Schöpfwerks auf der Halbinsel Eiderstedt Umweltschäden zulasten der Vogelart Trauerseeschwalbe zu vertreten. 2 Von der ca. 30 000 ha großen Halbinsel Eiderstedt (Schleswig-Holstein) wurden bis 2009 insgesamt etwa 7 000 ha unter anderem wegen des Vorkommens der Trauerseeschwalbe als Vogelschutzgebiet (DE 1618-404) ausgewiesen. Nach dem Managementplan wird das Vogelschutzgebiet überwiegend als Grünlandgebiet großflächig traditionell bewirtschaftet und ist insbesondere wegen seiner Größe das wichtigste Brutgebiet der Trauerseeschwalbe in Schleswig-Holstein. 3 Die Halbinsel Eiderstedt bedarf zur Besiedlung und landwirtschaftlichen Nutzung der Entwässerung. Diese erfolgt über sogenannte Parzellengräben mit einer Gesamtlänge von ca. 5 000 km, die in ein Netz von Sielzügen von insgesamt 900 km Länge münden. Die Parzellengräben werden von den jeweiligen Nutzern der anliegenden Flächen unterhalten, während die Unterhaltungslast für die Sielzüge als Vorfluter bei insgesamt 17 auf Eiderstedt ansässigen Wasser- und Bodenverbänden liegt. 4 Der beigeladene Deich- und Hauptsielverband Eiderstedt ist ein Wasser- und Bodenverband in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und Oberverband der 17 auf Eiderstedt ansässigen Wasser- und Bodenverbände. Zu seinen kraft Gesetzes übertragenen Aufgaben gehört die Unterhaltung oberirdischer Gewässer als öffentlich-rechtlicher Verpflichtung. In Erfüllung dieser Aufgabe betreibt er unter anderem das Siel- und Schöpfwerk Adamsiel. Dieses entwässert sein Einzugsgebiet mittels einer ab einem bestimmten Pegelstand automatisiert in Betrieb gesetzten Pumpe. Die Pumpvorgänge bewirken dann, dass der Wasserstand wieder reduziert wird. 5 Die nach erfolgloser Antragstellung erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (erneut) ""auf den Antrag des Klägers vom 4. Juni 2008 über erforderliche Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen"" zu entscheiden. Die geschützte Art Trauerseeschwalbe und ihr natürlicher Lebensraum hätten durch den Betrieb des Schöpfwerks einen Schaden erlitten. Da die Tätigkeit des Beigeladenen nicht als Bodenertragsnutzung zu qualifizieren sei, komme die Verneinung erheblicher Auswirkungen unter dem Gesichtspunkt einer normalen Bewirtschaftungsweise nicht in Betracht. Der Beigeladene übe mit seinem Siel- und Schöpfwerksbetrieb eine berufliche Tätigkeit aus, auch wenn dem eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zugrunde liege. Zwischen dem vor und nach dem 30. April 2007 unverändert gebliebenen Siel- und Schöpfwerksbetrieb und dem Umweltschaden bestehe ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang. Ohne den Siel- und Schöpfwerksbetrieb könne kein Wasser aus dem Grabensystem ablaufen. Den Beigeladenen treffe an seinem mitverursachenden Beitrag zu dem Umweltschaden auch ein Verschulden. Für den Ausspruch einer Verpflichtung fehle es jedoch an der notwendigen Spruchreife. Dem Beklagten stehe bei der Auswahl des in Anspruch zu nehmenden Verantwortlichen, des Zeitpunkts sowie des Inhalts zu ergreifender Maßnahmen ein Ermessen zu. Hinsichtlich von Baggerarbeiten am 20. Juni 2007 sei nicht erkennbar, dass ein Schaden für den Erhaltungszustand des Lebensraumes und der Art fortbestehe. 6 Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten und des Beigeladenen hin hat der Senat mit Beschluss vom 7. Februar 2017 - 7 B 12.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​070217B7B12.16.0] - die Revisionen gegen das Berufungsurteil zugelassen. Der Kläger hat Anschlussrevision eingelegt. 7 Mit Beschluss vom 26. Februar 2019 - 7 C 8.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​260219B7C8.17.0] - (Buchholz 406.257 USchG Nr. 2) hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union um Klärung mehrerer Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2004/35/EG gebeten. Über dieses Vorabentscheidungsersuchen hat der Gerichtshof mit Urteil vom 9. Juli 2020 - C-297/19 [ECLI:​EU:​C:​2020:​533] - (NuR 2020, 610) entschieden. 8 Der Beklagte und der Beigeladene beantragen jeweils, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. Februar 2016 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 4. Juli 2016 zu ändern und die Berufung sowie die Anschlussrevision des Klägers zurückzuweisen. 9 Der Kläger beantragt, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. Februar 2016 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 4. Juli 2016 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, dem Beigeladenen aufzugeben, erforderliche Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen sowie die Revisionen des Beklagten und des Beigeladenen zurückzuweisen. 10 Er verteidigt das Urteil gegen die Rügen der Revisionen und erhebt seinerseits sowohl Sachrügen als auch eine Verfahrensrüge. Hinsichtlich von am 20. Juni 2007 durchgeführten Baggerarbeiten habe das Oberverwaltungsgericht dem Kläger zu Unrecht eine materielle Beweislast auferlegt. Der Kläger habe einen gebundenen Anspruch darauf, den Beklagten zu verpflichten, dem Beigeladenen aufzugeben, die erforderlichen Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Der Antrag des Klägers habe sich nicht darauf gerichtet, dem Beigeladenen aufzugeben, bestimmte, näher konkretisierte Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Die diesbezügliche Teilabweisung gehe über das klägerische Begehren hinaus und verstoße gegen den Grundsatz des ne ultra petita . 11 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht führt aus, dass der Begriff der beruflichen Tätigkeit auch öffentlich-rechtliche Tätigkeiten einschließlich der Daseinsvorsorge umfasse. II 12 I. Die zulässigen Revisionen des Beklagten und des Beigeladenen sind begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verstößt gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Auf der Grundlage der vom Tatsachengericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann über die Klage nicht abschließend entschieden werden. Die Sache war deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 13 1. In Einklang mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass das Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz - USchadG), in der nunmehr maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2021 (BGBl. I S. 346), das der Umsetzung der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. L 143 S. 56) - UHRL - dient, in zeitlicher wie sachlicher Hinsicht Anwendung findet. 14 a) Der zeitliche Anwendungsbereich des Umweltschadensgesetzes ist eröffnet. Nach § 13 Abs. 1 USchadG gilt das Gesetz nicht für Schäden, die durch Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle verursacht wurden, die vor dem 30. April 2007 stattgefunden haben, oder die auf eine bestimmte Tätigkeit zurückzuführen sind, die vor dem genannten Zeitpunkt geendet hat. Diese Regelung steht in Einklang mit Art. 17 Spiegelstrich 1 und 2 UHRL, wonach die Richtlinie für Schäden gilt, die durch Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle verursacht wurden, die am oder nach dem 30. April 2007 stattgefunden haben, sofern diese Schäden entweder auf Tätigkeiten zurückzuführen sind, die am oder nach diesem Datum stattgefunden haben, oder auf Tätigkeiten, die vor dem genannten Datum stattgefunden, aber nicht vor ihm geendet haben (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Juni 2017 - C-529/15 [ECLI:​EU:​C:​2017:​419] - Rn. 22 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 4. März 2015 - C-534/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​140] - Rn. 44; vgl. auch EuGH, Urteil vom 9. März 2010 - C-378/08 [ECLI:​EU:​C:​2010:​126], Raffinerie Mediterranee u.a. - Rn. 41). 15 Vorliegend steht als Ursache für eingetretene Schäden der Betrieb eines Siel- und Schöpfwerks durch den Beigeladenen in Rede, der nach tatrichterlicher Feststellung vor und nach dem 30. April 2007 unverändert geblieben ist. Dieser Betrieb stellt mithin eine Tätigkeit dar, die (auch) nach dem 30. April 2007 stattgefunden hat. Zugleich geht es um Schäden, die durch Ereignisse verursacht worden sind. Als derartige Ereignisse sind die ab einem bestimmten Pegelstand automatisiert durchgeführten Pumpvorgänge anzusehen, die den Wasserstand reduzieren. Die ebenfalls beanstandeten Baggerarbeiten wurden am 20. Juni 2007 durchgeführt. 16 2. Auch der sachliche Anwendungsbereich des Umweltschadensgesetzes ist eröffnet. Nach § 1 Satz 1 USchadG findet das Gesetz Anwendung, soweit Rechtsvorschriften des Bundes oder der Länder die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden nicht näher bestimmen oder in ihren Anforderungen diesem nicht entsprechen. Mithin bestimmt das Umweltschadensgesetz in Einklang mit Art. 16 Abs. 1 UHRL einen Mindeststandard für die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (vgl. BT-Drs. 16/3806 S. 19). Ob dieser Mindeststandard von bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften übertroffen wird, bedarf - mit Blick auf die jeweilige Sachverhaltskonstellation - einer generalisierenden Gesamtbetrachtung. Bei dieser Betrachtung können sowohl die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschriften als auch die im jeweiligen Normprogramm vorgesehenen Rechtsfolgen von ausschlaggebender Bedeutung sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2021 - 4 C 2.19 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2021:​290421U4C2.19.0] - UPR 2021, 381 Rn. 50 f. m.w.N.). 17 Als gegenüber dem Umweltschadensgesetz weitreichendere Regelungen kommen vorliegend § 2 Abs. 4 Satz 1 und 2 und § 11 Abs. 8 des Gesetzes zum Schutz der Natur des Landes Schleswig-Holstein (Landesnaturschutzgesetz Schleswig-Holstein - LNatSchG SH) vom 24. Februar 2010 (GVOBl. S. 301), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 13. November 2019 (GVOBl. S. 425), in Verbindung mit § 3 Abs. 2 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 18. August 2021 (BGBl. I S. 3908) in Betracht. Nach § 3 Abs. 2 BNatSchG überwachen die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden die Einhaltung der Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften und treffen nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen, um deren Einhaltung sicherzustellen. Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 LNatSchG SH gilt diese Regelung entsprechend für sonstige naturschutzrechtliche Vorschriften und für Maßnahmen zur Abwehr von sonstigen Gefahren für Natur und Landschaft. Sind Teile von Natur und Landschaft rechtswidrig zerstört, beschädigt oder verändert worden, ordnet nach § 2 Abs. 4 Satz 2 LNatSchG SH die zuständige Naturschutzbehörde die nach § 11 Abs. 7 und 8 Satz 1 bis 5 LNatSchG SH vorgesehenen Maßnahmen an. § 11 Abs. 8 Satz 2 bis 4 LNatSchG SH sieht die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, für den Fall der Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit der Wiederherstellung Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen und - falls auch diese nicht möglich sind - eine Ersatzzahlung vor. 18 Hier beantragt der Kläger, den Beklagten zu verpflichten, dem Beigeladenen als Verantwortlichem für einen eingetretenen Umweltschaden aufzugeben, erforderliche Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen, zu denen dieser aus eigener Verantwortung verpflichtet sei und deren nähere Ausgestaltung er zunächst selbst zu ermitteln habe. Diesem Petitum werden ausschließlich die Regelungen des Umweltschadensgesetzes gerecht. So bestimmt § 6 Nr. 2 USchadG, dass der Verantwortliche - ist ein Umweltschaden eingetreten - die gemäß § 8 USchadG erforderlichen Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen hat. § 8 Abs. 1 USchadG verpflichtet den Verantwortlichen, erforderliche Sanierungsmaßnahmen selbst zu ermitteln und der zuständigen Behörde zur Zustimmung vorzulegen. Welche Sanierungsmaßnahmen bei der Sanierung von Schäden an Gewässern, geschützten Arten oder natürlichen Lebensräumen in Betracht zu ziehen sind, ergibt sich hierbei im Einzelnen aus § 19 Abs. 4 BNatSchG in Verbindung mit Anhang II Nr. 1 UHRL, wonach zwischen einer - dort jeweils näher bestimmten - primären Sanierung, einer ergänzenden Sanierung oder einer Ausgleichssanierung zu unterscheiden ist und Sanierungsziele, Maßgaben für die Festlegung von Sanierungsmaßnahmen sowie Kriterien für die Wahl von Sanierungsoptionen im Einzelnen vorgegeben werden. Die Möglichkeit einer Ersatzzahlung in Geld ist nicht vorgesehen. Aufgabe der zuständigen Behörde ist es zu überwachen, dass die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen vom Verantwortlichen ergriffen werden (§ 7 Abs. 1 USchadG). In diesem Rahmen kann die Behörde dem Verantwortlichen - wie vorliegend begehrt - aufgeben, diese Maßnahmen zu ergreifen (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 USchadG). 19 Demgegenüber sieht das Rechtsfolgenregime nach § 11 Abs. 8 Satz 2 bis 4 LNatSchG SH Sanierungsmaßnahmen jedenfalls nicht ausdrücklich vor und trifft folglich auch keine Regelungen zum Inhalt von Sanierungsmaßnahmen. Ermittlungen durch den Verantwortlichen selbst, welche Maßnahmen durchzuführen sind, werden vom Landesgesetzgeber nicht angeordnet. Darüber hinaus lässt § 11 Abs. 8 Satz 4 LNatSchG SH anstelle von Maßnahmen zu Wiederherstellung, Ausgleich oder Ersatz gegebenenfalls eine Ersatzzahlung zu. 20 Andere weitreichendere Regelungen des Bundes- oder Landesrechts sind nicht ersichtlich. Insbesondere gilt für die Vorschriften der §§ 13 ff. BNatSchG (Eingriffsregelung) das zu § 2 Abs. 4 Satz 1 und 2, § 11 Abs. 8 LNatSchG SH Gesagte entsprechend. Dass es sich auf der Grundlage der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beim Siel- und Schöpfwerksbetrieb um Gewässerunterhaltung im Sinne des Landeswassergesetzes Schleswig-Holstein handelt, Unterhaltungsmaßnahmen an Gewässern aber nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 LNatSchG SH nicht als Eingriffe anzusehen sind, kann deshalb ebenso auf sich beruhen wie die Frage, ob diese Abweichung von dem bundesrechtlichen Eingriffsbegriff des § 14 BNatSchG sich im Rahmen der in Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG vorgesehenen Grenzen der Abweichungskompetenz des Landes bewegt. 21 3. Ebenfalls in Einklang mit Bundesrecht legt das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung den Haftungstatbestand nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG zugrunde, der vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln des Verantwortlichen voraussetzt. 22 Für eine verschuldensunabhängige Haftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 USchadG liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vor. Eine solche setzt voraus, dass Umweltschäden oder unmittelbare Gefahren solcher Schäden durch eine der in Anlage 1 zum Umweltschadensgesetz aufgeführten beruflichen Tätigkeiten verursacht werden. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts stellt der Siel- und Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen keine derartige Tätigkeit dar. Als haftungsbegründende Tätigkeit kommt - ausgehend von Anlage 1 Nr. 5 zum Umweltschadensgesetz - eine Entnahme von Wasser aus oberirdischen Gewässern gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz - WHG) vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 18. August 2021 (BGBl. I S. 3901), die einer Erlaubnis oder Bewilligung nach § 8 Abs. 1 WHG bedarf, in Betracht. Ein Entnehmen von Wasser liegt vor, wenn Wasser - wie vorliegend der Fall - aus einem Gewässer abgepumpt oder geschöpft wird (vgl. nur Hasche, in: BeckOK Umweltrecht, Stand 1. Dezember 2017, WHG, § 9 Rn. 4 m.w.N.). Keine nach § 8 Abs. 1 WHG erlaubnispflichtige Benutzung eines Gewässers stellt nach § 9 Abs. 3 Satz 2 WHG allerdings die Unterhaltung eines Gewässers dar, soweit hierbei keine chemischen Mittel verwendet werden. Wie bereits dargelegt, handelt es sich beim Siel- und Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen um eine Gewässerunterhaltung, die als solche keiner Erlaubnis oder Bewilligung bedarf. 23 Der Ausschluss einer verschuldensunabhängigen Haftung steht auch mit Unionsrecht in Einklang. Der Haftungstatbestand des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a UHRL gilt für die Ausübung von beruflichen Tätigkeiten nach Anhang III der Richtlinie, die unter Ziff. 6 die Wasserentnahme aufführt, soweit eine solche gemäß der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 327 S. 1) - WRRL - einer vorherigen Genehmigung bedarf. Die Richtlinie 2000/60/EG sieht in Art. 11 Abs. 3 Buchst. e als mitgliedstaatlich zu erfüllende Mindestanforderung ein Genehmigungserfordernis für die Entnahme von Oberflächensüßwasser vor, es sei denn, die Mitgliedstaaten stellen Entnahmen oder Aufstauungen, die keine signifikanten Auswirkungen auf den Wasserzustand haben, von diesem Erfordernis frei. Eine derartige - unionsrechtskonforme - Freistellung ergibt sich aus § 9 Abs. 3 Satz 2 WHG, soweit - wie hier - die Gewässerunterhaltung ohne Einsatz chemischer Mittel betroffen ist. 24 4. Mit revisiblem Recht in Einklang steht es auch, dass das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, der Siel- und Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen erfolge in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG in Verbindung mit § 2 Nr. 4 USchadG. 25 Nach § 2 Nr. 4 USchadG ist - in Übereinstimmung mit der unionsrechtlichen Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 7 UHRL - eine berufliche Tätigkeit jede Tätigkeit, die im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, einer Geschäftstätigkeit oder eines Unternehmens ausgeübt wird, unabhängig davon, ob sie privat oder öffentlich und mit oder ohne Erwerbscharakter ausgeübt wird. In Beantwortung der diesbezüglichen Fragestellung des Senats hat der Gerichtshof der Europäischen Union (Gerichtshof) geklärt, dass der Begriff der beruflichen Tätigkeit im Sinne von Art. 2 Nr. 7 UHRL nicht auf Tätigkeiten beschränkt bleibt, die einen Bezug zum Markt oder Wettbewerbscharakter haben, sondern sämtliche in einem beruflichen Rahmen - im Gegensatz zu einem rein persönlichen oder häuslichen Rahmen - ausgeübte Tätigkeiten und damit auch solche umfasst, die aufgrund gesetzlicher Aufgabenübertragung im öffentlichen Interesse ausgeübt werden (EuGH, Urteil vom 9. Juli 2020 - C-297/19 - NuR 2020, 610 Rn. 76 f.). Auf dieser Grundlage ist nicht zweifelhaft, dass der Beigeladene, der kraft gesetzlicher Aufgabenübertragung im öffentlichen Interesse handelt, das Siel- und Schöpfwerk in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit betreibt. 26 5. Das Oberverwaltungsgericht hat eine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG in Verbindung mit § 19 Abs. 2 und 3 BNatSchG hinsichtlich der geschützten Art Trauerseeschwalbe und ihres natürlichen Lebensraums im Vogelschutzgebiet Eiderstedt darin gesehen, dass ein schon länger andauernder Rückgang des Bestandes noch brütender Paare auf Eiderstedt festzustellen sei, der sich auch nach 2007 immer mehr fortgesetzt habe. Auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Schädigung nach der Ausnahmeregelung in § 19 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG zu verneinen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr festgestellt, dass nicht ansatzweise erkennbar sei, dass einer Genehmigung des Siel- und Schöpfwerksbetriebs des Beigeladenen eine Ermittlung der nachteiligen Auswirkungen dieser Tätigkeit vorangegangen wäre. 27 6. Eine aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG folgende Sanierungspflicht setzt - wovon auch das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist - weiter voraus, dass die eingetretene Schädigung erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands der betroffenen Lebensräume oder Arten hat. 28 Die Haftungsvoraussetzung der Erheblichkeit ergibt sich aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG und gilt - in Einklang mit den Bestimmungen der Umwelthaftungsrichtlinie - sowohl für die verschuldensunabhängige Haftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 USchadG als auch für die verschuldensabhängige Haftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG. Eine Anwendbarkeit des Erheblichkeitskriteriums nur im Rahmen der verschuldensunabhängigen Haftung könnte man lediglich aus einer isolierten Gegenüberstellung der Begriffsbestimmung des Umweltschadens in Art. 2 Nr. 1 UHRL, der Tatbestandsvoraussetzung der verschuldensunabhängigen Haftung nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a UHRL ist und das haftungsbegrenzende Kriterium der Erheblichkeit ausdrücklich umfasst, und des Begriffs der Schädigung in Art. 2 Nr. 2 UHRL, der Element der verschuldensabhängigen Haftung nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b UHRL ist und das haftungsbegrenzende Kriterium der Erheblichkeit als solcher nicht umfasst, ableiten wollen. Eine diesbezügliche Differenzierung wäre jedoch weder sachgerecht noch stünde sie mit der Systematik der Umwelthaftungsrichtlinie in Einklang. Sie führte - ohne Anhaltspunkte für einen hierauf gerichteten Willen des Normgebers - zu einer insoweit besonders strengen und ohne erkennbaren Sachgrund von der verschuldensunabhängigen Haftung abweichenden verschuldensabhängigen Haftung. Zudem würde in systematischer Hinsicht übersehen, dass die Bestimmung des zusammengesetzten Begriffs der ""Schädigung geschützter Arten und natürlicher Lebensräume"", wie er in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b UHRL gebraucht wird, in Art. 2 Nr. 1 Buchst. a UHRL erfolgt und das Kriterium der Erheblichkeit dort - unter Verweis auf Anhang I der Richtlinie - ausdrücklich aufgenommen ist. 29 Auch der Gerichtshof geht ohne Weiteres davon aus, dass eine verschuldensabhängige Haftung auf der Grundlage der Umwelthaftungsrichtlinie die Erheblichkeit einer Schädigung voraussetzt. Er führt aus, dass zu den drei Kategorien von Schädigungen, die unter den Begriff ""Umweltschaden"" im Sinne von Art. 2 Nr. 1 UHRL fallen, nach Buchst. a dieser Vorschrift eine Schädigung geschützter Arten und natürlicher Lebensräume gehört, die den Anwendungsbereich dieser Richtlinie sowohl nach Buchst. a als auch nach Buchst. b ihres Art. 3 Abs. 1 eröffnen kann (EuGH, Urteil vom 9. Juli 2020 - C-297/19 - NuR 2020, 610 Rn. 32). Bezeichnet sind damit sowohl die verschuldensunabhängige Haftung, die Art. 3 Abs. 1 Buchst. a UHRL regelt, als auch die verschuldensabhängige Haftung, die Art. 3 Abs. 1 Buchst. b UHRL anordnet. 30 7. Gegen revisibles Recht verstößt allerdings die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, eine Verneinung der Erheblichkeit der Schädigung nach § 19 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG komme tatbestandlich nicht in Betracht. 31 a) Keinen materiellrechtlichen Bedenken unterliegt es hierbei, dass das Oberverwaltungsgericht eine Unerheblichkeit der eingetretenen Schädigung nach § 19 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 oder Nr. 3 BNatSchG verneint hat. Auf der Grundlage der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen gehen die Bestandsrückgänge der Trauerseeschwalbe über die natürliche Fluktuation hinaus und lassen sich auch nicht auf natürliche Ursachen, namentlich auf Prädation, zurückführen. 32 b) Nicht mit revisiblem Recht vereinbar ist hingegen der vom Oberverwaltungsgericht angenommene tatbestandliche Ausschluss von § 19 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BNatSchG. Nach § 19 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BNatSchG in der mit Wirkung vom 1. September 2021 in Kraft getretenen, nunmehr maßgeblichen Fassung des Art. 5 des Gesetzes vom 25. Februar 2021 (BGBl. I S. 306) liegt eine erhebliche Schädigung in der Regel bei nachteiligen Abweichungen nicht vor, die auf eine äußere Einwirkung im Zusammenhang mit der normalen Bewirtschaftung der betreffenden Gebiete, die den Aufzeichnungen über den Lebensraum oder den Dokumenten über die Erhaltungsziele oder der früheren Bewirtschaftungsweise der jeweiligen Eigentümer oder Betreiber entspricht, zurückzuführen sind. Diese Neufassung folgt der auf die Vorlage des Senats hin ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs. Die frühere deutsche Sprachfassung der Richtlinie gab diesem Anlass zu der Klarstellung, dass Anhang I Abs. 3 Spiegelstrich 2 der Umwelthaftungsrichtlinie dahin zu verstehen ist, dass sich das Wort ""normal"" - wie bei den anderen Sprachfassungen (engl. etwa ""normal management"") - unmittelbar auf das Wort ""Bewirtschaftung"" beziehen muss und dass sich die Wendung ""Bewirtschaftung, die als normal anzusehen ist"" auf beide Alternativen der zweiten Fallkonstellation des zweiten Spiegelstrichs beziehen muss (EuGH, Urteil vom 9. Juli 2020 - C-297/19 - NuR 2020, 610 Rn. 49). 33 aa) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts unterfällt der Betrieb des Siel- und Schöpfwerks des Beigeladenen dem Begriff der Bewirtschaftung im Sinne des § 19 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BNatSchG. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Begriff der Bewirtschaftung erfasse nur die (unmittelbare) Bodenertragsnutzung durch die Landwirtschaft, der die Tätigkeit des Beigeladenen nicht unterfalle, ist zu eng. Auf die Vorlage des Senats hin hat der Gerichtshof geklärt, dass der Begriff der normalen Bewirtschaftung im Sinne von Anhang I Abs. 3 Spiegelstrich 2 UHRL unter anderem landwirtschaftliche Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit umfassen kann und Tätigkeiten einschließt, die, wie die Be- und Entwässerung, und damit der Betrieb eines Schöpfwerks, die notwendige Ergänzung dazu sein können (EuGH, Urteil vom 9. Juli 2020 - C-297/19 - NuR 2020, 610 Rn. 57). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber des Umweltschadensgesetzes den Begriff der Bewirtschaftung hätte enger fassen wollen, bestehen nicht. 34 bb) Auf dieser Grundlage ist weiter zu klären, ob der Betrieb des Siel- und Schöpfwerks des Beigeladenen eine Bewirtschaftung darstellt, die als normal anzusehen ist. Der Gerichtshof legt auf die Vorlage des Senats hin dar, dass das Wort ""normal"" den Wörtern ""gewöhnlich"", ""üblich"" oder ""geläufig"" entspricht. Um dem Wort ""normal"" nicht seine praktische Wirksamkeit im Rahmen des Umweltschutzes zu nehmen, kann eine Bewirtschaftung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs jedoch nur dann als normal angesehen werden, wenn sie der guten Praxis - wie unter anderem der guten landwirtschaftlichen Praxis - entspricht (EuGH, Urteil vom 9. Juli 2020 - C-297/19 - NuR 2020, 610 Rn. 52). Darüber hinaus kann die Bewirtschaftung eines - wie hier - von der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie erfassten Gebiets nur dann als normal angesehen werden, wenn sie die Ziele und Verpflichtungen achtet, die in diesen Richtlinien vorgesehen sind (EuGH, Urteil vom 9. Juli 2020, a.a.O., Rn. 55). 35 Die Normalität einer Bewirtschaftungsweise ist anhand der Bewirtschaftungsdokumente zu ermitteln. Enthalten diese keine ausreichenden Angaben, um diese Beurteilung vorzunehmen und ergibt sich die Normalität der Maßnahme auch nicht aus einer früheren Bewirtschaftungsweise, können diese Dokumente unter Bezugnahme auf die in der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie festgelegten Ziele und Verpflichtungen oder mit Hilfe von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts, die zur Umsetzung dieser Richtlinien erlassen worden sind oder mit dem Sinn und Zweck dieser Richtlinien in Einklang stehen, beurteilt werden (EuGH, Urteil vom 9. Juli 2020, a.a.O., Rn. 60). 36 Aus einer früheren Bewirtschaftungsweise ergibt sich eine normale Bewirtschaftung eines Gebiets, wenn Bewirtschaftungsmaßnahmen betroffen sind, die, weil sie über einen gewissen Zeitraum praktiziert worden sind, als für das betreffende Gebiet üblich angesehen werden können. Auch die aus einer früheren Bewirtschaftungsweise resultierende normale Bewirtschaftung steht hierbei jedoch wiederum unter dem Vorbehalt, dass sie die Erfüllung der in der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie vorgesehenen Ziele und Verpflichtungen nicht infrage stellen darf (EuGH, Urteil vom 9. Juli 2020, a.a.O., Rn. 61). 37 cc) Auf dieser rechtlichen Grundlage bedarf es weiterer Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht. Zur Ermittlung der Normalität der Bewirtschaftungsweise wird der Blick hierbei in erster Linie auf die einschlägigen Bewirtschaftungsdokumente, namentlich auf den Managementplan des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein vom 20. September 2010, zu richten sein, der sich mit der Gewässerbewirtschaftung im Vogelschutzgebiet Eiderstedt befasst. 38 So sind im Managementplan als notwendige Maßnahmen im Zusammenhang mit der Entwässerung und dem Gewässersystem insbesondere die Sicherung von Mindestwasserständen und die Optimierung des Wasserhaushalts vorgesehen. Konkret regelt Ziff. 6.2.2 des Managementplans (S. 16) in Verbindung mit Maßnahmenblatt 2 (Sicherstellen von Mindestwasserständen), dass eine Absenkung des Wasserstands unter den Stand bei Ausweisung des Vogelschutzgebiets nicht zulässig ist. Neben dieser Verbotsregelung ist nach Ziff. 6.3.2 des Managementplans (S. 18) in Verbindung mit Maßnahmenblatt 7 (Optimierung des Wasserhaushalts in den einzelnen Siel-/Schöpfwerkseinzugsgebieten) in allgemeiner, noch konkretisierungsbedürftiger Weise die Optimierung des Wasserhaushalts vorgesehen. 39 Auf der Grundlage insbesondere der genannten Bestimmungen des Managementplans erscheint zur Beurteilung der Normalität der Bewirtschaftungsweise durch den Siel- und Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen - neben gegebenenfalls weiteren, tatrichterlich zu ermittelnden Gesichtspunkten - von maßgeblicher Bedeutung, ob durch diesen Betrieb eine Absenkung des Wasserstands unter den Stand bei der Ausweisung des Vogelschutzgebiets erfolgt. Der Kläger hat eine kontinuierliche Absenkung der mittleren Wasserstände im Eiderstädter Grabensystem seit dem 30. April 2007 durch den Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen behauptet. Ob diese Behauptung zutrifft, hat das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung ausdrücklich als nicht entscheidungserheblich offengelassen. 40 Für den Fall einer Absenkung des Wasserstands durch den Siel- und Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen unter den Stand bei Ausweisung des Vogelschutzgebiets wird die Annahme einer Unerheblichkeit der Schädigung der Art Trauerseeschwalbe - vorbehaltlich einer abschließenden Würdigung durch das hierzu berufene Tatsachengericht - wohl auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer früheren Bewirtschaftungsweise in Betracht kommen. Im umgekehrten Fall einer Nichtabsenkung des Wasserstands unter denjenigen bei der Ausweisung des Vogelschutzgebiets durch den Siel- und Schöpfwerksbetrieb liegt es demgegenüber nahe, auch unter dem Gesichtspunkt der früheren Bewirtschaftungsweise insoweit von einer normalen Bewirtschaftung auszugehen. Dies führte gegebenenfalls zur Verneinung der Erheblichkeit der Schädigung, es sei denn, es ergäben sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass - entgegen der Regel des § 19 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BNatSchG - hinsichtlich des Siel- und Schöpfwerksbetriebs des Beigeladenen eine besondere Ausnahmesituation vorliegt. 41 dd) Eine Bewirtschaftung kann - wie dargelegt - auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur dann als normal angesehen werden, wenn sie der guten landwirtschaftlichen Praxis entspricht. Insoweit richtet sich der Blick auf die Grundsätze der guten fachlichen Praxis der landwirtschaftlichen Nutzung im Sinne von § 5 Abs. 2 BNatSchG. Die in dieser Vorschrift genannten beispielhaften (Handlungs-)Direktiven, die allerdings keine Maßgaben enthalten, die sich unmittelbar auf die Wasserstandsregulierung mittels eines Pumpwerks beziehen, sind für weitere - ungeschriebene - Grundsätze der guten fachlichen Praxis offen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 1. September 2016 - 4 C 4.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​010916U4C4.15.0] - BVerwGE 156, 94 Rn. 17). Auch insoweit bedarf es gegebenenfalls weiterer tatsächlicher Feststellungen, sollten sich Anhaltspunkte für einen fehlenden Einklang des Siel- und Schöpfwerksbetriebs mit der guten landwirtschaftlichen Praxis ergeben. 42 Stimmt eine landwirtschaftliche Bodennutzung mit den in § 5 Abs. 2 bis 4 BNatSchG genannten Anforderungen - bzw. mit den ungeschriebenen Grundsätzen der guten fachlichen Praxis - überein, widerspricht sie nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG in der Regel nicht den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Allerdings kann ein solcher Regelfall nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht angenommen werden, wenn Besonderheiten der landwirtschaftlichen Nutzung im konkreten Fall mit den naturschutzfachlichen Gegebenheiten nicht zu vereinbaren sind. Ist - wie hier - ein Natura 2000-Gebiet betroffen, hat die zuständige Behörde insoweit sicherzustellen, dass es nicht zu Veränderungen und Störungen kommt, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können (§ 33 Abs. 1 BNatSchG). Die Frage, ob von einer konkreten landwirtschaftlichen Nutzung eine solche Beeinträchtigung droht, ist hierbei zuvörderst eine naturschutzfachliche Frage, die der für die Unterschutzstellung zuständige Normgeber durch die Schutzgebietsausweisung und die Schutzgebietspflege zu regeln hat (BVerwG, Urteil vom 6. November 2012 - 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 89 m.w.N.). 43 Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die Erfüllung der in der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie vorgesehenen Ziele und Verpflichtungen nicht in Frage stehen darf, besteht, sollten sich naturschutzfachliche Anhaltspunkte für diesbezügliche Zweifel ergeben, gegebenenfalls noch ergänzender Klärungsbedarf. Dieser betrifft die Frage, ob die für den Siel- und Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen einschlägigen Maßgaben der Bewirtschaftungsdokumente, namentlich des Managementplans, geeignet sind, einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen entgegenzuwirken und damit den Zielen und Verpflichtungen nach der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie gerecht zu werden. 44 ee) Für den Fall, dass nach weiterer Sachaufklärung feststeht, dass vom Siel- und Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen eine erhebliche Schädigung im Sinne von § 19 Abs. 1 und 5 BNatSchG ausgeht, stellt die Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens - also des Siel- und Schöpfwerksbetriebs - nach der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Senats keine Voraussetzung für eine Haftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 USchadG dar. Auch genehmigte oder gesetzeskonforme Tätigkeiten sind der verschuldensabhängigen Haftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG unterworfen, sofern sie eine erhebliche Schädigung hervorrufen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2017 - 7 C 29.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​210917U7C29.15.0] - Buchholz 406.257 USchadG Nr. 1 Rn. 24 ff.). Hiervon ist auch das Oberverwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. 45 c) Für den Fall der Erheblichkeit der Schädigung durch den Siel- und Schöpfwerksbetrieb ist auch die Frage des Verschuldens des Beigeladenen auf der Grundlage der zu treffenden tatsächlichen Feststellungen (erneut) zu klären. 46 Hinsichtlich dieser Klärung hat sich das Oberverwaltungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend an der Vorschrift des § 276 BGB orientiert. Nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Senats bestimmt sich vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln des nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG Verantwortlichen nach den vom Tatsachengericht herangezogenen zivilrechtlichen Maßstäben (BVerwG, Urteil vom 21. September 2017, a.a.O., Rn. 18 ff.). 47 Auf dieser Grundlage gilt, dass Vorsatz des Verantwortlichen dann zu bejahen ist, wenn dieser erhebliche nachteilige Auswirkungen seines Verhaltens auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands geschützter Lebensräume oder Arten oder die unmittelbare Gefahr solcher erheblichen nachteiligen Auswirkungen vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen hat. Fahrlässig handelt der Verantwortliche, wenn er erhebliche nachteilige Auswirkungen seines Verhaltens auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands geschützter Lebensräume oder Arten oder unmittelbare Gefahren solcher erheblichen nachteiligen Auswirkungen unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vorhersehen und vermeiden konnte (BVerwG, Urteil vom 21. September 2017, a.a.O., Rn. 23). 48 Bei der Prüfung des Verschuldens eines Verantwortlichen sind auch die Rechtmäßigkeit eines Verhaltens und die Reichweite der Legalisierungswirkung einer Genehmigung von maßgeblicher Bedeutung. Namentlich wird ein Verantwortlicher, der schutzwürdig auf eine Genehmigung vertraut, bei einem von der Legalisierungswirkung einer Genehmigung umfassten Verhalten regelmäßig nicht fahrlässig handeln (BVerwG, Urteil vom 21. September 2017, a.a.O., Rn. 27). 49 Ob für den Siel- und Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen eine Genehmigung erteilt wurde und wie weit deren Legalisierungswirkung bejahendenfalls zumindest ursprünglich gereicht hat, konnte vom Tatsachengericht bislang allerdings nicht festgestellt werden. Hier besteht gegebenenfalls weiterhin tatsächlicher Klärungsbedarf. In rechtlicher Hinsicht wäre zu klären, ob eine Legalisierungswirkung fortbesteht oder aufgrund einer vom Oberverwaltungsgericht angenommenen - gegebenenfalls landesrechtlich begründeten - dynamischen Betreiberpflicht des Beigeladenen als öffentlich-rechtlichem Aufgabenträger entfallen ist und ob dessen ungeachtet ein etwaiges Vertrauen des Beigeladenen in den weiteren Fortbestand der Legalisierungswirkung einer erteilten Genehmigung schutzwürdig wäre. 50 Soweit ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Legalisierungswirkung einer erteilten Genehmigung nicht festgestellt werden kann, ist zur Frage der Vermeidbarkeit eines schädigenden Verhaltens des Beigeladenen weiter zu ermitteln, ob sich aus dessen nach Landesrecht bestehender Verpflichtung zur Gewässerunterhaltung bzw. aus seiner öffentlich-rechtlichen Pflichtenstellung als Deich- und Sielverband sonst ergibt, dass das Siel- und Schöpfwerk Adamsiel in der bislang praktizierten Art und Weise betrieben werden muss. Zur näheren Bestimmung einer sich insoweit aus Landesrecht ergebenden Pflichtenstellung des Beigeladenen ist das Oberverwaltungsgericht berufen. 51 Schließlich setzte die Bejahung eines Verschuldens des Beigeladenen - wie dargelegt - auch die Vorhersehbarkeit erheblicher nachteiliger Auswirkungen voraus. Insoweit müsste sowohl die durch eigenes Verhalten verursachte Schädigung selbst als auch deren Erheblichkeit für diesen vorhersehbar gewesen sein. Hierzu gehört, dass der Beigeladene neben der Schädigung der Art Trauerseeschwalbe als solcher und der Ursächlichkeit seines Verhaltens hierfür auch erkennen konnte, dass der Siel- und Schöpfwerksbetrieb - soweit dies in objektiv-rechtlicher Hinsicht festgestellt werden sollte - einer normalen Bewirtschaftung im Sinne des § 19 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BNatSchG nicht entsprochen hat. Auch insoweit bestünde gegebenenfalls zunächst noch Aufklärungsbedarf in tatsächlicher Hinsicht. 52 Einer Entscheidung über die vom Beklagten und vom Beigeladenen erhobenen Aufklärungsrügen bedurfte es wegen der Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht infolge durchgreifender Sachrügen nicht. 53 II. Die Anschlussrevision des Klägers ist zulässig und begründet. Das Urteil verstößt auch insoweit gegen Bundesrecht, als es den Beklagten verpflichtet, ""über erforderliche Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen [...] zu entscheiden."" Das Urteil stellt sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Auf der Grundlage der vorliegenden tatsächlichen Feststellungen kann über die Klage nicht abschließend entschieden werden. Die Sache war deshalb auch auf die Anschlussrevision des Klägers hin zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 54 Die Anschlussrevision des Klägers ist zulässig. Entgegen der Auffassung des Beigeladenen wurde sie fristgerecht erhoben. Die Anschließung an die Revision eines Beteiligten ist bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründungsschrift zulässig (§ 141 Satz 1 i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Die Zustellung der Revisionsbegründungsschrift des Beigeladenen an den Kläger erfolgte am 21. April 2017. Da der 21. Mai 2017 auf einen Sonntag fiel, endete die Monatsfrist mit Ablauf des 22. Mai 2017 (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO). An diesem Tag wurde die Anschlussrevision eingelegt. 55 Die Anschlussrevision ist begründet. Zwar greifen die Sachrügen des Klägers nicht durch. Jedoch ist seine Verfahrensrüge begründet. 56 a) Die Rüge des Klägers, ihm sei unter Verstoß gegen Bundesrecht eine materielle Beweislast hinsichtlich des Eintritts eines Umweltschadens durch am 20. Juni 2007 durchgeführte Baggerarbeiten überbürdet worden, ist unbegründet. Die Beantwortung der Frage der materiellen Beweislast für den Eintritt eines Umweltschadens war für das Oberverwaltungsgericht jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Vielmehr hat das Gericht bei seiner Entscheidung tragend darauf abgestellt, dass ein im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht fortbestehender Schaden nicht erkennbar ist. Damit knüpft das Oberverwaltungsgericht ohne Rechtsfehler entscheidungserheblich an dem Umstand an, dass die vom Kläger beantragten Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz sach- wie begriffsnotwendig voraussetzen, dass eine Schadenslage fortbesteht. 57 b) Im Kontext der behördlichen Heranziehung des Beigeladenen ist das Oberverwaltungsgericht entgegen der Auffassung des Klägers auch ohne Rechtsverstoß von einem Auswahlermessen des Beklagten zwischen einer Mehrzahl Verantwortlicher ausgegangen. Maßgeblich hierfür sind Gründe der Verhältnismäßigkeit sowie der Effektivität der zu ergreifenden Maßnahmen. Der als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch des Unionsrechts anerkannte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann insbesondere bei unterschiedlich großen Verursachungsbeiträgen gegen eine Heranziehung sämtlicher Verursacher zu Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen streiten. Zeigte sich in tatsächlicher Hinsicht etwa, dass ein Verantwortlicher nur einen untergeordneten Beitrag zu einer erheblichen Schädigung geleistet hat, stieße es auf Bedenken, diesen dann, wenn zugleich eine Vielzahl weiterer Verursacher feststeht, für eine vollumfängliche Sanierung in Anspruch zu nehmen (vgl. zum Ganzen auch Beckmann/Wittmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2021, USchadG § 7 Rn. 9 f. m.w.N.). Gründe der Effektivität der Schadensvermeidung und -sanierung können ebenfalls für die Heranziehung (nur) eines bestimmten, über die erforderlichen sachlichen, personellen und finanziellen Mittel verfügenden Verantwortlichen sprechen. Im Übrigen setzt auch die in § 9 Abs. 2 USchadG getroffene Regelung zum internen Kostenausgleich unter mehreren Verantwortlichen eine unterschiedliche Heranziehung zu Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen voraus. Nach allem steht es angesichts einer festgestellten Vielzahl an Verursachern mit revisiblem Recht in Einklang, dass das Oberverwaltungsgericht einen gebundenen Anspruch des Klägers auf Einschreiten des Beklagten gegen den Beigeladenen verneint hat. 58 c) Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts wird in verfahrensrechtlicher Hinsicht allerdings der aus § 88 VwGO folgenden Bindung der gerichtlichen Entscheidung an das Klagebegehren nicht gerecht. Der Kläger hatte vor dem Hintergrund der Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 USchadG - und erkennbar in Anknüpfung an den Wortlaut dieser Bestimmung - beantragt, den Beklagten zu verpflichten, dem Beigeladenen aufzugeben, die erforderlichen Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Das Oberverwaltungsgericht hat den Beklagten demgegenüber verpflichtet, ""über erforderliche Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen [...] zu entscheiden."" Damit ist es über das Klagebegehren hinausgegangen, nach dem die Auswahl der zu ergreifenden Maßnahmen (zunächst) dem Beigeladenen überlassen bleiben sollte. Dieses Petitum des Klägers entspricht auch § 8 Abs. 1 USchadG, wonach der Verantwortliche grundsätzlich verpflichtet ist, die gemäß den fachrechtlichen Vorschriften erforderlichen Sanierungsmaßnahmen selbst zu ermitteln und der zuständigen Behörde zur Zustimmung vorzulegen. Das Oberverwaltungsgericht hat hiervon abweichend über einen Anspruch auf Entscheidung des Beklagten über erforderliche Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen entschieden, also über einen Anspruch auf Bestimmung der vom Beigeladenen zu ergreifenden Maßnahmen durch den Beklagten. Zwar ist der Tenor des angefochtenen Urteils insoweit nicht eindeutig. Aus den Entscheidungsgründen geht aber hervor, dass das Oberverwaltungsgericht von einem Ermessen des Beklagten auch hinsichtlich des Inhalts der konkret zu ergreifenden Maßnahmen ausgegangen ist und deshalb die Klage teilweise abgewiesen hat." bverwg_2021-74,25.11.2021,"Pressemitteilung Nr. 74/2021 vom 25.11.2021 EN Familienflüchtlingsschutz für subsidiär schutzberechtigte Angehörige der Kernfamilie Der subsidiäre Schutzstatus von Eltern und Geschwistern eines minderjährigen Flüchtlings hindert nicht die Zuerkennung von Familienflüchtlingsschutz; ist der Flüchtling im Laufe des Verfahrens volljährig geworden, müssen sowohl die Familienangehörigen als auch das Kind ihr Asylgesuch noch vor dessen Volljährigkeit geäußert haben. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Kläger, syrische Staatsangehörige, sind die Eltern bzw. Geschwister eines inzwischen volljährigen Flüchtlings (Stammberechtigte). Die gesamte Familie einschließlich der Stammberechtigten hatte in Deutschland um Asyl nachgesucht, als die Stammberechtigte noch minderjährig war. Die Kläger erhielten vom Bundesamt unter Ablehnung ihrer Asylanträge im Übrigen subsidiären Schutz. Der Stammberechtigten war danach, aber nach Erreichen der Volljährigkeit der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden. Die Klage der Kläger auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Beklagte verpflichtet, den Klägern in Anknüpfung an den Flüchtlingsstatus der Stammberechtigten nach § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 bzw. Satz 2 AsylG den Flüchtlingsstatus zuzuerkennen. Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU schreibt eine Erstreckung des internationalen Schutzes auf die Familienangehörigen kraft Ableitung von einer Person, welcher die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, nicht vor. § 26 Abs. 3 i.V.m. 5 AsylG setzt nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers mit der Zuerkennung des von einem schutzberechtigten Familienangehörigen abgeleiteten internationalen Familienschutzes das Schutzziel der Wahrung des Familienverbandes (vgl. Art. 2 Buchst. j i.V.m. Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU) um. Diese Statuserstreckung ist als günstigere nationale Regelung, die Art. 3 RL 2011/95/EU den Mitgliedstaaten erlaubt, zulässig. Denn sie steht mit der allgemeinen Systematik und den Zielen der Richtlinie im Einklang. Die von § 26 Abs. 3 Satz 1 und 2 AsylG erfassten Angehörigen der Kernfamilie des Schutzberechtigten befinden sich regelmäßig in einer Situation, die, sofern die Ableitung mit dem Ziel der Wahrung des Familienverbands begehrt wird, einen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweist. Mit der Zuerkennung subsidiären Schutzes aus eigenem Recht wird die Wahrung des Familienverbands bereits ermöglicht, aber keine bessere Rechtsstellung als durch den vom Stammberechtigten abgeleiteten Flüchtlingsstatus geschaffen. Das Ziel der Richtlinie, die Einheit der Kernfamilie zu festigen, wird vielmehr durch die im nationalen Recht vorgesehene Angleichung des Schutzstatus ebenso in besonderer Weise bekräftigt wie durch die Erstreckung auch auf Geschwisterkinder. Der für die Beurteilung der Minderjährigkeit des stammberechtigten Flüchtlings maßgebliche Zeitpunkt ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dahin geklärt, dass es ausreicht, wenn dieser sowohl bei Stellung seines eigenen Asylantrags als auch in dem Zeitpunkt, in dem die Eltern (bzw. Geschwister) ihren Antrag gestellt haben, noch minderjährig war. Entscheidend ist hiernach der Zeitpunkt des Asylgesuchs, nicht der des förmlichen Asylantrags. Diese Auslegung des Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU ist mit Blick auf das Gebot der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts auch für § 26 Abs. 5 i.V.m. 3 AsylG maßgeblich. Entsprechendes gilt für die Merkmale der Ledigkeit und des Innehabens der Personensorge. BVerwG 1 C 4.21 - Urteil vom 25. November 2021 Vorinstanzen: OVG Münster, 14 A 822/19.A - Beschluss vom 25. Januar 2021 - VG Köln, 14 K 9313/16.A - Beschluss vom 15. Januar 2019 -","Urteil vom 25.11.2021 - BVerwG 1 C 4.21ECLI:DE:BVerwG:2021:251121U1C4.21.0 EN Richtlinienkonformität der Erstreckung des internationalen Schutzes kraft Ableitung und maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Minderjährigkeit und Ledigkeit sowie des Innehabens der Personensorge für den Schutzberechtigten Leitsätze: 1. § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG trifft im Einklang mit Art. 3 RL 2011/95/EU eine günstigere nationale Regelung zur Entscheidung darüber, wer als Flüchtling oder als Person gilt, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat. 2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Minderjährigkeit und der Ledigkeit des international Schutzberechtigten sowie für das Innehaben der Personensorge im Sinne von § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG ist der Zeitpunkt der Asylantragstellung sowohl des Schutzberechtigten als auch des antragstellenden Elternteils. 3. Ein Asylantrag ist im Sinne von § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG gestellt, wenn ein Schutzersuchen bei einer für dessen Registrierung zuständigen Behörde oder einer Behörde, bei der ein solches wahrscheinlich gestellt wird, formlos angebracht wird. Rechtsquellen RL 2011/95/EU Art. 2 Buchst. j und k, Art. 3, 12 und 23 Abs. 1 und 2, Art. 24 Abs. 1 und 2 AsylG §§ 13, 14, 26 Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 Satz 1 und 2 AufenthG §§ 9, 26 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 3 und 4 Instanzenzug VG Köln - 15.01.2019 - AZ: VG 14 K 9313/16.A OVG Münster - 25.01.2021 - AZ: OVG 14 A 822/19.A Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 25.11.2021 - 1 C 4.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:251121U1C4.21.0] Urteil BVerwG 1 C 4.21 VG Köln - 15.01.2019 - AZ: VG 14 K 9313/16.A OVG Münster - 25.01.2021 - AZ: OVG 14 A 822/19.A In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Auf die Revision der Kläger werden der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Januar 2021 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 15. Januar 2019 geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. Oktober 2016 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten um die Voraussetzungen der Zuerkennung der (Familien-)Flüchtlingseigenschaft. 2 Die Kläger sind Staatsangehörige der Syrischen Arabischen Republik kurdischer Volks- und sunnitischer Glaubenszugehörigkeit. Der im Jahr 1964 geborene Kläger zu 1 und die im Jahr 1970 geborene Klägerin zu 2 sind die Eltern, die in den Jahren 2006 bzw. 2010 geborenen Klägerinnen zu 3 und 4 sind die Schwestern der im Januar 1998 geborenen D... S... (im Folgenden: Stammberechtigte). Im September 2015 verließ die Familie, die bis dahin in A... lebte, ihr Heimatland, reiste auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und suchte um Asyl nach. Im April 2016 erhoben sie Untätigkeitsklage. Im Juli 2016 stellten die Kläger ihren Asylantrag förmlich. Mit Bescheid vom 12. Oktober 2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) ihnen den subsidiären Schutzstatus zu und lehnte ihre Asylanträge im Übrigen ab. Der Stammberechtigten wurde im Januar 2017 mit in Bestandskraft erwachsenem Bescheid des Bundesamts die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. 3 Das Verwaltungsgericht hat die auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Klage der Kläger abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger zurückgewiesen. Die Furcht der Kläger vor flüchtlingsrechtlich relevanter Verfolgung sei unbegründet. Ein Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung ergebe sich auch nicht aus § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 und 2 AsylG unter dem Gesichtspunkt des Flüchtlingsschutzes für Familienangehörige. Grundsätzlich sei gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts abzustellen. Weder im Zeitpunkt der berufungsgerichtlichen Entscheidung noch im Übrigen im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamts über den Asylantrag der Kläger und der Stammberechtigten sei diese minderjährig gewesen. Für die Minderjährigkeit und den Familienstatus des Schutzberechtigten, von dem der um Familienschutz nachsuchende Antragsteller sein Recht ableiten wolle, sehe das Gesetz eine Vorverlagerung des maßgebenden Zeitpunkts nicht vor. Eine solche sei auch dem Zweck nach nicht geboten. Insbesondere zwinge der Gesichtspunkt der Wahrung des Familienverbands im Sinne des Art. 23 RL 2011/95/EU nicht zu einer solchen Auslegung. Unabhängig davon seien die Kläger nicht im Sinne des § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG Eltern bzw. Geschwister einer minderjährigen ledigen international Schutzberechtigten. Wenn für die Minderjährigkeit des Schutzberechtigten schon auf einen früheren Zeitpunkt als den der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Tatsachengerichts abgestellt werden solle, müsse Gleiches für das Merkmal ""international Schutzberechtigter"" in § 26 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten. Unabhängig davon lägen auch die Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU nicht vor. Zu den Familienangehörigen zählten gemäß Art. 2 Buchst. j Gedankenstrich 3 RL 2011/95/EU Vater und Mutter, die für die Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden sei, verantwortlich seien, wenn diese Person minderjährig und nicht verheiratet sei. Das sei nie der Fall gewesen, da der minderjährigen Stammberechtigten internationaler Schutz nicht zuerkannt worden sei und diese, als ihr internationaler Schutz zuerkannt worden sei, nicht mehr minderjährig gewesen sei. 4 Zur Begründung ihrer Revision führen die Kläger im Wesentlichen aus, maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Minderjährigkeit des Flüchtlings sei der Zeitpunkt des Eingangs der dem zuziehenden Familienmitglied erteilten Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender bei dem Bundesamt. § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG sei im Einklang mit dem Schutzzweck des Art. 23 Abs. 1 RL 2011/95/EU, den Familienverband aufrechtzuerhalten, dahingehend auszulegen, dass für die Beurteilung der Minderjährigkeit des stammberechtigten Flüchtlings maßgeblich auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung des zuziehenden Familienmitglieds abzustellen sei. Dieser Zeitpunkt trage den Zielen der Wahrung des Familienverbands und der Integration der nahen Angehörigen eines Stammberechtigten angemessen Rechnung. Es wäre zudem widersprüchlich und mit dem Zweck der Wahrung des Familienverbands und der Integration der nahen Angehörigen des Schutzberechtigten nicht vereinbar, bei Familienflüchtlingsschutz für Eltern, die zu ihren Kindern zögen, andere Maßstäbe anzulegen als in dem Fall, in dem Kinder Flüchtlingsschutz von ihren stammberechtigten Eltern ableiteten, zumal sich auch der abgeleitete Flüchtlingsschutz für Geschwister nach § 26 Abs. 3 Satz 2 AsylG nach der Minderjährigkeit des Stammberechtigten im Zeitpunkt der Asylantragstellung der Geschwister beurteile. Gegen einen Zeitpunkt, in dem das Verfahren bereits weiter fortgeschritten sei, sprächen die Grundsätze der Wahrung des Kindeswohls, der Gleichbehandlung, der Rechtssicherheit und der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts. 5 Die Beklagte verteidigt den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts. Die Stammberechtigte sei zu keinem Zeitpunkt eine ledige minderjährige Schutzberechtigte gewesen, da ihr die Flüchtlingseigenschaft erst nach Erreichen der Volljährigkeit förmlich zuerkannt worden sei; dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ein deklaratorischer Akt sei, sei im Rahmen von § 26 Abs. 3 AsylG ohne Bedeutung, da die Norm nicht zwischen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und derjenigen des subsidiären Schutzstatus differenziere. 6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat erklärt, sich an dem Verfahren nicht zu beteiligen. II 7 Die Revision der Kläger hat Erfolg. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Kläger zu 1 und 2 und die Kläger zu 3 und 4 hätten keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als Eltern (1.) bzw. als minderjährige ledige Geschwister (2.) eines minderjährigen ledigen Flüchtlings, verletzt insoweit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), als das Berufungsgericht für die Beurteilung der Minderjährigkeit und Ledigkeit der international Schutzberechtigten und das Innehaben der Personensorge im Sinne von § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG rechtsfehlerhaft den Zeitpunkt der letzten Entscheidung des Tatsachengerichts zugrunde gelegt hat. 8 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens sind das Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 9. Juli 2021 zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters (BGBl. I S. 2467 <2504>). Rechtsänderungen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts eintreten, sind zu berücksichtigen, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Verwaltungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die aktuelle Sach- und Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist, wie dies in Bezug auf die Beurteilung der Minderjährigkeit und Ledigkeit der international Schutzberechtigten und das Innehaben der Personensorge im Sinne von § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG der Fall ist (s. hierzu unten 1.2 b) bis d)). 9 1. Den Klägern zu 1 und 2 ist die Flüchtlingseigenschaft - nach der im Revisionsverfahren nicht angegriffenen Würdigung des Oberverwaltungsgerichts - nicht schon aus individuellen, in ihrer Person selbst liegenden Gründen (aus ""eigenem Recht""), so doch in ihrer Eigenschaft als Eltern eines minderjährigen ledigen Flüchtlings gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 Alt. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG mit Blick auf dessen Schutzberechtigung (aus ""abgeleitetem Recht"") zuzuerkennen. § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 Alt. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG steht im Einklang mit Unionsrecht (1.1). Seine Voraussetzungen werden durch die Kläger zu 1 und 2 erfüllt (1.2). 10 1.1 Gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 AsylG ist auf Familienangehörige im Sinne des § 26 Abs. 1 bis 3 AsylG von international Schutzberechtigten § 26 Abs. 1 bis 4 AufenthG entsprechend anzuwenden. Nach § 26 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 AsylG tritt an die Stelle der Asylberechtigung die Flüchtlingseigenschaft. Dementsprechend wird gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG den Eltern eines minderjährigen ledigen Flüchtlings unter den in dieser Bestimmung im Einzelnen bezeichneten Voraussetzungen auf Antrag die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. 11 § 26 AsylG dient der Erfüllung der aus der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20. Dezember 2011, S. 9 ff.) (im Folgenden: RL 2011/95/EU) und insbesondere deren Art. 23 Abs. 1 gründenden Verpflichtung der Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass der Familienverband der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, aufrechterhalten werden kann (vgl. BT-Drs. 17/13063 S. 21 und EuGH, Urteil vom 9. November 2021 - C-91/20 [ECLI:​EU:​C:​2021:​898], LW - Rn. 43). Zwar fordert die Richtlinie 2011/95/EU die in § 26 AsylG normierte Erstreckung des internationalen Schutzes auf Familienangehörige nicht (a). Sie steht indes, wie aus Art. 3 RL 2011/95/EU folgt, einer mit dieser Richtlinie vereinbaren günstigeren nationalen Norm zur Entscheidung darüber, wer als Flüchtling oder als Person gilt, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, auch nicht entgegen (b). 12 a) Die Richtlinie 2011/95/EU sieht eine Erstreckung des internationalen Schutzes kraft Ableitung auf Familienangehörige einer Person, welcher die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, nicht vor. 13 Gemäß Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass die Familienangehörigen der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, die selbst nicht die Voraussetzungen für die Gewährung dieses Schutzes erfüllen, gemäß den nationalen Verfahren Anspruch auf die in den Art. 24 bis 35 RL 2011/95/EU genannten Leistungen haben, soweit dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist. 14 Danach gibt die Richtlinie den Mitgliedstaaten allein auf, ihr nationales Recht so anzupassen, dass die in Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU aufgeführten Familienangehörigen des Schutzberechtigten - nicht hingegen auch sonstige, von Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU nicht erfasste Familienangehörige -, wenn sie die Voraussetzungen für die Zuerkennung nicht selbst erfüllen, bestimmte Vorteile genießen, die der in Art. 23 Abs. 1 RL 2011/95/EU vorgegebenen Aufrechterhaltung des Familienverbands dienen (EuGH, Urteile vom 4. Oktober 2018 - C-652/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​801], Ahmedbekova und Ahmedbekov - Rn. 67 f. und vom 9. November 2021 - C-91/20 - Rn. 36). 15 b) § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG trifft indes im Einklang mit Art. 3 RL 2011/95/EU eine mit dieser Richtlinie vereinbare günstigere nationale Regelung zur Entscheidung darüber, wer als Flüchtling oder als Person gilt, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat. 16 aa) Gemäß Art. 3 RL 2011/95/EU können die Mitgliedstaaten günstigere Normen zur Entscheidung darüber, wer als Flüchtling oder Person gilt, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, und zur Bestimmung des Inhalts des internationalen Schutzes erlassen oder beibehalten, sofern sie mit dieser Richtlinie vereinbar sind. Nach Erwägungsgrund 14 RL 2011/95/EU sollten die Mitgliedstaaten die Befugnis haben, günstigere Regelungen als die in dieser Richtlinie vorgesehenen Normen für Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, die um internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat ersuchen, einzuführen oder beizubehalten, wenn ein solcher Antrag als mit der Begründung gestellt verstanden wird, dass der Betreffende entweder ein Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschn. A GFK oder eine Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz ist. Die Vereinbarkeit der günstigeren Norm mit der Richtlinie 2011/95/EU setzt voraus, dass diese Norm die allgemeine Systematik oder die Ziele der Richtlinie nicht gefährdet. Verboten sind insbesondere solche Normen, die die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen zuerkennen sollen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen (EuGH, Urteile vom 18. Dezember 2014 - C-542/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2452], M’Bodj - Rn. 42 und 44, vom 4. Oktober 2018 - C-652/16 - Rn. 71 und vom 9. November 2021 - C-91/20 - Rn. 40). 17 Ein Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes liegt vor, wenn die Flüchtlingseigenschaft einer Person automatisch auf einen Angehörigen ihrer Kernfamilie mit dem Ziel erstreckt wird, es der Schutzberechtigten zu ermöglichen, die Einheit ihrer Kernfamilie, welche für sie ein unentbehrliches Recht darstellt, aufrechtzuerhalten. Eine solche automatische Erstreckung des internationalen Schutzes im Wege der Ableitung trägt dem Gebot, den Familienverband zu wahren, unabhängig davon Rechnung, ob der Angehörige der Kernfamilie selbst die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes erfüllt (EuGH, Urteile vom 4. Oktober 2018 - C-652/16 - Rn. 72 f. und vom 9. November 2021 - C-91/20 - Rn. 41 ff.). Sie ist zudem nicht auf solche Familienangehörige beschränkt, die von Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU erfasst sind, sondern kann auch weitere Mitglieder der Kernfamilie, so im Aufnahmemitgliedstaat geborene Kinder (EuGH, Urteil vom 9. November 2021 - C-91/20 - Rn. 44) erfassen. Nichts anderes kann dann für Geschwisterkinder gelten, soweit deren Einbeziehung dem Schutz der Einheit der Kernfamilie zu dienen bestimmt ist. 18 Eine Gefährdung der allgemeinen Systematik oder der Ziele der Richtlinie 2011/95/EU ist auch nicht für den Fall anzunehmen, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kraft Ableitung solche Angehörige der Kernfamilie des Flüchtlings begünstigt, denen bereits der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wurde. Zwar wäre es dem Flüchtling möglich, den Familienverband mit diesen Angehörigen kraft ihres Schutzstatus und des hieraus erwachsenden Aufenthaltsrechts aufrechtzuerhalten. Der nationale Gesetzgeber war indes nicht gehindert, die Zielsetzung der Richtlinie 2011/95/EU, die Einheit der Kernfamilie des Flüchtlings zu festigen, weitergehend durch die Herbeiführung der Einheit des schutzrechtlichen Status zu realisieren. Dies gilt umso mehr, als die Erstreckung der Flüchtlingseigenschaft der in Art. 2 Buchst. e und f wie auch in den Art. 9 ff. und 15 ff. RL 2011/95/EU zum Ausdruck gelangenden Differenzierung zwischen dem Flüchtlings- und dem subsidiären Schutzstatus zur Durchsetzung verhilft, dabei dem Umstand gerecht wird, dass der subsidiäre Schutzstatus gemäß Art. 2 Buchst. f RL 2011/95/EU gerade voraussetzt, dass der Drittstaatsangehörige oder Staatenlose die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfüllt, mithin den Vorrang der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beachtet und zudem den im Unionsrecht (vgl. Art. 24 Abs. 1 und 2 RL 2011/95/EU) fortbestehenden und im deutschen Recht nachvollzogenen (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 3 und 4 i.V.m. § 9 AufenthG) Abweichungen in der Rechtsstellung des Flüchtlings und des subsidiär Schutzberechtigten Rechnung trägt. 19 Eine Erstreckung des internationalen Schutzes im Wege der Ableitung mit dem Ziel der Wahrung des Familienverbands des Schutzberechtigten kann sich in bestimmten Situationen trotz des Bestehens des erforderlichen Zusammenhangs mit dem Zweck des internationalen Schutzes als mit der Richtlinie unvereinbar erweisen. Dies ist zum einen der Fall, wenn die Erstreckung eine Person begünstigt, welche unter einen der in Art. 12 RL 2011/95/EU genannten Ausschlussgründe fällt (EuGH, Urteile vom 9. November 2010 - C-57/09, B und C-101/09 [ECLI:​EU:​C:​2010:​661], D - Rn. 115, vom 4. Oktober 2018 - C-652/16 - Rn. 71 und vom 9. November 2021 - C-91/20 - Rn. 46). Zum anderen folgt aus Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU, dass eine Erstreckung der darin in Bezug genommenen Leistungen auf ein Mitglied der Kernfamilie ausgeschlossen ist, wenn sie mit der persönlichen Rechtsstellung des betreffenden Familienangehörigen unvereinbar wäre (EuGH, Urteil vom 9. November 2021 - C-91/20 - Rn. 48). Eine solche Unvereinbarkeit ist anzunehmen, wenn der betreffende Familienangehörige in dem Aufnahmemitgliedstaat, etwa weil er dessen Staatsangehörigkeit oder die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates besitzt, Anspruch auf eine bessere Behandlung als die sich aus der Erstreckung des internationalen Schutzes ergebende Behandlung hat (EuGH, Urteil vom 9. November 2021 - C-91/20 - Rn. 50 ff.). Keiner Klärung bedarf hier die Frage, ob einen Anspruch auf bessere Behandlung auch die Zuerkennung eines anderweitigen Schutzstatus zu vermitteln vermöchte. Denn der abgeleitete Flüchtlingsschutz bleibt jedenfalls nicht hinter dem individuell zuerkannten subsidiären Schutzstatus zurück, sondern vermittelt dem begünstigten Familienangehörigen - abgesehen von der durch § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG ausgeschlossenen Bildung von Ableitungsketten (BT-Drs. 17/13063 S. 21) - einen umfassenden Flüchtlingsstatus und damit diejenigen im nationalen Recht vorgesehenen Rechte, die auch Ausländern zustehen, denen die Flüchtlingseigenschaft unmittelbar zuerkannt wurde, zumal er auch im Falle des Vorliegens von Aufhebungsgründen nicht ipso iure erlischt, sondern Gegenstand einer Aufhebungsentscheidung ist, in deren Vorfeld unter Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles zu prüfen ist, ob der Begünstigte des internationalen Schutzes aus anderen Gründen bedarf. 20 bb) Nach diesen Maßstäben steht die in § 26 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG vorgesehene Erstreckung der Flüchtlingseigenschaft auf die Eltern eines minderjährigen ledigen Flüchtlings grundsätzlich und auch dann im Einklang mit Art. 3 RL 2011/95/EU, wenn die Eltern - wie hier - bereits subsidiären Schutz erhalten haben. Den unionsrechtlich geforderten Ausschluss solcher Familienangehöriger, die unter einen der in Art. 12 RL 2011/95/EU genannten Ausschlussgründe fallen, hat der Gesetzgeber in § 26 Abs. 4 AsylG ausdrücklich vorgesehen. § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG macht die Gewährung internationalen Familienschutzes von dem Bestehen der Familie schon in dem Herkunftsland abhängig. § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AsylG stellt die Einreise oder die Asylantragstellung des Familienangehörigen in einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Asylverfahren bzw. der Einreise des Schutzberechtigten. 21 c) Zu den im Vorstehenden behandelten Rechtsfragen bedarf es nicht der Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV, denn die richtige Anwendung des Unionsrechts ist im Sinne der acte-clair-Doktrin (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​799] - Rn. 39) im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. insbesondere EuGH, Urteile vom 4. Oktober 2018 - C-652/16 - und vom 9. November 2021 - C-91/20 -) derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel an der Beantwortung der von der Revisionsbegründung aufgeworfenen Fragen keinerlei Raum bleibt. 22 1.2. Bei den Klägern zu 1 und 2 sind hiernach die Voraussetzungen des § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 Alt. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG auch erfüllt; die entgegenstehende Bewertung des Oberverwaltungsgerichts hat unter Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) verneint, dass diese im Sinne dieser Regelung Eltern eines minderjährigen Flüchtlings sind. 23 Nach § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG werden die Eltern (a) eines minderjährigen (b) ledigen (c) Flüchtlings auf Antrag als Flüchtlinge anerkannt, wenn 1. die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar ist (a), 2. die Familie im Sinne des Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Flüchtling politisch verfolgt wird (a), 3. sie vor der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben (a), 4. die Anerkennung des Flüchtlings nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist (a) und 5. sie die Personensorge für den Flüchtling innehaben (d). Einer tatsächlichen Wiederaufnahme des Familienlebens zwischen dem Elternteil und dem Stammberechtigten bedarf es nicht (e). 24 a) Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Stammberechtigten im Sinne des § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 Alt. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AsylG unanfechtbar, sind die Kläger zu 1 und 2 Vater und Mutter der Stammberechtigten und damit deren Eltern im Sinne des Art. 2 Buchst. j Gedankenstrich 3 Var. 1 RL 2011/95/EU und sind diese im Sinne des § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 Alt. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AsylG vor der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Stammberechtigten eingereist. Sie haben sich hier nach der gemeinsamen Einreise auch im Zusammenhang mit deren Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet aufgehalten (vgl. Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU), sodass dahinstehen kann, ob die Zuerkennung von Familienflüchtlingsschutz auch bei Nichtvorliegen dieses Erfordernisses mit dem Unionsrecht vereinbar wäre. Dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Stammberechtigten im Sinne des § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 Alt. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AsylG weder zu widerrufen noch zurückzunehmen ist und dass die Familie im Sinne des Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU schon in der Syrischen Arabischen Republik als dem Staat bestanden hat, in dem der Stammberechtigten Verfolgung droht, ist zwischen den Beteiligten zu keinem Zeitpunkt streitig gewesen. Das Verwaltungsgericht hat zudem im Rahmen von § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 Alt. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AsylG Gründe für einen Widerruf oder eine Rücknahme der Zuerkennungsentscheidung nicht zu prüfen gehabt, da es allein dem Bundesamt obliegt, über die Einleitung eines solchen Verfahrens zu entscheiden (BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2006 - 1 C 8.05 - BVerwGE 126, 27 Rn. 17). 25 b) Für die Minderjährigkeit des international schutzberechtigten Stammberechtigten im Sinne von § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG ist bei dessen Antragstellung als Minderjähriger auf den Zeitpunkt der Antragstellung des antragstellenden Elternteils abzustellen (aa), nicht auf den Zeitpunkt der letzten Entscheidung des Tatsachengerichts (so noch - unter Verletzung von Bundesrecht <§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO> - die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts). Der Asylantrag im Sinne des § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG ist dabei bereits dann gestellt, wenn ein Schutzersuchen bei einer für dessen Registrierung zuständigen Behörde oder einer Behörde, bei der ein solches wahrscheinlich gestellt wird, formlos angebracht wird (bb); es bedarf hierfür nicht des förmlichen Asylantrages im Sinne des § 14 AsylG. 26 aa) Der § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 AsylG zugrunde liegende Begriff der Familienangehörigen eines minderjährigen unverheirateten Schutzberechtigten übernimmt nach der insoweit eindeutigen Entstehungsgeschichte des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG den entsprechenden Begriff der Richtlinie 2011/95/EU. Den Gesetzesmaterialien ist ausdrücklich zu entnehmen, dass es der Intention des Gesetzgebers entsprach, hinsichtlich des Kreises der Begünstigten einer Erstreckung des internationalen Familienschutzes, aber auch hinsichtlich der schutzberechtigten Bezugsperson an die insbesondere in Art. 2 Buchst j Gedankenstrich 3 RL 2011/95/EU normierten Vorgaben anzuknüpfen (BT-Drs. 17/13063 S. 21). Dies folgt auch aus der Absicht, dadurch die Gebote des Art. 23 RL 2011/95/EU im nationalen Recht vollständig zu erfüllen. 27 Diese unionsrechtliche Determinierung des Begriffs der Minderjährigkeit des Schutzberechtigten bindet seine Auslegung maßgeblich an die hierzu ergehende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Danach ist Art. 2 Buchst. j Gedankenstrich 3 RL 2011/95/EU in der gesamten Europäischen Union unter Berücksichtigung insbesondere des Kontexts der Vorschrift und des mit der betreffenden Regelung verfolgten Ziels autonom und einheitlich auszulegen (EuGH, Urteil vom 9. September 2021 - C-768/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​709], SE - Rn. 34 f.). Hierbei ist dem Recht auf Achtung des Familienlebens besondere Bedeutung beizumessen. So heben in Anlehnung an Art. 24 Abs. 2 und 3 GRC die Erwägungsgründe 16 und 18 RL 2011/95/EU in besonderer Weise das Wohl des Kindes hervor, das bei sämtlichen Kinder betreffenden Maßnahmen im Rahmen der Anwendung der Richtlinie eine vorrangige Erwägung darstellen muss (EuGH, Urteil vom 9. September 2021 - C-768/19 - Rn. 36 ff. und 44). Im Lichte dessen hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass in einer Situation, in der ein Asylantragsteller, der in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist ist, in dem sich sein nicht verheiratetes minderjähriges Kind aufhält, aus dem internationalen Schutzstatus, der diesem Kind zuerkannt worden ist, das Recht auf die in den Art. 24 bis 35 RL 2011/95/EU genannten Leistungen oder auf den Schutzstatus selbst ableiten will, sofern dies im Einklang mit Art. 3 RL 2011/95/EU im nationalen Recht vorgesehen ist, für die Beurteilung, ob die Person, der internationaler Schutz zuerkannt wurde, ""minderjährig"" im Sinne von Art. 2 Buchst. j Gedankenstrich 3 RL 2011/95/EU ist, bei der Entscheidung über den von ihrem Elternteil gestellten Asylantrag der Zeitpunkt der Stellung des Schutzantrags sowohl der Bezugsperson als auch des Elternteils maßgebend ist (EuGH, Urteil vom 9. September 2021 - C-768/19 - Rn. 42 f.). Sowohl der international Schutzberechtigte als auch dessen Elternteil müssen ihre jeweiligen Schutzanträge daher zu einem Zeitpunkt gestellt haben, in dem der international Schutzberechtigte noch minderjährig im Sinne von Art. 2 Buchst. k RL 2011/95/EU war (EuGH, Urteil vom 9. September 2021 - C-768/19 - Rn. 43). Ein Abheben auf einen späteren Zeitpunkt für die Beurteilung der Minderjährigkeit stünde weder mit den Art. 7 und 24 GRC noch mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit (EuGH, Urteil vom 9. September 2021 - C-768/19 - Rn. 40 f.) noch mit dem effet utile in Einklang. 28 bb) Ein Asylantrag ist im Sinne von § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG gestellt, wenn ein Schutzersuchen bei einer für dessen Registrierung zuständigen Behörde oder einer Behörde, bei der ein solches wahrscheinlich gestellt wird, formlos angebracht wird. Ausreichend ist mithin der in § 13 Abs. 1 AsylG umschriebene Asylantrag im materiellen Sinne. Auch dies folgt aus einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts, nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung des Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU entschieden hat, dass für die Minderjährigkeit auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen sei und dass hierfür die formlose Einreichung des Asylersuchens genüge. Denn ein Asylantrag sei nach der Richtlinie 2013/32/EU bereits dann ""gestellt"", wenn ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser bei einer für die Registrierung von Asylanträgen zuständigen Behörde oder bei einer anderen Behörde, bei der ein derartiger Antrag wahrscheinlich gestellt wird, seine Absicht bekundet, internationalen Schutz zu beantragen (vgl. EuGH, Urteile vom 9. September 2021 - C-768/19, SE - Rn. 45 ff. und vom 25. Juni 2020 - C-36/20 [ECLI:​EU:​C:​2020:​495], PPU - Rn. 86 ff.). 29 cc) Die im Januar 1998 geborene Stammberechtigte war im maßgeblichen Zeitpunkt der - ausweislich der das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts im September 2015 erfolgten - Anbringung ihres wie auch des Asylersuchens der Kläger zu 1 und 2 noch minderjährig. 30 c) Die Ledigkeit des international Schutzberechtigten im Sinne des § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG ist ebenfalls im Zeitpunkt der Asylantragstellung im Sinne der Einreichung des Schutzersuchens sowohl des Schutzberechtigten als auch seines Elternteils zu beurteilen. 31 Minderjährigkeit und Ledigkeit sind in § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG wie auch in Art. 2 Buchst. j Gedankenstrich 3 RL 2011/95/EU nicht nur grammatikalisch, sondern auch von ihrer Zweckrichtung her unmittelbar miteinander verknüpft. Beide Eigenschaften umschreiben typisierend die Zugehörigkeit des Kindes zur Kleinfamilie und das Angewiesensein des schutzbedürftigen Kindes auf den Beistand seiner Eltern. Erst mit Eintritt der Volljährigkeit wie auch mit Eingehung der Ehe löst das Kind die enge Bande mit der Kleinfamilie und beginnt es ein eigenverantwortliches Leben als Erwachsener oder tritt es in eine neue Gemeinschaft mit seinem Ehegatten ein (Günther, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1. Oktober 2021, § 26 AsylG Rn. 18). Dass die Ledigkeit im Unterschied zur Minderjährigkeit nicht gleichsam automatisch zu einem im Vorhinein feststehenden Zeitpunkt entfällt, rechtfertigt es nicht, hinsichtlich des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts zwischen Minderjährigkeit und Ledigkeit zu differenzieren (in diesem Sinne auch OVG Bremen, Urteil vom 20. Juli 2021 - 2 LB 96/21 [ECLI:​DE:​OVGHB:​2021:​0720.2LB96.21.00] - InfAuslR 2021, 402 <407>). 32 Zwischen den Beteiligten steht nicht im Streit, dass die Stammberechtigte im maßgeblichen Zeitpunkt der Anbringung ihres Asylersuchens und desjenigen der Kläger zu 1 und 2 im Sinne des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG ledig bzw. im Sinne des Art. 2 Buchst. j Gedankenstrich 3 RL 2011/95/EU nicht verheiratet war. 33 d) § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylG ist im Einklang mit Art. 2 Buchst. j Gedankenstrich 3 RL 2011/95/EU und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2021 - C-768/19 -) dahin auszulegen, dass auch die Frage, ob der Elternteil die Personensorge für den international Schutzberechtigten innehat, bezogen auf den Zeitpunkt der jeweiligen Einreichung des Schutzersuchens zu beurteilen ist. 34 Zwar mögen der Gebrauch des Präsens in § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylG (""innehaben"") sowie die Verwendung von Präsens und Perfekt in Art. 2 Buchst. j Gedankenstrich 3 RL 2011/95/EU (""ist"", ""zuerkannt worden ist"") für ein Abstellen auf einen späteren Beurteilungszeitpunkt streiten (in diesem Sinne bereits OVG Münster, Urteil vom 13. März 2020 - 14 A 2778/17.A [ECLI:​DE:​OVGNRW:​2020:​0313.14A2778.17A.00] - juris Rn. 65). Dem Zweck beider Vorschriften, den Familienverband zu schützen und dem Wohlergehen und der sozialen Entwicklung des Minderjährigen Rechnung zu tragen, wie auch den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit liefe es indes zuwider, in Bezug auf das Merkmal des Innehabens der Personensorge auf einen späteren Zeitpunkt als denjenigen der Asylantragstellung im Sinne der Einreichung des Schutzersuchens des Elternteils abzustellen (in diesem Sinne auch Epple, in: Funke-Kaiser, Gemeinschaftskommentar zum Asylgesetz (GK-AsylG), Stand: Mai 2020, § 26 AsylG Rn. 66; wohl auch Marx, AsylG, 10. Aufl. 2019, § 26 Rn. 37). 35 Dass die Kläger zu 1 und 2 bis zum Erreichen der Volljährigkeit und damit auch im Zeitpunkt der Anbringung ihres Asylersuchens die Personensorge für die Stammberechtigte innehatten, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. 36 e) In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist zudem geklärt, dass Art. 2 Buchst. j Gedankenstrich 3 RL 2011/95/EU nicht voraussetzt, dass der Elternteil das Familienleben mit dem Stammberechtigten im Aufnahmemitgliedstaat tatsächlich wiederaufnimmt. Vielmehr ist es den Inhabern des Rechts auf Achtung des Familienlebens grundsätzlich selbst überlassen, darüber zu entscheiden, in welcher Weise und mit welcher Intensität sie ihr Familienleben führen (EuGH, Urteil vom 9. September 2021 - C-768/19 - Rn. 54 ff.). Ebenso wenig wie Art. 2 Buchst. j Gedankenstrich 3 RL 2011/95/EU stellt § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG Anforderungen an eine tatsächliche Wiederaufnahme des Familienlebens im Bundesgebiet. Die Ausgestaltung des Familienlebens ist auch im Rahmen von § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG in unionsrechtskonformer Auslegung dieser Norm der Entscheidung der Familienangehörigen überantwortet. Ob die Zuerkennung der Familienschutzberechtigung auch für den Fall beansprucht werden kann, dass die Aufnahme eines Familienlebens in jeglicher Form von dem Stammberechtigten oder seinem Elternteil ausdrücklich und eindeutig abgelehnt wird (vgl. insoweit OVG Bremen, Urteil vom 20. Juli 2021 - 2 LB 96/21 - InfAuslR 2021, 402 <407>), bedarf hier keiner Entscheidung, da eine solche Ablehnung weder tatrichterlich festgestellt noch anderweitig ersichtlich ist. 37 2. Den Klägerinnen zu 3 und 4 ist die Flüchtlingseigenschaft auf der Grundlage von § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 bis 4 AsylG zuzuerkennen. 38 Nach den Ausführungen zu 1. war der Gesetzgeber nicht gehindert, den internationalen Familienschutz auch auf solche Angehörigen der Kernfamilie, die nicht von Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU erfasst sind, und damit auch auf die minderjährigen ledigen Geschwister des Schutzberechtigten zu erstrecken, soweit deren Erfassung dem Schutz der Einheit der Kernfamilie dient. 39 Gemessen daran sind die Voraussetzungen von § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 bis 4 AsylG auch in Bezug auf die Klägerinnen zu 3 und 4 erfüllt. Diese sind den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zufolge im Sinne von § 26 Abs. 3 Satz 2 AsylG die minderjährigen leiblichen Schwestern der Stammberechtigten, die gemeinsam mit dieser und den Klägern zu 1 und 2 in das Bundesgebiet eingereist sind und einen Asylantrag gestellt haben. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die im Zeitpunkt ihrer Antragstellung neun- bzw. sechsjährigen Klägerinnen zu 3 und 4 ledig waren und dass die Familie im Sinne des Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU schon in der Syrischen Arabischen Republik als dem Staat bestanden hat, in dem der Stammberechtigten Verfolgung droht. 40 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 und 2 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor." bverwg_2021-75,25.11.2021,"Pressemitteilung Nr. 75/2021 vom 25.11.2021 EN Mitbestimmung des Personalrats bei der Beschaffung von Schusswaffen sowie Zubehör für den Einsatz von Polizeivollzugsbeamten Die Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen, die der Durchführung vollzugspolizeilicher Aufgaben zu dienen bestimmt sind und zu diesem Zweck von Polizeivollzugsbeamten während ihres Einsatzes mit sich zu führen bzw. am zu Körper tragen sind, unterliegt nach dem Berliner Personalvertretungsgesetz (PersVG BE) der Mitbestimmung des Personalrats. Die beteiligte Polizeipräsidentin beschaffte für den Einsatz der Polizeivollzugsbeamten Mitteldistanzwaffen sowie Zubehör (Leuchtpunktvisiere, Zielbeleuchtungen, Handgriffe und Waffentragegurte) für diese Waffen und bereits im Bestand der Polizei befindliche Maschinenpistolen. Hierüber unterrichtete sie den Gesamtpersonalrat im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit, lehnte aber die Durchführung des von ihm beantragten Mitbestimmungsverfahrens mit der Begründung ab, dass die Beschaffung dieser Gegenstände vorrangig auf einsatztaktischen Erwägungen und Konzepten beruhe, die nicht mitbestimmungspflichtig seien. Der Gesamtpersonalrat sieht demgegenüber in der Beschaffung der Gegenstände eine mitbestimmungspflichtige Gestaltung der Arbeitsplätze. Sein auf Feststellung des Mitbestimmungsrechts gerichteter Antrag hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Entscheidung geändert und den Antrag zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde des Gesamtpersonalrats hat das Bundesverwaltungsgericht die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt. Die Beschaffung von Mitteldistanzwaffen sowie Zubehör in Form von Leuchtpunktvisieren, Zielbeleuchtungen, Handgriffen und Waffentragegurte erfüllt den Mitbestimmungstatbestand der Gestaltung der Arbeitsplätze nach § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 PersVG BE. Der Begriff des Arbeitsplatzes erfasst auch mobile Arbeitsplätze im Freien. Gestaltung ist die Bestimmung der räumlichen und sachlichen Arbeitsbedingungen sowie der Arbeitsumgebung. Als Gestaltung ist nicht nur die erstmalige Festlegung, sondern auch jede nicht lediglich unbedeutende Änderung der räumlichen und sachlichen Arbeitsbedingungen sowie der Arbeitsumgebung anzusehen, die ihrer Eigenart nach oder wegen ihrer Auswirkungen objektiv geeignet ist, das Wohlbefinden oder die Leistungsfähigkeit derjenigen Beschäftigten zu beeinflussen, die auf den Arbeitsplätzen eingesetzt sind oder werden sollen. Sie umfasst auch solche Ausrüstungsgegenstände, die Beschäftigte zur Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit bei sich zu tragen haben. Das entspricht dem Zweck des Mitbestimmungsrechts, die Beschäftigten bei der Arbeit vor Gefährdungen und Überbeanspruchung zu schützen. Dementsprechend gehören zur Gestaltung mobiler Arbeitsplätze die sachlichen Mittel, die - wie die in Rede stehenden Ausrüstungsgegenstände - den Beschäftigten ermöglichen, ihre dienstlichen Aufgaben durchzuführen und zu erfüllen. Die Mitbestimmung des Personalrats scheidet auch nicht deshalb aus, weil die Beschaffung der in Rede stehenden Ausrüstungsgegenstände auch die Effektivität und Durchsetzungsfähigkeit vollzugspolizeilicher Handlungen betrifft und sich damit darauf auswirkt, ob und in welcher Weise die Polizei ihren Aufgaben nachkommen kann. Denn die Entscheidung über die Beschaffung der Waffen und des Zubehörs weist auch einen innerdienstlichen Charakter auf und unterliegt im Übrigen nach § 83 Abs. 3 Satz 4 PersVG BE dem Letztentscheidungsrecht der obersten Dienstbehörde. BVerwG 5 P 7.20 - Beschluss vom 25. November 2021 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, OVG 60 PV 11.19 - Beschluss vom 17. September 2020 - VG Berlin, VG 62 K 8.18.PVL - Beschluss vom 26. Juli 2019 -","Die Beschaffung von Schusswaffen und Zubehör für den Einsatz von Polizeivollzugsbeamten unterliegt nach § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 PersVG BE als Gestaltung mobiler Arbeitsplätze der Mitbestimmung des Personalrats. Tenor Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. September 2020 geändert. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin - Fachkammer für Personalvertretungssachen - vom 26. Juli 2019 wird zurückgewiesen. Gründe IDie Verfahrensbeteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller (der Gesamtpersonalrat der Berliner Polizei) bei der Beschaffung von bestimmten Ausrüstungsgegenständen unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung der Arbeitsplätze mitzubestimmen hat.Die beteiligte Dienststellenleiterin (Polizeipräsidentin) beschaffte für den Einsatz der Polizeivollzugsbeamten in Berlin Mitteldistanzwaffen sowie Zubehör (Leuchtpunktvisiere, Zielbeleuchtungen, Handgriffe und Waffentragegurte) für diese Waffen und für bereits im Bestand der Polizei befindliche Maschinenpistolen. Hierüber unterrichtete sie den Gesamtpersonalrat im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit, lehnte aber die Durchführung des von ihm beantragten Mitbestimmungsverfahrens mit der Begründung ab, dass die Beschaffung dieser Gegenstände vorrangig auf einsatztaktischen Erwägungen und Konzepten beruhe.Mit dem vom Antragsteller im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren verfolgten Begehren, die Verletzung seines Mitbestimmungsrechts bei der Gestaltung der Arbeitsplätze nach § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 PersVG BE feststellen zu lassen, hatte er vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Auf die Beschwerde der Beteiligten hat das Oberverwaltungsgericht die erstinstanzliche Entscheidung geändert und den Antrag zurückgewiesen. Es könne dahinstehen, ob hier ein noch hinreichender räumlicher Bezug zu konkreten Arbeitsplätzen gegeben sei oder ob der Mitbestimmungstatbestand deshalb nicht erfüllt sei, weil die in Rede stehenden Waffen - anders als etwa die regelmäßig mitgeführten Dienstpistolen - nicht bestimmten Polizeivollzugsbeamten zugeordnet seien, sondern entweder zur Standardausrüstung in den Funkstreifenwagen und im Übrigen zur Poolausstattung gehörten oder - wie die neu angeschafften Mitteldistanzwaffen - nur nach konkreter Lagebesprechung bei den Hundertschaften zum Einsatz kämen. Entscheidend sei, dass die Mitbestimmung des Personalrats nur innerdienstliche Angelegenheiten erfasse. Eine solche Angelegenheit stellten die streitigen Beschaffungsmaßnahmen nicht dar. Die Fragen, zu welchem Zeitpunkt welche Waffen zu welchen Einsatzzwecken, gegebenenfalls noch in welcher Stückzahl beschafft würden und welches Zubehör für die Einsatzwertsteigerung angeschafft werde, beträfen vielmehr unmittelbar der Dienststelle obliegende organisatorische und operative Entscheidungen. Die Effektivität, Wirksamkeit und Durchsetzfähigkeit vollzugspolizeilicher Handlungen gegenüber Störern hänge in besonderem Maße und ganz direkt von der Einsatztauglichkeit der Schusswaffen ab. Die Beantwortung der vorstehenden Fragen wirke sich mithin unmittelbar auf die nach außen gerichtete Erfüllung des Amtsauftrages der Vollzugspolizei bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs gegenüber Störern der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aus. Insofern unterscheide sich die Ausstattung der Polizei mit Waffen grundlegend von den unter den Mitbestimmungstatbestand fallenden Büroausstattungen, technischen Hilfsmitteln, Einrichtungsgegenständen und dergleichen, die im weiteren Sinne zu der Aufgabenerfüllung einer Behörde beitrügen, aber nur eine dienende Funktion erfüllten. Die Aspekte der Ergonomie, des Tragekomforts oder des Gewichts der Waffen, die den Schutzzweck des Mitbestimmungstatbestandes berührten, die Beschäftigen bei der Arbeit vor Gefährdungen und Überbeanspruchung zu schützen, träten gegenüber den der Dienststelle obliegenden organisatorischen und operativen Entscheidungen in den Hintergrund.Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Antragsteller die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Er rügt eine Verletzung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 PersVG BE. Der Begriff des Arbeitsplatzes erfordere nicht, dass dieser einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden könne. Ebenso wenig komme es auf die Intensität bzw. Häufigkeit der Nutzung oder darauf an, dass die beabsichtigte Maßnahme eine Belastung eines Beschäftigten von einigem Gewicht bedeute. Im Übrigen weist der Antragsteller klarstellend daraufhin, dass er keine Mitbestimmung hinsichtlich der Frage beanspruche, ob eine bestimmte Waffe oder ein bestimmtes Zubehör als solches beschafft und eingesetzt werde bzw. in welcher Stückzahl dies geschehen solle. Sein Begehren sei allein auf die davon abtrennbare Frage gerichtet, wie die zu beschaffenden Waffen und das zu beschaffende Zubehör im Einzelnen gestaltet und ausgeprägt seien. Dies betreffe nicht den Amtsauftrag oder die Erledigung der Amtsgeschäfte, sondern nur den Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen und Überbeanspruchungen.Die Beteiligte verteidigt den angefochtenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts.IIDie zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Der angefochtene Beschluss beruht auf der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 91 Abs. 2 PersVG BE i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Er steht nicht im Einklang mit § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 PersVG BE, soweit das Oberverwaltungsgericht entscheidungstragend annimmt, die Mitbestimmung des Personalrats bei der Gestaltung der Arbeitsplätze erstrecke sich nur auf Maßnahmen, deren Auswirkungen sich auf den innerdienstlichen Wirkungsbereich beschränkten und nicht unmittelbar auf die nach außen zu erfüllenden Aufgaben der Dienststelle Einfluss nähmen. Eine derartige Beschränkung ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Die Frage, ob die Mitbestimmung aus den genannten Gründen ausgeschlossen oder eingeschränkt ist, ist vielmehr nach dem Maßstab der Schutzzweck- und Verantwortungsgrenze eigenständig zu prüfen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2005 - 6 P 9.04 - BVerwGE 124, 34 <41> m.w.N.). Weil der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 562 Abs. 1 und § 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Die Beschaffung von Mitteldistanzwaffen sowie Zubehör in Form von Leuchtpunktvisieren, Zielbeleuchtungen, Handgriffen und Waffentragegurten für diese Waffen und bereits im Bestand der Polizei befindliche Maschinenpistolen unterliegt unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung der Arbeitsplätze der Mitbestimmung des Antragstellers (1.). Die zu beachtende Schutzzweck- und Verantwortungsgrenze führt zu keinem anderen Ergebnis (2.).1. Rechtsgrundlage für das vom Antragsteller im Rahmen seiner Zuständigkeit nach § 54 Abs. 1 Satz 1 PersVG BE geltend gemachte Mitbestimmungsrecht ist § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 PersVG BE. Danach bestimmt die Personalvertretung, soweit - wie hier - keine Regelung durch Rechtsvorschrift oder Tarifvertrag besteht, gegebenenfalls durch Abschluss von Dienstvereinbarungen über die Gestaltung der Arbeitsplätze mit. Die Beschaffung der vorgenannten Ausrüstungsgegenstände stellt eine Gestaltung der Arbeitsplätze im Sinne dieser Vorschrift dar.a) Der Begriff des Arbeitsplatzes im Sinne des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 PersVG BE bzw. der Parallelbestimmungen in anderen Personalvertretungsgesetzen bezeichnet den räumlichen Bereich, in dem der Beschäftigte tätig ist, und seine unmittelbare Umgebung. Er umfasst insbesondere auch mobile Arbeitsplätze im Freien (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Mai 2003 - 6 P 16.02 - Buchholz 250 § 78 BPersVG Nr. 19 S. 10 m.w.N.). Soweit Polizeivollzugsbeamte im Außendienst tätig sind, nehmen sie einen solchen mobilen Arbeitsplatz ein.b) Mit dem Begriff der Gestaltung im Sinne des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 PersVG BE ist die Bestimmung der räumlichen und sachlichen Arbeitsbedingungen sowie der Arbeitsumgebung gemeint. Als Gestaltung ist nicht nur die erstmalige Festlegung, sondern auch jede nicht lediglich unbedeutende Änderung der räumlichen und sachlichen Arbeitsbedingungen sowie der Arbeitsumgebung anzusehen, die ihrer Eigenart nach oder wegen ihrer Auswirkungen objektiv geeignet ist, das Wohlbefinden oder die Leistungsfähigkeit derjenigen Beschäftigten zu beeinflussen, die auf dem Arbeitsplatz eingesetzt sind oder werden sollen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. August 1985 - 6 P 20.83 - BVerwGE 72, 94 <99 ff.>). Die Gestaltung umfasst auch solche Ausrüstungsgegenstände, die Beschäftigte zur Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit bei sich zu tragen haben. Allein dieses Begriffsverständnis entspricht dem Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts, durch eine menschengerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes die schutzwürdigen Belange der Beschäftigten zu wahren (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1978 - 6 P 13.78 - Buchholz 238 3a § 76 BPersVG Nr. 1 S. 13 und vom 19. Mai 2003 - 6 P 16.02 - Buchholz 250 § 78 BPersVG Nr. 19 S. 10). Die Mitbestimmung soll sicherstellen, dass Beschäftigte bei der Arbeit vor Gefährdungen und Überbeanspruchung geschützt sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 1987 - 6 P 6.85 - BVerwGE 78, 47 <49>). Dementsprechend gehören zur Gestaltung mobiler Arbeitsplätze die sachlichen Mittel, die es den Beschäftigten ermöglichen, ihre dienstlichen Aufgaben durchzuführen und zu erfüllen.Gemessen daran ist die Beschaffung der in Rede stehenden Ausrüstungsgegenstände ein Akt der Gestaltung der Arbeitsplätze. Die Polizeivollzugsbeamten haben die neu angeschafften Mitteldistanzwaffen sowie das für diese Waffen und für bereits im Bestand der Polizei befindliche Maschinenpistolen beschaffte Zubehör im Einsatzfall bei der Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben mit sich zu führen bzw. zu tragen. Damit geht auch keineswegs eine nur unbedeutende Änderung der Arbeitsbedingungen einher. Insbesondere der Rückstoß der Mitteldistanzwaffen, das Gewicht dieser Waffen und der Zubehörteile sowie deren Ausgestaltung, Tragekomfort und Passform wirken sich für die Betroffenen auf die Ergonomie aus und haben damit maßgeblichen Einfluss auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen. Dass namentlich die Mitteldistanzwaffen nach den für das Rechtsbeschwerdegericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht einem bestimmten Polizeivollzugsbeamten zur alleinigen Nutzung zugewiesen sind, lässt die Mitbestimmungspflicht nicht entfallen. Dies liefe dem dargestellten Schutzzweck des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 PersVG BE zuwider. Dieser gebietet es vielmehr, dass die Mitbestimmung nicht daran scheitert, dass sachliche Arbeitsmittel von mehreren Beschäftigten zeitgleich oder - wie hier - nacheinander zur Aufgabenerfüllung genutzt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. August 1985 - 6 P 20.83 - BVerwGE 72, 94 <98 f.>).2. Gegen das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei der Beschaffung der in Rede stehenden Ausrüstungsgegenstände bestehen auch mit Blick auf das Erfordernis hinreichender demokratischer Legitimation keine Bedenken.Der Mitbestimmung des Personalrats sind durch das Demokratieprinzip zwar Grenzen gesetzt. Nach der daraus abgeleiteten sogenannten Schutzzweckgrenze darf sich die Beteiligung des Personalrats nur auf innerdienstliche Maßnahmen erstrecken und nur soweit gehen, als die spezifischen im Beschäftigungsverhältnis angelegten Interessen der Angehörigen der Dienststelle sie rechtfertigen. Dabei wird der Charakter als innerdienstliche Maßnahme durch den Zusammenhang mit der Erledigung der Amtsaufgabe aber nicht in Frage gestellt. Für innerdienstliche Maßnahmen ist es nicht untypisch, dass durch sie behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung des Amtsauftrages geschaffen werden. Hat eine innerdienstliche Maßnahme erhebliche Auswirkungen auf die Erledigung des Amtsauftrages, so ist dem nicht durch den Ausschluss jeglicher Beteiligung, sondern durch die Beachtung der Verantwortungsgrenze Rechnung zu tragen. Diese besagt, dass die Angelegenheit nicht der Letztentscheidungsbefugnis der der Volksvertretung verantwortlichen Stelle entzogen werden darf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. April 2008 - 6 P 8.07 - Buchholz 250 § 86 BPersVG Nr. 5 Rn. 13 m.w.N.; s.a. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - BVerfGE 93, 37 <68, 70>). Die Mitbestimmung des Personalrats ist mithin unter dem Gesichtspunkt der Schutzzweckgrenze nur dann ausgeschlossen, wenn die in Rede stehende Maßnahme keinen innerdienstlichen Charakter aufweist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Mai 2003 - 6 P 16.02 - Buchholz 250 § 78 BPersVG Nr. 19 S. 5).In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben scheidet die Mitbestimmung des Antragstellers hier nicht deshalb aus, weil die Beschaffung der in Rede stehenden Ausrüstungsgegenstände auch die Effektivität und Durchsetzungsfähigkeit vollzugspolizeilicher Handlungen betrifft und sich damit darauf auswirkt, ob und in welcher Weise die Polizei ihren Aufgaben nachkommen kann. Die Schutzzweckgrenze ist eingehalten, weil die Entscheidung über die Beschaffung der Mitteldistanzwaffen und des Zubehörs - ausweislich der vorstehenden Ausführungen - auch einen innerdienstlichen Charakter aufweist. Die Verantwortungsgrenze ist beachtet, weil diese Entscheidung nach § 83 Abs. 4 Satz 4 PersVG BE (bzw. deren Vorgängerregelung in § 83 Abs. 3 Satz 4 PersVG BE ) dem Letztentscheidungsrecht des Senats von Berlin als oberster Dienstbehörde unterliegt und damit der Letztentscheidungsbefugnis der der Volksvertretung verantwortlichen Stelle nicht entzogen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2011 - 6 P 10.10 - Buchholz 251.2 § 85 BlnPersVG Nr. 17 Rn. 54)." bverwg_2021-78,02.12.2021,"Pressemitteilung Nr. 78/2021 vom 02.12.2021 EN Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bei Leugnung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland Ein Beamter, der die Existenz der Bundesrepublik Deutschland dadurch leugnet, dass er in einem Antrag auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises durchgehend ""Königreich Bayern"" statt ""Bundesrepublik Deutschland"" angibt, verletzt in schwerwiegender Weise seine Verfassungstreuepflicht und kann deshalb im Disziplinarwege aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Beklagte ist Regierungsobersekretär (Besoldungsgruppe A 7) im Bundesdienst und wird beim Bundesnachrichtendienst verwendet. Im Jahr 2017 hat der Bundesnachrichtendienst Kenntnis davon erlangt, dass der Beklagte im Juli 2015 beim Landratsamt Starnberg einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt und dabei u.a. als Geburts- und Wohnsitzstaat jeweils ""Königreich Bayern"" angegeben und sich auf das ""RuStaG Stand 1913"" (= Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung von 1913) bezogen hat. Auf die vom BND erhobene Disziplinarklage hat das Bundesverwaltungsgericht den beklagten Beamten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Es hat zur Begründung insbesondere ausgeführt: Mit dem oben beschriebenen Verhalten stellt ein Beamter die Existenz der Bundesrepublik Deutschland in Abrede und lehnt damit die freiheitlich demokratische Grundordnung ab. Dadurch verletzt er seine gesetzlich normierte Verfassungstreuepflicht (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG) in schwerwiegender Weise. Im Streitfall hat der beklagte Beamte einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt und dabei in vielfacher Weise die Begriffe ""Königreich Bayern"" und ""RuStAG 1913"" verwendet. Darin liegt objektiv die im Behördenverkehr abgegebene Erklärung, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht besteht. Als Beamter weiß er um die Bedeutung eines so formulierten Antrags. Zugleich ist ein solches Verhalten typisch für die sogenannte Reichsbürger-Szene, die gerade durch diese Leugnung gekennzeichnet ist. Der Beamte hat zwar angegeben, kein ""Reichsbürger"" zu sein, aber auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht plausibel erklären können, warum er sich in dieser Weise verhalten hat. Bei der im Disziplinarrecht im jeweiligen Einzelfall anzustellenden Gesamtabwägung konnten ihn wegen der Schwere des in der Verletzung der Verfassungstreuepflicht liegenden Dienstvergehens auch die für ihn sprechenden Umstände nicht vor der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bewahren.     BVerwG 2 A 7.21 - Urteil vom 02. Dezember 2021","Urteil vom 02.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21ECLI:DE:BVerwG:2021:021221U2A7.21.0 EN Disziplinarische Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wegen Verletzung der Verfassungstreuepflicht durch Leugnen der rechtlichen Existenz der Bundesrepublik Deutschland Leitsatz: Ein Beamter, der die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland dadurch leugnet, dass er in einem Antrag auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises als Geburts- und Wohnsitzstaat auch für die Zeit nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland durchgehend ""Königreich Bayern"" angibt und sich mehrfach auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) ""Stand 1913"" bezieht, verletzt in schwerwiegender Weise seine Verfassungstreuepflicht (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG) und kann deshalb im Disziplinarwege aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Rechtsquellen BBG § 60 Abs. 1 Satz 3, § 61 Abs. 1 Satz 3, § 77 Abs. 1 Satz 1 BDG § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 RuStAG 1913 § 4 Abs. 1 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 02.12.2021 - 2 A 7.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:021221U2A7.21.0] Urteil BVerwG 2 A 7.21 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung und Dollinger sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel für Recht erkannt: Der Beklagte wird aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 1. Der 1985 geborene Beklagte ist Regierungsobersekretär (Besoldungsgruppe A 7 BBesO) im Bundesdienst und wird beim Bundesnachrichtendienst (BND) verwendet. Der Beklagte ist ledig und kinderlos. Er ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. Der Beklagte ist des Weiteren im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis. 2 Nach dem Hauptschulabschluss im Jahr 2001 besuchte der Beklagte für ein Jahr eine private Wirtschaftsschule und absolvierte im Anschluss daran die Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten (Fachrichtung allgemeine innere Verwaltung des Freistaats Bayern und der Kommunalverwaltung) bei der Stadt H., die er 2006 abschloss. 3 Seit Dezember 2007 ist der Beklagte beim BND tätig, zunächst als Tarifbeschäftigter, später als Beamter. Im Oktober 2013 wurde er zum Regierungsobersekretär befördert. Er war zunächst als Bürosachbearbeiter in P. eingesetzt. Von März 2016 bis Oktober 2017 war er bei der Deutschen Botschaft in B. tätig. Im Zusammenhang mit den gegen ihn eingeleiteten Ermittlungen wurde sein Einsatz dort beendet; seitdem ist er wieder als Bürosachbearbeiter in Pullach tätig. 4 Der Beklagte hat zahlreiche Fortbildungskurse absolviert. Im März 2014 erhielt er eine förmliche Anerkennung für seine gezeigten Leistungen und vorbildliche Einsatzbereitschaft (und zwei Tage Sonderurlaub). Im September 2015 erhielt er eine Leistungsprämie in Höhe von 750 € für herausragende Aktivitäten. Er wurde zuletzt im Juni 2017 mit der Gesamtnote 7 (""übertrifft die Anforderungen durch häufig herausragende Leistungen"") dienstlich beurteilt. 5 Der Beklagte war vom 14. November 2017 bis zum 11. Januar 2018 und ist seit dem 8. Februar 2018 ununterbrochen dienstunfähig erkrankt. Im Jahr 2018 wurde er amtsärztlich untersucht und befand sich in einer Reha-Maßnahme. 6 2. Nach einem Hinweis des Landratsamts S. teilte das Polizeipräsidium U. mit Schreiben vom 16. August 2017 dem BND mit, dass der Beklagte am 27. Juli 2015 beim Landratsamt S. einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt und dabei durchgehend - auch hinsichtlich seines Geburtsortes, seiner aktuellen Anschrift, seiner Aufenthaltsorte seit seiner Geburt im Jahr 1985, der Lebensumstände seines 1953 geborenen Vaters und auch der von 1950 bis 2000 bestehenden Ehe seines 1913 geborenen Großvaters - ""Königreich Bayern"" angegeben und sich auf das ""RuStaG Stand 1913"" bezogen hat. Daraufhin leitete der BND am 20. November 2017 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein. Darüber unterrichtete der BND den Beklagten mit Schreiben vom 4. Dezember 2017. Der Sachverhalt gebe Anlass zur Prüfung, ob der Beklagte der ""Reichsbürger""-Szene angehöre oder mit ihr sympathisiere. Das Schreiben enthält auch den Hinweis über seine Rechte im Disziplinarverfahren. 7 Dem vorausgegangen waren Ermittlungen der Abteilung Staatsschutz einer Kriminalinspektion im Verfahren zur Überprüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Beklagten, in deren Rahmen der Beklagte Angaben zum Grund des Antrags vom 27. Juli 2015 und zu seiner Haltung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gemacht hat. Im Disziplinarverfahren wurden der Beklagte und die mit dem Antrag befassten Bediensteten des Landratsamts befragt. 8 Mit dem Einverständnis des Beklagten wurden am 24. September 2018 die persönlichen Laufwerke seiner Dienstrechner in P. und B. untersucht. Nach dem darüber unter dem 17. Dezember 2018 erstellten Bericht wurden hierbei markierte Auszüge aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 1973 zum Grundlagenvertrag sowie eine längere Auflistung von Staatsmännern, Politikern, Herrschern der Geschichte und der Gegenwart im In- und Ausland gefunden; ein ""roter Faden"" bei dieser Auflistung war nicht zu erkennen. 9 Eine Google-Recherche des BND vom 18. Juni 2019 erbrachte keine Erkenntnisse über den Beklagten. Das vom BND befragte Bundesamt für Verfassungsschutz teilte in seinem Antwortschreiben vom 20. August 2019 mit, dass eine NADIS-Abfrage kein Ergebnis zum Beklagten ergeben habe. 10 Im April 2020 teilte der BND dem Beklagten-Bevollmächtigten mit, dass die Ermittlungen abgeschlossen seien, und gab ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme. 11 Im Januar 2021 wies der BND den Beklagten-Bevollmächtigten auf das Mitwirkungsrecht des Personalrats vor Erhebung der Disziplinarklage gem. § 78 Abs. 1 BPersVG hin. Die vom Fachreferat angehörte Schwerbehindertenvertretung antwortete im Februar 2021, dass die Abgabe einer Stellungnahme nicht beabsichtigt sei. Die Gleichstellungsbeauftragte teilte dem Fachreferat im Februar 2021 mit, dass sie keine Einwände gegen die Klageeinreichung erhebe. 12 3. Am 12. März 2021 hat der Präsident des BND Disziplinarklage erhoben. Die Disziplinarklage wirft dem Beklagten vor, dass er weder plausibel habe erklären können, warum er einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt habe, noch warum er in dem Antrag zumindest zunächst auf das ""Königreich Bayern"" und das ""RuStaG 1913"" Bezug genommen habe. Hinzu komme, dass auf seinem Dienstrechner eine in besonderer Weise markierte Fassung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Grundlagenvertrag gefunden worden sei; Teile der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts würden von ""Reichsbürgern"" regelmäßig in einer aus dem Zusammenhang gerissenen Weise verwendet, um ihre These von der Nichtexistenz der Bundesrepublik Deutschland zu stützen. Dass gerade diese Teile in dem Dokument hervorgehoben seien, belege nicht nur, dass der Beklagte sich mit der Ideologie der ""Reichsbürger"" beschäftigt habe, sondern bestätige in Verbindung mit den Eintragungen im Antragsformular, dass der Beklagte sein Handeln an der Ideologie der ""Reichsbürger"" ausgerichtet habe und deren Überzeugungen teile. 13 Damit habe der Beklagte gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue aus § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen. Ein Beamter, der die Ideologie der ""Reichsbürger"" teile, werde der Verfassungstreuepflicht nicht gerecht, denn wesentlicher Teil dieser Ideologie sei die Leugnung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland. Der Beklagte habe aus seiner ideologischen Überzeugung Folgerungen für sein eigenes Verhalten in Bezug auf die verfassungsmäßige Ordnung gezogen, indem er einen Staatsangehörigkeitsausweis in der für ""Reichsbürger"" typischen Form (""Königreich Bayern"", ""RuStaG 1913"") beantragt habe. Ein Beamter, der sich durch die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises zu der Ideologie der ""Reichsbürger"" nach außen hin bekenne, agitiere gegen die Bundesrepublik Deutschland. Zugleich habe er damit gegen seine Wohlverhaltenspflicht aus § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen. 14 Die Verletzung dieser Pflichten erfordere trotz der entlastenden Umstände - bisher disziplinarisch nicht in Erscheinung getreten, einwandfreies dienstliches Verhalten, überdurchschnittliches Gesamturteil der letzten dienstlichen Beurteilung - die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Es sei der Eindruck entstanden, dass der Beklagte die Ideologie der ""Reichsbürger"" teile und deshalb die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugne und ihre Rechtsordnung ablehne. Dies lege für den verständigen durchschnittlichen Bürger den Schluss nahe, dass er sein Handeln nicht am geltenden Recht ausrichte. Ohne Relevanz sei, in welchem Umfang die Pflichtverletzung in der Öffentlichkeit bekannt geworden sei. Es bestehe auch objektiv das Risiko, dass solche Beamten ihre dienstlichen Aufgaben nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Kein entscheidendes Gewicht habe, dass er im Disziplinarverfahren erklärt habe, sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu bekennen. Diese Äußerung sei nur unter dem Druck des Disziplinarverfahrens zustande gekommen. Der Beklagte habe auch im Laufe des Verfahrens nicht plausibel erklärt, warum er einen Staatsangehörigkeitsausweis unter Hinweis auf das ""Königreich Bayern"" und das ""RuStaG 1913"" beantragt habe. Er habe auch nicht bereut oder sich von der Beantragung sonst distanziert. Es sei deshalb nicht erkennbar, dass der Beklagte die Ideologie der ""Reichsbürger"" aufgegeben oder sich glaubwürdig von ihr distanziert hätte. Die einzig plausible Erklärung für seinen objektiv grundlosen Antrag sei, dass er die Überzeugung der ""Reichsbürger"" teile. Nur ""Reichsbürger"" beantragten Staatsangehörigkeitsausweise unter Hinweis auf das ""RuStaG 1913"" und nicht mehr existente Staaten. Dass der Beklagte sich während des Dienstes nicht ausdrücklich zu den Überzeugungen der ""Reichsbürger"" bekannt habe, bedeute nicht, dass er diese Überzeugung nicht teile. Das könne ebenso auf seinem Bestreben beruhen, Ablehnung seiner Kollegen und sonstige Konsequenzen einer öffentlichen Kundgabe seiner Überzeugung während des Dienstes zu vermeiden. 15 Die Klägerin beantragt, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. 16 Der Beklagte beantragt, die Disziplinarklage abzuweisen. 17 Er habe kein Dienstvergehen begangen und sei verfassungstreu. Mit Ausnahme der Geschehnisse um die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises gebe es keine Anhaltspunkte, aus denen auf Gegenteiliges geschlossen werden könne. Das ergebe sich aus den Äußerungen seiner früheren Vorgesetzten und Mitarbeiter. Aber auch die Umstände im Zusammenhang mit der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises könnten keine Zweifel an seiner Verfassungstreue begründen. Er selbst habe die maschinell eingefügten Angaben ""Königreich Bayern"" und ""Stand 1913"" handschriftlich gestrichen. Es sei richtig, dass es ggf. nahegelegen hätte, ein neues Antragsformular zu verwenden, anstatt handschriftliche Änderungen vorzunehmen; dies gelte auch dann, wenn seine Änderungen - wie von der Klägerin angenommen - erst auf Aufforderung eines Bediensteten des Landratsamts vorgenommen worden seien. Seine Erklärungen zur Motivation für die ursprünglichen Formulierungen seien auch keine Schutzbehauptungen. Man möge es merkwürdig finden, dass er die Angabe ""Königreich Bayern"" zunächst als ""witzig"" empfunden habe. Jedenfalls habe er ""Reichsbürger""-untypisch nicht auf diesen Angaben beharrt, sondern sie ohne Weiteres geändert. Er sei erst im Zuge seiner Ahnenforschung darauf aufmerksam geworden, einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen zu können. Er habe es bemerkenswert und eben ""witzig"" gefunden, dass ein solcher Ausweis überhaupt ausgestellt werde und eben auch beantragt werden könne. Er habe es auch bemerkenswert und ""witzig"" gefunden, dass die deutsche Staatsangehörigkeit sich nach einem Gesetz aus dem Jahre 1913 bestimme, das erst im Jahre 2000 - inhaltlich im Wesentlichen identisch - eine namentliche Änderung erfahren habe. Und er habe es aufgrund seines geschichtlichen Interesses faszinierend gefunden, dass die Staatsangehörigkeit seiner Vorfahren vor 1914 relevant sein könnte. ""Reichsbürger"" beantragten Staatsangehörigkeitsausweise - mit entsprechenden Angaben - typischerweise, um im Falle einer Korrektur durch die zuständige Behörde in den Konflikt zu gehen, deren diesbezügliche Berechtigung zu negieren und damit nach außen tretend deutlich zu machen, dass die Bundesrepublik Deutschland als Staat abgelehnt werde. Ein solches Verhalten habe er aber gerade nicht an den Tag gelegt; er habe seine Angaben freiwillig korrigiert und sei nicht in einen Konflikt mit den Sachbearbeitern des Landratsamts getreten. Aus den bei ihm vorgefundenen markierten Passagen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Grundlagenvertrag könne nicht geschlossen werden, dass er sich tatsächlich den Fehldeutungen dieser Passagen in der ""Reichsbürger""-Szene anschließe - unabhängig davon, ob er sich überhaupt mit diesem Urteil befasst habe. Alle im Verfahren angehörten Zeugen hätten dies bestätigt. 18 Der Verwaltungsvorgang lag dem Senat vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. II 19 Der Senat entscheidet über die Disziplinarklage in erster und letzter Instanz (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO, § 45 Satz 5 BDG). Sie führt zu der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis (§ 60 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 5 sowie §§ 10 und 13 Abs. 2 Satz 1 BDG). 20 1. Der Senat geht von folgendem Sachverhalt aus: 21 Der Beklagte beantragte am 27. Juli 2015 beim Landratsamt S. die Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Dabei reichte er ein von ihm bereits maschinenschriftlich ausgefülltes Antragsformular ein, das er sich auf der Internetseite des Bundesverwaltungsamts heruntergeladen hatte. In dem Antragsformular gab er bei seinen personenbezogenen Daten durchgehend als Staat ""Königreich Bayern"" an. So benannte er als Staat seiner Geburt im Jahr 1985 das ""Königreich Bayern"". Die Angabe ""Königreich Bayern"" wiederholte er bei dem Eintrag seiner aktuellen Wohnanschrift und jeweils bei seinen neun innerdeutschen Aufenthaltsorten von 1985 bis 2014; außerdem gab er in der Rubrik Staatsangehörigkeit ""in Bayern"" an und verwies hier und unter ""Sonstiges"" auf seine ""Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStaG Stand 1913"". In den Anlagen zu seinen Vorfahren gab er zu seinem 1953 in Deutschland geborenen Vater als Geburtsstaat und als Staat der Eheschließungen in den Jahren 1977 und 1981 ""Königreich Bayern"" bzw. ""Kgr. Bayern"" an. In der Anlage zu seinem 1913 geborenen Großvater benannte er nicht nur - insoweit richtigerweise - als Geburtsstaat das ""Königreich Bayern"", sondern gab auch hinsichtlich der 1950 geschlossenen und bis 2000 andauernden Ehe in Deutschland als Staat ""Kgr. Bayern"" an. In den beiden Anlagen zu seinen Vorfahren wiederholte der Beklagte jeweils in der Rubrik Staatsangehörigkeit die Angabe ""in Bayern"" und verwies hier und unter ""Sonstiges"" auf die ""Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStaG Stand 1913"". 22 Nachdem ihm von dem den Antrag entgegennehmenden Sachbearbeiter mitgeteilt wurde, dass der Antrag mit diesen Angaben nicht bearbeitet werden könne, nahm der Beklagte vor Ort handschriftliche Korrekturen dieser Angaben vor, indem er im Antragsformular sämtliche Angaben ""Königreich Bayern"" und die Angabe ""in Bayern"" durchstrich und das Wort ""Deutschland"" handschriftlich ergänzte; außerdem strich er die Angabe ""Stand 1913"" durch. Bei der Anlage ""Vorfahren"" betreffend seinen Vater strich er in der Rubrik Familienstand die Angabe ""Kgr. Bayern"" durch und ergänzte in der Rubrik Staatsangehörigkeit die Angabe ""in Bayern"" durch das Wort ""Deutschland""; die übrigen Angaben blieben unverändert. Die Anlage ""Vorfahren"" betreffend seinen Großvater blieb völlig unverändert. Unter dem 12. August 2015 wurde dem Beklagten der Staatsangehörigkeitsausweis ausgestellt, der sich - wie üblich - in der Bescheinigung der deutschen Staatsangehörigkeit erschöpft und keinen Hinweis auf die Angaben des Beklagten bei der Antragstellung enthält. 23 2. Diese Feststellungen beruhen auf dem vom Beklagten zunächst maschinenschriftlich ausgefüllten Antragsformular samt Anlagen und den von ihm darauf - auf Veranlassung des Bediensteten des Landratsamts - vorgenommenen handschriftlichen Änderungen, den Einlassungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung und seinen Angaben im behördlichen Disziplinarverfahren. 24 3. Durch das festgestellte Verhalten hat der Beklagte ein Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) begangen. Er hat vorsätzlich und schuldhaft innerdienstlich seine aus § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG folgende Verfassungstreuepflicht (a) sowie außerdienstlich seine Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten gemäß § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG (b) verletzt. 25 a) Nach § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG muss ein Beamter sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Die Stellung eines schriftlichen Antrags eines Beamten auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter fortgesetzter Verwendung der Angaben ""Königreich Bayern"" sowie gemäß § 4 Abs. 1 ""RuStaG Stand 1913"" für antragsrelevante Umstände im Zeitraum nach Mai 1949 - wie Geburts- und Wohnsitzstaat des Antragstellers oder seiner Vorfahren - verletzt die dem Beamten obliegende Pflicht zur Treue zur Verfassung. 26 Da nach § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG das gesamte Verhalten des Beamten erfasst ist, ist die Treuepflicht als beamtenrechtliche Kernpflicht als solche unteilbar und nicht auf den dienstlichen Bereich beschränkt. Vielmehr ist auch das außerdienstliche Verhalten mit der Folge erfasst, dass bei einem pflichtwidrigen Verhalten wegen der Dienstbezogenheit stets ein innerdienstliches Dienstvergehen gegeben ist. Dementsprechend kommt es auf die besonderen Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG für die Qualifizierung eines außerhalb des Dienstes gezeigten Verhaltens als Dienstvergehen nicht an (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1981 - 1 D 50.80 - BVerwGE 73, 263 <284>). Unerheblich ist auch, ob die Überzeugung des Beklagten Einfluss auf die Erfüllung seiner Dienstpflichten hatte und dass es nicht zu konkreten Beanstandungen seiner Dienstausübung gekommen ist. 27 aa) Beamte, die zum Staat in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, die für diesen Anordnungen treffen können und damit dessen Machtstellung durchsetzen, müssen sich zu der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Grundordnung des Grundgesetzes bekennen und für sie einstehen. Die Beamten müssen sich nicht die Ziele oder Maxime der jeweiligen Regierungsmehrheit zu eigen machen; sie müssen jedoch die verfassungsmäßige Ordnung als schützenswert annehmen und aktiv für sie eintreten. Im Staatsdienst können nicht solche Personen tätig werden, die die Grundordnung des Grundgesetzes ablehnen und bekämpfen. Diesen Personen fehlt die Eignung für die Ausübung eines öffentlichen Amtes (BVerfG, Urteil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - BVerfGE 9, 268 <282>, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <346> und Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 2111/94 u.a. - BVerfGE 96, 171 <181>; BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 18). 28 Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem auf Lebenszeit begründeten Beamtenverhältnis im Wege des Disziplinarverfahrens setzt nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG und §§ 5 und 13 BDG ein schweres Dienstvergehen voraus, durch das der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Geht es um die Pflicht zur Verfassungstreue, muss dem Beamten die Verletzung dieser Dienstpflicht konkret nachgewiesen werden. Das Dienstvergehen besteht nicht einfach in der ""mangelnden Gewähr"" des Beamten dafür, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten werde. Auch das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, reicht nicht aus. Ein Dienstvergehen ist erst dann gegeben, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht. Die zu beanstandende Betätigung muss zudem von besonderem Gewicht sein (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <350 f.> und Kammerbeschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 - BVerfGK 13, 531 <540 f.>; EGMR, Urteil vom 26. September 1993 - 7/1994/454/535, Vogt - NJW 1996, 375 <376>; BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 21 ff.). 29 Das in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte ""Mehr"" als das bloße Haben und Mitteilen einer bestimmten Überzeugung ist nicht erst bei einem offensiven Werben des Beamten für eine mit der Verfassungstreuepflicht unvereinbaren politischen Überzeugung erreicht. So kann ein disziplinarisch zu ahndendes Dienstvergehen auch etwa darin liegen, dass ein Beamter seine der verfassungsmäßigen Ordnung zuwiderlaufende Einstellung durch das Tragen einer Tätowierung mit verfassungsfeindlichem Inhalt kundtut, und zwar selbst dann, wenn er seine Überzeugung nur unter Gleichgesinnten offenbart, etwa um sich als von den ""Anderen"" abgrenzbare Gruppe zu identifizieren und zu solidarisieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 22 ff. und 29 f.) 30 bb) Nach diesen Grundsätzen stellt die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter fortgesetzter Verwendung der Angaben ""Königreich Bayern"" und ""gemäß § 4 Abs. 1 RuStaG Stand 1913"" eine Verletzung der Verfassungstreuepflicht dar. Denn wer auch bei Sachverhalten seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Staatsangehörigkeit auf Verhältnisse vor dieser Zeit - hier auf das Anfang November 1918 untergegangene ""Königreich Bayern"" und das Deutsche Kaiserreich vor der Weimarer Republik - abstellt, verneint damit die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland. Es ist schlechterdings unmöglich, die rechtliche Existenz dieses Staates zu leugnen und sich zugleich zu dessen Grundordnung zu bekennen und sich für diese einzusetzen, wie es § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG verlangt. Er negiert damit zugleich die Grundlagen seines Beamtenverhältnisses und verletzt seine Verfassungstreuepflicht in schwerwiegender Weise. 31 Mit den ursprünglichen maschinenschriftlichen Angaben im Antrag auf Erteilung des Staatsangehörigkeitsausweises hat der Beklagte im Rechtsverkehr gegenüber einer staatlichen Behörde - und damit nach außen - objektiv zum Ausdruck gebracht, dass er vom Fortbestand des ""Königreichs Bayern"" ausgeht und die Bundesrepublik Deutschland rechtlich nicht existiert (ebenso OVG Lüneburg, Urteil vom 20. April 2021 - 3 LD 1/20 - DÖD 2021, 198 Rn. 16; VGH München, Urteil vom 28. Juli 2021 - 16a D 19.989 - Rn. 65). Er hat die bis in die Gegenwart hineinreichenden formularmäßigen Fragen zur jeweiligen Staatsangehörigkeit mit ""Königreich Bayern"" beantwortet. Darin liegt objektiv die Erklärung, dass er die Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland in Abrede stellt und die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnt. Diese Erklärung ist, eben weil sie im Rechtsverkehr mit einer Behörde abgegeben wurde, auch von erheblichem Gewicht. Als Beamter wusste der Beklagte auch um die Bedeutung eines so formulierten förmlichen Antrags. 32 Zudem ist nicht erkennbar, welchen objektiven Zweck die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises für denjenigen haben kann, der ihn im Rechtsverkehr nicht benötigt. Der Beklagte besitzt einen Personalausweis und einen Reisepass. Seine deutsche Staatsangehörigkeit ist seit seiner Geburt seitens einer Behörde nie in Frage gestellt worden. Jedenfalls hat die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises mit Angaben zur Staatsangehörigkeit nicht auf die Bundesrepublik Deutschland, sondern auf längst nicht mehr existierende Staaten bezogen den objektiven Erklärungsinhalt der Leugnung der rechtlichen Existenz der Bundesrepublik Deutschland. Es handelt sich um ein vorbereitetes, planvolles und zielgerichtetes - also nicht lediglich spontanes - Agieren gegenüber einer Behörde mit rechtserheblichem Inhalt. 33 Darin liegt zugleich ein Verhalten, das typisch für die sog. Reichsbürger-Szene ist. Ungeachtet der Unterschiede der sehr heterogenen Gruppierung im Detail ist ein gemeinsames Charakteristikum dieses Personenkreises, dass er das Bestehen der Bundesrepublik Deutschland leugnet. Unter dem Begriff ""Reichsbürger"" werden Gruppierungen und Einzelpersonen zusammengefasst, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen - unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren und gegenüber denen deshalb die begründete Besorgnis besteht, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. Ihr verbindendes Element ist die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland (vgl. zur Begriffsbestimmung: Verfassungsschutzbericht 2020 des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, S. 115). 34 Der Beklagte hat zwar angegeben, kein ""Reichsbürger"" zu sein und auch die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht in Frage stellen zu wollen, hat aber auch in der mündlichen Verhandlung nicht plausibel erklären können, warum er sich in dieser Weise verhalten hat. 35 Mit der Stellung des Antrags mit den - durchgängigen - maschinenschriftlichen Angaben ""Königreich Bayern"" sowie ""gemäß § 4 Abs. 1 RuStaG Stand 1913"" hat der Beklagte die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren verfassungsmäßige Ordnung - objektiv - negiert. Seine Verhaltensweise hat er weder im behördlichen Disziplinarverfahren noch in der mündlichen Verhandlung in einer Weise erläutern können, dass seiner Vorgehensweise eine andere Bedeutung beigemessen werden könnte. Zudem widersprechen sich die verschiedenen Erläuterungsversuche des Beklagten inhaltlich. Der Senat nimmt dem Beklagten seinen gesamten Vortrag zu den angeblichen Beweggründen für die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises mit den ursprünglichen Angaben ""Königreich Bayern"" und ""gemäß § 4 Abs. 1 RuStaG Stand 1913"" nicht ab. 36 Im behördlichen Disziplinarverfahren hat der Beklagte die Stellung des Antrags mit den aufgeführten maschinenschriftlichen Angaben damit begründet, er habe die Beantragung des Ausweises als solche ""interessant"" und die inkriminierten Angaben als ""witzig"" empfunden. Diese Aussage ist insbesondere vor dem Hintergrund der Ausbildung des Beklagten nicht plausibel. Der Beklagte hat die Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten in der Fachrichtung der allgemeinen inneren Verwaltung erfolgreich absolviert. Aufgrund dessen war ihm bewusst, dass er mit diesem - zudem kostenpflichtigen - Antrag ein Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt hat und dass ihm die durchgängige Bezugnahme auf längst untergegangene Staaten anstelle des Verweises auf die Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtsordnung, für die er einzutreten hat, als Beamter angelastet werden kann. 37 Ebenso wenig nachvollziehbar ist das Vorbringen des Beklagten im behördlichen Verfahren, er habe bei seinen maschinenschriftlichen Angaben in dem Antragsformular wegen einer seinerzeit von ihm angeblich auf der Webseite des Bundesverwaltungsamts vorgefundenen Ausfüllanleitung, wonach die Abstammung von einem vor 1914 geborenen Vorfahren verlangt worden sei, auf das ""RuStaG 1913"" abgestellt. Denn dies erklärt weder, weshalb der Beklagte nicht schlicht auf die ""Abstammung"" abgestellt, sondern diese mit einem auf den früheren Rechtszustand bezogenen Zusatz versehen hat, noch, dass er diesen Zusatz nicht lediglich auf seinen 1913 geborenen Großvater beschränkt, sondern auch für sich und seinen 1953 geborenen Vater verwendet hat. Dass der Beklagte aufgrund der erwähnten Ausfüllanleitung zu seinen Angaben veranlasst worden sei, erscheint im Übrigen auch deshalb unglaubhaft, weil - wie der Senat dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgehalten hat - in der damaligen Anleitung kein Hinweis auf ""§ 4 Abs. 1 RuStaG 1913"" enthalten ist. 38 Nicht überzeugend ist zudem seine weitere Erklärung gegenüber dem BND, mit den ursprünglichen Eintragungen ""Königreich Bayern"" habe er sich lediglich auf das Geburtsland seines Großvaters bezogen. Das Antragsformular ist bezüglich der Angaben zur Person des Antragstellers und der jeweiligen Vorfahren klar strukturiert und einfach verständlich. Dies gilt insbesondere für den Beklagten, dem der Umgang mit behördlichen Formularen und die Anforderungen an das korrekte Ausfüllen von Antragsformularen aufgrund seiner Ausbildung vertraut sind. Das Formular lässt keinen Auslegungsspielraum zu, worauf sich die jeweils abgefragte Angabe des Staates - sei es des Geburts-, Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaates - bezieht. 39 Eine plausible anderweitige Deutung des Verhaltens des Beklagten lässt sich auch nicht seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung entnehmen. Abgesehen davon, dass sein Vortrag gegenüber seinen früheren Angaben wechselt, vermag auch sein neues Vorbringen sein Verhalten nicht nachvollziehbar zu erklären. 40 In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte auf die einleitende Aufforderung des Senats, die Beweggründe seines Verhaltens in eigenen Worten zusammenfassend zu schildern, angegeben, im Internet auf ""irgendwelche Seiten"" gestoßen und den dort gefundenen Ausfüllanweisungen ""komischer Typen"" gefolgt zu sein. Er habe sich nicht vorstellen können, dass ein Antrag mit solchen Angaben ""funktioniert"", und habe sehen wollen, ob ein solcher Antrag angenommen werde; mehr habe er sich nicht dabei gedacht. 41 Auch dieses neue Vorbringen ist nicht plausibel. Wenn der Beklagte als dem Grundgesetz verpflichteter Beamter angesichts des Inhalts der Internet-Informationen bereits für sich den Eindruck gewonnen hatte, es handele sich um ""komische Typen"", so hätte es sich geradezu aufgedrängt, von der Befolgung der Ausfüllanweisungen dieser Personen durch die Stellung eines entsprechenden Antrags mit den inkriminierten Angaben abzusehen. Jeder Beamte - gleich welcher Laufbahngruppe - weiß um seine Verfassungstreuepflicht und dass er sie durch die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihre Rechtsordnung leugnende Handlungen verletzt. Für den Beklagten als Angehörigen eines Nachrichtendienstes, der gewohnt ist, Quellen zu hinterfragen, gilt dies in besonderem Maße. 42 Im Übrigen wäre selbst bei Unterstellung der Richtigkeit seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht plausibel, weshalb er an dem Antrag festgehalten hat, nachdem sich seine Einschätzung, der Antrag könnte wegen der ursprünglichen Angaben seitens des Landratsamts abgelehnt werden, bestätigt hatte. Seiner in der mündlichen Verhandlung neu vorgebrachten Erklärung, mit dem Antrag in seiner ursprünglichen Version lediglich den ""Test"" gemacht zu haben, ob mit diesen Angaben ein Staatsangehörigkeitsausweis erlangt werden könne, hätte es entsprochen, den Antrag schlicht zurückzuziehen, nachdem der Mitarbeiter des Landratsamts die Angaben - aus Sicht des neuen Vorbringens - wie erwartet beanstandet hatte. Stattdessen hat der Beklagte das Antragsformular entsprechend den Vorgaben des Landratsamts - zum großen Teil - handschriftlich abgeändert und die anfallende Gebühr für die positive Verbescheidung des Antrags auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises gezahlt. Dabei hat er für diesen Staatsangehörigkeitsausweis, wie er ebenfalls in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Senats erklärt hat, keine Verwendung. 43 Nicht anzulasten ist dem Beklagten hingegen, dass auf dem privaten Laufwerk seines dienstlichen Computers das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 1973 zum Grundlagenvertrag (BVerfG, Urteil vom 31. Juli 1973 - 2 BvF 1/73 - BVerfGE 36, 1) abgespeichert und dort eine bestimmte Passage markiert war. Die Beschäftigung mit dieser - oder einer sonstigen - Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist kein Indiz für fehlende Verfassungstreue. Die Hervorhebung der betreffenden Passage belegt lediglich, dass sich der Beklagte mit diesem Thema beschäftigt hat, nicht aber, dass er sich die - abwegige - Interpretation dieser Passage durch andere Personen zu eigen gemacht hat. 44 b) Durch sein vorsätzliches und schuldhaftes Verhalten hat der Beklagte zugleich seine Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) verletzt. Die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises mit Angaben, die die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihre verfassungsmäßige Ordnung leugnen, begründet angesichts der Schwere des Pflichtenverstoßes ernstliche Zweifel, dass der Beklagte seinem dienstlichen Auftrag als Sachwalter einer an Recht und Gesetz gebundenen Verwaltung gerecht wird (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127 Rn. 23 f.). 45 4. Im Rahmen der dem Gericht obliegenden Maßnahmebemessung (§ 13 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG) ist die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis die gebotene Maßnahme, ungeachtet des Umstands, dass sein Verhalten nicht strafbar ist. Durch sein schweres Dienstvergehen hat der Beklagte das Vertrauen seiner Dienstherrin und der Allgemeinheit endgültig verloren. 46 a) Welche Disziplinarmaßnahme erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten. Aus den gesetzlichen Vorgaben folgt die Verpflichtung, die Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu bestimmen. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis als einem Mittel der Sicherung der Funktion des öffentlichen Dienstes. Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 ff.>, vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 16 ff. und vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - DokBer 2012, 260 Rn. 71 m.w.N.). 47 Bei der Gesamtwürdigung sind die im Einzelfall bemessungsrelevanten Tatsachen nach Maßgabe des § 58 Abs. 1 BDG zu ermitteln und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen ist. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - DokBer 2012, 260 Rn. 72 m.w.N.). 48 Ein endgültiger Verlust des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen. Unter diesen Voraussetzungen muss das Beamtenverhältnis im Interesse der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums beendet werden (BVerwG, Urteile vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - DokBer 2012, 260 Rn. 73 m.w.N. und vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - BVerwGE 154, 10 Rn. 12 ff.). 49 b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hier die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis die angemessene Maßnahme. 50 Im Streitfall ist hinsichtlich der Schwere des Dienstvergehens auf die Verletzung der Verfassungstreuepflicht (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG) abzustellen; dem ebenfalls verwirklichten Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) kommt daneben keine weitere, die Maßnahmebemessung zusätzlich beeinflussende Bedeutung zu. 51 Die Verletzung der Pflicht zur Treue zur Verfassung (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG) ist so schwerwiegend, dass bei der Maßnahmebemessung nach § 13 BDG von der höchsten Maßnahme, der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 BDG), auszugehen ist. Dies folgt aus der Unverzichtbarkeit der Verfassungstreue im Beamtenverhältnis. Die Verfassungstreue ist ein Eignungsmerkmal für Beamte. Personen, die sich nicht zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und nicht für deren Erhaltung eintreten, kann von den Bürgern nicht das für die Wahrnehmung des öffentlichen Amtes berufserforderliche Vertrauen entgegengebracht werden (BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 11 ff. und vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 18 m.w.N.). 52 Zugunsten des Beklagten ist in die Betrachtung einzustellen, dass er disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist und dass er mit hohem Einsatz seinen Dienst gut verrichtet hat, wofür er nicht nur gut beurteilt, sondern sogar ausgezeichnet worden ist. Auch sind weitere, die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Rechtsordnung leugnende Handlungen oder Äußerungen des Beklagten nicht bekannt geworden. 53 Angesichts der Schwere des Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht kann ihn dies aber nicht vor der Höchstmaßnahme bewahren. Die Grundlagen des Beamtenverhältnisses lassen es nicht zu, Personen mit der Ausübung staatlicher Gewalt zu betrauen, die die freiheitliche demokratische Verfassungsordnung ablehnen. 54 Es besteht keine Veranlassung, von der gesetzlichen Regelung für den Unterhaltsbeitrag (§ 10 Abs. 3 BDG) abzuweichen. 55 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 1 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das gerichtliche Verfahren bedarf es nach § 78 Satz 1 BDG nicht, weil Gerichtsgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden." bverwg_2021-79,10.12.2021,"Pressemitteilung Nr. 79/2021 vom 10.12.2021 EN Keine Ausbildungsförderung für ein Studium, das erst nach Erreichen des Rentenalters beendet sein wird Studierenden, die eine Hochschulzugangsberechtigung auf dem Zweiten Bildungsweg erworben haben, steht nur dann ein Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zu, wenn die von ihnen angestrebte Ausbildung planmäßig vor Erreichen des Regelrentenalters abgeschlossen sein wird. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der im Jahr 1950 geborene Kläger erwarb zunächst den Hauptschulabschluss und war anschließend nach einer Lehre in verschiedenen Berufen tätig. Ende 2014 legte er an einer Abendschule das Abitur ab. Seit Anfang 2016 bezieht er eine Altersrente und ergänzende Sozialleistungen der Grundsicherung. Zum Wintersemester 2015/2016 nahm der Kläger an der Universität Hamburg ein Bachelorstudium auf und stellte für dessen erste beiden Semester einen Antrag auf Gewährung von Ausbildungsförderung, den der Beklagte ablehnte. Die hiergegen gerichtete Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers, mit der er sein Förderungsbegehren weiterverfolgt hat, zurückgewiesen. Der Kläger überschritt bei Beginn des Studiums die für eine Förderung gesetzlich festgesetzte Altersgrenze. Das Ausbildungsförderungsrecht knüpft die Gewährung von Ausbildungsförderung grundsätzlich daran, dass der Auszubildende nicht älter als 30 Jahre bzw. - für Masterstudiengänge - als 35 Jahre alt ist (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG). Diese Altersgrenze und die mit ihr verbundene Typisierung hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1980 unter anderem mit der Erwägung als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen, der Gesetzgeber dürfe davon ausgehen, dass bei einer Ausbildung, die erst nach dem 35. Lebensjahr begonnen wird, das Interesse der Allgemeinheit an der Ausschöpfung von Bildungsreserven im Hinblick auf die zu erwartende, nur noch relativ kurze Berufsdauer gering ist. Zwar sieht das Gesetz eine Ausnahme von dieser Altersbegrenzung vor, wenn - wie im Fall des Klägers - die Zugangsberechtigung für die Ausbildung im Zweiten Bildungsweg erworben und diese anschließend unverzüglich aufgenommen worden ist (§ 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, Satz 3 BAföG). Dies bedeutet aber nicht, dass Ausbildungsförderung für ein Studium auch dann noch gewährt werden soll, wenn der Auszubildende bei planmäßigem Abschluss der Ausbildung bereits das Rentenalter erreicht hat. Eine Regelung, dass Ausbildungsförderung völlig altersunabhängig zu gewähren ist, trifft das Gesetz nicht. Vielmehr ist der vorgenannten Bestimmung unter Auswertung der Gesetzessystematik sowie des Zwecks des Gesetzes und dessen Entstehungsgeschichte der Inhalt zu entnehmen, dass Ausbildungsförderung dann nicht mehr zu gewähren ist, wenn eine Ausbildung aus Altersgründen typischerweise eine ihr entsprechende Erwerbstätigkeit nicht mehr erwarten lässt. Für diese Prognose ist nach der Wertung des Gesetzes die rentenrechtliche Regelaltersgrenze maßgeblich, die für den weit überwiegenden Teil der Erwerbsbevölkerung Geltung beansprucht und nach deren Überschreiten jedenfalls eine Berufstätigkeit in einem neu erlernten Beruf regelhaft nicht mehr aufgenommen wird. Dieser Inhalt des Gesetzes ist mit dem grundrechtlichen Anspruch eines bedürftigen Auszubildenden auf Teilhabe an der staatlichen Ausbildungsförderung (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) vereinbar. Ihm steht auch nicht das unionsrechtliche Verbot einer Altersdiskriminierung entgegen. BVerwG 5 C 8.20 - Urteil vom 10. Dezember 2021 Vorinstanzen: OVG Hamburg, OVG 4 Bf 173/16 - Urteil vom 23. Juni 2020 - VG Hamburg, VG 2 K 874/16 - Urteil vom 17. August 2016 -","Urteil vom 10.12.2021 - BVerwG 5 C 8.20ECLI:DE:BVerwG:2021:101221U5C8.20.0 EN Ausbildungsförderung bei Überschreiten des Rentenalters Leitsatz: Die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG greift dann nicht ein, wenn der Auszubildende bei einem planmäßigen Abschluss der Ausbildung, für die er Ausbildungsförderung beansprucht, bereits das Rentenalter erreicht haben wird. Rechtsquellen BAföG § 7 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB I § 2 Abs. 2, §§ 31, 37 Satz 2, § 68 Nr. 1 SGB XII § 22 Abs. 1 Satz 1 GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG Art. 3 Abs. 3 GRC Art. 21, Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VwGO § 144 Abs. 4 Instanzenzug VG Hamburg - 17.08.2016 - AZ: VG 2 K 874/16 OVG Hamburg - 23.06.2020 - AZ: OVG 4 Bf 173/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 10.12.2021 - 5 C 8.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:101221U5C8.20.0] Urteil BVerwG 5 C 8.20 VG Hamburg - 17.08.2016 - AZ: VG 2 K 874/16 OVG Hamburg - 23.06.2020 - AZ: OVG 4 Bf 173/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2020 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Ausbildungsförderung für ein Studium an der Schwelle zum Rentenalter. 2 Der am 13. September 1950 geborene Kläger erwarb im Jahr 1964 den Hauptschulabschluss. Anschließend absolvierte er eine dreijährige Lehre als Kellner. Bis September 1993 war er teils als Selbstständiger, teils im Angestelltenverhältnis auf verschiedenen Gebieten beruflich tätig. Zwischenzeitlich besuchte er auch eine Hotelfachschule. Von April 1996 bis August 1998 durchlief er eine Umschulung zum Steuerfachangestellten. Er war danach von Mai 1999 bis Mai 2000 als kaufmännischer Mitarbeiter tätig und anschließend arbeitssuchend, wobei er verschiedene Weiterbildungen absolvierte. Von August bis November 2009 war er als Angestellter im Vertrieb tätig. Danach war er erneut bis zum Eintritt in das Rentenalter arbeitssuchend. Seit Februar 2016 bezieht der Kläger eine Altersrente sowie ergänzend Leistungen der Grundsicherung. 3 In den Jahren 2005 bis 2006, 2008, 2011 bis 2012 sowie schließlich vom 1. Februar 2012 bis zum 19. Dezember 2014 besuchte der Kläger Staatliche Abendschulen in Hamburg; an einer von ihnen erwarb er im Dezember 2014 die Allgemeine Hochschulreife. 4 Zum Wintersemester 2015/2016 nahm der Kläger ein Studium des Fachs ""Afrikanische Sprachen und Kulturen - sprachenintensiviert"" (Abschluss: Bachelor of Arts) auf und stellte bei dem Beklagten hierfür einen Antrag auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bezogen auf den Bewilligungszeitraum Oktober 2015 bis September 2016. Er war zum Zeitpunkt der Antragstellung 65 Jahre alt. 5 Der Beklagte lehnte den Förderantrag des Klägers ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die von dem Kläger aufgenommene Ausbildung sei dem Grunde nach nicht förderungsfähig, weil er keine berufsbildende Ausbildung im Sinne von § 7 Abs. 1 BAföG durchlaufe. Bei einem Abschluss werde er die gesetzliche Rentenaltersgrenze bereits überschritten haben. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. 6 Der Kläger hat gegen die Ablehnung des Förderantrags Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht abgewiesen hat. Die Gewährung von Ausbildungsförderung scheitere an einer teleologischen Reduktion des § 10 Abs. 3 Satz 2 BAföG, weil der Kläger sein Studium erst so spät aufgenommen habe, dass nach dessen Abschluss keine nennenswerte Berufstätigkeit mehr möglich sei. 7 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Zwar spreche § 10 Abs. 3 BAföG seinem Wortlaut nach nicht gegen einen Förderungsanspruch des Klägers, weil die dort geregelte Altersgrenze nicht gelte, wenn die Zugangsvoraussetzung für die zu fördernde Ausbildung im Zweiten Bildungsweg erworben worden sei. Diese Ausbildung habe der Kläger auch unverzüglich nach dem Erwerb der Zugangsvoraussetzung aufgenommen, weil das von ihm gewählte Studium an der Universität Hamburg immer nur zum Wintersemester angeboten werde. Allerdings handele es sich angesichts des Alters des Klägers von 65 Jahren bei Beginn des Studiums nicht um eine förderungsfähige Ausbildung im Sinne von § 7 Abs. 1 BAföG. Eine solche liege dann nicht vor, wenn diese erst in einem so hohen Alter aufgenommen werde, dass der Auszubildende sich bei ihrem Abschluss bereits im Rentenalter befinden werde. Das Arbeitsleben ende typischerweise mit dem Eintritt in den Ruhestand, also regelmäßig - und für viele Berufe zwingend - mit dem Erreichen der in § 35 Satz 2 und § 235 SGB VI bestimmten Regelaltersgrenze. Demzufolge könne von einer nach § 7 Abs. 1 BAföG förderungsfähigen berufsbildenden Ausbildung dann nicht mehr die Rede sein, wenn von vornherein feststehe, dass der Auszubildende nicht mehr am ""Arbeitsleben"" in diesem typisierenden Sinne teilnehmen werde, weil er nämlich die Ausbildung erst nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen haben werde. Ein Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78/EG liege hierin nicht, weil diese nach ihrem Art. 3 Abs. 3 auf Leistungen staatlicher Systeme keine Anwendung finde. Der Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Diskriminierungsverbots sei nicht eröffnet, weil der Sachverhalt nicht von der Richtlinie 2000/78/EG erfasst werde. Einer teleologischen Reduktion des § 10 Abs. 3 BAföG bedürfe es nicht. 8 Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er rügt eine Verletzung von § 7 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a BAföG, § 2 Abs. 2 SGB I, ferner des sich aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG ergebenden Anspruchs auf ein System der individuellen Ausbildungsförderung zur Sicherung der Teilhabe am staatlichen Ausbildungsangebot sowie des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG und schließlich des Verbots der Altersdiskriminierung als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG. Aus systematischen Gründen seien im Rahmen des Tatbestandsmerkmals ""berufsbildende Ausbildung"" im Sinne des § 7 Abs. 1 BAföG allein Art und Inhalt der Ausbildung (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BAföG) zu prüfen, da altersbezogene Beschränkungen der Förderungsmöglichkeiten speziell in § 10 BAföG geregelt seien. Soweit das Verwaltungsgericht meine, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bewusst den seltenen Fall eines Auszubildenden im Rentenalter gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG in den Genuss von Ausbildungsförderung kommen lassen wollte, könne dem nicht gefolgt werden. Dieser habe es gerade nicht für erforderlich gehalten, für die Ausnahmeregelungen zusätzlich eine Altersobergrenze einzuführen, die im Übrigen allein wegen des Vorbehalts des Gesetzes (§§ 31, 40 Abs. 1 SGB I) nötig sei, um die erforderliche Klarheit zu schaffen. Maßgeblich könne in diesem Zusammenhang auch nicht der angeblich allgemeine ""jugendpolitische"" Zweck der Ausbildungsförderung sein, sondern die bewusste Privilegierung des Zweiten Bildungswegs in § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG. Gegen eine teleologische Reduktion zu Lasten des Auszubildenden spreche außerdem sowohl § 2 Abs. 2 SGB I, wonach bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs sicherzustellen sei, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht würden, als auch das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG und das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Eine zusätzliche Altersgrenze auch für Fälle, in denen die Ausnahmevoraussetzungen nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG erfüllt seien, sei mit dem Grundsatz, dass allen dazu Befähigten ein Studium ermöglicht werden müsse, nicht vereinbar. Weiter verstoße die angefochtene Entscheidung gegen Unionsrecht und Art. 3 Abs. 1 GG. Da die Ausbildungsförderung erforderlich sei, um das Studium finanzieren zu können, sei der Zugang zur Berufsausbildung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG betroffen. Die Auffassung, diese sei für die Frage, ob für eine Ausbildung Sozialleistungen zu gewähren seien, nicht anwendbar, übersehe, dass es nicht um die Frage gehe, ob für eine Ausbildung Sozialleistungen zu gewähren seien, sondern darum, ob eine Altersdiskriminierung zulässig sei, wenn der Staat Ausbildungsförderungsleistungen vorsehe. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie ändere nichts daran, dass das Verbot der Altersdiskriminierung ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts sei. 9 Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. 10 Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich an dem Verfahren und unterstützt die Rechtsauffassung des Beklagten. II 11 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) entschieden, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsförderung nicht zusteht. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 4 VwGO). 12 Grundlage der rechtlichen Beurteilung des hier im Streit stehenden Förderanspruchs für den Bewilligungszeitraum von Oktober 2015 bis September 2016 ist das Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1952; 2012 I S. 197) in der Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2475). 13 Zwischen den Beteiligten steht mit Blick auf die Voraussetzungen, die dem Grunde nach an das Entstehen des Förderanspruchs geknüpft sind, zu Recht nicht im Streit, dass es sich bei dem von dem Kläger seinerzeit betriebenen Studium an der Universität Hamburg um eine nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG abstrakt förderfähige Ausbildung an einer inländischen Hochschule handelt, die auf einen berufsqualifizierenden Abschluss (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG) gerichtet ist, und dass der Kläger grundsätzlich die persönlichen Fördervoraussetzungen der §§ 8 ff. BAföG erfüllt. Ebenfalls unstreitig ist, dass der Anspruch auf eine Erstausbildung nach § 7 BAföG nicht im Lichte der Ausbildungsbiographie des Klägers als verbraucht anzusehen ist. 14 Die allein streitige Frage, ob dem Alter des Klägers beim voraussichtlichen Ende des Studiums eine den Förderanspruch hindernde rechtliche Bedeutung zukommt, ist im Ergebnis zu bejahen. Zwar kann eine nach § 7 Abs. 1 BAföG förderungsfähige berufsbildende Ausbildung auch dann vorliegen, wenn der Auszubildende bei deren Abschluss das Renteneintrittsalter erreicht haben wird (1.). Die beanspruchte Förderung ist aber zu versagen, weil der Kläger aus dem vorgenannten Grund die persönlichen Fördervoraussetzungen des § 10 Abs. 3 BAföG nicht erfüllt (2.). 15 1. Nach § 7 Abs. 1 BAföG wird Ausbildungsförderung (auch) für zumindest drei Schul- oder Studienjahre berufsbildender Ausbildung im Sinne der §§ 2 und 3 BAföG bis zu einem daran anschließenden berufsqualifizierenden Abschluss geleistet, längstens bis zum Erwerb eines Hochschulabschlusses oder eines damit gleichgestellten Abschlusses. Die unter Bezugnahme auf eine obergerichtliche Entscheidung (OVG Weimar, Beschluss vom 30. Januar 2001 - 3 EO 862/00 [ECLI:​DE:​OVGTH:​2001:​0130.3EO862.00.0A] - ThürVBl. 2002, 10 <12>) vertretene Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass ein Studium, das erst nach Eintritt in das Rentenalter abgeschlossen ist, keine förderfähige berufsbildende Ausbildung im Sinne dieser Vorschrift darstellt, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. 16 In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass sich der Begriff der berufsbildenden Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG allein auf die gesetzlichen Merkmale bezieht, die eine nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähige Ausbildung abstrakt aufweisen muss; insbesondere sind für den Begriff ""berufsbildende Ausbildung"" die personenbezogenen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG nicht von Bedeutung (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 - 5 C 4.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​280515U5C4.14.0] - Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 126 Rn. 9). Dies gilt in gleicher Weise für das personenbezogene Merkmal des Alters. 17 Dafür spricht bereits der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG mit dem dort hergestellten systematischen Zusammenhang des Begriffs ""berufsbildende Ausbildung"" zu den §§ 2 und 3 BAföG (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 - 5 C 4.14 - Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 126 Rn. 11). Dies wird in systematischer Hinsicht insbesondere dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber das hier in Rede stehende personenbezogene Merkmal, nämlich das Alter des Auszubildenden, als Zugangsvoraussetzung zur Förderung ausdrücklich und umfassend in einer eigenen Vorschrift (§ 10 BAföG) geregelt hat, die sich sogar in einem gesonderten entsprechenden Abschnitt (Abschnitt II. Persönliche Voraussetzungen) befindet (§§ 8 ff. BAföG). 18 Dies schließt es zwar nicht aus, dass personenbezogene Anforderungen (wie § 2 Abs. 1a BAföG zeigt) ausnahmsweise auch außerhalb dieses Abschnitts geregelt sein können. Für die Annahme einer solchen systematischen Ausnahmeregelung in § 7 Abs. 1 BAföG bedürfte es jedoch klarer Hinweise, die sich hinsichtlich der im Streit stehenden Altersregelung weder im Wortlaut der Norm finden noch durch deren Zwecksetzung zwingend nahegelegt werden. Vielmehr lässt sich auch aus Sinn und Zweck des § 7 BAföG nicht ableiten, dass diese Vorschrift eine persönliche Förderungsvoraussetzung in Gestalt einer Altersgrenze enthält. Zur Verwirklichung ihrer Zielsetzung, dass jeder Auszubildende eine Ausbildung im Sinne des Gesetzes durchführen kann, erweist es sich als notwendig, aber auch ausreichend, dass die im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG auf den Mindestumfang von drei Schul- oder Studienjahren anzurechnenden, in der Vergangenheit durchgeführten berufsbildenden Ausbildungen die abstrakten Voraussetzungen erfüllen, die an eine nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähige Ausbildung zu stellen sind (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 - 5 C 4.14 - Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 126 Rn. 16). Insofern zielt die Vorschrift darauf, den Anspruch auf Ausbildungsförderung grundsätzlich auf eine (förderfähige) Erstausbildung einzugrenzen; es geht dem Gesetzgeber insoweit um eine quantitative Begrenzung des Fördergegenstands (vgl. Steinweg, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 7 Rn. 1 und 7). Für eine dementsprechende Einordnung als Erstausbildung (oder ggf. auch als ausnahmsweise förderfähige weitere oder andere Ausbildung) kommt es aber grundsätzlich nicht auf persönliche Merkmale des jeweiligen Auszubildenden an. Sie folgt vielmehr in erster Linie den qualitativen Eigenschaften der (angestrebten bzw. einer früheren) Ausbildung, die sich aus dieser selbst ergeben, und ist jedenfalls nicht vom Alter desjenigen abhängig, der sie betreiben will. Soweit ausnahmsweise auch persönliche Umstände die Förderfähigkeit einer anderen Ausbildung über die Erstausbildung hinaus begründen, ist dies ausdrücklich geregelt (§ 7 Abs. 3 BAföG); die dort aufgeführten Umstände berühren im Übrigen die gesetzlichen Voraussetzungen der Förderfähigkeit einer Erstausbildung, um die es hier geht, gerade nicht. 19 2. Der geltend gemachte Förderanspruch ist aber zu versagen, weil der Kläger die persönlichen Fördervoraussetzungen des § 10 Abs. 3 BAföG nicht erfüllt. Denn die Vorschrift schließt eine Förderung aus, wenn ein Auszubildender - wie der Kläger - bei einem planmäßigen Abschluss der Ausbildung, für die er Ausbildungsförderung beansprucht, bereits das Rentenalter erreicht haben wird. Dies ergibt sich im Wege der Auslegung der Norm (a). Dieses Auslegungsergebnis ist entgegen der Ansicht des Klägers auch mit höher- bzw. vorrangigem Recht vereinbar (b). Auf dieser Grundlage erweist sich das vom Oberverwaltungsgericht gefundene Ergebnis als richtig (c). 20 a) Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG wird Ausbildungsförderung nicht geleistet, wenn der Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts, für den er Ausbildungsförderung beantragt, das 30. Lebensjahr, bei Studiengängen nach § 7 Abs. 1a BAföG das 35. Lebensjahr vollendet hat. Maßgeblich ist hier die Altersgrenze von 30 Lebensjahren, da der Kläger ein Studium in einem Bachelorstudiengang und damit keinen Studiengang nach § 7 Abs. 1a BAföG betrieben hat. Diese Altersgrenze hat er überschritten. 21 Zwar kommt die in § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG bezeichnete Altersgrenze dann nicht zur Anwendung, wenn der Auszubildende die Zugangsvoraussetzung für die angestrebte Ausbildung (hier das Hochschulstudium) u.a. an einem Abendgymnasium erworben hat (§ 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG) und die Ausbildung unverzüglich nach Erreichen der Zugangsvoraussetzungen aufnimmt (§ 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) sind diese Voraussetzungen erfüllt, was zwischen den Beteiligten auch nicht (mehr) streitig ist. Die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG greift aber dann nicht ein, wenn der Auszubildende bei einem planmäßigen Abschluss der Ausbildung, für die er Ausbildungsförderung beansprucht, bereits das Rentenalter erreicht haben wird, weil dann keine ""zu fördernde Ausbildung"" im Sinne dieser Vorschrift mehr vorliegt. Dies ergibt die Auslegung der Norm insbesondere unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik sowie des Zwecks des Gesetzes und seiner Entstehungsgeschichte. 22 aa) Der Wortlaut des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG steht dem nicht entgegen. Er enthält zwar keine ausdrückliche altersmäßige Beschränkung der Anwendungsausnahme im Sinne einer (Höchst-)Altersgrenze für die Förderung eines Studiums nach dem Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung im Zweiten Bildungsweg. Das angeordnete Nichtgelten der in Satz 1 der Vorschrift normierten Altersgrenze von 30 oder 35 Jahren schließt es jedoch nicht aus, der Vorschrift eine weitere Altersbegrenzung zu entnehmen. Weil diese Begrenzung innerhalb des möglichen Wortsinns der Gesetzesbestimmung liegt, besteht entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts für eine richterliche Rechtsfortbildung in Form der teleologischen Reduktion (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 22. Mai 2014 - 5 C 27.13 - Buchholz 428.4 § 1 AusglLeistG Nr. 26 Rn. 21 m.w.N.) keine Veranlassung, obgleich das Vorliegen ihrer Voraussetzungen angesichts der im vorliegenden Kontext zu berücksichtigenden nachfolgend dargestellten Zwecksetzung der Vorschrift ebenfalls zu bejahen sein dürfte. Der oben genannte Satz, dass § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG eine (weitere) Höchstaltersgrenze für die Förderfähigkeit einer Ausbildung enthält, ergibt sich bereits als Ergebnis einer an normative Aussagen rückgebundenen und unter Würdigung der Gesetzessystematik und insbesondere der Zwecksetzung der Vorschrift vorgenommenen Auslegung. 23 (1) Das genannte Auslegungsergebnis des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG setzt sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht in unzulässiger Weise über den Wortlaut des Gesetzes hinweg; eine Sperrwirkung für die weitere Auslegung besteht nicht. Der Normtext des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG besagt nicht, dass in dem von ihm geregelten Fall eine weitere Altersgrenze nicht bestünde; vielmehr lässt er offen, ob eine weitere Interpretation der Vorschrift zur Annahme einer Altersgrenze jenseits von 30 oder 35 Jahren führen kann. 24 Normativer Anknüpfungspunkt hierfür ist der in § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG enthaltene Begriff der ""zu fördernden Ausbildung"". Entsprechende Ansatzpunkte im Normtext für eine derartige Auslegung lassen sich im Übrigen auch anderen Tatbeständen des § 10 Abs. 3 Satz 2 BAföG entnehmen. Seiner möglichen Wortbedeutung nach kann mit dem Begriff der ""zu fördernden Ausbildung"" nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG nicht nur in einem deskriptiven Sinne die Ausbildung gemeint sein, deren Förderung Gegenstand des geltend gemachten Anspruchs ist. Er kann auch als ""förderungsfähige Ausbildung"" verstanden werden und ist damit offen für eine Deutung als Anknüpfungspunkt weiterer inhaltlicher Anforderungen, die an eine solche Ausbildung zu stellen sind. Dass in diesen Anforderungen ihrem näheren Gehalt nach eine weitere Altersgrenze gründet, ergibt sich aus der Systematik, dem Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. 25 (2) In systematischer Hinsicht schließt § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG als (Gegen-)Ausnahme an die Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG an. Die im Jahr 1979 vorgenommene und auch heute noch geltende grundsätzliche Absenkung der Altersgrenze für die Ausbildungsförderung von 35 auf 30 Jahre beruhte auf der Erwägung des Gesetzgebers, die ""jugendpolitische Zielsetzung"" des Gesetzes stärker betonen zu wollen (vgl. BT-Drs. 8/2868 S. 26). Sie nimmt damit Bezug auf die allgemein auf eine Förderung junger Menschen gerichtete Zwecksetzung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, die wesentlich in dem Interesse der Allgemeinheit an einem qualifizierten Arbeitskräftenachwuchs begründet ist (vgl. BT-Drs. 6/1975 S. 19), und an der der Gesetzgeber trotz anderslautender Vorschläge bis in die jüngste Vergangenheit auch unter Verweis auf die Beibehaltung der Altersgrenze festgehalten hat (vgl. BT-Drs. 19/8749 S. 58). Hieran anknüpfend liegt der Sinn der allgemeinen Altersgrenze nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG darin, einem geringeren Interesse der Allgemeinheit an der Ausschöpfung von Bildungsreserven Rechnung zu tragen, wenn die zu erwartende Berufsdauer nach einem Abschluss der Ausbildung nur noch relativ kurz und der Einzelne vor Erreichen der Grenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG im Allgemeinen in der Lage ist, eine förderfähige Ausbildung zu beginnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. September 1980 - 1 BvR 715/80 - FamRZ 1981, 404). Sie ist Ausdruck der Absicht des Gesetzgebers, in erster Linie die Ausbildung junger Menschen zu fördern (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. November 1980 - 5 C 29.79 - juris Rn. 41; ebenso Steinweg, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 10 Rn. 5; Roggentin, in: Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Stand März 2011, § 10 Rn. 6). 26 Die Ausnahmeregelung in § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG ist wiederum darin begründet, im Sinne einer Härteklausel etwaige Benachteiligungen der Absolventen des Zweiten Bildungswegs auszugleichen, die aus der Herabsetzung der allgemeinen Altersgrenze auf 30 Jahre resultieren. Diesen sollen auch nach Überschreiten dieser Altersgrenze die gleichen beruflichen Qualifikationschancen eingeräumt sein wie sie den übrigen Auszubildenden im Allgemeinen schon in jüngeren Lebensjahren zur Verfügung stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 1991 - 5 C 40.88 - Buchholz 436.36 § 10 BAföG Nr. 19 S. 18). Der damit verbundene Nachteilsausgleich nimmt zwar eine weitgehende Einschränkung der Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit in Kauf, weil mit ihm nicht die Erwartung verbunden ist, der Auszubildende werde auch noch eine angemessen lange Zeit berufstätig sein können (vgl. zu § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 bzw. 4 BAföG: BVerwG, Urteil vom 9. Mai 1985 - 5 C 48.82 - BVerwGE 71, 268 <278 f.> und Beschluss vom 6. November 1991 - 5 B 121.91 - Buchholz 436.36 § 10 BAföG Nr. 18 S. 13). Allerdings wollte der Gesetzgeber mit dem Absehen von der Einhaltung der Altersgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG nicht zugleich die Förderung einer berufsqualifizierenden Ausbildung um ihrer selbst willen zulassen, indem er sie auch hinsichtlich des Lebensalters vollständig von ihrem leitenden Zweck entkoppelt, im Interesse der Allgemeinheit die Hebung von Reserven für einen qualifizierten Arbeitskräftenachwuchs zu ermöglichen oder auch zum wirtschaftlichen Aufstieg des Einzelnen beizutragen (vgl. zu Letzterem: BVerwG, Urteil vom 9. Mai 1985 - 5 C 48.82 - BVerwGE 71, 268 <279>). Andernfalls würde § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG die ihm vom Gesetzgeber zugedachte Nachteilsausgleichsfunktion gänzlich verlieren und zu einem von den Fördervoraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG völlig losgelösten Privilegierungstatbestand werden. Eine entsprechende Absicht des Gesetzgebers ist auszuschließen. Die Vorschrift bezweckt daher nicht die Förderung einer Ausbildung über ein Lebensalter hinaus, in dem ein Gebrauchmachen von den durch sie erworbenen beruflichen Qualifikationen nicht mehr zu erwarten ist, weil sie nicht mehr in eine Berufsausübung münden. 27 (3) Eine Absicht oder Vorstellung des Gesetzgebers, die Privilegierung der Absolventen des Zweiten Bildungswegs durch § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG so weit auszudehnen, dass nach dieser Vorschrift überhaupt keine Altersgrenze für eine Ausbildungsförderung mehr zur Anwendung kommen soll, lässt sich auch der Entstehungsgeschichte der Vorschrift nicht entnehmen. Zwar mag die in der Begründung des Regierungsentwurfs verwendete Formulierung, die Fördermöglichkeiten sollten ""unabhängig von einer Altersgrenze"" bzw. ""unabhängig vom Alter des Auszubildenden"" gewährt werden (BT-Drs. 8/2868 S. 26 f.), vordergründig in eine solche Richtung weisen. Damit wird jedoch, wie auch die Ausführungen zur Nichtanwendung der Altersgrenze wegen der Art der Ausbildung oder der Lage des Einzelfalls zeigen (BT-Drs. 8/2868 S. 27), konkret die Dispensierung von der Altersgrenze von 30 Jahren in den Blick genommen, nicht jedoch ausgesagt, der Gesetzgeber habe damit auch von dem der Förderung einer berufsqualifizierenden Ausbildung innewohnenden Erfordernis der Möglichkeit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit absehen wollen. 28 bb) Die der gesetzgeberischen Wertung entsprechende inhaltliche Festlegung der danach in § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG verankerten Altersgrenze, ab der ein Gebrauchmachen von einer Ausbildung nicht mehr zu erwarten ist, erschließt sich ebenfalls anhand von Systematik und Sinn und Zweck dieser Regelung. 29 In systematischer Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die allgemeine Altersgrenze nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG auf der Grundlage einer typisierenden Betrachtung festgelegt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. September 1980 - 1 BvR 715/80 - FamRZ 1981, 404). Auch was die Privilegierungstatbestände des § 10 Abs. 3 Satz 2 BAföG betrifft, hat der Gesetzgeber auf typisierte Ausnahmekonstellationen zurückgegriffen. Dies spricht dafür, dass er auch die Frage, wann eine Ausbildung nicht mehr förderungsfähig ist, weil nicht mehr zu erwarten ist, dass von ihr noch im Sinne einer Berufsausübung Gebrauch gemacht wird, anhand einer typisierenden Betrachtung beantworten wollte. Eine solche Typisierung erscheint auch deshalb angezeigt, weil der hinter der Altersgrenze stehende Zweck jedenfalls maßgeblich auf das Interesse der Allgemeinheit abzielt und insofern keine Einzelfallbetrachtung erfordert. Inhaltlich liegt es vor diesem Hintergrund nahe, auf jene gesetzgeberischen Wertungen abzustellen, die sich aus den allgemeinen Regelungen über die Regelaltersgrenze für den Rentenbezug nach § 35 Satz 2 und § 235 Abs. 2 SGB VI ergeben (in diesem Sinne schon BVerwG, Urteil vom 9. Mai 1985 - 5 C 48.82 - BVerwGE 71, 268 <279> und Beschluss vom 6. November 1991 - 5 B 121.91 - Buchholz 436.36 § 10 BAföG Nr. 18 S. 13), die grundsätzlich auch für das Beamtenverhältnis maßgeblich sind (vgl. § 25 BeamtStG und § 51 BBG). Mit diesen gibt die Rechtsordnung für die weitaus überwiegende Zahl der Berufsgruppen und der Berufstätigen den Zeitpunkt zu erkennen, zu dem sie die Obliegenheit, den Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst sicherzustellen, als grundsätzlich erfüllt ansieht, und der auch für den Bezug anderer erwerbsbezogener Sozialleistungen maßgeblich ist (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 7a SGB II). Dies erlaubt die prognostische Wertung, dass jenseits dieser Altersgrenze die erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in einem neuen Berufsfeld nicht zu erwarten ist. Zwar trifft es zu, dass das Erreichen der Regelaltersgrenze im Anwendungsbereich des Sozialversicherungsrechts für sich genommen arbeitsrechtlich nicht zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses führt und auch im Übrigen kein Arbeitsverbot zum Inhalt hat. Richtig ist auch, dass der Gesetzgeber seit einiger Zeit die Absicht verfolgt, den Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand flexibler zu gestalten. Die damit einhergehenden Erleichterungen zielen aber neben einer Verbesserung der Kombinierbarkeit von Einkommen aus Teilzeitarbeit und vorgezogener Altersrente insbesondere auf die Beseitigung von arbeits- und rentenversicherungsrechtlichen Hemmnissen für die Fortsetzung von bestehenden Arbeitsverhältnissen über die rentenrechtliche Regelaltersgrenze hinaus (vgl. etwa § 41 Satz 3 SGB VI). Sie stellen die generelle Wertung nicht infrage, dass unter den Erwerbstätigen jenseits dieser Grenze schon der allgemeinen Lebenserfahrung nach nur zu einem verschwindend geringen Anteil auch Personen sind, die danach überhaupt erst eine Tätigkeit in einem gänzlich neu erlernten Beruf aufgenommen haben. Deswegen kommt es auch nicht darauf an, dass ein durchaus beachtlicher Teil der Erwerbstätigen, nämlich diejenigen, die eine Berufstätigkeit selbständig ausüben, von der rentenrechtlichen Regelaltersgrenze überhaupt nicht betroffen ist. 30 cc) Aus § 2 Abs. 2 und § 31 SGB I, die wegen § 68 Nr. 1 und § 37 Satz 2 SGB I hier zu beachten sind, ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers nichts Anderes. Die Auslegungsregel des § 2 Abs. 1 SGB I enthält keinen Widerspruch zu den Prinzipien der Methodenlehre, sondern gebietet eine bürgerfreundliche Gesetzesinterpretation, soweit eine solche unter Zugrundelegung der anerkannten Methoden möglich ist (stRspr, vgl. BSG, Urteile vom 10. November 2011 - B 8 SO 12/10 R [ECLI:​DE:​BSG:​2011:​101111UB8SO1210R0] - SozR 4-3500, Stand Januar 2013, § 30 Nr. 4 Rn. 23 und vom 8. Februar 2012 - B 5 R 38/11 R [ECLI:​DE:​BSG:​2012:​080212UB5R3811R0] - SozR 4-5075, Stand Dezember 2012, § 3 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.). Seine Bedeutung hat § 2 Abs. 2 SGB I deswegen dann, wenn unter Heranziehung aller Auslegungskriterien Zweifel über das richtige Ergebnis verbleiben. Solche Zweifel bestehen hier nicht. Auch § 31 SGB I lässt eine Ermittlung des Inhalts einer Norm durch die anerkannten Auslegungsmethoden unberührt, weil danach ausreichend ist, dass das Gesetz eine Rechtsfolge ""zulässt"", also bloß implizit einen entsprechenden Inhalt hat (vgl. BT-Drs. 7/868 S. 27; Weselski, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, § 31 Rn. 40). 31 b) Diese Auslegung des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG ist mit höher- bzw. vorrangigem Recht vereinbar. 32 aa) Sie gibt § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG zunächst keinen Inhalt, der das Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG verletzt. 33 (1) Der Staat ist aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG objektiv-rechtlich verpflichtet, ein Ausbildungsförderungssystem zu schaffen und zu unterhalten, um die Teilhabe bedürftiger Auszubildender an den staatlich zur Verfügung gestellten Ausbildungsplätzen zu ermöglichen. Dem Gesetzgeber ist danach nicht nur untersagt, den Zugang zur Ausbildungsstätte prohibitiv auszugestalten. Aus der grundrechtlichen Gewährleistung des chancengleichen Zugangs zu staatlich geschaffenen Ausbildungskapazitäten ergibt sich, dass der Gesetzgeber bestehende prohibitiv wirkende Zugangshindernisse, wie etwa Mittellosigkeit, nicht tatenlos hinnehmen darf, sondern aktiv auf deren Beseitigung hinwirken muss, um denjenigen unbemittelten Auszubildenden, die einen entsprechenden Ausbildungsplatz erhalten haben, zu ermöglichen, die Ausbildung auch tatsächlich durchzuführen. Mit dieser objektiv-rechtlichen Verpflichtung korrespondiert ein subjektives Recht bedürftiger Auszubildender auf eine die Teilhabe erst tatsächlich ermöglichende staatliche Förderung. Bei der Ausgestaltung des Ausbildungsförderungsrechts steht dem Gesetzgeber allerdings ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ihm obliegt es, die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen der Ausbildungsförderung einschließlich von Eignungs- und Leistungsanforderungen festzulegen, wobei er angesichts des Umstandes, dass Ausbildungsförderung im Wege der Massenverwaltung erfolgt und auf möglichst einfach zu erzielende und schnell sowie eindeutig herbeizuführende Ergebnisse angewiesen ist, in weitem Umfang auf Pauschalierungen und Typisierungen zurückgreifen kann. Er hat ferner einen großen Spielraum bezüglich der Gestaltung der Förderung dem Grunde nach wie auch in Bezug auf ihre Art und Weise (BVerwG, Beschluss vom 20. Mai 2021 - 5 C 11.18 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2021:​200521B5C11.18.0] - juris Rn. 16, 21 und 30). 34 Die Auslegung des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG, nach der eine zu fördernde Ausbildung im Sinne dieser Vorschrift nicht mehr vorliegt, wenn der Auszubildende bei ihrem planmäßigen Abschluss bereits das Rentenalter erreicht haben wird, ist bei Zugrundelegung dieser Grundsätze als Ausgestaltung des Anspruchs auf Zugang zur Ausbildungsförderung insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Da die hier in Rede stehende Differenzierung anhand des personenbezogenen und unverfügbaren Merkmals des Alters erfolgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 371/11 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2016:​rs20160727.1bvr037111] - BVerfGE 142, 353 Rn. 69 m.w.N.), kommt im Rahmen der stufenlosen Rechtfertigungsprüfung der Maßstab der strengen Verhältnismäßigkeit zur Anwendung. Die Typisierungsbefugnisse des Gesetzgebers wirken sich in diesem Zusammenhang einerseits bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Heranziehung des Differenzierungsmerkmals und andererseits bei den Maßstäben der Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne aus (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2021 - 1 BvR 2237/14 u.a. [ECLI:​DE:​BVerfG:​2021:​rs20210708.1bvr223714] - NVwZ 2021, 1445 Rn. 110 ff.). 35 (a) Die im Wege der Auslegung des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG ermittelte Altersgrenze verfolgt zunächst ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel, nämlich auch im Interesse der Allgemeinheit die Förderung auf solche Sachverhalte zu begrenzen, bei denen ein Bildungsgang überhaupt noch auf eine berufliche Tätigkeit, also auf eine auf Dauer angelegte und auf Erwerb gerichtete Beschäftigung hinführen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. September 1980 - 1 BvR 715/80 - FamRZ 1981, 404); nur so weit reicht auch der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG im vorliegenden Zusammenhang des grundrechtlichen Anspruchs auf Ausbildungsförderung. 36 (b) Die Heranziehung der Altersgrenze als typisierendes, nicht jede Einzelfallsituation berücksichtigendes Merkmal ist zur Erreichung dieses Zwecks als geeignet und erforderlich anzusehen. Der Gesetzgeber darf unter bestimmten Voraussetzungen typisierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Benachteiligung Einzelner gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Er darf sich dabei grundsätzlich am Regelfall orientieren und Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, generalisierend vernachlässigen. Insbesondere bei der Ordnung von Massenerscheinungen muss er nicht unter allen Umständen um alle denkbaren Einzelfälle besorgt sein. Eine Typisierung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine Regelung über ungewisse Umstände oder Geschehnisse zu treffen ist, die sich selbst bei detaillierter Einzelfallbetrachtung nicht mit Sicherheit bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2021 - 1 BvR 2237/14 u.a. - NVwZ 2021, 1445 Rn. 149 f.). 37 Die hier in Rede stehende Altersgrenze ist insofern typisierend, als sie nicht im Einzelfall danach fragt, ob bei jedem der von ihr betroffenen Auszubildenden eine Berufsausübung im Anschluss an eine Ausbildung nicht mehr in Betracht kommt. Sie ist als geeignet zur Erreichung des Zwecks anzusehen, weil sie sich insoweit an einem von der Rechtsordnung selbst als typisch eingeordneten einschlägigen Fall orientiert. Diese geht nämlich mit der Regelaltersgrenze selbst von einer Obergrenze aus, bis zu der der Lebensunterhalt typischerweise durch eigene Erwerbstätigkeit selbst sicherzustellen ist, an deren Stelle mit Erreichen der Altersgrenze ein Rentenanspruch tritt. Sie betrifft zwar nicht alle Berufe, insbesondere nicht selbständig ausgeübte Berufe. Gleichwohl kann nicht übersehen werden, dass die weitaus überwiegende Zahl aller Berufstätigen in Berufen beschäftigt ist, die der Regelaltersgrenze unterliegen, und dass trotz aller auch gesetzlichen Öffnungsmöglichkeiten diese auch der allgemeinen Lebenserfahrung nach weiterhin in der überwiegenden Zahl aller Fälle eingehalten wird. Insofern wird mit der in Rede stehenden Altersgrenze im Sinne eines Gesamtbilds erkennbar realitätsgerecht ein typischer Fall abgebildet, ohne dass es weitergehender Feststellungen hierzu bedarf. Sie ist auch erforderlich, weil die Ausbildungsförderung die Ordnung einer Massenerscheinung betrifft. Hinzu kommt, dass eine strikte Einzelfallprüfung im konkreten Fall ohnehin nicht möglich ist, weil sie auch objektiv in hohem Maße ungewisse Umstände oder Geschehnisse betrifft, insbesondere die Frage, ob einer bestimmten Person in Zukunft trotz eines hohen Alters eine Tätigkeit im angestrebten Beruf noch möglich sein wird. 38 (c) Schließlich ist die durch Auslegung des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG ermittelte Altersgrenze auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Eine Ungleichbehandlung ist nur dann verhältnismäßig im engeren Sinne, wenn das Maß der Ungleichbehandlung in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung des mit der Differenzierung verfolgten Ziels und zu dem Ausmaß und Grad der durch die Ungleichbehandlung bewirkten Zielerreichung steht. Handelt es sich um typisierende Regelungen, darf das Ausmaß der durch sie verursachten Ungleichbehandlung nicht sehr intensiv sein. Wesentlich ist ferner, ob die Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären; hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht. Die aus der Typisierung erwachsenden Vorteile müssen im rechten Verhältnis zu der damit notwendig verbundenen Ungleichheit stehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2021 - 1 BvR 2237/14 u.a. - juris Rn. 222). Insoweit kann bei einer wertenden Betrachtung davon ausgegangen werden, dass lediglich eine sehr geringe Anzahl von Personen, die sich unmittelbar vor Eintritt in das Rentenalter befinden, unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG noch eine förderfähige Ausbildung beginnen und anschließend möglicherweise einen neuen Beruf ergreifen wollen. Soweit danach dennoch Härten im Einzelfall auftreten, sind sie nicht zu vermeiden, weil der Förderverwaltung eine hinreichend verlässliche Prüfung, ob in einem hohen Lebensalter eine Erwerbstätigkeit in einem neuen Beruf aufgenommen werden soll, im konkreten Fall wegen einer Vielzahl prognostischer Unwägbarkeiten praktisch nicht möglich ist. Es bedarf in diesem Zusammenhang daher keiner Härtefallklauseln zur Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit. 39 (2) Der Ausschluss von Personen, die im Rentenalter unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG noch eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung durchführen wollen, von Leistungen der Ausbildungsförderung verletzt auch nicht den Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, soweit ihnen aufgrund von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII infolgedessen auch Leistungen der Grundsicherung im Alter verwehrt wären. Ein solcher Ausschluss ist hier nicht streitgegenständlich und würde im Übrigen nicht die Verfassungsmäßigkeit der hier in Rede stehenden Auslegung des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG berühren, sondern allenfalls in einem Fall der Kollision mit Leistungen der Grundsicherung im Alter die Frage nach einer verfassungskonformen Interpretation des § 22 SGB XII bzw. seiner Verfassungsmäßigkeit aufwerfen. 40 bb) Die dem § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG durch Auslegung entnommene Altersgrenze ist schließlich auch mit Unionsrecht vereinbar. Sie stellt weder eine gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßende Diskriminierung wegen des Alters im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Richtlinie 2000/78/EG dar (1), noch lässt sich ein derartiger Verstoß unter Rückgriff auf das allgemeine unionsrechtliche Diskriminierungsverbot begründen (2). 41 (1) Die Richtlinie 2000/78/EG soll einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung unter anderem wegen des Alters in Beschäftigung und Beruf schaffen (Art. 1 Richtlinie 2000/78/EG). Der von ihr verwendete Begriff der Beschäftigung bzw. des Berufs umfasst nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2000/78/EG u.a. auch den Zugang zu allen Formen und Ebenen der Berufsausbildung und ist insofern für den hier in Rede stehenden Sachverhalt grundsätzlich einschlägig, weil die Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz den Zugangsanspruch des Einzelnen zur Berufsausbildung ökonomisch absichern soll. Dennoch bedarf es keiner Entscheidung, ob die hier in Rede stehende Altersgrenze als eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 6 Richtlinie 2000/78/EG anzusehen ist. Denn die Richtlinie scheidet im vorliegenden Fall als Prüfungsmaßstab aus. 42 Nach Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2000/78/EG gilt diese nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes. Damit wird ihre Anwendung auch auf das finanzielle Fördersystem des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ausgeschlossen, selbst wenn der Zugang zur Berufsausbildung als solcher von ihr erfasst ist (vgl. Mohr, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum Europäischen Arbeitsrecht, 4. Aufl. 2022, RL 2000/78/EG Art. 3 Rn. 32). Schon der systematische Zusammenhang des Art. 3 Abs. 3 zu Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2000/78/EG belegt, dass der Ausschluss auch alle in Art. 3 Abs. 3 genannten staatlichen Leistungen erfasst, die den Zugang zu allen Formen der Berufsausbildung ökonomisch erst ermöglichen sollen. Bestätigt wird dies durch den Erwägungsgrund 13 (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 21. Januar 2015 - C-529/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​20], Felber - Rn. 20), nach dem die Richtlinie auf zwei Fallgruppen keine Anwendung findet (""... weder ... noch ...""), von denen eine ""Vergütungen jeder Art seitens des Staates, die den Zugang zu einer Beschäftigung ... zum Ziel haben"", betrifft. Die historische Auslegung bekräftigt diesen Befund mit Blick auf den Fördercharakter der staatlichen Leistungen: Die genannte Bereichsausnahme war ursprünglich im Richtlinienentwurf der Kommission nicht vorgesehen und ist auch im parlamentarischen Verfahren nicht aufgenommen worden. Sie beruht vielmehr auf einem Vorschlag des Rates im abschließenden Beratungsstadium, der vorsah, dass den Mitgliedstaaten das Recht eingeräumt werden sollte, von ihrem Anwendungsbereich u.a. Vergütungen jeder Art auszuschließen, die im Rahmen gesetzlicher Systeme gezahlt werden, einschließlich solcher, die den Zugang zur Beschäftigung fördern (Ratsdokument Nr. 11352/00 S. 15 Fn. 18 und Ratsdokument Nr. 11713/00 S. 6). Dieser Vorschlag hat erkennbar im Erwägungsrund 13 seinen Niederschlag gefunden. 43 (2) Auch ein Verstoß gegen das allgemeine unionsrechtliche Diskriminierungsverbot liegt entgegen der Ansicht des Klägers nicht vor. Soweit sich aus allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts ein Diskriminierungsverbot wegen des Alters ergibt, folgt die Bindung der Mitgliedstaaten hieran aus der Vorschrift des Art. 21 GRC, was zur Folge hat, dass diese nur gebunden sind, wenn sie im Sinne von Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC Unionsrecht anwenden und vollziehen. Ein solcher Vollzug von Unionsrecht liegt hier nicht vor. 44 Der Europäische Gerichtshof hat das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ursprünglich unter Rückgriff auf ältere Judikate aus allgemeinen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten und dem Völkerrecht abgeleitet (EuGH, Urteil vom 22. November 2005 - C-144/04 [ECLI:​EU:​C:​2005:​709], Mangold - Rn. 74 f.). Nach dem Inkrafttreten der Grundrechtecharta hat er zunächst zusätzlich Art. 21 Abs. 1 GRC als Geltungsgrund mitzitiert, kraft dessen das Diskriminierungsverbot ""nunmehr"" als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anzusehen sei (EuGH, Urteile vom 19. Januar 2010 - C-555/07 [ECLI:​EU:​C:​2010:​21], Kücükdeveci - Rn. 21 f. und vom 19. April 2016 - C-441/14 [ECLI:​EU:​C:​2016:​278], Dansk Industri - Rn. 22). In späteren Entscheidungen ist zur Begründung eines allgemeinen Grundsatzes des Unionsrechts nur noch auf Art. 21 GRC abgestellt worden (EuGH, Urteile vom 17. April 2018 - C-414/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​257], Egenberger - Rn. 47 und 76, vom 11. September 2018 - C-68/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​696], IR - Rn. 69 und 71 und vom 22. Januar 2019 - C-193/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​43], Cresco - Rn. 76). Diese Überführung des allgemeinen Diskriminierungsverbots in Art. 21 GRC hat zur Folge, dass auch die Regelung über den Anwendungsbereich der Grundrechtecharta aus Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC Anwendung findet (vgl. EuGH, Urteil vom 17. April 2018 - C-414/16 - Rn. 49; Krebber, EuZA 2016, 3 <13>). 45 Ein Sachverhalt, der im Sinne von Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt und die Anwendbarkeit von Art. 21 GRC begründet, ist hier indes nicht gegeben. In den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt ein Sachverhalt, wenn ein hinreichender Zusammenhang von einem gewissen Grad zwischen einem Unionsrechtsakt und der fraglichen nationalen Maßnahme besteht. Allein der Umstand, dass eine nationale Maßnahme in einen Bereich fällt, in dem Unionszuständigkeiten bestehen, kann diese Maßnahme nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts bringen. Hierzu muss das Unionsrecht bestimmte Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf den nationalen Sachverhalt schaffen, durch die ihr Tätigwerden im weiten Sinne einer Erfüllung unionsrechtlicher Verpflichtungen oder Ermächtigungen als Durchführung von Unionsrecht, einschließlich des Sekundärrechts, anzusehen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - C-363/20 [ECLI:​EU:​C:​2022:​21], Marcas - Rn. 38; Schwerdtfeger, in: Meyer/Hölscheidt, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Art. 51 Rn. 46 f. und 50; Thym, NVwZ 2013, 889 <894>). 46 Nationaler Sachverhalt ist im hier gegebenen Zusammenhang der Ausschluss von Personen, die im Zeitpunkt des Abschlusses einer förderfähigen Ausbildung die Rentenregelaltersgrenze überschritten haben, von der Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. In Bezug hierauf schafft das Unionsrecht aber gerade keine Anforderungen, weil weder die Richtlinie 2000/78/EG noch sonstiges Unionsrecht in anderer Weise auf diese Förderung anwendbar sind, so dass auch keinerlei Verbindung zwischen einem Unionsrechtsakt und dem Sachverhalt besteht. 47 c) Ausgehend hiervon erweist sich das vom Oberverwaltungsgericht gefundene Ergebnis als richtig. Da der Kläger nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts bei Beendigung des im hier maßgeblichen Zeitraum betriebenen Studiums voraussichtlich ein Alter von 69 Jahren erreicht hätte, hätte er die für ihn maßgebliche Rentenregelaltersgrenze von 65 Jahren und vier Monaten (§ 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI; Geburtsjahrgang 1950) bei planmäßigem Abschluss des Studiums bei weitem überschritten. Der geltend gemachte Anspruch besteht damit nicht, weil Ausbildungsförderung hier nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG wegen Überschreitens der Altersgrenze von 30 Jahren nicht geleistet wird, und der Privilegierungstatbestand des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG keine Anwendung findet. 48 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO." bverwg_2021-8,27.01.2021,"Pressemitteilung Nr. 8/2021 vom 27.01.2021 EN Rechtswidrige Bewilligung von Sonntagsarbeit im Online-Versandhandel Sonntagsarbeit zur Abwendung eines unverhältnismäßigen Schadens darf gemäß § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) nur wegen einer vorübergehenden Sondersituation bewilligt werden, die eine außerbetriebliche Ursache hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Beigeladene ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft eines Online-Versandhändlers. Innerhalb des Konzerns ist sie mit der Ausführung der auf dessen Webseite eingehenden Bestellungen betraut. Auf ihren Antrag hin erteilte der Beklagte ihr eine Bewilligung zur Beschäftigung von jeweils 800 Arbeitnehmern am 3. und 4. Adventssonntag 2015, weil besondere Verhältnisse dies zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens erforderten. Andernfalls drohe ein Überhang von ungefähr 500 000 unbearbeiteten Bestellungen bis Weihnachten. Auf Antrag der Klägerin, einer Gewerkschaft für den Dienstleistungssektor, hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Bewilligung rechtswidrig gewesen ist. Die Berufung dagegen blieb ohne Erfolg.  Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zurückgewiesen. Nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b ArbZG kann die zuständige Behörde an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen die Beschäftigung von Arbeitnehmern bewilligen, wenn besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erfordern. Besondere Verhältnisse sind vorübergehende Sondersituationen, die eine außerbetriebliche Ursache haben. Sie dürfen also nicht vom Arbeitgeber selbst geschaffen sein. Auf solche innerbetrieblichen Umstände war aber der Bedarf für die beantragte Sonntagsarbeit nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zurückzuführen. Ursächlich war nicht schon der saisonbedingt erhöhte Auftragseingang. Die Lieferengpässe wurden vielmehr maßgeblich durch die kurz vor dem Weihnachtsgeschäft 2015 eingeführte Zusage kostenloser Lieferung am Tag der Bestellung verstärkt. Deshalb war nicht zu entscheiden, ob schon ein saisonbedingt erhöhter Auftragseingang eine Sondersituation darstellt, die die Bewilligung von Sonntagsarbeit rechtfertigen kann. BVerwG 8 C 3.20 - Urteil vom 27. Januar 2021 Vorinstanzen: OVG Münster, 4 A 738/18 - Urteil vom 11. Dezember 2019 - VG Düsseldorf, 29 K 8347/15 - Urteil vom 15. Januar 2018 -","Urteil vom 27.01.2021 - BVerwG 8 C 3.20ECLI:DE:BVerwG:2021:270121U8C3.20.0 EN Bewilligung von Sonntagsarbeit zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens Leitsatz: Besondere Verhältnisse nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ArbZG sind vorübergehende Sondersituationen, die eine außerbetriebliche Ursache haben. Sie dürfen nicht vom Arbeitgeber selbst geschaffen sein. Rechtsquellen ArbZG § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a und b VwGO § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 Satz 4 Instanzenzug VG Düsseldorf - 15.01.2018 - AZ: VG 29 K 8347/15 OVG Münster - 11.12.2019 - AZ: OVG 4 A 738/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.01.2021 - 8 C 3.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:270121U8C3.20.0] Urteil BVerwG 8 C 3.20 VG Düsseldorf - 15.01.2018 - AZ: VG 29 K 8347/15 OVG Münster - 11.12.2019 - AZ: OVG 4 A 738/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2021 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revisionen werden zurückgewiesen. Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Gründe I 1 Die Beigeladene ist die Tochtergesellschaft eines Online-Versandhändlers. Sie ist mit der Ausführung der auf dessen Webseite eingehenden Bestellungen betraut. Im November 2015 beantragte sie bei dem Beklagten eine Bewilligung zur Beschäftigung von jeweils 800 Arbeitnehmern an zwei Adventssonntagen am 13. und 20. Dezember 2015 nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ArbZG. Im Zeitraum 1. bis 24. Dezember 2015 sei mit einem gegenüber dem regulären Betrieb deutlich erhöhten Bestelleingang zu rechnen, der durch die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte, die Erhöhung der Schichtarbeitszeit und eine Verlagerung der Abwicklung der Bestellungen auf andere Tochterunternehmen nicht vollständig aufgefangen werden könne. Ohne die beantragte Sonntagsarbeit werde die Zahl der unbearbeiteten Bestellungen bis Weihnachten 2015 voraussichtlich auf 500 000 anwachsen. Dem Unternehmen drohe dadurch ein unverhältnismäßig hoher wirtschaftlicher Schaden. Kunden würden sich abwenden. Entschädigungen wegen nicht eingehaltener Lieferzusagen müssten geleistet werden. Außerdem müssten Schadensersatzansprüche von Lieferanten und Dritten befriedigt werden, wenn Waren wegen voller Lager nicht abgenommen werden könnten. 2 Der Beklagte erteilte die Bewilligung am 9. Dezember 2015. Die Klägerin - eine Gewerkschaft für Dienstleistungsberufe - hat vor dem Verwaltungsgericht die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bewilligung erstritten. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zurückgewiesen. Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft, weil die erteilte Bewilligung sich durch Zeitablauf erledigt habe. Die Klägerin habe wegen Wiederholungsgefahr ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Es sei damit zu rechnen, dass die Beigeladene in Zukunft weitere im Wesentlichen gleichartige Anträge auf Bewilligung von Sonntagsarbeit stellen werde. Der Beklagte habe nicht eindeutig erkennen lassen, dass er diese zukünftig ablehnen werde. Die Klägerin sei auch klagebefugt. Sie könne eine mögliche Verletzung von § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ArbZG rügen, weil die erteilte Bewilligung sie in ihrem Tätigkeitsbereich betreffe und nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie durch die Bewilligung mehr als nur geringfügig beeinträchtigt werde. Die Bewilligung sei von § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ArbZG nicht gedeckt. Es lägen bereits keine besonderen Verhältnisse vor, die die Erteilung der Bewilligung rechtfertigen könnten. Die von der Beigeladenen befürchteten wirtschaftlichen Nachteile beruhten zumindest auch maßgeblich auf dem Geschäftsmodell der Muttergesellschaft, das die Beigeladene sich zurechnen lassen müsse. Die angefochtene Bewilligung verletze die Klägerin auch in ihren Rechten, weil sie diese in ihrem Tätigkeitsbereich betreffe und ihre Tätigkeit mehr als nur geringfügig beeinträchtige. Letzteres folge bereits daraus, dass die angegriffene Bewilligung an zwei Sonntagen die Beschäftigung von jeweils 800 Arbeitnehmern erlaube. 3 Zur Begründung ihrer Revisionen machen der Beklagte und die Beigeladene geltend, die Klage sei mangels Klagebefugnis unzulässig. § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ArbZG schütze nur die Interessen von Arbeitnehmern, nicht aber diejenigen der Gewerkschaften. Die Klägerin habe zudem nicht die Möglichkeit der Beeinträchtigung in ihren Rechten durch die angefochtene Bewilligung dargetan. Anders als in den Fällen durch Rechtsverordnung nach § 13 Abs. 1 und 2 ArbZG zugelassener Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsschutz reiche für eine Ausnahme durch Verwaltungsakt nach § 13 Abs. 3 ArbZG die pauschale Behauptung einer möglichen Rechtsverletzung nicht aus. Anderenfalls bestünde eine allumfassende Klagebefugnis der Gewerkschaften bei Anwendung des § 13 Abs. 3 ArbZG, die Gewerkschaften gegenüber Arbeitnehmern unzulässig privilegiere. Letztere könnten gegen Bewilligungen gemäß § 13 Abs. 3 ArbZG zulässigerweise nur klagen, wenn sie eine konkrete Beeinträchtigung durch die angegriffene Bewilligung nachwiesen. Bei einer derart weiten Anerkennung einer gewerkschaftlichen Klagebefugnis könne der Kreis der im Verwaltungsverfahren über die Erteilung der Ausnahmebewilligung nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ArbZG zu Beteiligenden nicht mehr rechtssicher gezogen werden. 4 Die Beigeladene hält die Klage zudem für unbegründet. Der von ihr geltend gemachte Schaden drohe wegen besonderer Verhältnisse im Sinne des § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ArbZG infolge der in der Weihnachtszeit erhöhten Nachfrage. Er könne nicht auf das Geschäftsmodell der Muttergesellschaft der Beigeladenen zurückgeführt werden. Dieses sei ganzjährig gleich geblieben. 5 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. Dezember 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 15. Januar 2018 zu ändern und die Klage abzuweisen. 6 Die Klägerin beantragt, die Revisionen zurückzuweisen. 7 Sie verteidigt das angegriffene Urteil. 8 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält einen vorhersehbaren saisonalen Bedarf nicht für ausreichend, um besondere Verhältnisse im Sinne von § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ArbZG annehmen zu können. Nach der zu § 105b GewO ergangenen fachgerichtlichen Rechtsprechung und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Ladenöffnungsgesetz bedürfe jede Ausnahme von der Sonn- und Feiertagsruhe eines dem Gewicht dieses Belangs gerecht werdenden Sachgrundes. Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse genüge insoweit regelmäßig nicht. Über ein solches gehe der von der Beigeladenen geltend gemachte Grund für die beantragte Sonntagsarbeit aber nicht hinaus. II 9 Die zulässigen Revisionen sind unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt kein Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). 10 1. Die Klage ist zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der letzten Revisionsverhandlung (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1981 - 2 C 16.80 - Buchholz 237.1 Art. 9 BayLBG Nr. 5 S. 10; Beschluss vom 30. April 1999 - 1 B 36.99 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6 S. 12 f.) als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. 11 a) Der Klägerin steht das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse - soweit die Klage sich nach Klageerhebung erledigt hat - bzw. Feststellungsinteresse - soweit die Klage sich vor Klageerhebung erledigt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <208 f.>) - zur Seite. Es ist schon deswegen anzunehmen, weil Bewilligungen von Sonntagsarbeit zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens sich entsprechend der für ihre Beantragung aufgeführten Bedarfslagen typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung zugeführt werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 32). 12 b) Die Klägerin war - soweit die Klage sich nach Klageerhebung erledigt hat - gemäß § 42 Abs. 2 VwGO (BVerwG, Urteil vom 27. März 1998 - 4 C 14.96 - BVerwGE 106, 295 <296 f.>) im Zeitpunkt der Erledigung und - soweit die Klage sich vor Klageerhebung erledigt hat - in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO (BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 6 C 7.98 - a.a.O.; Beschluss vom 30. Juli 1990 - 7 B 71.90 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 109 S. 24) bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz klagebefugt. 13 Eine Klagebefugnis ist anzunehmen, wenn subjektive Rechte oder zumindest anderweitig geschützte rechtliche Interessen des Klägers verletzt sein können. Diese Möglichkeit ist nur dann auszuschließen, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können (stRspr, z.B. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2018 - 10 C 10.17 - Buchholz 428.2 § 1 VZOG Nr. 8 Rn. 17). Nach diesem Maßstab ist von der Möglichkeit einer Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten durch die angegriffene Bewilligung auszugehen. 14 aa) § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ArbZG dient auch dem Schutz der Interessen der Gewerkschaften. Die Vorschrift konkretisiert mit den Voraussetzungen, unter denen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise beschäftigt werden dürfen, auf der Ebene des einfachen Rechts den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag, der sich für den Gesetzgeber aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV ergibt (vgl. BT-Drs. 12/5888 S. 23). Der Gesetzgeber ist danach zur Stärkung derjenigen Grundrechte verpflichtet, die in besonderem Maße auf Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung angewiesen sind (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <84>). Dazu zählen neben der Religionsfreiheit die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) und die Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG). Die Gewährleistung rhythmisch wiederkehrender Tage der Arbeitsruhe soll deren effektive Wahrnehmung ermöglichen (vgl. BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - a.a.O. S. 82). Sie erleichtert dem Einzelnen, sich in einem Verein oder einer Koalition zu gemeinsamem Tun zusammenzufinden. Spiegelbildlich wird zugleich die Möglichkeit der Vereinigung selbst gefördert und erleichtert, ihren Zweck zu verwirklichen, der gerade in der Organisation von gemeinschaftlich wahrzunehmenden Interessen besteht (BVerwG, Urteil vom 26. November 2014 - 6 CN 1.13 - BVerwGE 150, 327 Rn. 16). Die Vereinigung kann insoweit nicht nur verlangen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Durchbrechung des Sonntagsschutzes den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, sondern auch, dass die Anwendung von Vorschriften, die zu Eingriffen in den Sonntagsschutz ermächtigen, in jedem Einzelfall mit den Bestimmungen der Verfassung vereinbar ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - a.a.O. S. 84, 98 f.; BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2018 - 8 CN 1.17 - BVerwGE 164, 64 Rn. 19). 15 bb) Eine Verletzung von § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ArbZG durch die angegriffene Bewilligung ist nach dem Vortrag der Klägerin möglich. Hierfür ist notwendig aber auch hinreichend, dass die Vereinigung oder die Gewerkschaft durch den angegriffenen Hoheitsakt in ihrem Tätigkeitsbereich betroffen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 2014 - 6 CN 1.13 - a.a.O. Rn. 17). Solches ist hier anzunehmen. Die angegriffene Bewilligung greift in den Schutz der Sonntagsruhe im Dienstleistungsbereich ein, in dem die Klägerin tätig ist. Dies kann dazu führen, dass ihre Mitglieder an diesem Tag an der Teilnahme an Veranstaltungen der Klägerin gehindert sind. Betroffen ist auch die Möglichkeit der Klägerin, Mitglieder unter den von der Sonntagsöffnung betroffenen Arbeitnehmern zu werben. 16 Damit werden Gewerkschaften nicht ungerechtfertigt gegenüber Arbeitnehmern privilegiert. Sie können eine mögliche Verletzung der sie schützenden Vereinigungsfreiheit und damit das Recht geltend machen, in ihrem Aufgabenbereich frei von staatlicher Beeinträchtigung tätig zu sein, während der Anspruch von Arbeitnehmern auf Sonn- und Feiertagsruhe nur verletzt sein kann, wenn sie von einer zugelassenen Sonntagsarbeit individuell betroffen sind. 17 Entgegen der Ansicht der Beigeladenen muss die Klägerin auch nicht die Möglichkeit einer mehr als geringfügigen Beeinträchtigung ihrer Interessen darlegen. Aus der Entscheidung des Senats vom 11. November 2015 - 8 CN 2.14 - (BVerwGE 153, 183 Rn. 18) folgt nichts anderes. Sie hatte die Zulässigkeit eines Antrags nach § 47 VwGO zu beurteilen. Der Senat hat das Erfordernis einer mehr als nur geringfügigen Beeinträchtigung der Interessen der dortigen Antragstellerin aus § 47 Abs. 2 VwGO abgeleitet. Im vorliegenden Fall beurteilt sich der für die Zulässigkeit der Klage erforderliche subjektivrechtliche Bezug des Klägers zum streitigen Sachverhalt dagegen nach § 42 Abs. 2 VwGO. Die Vorschrift lässt die Möglichkeit jeder noch so geringfügigen Rechtsbeeinträchtigung des Klägers für die Zulässigkeit der Klage genügen. 18 Entgegen der Auffassung der Beigeladenen führt die Annahme einer Klagebefugnis von Gewerkschaften nicht zur Undurchführbarkeit von Verwaltungsverfahren über die Bewilligung von Sonntagsarbeit. Dritte, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verwaltungsverfahrens berührt werden können, kann die Behörde gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 VwVfG.NRW. von Amts wegen oder auf Antrag zum Verfahren hinzuziehen. Hat der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung für einen Dritten, so ist dieser nach Satz 2 der Vorschrift von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen, wenn er der Behörde bekannt ist und im Übrigen auf seinen Antrag hin zum Verfahren hinzuzuziehen. Allein die Unkenntnis der Behörde einer von der beantragten Bewilligung von Sonntagsarbeit betroffenen Gewerkschaft führt nicht zur formellen Rechtswidrigkeit ihrer Entscheidung. 19 2. Die von der Beigeladenen erhobene Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) bleibt unsubstantiiert. Sie benennt mit dem Vorwurf, das Berufungsgericht habe es unterlassen aufzuklären, wann genau das Same-Day-Delivery-Versprechen eingeführt oder geändert wurde, welche Auswirkungen dies auf das Bestellvolumen vor Weihnachten gehabt habe und ob den Kunden in der Vorweihnachtszeit 2015 empfohlen worden sei, frühzeitiger als gewohnt zu bestellen, lediglich die aus ihrer Sicht noch klärungsbedürftigen Tatsachen, ohne zugleich anzugeben, mit welchen konkreten Aufklärungsmaßnahmen sie hätten ermittelt werden können und was sich dabei ergeben hätte. Ebenso wenig legt sie dar, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Auffassung auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 26. September 2016 - 5 B 1.16 D - juris Rn. 9 m.w.N.). 20 3. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die von der Beigeladenen beantragte Bewilligung zur Beschäftigung von jeweils 800 Arbeitnehmern am 13. und 20. Dezember 2015 nicht nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ArbZG erteilt werden durfte. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen die Beschäftigung von Arbeitnehmern bewilligen, wenn besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erfordern. Eine Bewilligung von Sonn- und Feiertagsarbeit setzt danach voraus, dass zwischen den besonderen Verhältnissen und dem drohenden unverhältnismäßigen Schaden ein ursächlicher Zusammenhang besteht und die beantragte Sonn- und Feiertagsarbeit erforderlich ist, um den drohenden Schaden abzuwenden. 21 Diese Voraussetzungen lagen hier im für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten über den Antrag (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 1987 - 1 C 15.85 - BVerwGE 77, 70 <73>; Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht VwGO, Stand Juli 2020, § 113 Rn. 152) nicht vor. Insoweit kann dahinstehen, ob der von der Beigeladenen behauptete Schaden gedroht hat und als unverhältnismäßig anzusehen gewesen wäre. Denn er wurde nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen erschütterten tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls nicht durch besondere Verhältnisse im Sinne von § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ArbZG verursacht. 22 a) Besondere Verhältnisse sind vorübergehende Sondersituationen, die eine außerbetriebliche Ursache haben. Sie dürfen nicht vom Arbeitgeber selbst geschaffen sein. Der Wortlaut der Vorschrift ließe zwar auch eine Erstreckung dieses Tatbestandsmerkmals auf Sondersituationen mit einer innerbetrieblichen Ursache zu (so Teile der Literatur, vgl. Schliemann, ArbZG, 4. Aufl. 2020, § 13 Rn. 50; Biebl, in: Neumann/Biebl, ArbZG, 16. Aufl. 2012, § 13 Rn. 16; Schaumberg, in: Hahn/Pfeiffer/Schubert, Arbeitszeitrecht, 2. Aufl. 2018, § 13 Rn. 24). Ihre Systematik und die Entstehungsgeschichte des Arbeitszeitgesetzes gebieten aber seine Beschränkung auf Sondersituationen, die eine außerbetriebliche Ursache haben. 23 Die Erteilung einer Bewilligung von Sonntagsarbeit nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ArbZG ist mit dem Vorliegen besonderer Verhältnisse an dieselbe Voraussetzung geknüpft wie diejenige nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a ArbZG. Besondere Verhältnisse müssen nach der zu dessen gleichlautender Vorgängervorschrift des § 105b Abs. 2 Satz 2 GewO ergangenen Rechtsprechung durch Umstände verursacht sein, die von außen auf das betreffende Unternehmen einwirken. Sie dürfen also weder von dem Unternehmen, das eine Bewilligung von Sonntagsarbeit beantragt geschaffen sein (z.B. Arbeitsorganisation) noch in unternehmensbezogenen Sondersituationen (z.B. Umsatzschwäche) bestehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1983 - 1 C 140.80 - Buchholz 451.20 §§ 105a-i GewO Nr. 5 S. 9 f.; VGH Mannheim, Urteil vom 23. März 1977 - VI 1498/76 - GewArch 1978 S. 24 f.). 24 Für dieses Verständnis spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ArbZG. Die Vorschrift wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Vereinheitlichung und Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts vom 6. Juni 1994 (BGBl. I S. 1170) mit Wirkung zum 1. Juli 1994 geschaffen. Der Gesetzentwurf sah ursprünglich die Übernahme der Vorgängerregelung des § 105f GewO vor (BT-Drs. 12/5888 S. 30), welche die Erteilung einer Bewilligung von Sonntagsarbeit wegen eines drohenden unverhältnismäßigen Schadens an das Vorliegen eines nicht vorhersehbaren Bedürfnisses knüpfte. Während des Gesetzgebungsverfahrens wurde der Begriff des nicht vorhersehbaren Bedürfnisses durch denjenigen der besonderen Verhältnisse und damit ein im Arbeitszeitrecht bereits verwendetes Tatbestandsmerkmal ersetzt (BT-Drs. 12/6990 S. 16, 44). Der im Gesetzgebungsverfahren geäußerte Wille des Gesetzgebers, die jeweiligen Vorgängerregelungen im Übrigen unverändert zu übernehmen (vgl. BT-Drs. 12/5888 S. 30; BT-Drs. 12/6990 S. 16), lässt nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber eine gleichlautende Interpretation des Tatbestandsmerkmals der besonderen Verhältnisse in § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a und b ArbZG angestrebt hat. 25 b) Der Bedarf für die von der Beigeladenen beantragte Sonntagsarbeit war nicht auf außerbetriebliche Umstände zurückzuführen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die der Beklagte und die Beigeladene nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen haben, wurden die Lieferengpässe maßgeblich durch die kurz vor dem Weihnachtsgeschäft 2015 eingeführte Zusage kostenloser Lieferung am Tag der Bestellung verstärkt. Dass bereits der saisonbedingt erhöhte Auftragseingang für sich genommen den von der Beigeladenen geltend gemachten drohenden Schaden verursacht hat, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Deshalb war nicht zu entscheiden, ob schon ein saisonbedingt erhöhter Auftragseingang eine Sondersituation darstellt, die die Bewilligung von Sonntagsarbeit rechtfertigen kann. 26 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3 VwGO." bverwg_2021-80,16.12.2021,"Pressemitteilung Nr. 80/2021 vom 16.12.2021 EN Verlust eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts erfordert ermessensgerechte Berücksichtigung geltend gemachter Nachteile im Herkunftsland Die Feststellung des Verlusts des Aufenthaltsrechts des drittstaatsangehörigen Ehegatten einer Unionsbürgerin aus Gründen der öffentlichen Ordnung erfordert eine Ermessensentscheidung, bei der sich die Ausländerbehörde auch mit der substantiiert vorgetragenen Gefahr von Nachteilen im Herkunftsstaat unterhalb der Schwelle im Asylverfahren zu prüfender Nachteile (hier: erneute Bestrafung in seinem Herkunftsland) ermessensgerecht auseinandersetzt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste zuletzt im Jahr 2003 oder 2004 nach Deutschland ein und führte erfolglos ein Asylfolgeverfahren durch. 2013 heiratete er seine rumänische Lebensgefährtin, mit der er drei 2001, 2005 und 2013 geborene Kinder hat. Im Januar 2014 erhielt er eine Aufenthaltskarte als Familienangehöriger von Unionsbürgern. In den Jahren 2007 und 2017 wurde der Kläger wegen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz jeweils zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Mit Verfügung vom Juli 2018 stellte der Senator für Inneres der Beklagten gemäß § 6 Abs. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (im Folgenden: FreizügG/EU) den Verlust des Rechts des in Strafhaft befindlichen Klägers auf Einreise und Aufenthalt für die Dauer von vier Jahren fest und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an. Im Oktober 2018 wurde die Ehefrau unter Beibehaltung ihrer rumänischen Staatsangehörigkeit eingebürgert. Mit seiner Klage machte der Kläger unter anderem geltend, ihm drohten in der Türkei eine erneute Strafverfolgung und Haftstrafe für die bereits in Deutschland abgeurteilten Delikte sowie in diesem Zusammenhang zu erwartende unmenschliche und erniedrigende Haftbedingungen. Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht ging davon aus, dass das persönliche Verhalten des Klägers die Begehung weiterer schwerer Betäubungsmitteldelikte durch diesen erwarten lasse und die Verlustfeststellung verhältnismäßig sowie auch sonst ermessensfehlerfrei sei. Für die Feststellung und Bewertung asylrechtlich erheblicher Abschiebungsverbote sei allein das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig. Die nach dem Vorbringen des Klägers drohende Beeinträchtigung von Belangen unterhalb der Schwelle eines Abschiebungsverbots führe hier nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Verlustfeststellung. Auf die Revision des Klägers hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts die Verfügung der Beklagten wegen eines Ermessensfehlers aufgehoben. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht Gründe der öffentlichen Ordnung, die eine Verlustfeststellung, die der Senator für Inneres der Freien Hansestadt Bremen an sich ziehen durfte, nach § 12a i.V.m. § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU grundsätzlich rechtfertigen können, mit Blick auf die tatrichterlich festgestellte Gefahr der Wiederholung schwerer Betäubungsmittelstraftaten zu Recht bejaht. Der Kläger überschritte die erforderliche Gefahrenschwelle selbst dann, wenn angesichts des von ihm geäußerten materiellen Asylgesuchs § 53 Abs. 4 AufenthG Anwendung finden sollte, der die Ausweisung von Asylantragstellern an gesteigerte Voraussetzungen knüpft. Nicht im Einklang mit § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU und § 40 des Bremischen Verwaltungsverfahrensgesetzes steht aber die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Ermessensausübung der Beklagten sei nicht zu beanstanden. Bei der Ermessensentscheidung über eine Verlustfeststellung sind neben den in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU beispielhaft aufgeführten Gesichtspunkten im Grundsatz auch Nachteile zu berücksichtigen, die den Ausländer im Herkunftsland erwarten und sich insbesondere auf seine durch Art. 7 GRC/Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Belange auswirken. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot namentlich nach § 60 Abs. 2, 5 oder 7 AufenthG hat die Beklagte hier allerdings schon deshalb zutreffend nicht in ihre Ermessensentscheidung eingestellt, weil sie gemäß § 6 Satz 1 und § 42 Satz 1 AsylG an die hierzu ergangenen negativen Entscheidungen aus dem vorangegangenen Asylverfahren gebunden ist; deren Änderung kann bei veränderter Sachlage nur gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge begehrt werden. Von § 6 Satz 1 und § 42 Satz 1 AsylG nicht erfasste zielstaatsbezogene Nachteile hingegen sind in die Ermessensentscheidung einzustellen. Das gilt jedenfalls für solche Nachteile, die - wie die vom Kläger substantiiert geltend gemachte Gefahr einer (völker- und verfassungsrechtlich nicht unzulässigen) Doppelbestrafung für die in Deutschland zuletzt abgeurteilte Einfuhr von Heroin aus der Türkei - geeignet sein können, sich auf die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Recht auf Familienleben im Sinne des Art. 7 GRC/Art. 8 Abs. 1 EMRK auszuwirken. Denn eine etwaig drohende erneute langjährige Haftstrafe in der Türkei erschwerte nicht nur die Aufrechterhaltung von Kontakten zu der in Deutschland lebenden Familie während der verfügten vierjährigen Dauer des von der Beklagten selbst als verhältnismäßig erachteten Einreiseverbots; sie könnte vielmehr die Trennung von der Familie faktisch erheblich verlängern. Die Nichtberücksichtigung eines derartigen, im Rahmen des Möglichen aufzuklärenden Nachteils durch die Beklagte in den (ergänzenden) Ermessenserwägungen erweist sich deshalb als ermessensfehlerhaft; Überlegungen des Oberverwaltungsgerichts können diesen Mangel nicht heilen. Damit waren auch die Folgeentscheidungen aufzuheben. BVerwG 1 C 60.20 - Urteil vom 16. Dezember 2021 Vorinstanzen: OVG Bremen, OVG 2 LC 166/20 - Urteil vom 30. September 2020 - VG Bremen, VG 4 K 1863/18 - Urteil vom 09. März 2020 -","Urteil vom 16.12.2021 - BVerwG 1 C 60.20ECLI:DE:BVerwG:2021:161221U1C60.20.0 EN Ermessensfehlerhafte Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung Leitsatz: Die Feststellung des Verlusts des Aufenthaltsrechts des drittstaatsangehörigen Ehegatten einer Unionsbürgerin aus Gründen der öffentlichen Ordnung erfordert eine Ermessensentscheidung, in der sich die Ausländerbehörde auch mit der substantiiert vorgetragenen Gefahr von Nachteilen im Herkunftsstaat unterhalb der Schwelle im Asylverfahren zu prüfender Nachteile (hier: erneute Bestrafung in seinem Herkunftsland) auseinandersetzt. Rechtsquellen FreizügG/EU §§ 6, 7, 11 AufenthG § 53 Abs. 3, 3b und 4, §§ 60, 71 Abs. 1 AsylG §§ 6, 42 VwGO §§ 68, 114 Grundrechte-Charta Art. 4, 7, 19 Abs. 2 EMRK Art. 3, 8 Abs. 1 RL 2004/38/EG Art. 27, 28 Instanzenzug VG Bremen - 09.03.2020 - AZ: VG 4 K 1863/18 OVG Bremen - 30.09.2020 - AZ: OVG 2 LC 166/20 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 16.12.2021 - 1 C 60.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:161221U1C60.20.0] Urteil BVerwG 1 C 60.20 VG Bremen - 09.03.2020 - AZ: VG 4 K 1863/18 OVG Bremen - 30.09.2020 - AZ: OVG 2 LC 166/20 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß und Dollinger und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp und Fenzl für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Bremen vom 30. September 2020 und des Verwaltungsgerichts Bremen vom 9. März 2020 geändert. Die Verfügung der Beklagten vom 5. Juli 2018 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Instanzen. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der Beklagten, dass er sein Freizügigkeitsrecht als Familienangehöriger von Unionsbürgern nach § 6 FreizügG/EU verloren habe, sowie eine damit verbundene Abschiebungsandrohung. 2 Der 1966 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er führte ab 1992 in Deutschland erfolglos mehrere Asylverfahren durch. Im Jahr 2003 oder 2004 reiste er zuletzt erneut nach Deutschland und stellte einen weiteren Asylfolgeantrag, dessen Ablehnung durch Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen vom Oktober 2007 rechtskräftig bestätigt wurde. 2013 schloss der Kläger die Ehe mit seiner langjährigen Lebensgefährtin, einer rumänischen Staatsangehörigen. Aus der Beziehung sind drei in den Jahren 2001, 2005 und 2013 geborene Kinder hervorgegangen. 3 Im Januar 2007 wurde der Kläger wegen gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Heroin) in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt. Im Januar 2014 wurde ihm eine für fünf Jahre gültige Aufenthaltskarte als Familienangehöriger von Unionsbürgern ausgestellt. 4 Im März 2016 kam der Kläger erneut in Untersuchungshaft. Mit Urteil vom Januar 2017 verurteilte ihn das Landgericht Bremen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und elf Monaten. Seine Strafhaft verbüßt der Kläger in der JVA Bremen, seit September 2019 im offenen Vollzug. 5 Im Oktober 2017 hörte das Migrationsamt der Beklagten den Kläger zu einer beabsichtigten Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU nebst Einziehung der Aufenthaltskarte, Ausreiseaufforderung, Abschiebungsandrohung und Anordnung der sofortigen Vollziehung an. 6 Mit Schreiben vom 5. Juli 2018 teilte der Senator für Inneres der Beklagten dem Kläger die Übernahme der Zuständigkeit als Ausländerbehörde in seiner Sache mit. Mit Verfügung vom selben Tage stellte er den Verlust des Rechts des Klägers auf Einreise und Aufenthalt im Sinne des FreizügG/EU für die Dauer von vier Jahren fest (Ziff. 1), wies den Kläger auf seine Ausreisepflicht hin und drohte ihm ohne Fristsetzung unmittelbar aus der Haft die Abschiebung in die Türkei an (Ziff. 2). Für den Fall, dass zum Zeitpunkt der Haftentlassung eine Abschiebung nicht möglich sein sollte, drohte er dem Kläger die Abschiebung in die Türkei an, sofern er seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb eines Monats nach Entlassung nachkomme (Ziff. 3). Zur Begründung führte der Senator aus, die strafgerichtliche Verurteilung vom Januar 2017 und das im Urteil geschilderte Tatgeschehen ließen ein persönliches Verhalten erkennen, das die öffentliche Ordnung in erheblicher Weise gefährde. Das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln berge ein hohes Maß an Sozialschädlichkeit und sei im Bereich der Schwerkriminalität zu verorten. Aufgrund verschiedener Gesichtspunkte sei die Annahme begründet, dass der Kläger nach Haftende auch zukünftig im Bundesgebiet durch einschlägige Straftaten auffallen werde. Die danach eröffnete Ermessensentscheidung falle zulasten des Klägers aus. Nur seine längerfristige Fernhaltung aus dem Bundesgebiet könne eine Gefährdung der hiesigen Sicherheit und Ordnung durch ihn verhindern. Zwar stellten seine Ehe und die familiäre Lebensgemeinschaft mit seinen Kindern gewichtige persönliche Belange dar. In der Abwägung überwiege jedoch das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung. Diese sei sowohl mit Art. 8 EMRK als auch mit Art. 3 Abs. 1 Europäisches Niederlassungsabkommen (ENA) vereinbar. Es sei auch verhältnismäßig, die Dauer der Wiedereinreisesperre auf vier Jahre zu befristen. Dauernde rechtliche Hinderungsgründe gemäß § 11 Abs. 2 FreizügG/EU (a.F.) i.V.m. §§ 60 und 60a AufenthG stünden der Abschiebung nicht entgegen. Dem Erlass der Abschiebungsandrohung stehe selbst das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gemäß § 11 Abs. 2 FreizügG/EU (a.F.) i.V.m. § 59 Abs. 3 AufenthG jedoch auch nicht entgegen. 7 Im Oktober 2018 wurde die Ehefrau des Klägers unter Beibehaltung ihrer rumänischen Staatsangehörigkeit eingebürgert. 8 Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage machte der Kläger neben der Unzuständigkeit des Senators für Inneres unter anderem geltend, die mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot einhergehende Aufenthaltsbeendigung stelle eine unzulässige Doppelbestrafung dar. Ihm drohe gar eine ""Dreifachbestrafung"", weil bei Betäubungsmitteldelikten mit ""Türkeibezug"" eine erneute Strafverfolgung in der Türkei grundsätzlich in Betracht komme. Im Falle der Inhaftierung drohe ihm zudem mit Blick auf die Haftbedingungen in der Türkei eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK. 9 Mit Urteil vom 9. März 2020 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte geltend gemacht, das Vorbringen zu einer (""Dreifach-"")Bestrafung unter unmenschlichen Haftbedingungen in der Türkei könne allenfalls ein vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu prüfendes Abschiebungsverbot begründen. Ein solches stehe im vorliegenden Verfahren weder der Verlustfeststellung noch - mit Blick auf § 59 Abs. 3 AufenthG - der Abschiebungsandrohung entgegen; zudem sei von einem solchen allein wegen einer etwaigen Doppelbestrafung auch nicht auszugehen. 10 Mit Urteil vom 30. September 2020 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts des Klägers für die Dauer von vier Jahren ab der Ausreise und die Androhung der Abschiebung in die Türkei seien formell und materiell rechtmäßig. Der Senat für Inneres sei nach § 1 Nr. 1, § 3 Abs. 4 BremAufenthZVO für den Erlass des Bescheides sachlich zuständig. Diese Regelungen seien mit höherrangigem Recht vereinbar. Sie seien mit § 79 Abs. 3 BremPolG (in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) auf eine hinreichende gesetzliche Grundlage zurückzuführen. Der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig. Die Verlustfeststellung finde ihre Rechtsgrundlage in der - zumindest entsprechend anwendbaren - Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FreizügG/EU. Die Umstände der Begehung der Straftaten, für die der Kläger in den Jahren 2007 und 2017 verurteilt worden sei, ließen ein persönliches Verhalten erkennen, das die Prognose rechtfertige, der Kläger werde mit hoher Wahrscheinlichkeit nach seiner Entlassung wieder mit Heroin handeln oder Heroin nach Deutschland einführen. Diese aktuell fortbestehende Gefahr begründe eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Die erhöhten Anforderungen, die § 6 Abs. 4 und 5 Satz 1 und 3 FreizügG/EU an eine Verlustfeststellung stellten, seien vorliegend nicht anwendbar, denn der Kläger habe kein Daueraufenthaltsrecht erworben. Die Beklagte habe ihr Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts sei auch mit Blick auf das nach Art. 8 EMRK, Art. 7 GRC geschützte Familienleben nicht unverhältnismäßig. Ein Überwiegen des Bleibeinteresses ergebe sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers, ihm drohe in der Türkei eine erneute Verurteilung für die Lieferung von Heroin aus der Türkei nach Deutschland, für die er bereits vom Landgericht Bremen verurteilt worden sei, sowie anschließend Haft unter unmenschlichen Bedingungen. Die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung könne im ausländerrechtlichen Verfahren vorliegend nicht geprüft werden. Der Kläger mache damit materiell Gründe für subsidiären Schutz geltend. Für dessen Prüfung ebenso wie für die Feststellung von Abschiebungsverboten wäre im Fall des Klägers allein das Bundesamt zuständig, weil der Kläger bereits in der Vergangenheit Asylanträge gestellt habe. Bis zu einer anderen Entscheidung des Bundesamtes sei die Beklagte an die im letzten Asylverfahren getroffene negative Feststellung gebunden, wonach zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse für die Türkei nicht bestünden. Die Feststellung eines solchen Abschiebungsverbots hätte im Übrigen lediglich zur Folge, dass der tatsächliche Aufenthalt des Klägers in Deutschland nicht zwangsweise beendet werden dürfe, sie stehe aber der Verlustfeststellung - nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Ausweisung - nicht entgegen. Allerdings sei in die Interessenabwägung bei einer Ausweisung oder Verlustfeststellung die drohende Beeinträchtigung von Belangen des Ausländers im Herkunftsstaat einzustellen, soweit sie unterhalb der Schwelle eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots liege. Bei Anwendung dieses Maßstabs - Unterstellung, dass die zielstaatsbezogenen Nachteile unterhalb der bezeichneten Schwelle verbleiben - stünde die Gefahr, dass der Kläger in der Türkei erneut bestraft und inhaftiert wird, der Verlustfeststellung nicht entgegen, auch wenn die Aufrechterhaltung der Kontakte zur Familie dadurch erschwert werde. Die Befristung der Dauer der Verlustfeststellung nach § 7 Abs. 2 Satz 5 FreizügG/EU auf vier Jahre sei nicht zu beanstanden; Gleiches gelte für die Abschiebungsandrohung. Der Umstand, dass sich der Kläger mit seinem Vortrag, er befürchte in der Türkei unmenschliche Behandlung durch eine erneute Bestrafung und die dortigen Haftbedingungen, der Sache nach auf Gründe für die Gewährung subsidiären Schutzes berufe, führe nicht zur Entstehung einer Aufenthaltsgestattung und damit nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung. Zwar dürfte es sich insoweit um ein Asylgesuch im Sinne von § 13 Abs. 1 letzte Alt., Abs. 2 Satz 2 AsylG handeln. Eine Aufenthaltsgestattung würde jedoch erst entstehen, wenn das Bundesamt auf den nach § 71 Abs. 2 AsylG gestellten Folgeantrag gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG entscheiden würde, dass ein neues Asylverfahren durchgeführt wird. Das letzte bestandskräftig abgelehnte Asylverfahren des Klägers habe sich auch bereits auf die Gewährung subsidiären Schutzes bezogen. 11 Mit seiner Revision rügt der Kläger u.a., der Senator für Inneres habe als unzuständige Behörde entschieden, denn die Bestimmungen der BremAufenthZVO genügten nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Parlamentsvorbehalts und des Bestimmtheitsgebots aus Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG; es fehle bereits an einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Art. 80 Abs. 1 GG sei auch deshalb verletzt, weil mit der Zuständigkeitsbegründung des Senators für Inneres als oberste Landesbehörde das Widerspruchsverfahren in diesen Fällen faktisch abgeschafft werde. In materieller Hinsicht sei § 6 Abs. 1 FreizügG/EU verletzt. Der Kläger wiederholt insoweit sein Vorbringen zur Gefahr einer unzulässigen Doppel- oder Dreifachbestrafung in der Türkei und zu dort drohenden unmenschlichen Haftbedingungen, die Art. 3 EMRK verletzten. Zwar gehe die nationale Rechtsprechung bei Ausweisungen davon aus, dass zielstaatsbezogene Gefahren ausschließlich gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in einem Asylverfahren nach § 13 AsylG geltend zu machen sind. Für eine europäischem Recht unterliegende Verlustfeststellung könne dies aber nicht gelten. Über das in Art. 28 Abs. 1 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) erwähnte Tatbestandsmerkmal ""Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat"" seien auch zielstaatsbezogene Gefahren jeglicher Art zu berücksichtigen. Es verletze daher § 6 FreizügG/EU und europäisches Recht, wenn das Berufungsgericht lediglich Benachteiligungen unterhalb der Schwelle des Art. 3 EMRK berücksichtige. 12 Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Die Einwände gegen die Zuständigkeit des Senators für Inneres könnten der Revision schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil eine landesrechtliche Verordnung nicht Gegenstand der Revision sein könne. Das Vorbringen des Klägers, ihm drohe in der Türkei aufgrund einer Doppelbestrafung und der Haftbedingungen unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i.S.d. Art. 3 EMRK, sei allein vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Asylverfahren zu prüfen. Wegen der in § 42 Satz 1 AsylG angeordneten Bindungswirkung sei der Kläger insoweit darauf zu verweisen, einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens beim Bundesamt zu stellen. Der Ausländer habe gerade kein Wahlrecht zwischen einer Prüfung eines derartigen Vorbringens durch die Ausländerbehörde und einer solchen durch das Bundesamt. 13 Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren; er unterstützt die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts und der Beklagten. II 14 Die zulässige Revision ist begründet. Die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, die angefochtene Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts sei ermessensfehlerfrei erfolgt, verletzt Bundesrecht. Die Verlustfeststellung ist vielmehr wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig, weil die Beklagte das Vorbringen des Klägers zu einer ihm in der Türkei möglicherweise drohenden Doppelbestrafung in ihren Ermessenserwägungen nicht zumindest nachträglich berücksichtigt hat. 15 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 - 1 C 22.14 - Buchholz 402.261 § 4a FreizügG/EU Nr. 4 Rn. 11). Insbesondere die Gefahrenbeurteilung hat damit Umstände mit in den Blick zu nehmen, die erst nach Erlass der Verfügung eingetreten sind (EuGH, Urteile vom 17. April 2018 - C-316/16 und C-424/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​256], Vomero - juris Rn. 89 ff. und vom 29. April 2004 - C-482/01, C-493/01 [ECLI:​EU:​C:​2004:​262], Orfanopoulos und Oliveri - juris Rn. 82). Etwas anderes gilt für Tatbestandsmerkmale, die - wie die Voraussetzungen des gesteigerten Ausweisungsschutzes nach § 6 Abs. 4 und 5 FreizügG/EU - nach dem materiellen Recht bereits bei Verfügung der Verlustfeststellung vorliegen müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. April 2018 - C-316/16 und C-424/16 - juris Rn. 84 ff.; VGH Mannheim, Urteil vom 16. Dezember 2020 - 11 S 955/19 -). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 1 C 20.11 - Buchholz 402.242 § 55 AufenthG Nr. 15 Rn. 15). Der revisionsgerichtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist daher das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950 <1986>), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur aktuellen Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften an das Unionsrecht vom 12. November 2020 (BGBl. I S. 2416), das am 24. November 2020 in Kraft getreten ist. 16 1. Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage gegen die Verlustfeststellung ist zulässig. Insbesondere bedurfte es nicht der vorherigen Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, weil der angefochtene Verwaltungsakt vom Senator des Innern in seiner Eigenschaft als oberste Landesbehörde erlassen worden ist (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO) und das Berufungsgericht zudem diesen ohne revisionsrechtlich beachtlichen Rechtsfehler als zuständig gesehen hat. 17 2. Die Klage ist auch begründet. Zwar ist die angefochtene Verfügung vom 5. Juli 2018 in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden (2.1). Vom Kläger geht auch eine Gefahr aus, die in materieller Hinsicht unter Berücksichtigung der konkret einschlägigen Gefahrenschwelle eine Verlustfeststellung aus Gründen der öffentlichen Ordnung grundsätzlich rechtfertigen kann (2.2). Die Verlustfeststellung der Beklagten leidet jedoch an einem Ermessensfehler, der zu ihrer Aufhebung führt (2.3). Damit können auch die Folgeentscheidungen keinen Bestand haben (2.4). 18 2.1. Die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU aus Gründen der öffentlichen Ordnung (§ 6 Abs. 1 FreizügG/EU) wurde von der zuständigen Behörde erlassen (2.1.1). Sie ist auch im Übrigen formell rechtmäßig (2.1.2). 19 2.1.1 Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, der Senator für Inneres sei nach § 1 Nr. 1, § 3 Abs. 4 der Verordnung über die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden nach dem Aufenthaltsgesetz vom 28. November 2017 (Brem.GBl. S. 581, im Folgenden: BremAufenthZVO) für den Erlass des angefochtenen Bescheides zuständig, verletzt kein revisibles Recht. 20 a) Nach den bundesgesetzlichen Vorgaben fällt die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt gemäß § 6 FreizügG/EU in die Zuständigkeit der Ausländerbehörde. Dies folgt sowohl aus § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als auch mittelbar aus § 7 Abs. 1 FreizügG/EU. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG sind für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen die Ausländerbehörden zuständig. Ausländerrechtliche Bestimmungen in anderen Gesetzen sind nach der Rechtsprechung des Senats insbesondere auch die Regelungen des Freizügigkeitsgesetzes/EU. Dem steht nicht entgegen, dass das Aufenthaltsgesetz gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG grundsätzlich keine Anwendung findet auf Ausländer, deren Rechtsstellung von dem Freizügigkeitsgesetz/EU geregelt ist. Denn dies gilt nach dem letzten Halbsatz der Vorschrift nur, soweit nicht ""durch Gesetz etwas anderes bestimmt"" ist. Eine solche anderweitige Bestimmung enthält § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, weil diese Regelung sich mit dem Zusatz ""und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen"" auch für den Anwendungsbereich des Freizügigkeitsgesetzes/EU Geltung beimisst (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2011 - 1 C 18.10 - BVerwGE 140, 72 Rn. 9 ff.). 21 Welche Behörden Ausländerbehörden im Sinne des Aufenthaltsgesetzes (und des Freizügigkeitsgesetzes/EU) sind, hat der Bundesgesetzgeber nicht selbst bestimmt. Die Bestimmung, welche konkreten (Landes-)Behörden als Ausländerbehörden anzusehen sind, fällt deshalb gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG in die Regelungskompetenz der Länder (vgl. näher BVerwG, Beschluss vom 2. Dezember 2021 - 1 B 38.21 - Rn. 6; Gutmann, in: GK-AufenthG, § 71 Rn. 6 ff.). In welcher Rechtsform sie diese Bestimmungen treffen, ist zuvörderst eine Frage des (nicht revisiblen) Landesrechts. Geschieht dies - wie in Bremen - durch Rechtsverordnung, unterliegt es allerdings revisionsgerichtlicher Überprüfung, ob diese auf eine verfassungsgemäße gesetzliche Verordnungsermächtigung im Bundes- oder Landesrecht zurückzuführen ist, die Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt (zur Bindung auch der Landesgesetzgebung an den in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Grundsatz vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 2000 - 6 P 1.99 - BVerwGE 110, 253 <255 f.>; BVerfG, Beschluss vom 20. Oktober 1981 - 1 BvR 640/80 - juris Rn. 62). 22 Daran gemessen begründet § 1 Nr. 1, § 3 Abs. 4 BremAufenthZVO in Einklang mit Bundesrecht für die streitgegenständliche Verlustfeststellung (und damit zusammenhängende Folgeentscheidungen) die Zuständigkeit des Senators für Inneres. § 1 BremAufenthZVO legt die Ausländerbehörden im Sinne des § 71 Abs. 1 AufenthG für den - aus den Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven bestehenden - Stadtstaat Bremen und deren örtlichen Wirkungsbereich fest: Ausländerbehörden sind danach 1. für die Freie Hansestadt Bremen der Senator für Inneres nach Maßgabe des § 3, 2. für die Stadtgemeinde Bremen das Migrationsamt und 3. für die Stadtgemeinde Bremerhaven der Magistrat der Stadt Bremerhaven. Die - gegenständlich beschränkte - Zuständigkeit des Senators für Inneres erstreckt sich nach § 3 Abs. 4 BremAufenthZVO unter anderem auf ""Feststellungen des Verlusts des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU sowie weitere ausländerrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen (...), die im Zusammenhang mit der Beendigung des Aufenthalts stehen oder der Sicherung der Ausreise dienen"". 23 Diese Zuständigkeitsbestimmung beruht auf einer hinreichend bestimmten Verordnungsermächtigung im Bremischen Polizeigesetz (BremPolG); es kann deshalb auf sich beruhen, ob vorliegend auch die (bundes-)gesetzliche Verordnungsermächtigung in § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG einschlägig ist. Nach § 79 Abs. 3 BremPolG a.F. und dem wortgleichen § 141 Abs. 3 BremPolG in der am 8. Dezember 2020 in Kraft getretenen aktuellen Fassung des Gesetzes vom 24. November 2020 (Brem.GBl. S. 1486, 1568) kann der Senat durch Rechtsverordnung den Polizeibehörden Aufgaben übertragen, die sich aus Bundesgesetzen ergeben, welche die Länder als eigene Angelegenheiten oder im Auftrage des Bundes auszuführen haben. In dieser Regelung hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage (auch) für die in § 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 4 BremAufenthZVO getroffene Zuständigkeitszuweisung an den Senator für Inneres gesehen. Die dem Senator für Inneres damit zugewiesene gegenständlich beschränkte Zuständigkeit kann der Gefahrenabwehr zugeordnet werden; das gilt jedenfalls für die hier ergangene Verlustfeststellung aus Gründen der öffentlichen Ordnung gemäß § 6 FreizügG/EU. Bei dem Senator für Inneres handelt es sich auch um eine Polizeibehörde im Sinne des Bremischen Polizeigesetzes. 24 Weitergehende Bestimmtheitsanforderungen sind an die Verordnungsermächtigung - auch unter dem Gesichtspunkt des Parlamentsvorbehalts - hier nicht zu stellen, weil es sich lediglich um eine Übertragung von Zuständigkeiten handelt, die als solche keine spezielle Grundrechtsrelevanz aufweist. Die weitergehende Interpretation des Klägers, der den die Zuständigkeit des Senators begründenden Normen offenbar (auch) eine materielle Eingriffsbefugnis entnimmt, ist rechtsirrig. Von einem solchen Verständnis, dem wegen der in materieller Hinsicht abschließenden Regelungen des Freizügigkeitsgesetzes/EU und des Aufenthaltsgesetzes Bundesrecht entgegenstünde, sind ersichtlich auch weder das Oberverwaltungsgericht noch die Beklagte ausgegangen. 25 b) Die die Zuständigkeit des Senators für Inneres begründenden Normen des Landesrechts verstoßen nicht deshalb gegen Bundesrecht, weil sie nach der für den Senat bindenden Auslegung des Landesrechts durch das Berufungsgericht eine zusätzliche Zuständigkeit des Senators begründen, die zu derjenigen der kommunalen Ausländerbehörde im Sinne einer Doppelzuständigkeit hinzutritt. Das Berufungsgericht hat ausführlich dargelegt, dass hiergegen nach der konkreten Handhabung, die sowohl negative Kompetenzkonflikte als auch widersprüchliche Entscheidungen vermeidet, keine rechtsstaatlichen Bedenken bestehen (UA S. 10 ff.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 5. Mai 1998 - 1 C 17.97 - BVerwGE 106, 351 <355>). 26 c) Die Zuweisung der Zuständigkeit an den Senator für Inneres als oberste Landesbehörde ist auch nicht deshalb mit Bundesrecht unvereinbar, weil gegen dessen Entscheidungen gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO kein Vorverfahren stattfindet. § 84 Abs. 2 AufenthG ist dadurch nicht verletzt, selbst wenn diese Vorschrift auf Verlustfeststellungen nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU Anwendung finden sollte. Denn § 84 Abs. 2 AufenthG regelt lediglich die Wirkung von Widerspruch und Klage im Falle von Ausweisungen und sonstigen Verwaltungsakten, die die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beenden. Damit ist keine Aussage darüber verbunden, dass gegen Ausweisungen in jedem Fall ein Widerspruch statthaft sein soll (BVerwG, Beschluss vom 2. Dezember 2021 - 1 B 38.21 - Rn. 8). Das Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), das allein einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz verlangt, ist ebenfalls nicht tangiert. 27 Eine zusätzliche Nachprüfung in einem behördlichen Verfahren ist auch nicht von Unionsrechts wegen vorgeschrieben. Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (Freizügigkeitsrichtlinie, im Folgenden RL 2004/38/EG) bestimmt, dass die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit einen ""Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde"" des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können müssen. Wie die Formulierung ""gegebenenfalls"" zeigt, ist es den Mitgliedstaaten freigestellt, ob sie zusätzlich zu dem verpflichtend vorgegebenen gerichtlichen Rechtsbehelf auch noch einen vorgeschalteten behördlichen Rechtsbehelf vorsehen. Ein ""Vier-Augen-Prinzip"" ist damit anders als noch nach der Vorgängerregelung nicht mehr verbindlich vorgeschrieben (vgl. etwa Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 6 FreizügG/EU Rn. 104 ff.). 28 d) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge des Klägers, der Senator für Inneres habe sein ihm durch § 3 Abs. 4 BremAufenthZVO hinsichtlich der Inanspruchnahme der Zuständigkeit eingeräumtes ""Entschließungsermessen"" nicht ausgeübt. Das Berufungsgericht hat die Norm dahin ausgelegt, dass die Formulierung ""kann"" in § 3 Abs. 4 BremAufenthZVO lediglich eine Entscheidungskompetenz einräume, da sie in einer Zuständigkeitsverordnung stehe und keine materiellen Befugnisse verleihe. An diese Auslegung irrevisiblen Rechts ist der Senat gebunden; unabhängig davon ist diese ohne Weiteres nachvollziehbar. 29 2.1.2 Der Bescheid ist auch im Übrigen formell rechtmäßig. Die nach § 6 Abs. 8 Satz 1 FreizügG/EU regelmäßig erforderliche Anhörung des Betroffenen, hier des Klägers, ist mit Schreiben des Migrationsamtes der Stadtgemeinde Bremen vom 6. Oktober 2017 erfolgt. Da der Senator für Inneres das - durch dieses Anhörungsschreiben in Gang gesetzte - Verlustfeststellungsverfahren mit der Anzeige seiner Übernahme in dem Stadium übernommen hat, in dem es sich befand, brauchte er den Kläger nicht erneut selbst anzuhören. Der - vom Kläger vermissten - Anhörung seiner Ehefrau bedurfte es nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts nicht. 30 2.2 Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Verlustfeststellung liegen vor, namentlich geht vom Kläger eine Gefahr aus, die in materieller Hinsicht unter Berücksichtigung der konkret einschlägigen Gefahrenschwelle eine Verlustfeststellung aus Gründen der öffentlichen Ordnung grundsätzlich rechtfertigt. 31 Rechtsgrundlage für die Verlustfeststellung ist § 6 i.V.m. § 12a FreizügG/EU. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU kann der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 unbeschadet des § 2 Abs. 7 und des § 5 Abs. 4 FreizügG/EU nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Art. 45 Abs. 3, Art. 52 Abs. 1 AEUV) festgestellt und die Bescheinigung über das Daueraufenthaltsrecht oder die Aufenthaltskarte oder Daueraufenthaltskarte eingezogen werden. Diese Regelung findet auf den Kläger mit Blick auf seine Kinder möglicherweise schon unmittelbar, jedenfalls aber entsprechende Anwendung, wie § 12a FreizügG/EU in der Fassung des Gesetzes zur aktuellen Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften an das Unionsrechts vom 12. November 2020 (BGBl. I S. 2416) nunmehr ausdrücklich bestimmt. Denn er ist Ehegatte und damit Familienangehöriger einer Deutschen, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit nach Art. 21 AEUV nachhaltig Gebrauch gemacht hat (zur entsprechenden Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG auf diese Fallkonstellation siehe bereits EuGH, Urteil vom 14. November 2017 - C-165/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​862], Lounes - Rn. 61). 32 2.2.1 Die im Freizügigkeitsgesetz/EU selbst normierten Tatbestandsvoraussetzungen für eine Verlustfeststellung ergeben sich im Streitfall aus § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU (a); denn ein gesteigerter Ausweisungsschutz nach § 6 Abs. 4 oder 5 FreizügG/EU kommt dem Kläger nicht zu (b). Ob ergänzend auch die erhöhten Voraussetzungen, die § 53 Abs. 4 AufenthG an die Ausweisung von Asylantragstellern stellt, auf den Kläger Anwendung finden, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung (c). 33 a) Gründe der öffentlichen Ordnung, die nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU eine Verlustfeststellung rechtfertigen, erfordern eine gegenwärtige, tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (§ 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 FreizügG/EU). Die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung genügt damit für sich allein nicht, um eine Verlustfeststellung zu begründen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU). Es dürfen nur im Bundeszentralregister noch nicht getilgte strafrechtliche Verurteilungen und diese nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. 34 b) Auf die in § 6 Abs. 4 oder 5 FreizügG/EU normierten gesteigerten Anforderungen an die vom Freizügigkeitsberechtigten ausgehende Gefahr kann sich der Kläger nicht berufen, weil er die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt. Nach § 6 Abs. 4 FreizügG/EU darf eine Verlustfeststellung nach Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts nur aus schwerwiegenden Gründen getroffen werden. Hat der Betroffene seinen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet gehabt, erfordert eine Verlustfeststellung zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit (§ 6 Abs. 5 FreizügG/EU). Diese Schutzstufe baut auf der vorangegangenen auf und setzt deshalb ebenfalls den Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts voraus (vgl. EuGH, Urteil vom 17. April 2018 - C-316/16 und C-424/16 - juris Rn. 60 f.). Danach genießt der Kläger einen gesteigerten Ausweisungsschutz weder nach § 6 Abs. 4 noch nach § 6 Abs. 5 FreizügG/EU, weil er - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei entschieden hat - im Bundesgebiet kein Daueraufenthaltsrecht erworben hat. Der drittstaatsangehörige Familienangehörige einer Unionsbürgerin erwirbt nach § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU, Art. 16 Abs. 2 RL 2004/38/EG ein Daueraufenthaltsrecht, wenn er sich seit fünf Jahren mit dem Unionsbürger ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) dürfen Zeiträume der Verbüßung einer Freiheitsstrafe für die Zwecke des Erwerbs eines Daueraufenthaltsrechts nicht berücksichtigt werden. Diese unterbrechen zudem die erforderliche Kontinuität des - mindestens fünfjährigen - Aufenthalts (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Januar 2014 - C-378/12 [ECLI:​EU:​C:​2014:​13], Onuekwere - juris Rn. 17 ff., 28 ff.). Diesen Zeiträumen hat das Berufungsgericht folgerichtig Zeiträume einer Untersuchungshaft gleichgestellt, sofern diese anschließend in eine Strafhaft mündet, weil der Betroffene zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde. In Anwendung dieser Maßstäbe und auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, hat sich der Kläger weder im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts noch gar bereits bei Erlass der angefochtenen Verfügung fünf Jahre lang ununterbrochen ""mit"" seiner Ehefrau (und den gemeinsamen Kindern) rechtmäßig in Deutschland aufgehalten. 35 c) Der Senat kann im Ergebnis offenlassen, ob die erhöhten Anforderungen, die § 53 Abs. 4 AufenthG an die Ausweisung von Asylantragstellern stellt, auf den Kläger Anwendung finden. Nach dieser Vorschrift kann ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder (gemeint offensichtlich: und ) ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes abgeschlossen wird. Liegt - wie angesichts des zwischenzeitlich innegehabten Aufenthaltsrechts hier - keine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung (mehr) vor (Nr. 2), darf von der Bedingung nur abgesehen werden, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3 eine Ausweisung rechtfertigt (Nr. 1). 36 aa) Es spricht viel dafür, dass dieser besondere Ausweisungsschutz für Asylbewerber nach der Meistbegünstigungsklausel des § 11 Abs. 14 FreizügG/EU auch auf freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen anwendbar ist. Zwar schließt § 11 Abs. 1 FreizügG/EU die Anwendung der allgemeinen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes für diesen Personenkreis grundsätzlich aus; zu den Normen, die auf diesen gleichwohl Anwendung finden, zählt § 53 AufenthG nicht. Soweit § 53 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG für eine (bedingungslose) Ausweisung eine Gefahrenschwelle festlegt, die höher liegt als diejenige, die für eine Verlustfeststellung bei freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen von Unionsbürgern ohne Daueraufenthaltsrecht sonst gilt (dazu näher unten), handelt es sich bei dem so bewirkten besonderen Ausweisungsschutz aber um eine Vorschrift, die eine günstigere Rechtsstellung vermittelt als das Freizügigkeitsgesetz/EU. Dem steht nicht entgegen, dass bei der im Rahmen der Günstigkeitsklausel vorzunehmenden vergleichenden Betrachtung auf die jeweilige Rechtsstellung im Ganzen abzustellen ist und nicht einzelne Merkmale isoliert betrachtet werden dürfen. Denn bei Nichterfüllung der qualifizierten Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 AufenthG wäre auch eine sich insgesamt nach den §§ 53 ff. AufenthG richtende Ausweisung nicht zulässig, sofern der Betroffene einen Asylantrag gestellt hat. 37 bb) Ob der Kläger im Sinne von § 53 Abs. 4 AufenthG einen ""Asylantrag gestellt"" hat und der besondere Ausweisungsschutz somit eingreift, lässt der Senat offen. Ein Asylgesuch und damit einen Asylantrag im materiellen Sinne (vgl. § 13 Abs. 1 AsylG) hat der Kläger jedenfalls geäußert, wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist. Denn er hat sich mit seiner Klage hinreichend substantiiert auf die Gefahr der Einleitung eines erneuten Strafverfahrens nebst Inhaftierung in der Türkei und eine in der Haft zu befürchtende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK berufen. Damit hat er sinngemäß Schutz vor Abschiebung in einen Staat begehrt, in dem ihm nach seinem Vorbringen ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG droht (§ 13 Abs. 1 AsylG); ein solches materielles Asylgesuch kann auch gegenüber der Ausländerbehörde geäußert werden. Einen förmlichen Asylantrag, bei dem es sich angesichts der vorangegangenen Asylverfahren um einen Folgeantrag handelt, hat er hingegen nach den dafür zwingend zu beachtenden Vorgaben des § 71 Abs. 2 AsylG bisher nicht gestellt. Eine Asylantragstellung im Sinne des § 53 Abs. 4 AufenthG läge daher nur vor, wenn dafür - grundsätzlich und auch bei einem Asylfolgebegehren - bereits das materielle Asylgesuch im Sinne des § 13 AsylG genügte und bei einem Asylfolgebegehren damit (erst recht) auch nicht weitergehend zu verlangen wäre, dass das Bundesamt bereits positiv entschieden hat, dass ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist. Diese im Einzelnen umstrittenen Fragen sind vorliegend nicht entscheidungserheblich, weil § 53 Abs. 4 AufenthG der Verlustfeststellung selbst dann nicht entgegensteht, wenn der Kläger als Asylantragsteller im Sinne dieser Vorschrift zu behandeln sein sollte, weil er die Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG für eine bedingungslose Ausweisung bzw. Verlustfeststellung von Asylbewerbern erfüllt (dazu im Einzelnen unter 2.2.2 b). Eine solche Verlustfeststellung setzt voraus, dass ""ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3 eine Ausweisung rechtfertigt."" Dies ist hier im Ergebnis der Fall. 38 Dabei kann die umstrittene Frage offenbleiben, auf welchen Maßstab diese - nur scheinbar klare - Vorschrift verweist. Nach einer verbreiteten Auffassung handelt es sich bei dem Verweis auf Absatz 3 um ein Redaktionsversehen: Der Gesetzgeber habe den Anpassungsbedarf offenkundig übersehen, der sich durch das Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1294) aus der Einfügung der neuen Regelungen ergeben habe, die in Absatz 3a für die - zuvor in Absatz 3 mitbehandelten - anerkannten Asylberechtigten und Flüchtlinge und für die subsidiär Schutzberechtigten (erstmals) in Absatz 3b nunmehr jeweils besondere Gefahrenschwellen bestimmen. Für den Regelfall eines unbeschränkten Asylantrags wird daher angenommen, dass § 53 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG in der Sache weiterhin auf die - nunmehr in Abs. 3a geregelten - Voraussetzungen für die Ausweisung eines anerkannten Asylberechtigten oder Flüchtlings verweist, weil nicht erkennbar sei, dass der Gesetzgeber die herkömmliche ausweisungsrechtliche Gleichbehandlung von Asylbewerbern mit anerkannten Asylberechtigten und Flüchtlingen habe aufheben wollen (so etwa VGH Mannheim, Urteil vom 15. April 2021 - 12 S 2505/20 - juris Rn. 105 ff. [nicht rechtskräftig]; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 53 Rn. 103; anders Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Oktober 2021, § 53 AufenthG Rn. 248 f.). Doch selbst wenn es sich bei dem Verweis auf Absatz 3 um ein solches Redaktionsversehen handelte, wäre die einschlägige Gefahrenschwelle im vorliegenden Fall jedenfalls nicht § 53 Abs. 3a AufenthG, sondern § 53 Abs. 3b AufenthG zu entnehmen, dessen Voraussetzungen hier erfüllt sind (s.u.). Der Kläger macht mit seinem Asylgesuch offensichtlich und eindeutig keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung geltend, sondern beruft sich lediglich auf Gründe, die subsidiären Schutz zu begründen geeignet sind. In einem solchen Fall gibt es jedenfalls keinen Grund, ihn wie einen anerkannten Flüchtling zu behandeln, weil eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft danach nicht in Betracht kommt. 39 Nach § 53 Abs. 3b AufenthG darf ein Ausländer, der die Rechtsstellung eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG genießt, nur ausgewiesen werden, wenn er eine schwere Straftat begangen hat oder er eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Mit dieser durch das Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1294) neu geschaffenen Regelung hat der Gesetzgeber den Ausweisungsschutz subsidiär Schutzberechtigter entsprechend der Regelung des § 53 Abs. 3a AufenthG ausgestalten wollen, und zwar ""entsprechend der Vorgaben der Richtlinie (EU) 2011/95/EU auf etwas niedrigerem Niveau"" (BT-Drs. 19/10047 S. 34). Unionsrechtlicher Orientierungspunkt waren für den Gesetzgeber dabei erklärtermaßen die Gründe, aus denen der subsidiäre Schutzstatus gemäß Art. 19 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Art. 17 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU beendigt werden kann, nämlich dann, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Betroffene ""b) eine schwere Straftat begangen hat"" oder ""d) eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält."" Der unionsrechtlich vorgesehenen Abstufung des Schutzniveaus zwischen Flüchtlingen gemäß Absatz 3a - für die die Gesetzesbegründung zuvor auf die sich aus Art. 33 Abs. 2 Genfer Flüchtlingskonvention und Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2011/95/EU ergebenden Vorgaben verweist - und subsidiär Schutzberechtigten entspreche es, bei subsidiär Schutzberechtigten einen etwas niedrigeren Maßstab anzulegen (BT-Drs. 19/10047 S. 34). 40 Zu dem für Flüchtlinge geltenden Schutzstandard nach § 53 Abs. 3a AufenthG wird allerdings mit beachtlichen Gründen auch die Auffassung vertreten, die dort definierten Anforderungen seien entgegen der Begründung des Gesetzentwurfs nicht mit den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2011/95/EU gleichzusetzen, die denjenigen für eine Durchbrechung des Refoulementverbots entsprechen (vgl. Art. 21 Abs. 2 RL 2011/95/EU, Art. 33 Abs. 2 GFK, § 60 Abs. 8 AufenthG), sondern kohärent mit denen nach Art. 24 Abs. 1 RL 2011/95/EU, wonach zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung eine Ausweisung gestatteten (so etwa VGH Mannheim, Urteil vom 15. April 2021 - 12 S 2505/20 - juris Rn. 110 ff.; Revision anhängig unter 1 C 20.21 ). Wäre dieser Auslegung zu folgen, könnte Entsprechendes auch für § 53 Abs. 3b AufenthG zu prüfen sein, weil der Maßstab, den Art. 24 Abs. 1 RL 2011/95/EU für die Verweigerung (und der Sache nach auch die Aufhebung) eines Aufenthaltstitels bei anerkannten Flüchtlingen bestimmt, nach Art. 24 Abs. 2 RL 2011/95/EU in gleicher Weise auch für subsidiär Schutzberechtigte gilt. Die damit aufgeworfene Frage, ob die Voraussetzungen des § 53 Abs. 3b AufenthG (""wenn er eine schwere Straftat begangen hat oder er eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt"") im Einklang mit Art. 17 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU auszulegen sind oder aber im Einklang mit Art. 24 Abs. 2 RL 2011/95/EU, bedarf anlässlich des vorliegenden Falles aber ebenfalls keiner Entscheidung. Denn in der Person des Klägers liegen die Voraussetzungen der einen wie der anderen Vorschrift vor (siehe dazu 2.2.2). 41 Die - bei wortgetreuem Verständnis des § 53 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG - hier auch in Frage kommende Gefahrenschwelle des § 53 Abs. 3 AufenthG wäre ebenfalls überschritten, weshalb offenbleiben kann, ob sie die Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU überhaupt übersteigt. Ebenso wenig bedarf dann der Klärung, ob dem Kläger als türkischem Staatsangehörigen ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht zusteht und er (auch) deshalb unter § 53 Abs. 3 AufenthG fällt. 42 2.2.2 Nach diesen Maßstäben liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Verlustfeststellung vor, weil von dem Kläger eine diese grundsätzlich rechtfertigende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (a) und die Gefahrenschwelle des § 53 Abs. 3b AufenthG überschritten ist (b). 43 a) Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU rechtsfehlerfrei bejaht. Der Kläger ist zweimal, nämlich in den Jahren 2007 und 2017, wegen schwerwiegender Betäubungsmitteldelikte zu langjährigen Freiheitsstrafen von jeweils mehr als sieben Jahren verurteilt worden. Beide Verurteilungen sind im Bundeszentralregister noch nicht getilgt bzw. zu tilgen. Das Berufungsgericht hat die Verlustfeststellung auch nicht allein mit diesen strafgerichtlichen Verurteilungen begründet (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU). Es hat vielmehr auf der Grundlage der seiner Entscheidung zugrunde liegenden, das Bundesverwaltungsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen rechtsfehlerfrei näher ausgeführt, dass die Umstände der Begehung dieser Straftaten ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das die Prognose rechtfertigt, dass der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit nach der Haftentlassung bzw. nach dem Erlass eines zur Bewährung ausgesetzten Strafrests wieder mit Heroin handeln oder Heroin nach Deutschland einführen werde. An dieser Prognose habe sich (auch) unter Berücksichtigung des Zeitablaufs und des Verhaltens des Klägers im Vollzug sowie seiner familiären Verhältnisse im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts nichts geändert. An diese tatrichterliche Würdigung, auf die hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen werden kann, ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden; der Kläger hat sich dagegen auch nicht substantiiert gewandt und namentlich keine Verfahrensrüge erhoben. 44 b) An den weiteren in Betracht kommenden, ggf. qualifizierten Gefahrenschwellen hat das Berufungsgericht die vom Kläger ausgehenden Gefahren zwar nicht ausdrücklich gemessen. Die tatrichterlich getroffenen Feststellungen ermöglichen dem Senat hier aber auch die Subsumtion unter deren Voraussetzungen. Ist § 53 Abs. 3b AufenthG einschlägig und im Einklang mit Art. 17 Abs. 1 Buchst. b und d RL 2011/95/EU zu verstehen, ist erforderlich, dass der Ausländer eine schwere Straftat begangen hat oder er eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält. Anders als bei Art. 17 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU (vgl. dazu etwa VGH Mannheim, Urteil vom 11. Dezember 2013 - 11 S 1770/13 - juris Rn. 82), der einen Ausschlussgrund wegen Unwürdigkeit regelt und insoweit auf das Ausweisungsrecht nicht unverändert übertragbar ist, bedarf es im Rahmen vom § 53 Abs. 3b AufenthG aber auch in der Variante der bereits begangenen schweren Straftat der Feststellung einer Wiederholungsgefahr (so im Ergebnis zutreffend auch BT-Drs. 19/10047, S. 35). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zudem betont, dass der subsidiäre Schutz nicht pauschal über ein bestimmtes Strafmaß als ""schwere Straftat"" ausgeschlossen werden kann, sondern immer der Einzelfall zu würdigen ist (EuGH, Urteil vom 13. September 2018 - C-369/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​713], Ahmed - Rn. 55 f.). Danach ging vom Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung aufgrund von ihm in der Vergangenheit begangener schwerer Straftaten, deretwegen er rechtskräftig verurteilt worden ist und deren Wiederholung wahrscheinlich ist, eine (auch hinreichend schwere) Gefahr für die Allgemeinheit i.S.v. Art. 17 Abs. 1 Buchst. d RL 2011/95/EU aus. Die einzelfallbezogenen und konkreten Feststellungen des Berufungsgerichts zu den von ihm begangenen Betäubungsmittelstraftaten sowie der darin zum Ausdruck kommenden Verhaltensmuster und der Zukunftsprognose (UA S. 15 f.) tragen auch die Feststellung der Voraussetzungen des § 53 Abs. 3b AufenthG. Die Schwere dieser Gefahr ergibt sich dabei auch aus der vom Berufungsgericht zu Recht hervorgehobenen Art der Straftaten und deren (auch) unionsrechtlicher Bewertung, denn Art. 83 AEUV zählt den illegalen Drogenhandel zur besonders schweren Kriminalität (vgl. EuGH, Urteil vom 23. November 2010 - C-145/09 [ECLI:​EU:​C:​2010:​708], Tsakouridis - Rn. 46 f.). 45 Nichts anderes gilt für den Fall, dass der Gefahrenmaßstab des § 53 Abs. 3b AufenthG mit demjenigen des Art. 24 Abs. 2 letzter Halbs. RL 2011/95/EU gleichzusetzen sein sollte. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu der - im wesentlichen gleichlautenden - Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/83/EG hat der Begriff der ""zwingenden Gründe"" im dort gemeinten Sinne eine weitere Bedeutung als der Begriff der ""stichhaltigen Gründe"" in Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG (entspricht Art. 21 Abs. 2 RL 2011/95/EU). Die Schwelle des Art. 24 Abs. 2 RL 2011/95/EU liegt also jedenfalls niedriger als diejenige des Art. 21 Abs. 2 RL 2011/95/EU, weil es anders als bei der letztgenannten Regelung nicht um eine Durchbrechung des Zurückweisungsverbots geht (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​413] - Rn. 75). Bei subsidiär Schutzberechtigten dürften im Übrigen Art. 3 EMRK und Art. 19 Abs. 2 GRC einer Zurückweisung generell entgegenstehen. Im Gebrauch des Ausdrucks ""zwingende Gründe"" kommt allerdings zum Ausdruck, dass die Beeinträchtigung (hier: der öffentlichen Ordnung) einen besonders hohen Schweregrad aufweist (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 - Rn. 78, in Anlehnung an seine Rechtsprechung zu Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG). Gleichwohl spricht viel dafür, dass hieran geringere Anforderungen zu stellen sind als an die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 Buchst. d RL 2011/95/EU für einen Ausschluss vom subsidiären Schutz. Denn die Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 2 letzter Halbs. RL 2011/95/EU ändert - anders als bei Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 Buchst. a RL 2011/95/EU - wohl nichts daran, dass der Betroffene weiterhin Schutzberechtigter im Sinne der Richtlinie ist (so für Art. 24 Abs. 1 RL 2011/95/EU EuGH, Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 - Rn. 95). 46 Auch ""zwingende Gründe"" im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RL 2011/95/EU liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen hier jedenfalls vor, ohne dass abschließend geklärt werden muss, wie sich diese Schwelle zu derjenigen des Art. 17 Abs. 1 Buchst. d RL 2011/95/EU verhält. Diese Feststellungen erlauben den Schluss, dass der Kläger mit Blick auf die beiden Verurteilungen zu langjährigen Freiheitsstrafen wegen schwerer Straftaten, die Art der begangenen Delikte, die darin zum Ausdruck gekommene erhebliche kriminelle Energie und Rückfallgefahr sowie seine Persönlichkeit eine besonders schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung darstellt. Aus den genannten Erwägungen überschreitet die vom Kläger ausgehende Gefahr zudem jedenfalls auch die Schwelle des § 53 Abs. 3 AufenthG. 47 2.3 Die Verfügung der Beklagten leidet jedoch an einem Ermessensfehler, der zu ihrer Aufhebung führt (§ 114 VwGO). Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts ist mit § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU unvereinbar. 48 2.3.1 Nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU steht die Verlustfeststellung im pflichtgemäßen Ermessen (§ 40 BremVwVfG) der Ausländerbehörde, wie sich aus der Formulierung ""kann"" ergibt. Daran hat der nationale Gesetzgeber auch nach der Umgestaltung des nationalen Ausweisungsrechts, das die Ausweisung jetzt als gerichtlich unbeschränkt überprüfbare Abwägungsentscheidung ausgestaltet hat, festgehalten. Der Vorrang des Unionsrechts steht dem nicht entgegen. Auch wenn das Unionsrecht in Gestalt der Freizügigkeitsrichtlinie eine Ermessensentscheidung im Sinne von § 40 VwVfG nicht verlangt (vgl. Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 6 FreizügG/EU Rn. 22), hindert es den nationalen Gesetzgeber doch nicht daran, eine solche vorzusehen. Die - zwingend vorgegebene - Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 27 Abs. 2 RL 2004/38/EG) ist auch bei einer Ermessensentscheidung sichergestellt und insoweit voll gerichtlich überprüfbar. Eine rechtmäßige Ermessensentscheidung setzt in der Regel allerdings auch voraus, dass die Behörde den entscheidungserheblichen und für eine sachgemäße Wahrnehmung der Letztverantwortlichkeit maßgeblichen Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und in ihre Erwägungen eingestellt hat. Hat die Behörde wesentliche Umstände übersehen oder konnte sie diese noch nicht berücksichtigen und kommt es nicht zu einer Nachbesserung im gerichtlichen Verfahren nach § 114 Satz 2 VwGO, führt dies wegen Ermessensfehlgebrauchs zur Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung (vgl. Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 41. EL Juli 2021, § 114 VwGO Rn. 53). 49 Da für die gerichtliche Überprüfung der Entscheidung über die Verlustfeststellung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen ist (s.o.), trifft die Ausländerbehörde auch während des gerichtlichen Verfahrens - wie nach altem Recht bei der Ermessensausweisung - eine Pflicht zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihrer Verlustfeststellungsentscheidung und gegebenenfalls zur Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen (BVerwG, Urteil vom 15. November 2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 20 m.w.N.; siehe auch Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 27.16 - BVerwGE 157, 356 Rn. 23). 50 2.3.2 Bei der Ermessensentscheidung über eine Verlustfeststellung sind neben den in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU ausdrücklich erwähnten Gesichtspunkten im Grundsatz auch Nachteile zu berücksichtigen, die den Ausländer im Herkunftsland erwarten. Dies gilt uneingeschränkt für solche Nachteile, die das Gewicht eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nicht erreichen, aber gleichwohl so erheblich sind, dass sie sich auf die durch Art. 7 GRC und Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Belange des Ausländers auswirken können (a). Gefahren, die so schwerwiegend sind, dass sie die Voraussetzungen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots begründen, sind im Ausweisungsverfahren jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn für diese eine ausschließliche Prüfungszuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) besteht (b). 51 a) Nach § 6 Abs. 3 FreizügG/EU, der Art. 28 Abs. 1 RL 2004/38/EG nahezu wortgleich umsetzt, sind bei der Entscheidung über die Verlustfeststellung insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen in Deutschland, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Gefahren und Nachteile, die dem Ausländer im Herkunftsland drohen, werden dabei zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Ebenso wie bei der Ausweisung (§ 53 Abs. 2 AufenthG) ist die Aufzählung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte aber nicht abschließend (""insbesondere""). Die Erwähnung der ""Bindungen zum Herkunftsstaat"" in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU (vgl. dazu auch EGMR, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 46410/99, Üner - Rn. 58, sowie EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - C-371/08 [ECLI:​EU:​C:​2011:​809], Ziebell - Rn. 80), könnten darauf schließen lassen, dass die Ermessensentscheidung jedenfalls dann, wenn eine Abschiebung nicht von vornherein rechtlich ausscheidet, auch - ausgewählte - Folgen im Herkunftsstaat einzubeziehen hat und nicht etwa allein am Interesse des Ausländers am Verbleib in Deutschland ausgerichtet werden kann. Zur - strukturell vergleichbaren - Ausweisung hat das Bundesverwaltungsgericht schon unter Geltung des Ausländergesetzes 1965 darauf hingewiesen, dass das private Interesse des Ausländers, sich nicht in einen (bestimmten) anderen Staat begeben zu müssen, sondern im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, aus sämtlichen Nachteilen resultiert, die mit der Ausweisung verbunden sind. In die Abwägung der für und gegen die Ausweisung sprechenden Gründe seien daher auch solche Belange des Ausländers einzubeziehen, die keinen derart strikten rechtlichen oder verfassungsrechtlichen Schutz genießen, dass er unter allen Umständen vor ihnen bewahrt werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1987 - 1 C 29.85 - BVerwGE 78, 285, 291). 52 Eine Berücksichtigung der Folgen einer Ausweisung für den Ausländer im Herkunftsland unter dem Aspekt des Art. 8 EMRK erscheint dem Grunde nach auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) geboten (vgl. EGMR, Urteile vom 20. Dezember 2018 - 18706/16, Cabucak/Deutschland - Rn. 51 und vom 6. Februar 2001 - 44599/98, Bensaid/Vereinigtes Königreich - Rn. 46 ff.). Der EuGH geht ebenfalls ganz allgemein davon aus, dass die Folgen einer Ausweisung nicht nur für die Familienangehörigen, sondern auch für die betreffende Person bei der Entscheidung über eine Ausweisung zu berücksichtigen seien (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - C-371/08 - Rn. 80). Selbst wenn nach aktueller Rechtslage weder im allgemeinen Ausweisungsrecht noch in § 6 FreizügG/EU eine Regelung enthalten ist, nach der Duldungsgründe und Abschiebungsverbote bei der Entscheidung über eine Ausweisung zu berücksichtigen sind (vgl. zuletzt § 55 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG in der bis 31. Dezember 2015 geltenden Fassung) und dies Zweifel begründen mag, ob diese Verpflichtung noch fortbesteht, ist an der älteren Rechtsprechung zur Berücksichtigungspflicht von Nachteilen und Gefahren im Herkunftsland jedenfalls insoweit festzuhalten, als es um Nachteile geht, die unterhalb der Schwelle eines Abschiebungsverbots verbleiben, sofern sie sich auf die durch Art. 7 GRC und Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Belange des Ausländers auswirken können. 53 b) Geltend gemachte Gefahren im Herkunftsstaat, die die Schwelle zu einem zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 AufenthG überschreiten, können hingegen im Rahmen der Ermessensentscheidung bzw. (bei der Ausweisung) der Interessenabwägung jedenfalls insoweit nicht berücksichtigt werden, als für das Abschiebungsverbot eine ausschließliche Prüfungszuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge besteht und dieses ein solches Verbot bisher nicht festgestellt hat. Dies gilt insbesondere für zielstaatsbezogene Gefahren, die ihrer Art nach objektiv geeignet sind, eine Anerkennung als Asylberechtigter oder Flüchtling oder die Zuerkennung subsidiären Schutzes zu begründen. Denn nach der - vom Berufungsgericht zutreffend zugrunde gelegten - Rechtsprechung des Senats ist ein Ausländer mit einem materiellen Asylbegehren, das nach § 13 AsylG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) seit dem 1. Dezember 2013 auch das Begehren auf subsidiären Schutz umfasst, hinsichtlich aller zielstaatsbezogener Schutzersuchen und Schutzformen auf das Asylverfahren vor dem Bundesamt zu verweisen; er hat kein Wahlrecht zwischen einer Prüfung durch die Ausländerbehörde und einer Prüfung durch das Bundesamt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2019 - 1 C 30.17 - Buchholz 402.251 § 29 AsylG Nr. 6 Rn. 22). Ein Ausländer ist daher nach aktueller Rechtslage schon dann - gemäß § 24 Abs. 2 AsylG auch hinsichtlich nationaler Abschiebungsverbote - zwingend auf das Asylverfahren vor dem Bundesamt verwiesen, wenn er sich auf Gefahren beruft, die ihrer Art nach objektiv geeignet sind, subsidiären Schutz zu begründen. Hat er bereits erfolglos ein Asylverfahren durchgeführt, ist unabhängig davon die Ausländerbehörde zudem gemäß § 6 Satz 1 und § 42 Satz 1 AsylG an die in jenem Verfahren (zuletzt) getroffene Entscheidung des Bundesamts oder des Verwaltungsgerichts gebunden. Diese Bindungswirkung kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch negativen Entscheidungen des Bundesamts zu (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. September 1999 - 1 C 6.99 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 20, vom 21. März 2000 - 9 C 41.99 - BVerwGE 111, 77 <80 f.> und vom 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 - BVerwGE 126, 192 Rn. 12). Auch bei nachträglicher erheblicher Änderung der Sachlage ist ausschließlich das Bundesamt zur Korrektur seiner einmal getroffenen Feststellungen befugt, und zwar unabhängig von dem Zeitraum, der seit der Erstentscheidung des Bundesamts verstrichen ist. 54 Die Ausländerbehörde ist deshalb im Ausweisungsverfahren an eine negative Entscheidung des Bundesamtes über Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 5 und 7 AufenthG gebunden. Sie ist nach bisheriger Rechtsprechung auch nicht verpflichtet, das Ausweisungsverfahren auszusetzen, bis das Bundesamt eine aktuelle Entscheidung über einen Asylfolgeantrag oder ein Folgeschutzgesuch getroffen hat, sondern darf ihre Entscheidung (zunächst) auf der unterstellten, nicht notwendigerweise weiterhin zutreffenden tatsächlichen Grundlage treffen, dass kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot vorliegt. Wird später ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot festgestellt, kann der Betroffene gegebenenfalls einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Ausweisungsverfahrens stellen. 55 Dieser Praxis steht Unionsrecht hier nicht entgegen. Die Verlustfeststellung nach § 6 FreizügG/EU ist eine Beschränkung des Einreise- und Aufenthaltsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne des Kapitels VI der Richtlinie 2004/38/EG. Selbst wenn sie nicht nur an Art. 27, sondern auch an Art. 28 RL 2004/38/EG zu messen sein sollte, ist Absatz 1 dieser Regelung doch keine Verpflichtung zur Berücksichtigung auch zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote zu entnehmen. Art. 28 Abs. 1 RL 2004/38/EG dürfte zwar im Lichte von Art. 7 GRC auszulegen sein, woraus das Gebot folgt, den Ausländer im Herkunftsland erwartende Nachteile bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Erreichen derartige Nachteile aber das Gewicht eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots, so steht dies erst und nur einer Verpflichtung, in ein bestimmtes Land, in dem derart erhebliche Gefahren drohen, auszureisen sowie einer Abschiebung dorthin gemäß Art. 18, 19 Abs. 2 GRC entgegen. Die Ausweisung ebenso wie die Verlustfeststellung nach deutschem Recht ist als solche indes auch dann, wenn hinsichtlich des Herkunftslandes ein Abschiebungsverbot besteht oder ungeprüft im Raum steht, noch keine nach Art. 19 Abs. 2 GRC verbotene Ausweisung ""in einen Staat"", in dem eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. 56 2.3.3 Nach diesen Maßstäben erweist sich die Entscheidung der Beklagten als ermessensfehlerhaft, soweit diese die geltend gemachte Gefahr einer dem Kläger in der Türkei drohenden erneuten langjährigen Freiheitsstrafe bezüglich der Auswirkungen auf das durch Art. 7 GRC, Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Familien- und Privatleben des Klägers nicht durch eine nachträgliche Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen berücksichtigt hat. Der Kläger hat sich im Klageverfahren hinreichend substantiiert auf die Gefahr berufen, dass gegen ihn in der Türkei ein neues Strafverfahren wegen der 2017 in Deutschland abgeurteilten Betäubungsmitteldelikte droht. Er hat darauf hingewiesen, dass das diesen Delikten zugrundeliegende Tatgeschehen (Einfuhr von Heroin aus der Türkei) einen eindeutigen Bezug zur Republik Türkei aufweist und dass nach obergerichtlicher Rechtsprechung gerade bei Betäubungsmitteldelikten mit Türkeibezug eine erneute Strafverfolgung in der Türkei grundsätzlich in Betracht komme. Des Weiteren hat er auf Feststellungen in der Rechtsprechung hingewiesen, nach denen zwischen der Türkei und der Bundesrepublik Deutschland ein regelmäßiger Strafnachrichtenaustausch stattfinde; jeder Staat unterrichte den anderen von allen dessen Staatsangehörige betreffenden strafrechtlichen (rechtskräftigen) Verurteilungen und nachfolgenden Maßnahmen, die in das Strafregister eingetragen worden seien. 57 Der Hinweis des Klägers auf den nur begrenzt geltenden, hier nicht einschlägigen Grundsatz ""ne bis in idem"" geht insoweit zwar fehl, als er hieraus ein zwingendes Abschiebungsverbot herleitet. Denn es gibt keine unions-, völker- oder verfassungsrechtlich zwingende Regel, nach der ein straffälliger Ausländer absolut davor geschützt werden muss, in der Türkei für eine bereits in Deutschland abgeurteilte Straftat ein weiteres Mal verurteilt zu werden und diese Strafe - gegebenenfalls auch ohne Anrechnung der im Bundesgebiet verbüßten - auch verbüßen zu müssen (vgl. Berufungsgericht UA S. 23). Eine nach Art. 3 EMRK unzulässige unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung dürfte erst dann vorliegen, wenn die den Ausländer im Herkunftsland erwartende Strafe mit Blick auf eine Nichtanrechnung oder Nichtberücksichtigung der in der Bundesrepublik Deutschland wegen derselben Tat erlittenen Strafe als unerträglich hart und unter jedem denkbaren Gesichtspunkt unangemessen erscheint (vgl. etwa VG Aachen, Beschluss vom 21. Januar 2020 - 6 L 1332/19.A - juris Rn. 30 ff.; VGH Mannheim, Urteil vom 10. Juli 2002 - 13 S 1871/01 - juris Rn. 46; OVG Münster, Beschluss vom 22. Januar 2002 - 17 B 519/01 - juris Rn. 4). 58 Eine (mögliche) Doppelbestrafung ist allerdings auch unterhalb der Schwelle eines zwingenden Abschiebungsverbots geeignet, sich auf die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das durch Art. 7 GRC, Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Familien- und Privatleben des Klägers auszuwirken. Sie muss deshalb in die Ermessensentscheidung über die Verlustfeststellung einbezogen werden. Dies gilt nicht nur unter dem - vom Berufungsgericht erwogenen - Gesichtspunkt, dass eine erneute Freiheitsstrafe dem Kläger die Aufrechterhaltung der Kontakte zu seiner Familie während der Dauer der verfügten Verlustfeststellung mit einem vierjährigen Einreiseverbot erschweren würde. Vielmehr wäre im Falle einer dem Kläger drohenden, vier Jahre (möglicherweise deutlich) übersteigenden Freiheitsstrafe neu zu bewerten, ob sich die Verlustfeststellung auch unter Berücksichtigung der damit faktisch verlängerten Dauer der Familientrennung als verhältnismäßig und angemessen erwiese. Dies setzt zunächst voraus, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren aufzuklären, ob dem Kläger eine erneute Verurteilung in der Türkei tatsächlich droht, welches Strafmaß gegebenenfalls in Betracht käme und inwieweit mit einer Anrechnung der in Deutschland verbüßten Strafhaft zu rechnen wäre. Zur selbstständigen Prüfung dieser auf das Herkunftsland bezogenen Umstände ist die Beklagte - gegebenenfalls unter Zuhilfenahme der Sachkunde des Bundesamtes - befugt und verpflichtet, wenn und weil sie die Schwelle einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung im Sinne des Art. 3 EMRK voraussichtlich nicht erreichen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2009 - 1 C 11.08 - BVerwGE 134, 124 Rn. 22). 59 Die Beklagte war mithin auf das erwähnte Klagevorbringen hin - mit Blick auf die Pflicht zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihrer Verlustfeststellungsentscheidung - unter dem Aspekt des Art. 7 GRC, Art. 8 Abs. 1 EMRK gehalten, die Aufrechterhaltung der Verlustfeststellung zu überprüfen und ihre Ermessenserwägungen gegebenenfalls bis zum Abschluss der Tatsacheninstanzen entsprechend zu ergänzen. Diesen Anforderungen genügt die Reaktion der Beklagten vorliegend nicht. Denn diese beschränkt sich auf den Hinweis im Berufungsverfahren, das Vorbringen des Klägers sei allenfalls geeignet, ein vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu prüfendes Abschiebungsverbot zu begründen, das nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei und auch nicht ""per se"" vorliege. Eigene Erwägungen des Berufungsgerichts können unzureichende Ermessenserwägungen der Behörde insoweit nicht ersetzen. 60 2.4 Da die Verlustfeststellung mithin aufzuheben ist, entfällt die Grundlage für das auf vier Jahre befristete Einreiseverbot (§ 7 Abs. 2 FreizügG/EU) und ist auch die auf § 7 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU beruhende Abschiebungsandrohung als rechtswidrig aufzuheben. Damit bedarf hier keiner Entscheidung, ob der Kläger im Falle einer rechtmäßigen Verlustfeststellung - wie das Berufungsgericht angenommen hat - ausreisepflichtig gewesen wäre (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU), oder ob das von ihm geäußerte materielle Asylgesuch einer Ausreisepflicht - etwa mit Blick auf unionsrechtliche Vorgaben - entgegengestanden hätte. 61 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2022-10,27.01.2022,"Pressemitteilung Nr. 10/2022 vom 27.01.2022 EN Vereinsrechtliches Verbot von Teilorganisationen der PKK bestätigt Das mit Verfügung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) vom 1. Februar 2019 ausgesprochene Verbot eines Verlages und einer Musikproduktionsfirma als Teilorganisationen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ist rechtmäßig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 26. Januar 2022 entschieden. Die Klägerinnen sind Wirtschaftsvereinigungen in der Rechtsform der GmbH. Das BMI verbot sie und löste sie mit der genannten Verfügung auf. Bei den Klägerinnen handele es sich um Teilorganisationen der bereits im Jahre 1993 verbotenen PKK. Zur Begründung verwies das BMI darauf, dass die PKK die Klägerinnen zur Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts der Organisation nutze, indem diese PKK-Propagandamaterial verbreiteten und durch dessen Verkauf die PKK finanziell unterstützten. Die Klägerinnen haben gegen die Verbotsverfügung Klage erhoben. Sie haben geltend gemacht, keine Teilorganisationen der PKK zu sein. Geschäftsfeld der Klägerin zu 1. sei das Verlegen von Büchern mit kurdischem Bezug sowie der Vertrieb zahlreicher Werke der Weltliteratur. Die Klägerin zu 2. sei ein Audioverlag und -vertrieb, dessen Programm sämtliche Spektren der kurdischen Musik und Kultur abdecke, und organisiere Musikveranstaltungen. Sie seien nicht mit der PKK verflochten. Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht erst- und letztinstanzlich entscheidet, hatte keinen Erfolg. Die PKK, deren Betätigungsverbot nach wie vor Geltung beansprucht, unterhält in Europa von PKK-Funktionären geleitete Firmen und Institutionen einschließlich eines eigenen Medienwesens zur Durchsetzung ihrer Ziele, Verbreitung ihrer Ideologie und Rekrutierung neuer Anhänger. Die Klägerinnen sind in die Strukturen der PKK eingegliedert. Sie sind nach den feststellbaren Indizien vor allem organisatorisch und finanziell, aber auch personell eng mit der PKK verflochten, sodass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als deren Teilorganisationen anzusehen sind. Bei der Klägerin zu 1. handelt es sich um einen Verlag, dem in der PKK-Struktur die Aufgabe zukommt, Propagandamaterial zu vertreiben. Hierfür spricht, dass sie nach den Feststellungen des Gerichts die Produktion des Propagandamaterials zum Teil selbst in Auftrag gibt und das Material wie PKK-nahe Bücher und Zeitschriften sowie PKK-Devotionalien (Fahnen, Banner, Wimpel, Schlüsselanhänger, Guerilla-Kinderkampfanzüge) im In- und Ausland vertreibt. Sie beliefert insbesondere den Dachverband der kurdischen Vereine in Deutschland, der als PKK-nah anzusehen ist. Ihre finanzielle Verflechtung mit der PKK folgt aus den monatlichen Zuschüssen der PKK-Europaführung, ohne die sie ihre Geschäftstätigkeit wegen Überschuldung nicht aufrechterhalten könnte, und der gegenüber der PKK-Europaführung geleisteten Rechenschaft. Weiteres Indiz für die Eingliederung in die Strukturen der PKK ist, dass ihr Geschäftsführer zu den PKK-Funktionären gehört. Auch bei der Klägerin zu 2., einer Musikproduktionsfirma, die ebenfalls von dem Geschäftsführer der Klägerin zu 1. geführt wird, liegen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die Voraussetzungen einer Teilorganisation vor. Indiz hierfür ist, dass die Klägerin zu 2. die Aufgaben einer von der PKK gegründeten, aber insolvent gegangenen Firma übernommen hat, einen kurdischen Musikmarkt zu schaffen und mit den hierdurch erzielten Einnahmen die PKK finanziell zu unterstützen. Diesen Aufgaben entsprechend vertreibt sie - anders als die Klägerin zu 1. - nur in geringem Umfang Propagandamaterial. Sie bedient im Wesentlichen mit ihrer Geschäftstätigkeit die Nachfrage nach kurdischer Musik und kurdischen Künstlern. Entscheidende Bedeutung kommt insoweit dem Umstand zu, dass die Klägerin zu 2. mit den Einnahmen aus ihrer Geschäftstätigkeit in wirtschaftlich beachtlichem Umfang in einem TV-Sender der PKK Werbung schaltet und Großveranstaltungen des Dachverbandes der kurdischen Vereine in Deutschland sponsert, die von der PKK für die Verbreitung ihrer Ideologien genutzt werden. Darüber hinaus leistet die Klägerin zu 2. gegenüber der PKK-Europaführung Rechenschaft hinsichtlich ihrer Einnahmen und Ausgaben. Bedenken aus verfassungsrechtlicher Sicht bestehen gegen das Verbot nicht. BVerwG 6 A 7.19 - Urteil vom 26. Januar 2022","Urteil vom 26.01.2022 - BVerwG 6 A 7.19ECLI:DE:BVerwG:2022:260122U6A7.19.0 EN Einbeziehung von Teilorganisationen in das Betätigungsverbot der PKK Leitsätze: 1. § 17 VereinsG erfasst Gesellschaften mit beschränkter Haftung unabhängig von der Zahl ihrer Gründer und Gesellschafter, sodass er auch bei der sog. Einpersonen-GmbH anzuwenden ist. 2. Nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit können gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG auch nach Erlass des Verbots der Gesamtvereinigung in die Verbotsverfügung einbezogen werden (Anschluss an BVerwG, Gerichtsbescheid vom 3. April 2003 - 6 A 12.02 - KirchE 43, 216). 3. Verletzt die Behörde schuldhaft ihre Pflicht zur wahrheitsgetreuen und vollständigen Aktenführung, kann im gerichtlichen Verfahren nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung von einer Umkehr der Beweislast auszugehen sein. Rechtsquellen GG Art. 5, 9, 12 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1 EMRK Art. 10, 11 VereinsG §§ 3, 4, 8 Abs. 1, §§ 10, 11, 12 Abs. 1 und 2, §§ 17, 18 Satz 2 GmbHG § 1 VwVfG § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwGO §§ 55, 99 Abs. 1 Satz 1, §§ 108, 113 Abs. 1 Satz 1, § 173 Satz 1 GVG § 184 ZPO § 142 Abs. 3 Satz 2 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 26.01.2022 - 6 A 7.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:260122U6A7.19.0] Urteil BVerwG 6 A 7.19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller und Dr. Tegethoff sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp und Hellmann für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Gründe I 1 Die Klägerinnen wenden sich gegen eine Verfügung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat - jetzt Bundesministerium des Innern und für Heimat - (BMI) vom 1. Februar 2019, mit der sie als Teilorganisationen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verboten worden sind. 2 Die Klägerin zu 1. ist eine am 8. November 1995 eingetragene GmbH, die im Jahr 2007 ihren Sitz von ... nach ... verlegt hat. Ihr Geschäftsgegenstand ist nach dem Eintrag in das Handelsregister das Verlegen von Büchern und Zeitschriften, der Groß- und Einzelhandel mit sowie der Im- und Export von Druckerzeugnissen und die Produktion von Bild-, Ton- und Datenträgern. Die Klägerin zu 2. ist im Handelsregister am 14. Januar 2008 als GmbH mit Sitz in ... eingetragen. Laut Handelsregisterauszug besteht ihr Geschäft in der Produktion, dem Vertrieb, dem Im- und Export von Ton-, Bild- und Datenträgern sowie Printmedien und dem Betrieb einer Konzertagentur, einer Werbeabteilung und eines Buchverlags und -vertriebs. Einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerinnen ist Herr X. Beide Klägerinnen sind unter derselben Adresse geschäftsansässig. 3 Das BMI leitete mit Schreiben vom 1. Februar 2018 ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerinnen ein. Im Zuge dessen wurden vom 8. bis 10. März 2018 u.a. die Geschäftsräume der Klägerinnen sowie die Privatwohnung ihres Geschäftsführers durchsucht und dort aufgefundene Gegenstände beschlagnahmt und sichergestellt. 4 Am 12. Februar 2019 stellte das BMI den Klägerinnen die Verbotsverfügung vom 1. Februar 2019 zu und führte eine erneute Durchsuchung mit anschließender Beschlagnahme und Sicherstellung von Gegenständen durch. In der Verfügung stellte es fest, dass die Klägerinnen Teilorganisationen der verbotenen PKK sind (Ziff. 1), löste sie auf (Ziff. 2), verbot die Verwendung ihrer Kennzeichen für die Dauer der Vollziehbarkeit des Verbots (Ziff. 3), ihre Internetauftritte (Ziff. 4) sowie Ersatzorganisationen (Ziff. 5) und beschlagnahmte ihre Vermögen einschließlich des Inventars und Warenbestandes des in Belgien befindlichen Lagers der Klägerin zu 1. und zog diese zugunsten des Bundes ein (Ziff. 6). Darüber hinaus ordnete es die Beschlagnahme und Einziehung von Sachen und Forderungen Dritter nach Maßgabe der Ziff. 7 und 8 sowie unter Ziff. 9 die sofortige Vollziehung mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen an. Die Klägerinnen seien derart in die Struktur der PKK eingegliedert, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als nichtgebietliche Teilorganisationen der PKK anzusehen seien. Die PKK nutze die Klägerinnen zur Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts der Organisation, indem diese PKK-Propagandamaterial verbreiteten und durch dessen Verkauf die PKK finanziell unterstützten. 5 Ausgangspunkt sei das 1993 verfügte und unanfechtbar gewordene Betätigungsverbot der PKK in Deutschland. Ungeachtet der nachfolgenden Umbenennungen der PKK hätten sich deren strukturelle Identität und ihre Zielrichtungen nicht geändert, weshalb das Betätigungsverbot fortwirke. Zur Europaführung der PKK gehöre das sog. ""Wirtschafts- und Finanzbüro"" (EMB). Es organisiere, leite und kontrolliere alle wesentlichen Finanzaktionen in den PKK-Gebieten. Zudem bediene sich die PKK zur Verbreitung ihrer Propaganda und Ideologie eines vielfältigen Medienwesens, um auf den organisatorischen Zusammenhalt ihrer Anhänger hinzuwirken. 6 Die Klägerin zu 1. sei eine nichtgebietliche Teilorganisation der PKK, da sie ihren gesamten Geschäftsbetrieb auf deren Unterstützung ausgerichtet habe und von deren Europaführung finanziert und gesteuert werde. Ihre Gründung diene nach den als Planungspapiere bezeichneten Informationsberichten der Europaführung an den Exekutivratsvorsitz der Koma Civakên Kurdistan (KCK) 2007 und 2008 der Verbreitung der PKK-Ideologie sowie der Erzielung von Einnahmen durch den Vertrieb von Propagandamaterial. Sie sei finanziell, personell und organisatorisch eng mit der PKK verflochten. Als einzige europäische Vertriebsorganisation von Propagandamaterial der PKK erhalte sie monatliche Zuschüsse in beachtlicher Höhe von dem EMB. Ohne diese Zuschüsse wäre sie wegen zu hoher Ausgaben insbesondere für den Druck und den Transport des Materials strukturell überschuldet. Über ihre Einnahmen und Ausgaben leiste sie dem EMB Rechenschaft. Sie verschaffe der PKK durch die Unterstützung von Großveranstaltungen steuerliche Vorteile. Ihr Geschäftsführer sei aufgrund der bei ihm aufgefundenen Unterlagen mit Informationen aus dem inneren Bereich des EMB ein PKK-Funktionär. Ihre weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien jedenfalls mehrheitlich PKK-Aktivisten. Die Klägerin zu 1. setze die Vorgaben der Europaführung in einer die Geschäftstätigkeit prägenden Weise um. Sie vertreibe weltweit Propagandamaterial an PKK-nahe Organisationen und Vereine. Über Logistik- und Vertriebsunternehmen liefere sie das Material ins Ausland. Sie habe für das Versammlungsgeschehen der PKK die Herstellung von Bannern und Flaggen mit unter das Betätigungsverbot fallenden Kennzeichen in Auftrag gegeben. 7 Die Klägerin zu 2. sei als Teilorganisation der PKK anzusehen, weil sie unmittelbar nach der 2007 eingetretenen Insolvenz der ... GmbH gegründet worden sei und deren Nachfolge angetreten habe. Aufgabe der ... GmbH sei es nach dem Willen der PKK gewesen, durch die Entwicklung qualitativ hochwertiger neuer Produkte einen kurdischen Musikmarkt zu schaffen, der sich zumindest selbst finanzieren und schließlich Gewinne erwirtschaften solle. Die Europaführung der PKK habe für deren Gründung 600 000 DM zur Verfügung gestellt und sie wegen nachfolgend entstandener Verluste mit 170 000 € entschuldet. Die Klägerin zu 2. habe nach der Insolvenz der ... GmbH diese Aufgabe übernommen. Sie habe fast ausschließlich Bareinnahmen, von denen sie nur zwischen 70 und 80 % auf ihr Konto einzahle. Es sei davon auszugehen, dass diese Bareinnahmen tatsächlich von der PKK-Europaführung stammten und die vorgefundenen Belege und Quittungen samt Durchschriften nur der Verschleierung dienten. Sie unterstütze mit erheblichen Beträgen Großveranstaltungen der PKK und vermittele dadurch der PKK steuerliche Vorteile. Ihre Angestellten seien ebenfalls überwiegend PKK-Aktivisten. Ihre organisatorische enge Verbindung mit der PKK ergebe sich aus ihrer Geschäftstätigkeit, die von einer Unterstützung der PKK geprägt sei. Ihre Waren, ihr Kundenkreis, ihre Werbung in einschlägigen Medien wie ROJ TV und ihre Verkaufstätigkeit auf einschlägigen, etwa von der ""YEK-KOM"" organisierten Veranstaltungen zeigten, dass die kommerziellen Zielgruppen der Klägerin zu 2. nahezu identisch mit den Anhängern und Sympathisanten der PKK seien. Anderweitige geschäftliche Aktivitäten seien nicht bekannt. Darüber hinaus berate sie Einrichtungen der PKK im Ausland und generiere hierdurch Einnahmen. Sie verfüge über vielfältige Kontakte zu Aktivisten und europäischen Organisationen der PKK, die ein PKK-unabhängiges Unternehmen nicht habe. Sie verkaufe zudem teilweise selbst produziertes PKK-Propagandamaterial. 8 Zahlreiche Indizien sprächen zudem für die Annahme, dass beide Klägerinnen als Einheit anzusehen seien und sich die Teilorganisationseigenschaft auf beide Unternehmen erstrecke. 9 Das Verbot sei verhältnismäßig. Da die Klägerinnen der verbotenen PKK zur Aufrechterhaltung ihres organisatorischen Zusammenhalts dienten, sei deren Auflösung geeignet, diese Unterstützungshandlungen zu unterbinden. Ein milderes Mittel, dieses Ziel zu erreichen, stehe nicht zur Verfügung. Ein Betätigungsverbot sei angesichts der Feststellungen, dass beide Klägerinnen in die Entscheidungsstrukturen der PKK-Europaführung eingebunden und von dieser abhängig seien, nicht ausreichend. Ihre Aktivitäten könnten dauerhaft nur durch die mit dem Vereinsverbot einhergehende Auflösung der Vereinsstrukturen wirksam unterbunden werden. Das Verbot sei auch angemessen. Die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit hätten ebenso wie das Grundrecht der Berufsfreiheit demgegenüber zurückzutreten. Aus Art. 10 und 11 EMRK ergebe sich kein weitergehender Schutz. 10 Eine Anhörung der Klägerinnen sei vor Erlass der Verbotsverfügung entbehrlich gewesen, weil die Gefahr bestanden habe, dass sie im Falle einer Anhörung die aufgrund der Fortführung ihrer Geschäftstätigkeit nach der Durchsuchung im März 2018 angefallenen weiteren Beweise ins Ausland geschafft hätten. 11 Die Klägerinnen haben gegen die Verbotsverfügung am 7. März 2019 Klage beim Bundesverwaltungsgericht erhoben und während des gerichtlichen Verfahrens Zugang zu den sichergestellten Asservaten erhalten. Sie wenden sich gegen die Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes, weil sie jeweils nur einen Gesellschafter hätten und daher nicht als Verein anzusehen seien. Die nachträgliche Einbeziehung von Teilorganisationen in eine bestandskräftige Verbotsverfügung sei von § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG nicht gedeckt. Gerügt werde eine unzureichende Aktenführung der Beklagten, die einseitig lediglich diejenigen Unterlagen vorgelegt habe, welche die Verbotsverfügung stützten. Diese Vorgehensweise verhindere ein faires gerichtliches Verfahren, mache eine effektive Rechtsverteidigung unmöglich und verstoße gegen die Grundsätze der Waffengleichheit, des fairen Verfahrens und der Gewährung rechtlichen Gehörs. Wegen der Sicherstellung des gesamten Warenbestands und Betriebsvermögens der Klägerinnen sowie der Abschaltung ihrer Internetseiten verfüge nur die Beklagte über sämtliche Beweismittel für die gegen eine Teilorganisation sprechenden Tatsachen. Hierzu könnten die Klägerinnen nicht weiter vortragen, weil sie nicht sämtliche sichergestellten Unterlagen hätten einsehen können. 12 Die in der Verbotsverfügung angeführten Unterlagen könnten die Behauptungen der Beklagten nicht stützen. Die Behördenzeugnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) enthielten nur Behauptungen und entbehrten jeglicher Tatsachengrundlage. Die Übersetzungen der Belege seien als Nachweis ungeeignet, weil sie nicht mit einem Richtigkeits- und Vollständigkeitsvermerk versehen seien und den Übersetzer nicht erkennen ließen. Die Übersetzungen der sog. Planungspapiere ließen zwar die Übersetzerin erkennen; deren Eignung sei jedoch zweifelhaft, da laut einem Gerichtsurteil des Oberlandesgerichts München nicht sämtliche von der Übersetzerin in einem Strafverfahren angefertigten Übersetzungen einer sachverständigen Überprüfung standgehalten hätten. 13 Da die PKK ihre Verhaltensweisen und Zielsetzungen zwischenzeitlich geändert habe und schon seit vielen Jahren das Konzept des Demokratischen Konföderalismus verfolge, sei die Annahme der Beklagten unzutreffend, die Organisation, das Aktionsverhalten und die Zielgerichtetheit der PKK hätten sich seit dem Verbot nicht geändert. 14 Die Klägerin zu 1. vertreibe kein Propagandamaterial für die PKK, sondern Bücher zur kurdischen Geschichte, Gegenwartspolitik und mit politisch-philosophischem Inhalt sowie zahlreiche Werke der Weltliteratur. Sie arbeite mit Verlagen in Deutschland und der Türkei zusammen. Die Zahlungen des EMB dienten lediglich dem Erhalt der kurdischen Literatur und Kultur und bildeten daher keine Grundlage für die Annahme einer engen Verflechtung mit der PKK. Die Klägerin zu 1. leiste keine Rechenschaft gegenüber der PKK und verbreite auch nicht in deren Auftrag Propagandamaterial. Ihre Geschäftsbeziehungen zu kurdischen Vereinen und Organisationen beruhten allein auf dem von ihr betriebenen Handel mit kurdischem Kulturgut. Ihre Kunden gehörten nicht zur PKK und seien nicht verboten. Soweit Mitarbeiter ihre Fahrzeuge zum Transport von Propagandamaterial genutzt hätten, seien ihr diese Transporte mangels Kenntnis nicht zuzurechnen. 15 Die Klägerin zu 2. sei ein marktführender Audioverlag und -vertrieb, dessen Programm sämtliche Spektren der kurdischen Musik und Kultur abdecke. Sie produziere und vertreibe kurdische Musik und vermittle Künstler. Sie sei keine Nachfolgerin der ... GmbH. Ihr Warenbestand sei ein Archiv kurdischen Kulturguts im Bereich der Musik und eigne sich nicht als Indiz für eine Eingliederung in die PKK. Ihrer Geschäftstätigkeit seien Beziehungen zu nicht verbotenen Veranstaltungen kurdischer Vereine und Kulturzentren immanent, so dass hieraus keine Rückschlüsse auf eine Verflechtung mit der PKK gezogen werden könnten. Nachweise, aus denen sich eine finanzielle Unterstützung der PKK durch die Klägerin zu 2. ergebe, lägen nicht vor. Ihre Einnahmen stammten nicht von der PKK, sondern seien durch die vorliegenden Rechnungen und Belege nachvollziehbar aufgeschlüsselt. 16 Die Klägerinnen bildeten als wirtschaftlich selbständige Unternehmen keine Einheit. Das Verbot greife in ungerechtfertigter Weise in ihre Grundrechte ein. Bei der Klägerin zu 1. sei das Grundrecht der Pressefreiheit betroffen. Die Klägerin zu 2. könne sich auf die Kunstfreiheit berufen. Eine Rechtfertigung des Eingriffs durch kollidierendes Verfassungsrecht lasse die Verbotsverfügung nicht erkennen. Zudem verletze das Verbot ihre Berufsausübungsfreiheit. Entsprechendes folge aus Art. 10 und 11 EMRK. Das Verbot sei schließlich unverhältnismäßig. Als milderes Mittel stünden Maßnahmen gegen die jeweiligen Publikationen zur Verfügung. 17 Die Klägerinnen haben beantragt, die Verbotsverfügung der Beklagten vom 1. Februar 2019 (Az.: ÖSII2-20106/22#2) sowie die darin enthaltene Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung aufzuheben. 18 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. 19 Sie verteidigt die angefochtene Verfügung und führt ergänzend aus, dass die geforderte ausdrückliche Benennung der nichtgebietlichen Teilorganisationen in der Verbotsverfügung allein der Rechtssicherheit diene und die Benennung es nicht ausschließe, derartige Organisationen auch noch nach Erlass der Verbotsverfügung der Gesamtvereinigung in diese einzubeziehen. Hierdurch werde dem Schutzzweck des Vereinsverbots Rechnung getragen, da nichtgebietliche Teilorganisationen regelmäßig erst nach Erlass der Verfügung aufgedeckt würden. Anhaltspunkte für eine Privilegierung nichtgebietlicher gegenüber gebietlichen Teilorganisationen, die ohne Einschränkung von dem Verbot der Gesamtvereinigung erfasst würden, seien nicht ersichtlich. 20 Das Betätigungsverbot der PKK aus dem Jahr 1993 könne nach wie vor Grundlage für das Verbot der Klägerinnen als Teilorganisationen sein. Dem Gericht liege hierfür der gesamte Verwaltungsvorgang vor. Vor Erlass des Vereinsverbots würden die erforderlichen Beweismittel elektronisch abgerufen und in einem Vorgang zusammengestellt. Die Beklagte habe die Prozessführung der Klägerinnen nicht eingeschränkt. Ihnen sei es zumutbar gewesen, weitere Termine zur Einsichtnahme in die sichergestellten Unterlagen und den Warenbestand zu vereinbaren. 21 Hinsichtlich der Klägerin zu 1. rechtfertigten die in der Verbotsverfügung genannten Indizien deren Einordnung als Teilorganisation. Sie sei gegenüber der Europaführung der PKK weisungsgebunden. Der Vertrieb von Propagandamaterial präge ihre Geschäftstätigkeit. Hierfür sprächen auch die Ergebnisse mehrerer Kontrollen ihrer Fahrzeuge, in denen die Klägerin zu 1. solches Material transportiert habe. Die Klägerin zu 2. sei aus den in der Verfügung genannten Gründen von der PKK wirtschaftlich abhängig, da sie ohne die Möglichkeit des Verkaufs ihrer Waren an PKK-nahe Vereine und Organisationen sowie auf Veranstaltungen der PKK keine Einnahmen erzielen würde. Sie habe im Wesentlichen keine anderen Geschäftsbeziehungen außer zu denjenigen Geschäftspartnern, die der PKK zuzurechnen seien. Auf ein Verbot der Vereine oder Veranstaltungen komme es für deren Zuordnung zur PKK nicht an. 22 Die Klägerin zu 2. sei Nachfolgerin der ... GmbH. Auch ihre Geschäftspartner seien im Wesentlichen PKK-nahe Vereine im In- und Ausland. Sie sei wirtschaftlich von dem Verkauf ihrer Waren an diese Vereine und auf PKK-nahen Veranstaltungen abhängig. 23 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2022, den Schriftverkehr im gerichtlichen Verfahren, den Verwaltungsvorgang, den Inhalt der im gerichtlichen Verfahren hinzugezogenen Unterlagen und die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel verwiesen. II 24 Die zulässige Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 2 VwGO erst- und letztinstanzlich entscheidet, ist unbegründet. Die Verbotsverfügung der Beklagten vom 1. Februar 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerinnen sind Teilorganisationen der PKK und ihre Einbeziehung in die Verbotsverfügung der PKK vom 22. November 1993 ist nicht zu beanstanden. 25 Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses, hier ihrer Zustellung am 12. Februar 2019 (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2016 - 1 A 2.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 69 Rn. 15 m.w.N.). Dabei können - wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht - zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2016 - 1 A 6.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 72 Rn. 11). Anzuwenden ist das Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz bzw. VereinsG) vom 5. August 1964 (BGBl. I S. 593) i.d.F. des Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes vom 10. März 2017 (BGBl. I S. 419). Dessen Bestimmungen bilden die Rechtsgrundlage für die Verfügung (1.), die formell (2.) und materiell (3.) rechtmäßig ist. 26 1. Die Vorschriften des Vereinsgesetzes sind auf die Klägerinnen anwendbar (a)), bilden die Rechtsgrundlage für den Regelungsgehalt der Verbotsverfügung (b)) und erlauben eine nachträgliche Einbeziehung von Teilorganisationen in das Verbot der Gesamtvereinigung (c)). 27 a) Nach § 17 Nr. 3 VereinsG sind die Vorschriften des Vereinsgesetzes auf die dort genannten Wirtschaftsvereinigungen wie die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) anzuwenden, wenn sie von einem Verbot, das aus einem der in Nr. 1 oder 2 genannten Gründe erlassen wurde, nach § 3 Abs. 3 VereinsG als Teilorganisation erfasst werden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. 28 Der Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes steht nicht entgegen, dass die Klägerinnen jeweils nur einen Gesellschafter haben (sog. Einpersonen-GmbH). Die Einpersonen-GmbH war schon vor Inkrafttreten des Vereinsgesetzes im Jahre 1964 als eine über Strohmänner für einen Gesellschafter gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung anerkannt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 1956 - II ZB 11/56 - BGHZ 21, 378). Ihre Errichtung ist mit Wirkung vom 1. Januar 1981 gesetzlich geregelt; ab diesem Zeitpunkt lässt § 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG - i.d.F. des Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften vom 4. Juli 1980 (BGBl. I S. 836) ausdrücklich die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch eine oder mehrere Personen zu. Da der Gesetzgeber weder die Änderung des § 1 GmbHG noch die Aufnahme weiterer Gesellschaftsformen in die Aufzählung des § 17 VereinsG durch Art. 7a Nr. 2 des Gesetzes zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes vom 5. Januar 2007 (BGBl. I S. 2) zum Anlass genommen hat, die Anwendung des Vereinsgesetzes auf die Mehrpersonen-GmbH zu beschränken, ist davon auszugehen, dass die Norm jedwede Gesellschaft mit beschränkter Haftung unabhängig von der Zahl ihrer Gründer und Gesellschafter erfasst. 29 Der Tatbestand des § 17 Nr. 3 VereinsG ist erfüllt. Die angefochtene Verfügung bezieht die Klägerinnen als Teilorganisationen in das Betätigungsverbot der PKK vom 22. November 1993 ein, das auf die in § 17 Nr. 1 und 2 VereinsG genannten Gründe gestützt ist. Die Beklagte hat die Tätigkeit der PKK im Inland verboten, weil sie gegen Strafgesetze verstößt, sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet und die innere Sicherheit, öffentliche Ordnung und sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (vgl. BAnz. 1993 S. 10313). Das auf § 18 Satz 2 VereinsG gestützte Betätigungsverbot ist ein Verbot im Sinne von § 17 Nr. 3 VereinsG, da es ebenfalls Grundlage für eine Erstreckung auf Teilorganisationen gemäß § 3 Abs. 3 VereinsG sein kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Januar 1997 - 1 A 13.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 26 Rn. 24 und vom 24. Februar 2010 - 6 A 5.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 52 Rn. 25). 30 b) Rechtsgrundlage für das Verbot und die Auflösung der Klägerinnen ist § 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 i.V.m. § 18 Satz 2 und § 17 Nr. 3 VereinsG. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG erstreckt sich das Verbot eines Vereins, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Für nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit gilt dies gemäß Absatz 3 Satz 2 dieser Vorschrift nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind. Diese Regelungen finden - wie unter a) dargelegt - auch auf Betätigungsverbote im Sinne von § 18 Satz 2 VereinsG Anwendung. Das gleichzeitig ausgesprochene Verbot, den Betrieb der in dem Tenor der Verfügung genannten Internetseiten etc. einzustellen, ergibt sich aus der Natur des Vereinsverbots und der Auflösungsanordnung, ohne dass es einer eigenen Rechtsgrundlage bedarf (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Januar 2016 - 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 18; Beschluss vom 4. Mai 2017 - 1 VR 6.16 - Rn. 17). Die in der Verbotsverfügung weiter getroffenen vereinsrechtlichen Entscheidungen beruhen auf § 9 Abs. 1 VereinsG (Kennzeichenverbot), § 3 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 VereinsG (Verbot von Ersatzorganisationen), §§ 10 und 11 VereinsG (Vermögensbeschlagnahme und -einziehung) sowie § 12 Abs. 1 und 2 VereinsG (Einziehung bestimmter Forderungen und Sachen Dritter). 31 c) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit in eine Verbotsverfügung auch nachträglich, d.h. nach deren Erlass, einbezogen werden (vgl. BVerwG, Gerichtsbescheid vom 3. April 2003 - 6 A 12.02 - KirchE 43, 216; Beschluss vom 10. Januar 2003 - 6 VR 13.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 38). Hieran hält der Senat fest. Sinn und Zweck von Vereinsverboten ist es, die von der Vereinigung ausgehenden, in den eng auszulegenden Verbotsgründen zum Ausdruck kommenden Gefahren abzuwehren. Vereinigungen werden daher nicht nur formal verboten, sondern es werden ihre Aktivitäten und Aktionsmöglichkeiten in der Öffentlichkeit - etwa durch Erstreckung des Verbots auf Teilorganisationen - untersagt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2020 - 1 BvR 2067/17 u.a. - NVwZ 2020, 1424 Rn. 32). Es widerspräche dem Sinn und Zweck einer effektiven Gefahrenabwehr, wenn Aktivitäten und Aktionsmöglichkeiten von nach Erlass des Vereinsverbots gegründeten nichtgebietlichen Teilorganisationen von der Geltung des Verbots ausgeschlossen wären und die verbotene Vereinigung auf diese Weise das Verbot unterlaufen könnte. Dies gilt insbesondere im Anwendungsbereich des in § 18 Satz 2 VereinsG normierten Betätigungsverbots, bei dem die Vereinigung ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Vereinsgesetzes hat und nach Erlass des Betätigungsverbots versuchen könnte, dessen Wirkungen durch die Gründung von nichtgebietlichen Teilorganisationen im Inland zu umgehen. 32 Der Wortlaut der Regelung steht diesem Verständnis von § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG nicht entgegen. In der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt im Sinne dieser Vorschrift ist nicht nur diejenige Teilorganisation, die schon im Erlasszeitpunkt in der Verfügung benannt ist, sondern auch diejenige, die durch nachträgliche Verfügung in den Regelungsgehalt der Verbotsverfügung einbezogen worden ist. 33 Die Möglichkeit der nachträglichen Einbeziehung von nichtgebietlichen Teilorganisationen berührt nicht den Zweck ihrer in § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG vorgesehenen ausdrücklichen Benennung in der Verbotsverfügung. Der Gesetzgeber verlangt sie aus Gründen der Rechtssicherheit, weil die Zugehörigkeit derartiger Organisationen zu der von dem Verbot betroffenen Vereinigung für Außenstehende nicht ohne Weiteres erkennbar ist (vgl. BT-Drs. IV/430 S. 15 sowie BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1997 - 1 A 13.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 26 Rn. 27 m.w.N.). Eine Privilegierung der nichtgebietlichen Teilorganisationen dergestalt, dass mit dem Benennungserfordernis deren nachträgliche Einbeziehung in die Verbotsverfügung ausgeschlossen sein sollte, ist damit nicht verbunden. 34 2. Die angefochtene Verfügung ist formell nicht zu beanstanden. Das BMI ist zuständige Verbotsbehörde (a)). Eine Anhörung der Klägerinnen vor Erlass der Verfügung war entbehrlich (b)). Die unzureichende Aktenführung der Beklagten führt nicht zur formellen Rechtswidrigkeit der Verfügung (c)). Die Verfügung erfüllt auch die weiteren formellen Anforderungen (d)). 35 a) Die Zuständigkeit des BMI für die Einbeziehung der Klägerinnen als Teilorganisationen in das Verbot der PKK ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG jedenfalls deshalb, weil sich die Tätigkeit der Klägerinnen über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2010 - 6 A 5.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 52 Rn. 21). Sie haben ausweislich der im gerichtlichen Verfahren beigezogenen Unterlagen weltweite Geschäftsbeziehungen. 36 b) Das in § 28 Abs. 1 VwVfG zum Ausdruck kommende rechtsstaatliche Gebot, dem Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in seine Rechte eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, gilt nicht zwingend in jedem Fall. Eine Anhörung vor Erlass eines solchen Verwaltungsakts ist etwa gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG entbehrlich, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Im Fall der Vereinsverbote ist es demgemäß sowohl einfachgesetzlich als auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, von einer Anhörung abzusehen, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass sonst aufgrund des mit der Anhörung verbundenen ""Ankündigungseffekts"" Beweismittel und Vermögenswerte beiseitegeschafft und dem behördlichen Zugriff entzogen werden (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u.a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 161; BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2016 - 1 A 2.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 69 m.w.N.; Beschlüsse vom 25. August 2008 - 6 VR 2.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 47 und vom 21. September 2020 - 6 VR 1.20 - juris Rn. 11 f.). Die Entscheidung hierüber steht im behördlichen Ermessen, bedarf einer Abwägung aller dafür und dagegen sprechenden Gesichtspunkte sowie einer Begründung, die erkennen lässt, auf welchen Erwägungen das Absehen von der Anhörung beruht (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 23. September 2011 - 6 B 1701/11 - NVwZ-RR 2012, 163 <164> m.w.N.). Dies gilt auch bei der Einbeziehung von Teilorganisationen in ein Vereinsverbot (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2010 - 6 A 5.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 52 Rn. 22 m.w.N.). 37 Anhand dieses Maßstabes konnte das BMI rechtsfehlerfrei von einer Anhörung absehen. Die in der angefochtenen Verfügung angegebene Begründung der Ermessensentscheidung trägt. Die Klägerinnen hatten zwar aufgrund der Durchsuchungen im Jahre 2018 Kenntnis von der Einleitung eines gegen sie gerichteten vereinsrechtlichen Verfahrens, haben aber dennoch ihre Geschäftstätigkeit fortgesetzt. Die Beklagte durfte angesichts dessen davon ausgehen, dass bei den Klägerinnen weitere Beweismittel gefunden werden konnten und die Gefahr bestand, dass diese im Falle einer Anhörung beiseitegeschafft werden würden, zumal die Klägerin zu 1. nach den Erkenntnissen des BfV Mieterin eines Lagers in Belgien war und beide Klägerinnen über ausländische Geschäftsbeziehungen verfügten. 38 c) Die Klägerinnen rügen zwar zu Recht die Unvollständigkeit des vorgelegten Verwaltungsvorgangs der Beklagten. Dies begründet jedoch nicht ohne Weiteres die formelle Rechtswidrigkeit der Verfügung, sondern kann im Einzelfall zu einer Umkehr der Beweislast führen. 39 Die den Behörden nach dem Grundgesetz obliegende Vollziehung der Gesetze ist nicht ohne eine Dokumentation der einzelnen Verwaltungsvorgänge denkbar. Erst die Verschriftlichung von Informationen in Akten sichert der vollziehenden Gewalt eine fortlaufende Kenntnis aller für sie maßgeblichen Umstände für die Bearbeitung unabhängig von dem persönlichen Wissen einzelner Bediensteter um die Vorgeschichte eines Vorgangs. Die rechtsstaatliche Pflicht zur wahrheitsgetreuen und vollständigen Dokumentation in Akten dient der Sicherung gesetzmäßigen Verwaltungshandelns (BVerwG, Beschluss vom 16. März 1988 - 1 B 153.87 - Buchholz 402.43 § 1 MRRG Nr. 1) und liegt zugleich im wohlverstandenen Interesse des betroffenen Einzelnen. Denn dieser kann nur auf der Grundlage möglichst vollständiger Erfassung aller rechtlich erheblichen Tatsachen seinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf angemessene Behandlung seiner Angelegenheit durch die zuständigen Behörden - und gegebenenfalls durch die Gerichte - mit Erfolg geltend machen (BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1983 - 2 BvR 244/83 u.a. - NJW 1983, 2135 f.). Dementsprechend sind in den Verwaltungsvorgang alle nach dem jeweiligen formellen und materiellen Recht wesentlichen Vorgänge aufzunehmen, die für die behördliche Willensbildung und Entscheidungsfindung in dem konkreten Verwaltungsverfahren ab dessen Beginn bis zu seinem Abschluss von Bedeutung sind, auch wenn sie sich letztlich nicht als entscheidungserheblich erweisen (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 22. Dezember 2000 - 2 L 38.99 - NVwZ 2002, 104 Rn. 56; Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs , VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 29 Rn. 32; Engel, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz , VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 29 Rn. 37). 40 Im vereinsrechtlichen Verbotsverfahren genügt die Aktenführung diesen Vorgaben, wenn das Ermittlungsverfahren (§ 4 VereinsG) und der Erlass der Verbotsverfügung (§ 3 VereinsG) vollständig und dem tatsächlichen Geschehensablauf entsprechend dokumentiert sind. Dies schließt die Beiziehung von Unterlagen, die für die Verbotsverfügung aus Sicht der Behörde Bedeutung erlangen, ein. 41 Die von der Beklagten als Verwaltungsvorgang vorgelegten Ordner genügen diesen Anforderungen nicht. Sie enthalten zwar wesentliche Unterlagen wie die Einleitungsverfügung und die Verbotsverfügung nebst den darin genannten Belegen. Diese Unterlagen sind aber weder chronologisch geordnet noch vollständig. Es fehlen etwa einige der Beklagten nach eigenen Angaben vorliegende Schreiben des BMI und weiterer Behörden im Rahmen der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen aus dem Februar 2018. Ebenso wenig lässt der Verwaltungsvorgang erkennen, auf welche Weise die in der Einleitungs- und der Verbotsverfügung genannten Belege Eingang in den Verwaltungsvorgang gefunden haben; die Beklagte hat insoweit lediglich in der mündlichen Verhandlung angegeben, sie habe die Unterlagen elektronisch abgerufen. 42 Da die behördliche Pflicht zur wahrheitsgetreuen und vollständigen Aktenführung der Dokumentation des Geschehensablaufs dient, kann ein Beteiligter durch eine diesen Anforderungen nicht genügende Aktenführung an der Aufklärung von aus seiner Sicht günstigen entscheidungserheblichen Tatsachen gehindert sein. Die Folgen unzureichender Aktenführung rechtfertigen aber nicht die Annahme der formellen Rechtswidrigkeit der Verwaltungsentscheidung. Denn die Verwaltungsgerichte sind von Amts wegen zur Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet (§ 86 Abs. 1 VwGO), so dass eine mangelhafte Aktenführung der Behörde im gerichtlichen Verfahren kompensiert werden kann. Lassen sich Umstände infolge unzureichender behördlicher Dokumentation nicht aufklären, trägt die Verwaltung die materielle Beweislast für die Nichterweislichkeit von Tatsachen, aus denen sie ihr günstige Rechtsfolgen herleiten will (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 6 C 13.07 - BVerwGE 131, 171 Rn. 41 m.w.N.). Aber selbst bei für den Betroffenen günstigen Tatsachen kann bei einer schuldhaften Verletzung der Pflicht zur wahrheitsgetreuen und vollständigen Aktenführung nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung von einer Umkehr der Beweislast auszugehen sein, da ein der Behörde gegenüberstehender Beteiligter keinen Einfluss auf die Aktenführung nehmen kann (ebenso: OVG Bremen, Urteil vom 18. Dezember 2013 - S3 A 205/12; OVG Schleswig, Urteil vom 26. Februar 2014 - 4 KS 1/12 - NordÖR 2014, 356; OVG Greifswald, Beschluss vom 22. Dezember 2000 - 2 L 38.99 - NVwZ 2002, 104; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 5 LA 48/07; VGH München, Beschluss vom 23. August 2010 - 7 ZB 10.14 89 - ZUM 2011, 603; LSG Stuttgart, Urteil vom 22. März 2018 - L 7 AS 2969/17 - ZD 2018, 330; Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs , VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 29 Rn. 32; Engel, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz , VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 29 Rn. 39). 43 d) Die Beklagte hat die angefochtene Verfügung gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 VereinsG schriftlich abgefasst, begründet und den Klägerinnen mittels Empfangsbekenntnis zugestellt. Den verfügenden Teil hat sie darüber hinaus nach § 3 Abs. 4 Satz 2 VereinsG im Bundesanzeiger vom 12. Februar 2019 bekannt gemacht. 44 3. Die Einbeziehung der Klägerinnen als nichtgebietliche Teilorganisationen der PKK in deren Betätigungsverbot ist materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerinnen werden in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt (a)). Das Gericht kann im Rahmen seiner Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO), ob die Klägerinnen nichtgebietliche Teilorganisationen sind, den gesamten Streitstoff umfassend würdigen (b)). Das Betätigungsverbot der PKK beansprucht rechtliche Geltung (c)). Die Einordnung als Teilorganisation ist für jede Klägerin gesondert gerichtlich zu überprüfen (d)). Nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse sind sowohl die Klägerin zu 1. (e)) als auch die Klägerin zu 2. (f)) in die PKK eingegliedert und deren nichtgebietliche Teilorganisationen. Diese Einordnung verletzt weder Grundrechte der Klägerinnen noch Bestimmungen der EMRK (g)). Die vereinsrechtlichen Nebenentscheidungen in der Verbotsverfügung sind ebenfalls rechtmäßig (h)). 45 a) Die Beklagte hat der in § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG vorgesehenen ausdrücklichen Benennung nichtgebietlicher Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit Rechnung getragen. In Ziff. 1 der angefochtenen Verfügung wird ausdrücklich festgestellt, dass die Klägerinnen Teilorganisationen der mit Verfügung vom 22. November 1993 verbotenen PKK sind und sich deren Verbot auf das Betätigungsverbot der PKK bezieht. 46 b) Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG sind Teilorganisationen solche Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen. Diese Definition gilt auch für nichtgebietliche Teilorganisationen. Hieraus folgt für die gerichtliche Überprüfung des Verbots einer Teilorganisation, dass das Gericht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat; seine Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO) beruht, der Eigenart der Materie entsprechend, regelmäßig in erheblichem Umfang auf der zusammenfassenden tatrichterlichen Wertung von Indizien. Das Gericht hat sich auf der Grundlage der festgestellten Indizien und nach umfassender Würdigung des schriftsätzlichen Vorbringens der Beteiligten, der von der Beklagten vorgelegten und vom Gericht in das Verfahren beigezogenen Unterlagen sowie des ergänzenden Vortrags der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung eine Überzeugung darüber zu bilden, ob die klagende Vereinigung eine Teilorganisation im Sinne von § 3 Abs. 3 VereinsG ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2016 - 1 A 2.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 69 Rn. 17). Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt auch im vorliegenden Verfahren. Weder ist ein Verstoß gegen den prozessualen Grundsatz der Waffengleichheit und des fairen Verfahrens noch eine Beeinträchtigung der effektiven Rechtsverteidigung der Klägerinnen gegeben (aa)). Entgegen deren Auffassung kann das Gericht seine Überzeugungsbildung auch auf die Behördenzeugnisse (bb)) und die Übersetzungen (cc)) stützen. 47 aa) Die Klägerinnen rügen eine Verletzung des Grundsatzes der prozessualen Waffengleichheit und des fairen Verfahrens einschließlich ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs und sehen sich in ihrer effektiven Rechtsverteidigung beeinträchtigt, weil aufgrund der Beschlagnahme und der Sicherstellung ihrer Warenbestände und ihres Betriebsvermögens nur die Beklagte über sämtliche Beweismittel verfüge, die sie für den Nachweis benötigten, keine Teilorganisationen der PKK zu sein. Hinzu komme, dass die Beklagte am Tag, an dem die Klägerinnen Einsicht in die Asservate genommen hätten, diese nicht vollständig zugänglich gemacht und im gerichtlichen Verfahren nur diejenigen Unterlagen vorlegt habe, welche die erlassene Verbotsverfügung stützten. Die Wahrnehmung weiterer Termine zur Einsichtnahme in die Asservate sei aus ihrer Sicht unzumutbar gewesen. 48 Dieser Einschätzung vermag das Gericht nicht zu folgen. Ihre Rüge begründet nicht die Annahme der Verletzung des rechtlichen Gehörs ((1)), des Grundsatzes der prozessualen Waffengleichheit und des fairen Verfahrens ((2)) und der Aktenvorlagepflicht der Behörde ((3)). 49 (1) Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das Gericht nicht nur, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, sondern auch die Beteiligten über die entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu informieren (vgl. im Einzelnen: BVerfG, Beschlüsse vom 13. April 2010 - 1 BvR 3515/08 - NVwZ 2010, 954 Rn. 36 m.w.N. und vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 - NJW 2018, 3631; BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1982 - 5 C 84.80 - Buchholz 424.01 § 133 FlurbG Nr. 1; Beschluss vom 3. August 2021 - 9 B 49.20 - juris Rn. 39). 50 Danach ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im gerichtlichen Verfahren nicht gegeben. Die Klägerinnen hatten Kenntnis von den Verwaltungsvorgängen, den weiteren von dem Gericht beigezogenen Unterlagen und Erkenntnismitteln und den von ihnen aus den Asservaten bezeichneten Ordnern, welche die Beklagte auf Anforderung des Gerichts vorgelegt hatte. 51 (2) Der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit und des fairen Verfahrens gebietet es unter anderem, jeder Partei angemessen zu ermöglichen, ihren Standpunkt sowie ihre Beweise unter Bedingungen vorzutragen, die sie nicht in eine gegenüber ihrem Gegner deutlich nachteilige Position versetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 30 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 6. November 2012 - C-199/11 - EuGRZ 2013, 59 Rn. 71). Hiernach müssen die Beteiligten auf eigene Unterlagen zugreifen und diese in das Verfahren einbringen können, wenn und soweit sie die Unterlagen zur effektiven Rechtsverteidigung benötigen. Befinden sich die eigenen Unterlagen eines Beteiligten des gerichtlichen Verfahrens in der Verfügungsgewalt der Behörde, muss mithin die Behörde dem Beteiligten dessen Unterlagen grundsätzlich zugänglich machen. Nur auf diese Weise kann der Beteiligte es nach dem Grundsatz der materiellen Beweislast vermeiden, dass die Nichterweislichkeit von Tatsachen, aus denen er für sich günstige Rechtsfolgen herleitet, zu seinen Lasten geht. Verletzt die Behörde die Pflicht zur Zugänglichmachung eines Beweismittels schuldhaft und hat sie damit die Aufklärung des Sachverhalts vereitelt oder erschwert, kann der Tatrichter im Verwaltungsprozess dieses Verhalten im Rahmen der Beweiswürdigung zu Gunsten des beweisbelasteten Beteiligten würdigen und daraus den Schluss ziehen, dass der Sachverhalt insoweit geklärt ist (vgl. dazu grundlegend BVerwG, Urteil vom 26. April 1960 - 2 C 68.58 - BVerwGE 10, 270 <272> sowie Beschlüsse vom 12. Dezember 2000 - 11 B 76.00 - Buchholz 424.01 § 138 FlurbG Nr. 8 und vom 6. Juni 2017 - 8 B 69.16 - REE 2017, 145). 52 Anhand dieses Maßstabes ist eine Verletzung des Grundsatzes der prozessualen Waffengleichheit und des fairen Verfahrens wegen Verletzung der behördlichen Pflicht zur Zugänglichmachung von Beweismitteln nicht gegeben. Die Beklagte hat die Unterlagen, den Warenbestand und das Betriebsvermögen auf der Grundlage gerichtlicher Anordnungen sichergestellt und beschlagnahmt (vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 5. März 2018 - 18 M 48/18 und vom 6. Februar 2019 - 18 M 5/19). Sie hat mit den Klägerinnen einen Termin zur Einsichtnahme in die Asservate vereinbart, den diese auch wahrgenommen haben. Soweit die Klägerinnen geltend machen, sie hätten in diesem Termin unter anderem aus Zeitgründen und mangels Zugänglichmachung nicht sämtliche Bücher, CD's sowie sonstigen Beweismittel sichten und die übergebenen Festplatten nicht auslesen können, liegt darin keine schuldhafte Beweisvereitelung seitens der Beklagten. Da es sich um die Beweismittel der Klägerinnen handelte, wären sie ohne Weiteres in der Lage gewesen, diejenigen Beweismittel zu bezeichnen, die sie für eine effektive Rechtsverteidigung benötigen. Darüber hinaus sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Beklagte eine nochmalige Einsichtnahme in die Asservate verweigert hätte. Es wäre an den Klägerinnen gewesen, um weitere Termine für die Einsichtnahme in von ihr zu bezeichnende Asservate sowie um die Lesbarkeit der ihnen überreichten Datenträger nachzusuchen. Das Gericht teilt ihre Einschätzungen nicht, dass ihnen dieses unzumutbar gewesen wäre, zumal sie während des gerichtlichen Verfahrens ausreichend Zeit zur Einsichtnahme hatten. 53 (3) Schließlich sind die Klägerinnen nicht in ihrem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt. Ihr Vorwurf, die Beklagte habe dem Gericht entscheidungserhebliche Unterlagen vorenthalten, ist - gemessen am Maßstab von § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO - unbegründet. Danach sind Behörden gegenüber dem Gericht zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Die Verpflichtung beschränkt sich auf solche Akten und Urkunden, deren Inhalt der umfassenden Sachaufklärung durch das Gericht der Hauptsache und der Gewinnung von Grundlagen für die Prozessführung der Beteiligten überhaupt dienlich sein kann, und ist auf den konkreten Streitgegenstand des Rechtsstreits bezogen (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 4. Januar 2005 - 6 B 59.04 - CR 2005, 194 Rn. 8 m.w.N.). 54 Die Beklagte ist ihrer Aktenvorlagepflicht nachgekommen. Sie hat neben dem Verwaltungsvorgang die aus ihrer Sicht weiteren entscheidungserheblichen Unterlagen und diejenigen Belege vorgelegt, die von den Klägerinnen benannt und vom Gericht angefordert worden sind. Sie hat sich nicht geweigert, vom Gericht für entscheidungserheblich erachtete Unterlagen vorzulegen. 55 bb) Das Gericht kann sich bei seiner Überzeugungsbildung auf die in dem Verwaltungsvorgang enthaltenen Behördenzeugnisse in Gestalt von Erkenntnismitteilungen aus dem Personenregister des BfV stützen. Bei Behördenzeugnissen handelt es sich um sog. sekundäre Beweismittel. Sie lassen die unmittelbaren Quellen der dort wiedergegebenen Erkenntnisse zwar nicht näher erkennen; dies nimmt den Behördenzeugnissen jedoch nicht jeglichen Beweiswert. Der Umfang ihrer Beweiskraft bedarf vielmehr einer Prüfung im Einzelfall. Behördenzeugnisse gestatten dem Gericht eine eingeschränkte tatrichterliche Würdigung. Werden die in ihnen enthaltenen Tatsachen substantiiert bestritten, können sie allein für die gerichtliche Überzeugungsbildung nicht ausschlaggebend sein. Es bedarf dann einer weitergehenden Sachverhaltsaufklärung oder anderer Erkenntnisse, die die in den Behördenzeugnissen enthaltenen Angaben bestätigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2004 - 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 Rn. 16; Beschlüsse vom 10. Juli 2019 - 1 B 45.19 - juris Rn. 8 und vom 10. Juni 2020 - 6 AV 1.19 - juris Rn. 32). Diese Grundsätze sind bei der Würdigung der in den vorgelegten Behördenzeugnissen enthaltenen Tatsachen und den darauf beruhenden Einschätzungen des BfV betreffend die Einordnung der jeweiligen Personen als Aktivisten oder Funktionäre der PKK zu berücksichtigen. 56 cc) Da Gerichtssprache die deutsche Sprache ist (§ 55 VwGO i.V.m. § 184 GVG), hat das Gericht bei der Vorlage fremdsprachlicher schriftlicher Äußerungen nebst der erforderlichen Übersetzung ins Deutsche grundsätzlich diese Übersetzung und nicht den fremdsprachlichen Text zur Grundlage seiner Überzeugungsbildung zu machen. Dies gilt nur dann nicht, wenn die vorgelegte Übersetzung derart mangelhaft ist, dass es an einer verlässlichen Wiedergabe der fremdsprachlichen Äußerung auf Deutsch fehlt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. März 1988 - 9 CB 31.88 - juris Rn. 12). 57 Gemessen hieran sind die vorgelegten Übersetzungen für die Überzeugungsbildung maßgebend. Das von den Klägerinnen gerügte Fehlen des Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermerks sowie des Namens des Übersetzers hat zur Folge, dass das Gericht sich nicht auf die Richtigkeitsvermutung des § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 142 Abs. 3 Satz 2 ZPO stützen kann (vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 6. November 2019 - 6 A 11200/18 - juris Rn. 16). Die mangelnde Richtigkeitsvermutung hat das Gericht bei der Würdigung der Übersetzungen zu beachten. Im Übrigen haben die Klägerinnen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die von der Beklagten vorgelegten Übersetzungen inhaltlich unrichtig sind, sie also keine verlässliche Wiedergabe der übersetzten Dokumente darstellen, nicht vorgetragen; solche Anhaltspunkte sind auch nicht ersichtlich. Die Klägerinnen haben sich auf ein pauschales Bestreiten der Richtigkeit der Übersetzungen ins Blaue hinein beschränkt, was keinen Anlass zu Zweifeln gibt. 58 Verwertbar sind auch die von der Übersetzerin Y. angefertigten Übersetzungen der Informationsberichte der PKK-Europaführung an den Exekutivratsvorsitz der KCK über durchgeführte Aktivitäten der Jahre 2007 und 2008 (Planungspapiere 2007 und 2008). Die Klägerinnen wenden hiergegen ein, dass die Übersetzerin ungeeignet sei und nicht die Gewähr für die Richtigkeit der Übersetzungen biete. Diese Annahme stützen sie ausschließlich auf ein Urteil des Oberlandesgerichts München vom 28. Juli 2020 (7 St 1/16 - UA S. 115 ff.), in dem eine von mehreren im dortigen Strafverfahren von Frau Y. angefertigten Übersetzungen einer sachverständigen Überprüfung nicht standhielt und daher das Oberlandesgericht nur ihre unbeanstandet gebliebenen Übersetzungen verwertet hat. Dies allein rechtfertigt indes nicht den Schluss, Frau Y. als ungeeignet oder die von ihr angefertigten Übersetzungen der Planungspapiere 2007 und 2008 als inhaltlich unrichtig anzusehen. Zum einen betrafen die Beanstandungen des Sachverständigen im Verfahren vor dem Oberlandesgericht München andere als die hier übersetzten Dokumente und zum anderen besitzt Frau Y. ausweislich der Ausführungen im Urteil des OLG Düsseldorf vom 24. Januar 2017 (III-7 StS 4/15 - UA S. 68) außerordentliche Qualifikationen für die Tätigkeit als Übersetzerin. Angesichts dessen hat das Gericht keinen Anlass, an der Eignung der Übersetzerin und der inhaltlichen Richtigkeit ihrer Übersetzungen im vorliegenden Verfahren zu zweifeln, zumal die Klägerinnen Passagen der Übersetzungen, die ihrer Auffassung nach unrichtig sein sollen, auch auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nicht konkret bezeichnet haben. 59 c) Das Betätigungsverbot der PKK vom 22. November 1993 ist unanfechtbar geworden (vgl. die Bekanntmachung vom 7. Juni 1994, BAnz. S. 6629 f.). Es entfaltet rechtliche Geltung und kann daher nach wie vor als Verbotsverfügung Anknüpfungspunkt für die Einbeziehung von Teilorganisationen sein. 60 Anhaltspunkte, die an der Geltung des Betätigungsverbots zweifeln lassen, sind nicht ersichtlich. Der Umstand, dass die PKK nach eigenem Bekunden die angestrebte Errichtung eines kurdischen Staates zu Gunsten eines Konzepts des Demokratischen Konföderalismus aufgegeben hat, lässt die rechtliche Geltung des Betätigungsverbots unberührt. Der Senat geht davon aus, dass die PKK nach wie vor streng zentralistisch und hierarchisch organisiert ist, sich diese Strukturen auf Europa und Deutschland erstrecken und die Institutionen und Organisationen der PKK in diese Strukturen eingebunden sind, um deren Ziele zu verwirklichen. 61 Die PKK verfolgte zunächst das Ziel der Errichtung eines unabhängigen, sozialistisch orientierten Kurdenstaates, das mit bewaffneten Mitteln durchgesetzt werden sollte. Nachdem der Gründer der PKK, Abdullah Öcalan, verhaftet worden war und ihm die Todesstrafe drohte, erklärte die PKK 1999 den bewaffneten Kampf für beendet und rückte von dieser Zielsetzung ab. Sie verfolgt seitdem nach eigenen Angaben die kulturelle Autonomie und lokale Selbstverwaltung für die Kurden innerhalb der Türkei sowie seit 2005 die Idee eines ""Demokratischen Konföderalismus Kurdistans"". Ungeachtet dieser Änderung ihrer Zielrichtung verstärkten sich im Jahr 2007 die militärischen Auseinandersetzungen zwischen der Guerillaeinheit der PKK (""Volksverteidigungskräfte"" - HPG) und der türkischen Armee. Den Zielsetzungen zugrunde liegt ein uneingeschränkter Führungs- und Alleinvertretungsanspruch der PKK. Dem Verfolgungsdruck Rechnung tragend, hat sie sich mehrfach umbenannt (vgl. auch zum Folgenden: BfV, Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Stand: Februar 2019, S. 10 f.), und zwar 2002 in den ""Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans"" (Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane - KADEK), im Oktober 2003 in den ""Volkskongress Kurdistans"" (Kongra Gele Kurdistan - KONGRA-GEL), im Mai 2005 in die ""Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan"" (Koma Komalen Kurdistan - KKK) und im Jahr 2007 in ""Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans"" (Koma Civakên Kurdistan - KCK). Das Betätigungsverbot der PKK erstreckt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch auf diese Nachfolgeorganisationen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10 - BGHSt 56, 28 Rn. 26 m.w.N.), so dass auch in heutiger Zeit Personen im Zusammenhang mit der PKK wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2016 - AK 1/16 und vom 8. Februar 2018 - AK 3/18 - NStZ-RR 2018, 106 sowie BfV, Verfassungsschutzbericht 2020, S. 270 mit Verweis auf die dort zitierten OLG-Urteile) und Verstößen gegen das vereinsrechtliche Betätigungsverbot (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2019 - 3 StR 133/19 - NStZ 2020, 362) strafrechtlich verfolgt werden. 62 In Europa gründete die PKK zur Organisierung ihrer Anhänger und Propagierung ihrer Ziele 1985 die im Jahr 1993 als Teilorganisation der PKK ebenfalls verbotene ""Nationale Befreiungsfront Kurdistans"" (Eniya Rizgariya Netewa Kurdistan - ERNK) als Europaführung. Sie war mit Kadern der PKK besetzt und wurde aufgrund des Verfolgungsdrucks ebenfalls mehrfach umbenannt. Im Jahr 2000 nannte sich die ERNK in ""Kurdische Demokratische Volksunion"" (YDK) um. Von 2004 bis 2013 bezeichnete sich die Europaführung als ""Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft"" (Koordinasyon Civata Demokratik a Kurdistan - CDK), der die sog. Zentrale oder auch Exekutive vorstand. 2013 hatte sie sich mit dem europäischen Dachverband PKK-naher Vereine ""Konföderation der kurdischen Vereine in Europa"" (KON-KURD) unter dem Namen ""Kongress der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa"" (KCD-E) zur neuen PKK-Europaführung zusammengeschlossen. 2016 erfolgte die Umbenennung des KCD-E in ""Kongress der kurdisch-demokratischen Gesellschaft Kurdistans in Europa"" (KCDK-E). Der Europaführung mit ihrer Zentrale obliegt es, die Ziele, Vorgaben und Personalentscheidungen der Parteiführung gegenüber den nachgeordneten Einheiten mittels individueller und genereller Anweisungen durchzusetzen. Dies betrifft nicht nur die mit Kadern der PKK besetzten Führungsebenen in den Regionen, Gebieten, Räumen und Stadtteilen, in die die PKK Europa eingeteilt hat, sondern auch die in Europa tätigen Organisationen und Institutionen der PKK, die auf der Leitungsebene ebenfalls mit Kadern und Funktionären der PKK besetzt werden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10 - BGHSt 56, 28 = NJW 2011, 542 <542 f.>; Beschluss vom 8. Februar 2018 - AK 3/18 - NStZ-RR 2018, 106; BfV, Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Stand: Februar 2019, S. 17; Planungspapier 2007). Der Europaführung zugeordnet ist zudem das EMB. Es kontrolliert das Finanzsystem der PKK in Europa. Funktionäre dieser Organisationseinheit kontrollieren die Einnahmen und Ausgaben der einzelnen PKK-Gebiete und koordinieren die Bargeldtransporte in Deutschland und Europa (BfV, Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Stand: Februar 2019, S. 12 ff., 17 f., 32; Verfassungsschutzbericht 2020, S. 266). Die aufgezeigte hierarchische Struktur sichert der PKK, dass ihre verbindlichen Vorgaben in Europa umgesetzt werden und ein eigenverantwortlicher Entscheidungsspielraum der Institutionen und Führungsebenen nur innerhalb der vorgegebenen Direktiven besteht (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10 - BGHSt 56, 28 Rn. 34 ff.; Beschluss vom 28. Januar 2016 - AK 1/16 - Rn. 19). 63 Zu den wesentlichen Aufgaben der Organisationseinheiten und Institutionen der PKK in Europa gehören die Beschaffung von Finanzmitteln, die Propaganda auch mittels öffentlichkeitswirksamer Aktionen sowie die Rekrutierung von Nachwuchs für den Kaderapparat und die Guerillakräfte im Kampfgebiet (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2018 - AK 3/18 - NStZ-RR 2018, 106; BfV, Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Stand: Februar 2019, S. 18). Dazu hat die PKK zugleich einen eigenen Medienapparat bestehend aus Fernsehsendern wie ROJ TV und Sterk TV, der Nachrichtenagentur ANF, der Tageszeitung ""Yeni Özgür Politika"" (YÖP) sowie verschiedenen Zeitschriften errichtet, um ihre Ideologie unter den Anhängern und zur Gewinnung neuer Anhänger zu verbreiten (vgl. dazu die Angaben in den Planungspapieren 2007 und 2008 sowie BfV, Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Stand: Februar 2019, S. 19 f.). Zur Erreichung dieser Ziele bedient sich die PKK vor allem ihrer Massenorganisationen sowie der Dachverbände der kurdischen Vereine. Als solche hat in Deutschland bis Juni 2014 der ""Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland e.V."" (YEK-KOM) und anschließend bis 2020 der ""Demokratische Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V."" (NAV-DEM) fungiert. Seitdem ist der im Mai 2019 gegründete ""Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V."" (KON-MED) als Dachverband der kurdischen Vereine tätig (vgl. BfV, Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Stand: Februar 2019, S. 19 f.; Verfassungsschutzbericht 2020, S. 266 f.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handelt es sich bei dem Dachverband der kurdischen Vereine um eine PKK-nahe Organisation (vgl. zum NAV-DEM: BVerwG, Urteile vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - BVerwGE 157, 325 Rn. 41 und vom 27. Juli 2017 - 1 C 28.16 - BVerwGE 159, 270 Rn. 25). Wie sich aus den Planungspapieren 2007 und 2008 ergibt, kommt den kurdischen Vereinen, die unter dem Dachverband organisiert sind, eine bedeutende Rolle für die Umsetzung der Ziele der PKK zu. Sie sind neben den Massenorganisationen und dem Dachverband diejenigen Anlaufstellen, in denen die PKK ihre Ideologie verbreitet sowie ihre Gefolgsleute rekrutiert. Aus diesem Grund finanziert die PKK die Vereine, die größtenteils selbst nicht über ausreichende Mittel verfügen. 64 Neben der Besetzung von Führungs- und Leitungspositionen durch Kadermitglieder ist kennzeichnend für die hierarchisch organisierte Struktur der PKK, dass sie ein umfassendes Berichtswesen vorgegeben hat, mit dem die Kontrolle und der Einfluss der übergeordneten Funktionäre und Gremien abgesichert werden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10 - BGHSt 56, 28 Rn. 34). Ausweislich der dem Gericht vorgelegten Planungspapiere 2007 und 2008 müssen die europäischen Massenorganisationen und Institutionen der Europaführung monatlich über ihre finanzielle Situation und ihre Tätigkeiten berichten, damit die Führung die Umsetzung der Vorgaben der PKK kontrollieren und sie ihrerseits gegenüber dem Exekutivratsvorsitz der PKK über die finanzielle Situation und die Tätigkeiten in Europa Rechenschaft ablegen kann. 65 d) Da die Klägerinnen rechtlich selbständige Wirtschaftsvereinigungen sind, ist ihre Einordnung als Teilorganisation für jede Klägerin gesondert gerichtlich zu überprüfen. Ob die Klägerinnen mit Blick auf ihre Geschäftstätigkeit - so die Beklagte - als Einheit anzusehen sind, erweist sich hiernach als nicht entscheidungserheblich. 66 e) Die Einordnung der Klägerin zu 1. als nichtgebietliche Teilorganisation im Sinne von § 3 Abs. 3 VereinsG der PKK ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist in die PKK derart eingegliedert, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins und damit als Teilorganisation erscheint. 67 Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangt für das Vorliegen einer Teilorganisation im Unterschied zu reinen Hilfs- oder Nebenorganisationen, dass eine Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung besteht. Die Gliederung muss tatsächlich in die Gesamtorganisation eingebunden sein. Eine totale organisatorische Eingliederung etwa in dem Sinne, dass ausschließlich Mitglieder oder Sympathisanten der Gesamtorganisation der Teilorganisation angehören dürfen, ist allerdings nicht notwendig. Aussagekräftigere Indizien können sich aus der personellen Zusammensetzung der Vereinigungen, ihrer Geschichte, ihrem Selbstverständnis und ihren Zielen, ihrer Tätigkeit und Finanzierung sowie aus Verflechtungen bei der Willensbildung und aus Weisungsgegebenheiten ergeben. Es ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen. Dabei können auch Indizien, die für sich genommen als nicht zwingend erscheinen mögen, in ihrer Summe eine Qualifikation als Teilorganisation rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2016 - 1 A 2.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 69 Rn. 18 m.w.N.). Das gilt auch für den von der Rechtsprechung geforderten Umstand, dass die Gliederung im Wesentlichen von der Gesamtorganisation beherrscht werden muss; das kann auch durch hierarchische Strukturen vermittelt werden. Anhaltspunkte hierfür können Berichtspflichten sein sowie eine ständige Begleitung und Betreuung durch Vertreter des Gesamtvereins (vgl. nur: BVerwG, Urteil vom 4. November 2016 - 1 A 6.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 72 Rn. 14). 68 aa) Indiz für die Teilorganisationseigenschaft der Klägerin zu 1. ist zunächst der Umstand, dass die PKK schon vor deren Gründung in Deutschland zur Verbreitung ihrer Propaganda eine Verlags-GmbH eingesetzt hatte, die mit dem Betätigungsverbot der PKK als deren Teilorganisation verboten worden war (vgl. Ziff. 1 und 3 der Verbotsverfügung vom 22. November 1993 [BAnz. S. 10313 f.] sowie zur Rechtmäßigkeit des Verbots dieser Teilorganisation: BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1997 - 1 A 13.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 26). Unmittelbar danach und damit in engem zeitlichen Zusammenhang ist die Klägerin zu 1. im Jahr 1995 gegründet worden. 69 bb) Für die organisatorische Eingliederung der Klägerin zu 1. spricht, dass ihre wesentliche Geschäftstätigkeit in dem weltweiten Vertrieb von Propagandamaterial der PKK bestand. 70 Der Warenbestand der Klägerin zu 1. umfasste neben Werken der Weltliteratur und Druckerzeugnissen ohne PKK-Bezug vor allem Bücher, CD's und Hefte, die von Abdullah Öcalan selbst verfasst sind oder sich mit den Zielen der PKK und ihrer Umsetzung befassen. Dies ergibt sich sowohl aus den Sicherstellungsprotokollen der Durchsuchungen der Geschäftsräume der Klägerin zu 1. vom 8. bis 10. März 2018, die unter anderem eine 30-seitige Liste mit entsprechenden Belegexemplaren enthalten, als auch aus den in ihren Unterlagen vorhandenen Rechnungen und Kommissionsbestätigungen über Bestellungen zahlreicher Bücher von Öcalan und mit PKK-Ideologie. Zudem wurden in den Räumen der Klägerin zu 1. ausweislich der Sicherstellungsprotokolle in großen Mengen PKK-nahe Zeitschriften aufgefunden, wie die als zentrales Publikationsorgan der PKK einzuordnende Monatszeitschrift ""Serxwebûn"", das PKK-Jugendmagazin ""Ciwan"", die Zeitschrift der PKK-Frauenorganisation ""Newaja Jin"", der im zweimonatigen Rhythmus in deutscher Sprache zur Vermittlung von PKK-Positionen erscheinende ""Kurdistan Report"" und die Zeitschrift ""Ronahi"" des Verbandes der Studierenden aus Kurdistan e.V. (YXK), ebenfalls eine Massenorganisation der PKK. Von diesen Zeitschriften hat die Klägerin zu 1. die drei erstgenannten selbst produzieren lassen, was eine Auswertung ihres Kassenbuchs und ihrer Kontoauszüge ergeben hat. Ergänzt wird der Warenbestand der Klägerin zu 1. durch zahlreiche PKK-Devotionalien, darunter Fahnen mit dem Abbild Öcalans, Wimpel, Banner, Schlüsselanhänger, Tücher, Plakate, T-Shirts sowie Kinderuniformen in Guerillagestaltung. Auch diese hat sie ausweislich der aufgefundenen Rechnungen teilweise selbst produzieren lassen. 71 Sämtliche Waren mit PKK-Bezug hat die Klägerin zu 1. nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern weltweit vertrieben. Ihre Geschäftsbeziehungen reichen nach den vorgefundenen Rechnungen und Adresslisten bis nach Kanada und Australien. Das Propagandamaterial hat sie vor allem über weltweit agierende Post- und Paketdienstleister sowie über den Presse-Vertrieb ... versandt. Innerhalb Deutschlands hat sie das Material auch mittels firmeneigener Transporter selbst vertrieben. Dies ergaben polizeiliche Fahrzeugkontrollen am 2. Juni 2009, 31. August 2010, 3. Mai 2015 und 24. August 2017. Ausweislich der polizeilichen Protokolle und der Feststellungen in den Entscheidungen des OVG Koblenz und des OVG Münster waren die Fahrzeuge mit Propagandazwecken der PKK dienenden Büchern, CD's, Zeitschriften, T-Shirts, Flaggen mit der Abbildung Öcalans sowie Kampfanzügen in Kindergrößen beladen. Die Gerichte haben die Transporte der Klägerin zu 1. zugerechnet, da die Transportfahrzeuge auf sie zugelassen oder jedenfalls von ihrem Betriebsgrundstück losgefahren waren (vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 9. August 2018 - 7 E 10306/18 - NVwZ-RR 2019, 322 Rn. 19 ff.; OVG Münster, Beschluss vom 15. März 2019 - 5 E 276/18). Die von der Klägerin zu 1. auch im vorliegenden Rechtsstreit wiederum geltend gemachte Unkenntnis, die darauf beruhen soll, dass sie die Transporter ohne Kontrolle an ihre Mitarbeiter verliehen habe, wertet das Gericht angesichts der gerichtlichen Feststellungen in den genannten Verfahren und aufgrund des Umstands, dass die transportierten Waren von gleicher Art wie der Warenbestand der Klägerin zu 1. waren, als reine Schutzbehauptung. 72 Bei den Geschäftspartnern der Klägerin zu 1. hat es sich nach den vorliegenden, den Zeitraum ab 2007 betreffenden Rechnungen und Belegen nicht nur um deutsche und ausländische Buchhandlungen sowie Privatpersonen, die in keiner Beziehung zur PKK stehen, sondern insbesondere um kurdische Vereine, deren PKK-nahe Dachverbände und die Massenorganisationen der PKK wie die YXK, den NAV-DEM, den ISKU e.V. und die Jugendorganisation Jinen Ciwanen gehandelt. Sie sind Abnehmer des Propagandamaterials gewesen. Die Klägerin zu 1. hat zu den PKK-nahen Organisationen und Verbänden nach den Rechnungen und mit Blick auf die gewährten hohen Preisnachlässe in ständiger Geschäftsbeziehung gestanden. 73 Die Feststellung, dass der Vertrieb von Propagandamaterial den wesentlichen Schwerpunkt der geschäftlichen Tätigkeit der Klägerin zu 1. ausmachte, beruht zum einen auf einer Auswertung der Kontobewegungen und des Kassenbuchs von 2015 bis Februar 2018. Danach sind bei der Klägerin zu 1. hohe Transport- und Druckkosten aufgelaufen, die auf die große Bedeutung der Produktion des Propagandamaterials und des damit verbundenen Vertriebsgeschäfts schließen lassen. Zum anderen wird diese Einschätzung durch die auf Anregung der Klägerin zu 1. beigezogenen Geschäftsordner bestätigt, aus denen sich ergibt, dass die Einnahmen vor allem aus den Geschäftsbeziehungen mit den der PKK zuzuordnenden Dachverbänden und Massenorganisationen herrührten und sich im drei- bis vierstelligen Bereich je Auftrag bewegten, während sich die Einnahmen aus den Geschäftsbeziehungen zu Buchhandlungen und Privatpersonen lediglich auf ein- bis zweistellige Beträge beliefen und in der Summe den erstgenannten Geschäftsbeziehungen bei weitem nicht vergleichbar waren. Soweit die Klägerin zu 1. dieser Einschätzung entgegenhält, sie habe Werke der Weltliteratur, der kurdischen Literatur sowie von kurdischen Autoren ohne Bezug zur PKK im Verlagsprogramm gehabt und ihre Tätigkeit sei von den Geschäftsbeziehungen zu deutschen und türkischen Verlagen geprägt gewesen, enthalten die von der Klägerin zu 1. als Nachweis für ihre Behauptungen bezeichneten Unterlagen keine Belege hierfür. Im Gegenteil hat sich mit diesen Unterlagen das in der Verbotsverfügung dargestellte Bild der schwerpunktmäßigen Vertriebstätigkeit von Propagandamaterial der PKK durch - der Verschleierung dienende - Bargeschäfte bestätigt. 74 cc) Des Weiteren lassen sich hinreichende Tatsachen für die Annahme einer finanziellen Verflechtung der Klägerin zu 1. mit der verbotenen PKK feststellen. 75 Diese Tatsachen ergeben sich zwar nicht aus der Verbotsverfügung, wonach die Klägerin zu 1. ausweislich der bei einer polizeilichen Durchsuchung mehrerer PKK-Einrichtungen in Belgien im Jahr 2010 aufgefundenen Tabellen bereits in den Jahren 2005, 2007 und 2009 Zuschüsse in beachtlicher sechsstelliger Höhe vom EMB erhalten, die Zuschüsse vor den Steuerbehörden in den Körperschaftssteuererklärungen verschleiert und zugunsten der PKK steuerliche Vorteile erschlichen haben soll. Denn weder hat die Beklagte die von ihr angeführten Tabellen noch die Körperschaftssteuererklärungen vorgelegt oder die steuerlichen Folgen von in Abzug gebrachten Rechnungspositionen nachvollziehbar dargetan. Auch der Vorwurf der Verschleierung von Zuschüssen des EMB durch die Fiktion von (baren) Auslandsgeschäften ist nicht ansatzweise belegt, zumal sich - wäre diese Behauptung der Beklagten zutreffend - die feststellbaren hohen Druck- und Transportkosten der Klägerin zu 1. nicht erklären ließen. 76 Ungeachtet dessen lässt sich jedoch feststellen, dass die Klägerin zu 1. regelmäßig vom EMB monatliche Zuschüsse in beachtlicher Höhe erhalten hat. Bei der Durchsuchung ihrer Geschäftsräume sind unter anderem zwei mit der Überschrift ""Monatlicher Finanzbericht der Vertriebsgesellschaft"" ausgefüllte Vordrucke eines Monatsfinanzberichts für Dezember 2017 und Januar 2018 sowie drei handschriftlich ausgefüllte Anlagen zu den Monatsfinanzberichten Dezember 2017, Januar und Februar 2018 gefunden worden. Ausweislich der dort enthaltenen Aufstellungen hat die Klägerin zu 1. in diesen Monaten jeweils Zuschüsse von dem EMB zwischen 25 000 € und 26 200 € erhalten, ohne die sie ihre Geschäftstätigkeit nicht hätte aufrechterhalten können und überschuldet gewesen wäre. Denn in diesen Monaten sind die eigenen Einnahmen ohne die Zuschüsse deutlich unter den Ausgaben geblieben (Dezember 2017: Einnahmen von 43 566 € und Ausgaben von 65 815 €; Januar 2018: Einnahmen von 24 011 € und Ausgaben von 45 703 €; Februar 2018: Einnahmen von 30 885 € und Ausgaben von 66 188 €). Der Senat geht davon aus, dass es Monatsberichte der Klägerin zu 1. sind. Das klägerische Bestreiten dieser Tatsache ist unplausibel. Für die Zuordnung spricht schon der Fundort der Monatsberichte. Zudem sind einzelne Positionen in den Monatsberichten mit den Angaben auf den Kontoauszügen und in dem Kassenbuch identisch, die im Übrigen nicht die vollständigen Finanzströme der Klägerin zu 1. abbilden. Dies betrifft exemplarisch die Miete des von der Klägerin zu 1. in Belgien angemieteten Lagers sowie die Verwendung von identischen Kürzeln ihrer Mitarbeiter einschließlich einzelner zuzuordnender Personalausgaben sowie die monatlich wiederkehrenden Ausgaben für ihren Steuerberater. Da die Klägerin zu 1. ausweislich der vorliegenden Rechnungen, Kontoauszüge und Kassenbücher dauerhaft hohe Druck- und Transportkosten sowie Personalausgaben hatte, ist davon auszugehen, dass sie kontinuierlich auf die Zuschüsse von dem EMB angewiesen gewesen ist und sie in entsprechender Höhe auch erhalten hat. Angesichts der aufgezeigten wirtschaftlichen Bedeutung dieser Zuschüsse für die Klägerin zu 1. geht der Senat darüber hinaus davon aus, dass die PKK mit ihnen nicht nur das kurdische Kulturgut fördern, sondern die Geschäftstätigkeit der Klägerin zu 1. wegen eines bestehenden erheblichen Eigeninteresses absichern wollte. 77 dd) Sowohl in organisatorischer als auch in finanzieller Hinsicht ist für die Teilorganisationseigenschaft der Klägerin zu 1. ihre Rechenschaftspflicht gegenüber der Europaführung der PKK von Bedeutung. 78 Die Rechenschaftspflicht der Klägerin zu 1. gegenüber der Europaführung wird durch die bei ihr aufgefundenen Vordrucke und ausgefüllten Monatsberichte für Dezember 2017, Januar und Februar 2018 bestätigt. Zwar lassen diese Berichte, worauf die Klägerseite zutreffend hinweist, keinen Adressaten erkennen. Jedoch enthalten deren Gliederungsvorgaben dieselben Begrifflichkeiten wie die Planungspapiere. Zudem ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten Übersetzung einer Tabelle mit Einnahmen und Ausgaben für die Zeitschrift ""Serxwebûn"", die bei einer Durchsuchung mehrerer PKK-Einrichtungen in Belgien im März 2010 aufgefunden wurde, dass die von der Europaführung geforderten Berichte in ihrer Gliederung mit derjenigen der Monatsfinanzberichte übereinstimmen. 79 Soweit sich die Beklagte zum Nachweis der klägerischen Rechenschaftspflicht weiter auf die Planungspapiere für die Jahre 2007 und 2008 stützt, kann sich das Gericht dem nur für das Planungspapier für das Jahr 2008 mit der notwendigen Überzeugungsgewissheit anschließen. Entgegen den Behauptungen der Beklagten gab es im Jahr 2007 nicht nur die Klägerin zu 1., sondern auch eine Aktien- und Holdinggesellschaft dänischen Rechts mit vergleichbarem Namen, die Inhaberin mehrerer Fernsehlizenzen gewesen war und auch einen Fernsehsender betrieben hatte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 2010 - 6 A 6.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; Gerichtsbescheid vom 23. Juli 2012 - 6 A 4.11 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 57). Da sich das Planungspapier für 2007 hauptsächlich mit den TV-Firmen der PKK beschäftigt und in diesem Zusammenhang die Firma ""..."" erwähnt wird, geht der Senat davon aus, dass es sich hierbei nicht um die Klägerin zu 1., sondern um eine Aktien- und Holdinggesellschaft handelt. Allerdings enthält das Planungspapier 2007 auch eine Aufstellung derjenigen Institutionen, die monatliche Zuschüsse erhalten, wobei eine Institution ""Verteilung"" mit einer Zuschusshöhe von 35 000 € aufgeführt ist. Ob es sich hierbei um die Klägerin zu 1. handelt, kann indes aufgrund fehlender weiterer Anhaltspunkte, die die Zuschusszahlungen in diesem Zeitraum belegen, nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden. Ohne jeden Zweifel wird die Klägerin zu 1. zur Überzeugung des Senats aber im Planungspapier 2008 als ""... (Depot)"" erwähnt. Zu diesem Zeitpunkt gab es die namensgleiche Gesellschaft dänischen Rechts nicht mehr. Dafür, dass es sich hierbei um die Klägerin zu 1. handelt, spricht auch die Plausibilität ihrer dort angegebenen Ausgabensituation im Vergleich zu den belegten Ausgaben späterer Jahre. Hinzu kommt, dass sie ausweislich der vorgelegten Unterlagen über ein von ihr angemietetes Depot in Belgien verfügt hat. Der Umstand, dass die Europaführung der PKK Kenntnis von den betragsmäßigen Ausgaben u.a. der Klägerin zu 1. gehabt hat, belegt, dass diese bereits in der Vergangenheit ihrer Rechenschaftspflicht über ihre finanzielle Situation nachgekommen sein muss. Das Bestreiten der Klägerin zu 1. ist insoweit unsubstantiiert. 80 ee) Anhaltspunkt für die Eingliederung der Klägerin zu 1. in die PKK ist schließlich, dass ihr Alleingesellschafter und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer Herr X. ein Funktionär und Kadermitglied der PKK ist. Diese Überzeugung hat der Senat nicht nur auf der Grundlage der Erkenntnismitteilung des BfV gewonnen, wonach Herr X. dort dienstlich bekannt ist. Sie beruht vor allem auf der Tatsache, dass Herr X. über Informationen verfügt, in deren Besitz nur ein Funktionär und Kadermitglied der PKK kommt. Bei der Durchsuchung seiner Privatwohnung am 8. März 2018 ist laut Sicherstellungsprotokoll vom gleichen Tag im Wandschrank des Schlafzimmers eine externe Festplatte gefunden worden, auf der sich Blankotabellen für die Jahre 2004 bis 2006 und ausgefüllte Rechenschaftsberichte für das Jahr 2005 der PKK-Gebiete Basel, Hamburg und Marseille befunden und die der Berichterstattung gegenüber dem Wirtschafts- und Finanzbüro EMB der PKK-Europaführung gedient haben. Der Besitz derartig sensibler Daten über die Finanzströme innerhalb der Europastrukturen der PKK ist allein mit einer hochrangigen Stellung des Besitzers innerhalb der PKK zu erklären. Schon angesichts des Fundorts dieser Daten erweist sich die Behauptung der Klägerin zu 1., der Geschäftsführer habe keine Kenntnis von diesen Daten gehabt, als reine Schutzbehauptung. 81 Ob die weiteren Angestellten der Klägerin zu 1. ebenfalls als Aktivisten oder Funktionäre der PKK einzuordnen sind, kann angesichts der bereits festgestellten zahlreichen Indizien dahingestellt bleiben. 82 ff) Aus den vorgenannten Indizien ergibt sich ein Gesamtbild, wonach die Klägerin zu 1. aufgrund ihrer weltweiten Geschäftstätigkeit in die PKK im Sinne von § 3 Abs. 3 VereinsG als nichtgebietliche Teilorganisation eingegliedert ist. Das Vorgehen der PKK in Europa, über eine von ihr eingesetzte Institution in den kurdischen Vereinen, den PKK-nahen Dachverbänden der kurdischen Vereine und ihren Massenorganisationen ihre Ideologie zu verbreiten, deckt sich mit der den Kern ihres Geschäfts kennzeichnenden Tätigkeit der Klägerin zu 1., das Propagandamaterial der PKK zu vertreiben. Die existenziellen monatlichen Zuschüsse der Europaführung und die für jeden Monat bestehende Rechenschaftspflicht sprechen dafür, dass die Klägerin zu 1. das Propagandamaterial im Auftrag und nach den Vorgaben der PKK vertrieben hat und von der Europaführung hierbei engmaschig kontrolliert worden ist. Damit korreliert, dass ihre Geschäftsführung entsprechend den Direktiven der PKK in ihren Institutionen von einem Funktionär und Kadermitglied wahrgenommen worden ist, um auf diese Weise zu gewährleisten, dass die Vorgaben der Europaführung umgesetzt wurden. Nach alldem ist von einer Einbindung der Klägerin zu 1. in die PKK auszugehen. 83 Da die Klägerin zu 1. über ihre Zuständigkeit für den Vertrieb von Propagandamaterial innerhalb der PKK unmittelbar in deren Strukturen eingebunden gewesen ist, ist nicht ersichtlich, dass nach den vorliegenden Umständen weniger einschneidende Maßnahmen zur Unterbindung ihrer Unterstützung der PKK in Betracht gekommen wären. Eine strafrechtliche Verfolgung etwa ihres Geschäftsführers hätte nicht dieselben Wirkungen wie das Verbot und die Auflösung der Klägerin zu 1. gehabt. Nach den getroffenen Feststellungen bestimmt die Europaführung der PKK die Leitungsebene ihrer Institutionen, sodass sie die Geschäftsführer ihrer Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach eigenem Willen ersetzen kann. Die Erstreckung des Verbots der PKK auf die Klägerin zu 1. ist hiernach verhältnismäßig. 84 f) Die hinsichtlich der Klägerin zu 2. feststellbaren Indizien rechtfertigen ebenfalls die Annahme, dass sie als nichtgebietliche Teilorganisation in die Strukturen der PKK eingegliedert ist. 85 aa) Für ihre Einbindung in die PKK spricht als gewichtiges Indiz, dass die Klägerin zu 2. an die Stelle der ... GmbH getreten und deren Aufgabe, die ihr von der PKK zugewiesen wurde, übernommen hat. 86 Die PKK gründete die ... GmbH im Jahr 2000, um - so die Ausführungen im Planungspapier 2007 - die kurdische Musik zu unterstützen, fortzuentwickeln und mittels neuer Produkte einen hochwertigen kurdischen Musikmarkt zu schaffen, der so organisiert werden sollte, dass er sich selbst finanziert und schließlich Gewinne erwirtschaftet. Hierfür investierte die PKK in Europa 600 000 DM. Unternehmensgegenstand der ... GmbH war die Produktion und der Vertrieb von orientalischen Musikwerken sowie der Betrieb einer Konzertagentur. Sie verlegte auf der Grundlage eines Beschlusses des 3. Kongresses der CDK im Jahre 2007 ihren Sitz von ... nach ... und firmierte unter derselben Geschäftsadresse wie anschließend die Klägerin zu 2. Wohl aufgrund von Missmanagement der Leitungsebene machte die ... GmbH Verluste in Höhe von 260 000 € und musste von der Europaführung mit 170 000 € entschuldet werden. Dennoch meldete die ... GmbH Ende 2007 Insolvenz an. In unmittelbar zeitlichem Anschluss hieran ist die Klägerin zu 2. am Firmensitz der ... GmbH gegründet worden. Ihr Unternehmensgegenstand schließt nach der Eintragung im Handelsregister denjenigen der ... GmbH ein. Er besteht in der Produktion, dem Vertrieb, dem Im- und Export von Ton-, Bild- und Datenträgern sowie Printmedien, insbesondere von orientalischen Musikwerken, sowie in dem Betrieb einer Konzertagentur, einer Werbeabteilung und eines Buchverlags und -vertriebs. 87 Neben diesen Umständen spricht für die Funktionsnachfolge, dass die ... GmbH sämtliche Urheberrechte, die ihr zustanden, mittels notarieller Urkunde auf die Klägerin zu 2. übertragen hat. Darüber hinaus hat sich die Klägerin zu 2. nach den vorliegenden Unterlagen sämtliche Urheberrechte der Künstlerinnen und Künstler kurdischer Musik, die bei der ... GmbH unter Vertrag standen, übertragen lassen. Vor allem aber ist entscheidender Anhaltspunkt, dass die Klägerin zu 2. sich nach dem Planungspapier 2008 der Europaführung der PKK bereits im Jahr ihrer Gründung selbst finanziert hat. Der Senat geht davon aus, dass ihr dieses nur möglich gewesen ist, weil sie den Geschäftsbetrieb der ... GmbH übernommen hat. Nicht zuletzt ist zu bemerken, dass sowohl der Geschäftsführer der Klägerin zu 2. diese im Geschäftsverkehr mit der ... GmbH verwechselt hat als auch in der Berichterstattung der ANF News vom 12. Februar 2019 beide Unternehmen gleichgesetzt worden sind. Darüber hinaus wird die Klägerin zu 2. selbst von der Europaführung der PKK im Planungspapier 2008 unzutreffend als ""..."" bezeichnet, die es zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr gegeben hat. 88 bb) Die von der Klägerin zu 2. produzierten und vertriebenen Waren weisen - anders als bei der Klägerin zu 1. - weit überwiegend keinen unmittelbaren Bezug zur Tätigkeit der PKK auf. Jedoch ist festzustellen, dass die Klägerin zu 2., die sich selbst als marktführende Firma in der kurdischen Musikwelt in Europa bezeichnet, mit ihrer Tätigkeit das der ... GmbH vorgegebene Ziel der PKK verwirklicht hat, einen hochwertigen kurdischen Musikmarkt zu schaffen und hierdurch erhebliche Einnahmen zu erzielen. 89 Aus den Sicherstellungsprotokollen und den vorliegenden Nachweisen über ihre Geschäftstätigkeit ergibt sich, dass das Kerngeschäft der Klägerin zu 2. in der Produktion und dem weltweiten Vertrieb von Ton- und Datenträgern mit kurdischer Musik bestanden hat. Sie hat ein Tonstudio nebst Aufnahmeraum in ihren Geschäftsräumen eingerichtet und die Ton- und Datenträger selbst produzieren können. Hierzu hat sie Verträge mit den Künstlerinnen und Künstlern geschlossen, die gleichzeitig die Vermarktung der Musikwerke umfasst haben. Zudem hat sie in sehr großem Umfang CD's in Italien produzieren lassen. Nach eigenen Angaben, die von der Beklagtenseite nicht bestritten worden sind, hat ihr Warenbestand rund 500 000 kurdische Lieder umfasst, ein aus ihrer Sicht einzigartiges Archiv kurdischen Liedguts. Dieser Warenbestand der Klägerin zu 2. weist als solches keinen spezifischen Bezug zur PKK auf. Ebenso wenig lassen sich - für sich gesehen - dem weiteren Schwerpunkt ihrer Tätigkeit, der in der Vermittlung von Künstlerinnen und Künstlern sowie der Organisation ihrer Veranstaltungen bestand, entsprechende Anhaltspunkte entnehmen. 90 Einen Bezug zur PKK haben die Waren der Klägerin zu 2., soweit es sich um Propagandamaterial der PKK gehandelt hat. Im Rahmen der Durchsuchung ihrer Geschäftsräume im März 2018 wurden PKK-Devotionalien wie Öcalan-T-Shirts, PKK-Kämpfer-T-Shirts, PKK-Handy-Hüllen und Öcalan-Flaggen, des Weiteren 192 DVD's des Films ""..."" über das am 9. Januar 2013 in Paris ermordete Gründungsmitglied der PKK Z. (Deckname: ...) sowie Belege über den Vertrieb und die Vermarktung des Films ""14. Juli"" über den Beginn des Widerstandes der PKK gefunden. Gegenüber der Produktion und dem Vertrieb kurdischer Musikprodukte und ihrer sonstigen Geschäftstätigkeit fällt der Vertrieb dieser Waren aber nicht wesentlich ins Gewicht, weshalb dahingestellt bleiben kann, ob auch die von der Klägerin zu 2. produzierte DVD ""Info über Hilfstätigkeiten"" für den ""Heyva Sor a Kurdistane e.V."" (Kurdischer Roter Halbmond e.V. - HSK) als Propagandamittel anzusehen ist. 91 Die Klägerin zu 2. hat mit dem Verkauf ihrer Musikprodukte im In- und Ausland und über Verkaufsstände auf Veranstaltungen, die aus Anlass von kurdischen Festen wie dem jährlichen Newroz-Fest und dem Jugend-Sport-Fest durchgeführt worden sind, beachtliche Einnahmen erzielt. Gleiches gilt für die Honorare, die die Klägerin zu 2. für die Vermittlung von Künstlerinnen und Künstlern sowie für die Organisation ihrer Veranstaltungen erhalten hat. Die vorgelegten Rechnungen und Belege in den von dem Gericht beigezogenen Geschäftsunterlagen sind insoweit aussagekräftig. Sie enthalten wenigstens rudimentäre Angaben und sind, wenn auch nicht in jedem Fall, konkreten Veranstaltungen zuzuordnen. Für die Annahme der Beklagten, sie dienten allein der Verschleierung von Zahlungen des EMB, bieten sie keine hinreichende Grundlage. 92 cc) Ein weiteres bedeutendes Indiz für die finanzielle Verflechtung mit der PKK stellen die Zahlungen und Sponsoringleistungen dar, welche die Klägerin zu 2. gegenüber den Institutionen der PKK und dem Dachverband der kurdischen Vereine in Deutschland - damals: YEK-KOM - erbracht hat. Damit hat sie die PKK finanziell unterstützt. 93 Ein Teil der finanziellen Unterstützung der PKK erfolgte seitens der Klägerin zu 2. über die Vermarktung der Künstlerinnen und Künstler in den Fernsehsendern ROJ TV und Sterk TV. Diese Fernsehsender sind nach den Planungspapieren 2007 und 2008 der Europaführung Institutionen der PKK (vgl. zu ROJ TV auch: BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; Gerichtsbescheid vom 23. Juli 2012 - 6 A 4.11 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 57). Die Klägerin zu 2. hat ausweislich der vorliegenden Rechnungen im Zeitraum von 2009 bis 2012 wiederholt bei ROJ TV Werbung geschaltet und dafür Beträge zwischen 700 € und 2 800 € gezahlt. Für die Werbung bei Sterk TV hat die Klägerin zu 2. im Jahr 2010 15 000 € und im Jahr 2015 2 500 € bezahlt. 94 Darüber hinaus hat die Klägerin zu 2. mehrere Großveranstaltungen des PKK-nahen Dachverbandes der kurdischen Vereine YEK-KOM gesponsert, die die PKK nutzt, um ihre Ideologien zu verbreiten, Anhänger zu rekrutieren und Einnahmen zu erzielen. So hat sie 2010 das von der YEK-KOM veranstaltete 18. Kurdische Kulturfestival in ... in Höhe von 29 750 € gesponsert, indem sie eine entsprechende Rechnung der K. GmbH ausgeglichen hat. 2012 und 2013 hat sie mit der YEK-KOM Vereinbarungen geschlossen, mit denen sie sich verpflichtet hat, die Kosten der Firma ""a. GmbH"" bei den Kulturveranstaltungen in ... aus Anlass des Newroz-Festes zu übernehmen; im Zuge dessen beglich sie 2012 eine Rechnung in Höhe von 23 000 € und 2013 in Höhe von 11 781 €. Im darauffolgenden Jahr sponserte sie eine Kulturveranstaltung der YEK-KOM in ... in Höhe von 2 500 €. Zwar konnte die Klägerin zu 2. im Gegenzug für ihre Zahlungen auf den Veranstaltungen Verkaufs- und Werbestände aufstellen und Einnahmen erzielen. Dies steht aber der Einordnung ihrer Leistungen als Sponsoring aufgrund der Höhe der geleisteten Zahlungen und der teilweise ausdrücklichen Bezeichnung als Sponsoring in den Rechnungen bzw. Vereinbarungen nicht entgegen. 95 dd) Der Senat ist überzeugt, dass auch die Klägerin zu 2. gegenüber dem EMB rechenschaftspflichtig gewesen ist. Zwar sind bei ihr keine Monatsfinanzberichte aufgefunden worden. Jedoch hatte die Europaführung nach dem Planungspapier 2008 Kenntnis davon, dass die Klägerin zu 2. - unzutreffend bezeichnet als ... - sich selbst finanzieren konnte. Diese Feststellung bedingt eine entsprechende Berichtspflicht, der die Klägerin zu 2. nachgekommen sein muss. Außerdem war der Geschäftsführer der Klägerin zu 2., Herr X., im Besitz entsprechender Vordrucke der Monatsfinanzberichte. Es liegt deshalb nahe, dass er diese für beide Klägerinnen benutzt hat. 96 ee) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass - wie bereits dargestellt - jedenfalls der Geschäftsführer der Klägerin zu 2. ein Funktionär und Kadermitglied der PKK ist. Auf die Einordnung der weiteren Angestellten der Klägerin zu 2. kommt es auch hier angesichts der weiteren festgestellten Tatsachen für deren Einordnung als Teilorganisation nicht an. 97 ff) Anhand der vorliegenden Indizien ist der Schluss gerechtfertigt, dass die Klägerin zu 2. in die Struktur der PKK eingegliedert und angesichts ihrer weltweiten Geschäftstätigkeit als nichtgebietliche Teilorganisation anzusehen ist. Sie hat nicht nur die von der PKK der ... GmbH zugewiesene Aufgabe der Schaffung eines hochwertigen kurdischen Musikmarkts und der finanziellen Unterstützung der PKK mit den erzielten Einnahmen übernommen, sondern diese Vorgaben auch verwirklicht. Die Klägerin zu 2. hat ihre kurdischen Musikprodukte weltweit vertrieben und hierdurch erhebliche Einnahmen erwirtschaftet. Diese Einnahmen kommen der PKK zugute. Zwar können keine unmittelbaren Zahlungsströme zwischen der Klägerin zu 2. und der Europaführung der PKK nachgewiesen werden. Jedoch wird die PKK finanziell dadurch entlastet, dass die Klägerin zu 2. in erheblichem Umfang die TV-Sender der PKK und Großveranstaltungen des PKK-nahen Dachverbandes der kurdischen Vereine gesponsert hat. Hierdurch hat sie die PKK in beachtlichem Umfang von eigenen Unterstützungsleistungen entlastet und auf diese Weise finanziell unterstützt. Angesichts der auch im Falle der Klägerin zu 2. anzunehmenden Rechenschaftspflicht und ihrer Leitung durch einen Funktionär bzw. ein Kadermitglied der PKK bestehen an ihrer Teilorganisationseigenschaft keine Zweifel. 98 Daher bedarf es keiner Entscheidung, ob - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat - die Klägerin zu 2. nur mit Zustimmung der PKK auf den genannten Veranstaltungen die erheblichen Einnahmen habe erzielen können und sie daher wirtschaftlich vom Willen der PKK abhängig gewesen sei. 99 Da die Klägerin zu 2. in die Struktur der PKK eingebunden gewesen ist, sind - wie bei der Klägerin zu 1. - weniger einschneidende Maßnahmen nicht ersichtlich, die wirkungsgleich zu dem ausgesprochenen Verbot und der Auflösung gewesen wären. Auf die entsprechenden Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit des Verbots der Klägerin zu 1. wird verwiesen. 100 g) Das Grundrecht, an dem sich ein Vereinigungsverbot messen lassen muss, ist in erster Linie die in Art. 9 Abs. 1 GG geschützte Vereinigungsfreiheit. Das bedeutet nicht, dass die Wertungen weiterer Grundrechte im Rahmen der Prüfung am Maßstab des Art. 9 GG keine Berücksichtigung finden. Die weiteren Grundrechte werden damit aber nicht zum selbständigen Prüfungsmaßstab. Für Verbote von Vereinigungen gilt, auch soweit sie andere Grundrechte betreffen, in erster Linie die spezielle Norm des Art. 9 Abs. 2 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u.a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 93 und 98 m.w.N.). 101 Hiernach ist der mit der angefochtenen Verfügung verbundene Eingriff in die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Pressefreiheit, auf die sich die Klägerin zu 1. beruft, jedenfalls gerechtfertigt. Wie sich aus den in Art. 5 Abs. 2 GG festgelegten Schranken der Pressefreiheit und einer Abwägung mit dem verfassungsrechtlichen Verbotstatbestand des Art. 9 Abs. 2 GG ergibt, haben Meinungs- und Pressefreiheit dort zurückzutreten, wo sie - wie hier - ausschließlich der Verwirklichung verbotswidriger Vereinszwecke dienen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1997 - 1 A 13.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 26; Beschluss vom 19. August 1994 - 1 VR 9.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 19). Nichts anderes kann im Schutzbereich der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) gelten, auf die sich die Klägerin zu 2. beruft und die im Rahmen kollidierenden Verfassungsrechts ebenfalls durch Art. 9 Abs. 2 GG begrenzt wird. Dass aus der Berufsausübungsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG, sofern sie neben den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 GG überhaupt zur Anwendung kommt, ein weitergehender Grundrechtsschutz zu Gunsten der Klägerinnen besteht, ist angesichts des nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG bestehenden Gesetzesvorbehalts nicht anzunehmen. 102 Ebenso wenig gehen Art. 10 und 11 EMRK über den Schutzbereich der entsprechenden Grundrechte hinaus (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1997 - 1 A 13.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 26). 103 h) Da das Verbot und die Auflösung der Klägerinnen keinen materiell-rechtlichen Bedenken begegnen, erweisen sich auch die weiteren in der angefochtenen Verfügung getroffenen Regelungen, die ihre Rechtsgrundlage ebenfalls in den Bestimmungen des Vereinsgesetzes finden (s.o. unter II 1. b)), als rechtmäßig. 104 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO." bverwg_2022-11,28.01.2022,"Pressemitteilung Nr. 11/2022 vom 28.01.2022 EN Eilantrag gegen den Weiterbau der Festen Fehmarnbeltquerung abgelehnt Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 27. Januar 2022 den Eilantrag einer Umweltvereinigung gegen den Weiterbau der Festen Fehmarnbeltquerung (FFBQ) abgelehnt. Die gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Bau der FFBQ erhobenen Klagen hat das Gericht mit Urteilen vom 3. November 2020 abgewiesen. Es hat dabei jedoch festgestellt, dass bezüglich weiterer Riffvorkommen, die während des Gerichtsverfahrens entdeckt worden sind, ein ergänzendes Verfahren durchgeführt werden muss. Mit Planänderungsbeschluss vom 1. September 2021 hat das schleswig-holsteinische Wirtschafts- und Verkehrsministerium für diese Riffe eine Befreiung von dem naturschutzrechtlichen Beschädigungs- und Zerstörungsverbot erteilt, die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen festgelegt und dessen sofortige Vollziehbarkeit angeordnet. Die Aushubarbeiten für den Tunnelgraben begannen Ende August 2021 bzw. – im Bereich der Riffflächen – Anfang September 2021. Der Antrag einer Umweltvereinigung vom 13. Januar 2022, die aufschiebende Wirkung ihrer im Oktober 2021 erhobenen Klage gegen den Planänderungsbeschluss wiederherzustellen und die Bauarbeiten zu stoppen, hatte keinen Erfolg. Aufgrund der Eilbedürftigkeit des Verfahrens hat das Bundesverwaltungsgericht den Beteiligten zunächst nur den Tenor der Entscheidung zugestellt. Die Gründe der Entscheidung, deren redaktionelle Bearbeitung aufgrund gerichtsinterner Arbeitsabläufe einige Tage in Anspruch nimmt, werden den Beteiligten zeitnah übersandt und anschließend auf der Internetseite des Bundesverwaltungsgerichts veröffentlicht. BVerwG 9 VR 1.22 - Beschluss vom 27. Januar 2022","Tenor Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Planänderungsbeschluss des Antragsgegners vom 1. September 2021 wird abgelehnt.Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2, die diese selbst tragen.Der Wert des Streitgegenstands wird auf 15 000 € festgesetzt. Gründe IDer Antragsteller, eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung, wendet sich gegen den Planänderungsbeschluss des Antragsgegners vom 1. September 2021 betreffend die naturschutzrechtliche Befreiung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG und Ergänzung von Maßnahmen zur Realkompensation bezüglich des Planfeststellungsbeschlusses des Antragsgegners vom 31. Januar 2019 für den Neubau einer Festen Fehmarnbeltquerung von Puttgarden nach Rødby, deutscher Vorhabenabschnitt. Der Antragsgegner hat mit dem Erlass des Planänderungsbeschlusses dessen sofortigen Vollzug angeordnet.Die gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2019 erhobenen Klagen - darunter diejenige des Antragstellers - hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteilen vom 3. November 2020 abgewiesen. Dabei hat das Gericht in zwei nicht den Antragsteller betreffenden Urteilen festgestellt, dass, soweit während der Gerichtsverfahren weitere Riffvorkommen entdeckt worden waren, dies die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht berührt, dass ihnen jedoch im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens nach § 76 VwVfG Rechnung zu tragen ist (BVerwG, Urteile vom 3. November 2020 - 9 A 9.19 - BVerwGE 170, 210 Rn. 178 f. und - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 651 f.). Das Vorbringen des Antragstellers hinsichtlich einer Verletzung biotopschutzrechtlicher Vorschriften bezüglich von Riffen hat das Gericht hingegen gemäß § 18e Abs. 5 AEG i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO als unsubstantiiert bzw. als verspätet zurückgewiesen (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 443 ff.).Mit seiner am 4. Oktober 2021 erhobenen Klage und seinem Antrag auf Wiederherstellung deren aufschiebender Wirkung vom 13. Januar 2022 erhebt der Antragsteller Einwände sowohl gegen den Planänderungs- als auch gegen den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss. Der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1 haben mit Schreiben vom 18. Januar 2022 zum Stand der Bauarbeiten mitgeteilt, dass die im Planänderungsbeschluss geregelten dauerhaften Flächenverluste an den sogenannten Riffflächen 1 und 3 bereits vollständig und an der Rifffläche 2 zum überwiegenden Teil eingetreten seien.IIDer Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat keinen Erfolg.Der Senat kann über den Antrag bereits unter Zugrundelegung der Antragsbegründung vom 13. Januar 2022, der Stellungnahmen des Antragsgegners und der Beigeladenen zu 1 vom 18. Januar 2022 sowie des Planänderungsbeschlusses vom 1. September 2021 entscheiden. Aufgrund dessen sowie der Eilbedürftigkeit des Verfahrens muss mit der Entscheidung nicht bis zum Ablauf der Stellungnahmefrist für den Antragsteller und die Beigeladenen gewartet werden.Dem Eilantrag fehlt es ungeachtet der Frage, ob der Antragsteller den Planänderungsbeschluss noch anfechten kann, obwohl seine Einwände gegen die Kartierung und Bewertung der Riffvorkommen in dem Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2019 mit Urteil des Senats vom 3. November 2020 zurückgewiesen wurden, sowie der weiteren Frage, ob der Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes über dessen § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 eröffnet ist, zu großen Teilen an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis (1.) und überwiegt im Übrigen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit das Aussetzungsinteresse des Antragstellers (2.).1. Hinsichtlich der bereits erfolgten Beseitigung von Riffflächen sowie der im Planänderungsbeschluss angeordneten Kompensationsmaßnahmen ist der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.a) Soweit die Eingriffe in die Riffflächen, die Gegenstand des Planänderungsbeschlusses sind, abgeschlossen sind, besteht kein Rechtsschutzinteresse für den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO ist darauf gerichtet, im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes die vorläufige Hemmung der Vollziehbarkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses - im umfassenden Sinn eines Verwirklichungsverbots - zu erreichen. Vorläufiger Rechtsschutz kann daher nicht gewährt werden, wenn die gerichtliche Entscheidung die Rechtsstellung des Antragstellers nicht (mehr) verbessern kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. April 2007 - 9 VR 4.07 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 28 Rn. 3 und vom 30. Dezember 2010 - 7 VR 3.10 - juris Rn. 3). Dementsprechend entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für den Aussetzungsantrag einer Umweltvereinigung, soweit der Planfeststellungsbeschluss umgesetzt und die Folgen, auf deren vorläufige Verhinderung der Eilantrag zielt, bereits irreversibel eingetreten sind (vgl. zum Baurecht OVG Berlin, Beschluss vom 28. August 2001 - 2 SN 11.01 - DÖV 2001, 1055; OVG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 22. November 2002 - 3 B 319/02 - BRS 65 Nr. 199; OVG Bremen, Beschluss vom 29. September 2013 - 1 B 345/03 - NordÖR 2003, 447; OVG Hamburg, Beschluss vom 21. Oktober 2009 - 2 Bs 152/09 - BRS 74 Nr. 193).Mit dem Planänderungsbeschluss vom 1. September 2021 sollen bezüglich dreier Riffe, die als sog. Riffflächen 1, 2 und 3 Gegenstand der Klageverfahren BVerwG 9 A 9.19 und 9 A 12.19 gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2019 waren, eine Befreiung von dem Verbot nach § 30 Abs. 2 BNatSchG erteilt sowie eine zusätzliche Kompensationsmaßnahme und eine Einschränkung der Ankerzone festgestellt werden (vgl. Planänderungsbeschluss S. 11, 13). Hierzu haben der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1 in ihren Schriftsätzen vom 18. Januar 2022 dargelegt, dass die im Planänderungsbeschluss angesprochenen dauerhaften Flächenverluste im Bereich der Riffflächen 1 und 3 durch die Aushubarbeiten bereits vollständig abgeschlossen und im Bereich der Rifffläche 2 durch Überbauung zum überwiegenden Teil ebenfalls eingetreten sind. Diese Angaben entsprechen den Bauabläufen für die Grabenherstellung und die küstennahen Flächen (Unterlage 27.2 Blatt 3 und 6 des Planfeststellungsbeschlusses vom 31. Januar 2019), denen zufolge die Baggerarbeiten in den Zonen 1A, 2A und 3A, innerhalb derer die vorgenannten Riffe liegen - die Rifffläche 1 befindet sich 2 km nord-nordöstlich, die Rifffläche 3 rund 1,6 km nordöstlich des Hafens Puttgarden; die Rifffläche 2 reicht von der Uferlinie bis in eine Wassertiefe von 13 m (vgl. Planänderungsbeschluss S. 19) -, während der ersten vier Baumonate durchgeführt werden. Ausweislich der Stellungnahme der Vorhabenträgerinnen vom 17. Januar 2022 wurden die Aushubarbeiten für den Tunnelgraben in deutschen Gewässern am 21. August 2021 und im Bereich der Riffflächen 1 bis 3 nach Erlass des Planänderungsbeschlusses am 7. September 2021, mithin mehr als vier Monate vor Stellung des Eilantrags, begonnen. Auch das Maßnahmenblatt 8.2 M des Planfeststellungsbeschlusses vom 31. Januar 2019 sieht vor, dass eine Sedimentfreisetzung in den vorgenannten Zonen insgesamt überwiegend in den Wintermonaten erfolgt und in den Frühlings- bzw. Sommermonaten deutlich verringert oder sogar gänzlich untersagt ist.Im Übrigen haben die Vorhabenträgerinnen zugesagt, dass die weiteren dauerhaften Flächenverluste an der Rifffläche 2 außerhalb der Umschließungsdämme - ebenfalls in Übereinstimmung mit dem Bauzeitenplan - erst in mehreren Jahren und nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens erfolgen werden. Damit bedarf es auch diesbezüglich keiner Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Sicherung der Rechte des Antragstellers.b) Auch die Einwände des Antragstellers gegen die im Planänderungsbeschluss vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen rechtfertigen mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Die Beantwortung der Frage, ob die Kompensationsmaßnahmen den naturschutzrechtlichen Anforderungen genügen, kann vorliegend dahingestellt bleiben, weil insoweit keine Schaffung irreversibler Umstände droht, welche allein durch eine gerichtliche Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes verhindert werden könnte. Sollten sich die vorgesehenen Maßnahmen hinsichtlich ihres Umfangs und/oder ihrer Lage als unzureichend erweisen, könnte - und müsste - dem auf ein der Klage stattgebendes Urteil hin durch entsprechende Veränderungen Rechnung getragen werden.2. Soweit danach nur noch dauerhafte Flächenverluste am Riff Nr. 2 durch die restlichen Arbeiten zur Fertigstellung des Umschließungsdamms und zum Materialauftrag innerhalb dessen sowie potentielle temporäre Beeinträchtigungen der Riffflächen 1 bis 3 inmitten stehen, überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.a) Vorliegend sind allein diese und nicht auch weitere von dem Antragsteller behauptete Riffvorkommen in den Blick zu nehmen. Denn nur die vorgenannten Riffflächen sind Gegenstand des Planänderungsbeschlusses. Etwaige weitere Eingriffe in gesetzlich geschützte Biotope erfolgen nicht auf dessen, sondern auf der Grundlage des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses vom 31. Januar 2019. Dass dieser nicht rechtswidrig gewesen ist, steht für das vorliegende Verfahren aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Senats vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - mit Bindungswirkung fest. Hierfür ist es unerheblich, ob darin die nunmehr aufgeworfenen Fragen ausdrücklich behandelt worden sind oder - woran indes auch unter Berücksichtigung des jetzigen Vorbringens des Antragstellers keine Zweifel bestehen - die Sach- und Rechtslage zutreffend gewürdigt wurde. Der Änderungsplanfeststellungsbeschluss ist daher nur in dem Umfang angreifbar, in dem er eine eigene Regelung enthält (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Juni 2020 - 9 A 22.19 - BVerwGE 168, 368 Rn. 35 ff. und vom 28. September 2021 - 9 A 10.20 - juris Rn. 12 und - 9 A 12.20 - juris Rn. 11; Beschluss vom 22. September 2005 - 9 B 13.05 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 189 Rn. 5).Entgegen der Annahme des Antragstellers führt der Umstand, dass der Senat seine Einwände bzgl. der unzureichenden Berücksichtigung von Riffvorkommen in seiner Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2019 als unsubstantiiert und verspätet zurückgewiesen hat (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 446), nicht dazu, dass diese nunmehr im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen sind. Der Verweis auf den Senatsbeschluss vom 12. Januar 2018 geht fehl, denn ihm lag ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Soweit dort im Ausgangsverfahren präkludiertes Vorbringen in dem Rechtsstreit gegen einen Planänderungsbeschluss berücksichtigt wurde, beruhte dies darauf, dass der Gerichtshof der Europäischen Union zwischenzeitlich die Unionsrechtswidrigkeit der (sog. materiellen) Präklusion festgestellt hatte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2018 - 9 A 12.17 - DVBl 2018, 585 Rn. 6 ff.). Dass an der Vereinbarkeit der Klagebegründungsfrist gemäß § 18e Abs. 5 AEG und der Darlegungsanforderungen gemäß § 67 Abs. 4 VwGO mit Unionsrecht keine Zweifel bestehen, hat der Senat in seinem Urteil vom 3. November 2020 ebenso ausführlich dargelegt wie den Umstand, dass sich eine rechtzeitige Geltendmachung in einem Parallelverfahren nicht zugunsten eines säumigen Klägers auswirkt (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 18 ff., 446).Soweit der Antragsteller der Zurückweisung seines Vorbringens im Ausgangsverfahren entgegenhält, die Präklusion gehe nur soweit, wie nicht der Beklagte seinerseits den Prozessstoff erweitere, wirkt sich dies weder auf die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses vom 31. Januar 2019 noch auf den Regelungsgehalt des angefochtenen Planänderungsbeschlusses aus. Im Übrigen ist ein Kläger, wenn der Beklagte oder Beigeladene neue bzw. weitere Tatsachen in den Prozess einführt, durch die Klagebegründungsfrist nicht gehindert, auch nach deren Ablauf hierzu Stellung zu nehmen. Dies setzt jedoch voraus, dass er den zugrunde liegenden Einwand innerhalb der Begründungsfrist substantiiert erhoben hat; andernfalls stellt sich ein späterer Vortrag nicht als bloße Vertiefung fristgerecht erhobener Einwände, sondern als - verspätetes - erstmaliges Vorbringen dar. Sofern der Vorhabenträger oder die Planfeststellungsbehörde vorsorglich auch auf unsubstantiierte Rügen erwidern, führt dies daher nicht dazu, dass eine Replik hierauf von der Präklusionswirkung ausgenommen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - juris Rn. 31, 287 [insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 170, 138]).b) Dies vorangestellt, hat der Antrag auch im Übrigen keinen Erfolg. Das öffentliche Interesse an dem sofortigen Beginn der Bauarbeiten wird in der Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 1. September 2021 in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet (aa). Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das Suspensivinteresse des Antragstellers. Die Klage hat nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich der Beseitigung der nunmehr noch inmitten stehenden Teile der Rifffläche 2 sowie der temporären Beeinträchtigung aller drei Riffflächen in weiten Teilen keine Aussicht auf Erfolg (bb); auch soweit sich danach die Erfolgsaussichten der Hauptsache (allenfalls) als offen darstellen, überwiegt das Vollzugs- das Aussetzungsinteresse (cc). Es liegt zudem auch ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse vor (dd).aa) Ohne Erfolg rügt der Antragsteller einen Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der formellen Pflicht, in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der Vollziehung eines Verwaltungsakts schriftlich zu begründen, ist der Antragsgegner mit der Darlegung der Bedeutung des sofortigen Baubeginns in den Vorhabenabschnitten, in denen die Riffflächen 1 bis 3 liegen, für die zeitliche Durchführung des gesamten, bestandskräftig planfestgestellten Vorhabens nachgekommen. Hierbei handelt es sich um keine formelhaften Wendungen, sondern werden auf den konkreten Einzelfall abstellende Gründe dafür benannt, warum aus Sicht der Planfeststellungsbehörde mit der Umsetzung nicht bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zugewartet werden kann. Diese Begründung wird der Informations- und der Warnfunktion des Begründungserfordernisses hinreichend gerecht. Da § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nur die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung betrifft, kommt es auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung nicht an.bb) Die Kritik des Antragstellers an dem Planänderungsbeschluss führt derzeit nicht auf dessen Rechtswidrigkeit.(1) Die fehlende Durchführung einer UVP-Prüfung begegnet nach dem bisherigen Streitstand überwiegend keinen durchgreifenden Bedenken; im Übrigen erweisen sich die Erfolgsaussichten der Klage derzeit als offen.Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UVPG besteht für die Änderung eines Vorhabens, für das eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, eine UVP-Pflicht, wenn die allgemeine Vorprüfung gemäß § 9 Abs. 4 i.V.m. § 7 UVPG ergibt, dass die Änderung zusätzliche erhebliche nachteilige oder andere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorrufen kann. Die Einschätzung der Behörde im Rahmen einer UVP-Vorprüfung ist gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG nur daraufhin gerichtlich zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 7 UVPG durchgeführt wurde und ob das Ergebnis nachvollziehbar begründet ist.Der Antragsgegner hat unter dem 12. Juli 2021 eine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung mit nachvollziehbarer Begründung verneint. Für den überwiegenden Teil der Schutzgüter komme es zu keinen zusätzlichen oder neuen Betroffenheiten. Nur für die Teilschutzgüter Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt ergäben sich im Einzelfall durch dauerhafte und temporäre Verluste sowie durch temporäre Sedimentation stärkere Auswirkungen, da teilweise höherwertige rifftypische Gesellschaften als bisher in die UVS eingestellt betroffen seien. Diese nachteiligen vorhabenbedingten Umweltauswirkungen seien jedoch nicht erheblich i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 UVPG. Insgesamt werde eine Fläche von rund 84,3 ha von nachteiligen vorhabenbedingten Umweltauswirkungen beeinträchtigt, die jedoch lediglich 1,9 % der Riffflächen zwischen Puttgarden und Staberhuk bzw. 0,2 % der Riffkulisse um ganz Fehmarn ausmache. Die Riffe 1 bis 3 würden nur anteilig zerstört, ihr weitaus größerer Teil bleibe in seiner Struktur und Funktionsfähigkeit für das Ökosystem erhalten. Die Gemeinschaften in der Ankerzone seien nur punktuell betroffen und könnten sich nach Abschluss der Bauarbeiten regenerieren. Im unmittelbaren Umfeld der Störstellen durch die Ankerwürfe verblieben ausreichend Flächen mit vergleichbaren Gemeinschaften, welche die ökologischen Funktionen des Gebietes aufrechterhielten und von denen aus eine Besiedlung der gestörten Stellen ausgehe. Auch von den Auswirkungen der Sedimentation würden sich die Bestände binnen zwei Jahren erholen. Zudem würden die Eingriffe durch die Herstellung einer neuen Rifffläche im Bereich der Sagas-Bank ausgeglichen. Die Beeinträchtigung der Riffe beeinflusse weder die Linienfindung noch die Wahl der Bauwerksvariante und habe damit keinen Einfluss auf das Ergebnis des Planfeststellungsbeschlusses. Artenschutzrechtliche Konflikte und eine Beeinträchtigung von Natura 2000-Gebieten seien ausgeschlossen. Damit seien für das Änderungsvorhaben, auch unter Berücksichtigung des ursprünglichen Vorhabens als Vorbelastung, keine erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten.Soweit der Antragsteller seine Kritik an der Vorprüfung darauf stützt, diese gehe von einem zu engen Vorhabenbegriff aus und beschränke sich zu Unrecht auf das Küstenmeer, zudem belege die Entdeckung weiterer Riffe die Fehlerhaftigkeit der bisherigen Untersuchungen, übersieht er, dass Gegenstand des Planänderungsbeschlusses nur die während der Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2019 entdeckten Riffvorkommen sind und dass darüber hinausgehende Einwände mit der Klageabweisung vom 3. November 2020 rechtskräftig zurückgewiesen wurden.Im Übrigen wendet der Antragsteller ein, die Kompensationsmaßnahmen hätten aufgrund ihrer Entfernung nicht berücksichtigt werden dürfen; auch seien mit ihnen zusätzliche Eingriffe verbunden. Die an den neu entdeckten Riffflächen zu erwartenden Beeinträchtigungen von bis zu zehn Jahren und die Zerstörung von 7,68 ha Riffe seien ebenso wenig unerheblich wie der Umstand, dass der Umfang des für die Planung für erforderlich gehaltenen neuen Ausgleichs etwa einem Zehntel der ursprünglich festgesetzten Menge entspreche. Zudem folge bereits aus der erneut durchgeführten Trassenabwägung die Möglichkeit erheblicher Auswirkungen und begründe eine UVP-Pflicht. Letzteres überzeugt indes nicht. Der Planänderungsbeschluss bestätigt lediglich die gewählte Vorzugstrasse unter Berücksichtigung der Betroffenheit der Riffflächen 1 bis 3; Trassenverläufe, welche eine Inanspruchnahme der ""neuen"" Riffe vermeiden, scheiden danach weiterhin wegen einer zu großen Beeinträchtigung anderer Schutzgüter aus. Im Übrigen beschränkt sich die vorstehend wiedergegebene Kritik auf die Benennung einzelner Gesichtspunkte, ohne damit bislang die Nachvollziehbarkeit der Begründung für eine fehlende UVP-Pflicht derart in Zweifel zu ziehen, dass die Erfolgsaussichten der Klage überwiegen. Der Planänderungsbeschluss (S. 38) geht von einem zusätzlichen Kompensationsbedarf i.H.v. nur 35,9959 ha aus. Ungeachtet der - bestrittenen - Tragfähigkeit dieses Ansatzes folgt aus der vorliegenden Relation zwischen ursprünglichem und zusätzlichem Kompensationsbedarf weder per se die Erheblichkeit der weiteren Beeinträchtigung noch schließt sie sie aus. Nämliches gilt hinsichtlich der Frage, ob die Kompensationsmaßnahmen bereits auf der Ebene der Erheblichkeitsprüfung zu berücksichtigen sind. Insoweit stellen sich die Erfolgsaussichten der Klage daher (allenfalls) als offen dar.(2) Mit seiner Kritik an der Verwendung des sog. Landesdatensatzes zeigt der Antragsteller keine Rechtswidrigkeit des Planänderungsbeschlusses auf. Wie er unter Verweis auf eine Auskunft des Landesamts für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein selbst darlegt, handelt es sich hierbei um den aktualisierten Stand der Kartierung, der in der Fachbehörde erzeugt und gepflegt sowie von Fachleuten geprüft und qualitätsgesichert wurde. Dass Fachuntersuchungen mittels spezieller Programme und hierauf abgestimmter Dateiformate erfolgen, die sich nicht ohne Weiteres als pdf-, Excel-, Word- oder andere gängige Dateien darstellen lassen, liegt in der Natur der Sache und bedarf keiner Rechtfertigung.(3) Der Einwand, die Autobahn GmbH könne nicht Vorhabenträgerin sein, weil die B 207 als Bundesstraße gemäß Art. 90 Abs. 3 GG der Verwaltung des Landes Schleswig-Holstein unterfalle und erst mit der Verkehrsfreigabe zur Autobahn gewidmet werde, ist unbegründet. Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses vom 31. Januar 2019 ist der Neubau eines kombinierten Eisenbahn- und Autobahntunnels durch die Ostsee einschließlich des Baus einer Bundesfernstraße, die zwischen dem Bauanfang auf Höhe der Ortslage Bannesdorf und der Anschlussstelle Puttgarden als Bundesstraße und zwischen der Anschlussstelle Puttgarden und der Staatsgrenze als Bundesautobahn errichtet wird (PFB S. 4 f.). Zu den Verwaltungsaufgaben i.S.d. Art. 90 Abs. 2 Satz 1 GG zählen alle Maßnahmen zur Ausführung des Bundesfernstraßengesetzes, insbesondere die Planung des Neu- und Umbaus (vgl. Remmert, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand November 2021, Art. 90 Rn. 11). Da der Planänderungsbeschluss den Autobahnteil des Vorhabens betrifft, ist die Vorhabenträgerschaft der Beigeladenen zu 1 schon deshalb ohne Weiteres gegeben.(4) Die gegen die Beteiligung der Öffentlichkeit erhobenen Einwände sind unbegründet.Der Antragsgegner hat die Planänderung als von unwesentlicher Bedeutung eingestuft und gemäß § 17d FStrG, § 76 Abs. 3 VwVfG von einem Anhörungsverfahren abgesehen. Unwesentlich ist eine Änderung dann, wenn sie im Verhältnis zur abgeschlossenen Gesamtplanung unerheblich ist, d.h. ein wertender Vergleich zu dem Ergebnis führt, dass Umfang, Zweck und Auswirkungen des Vorhabens im Wesentlichen gleichbleiben und nur bestimmte räumlich und sachlich abgrenzbare Teile geändert werden. Im Falle eines (nur) abzuändernden Planfeststellungsbeschlusses wurde das Vorhaben bereits zu einem früheren Zeitpunkt einer öffentlichen Kontrolle unterzogen und hatten Träger öffentlicher Belange und Betroffene umfassende Gelegenheit, ihre Anregungen, Bedenken oder Einwendungen öffentlich geltend zu machen. Das rechtfertigt es, auf eine erneute umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung zu verzichten, wenn das Plangefüge in seinen Grundzügen unberührt bleibt (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 1989 - 4 C 12.87 - BVerwGE 84, 31 <34 f.>, vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 126 und vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 26).Nach derzeitiger Sachlage sind diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt. Der Planänderungsbeschluss lässt das Vorhaben unverändert. Er beschränkt sich auf die biotopschutzrechtliche Bewertung der Beeinträchtigung von Teilen dreier Riffflächen, die erst im Laufe des Klageverfahrens gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2019 ohne Auswirkungen auf dessen Rechtmäßigkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 9.19 - BVerwGE 170, 210 Rn. 177) entdeckt wurden. Insoweit ergänzt er die umfassenden der Planfeststellung zugrunde liegenden naturschutzfachlichen Untersuchungen und Prüfungen, ohne die Frage sachgerechter Zielsetzung und Abwägung im Sinne der Gesamtplanung erneut aufzuwerfen.Das Vorbringen des Antragstellers, die Öffentlichkeit hätte insgesamt erneut beteiligt werden müssen, zumal eine UVP-Pflicht bestanden habe, rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Ungeachtet der Frage, ob eine solche Pflicht bestand (s.o. II. 2. b) bb) (1)), erzwingt auch UVP-Recht bei Änderungen jedenfalls vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses nicht ohne Weiteres die Durchführung einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - juris Rn. 46 [insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 170, 138]); dass für den Zeitraum danach Abweichendes gelten sollte, ist nicht ohne Weiteres ersichtlich. Im Übrigen richtet sich die Reichweite der Öffentlichkeitsbeteiligung auch sonst nach der Änderung, derentwegen das Verfahren nach § 76 VwVfG durchgeführt wird, sodass selbst bei wesentlichen Änderungen nur die Bürger und Behörden zu beteiligen sind, deren Belange gegenüber der ursprünglichen Planung erstmals oder stärker betroffen sind (vgl. Deutsch, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 76 Rn. 36; Hüting/Hopp, UPR 2003, 1 <3>).Die weitere Kritik, ausweislich der Verwaltungsakte seien die Unterlagen der Planänderung ein weiteres Mal geändert worden, ohne die Öffentlichkeit oder Verbände zu beteiligen, lässt weder erkennen, auf welche Änderungen sie sich bezieht, noch, woraus eine umfassendere Beteiligungspflicht hätte folgen sollen; sie ist daher unsubstantiiert.Soweit der Antragsteller rügt, die ihm für eine Stellungnahme gesetzte Frist bis zum 11. Juni 2021 sei mit zwei Wochen zu kurz bemessen gewesen, zumal innerhalb der Frist drei Verhandlungstage im gerichtlichen Verfahren betreffend die sog. Hinterlandanbindung gelegen hätten (7., 8. und 11. Juni 2021), ist derzeit in der Tat nicht ersichtlich, warum der Antragsgegner diesem ihm bekannten Umstand nicht Rechnung getragen und die Beteiligung um lediglich zwei Wochen auf die Zeit nach der mündlichen Verhandlung verschoben hat. Allerdings hat der Antragsteller eine Stellungnahme abgegeben und es ist auch sonst nicht erkennbar, wie sich die - im Ermessen der Planfeststellungsbehörde liegende (vgl. Deutsch, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 76 Rn. 42) - Verfahrensgestaltung auf das Ergebnis des Planänderungsverfahrens ausgewirkt hat. Die Länge der Stellungnahmefrist an sich jedenfalls lässt angesichts dessen, dass der Antragsteller mit dem Vorhaben umfassend vertraut war, keinen Fehler erkennen.(5) Die Erteilung der Befreiung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG begegnet keinen rechtlichen Bedenken.(a) Der Einwand, der Planänderungsbeschluss spreche die Erteilung der Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG nicht aus, ist unbegründet. Der Inhalt eines Planfeststellungsbeschlusses ist gegebenenfalls im Wege der Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB zu ermitteln (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2002 - 9 VR 6.02 - juris Rn. 11). Ausweislich des verfügenden Teils der angefochtenen Entscheidung werden u.a. ""[d]ie von den Vorhabenträgern vorgelegten [...] Pläne für die Befreiung von den Verboten des gesetzlichen Biotopschutzes für zusätzliche Riffflächen im näheren Bereich der Tunneltrasse [...] festgestellt"". Gemäß § 75 Abs. 1 VwVfG genehmigt der Beschluss das Vorhaben insgesamt einschließlich aller von der Konzentrationswirkung umfassten behördlichen Entscheidungen. Letztere schließt der Begriff der Feststellung somit ein, ohne dass es insoweit noch einer gesonderten ausdrücklichen Benennung als Erlaubnis, Befreiung, Zustimmung oder ähnlichen bedarf.(b) Gleichfalls auf keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung führt die von dem Antragsteller angemahnte Klärung des Verhältnisses zwischen einer Ausnahme nach § 30 Abs. 3 BNatSchG und einer Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG. Letztere begründet gemäß § 67 Abs. 3 i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 2 und 3 BNatSchG gegebenenfalls die Pflicht zur Durchführung von Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen, wohingegen eine Ausnahme gemäß § 30 Abs. 3 BNatSchG nur erteilt werden darf, wenn die Beeinträchtigungen i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG ausgeglichen werden können (vgl. BT-Drs. 16/12274 S. 63), d.h. der Ausgleich für das beschädigte oder zerstörte Biotop am gleichen Ort oder in dessen näherer Umgebung in gleicher Qualität erfolgt (vgl. VGH München, Beschluss vom 9. August 2012 - 14 C 12.308 - juris Rn. 21; Endres, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 30 Rn. 23). Die Gewährung einer Befreiung kommt zudem nur in atypischen und daher vom Gesetzgeber erkennbar nicht vorhergesehenen Einzelfällen aufgrund einer Einzelfallprüfung in Betracht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. September 1992 - 7 B 130.92 - Buchholz 406.401 § 31 BNatSchG Nr. 2 S. 2), wohingegen eine Ausnahme Sachverhalte zum Gegenstand hat, bei denen schon im Zeitpunkt des Normerlasses absehbar war, dass das regelmäßig geltende Ge- oder Verbot nicht passt. Darüber hinaus setzt eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG ein überwiegendes öffentliches Interesse oder eine unzumutbare Belastung im Einzelfall voraus. Beide Instrumente schließen einander damit nicht aus, sondern stehen selbstständig nebeneinander (vgl. Lau, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 67 Rn. 2; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, UmwR, Stand September 2021, § 67 BNatSchG Rn. 4).Der Antragsgegner hat in der angefochtenen Entscheidung schon ausweislich deren Titels eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG erteilt. Die materiellrechtliche Prüfung erfolgt ebenfalls ausschließlich anhand der Vorgaben des § 67 BNatSchG. Die einmalige Erwähnung von ""§ 30 Abs. 3 LNatSchG"" (Planänderungsbeschluss S. 23) erweist sich daher - zumal allenfalls § 30 Abs. 3 BNatSchG in Betracht käme - als Versehen, welches sich auf die Rechtmäßigkeit des Planänderungsbeschlusses nicht auswirkt.(c) Soweit der Antragsteller darüber hinaus geltend macht, vorrangig hätten die Eignung der festgesetzten Kompensationsmaßnahmen als Ausgleichsmaßnahmen sowie die Möglichkeit anderweitiger Ausgleichsmaßnahmen geprüft werden müssen, sind - nicht zuletzt angesichts des Umfangs und der Dauer der Baumaßnahmen - Anhaltspunkte dafür, dass eine vergleichbare Rifffläche am gleichen Ort oder in dessen näherer Umgebung in gleicher Qualität hätte wiederhergestellt werden können, weder dargelegt noch ersichtlich.(d) Dies vorangestellt, lagen nach derzeitigem Erkenntnisstand die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG vor.In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass der Neubau eines Straßenvorhabens regelmäßig ein für das Bestehen einer Befreiungslage erforderliches atypisches und zugleich singuläres Vorhaben darstellt und dass, wenn den hierfür sprechenden öffentlichen Belangen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ein höheres Gewicht beigemessen wird als den dem Vorhaben entgegenstehenden Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes, grundsätzlich die Anforderungen an das Vorliegen der naturschutzrechtlichen Befreiungslage gegeben sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 1997 - 4 C 3.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 131 S. 200 <207 f.> und vom 26. März 1998 - 4 A 7.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 137 S. 237 <243 f.>; Beschluss vom 12. April 2005 - 9 VR 41.04 - NVwZ 2005, 943 <946 f.> [insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 16]). Dass möglicherweise im Rahmen eines anderen Straßenbauvorhabens ebenfalls - wie von dem Antragsteller mit Blick auf die Fehmarnsundquerung geltend gemacht - Biotope beeinträchtigt werden, schließt eine Atypik nicht aus.Diesbezüglich hat der Senat zu dem Vorhaben der Festen Fehmarnbeltquerung festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG vorliegen, soweit die Bedeutung des Vorhabens vergleichsweise geringe und vollständig kompensierte Eingriffe in Biotope überwiegt (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - juris Rn. 653 [insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 170, 33]). Die im Rahmen des Eilverfahrens allein noch inmitten stehende Rifffläche 2 wird lediglich anteilig zerstört, wohingegen der weitaus größere Teil in seiner Struktur und Funktionsfähigkeit für das Ökosystem erhalten bleibt (Planänderungsbeschluss S. 25). Daran, dass dieser Eingriff grundsätzlich ausgeglichen werden kann, bestehen derzeit keine Zweifel. Soweit der Antragsteller oder auch der Kläger des Verfahrens BVerwG 9 A 18.21 Einwände gegen die vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen im Bereich der Sagas-Bank erheben, betreffen diese die Vergleichbarkeit der Salinität, Wassertiefe und Strömungsgeschwindigkeit und damit Kriterien, die keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der generellen Möglichkeit der Kompensation von Beeinträchtigungen der im Uferbereich gelegenen Rifffläche 2 begründen. Dem gegenüber stehen die Bedeutung und das Gewicht der Festen Fehmarnbeltquerung für die grenzüberschreitende Erschließung europäischer Regionen, welche ihren Ausdruck auch darin findet, dass sie zum Kernnetz des transeuropäischen Verkehrsnetzes und damit zu den Teilen des europäischen Gesamtnetzes gehört, die von größter strategischer Bedeutung für die Verwirklichung der mit dem Aufbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes verfolgten Ziele sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - juris Rn. 108 f. [insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 170, 138]). Diese überwiegen die Beeinträchtigung der Rifffläche 2 und rechtfertigen daher die Erteilung der Befreiung.(e) Soweit der Antragsteller umfangreiche Einwände gegen die naturschutzfachliche Untersuchung des Vorhabengebiets und die Kartierung der dortigen Riffvorkommen erhebt, beziehen diese sich in der Sache nicht auf den Gegenstand des angefochtenen Planänderungsbeschlusses, sondern betreffen den mit der rechtskräftigen Abweisung der dagegen gerichteten Klagen bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2019.cc) Auch insofern, als sich die Erfolgsaussichten der Klage gegen den Planänderungsbeschluss als offen darstellen, überwiegt im Rahmen der Folgenabwägung das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Maßnahme das gegenläufige Interesse des Antragstellers.Für den deutschen Teil der Festen Fehmarnbeltquerung liegt ein bestandskräftiger Planfeststellungsbeschluss vor, der indes im Bereich der Riffflächen 1 bis 3 erst auf der Grundlage des Planänderungsbeschlusses durchgeführt werden darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 9.19 - BVerwGE 170, 210 Rn. 179). Aufgrund deren Lage im Küstenbereich und im Küstenmeer sowie des Umstands, dass die Errichtung des Vorhabens bautechnisch nur so erfolgen kann, dass nach dem Ausbaggern des Grabens entlang des Meeresbodens von der Küste ausgehend die Tunnelelemente sukzessive aneinandergefügt werden, kann der Bau der Querung auf deutscher Seite insgesamt im Wesentlichen erst beginnen, wenn der Planänderungsbeschluss, mit welchem eine Befreiung von den Verboten des § 30 Abs. 2 BNatSchG erteilt wird, vollziehbar ist. Diesbezügliche Verzögerungen können sich zusätzlich dadurch vergrößern, dass das Maßnahmenblatt 8.2 M des Planfeststellungsbeschlusses die Sedimentfreisetzung aus Gründen des Naturschutzes während einzelner Monate stark einschränkt oder sogar vollständig ausschließt. So darf in der Zone 1A, in der die Rifffläche 2 liegt, zwischen dem 1. März und dem 30. September kein Sediment freigesetzt werden und müssen die Aushubarbeiten ruhen, sofern sie nicht hinter geschlossenen Dämmen erfolgen. In der sich anschließenden Zone 2A sind sedimentfreisetzende Tätigkeiten zwischen dem 1. Juni und dem 31. August verboten und in dem Zeitraum vom 1. März bis 31. Mai sowie im September nur stark eingeschränkt zulässig. In der Zone 3A werden die Arbeiten in den Sommermonaten ebenfalls erheblich eingeschränkt. Sofern beispielsweise die sedimentfreisetzenden Tätigkeiten in der Zone 1A nicht im Oktober starten, damit sie vor Ende Februar des Folgejahres abgeschlossen sind, können sie daher erst im darauffolgenden Oktober aufgenommen werden. Da die Bauarbeiten der deutschen und dänischen Seite aufeinander abgestimmt sind und die Tunnelelemente für den deutschen Teil der Querung auf dänischer Seite hergestellt werden, wirken sich Verzögerungen im deutschen Teil des Vorhabens zudem auch auf dänischer Seite aus.Würde die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers wiederhergestellt, hätte diese aber keinen Erfolg, so würde sich die Realisierung des Vorhabens von erheblicher europäischer Bedeutung hierdurch weiter verzögern, obwohl bereits ein bestandskräftiger Planfeststellungsbeschluss vorliegt und Gegenstand des angefochtenen Planänderungsbeschlusses zwar naturschutzrechtlich nicht zu vernachlässigende, insgesamt jedoch untergeordnete Beeinträchtigungen des Naturhaushalts sind, deren grundsätzlich mögliche Kompensation nicht in Zweifel steht. Hinzu kommt, dass ohne eine zeitnahe Fertigstellung des Umschließungsdamms ein Austrag von Sediment in Zeiten droht, in denen nach dem Maßnahmenblatt 8.2 M in der Zone 1A aus naturschutzfachlichen Gründen jegliche Sedimentfreisetzung verboten ist.Dem gegenüber sind zum jetzigen Zeitpunkt keine nennenswerten, die vorstehend beschriebenen Auswirkungen überwiegenden Nachteile für die vom Antragsteller geltend gemachten Belange erkennbar, wenn vorläufiger Rechtsschutz versagt wird, seine Klage aber später Erfolg hat. Inmitten steht nur noch der Erhalt eines Teils des dauerhaften Flächenverlusts an der Rifffläche 2 innerhalb des Umschließungsdamms, der indes mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Bauarbeiten bereits beeinträchtigt ist. Hinsichtlich potentieller temporärer Beeinträchtigungen der Riffflächen 1 bis 3 durch Wassertrübungen und Sedimentation sind nach Abschluss der dortigen Aushubarbeiten keine Beeinträchtigungen zu befürchten, die über dasjenige Maß hinausgehen, bzgl. dessen die umfassenden naturschutzfachlichen Untersuchungen des Planfeststellungsbeschlusses eine ausreichende Regeneration(sfähigkeit) der benthischen Flora und Fauna ergeben haben. Zweifel an der grundsätzlichen Kompensationsfähigkeit der Eingriffe sind nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Prüfung, ob die hierfür vorgesehenen Maßnahmen im Planänderungsbeschluss ausreichend sind, werden durch dessen weiteren Vollzug keine vollendeten Tatsachen geschaffen.Soweit der Antragsteller geltend macht, angesichts des noch ausstehenden Ausbaus der sog. Hinterlandanbindung bestehe kein den Sofortvollzug rechtfertigendes Interesse an einer raschen Fertigstellung der Querung, blendet er aus, dass die Querung bis zur Inbetriebnahme der Hinterlandanbindung an das vorhandene Straßen- und Schienennetz angebunden wird.dd) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt zugleich, dass die sofortige Vollziehung des angefochtenen Planänderungsbeschlusses im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Auf die Frage, ob die Vollziehung auch im überwiegenden Interesse der Vorhabenträgerinnen liegt (so der Planänderungsbeschluss S. 72), kommt es danach nicht an.3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG." bverwg_2022-12,03.02.2022,"Pressemitteilung Nr. 12/2022 vom 03.02.2022 EN Kein Anspruch eines Bodenschutzvereins auf Anerkennung als Naturschutzvereinigung Die Anerkennung einer Umweltvereinigung auch als Naturschutzvereinigung setzt voraus, dass nach dem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Vereinigung die Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege überwiegt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Auf seinen Antrag erkannte das Umweltbundesamt den Kläger zwar als Umweltvereinigung an, lehnte die Anerkennung als Naturschutzvereinigung jedoch ab. Der Kläger fördere nach seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich nicht, wie im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz vorausgesetzt, im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege, weil er sich auf den Schutz des Umweltmediums Boden beschränke. Die dagegen gerichtete Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg. Auf die Berufung des Klägers verpflichtete das Oberverwaltungsgericht die Beklagte, ihn als Naturschutzvereinigung anzuerkennen. Für die Anerkennung sei ausreichend, dass ein wesentlicher Teil des satzungsmäßigen Aufgabenbereichs der Vereinigung auf die Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege gerichtet sei. Entscheidend sei eine ausreichende Kompetenz im Naturschutz und der Landschaftspflege. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts geändert. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Naturschutzvereinigung. Er fördert nach seiner Satzung die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht im Schwerpunkt. Dafür muss schon nach dem satzungsgemäßen Aufgabenbereich einer Vereinigung die Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege etwaige andere Ziele überwiegen. Dies ist nach der Satzung des Klägers nicht der Fall. BVerwG 7 C 2.21 - Urteil vom 03. Februar 2022 Vorinstanzen: OVG Magdeburg, OVG 2 L 77/19 - Beschluss vom 20. Mai 2021 - VG Halle, VG 8 A 327/18 HAL - Beschluss vom 18. Juni 2019 -","Urteil vom 03.02.2022 - BVerwG 7 C 2.21ECLI:DE:BVerwG:2022:030222U7C2.21.0 EN Kein Anspruch eines Bodenschutzvereins auf Anerkennung als Naturschutzvereinigung Leitsätze: 1. Eine Vereinigung, die sich nach ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich auf den Schutz nur eines Naturgutes - wie hier des Bodens - im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG konzentriert, kann - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - als Naturschutzvereinigung anerkannt werden. 2. Voraussetzung für eine Anerkennung als Naturschutzvereinigung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 UmwRG ist, dass nach dem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Vereinigung die Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege andere Ziele überwiegt. Rechtsquellen GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 17, 18, 29, Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 UmwRG § 3 Abs. 1 Satz 1 bis 3, § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b und c, Nr. 2 BNatSchG § 1 Abs. 1 und 3 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1, § 64 Abs. 1 Nr. 2 UVPG § 2 Abs. 1 BBodSchG §§ 1, 2 Abs. 2 Instanzenzug VG Halle - 18.06.2019 - AZ: 8 A 327/18 HAL OVG Magdeburg - 20.05.2021 - AZ: 2 L 77/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 03.02.2022 - 7 C 2.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:030222U7C2.21.0] Urteil BVerwG 7 C 2.21 VG Halle - 18.06.2019 - AZ: 8 A 327/18 HAL OVG Magdeburg - 20.05.2021 - AZ: 2 L 77/19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2022 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Löffelbein, Dr. Wöckel und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 20. Mai 2021 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 18. Juni 2019 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Kläger, ein 1995 gegründeter, eingetragener Verein, der sich bundesweit für die Belange des Bodenschutzes einsetzt, begehrt seine Anerkennung als Naturschutzvereinigung. 2 Nach § 2 Satz 2 seiner Satzung ist der Zweck des Vereins der Schutz und die Erhaltung des Bodens als Naturkörper mit seinen natürlichen Funktionen, seiner Archiv- und Nutzungsfunktionen sowie als Grundlage für Landschaftspflege und Naturschutz. 3 Mit Bescheid vom 15. November 2016 erkannte das Umweltbundesamt den Kläger als Umweltvereinigung an und lehnte zugleich seinen Antrag auf Anerkennung als Naturschutzvereinigung ab, nachdem das Bundesamt für Naturschutz sein Einvernehmen hierzu nicht erteilt hatte. Die Anerkennung einer Vereinigung als Naturschutzvereinigung erfordere neben dem Vorliegen der Voraussetzungen der Anerkennung als Umweltvereinigung, dass die Vereinigung ""im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert"". Dies setze voraus, dass die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege gegenüber anderen Zielen der Vereinigung überwögen. Der Kläger fördere Ziele des Umweltschutzes und auch Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege, diese jedoch nicht im Schwerpunkt. Der satzungsgemäße Zweck des Klägers entspreche den Zielen des Bundes-Bodenschutzgesetzes. Der Bodenschutz habe zwar Schnittmengen mit den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Die Ziele des Naturschutzes nähmen jedoch die vielfältigen Wechselbeziehungen der Naturgüter im Naturhaushalt, die biologische Vielfalt und die Natur als Lebensraum für Pflanzen und Tiere in den Blick. Dies erfordere einen holistischen Ansatz von Schutzbestrebungen und Maßnahmen, der mit der Beschränkung auf den Schutz eines einzelnen Umweltmediums, wie dem Boden, nicht zu verwirklichen sei. Der Schutz einzelner Umweltmedien sei dem klassischen Umweltschutz zuzuordnen. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos. 4 Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Verwaltungsgericht hatte keinen Erfolg. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, ihn als Naturschutzvereinigung anzuerkennen. Der Kläger fördere die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege durch Erhaltung der Funktion der Böden im Naturhaushalt. Der satzungsgemäße Zweck des Klägers stimme im Wesentlichen mit dem in § 1 Satz 1 BBodSchG geregelten Zweck des Bundes-Bodenschutzgesetzes überein, nachhaltig die Funktionen des Bodens zu sichern und wiederherzustellen. Der Kläger fördere nach seiner Satzung die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege auch im Schwerpunkt. Für die Anerkennung sei ausreichend, dass ein wesentlicher Teil des satzungsgemäßen Aufgabenbereichs der Vereinigung auf die Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege gerichtet sei. Entscheidend sei eine ausreichende Kompetenz der Vereinigung im Naturschutz und in der Landschaftspflege. 5 Die Beklagte hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie macht geltend: Das Oberverwaltungsgericht lege den Begriff des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu weit aus. Bodenschutz sei nicht in allen Fällen mit dem Erhalt der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts gleichzusetzen. Der erforderliche holistische Ansatz könne nicht mit den Wechselwirkungen innerhalb nur eines Naturgutes begründet werden. Weiter lege das Oberverwaltungsgericht das Tatbestandsmerkmal ""im Schwerpunkt"" rechtsfehlerhaft aus. Zu verlangen sei, dass die Vereinigung nach ihrer Satzung die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege gegenüber anderen Zielen überwiegend verfolge. 6 Die Beklagte beantragt, den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 20. Mai 2021 zu ändern und die Berufung des Klägers zurückzuweisen. 7 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Der Kläger verteidigt den angefochtenen Beschluss. Sein satzungsgemäßer Aufgabenbereich sei nicht auf das Umweltmedium Boden als räumlich abgrenzbarer Teil der Erdoberfläche begrenzt, sondern verfolge einen funktionalen und damit medienübergreifenden Ansatz. Eine Förderung der Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege ""im Schwerpunkt"" erfordere nicht, dass sämtliche in § 1 BNatSchG genannten und konkretisierten Ziele gleichermaßen und mit gleicher Intensität verfolgt würden. Keines der dort genannten und konkretisierten Ziele sei ohne einen Schutz des Bodens realisierbar. II 9 Die Revision hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. 10 Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Er stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), sodass die Berufung des Klägers zurückzuweisen ist. 11 Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger fördere nach seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege, verletzt Bundesrecht. Die Anerkennung einer Vereinigung als Naturschutzvereinigung setzt voraus, dass nach ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich die Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege andere Ziele überwiegt. Dies ist nach der Satzung des Klägers nicht der Fall. 12 1. Anspruchsgrundlage für die Erteilung der Anerkennung als Naturschutzvereinigung ist § 3 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 3 Halbs. 2 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - UmwRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. August 2017 (BGBl. I S. 3290), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Februar 2021 (BGBl. I S. 306). Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UmwRG setzt für die Anerkennung voraus, dass die Vereinigung nach ihrer Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Umweltschutzes fördert. In der Anerkennung ist der satzungsgemäße Aufgabenbereich, für den die Anerkennung gilt, zu bezeichnen; dabei sind insbesondere anzugeben, ob die Vereinigung im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert, sowie der räumliche Bereich, auf den sich die Anerkennung bezieht (§ 3 Abs. 1 Satz 3 UmwRG). 13 Nach der gesetzlichen Systematik des § 3 Abs. 1 UmwRG ist die Naturschutzvereinigung ein Unterfall der Umweltvereinigung. Daraus folgt ein gestuftes Anerkennungsverfahren. Zunächst ist zu prüfen, ob es sich bei der antragstellenden Vereinigung um eine Umweltvereinigung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 UmwRG handelt. In einem zweiten Schritt muss sodann festgestellt werden, ob die Vereinigung nach ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert. Der Umweltschutz ist demnach der allgemeinere Begriff, der den spezielleren Begriff des Naturschutzes und der Landschaftspflege mit umfasst. Jede Naturschutzvereinigung ist, wovon auch das Oberverwaltungsgericht zunächst zutreffend ausgeht, zugleich auch eine Umweltvereinigung, während umgekehrt nicht jede Umweltvereinigung zugleich auch eine Naturschutzvereinigung ist. Somit kann eine Vereinigung nach ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich sowohl vorwiegend die Ziele des Umweltschutzes als auch im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördern. 14 Die Schutzgüter des Umweltschutzes können § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung - UVPG - entnommen werden. Danach sind Schutzgüter im Sinne des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung auch der Boden sowie die Wechselwirkung zwischen den genannten Schutzgütern. Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind in § 1 Abs. 1 BNatSchG definiert. Nach dieser Vorschrift sind Natur und Landschaft aufgrund ihres eigenen Wertes und als Grundlage für Leben und Gesundheit des Menschen auch in Verantwortung für die künftigen Generationen im besiedelten und unbesiedelten Bereich nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze so zu schützen, dass die biologische Vielfalt, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts einschließlich der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter sowie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft auf Dauer gesichert sind; der Schutz umfasst auch die Pflege, die Entwicklung und, soweit erforderlich, die Wiederherstellung von Natur und Landschaft (allgemeiner Grundsatz). Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG sind unter dem Naturhaushalt die Naturgüter Boden, Wasser, Luft, Klima, Tiere und Pflanzen sowie das Wirkungsgefüge zwischen ihnen zu verstehen. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG sind Böden - als Teil des Naturhaushalts - so zu erhalten, dass sie ihre Funktion im Naturhaushalt erfüllen können. 15 2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nach seiner Satzung - jedenfalls auch - Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert. 16 Dies folgt entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht daraus, dass der satzungsgemäße Aufgabenbereich des Klägers mit dem in § 1 Satz 1 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz - BBodSchG) geregelten Zweck übereinstimmt, nachhaltig die Funktionen des Bodens zu sichern oder wiederherzustellen. Bundesnaturschutzgesetz und Bundes-Bodenschutzgesetz sind aber zwei eigenständige Regelungswerke, die sich in der Zweckausrichtung nur teilweise überschneiden. Im Bundes-Bodenschutzgesetz steht die Abwehr schädlicher Bodenveränderungen, die Boden- und Altlastensanierung und die Vorsorge vor nachteiliger Bodenveränderung im Vordergrund (§ 1 Satz 2 BBodSchG). Beeinträchtigungen der natürlichen Bodenfunktionen und der Archivfunktionen sollen bei Einwirkungen auf den Boden so weit wie möglich vermieden werden (§ 1 Satz 3 BBodSchG). Die vorhandenen Überschneidungen und gegenseitigen Bezugnahmen von Naturschutz- und Bodenschutzrecht erlauben es nicht, den Bodenschutz insgesamt dem Naturschutz, als dessen bloßer Bestandteil zuzuordnen. Dies widerspräche nicht nur der durch den Gesetzgeber vorgenommenen Aufteilung der Materie auf zwei Gesetze, sondern auch der grundgesetzlichen Kompetenzzuweisung. Verfassungsrechtlich erfolgt keine Zuordnung des Bodenschutzes zur Materie ""Naturschutz und Landschaftspflege"" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG. Das Bundes-Bodenschutzgesetz ist hinsichtlich der Altlastenregelung auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG (Bodenrecht) und im Hinblick auf die Bodenbewirtschaftung auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG (Land- und Forstwirtschaft) gestützt. Würde man den Bodenschutz, wie er im Bundes-Bodenschutzgesetz geregelt ist, im Wesentlichen mit dem Naturschutz gleichsetzen, hätte dies auch Auswirkungen auf die in Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG geregelte Abweichungsbefugnis der Länder von der Bundesgesetzgebung. Nach allem handelt es sich bei dem Bundes-Bodenschutzgesetz um ein umweltrechtliches Spezialgesetz, in dem der Schutz des Umweltmediums Boden geregelt wird. Die Anerkennung von Vereinigungen als Naturschutzvereinigungen steht demgegenüber im Regelungskontext des Bundesnaturschutzgesetzes und der Schutzziele dieses Gesetzes, was auch aus §§ 63 und 64 BNatSchG sowie der Entstehungsgeschichte des Anerkennungsverfahrens (dazu sogleich unter 3.) deutlich wird. Eine Ausrichtung des satzungsgemäßen Aufgabenbereichs einer Vereinigung auf die Ziele nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz lässt sich demnach nicht allein als Begründung für eine Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege heranziehen. 17 Jedoch fördert der Kläger nach seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich zumindest auch die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege, wie sie in § 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG geregelt sind. Dies folgt aus der ausdrücklichen Erwähnung der Landschaftspflege und des Naturschutzes in § 2 Satz 2 seiner Satzung. 18 Die Auffassung der Revision, wonach ein holistischer Ansatz erforderlich sei, der nicht mit den Wechselwirkungen innerhalb nur eines Naturgutes begründet werden könne, findet im Gesetz keine Grundlage. Zwar ist es zutreffend, dass, wie die Beklagte anführt, Bodenschutz nicht in allen Fällen mit dem Erhalt der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts gleichzusetzen ist. Zutreffend ist auch, dass in § 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG das Wirkungsgefüge zwischen den dort genannten Naturgütern als Teil des Naturhaushalts genannt ist. Die Konzentration auf nur ein Naturgut schließt gleichwohl die satzungsgemäße Ausrichtung auf die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht aus. Hiervon ist auch die Beklagte in dem insoweit angefochtenen Bescheid ausgegangen, wenn sie dort ausführt, der Kläger fördere Ziele des Umweltschutzes und auch Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege, diese jedoch nicht im Schwerpunkt. Auch bei einer Konzentration der Vereinigung auf eines der in § 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG genannten Naturgüter als Bestandteil des Naturhaushalts ist grundsätzlich von einer Einbeziehung des Wirkungsgefüges zwischen ihnen auszugehen. Der Bodenschutz hat zumindest mittelbar Auswirkungen auf die anderen Naturgüter Wasser, Luft, Klima, Tiere und Pflanzen. Anders ließe sich auch die Praxis der Beklagten, etwa Vogelschutzorganisationen, die sich auf den Schutz einzelner Vogelarten spezialisiert haben, als Naturschutzvereinigungen anzuerkennen - vorbehaltlich etwaiger besonderer Regelungen in der jeweiligen Satzung - nicht rechtfertigen. Auch und gerade auf einen Teilbereich des Naturschutzes und der Landschaftspflege spezialisierte Vereinigungen können als besonders sachkundige Anwälte der Natur auftreten und hilfreich sein. Für die Anerkennung derart spezialisierter Vereinigungen als Naturschutzvereinigungen sprechen schließlich, worauf das Oberverwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat, auch die Regelungen in § 63 Abs. 1 und § 64 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG, wonach die Mitwirkungsrechte und Rechtsbehelfe einer anerkannten Naturschutzvereinigung auf diejenigen Fälle beschränkt werden, in denen sie in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird. 19 3. Der Anspruch auf Anerkennung einer Vereinigung als Naturschutzvereinigung wird durch die Voraussetzung begrenzt, dass sie nach ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich ""im Schwerpunkt"" die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts reicht es hierfür nicht aus, dass ein wesentlicher Teil des satzungsgemäßen Aufgabenbereichs der Vereinigung auf die Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege gerichtet ist. Die in § 3 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 UmwRG genannte Voraussetzung, wonach eine Naturschutzvereinigung ""im Schwerpunkt"" die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördern muss, stellt keine geringeren Anforderungen an die Zielverfolgung als die in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UmwRG enthaltene Anforderung, ""vorwiegend"" Ziele des Umweltschutzes zu fördern. 20 Mit der Zusammenführung der Anerkennungsverfahren für Umweltvereinigungen und Naturschutzvereinigungen in § 3 UmwRG durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542) sollte sich materiell nichts an den Voraussetzungen für die Anerkennung ändern. Nach § 59 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG a.F. war die Anerkennung zu erteilen, wenn der Naturschutzverein nach seiner Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert. § 3 UmwRG a.F. beschränkte die Anerkennung einer Vereinigung auf die Anerkennung als Umweltschutzvereinigung. Die seit dem 1. März 2010 geltende Fassung des § 3 Abs. 1 UmwRG enthält erstmals im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz selbst die Unterscheidung zwischen der Anerkennung einer Umweltvereinigung und einer Naturschutzvereinigung. Ziel dieser Gesetzesnovelle war es vor allem, die nach der Föderalismusreform 2006 geänderten kompetenzrechtlichen Zuordnungen zwischen Bund und Ländern im Naturschutzrecht zu konsolidieren und das Naturschutzrecht übersichtlicher zu gestalten (vgl. Lamfried, DVBl 2020, 609 <610>). Die Zusammenführung der Anerkennungsverfahren diente ausweislich der Gesetzesbegründung lediglich der Vereinheitlichung der Anerkennung von mitwirkungs- und klageberechtigten Vereinigungen im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (BT-Drs. 16/12274 S. 41). In der Gesetzesbegründung heißt es im Hinblick auf die Naturschutzvereinigungen, ""das Verfahren und die Voraussetzungen der Anerkennung werden künftig im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz geregelt"" (BT-Drs. 16/12274 S. 75). Den Gesetzgebungsmaterialien lässt sich mithin, anders als das Berufungsgericht meint, deutlich entnehmen, dass eine Erweiterung oder Veränderung des Kreises der für die besonderen Mitwirkungs- und Klagerechte der §§ 63, 64 BNatSchG in Frage kommenden Vereinigungen nicht beabsichtigt war. 21 Die nach aktueller Terminologie anerkannten Naturschutzvereinigungen müssen sich seit der Einführung der naturschutzrechtlichen Partizipationsbefugnisse auf Bundesebene im Jahr 1976 durch einen besonderen Sachverstand im Naturschutz auszeichnen, der es ihnen ermöglicht, in ähnlicher Weise wie Naturschutzbehörden die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege in die naturschutzbezogenen Verfahren einzubringen. Deshalb sollen die Anerkennungsregelungen gewährleisten, dass die Beteiligung einem ausgewählten Kreis von Verbänden vorbehalten bleibt, von denen erwartet werden kann, dass sie diese sachgerecht wahrnehmen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990 - 4 C 7.88 - BVerwGE 87, 62 <70>). Aufgrund der Anerkennung und der damit verbundenen Beteiligungsbefugnis ist der Vereinigung die Vertretung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Sinne des § 1 BNatSchG in besonderer Weise anvertraut (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990 - 4 C 7.88 - BVerwGE 87, 62 <72 f.>). In der Gesetzesbegründung wird dementsprechend ausdrücklich hervorgehoben, dass die Einführung des Begriffs der ""anerkannten Naturschutzvereinigung"" allein aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung erfolgt (BT-Drs. 16/12274 S. 75). Daher werden durch die Legaldefinition in § 63 Abs. 1 BNatSchG, nach der eine anerkannte Naturschutzvereinigung eine nach § 3 UmwRG vom Bund anerkannte Vereinigung ist, die nach ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert, keine geringeren Anforderungen an die fachliche Qualifizierung dieser Vereinigung gestellt, als an einen Verein, ""der nach seiner Satzung (...) vorwiegend die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert"" (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG a.F.). Mit der Integration der Anerkennungsvoraussetzungen für Naturschutzvereinigungen in das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz sollten keine anderen Maßstäbe an deren Anerkennung angelegt werden. Dies verdeutlichen schließlich auch die Überleitungsvorschriften des § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b und c, Nr. 2 UmwRG, wonach die nach früherem Recht erfolgten Anerkennungen eines vorwiegend im Naturschutz tätigen Vereins so behandelt werden, als seien sie aufgrund der heute maßgeblichen Fassung des § 3 UmwRG ausgesprochen worden. 22 Nach allem ist für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des § 3 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 UmwRG, wonach die Vereinigung nach ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördern muss, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, nicht entscheidend, dass die Vereinigung eine ausreichende Kompetenz auf diesen Gebieten aufweist. Die Kompetenz der Vereinigung wird vielmehr in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UmwRG angesprochen. Danach muss eine Vereinigung, die nach ihrer Satzung die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Schwerpunkt fördert, darüber hinaus die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung, insbesondere für eine sachgerechte Beteiligung an behördlichen Entscheidungsverfahren, bieten, wobei insbesondere Art und Umfang ihrer bisherigen Tätigkeit zu berücksichtigen sind. 23 4. Den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts über den Inhalt der Satzung des Klägers lässt sich nicht entnehmen, dass die Vereinigung nach ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich vorwiegend Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert. Um als Naturschutzvereinigung anerkannt zu werden, muss sich aus der Satzung ergeben, dass der Naturschutz der Hauptzweck der Vereinigung ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Naturschutz nach der Satzung (eindeutig) im Vordergrund steht. Auch hierfür bedarf es allerdings keines holistischen Ansatzes, der alle für den Naturschutz relevanten Aspekte umfasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1985 - 4 C 55.82 - BVerwGE 72, 277 <280>). Erforderlich ist jedoch eine eindeutige Formulierung in der Satzung, wonach die Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege andere Ziele überwiegt. Daran fehlt es hier. 24 Die in der Satzung verwendeten Begriffe haben Bezüge zum Naturschutz. Sie finden sich sowohl - teilweise - im Bundesnaturschutzgesetz als auch - überwiegend - im Bundes-Bodenschutzgesetz. So werden die ""natürlichen Funktionen"" des Bodens in § 2 Abs. 2 Nr. 1 BBodSchG definiert. Die ""Archiv- und Nutzungsfunktionen"" des Bodens sind in § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BBodSchG angesprochen. Zwar werden in § 2 Satz 2 der Satzung des Klägers an dritter Stelle auch die Begriffe ""Landschaftspflege und Naturschutz"" genannt, die auf das Bundesnaturschutzgesetz verweisen. Jedoch wird der Bodenschutz dort nur als ""Grundlage"" für Landschaftspflege und Naturschutz angeführt. Dies deutet darauf hin, dass der satzungsgemäße Aufgabenbereich nur mittelbar und nicht unmittelbar auf die Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege gerichtet ist. Es obliegt dem Kläger als der satzungsgebenden Vereinigung, die Zweckbestimmung in seiner Vereinssatzung derart präzise zu fassen, dass ihr ein Überwiegen der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege vor anderen Zielen eindeutig zu entnehmen ist (vgl. Wüstenberg, ZStV 2018, 232 <236>). 25 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2022-13,16.02.2022,"Pressemitteilung Nr. 13/2022 vom 16.02.2022 EN Ausweisungsbezogenes Einreise- und Aufenthaltsverbot bei allein asylrechtlicher Rückkehrentscheidung Ein an eine Ausweisung anknüpfendes Einreise- und Aufenthaltsverbot der Ausländerbehörde kann auch dann mit einer Rückkehrentscheidung einhergehen, wenn lediglich eine in einem Asylverfahren ergangene Abschiebungsandrohung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vorliegt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 1975 kurz nach seiner Geburt mit seinen Eltern nach Deutschland ein und besaß zuletzt eine Niederlassungserlaubnis. Er ist mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet und zudem Vater von vier Kindern, die deutsche Staatsangehörige sind und aus anderen Beziehungen stammen. Der Kläger wurde zwischen 1996 und 2016 wiederholt strafrechtlich verurteilt, zuletzt im Jahr 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten wegen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz. Im Juni 2018 wies ihn die beklagte Ausländerbehörde aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus und verband dies mit einem dreijährigen Einreise- und Aufenthaltsverbot. Eine im Mai 2019 verfügte Abschiebungsandrohung wurde nach einem Asylantrag des Klägers von der Beklagten aufgehoben. Den Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) im Januar 2020 als offensichtlich unbegründet ab und drohte dem Kläger die Abschiebung in die Türkei an. Mit seiner Klage gegen die Ausweisung und das Einreise- und Aufenthaltsverbot machte der Kläger insbesondere geltend, im Rahmen der Abwägung bei der Ausweisung seien die ihm in seinem Heimatstaat drohende Verfolgungsgefahr sowie die ihm drohende Haft, Folter, Misshandlung und politisch motivierte Strafverfolgung nicht berücksichtigt worden. Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht ging davon aus, dass das persönliche Verhalten des Klägers die Begehung weiterer schwerer Betäubungsmitteldelikte durch diesen erwarten lasse und die Ausweisung verhältnismäßig, weil für ein Grundinteresse der Gesellschaft unerlässlich, sei. Für die Prüfung der geltend gemachten Verfolgungsgefahren in der Türkei sei dabei allein das Bundesamt im Rahmen des Asylverfahrens zuständig. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sei ermessensfehlerfrei. Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Hinsichtlich der Ausweisungsentscheidung bekräftigt er seine jüngere Rechtsprechung, dass in die nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen nur solche zielstaatsbezogenen Umstände einzubeziehen sind, die nicht der Prüfung durch das Bundes­amt in einem Asylverfahren vorbehalten sind. Der Auszuweisende hat weder ein Wahlrecht zwischen einer Prüfung durch die Ausländerbehörde und einer Prüfung durch das Bundes­amt noch einen Anspruch auf Doppelprüfung. Das mit der Ausweisung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot erweist sich im Ergebnis ebenfalls als rechtmäßig. Aus der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union folgt, dass auch ein allein an eine Ausweisung geknüpftes Einreise- und Aufenthaltsverbot im Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) mit einer Rückkehrentscheidung einhergehen muss. Das Einhergehen setzt voraus, dass im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt objektiv eine Rückkehrentscheidung vorliegt. Eine solche Rückkehrentscheidung kann auch eine im Asylverfahren ergangene Abschiebungsandrohung sein. BVerwG 1 C 6.21 - Urteil vom 16. Februar 2022 Vorinstanzen: OVG Bremen, 2 LC 311/20 - Urteil vom 17. Februar 2021 - VG Bremen, 4 K 1680/18 - Urteil vom 31. August 2020 -","Urteil vom 16.02.2022 - BVerwG 1 C 6.21ECLI:DE:BVerwG:2022:160222U1C6.21.0 EN Ausweisungsbezogenes Einreise- und Aufenthaltsverbot bei allein asylrechtlicher Rückkehrentscheidung Leitsätze: 1. In die nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen sind nur solche zielstaatsbezogenen Umstände einzubeziehen, die nicht der Prüfung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in einem Asylverfahren vorbehalten sind. Der Auszuweisende hat weder ein Wahlrecht zwischen einer Prüfung durch die Ausländerbehörde und einer Prüfung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2019 - 1 C 30.17 - Buchholz 402.251 § 29 AsylG Nr. 6 Rn. 22) noch einen Anspruch auf Doppelprüfung. 2. Ein an eine Ausweisung anknüpfendes Einreise- und Aufenthaltsverbot der Ausländerbehörde kann auch dann mit einer Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 6 RL 2008/115/EG einhergehen, wenn lediglich eine in einem Asylverfahren ergangene Abschiebungsandrohung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vorliegt. Rechtsquellen GG Art. 6 AufenthG § 11 Abs. 1, 2 und 3, § 53 Abs. 1, 2, 3 und 4, § 54 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 1 AsylG §§ 6, 36 Abs. 3, § 42 VwGO § 114 GRC Art. 7 EMRK Art. 8 Abs. 1 Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980 Art. 7 und 13 RL 2008/115/EG Art. 3, 6 und 11 RL 2013/32/EU Art. 46 Abs. 6 und 8 Instanzenzug VG Bremen - 31.08.2020 - AZ: VG 4 K 1680/18 OVG Bremen - 17.02.2021 - AZ: OVG 2 LC 311/20 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 16.02.2022 - 1 C 6.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:160222U1C6.21.0] Urteil BVerwG 1 C 6.21 VG Bremen - 31.08.2020 - AZ: VG 4 K 1680/18 OVG Bremen - 17.02.2021 - AZ: OVG 2 LC 311/20 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dollinger, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fenzl für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 17. Februar 2021 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland und ein auf drei Jahre befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot. 2 Der im April 1975 in der Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste im Juli desselben Jahres zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seine Mutter war mindestens von September 1978 bis März 1984 als Arbeitnehmerin ordnungsgemäß auf dem regulären deutschen Arbeitsmarkt beschäftigt. Seine Mutter und seine vier älteren Geschwister leben in Deutschland. Der Vater ist verstorben. Seit seiner Kindheit leidet der Kläger an Mittelmeeranämie, aufgrund derer das Versorgungsamt Bremen einen Grad der Behinderung von 30 Prozent ab dem 30. Mai 2001 bescheinigt hat. Der Kläger besuchte in Deutschland die Schule bis zur 10. Klasse. Einen Schulabschluss oder eine abgeschlossene Berufsausbildung besitzt er nicht. Zeitweise bezog er Arbeitslosengeld II, zeitweise war er - zum Teil geringfügig - berufstätig. Seit Dezember 1991 besaß der Kläger einen unbefristeten Aufenthaltstitel, der ab Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortbestand. 3 Der Kläger ist Vater von vier Kindern, die deutsche Staatsangehörige sind und die aus anderen Beziehungen stammen. Zu den beiden Ältesten hat er seit langem keinen Kontakt mehr. Mit einer anderen Frau hat der Kläger zwei in den Jahren 2014 und 2019 geborene Töchter. Die 2014 geborene Tochter ist seit ihrem zweiten Lebensjahr in Pflegefamilien oder Einrichtungen untergebracht. Für die jüngste Tochter hat der Kläger gemeinsam mit der Kindesmutter das Sorgerecht, mit der er sich zuletzt außergerichtlich auf einen Umgang mit der Tochter verständigt hat, der begleitet und unter Aufsicht des Jugendamts zweimal im Monat stattgefunden hat. Seit 2010 ist der Kläger mit einer deutschen Staatsangehörigen liiert, die er 2019 in der Haft geheiratet und mit der er seit der Haftentlassung im November 2019 zusammengelebt hat. 4 Der Kläger wurde zwischen 1996 und 2016 achtmal zu Geldstrafen und siebenmal zu Freiheitsstrafen, von denen sechs zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen wurden, verurteilt. Zuletzt verurteilte das Landgericht Bremen den Kläger am 1. Juli 2016 wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten. Seine Ehefrau wurde als Gehilfin zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Nachdem sich der Kläger zunächst in Untersuchungshaft befunden hatte, verbüßte er bis November 2019 die Freiheitsstrafe aus dem vorgenannten Urteil. Die Vollstreckung des Strafrests wurde zur Bewährung ausgesetzt. 5 Nach Anhörung des Klägers durch das Migrationsamt der Beklagten im Juli 2017 und Mitteilung der Zuständigkeitsübernahme durch den Senator für Inneres der Beklagten Ende Mai 2018 wies dieser den Kläger mit Bescheid vom 27. Juni 2018 für die Dauer von drei Jahren aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziff. 1). Zudem wurde festgestellt, dass die Niederlassungserlaubnis erloschen ist (Ziff. 2). Zur Begründung führte der Senator für Inneres im Wesentlichen aus, dass das persönliche Verhalten des Klägers, insbesondere mit Blick auf die der strafrechtlichen Verurteilung vom 1. Juli 2016 zugrundeliegende Anlasstat, gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Nach der auf spezialpräventiven Gesichtspunkten abzustellenden Gefährdungsprognose bestehe angesichts seiner umfangreichen strafrechtlichen Vita, der Art und Schwere seiner bisherigen Rechtsverstöße und der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe, seiner Verwurzelung im Betäubungsmittelmilieu sowie seiner Persönlichkeitsstruktur, seines Vollzugsverhaltens und seiner Sozialprognose die begründete Annahme, dass der Kläger auch zukünftig die öffentliche Ordnung durch einschlägige Straftaten gefährden und in schützenswerte Rechtsgüter eingreifen werde. Nach Abwägung aller Gesichtspunkte überwiege das öffentliche Interesse an der Ausreise des Klägers dessen persönlichen Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet. Bei der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots seien in die Ermessensentscheidung einerseits die vom Kläger ausgehende Gefahr, andererseits dessen persönlichen Belange wie seine Aufenthaltsberechtigung als assoziationsberechtigter türkischer Staatsbürger, seine Stellung als faktischer Inländer und seine privaten Beziehungen zu seinen Familienangehörigen berücksichtigt worden. 6 Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere geltend gemacht, die Beklagte habe seine Rechtsposition als assoziationsberechtigter türkischer Staatsbürger sowie seine chronische Erkrankung an Mittelmeeranämie nicht hinreichend berücksichtigt. Er sei in Deutschland auf den Beistand seiner hier lebenden Angehörigen angewiesen. Zudem lägen Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 5 und 7 AufenthG hinsichtlich der Türkei vor. 7 Nachdem der Senator für Inneres der Beklagten dem Kläger mit Ergänzungsbescheid vom 27. Mai 2019 die Abschiebung in die Türkei angedroht sowie die sofortige Vollziehung von Ausweisung und Abschiebungsandrohung angeordnet hatte, hat der Kläger die Klage zunächst auf diesen Bescheid erweitert. Der gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausweisung und Abschiebungsandrohung gestellte Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist erstinstanzlich mit Beschluss vom 16. Oktober 2019 abgelehnt worden. Mit Beschluss vom 23. Februar 2021 hat das Oberverwaltungsgericht die hiergegen gerichtete Beschwerde zwischenzeitlich zurückgewiesen. 8 Am 22. Oktober 2019 hat der Kläger einen Asylantrag gestellt, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend Bundesamt) mit Bescheid vom 2. Januar 2020 als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat. Nachdem das Verwaltungsgericht aufgrund eines diesbezüglichen Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 11. Mai 2020 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, da die in der Abschiebungsandrohung verfügte Ausreisefrist gegen Unionsrecht verstoße, erließ das Bundesamt mit Bescheid vom 30. Oktober 2020 eine neue Abschiebungsandrohung und ein neues auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot. Auch hiergegen hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Der hiergegen gestellte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde mit Beschluss vom 19. Januar 2021 abgelehnt. 9 Mit Schreiben vom 21. August 2020 hat die Beklagte ihr Vorbringen im Klageverfahren die Ausweisung und das Einreise- und Aufenthaltsverbot betreffend dahingehend ergänzt, dass das Ausweisungsinteresse überwiege, auch wenn nunmehr durch die Heirat mit einer deutschen Staatsangehörigen ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG vorliege. Zudem begründe die Geburt des jüngsten Kindes nicht die Verkürzung der streitgegenständlichen Befristungsentscheidung. 10 Mit Urteil vom 31. August 2020 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren nach Aufhebung der im Ergänzungsbescheid der Beklagten vom 27. Mai 2019 verfügten Abschiebungsandrohung und übereinstimmender Erledigungserklärung insoweit eingestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen. 11 Im Berufungsverfahren hat der Kläger sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Die Beklagte hat im Wesentlichen auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Bezug genommen. 12 Mit Urteil vom 17. Februar 2021 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Ausweisung des Klägers für die Dauer von drei Jahren sei formell und materiell rechtmäßig. Es bestehe die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger erneut bewaffneten Handel mit Heroin oder Kokain in nicht geringer Menge treiben werde. Die Ausweisung sei für die Wahrung des Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich. Die Interessenabwägung gehe unter Berücksichtigung der bestehenden hohen Rückfallwahrscheinlichkeit einerseits und der privaten Bleibeinteressen des Klägers wie seiner Vaterschaft, der Beziehung zu seiner deutschen Ehefrau, seiner Erkrankung, der Beziehungen zu seiner Mutter und zu seinen Geschwistern, seiner Stellung als faktischer Inländer und den Herausforderungen bei der Reintegration in der Türkei andererseits zulasten des Klägers aus. Ob ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG bestehe, weil dem Kläger in der Türkei Folter und/oder Inhaftierung wegen einer ihm unterstellten Nähe zur PKK drohe, könne im Ausweisungsverfahren nicht geprüft werden. Materiell mache der Kläger Gründe für eine Asylanerkennung, Flüchtlingsschutz oder subsidiären Schutz geltend. Aber selbst für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG wäre zwischenzeitlich nach § 24 Abs. 2 AsylG das Bundesamt zuständig, denn der Kläger habe im Oktober 2019 einen Asylantrag gestellt. Vorliegend sei es auch nicht sinnvoll möglich, den Vortrag des Klägers zu drohender Verhaftung und Misshandlung durch Sicherheitskräfte in der Türkei unter der Prämisse in die ausweisungsrechtliche Abwägung einzustellen, dass sie nicht die Schwelle eines Abschiebungsverbots nach § 60 AufenthG erreichen würden und bloße Reintegrationsschwierigkeiten darstellen könnten. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf drei Jahre sei nicht zu beanstanden, insbesondere habe die Beklagte ihre Ermessenserwägungen nach der Geburt der jüngsten Tochter ergänzt. 13 Mit seiner Revision rügt der Kläger, das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts verstoße gegen die §§ 53 ff. AufenthG sowie gegen Art. 8 EMRK, da bei der Abwägung die dem Kläger in seinem Heimatstaat drohende Verfolgungsgefahr, die drohende Haft, Folter und Misshandlung sowie die drohende politisch motivierte Strafverfolgung nicht berücksichtigt worden seien. Er habe als kurdischer Volkszugehöriger an diversen prokurdischen Veranstaltungen und Demonstrationen mitgewirkt. Darüber hinaus sei er ins Visier der türkischen Sicherheitskräfte geraten, weil sein Pass bei einem verstorbenen kurdischen Kämpfer gefunden worden sei. Aufgrund seiner politischen Aktivitäten und des Auffindens seines Passes bei einem Terroristen würde der Kläger von türkischen Sicherheitskräften als Unterstützer der PKK und anderer als terroristisch eingestufter Organisationen angesehen. Diese dem Kläger in der Türkei drohenden Gefahren begründeten ein besonders hohes Bleibeinteresse, das das Berufungsgericht in seinen Abwägungsvorgang bei der Ausweisung hätte einbeziehen und aufgrund dessen es hätte zu dem Schluss kommen müssen, dass das Bleibeinteresse das Ausweisungsinteresse überwiege. Das angefochtene Urteil verstoße auch gegen § 11 AufenthG, da die Beklagte bei der Bemessung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots dieses besondere Bleibeinteresse aus der ihm in der Türkei drohenden Verfolgung in die Ermessenserwägungen hätte einstellen müssen. 14 Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. 15 Zwischenzeitlich hat die Beklagte den Kläger in die Türkei abgeschoben. 16 Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Er unterstützt die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts und der Beklagten. II 17 Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Ausweisung, die (deklaratorische) Feststellung des Erlöschens der Niederlassungserlaubnis sowie das auf drei Jahre befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 18 1. Die Klage ist zulässig. Sie ist nicht nur bezogen auf die Ausweisung und die Feststellung des Erlöschens der Niederlassungserlaubnis nach Maßgabe des § 51 Abs. 1 Halbs. 1 Nr. 5 AufenthG, die vom Aufhebungsbegehren mit umfasst ist, sondern auch bezüglich des mit der Ausweisungsentscheidung und deren Befristung verbundenen Einreise- und Aufenthaltsverbots als Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft (in diesem Sinne bereits BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2017 - 1 C 28.16 - BVerwGE 159, 270 Rn. 42; ferner BVerwG, Urteil vom 7. September 2021 - 1 C 47.20 - NVwZ 2021, 1842 Rn. 10). 19 Die Befristung eines in § 11 Abs. 1 AufenthG in der bis zum 20. August 2019 geltenden Fassung noch vorgesehenen gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots, das mit der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98, nachfolgend RL 2008/115/EG) so nicht vereinbar war (vgl. zur Anwendbarkeit der RL 2008/115/EG auf sogenannte nichtmigrationsbedingte Einreiseverbote wegen einer Ausweisung infolge einer strafrechtlichen Verurteilung auch BVerwG, Beschlüsse vom 9. Mai 2019 - 1 C 14.19 - Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- und Asylrecht Nr. 100 Rn. 29 ff. und vom 6. Mai 2020 - 1 C 14.19 - Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- und Asylrecht Nr. 114 Rn. 2 ff.), ist nach der Rechtsprechung des Senats unionsrechtskonform regelmäßig als konstitutiver Erlass eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer auszulegen (BVerwG, Urteile vom 27. Juli 2017 - 1 C 28.16 - BVerwGE 159, 270 Rn. 42 und vom 21. August 2018 - 1 C 21.17 - BVerwGE 162, 382 Rn. 28; ferner BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 72). Damit handelt es sich um einen einheitlichen, auch in sich nicht teilbaren belastenden Verwaltungsakt (BVerwG, Urteil vom 7. September 2021 - 1 C 47.20 - NVwZ 2021, 1842 Rn. 10; vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 6. Mai 2020 - 13 LB 190/19 - juris Rn. 54 und Beschluss vom 18. März 2021 - 8 ME 146/20 - InfAuslR 2021, 238 <239>; ferner Störmer, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 36 VwVfG Rn. 38), der mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist. Ein Ermessensfehler bei der Befristung führt zur Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots insgesamt. 20 2. Die Klage ist indessen nicht begründet. Das Berufungsgericht ist jedenfalls im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Ausweisung, die (deklaratorische) Feststellung des Erlöschens der Niederlassungserlaubnis sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot rechtmäßig sind. 21 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, der Feststellung des Erlöschens der Niederlassungserlaubnis sowie des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 8 m.w.N.). Der Entscheidung sind daher das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 9. Juli 2021 zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters (BGBl. I S. 2467 <2502>), sowie das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch den am 15. Juli 2021 in Kraft getretenen Art. 9 des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters vom 9. Juli 2021 (BGBl. I S. 2467) - AsylG - zugrunde zu legen. 22 2.1 Die angefochtene Verfügung vom 27. Juni 2018 ist formell rechtmäßig, insbesondere war der Senator für Inneres der Beklagten nach § 1 Nr. 1 und § 3 Abs. 4 der Verordnung über die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden nach dem Aufenthaltsgesetz vom 28. November 2017 (Brem.GBl. S. 581) i.V.m. § 79 Abs. 3 BremPolG (a.F.) und dem wortgleichen § 141 Abs. 3 BremPolG in der am 8. Dezember 2020 in Kraft getretenen aktuellen Fassung des Gesetzes vom 24. November 2020 (Brem.GBl. S. 1486, 1568) für ihren Erlass zuständig (näher hierzu BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2021 - 1 C 60.20 - juris Rn. 18 ff.). 23 2.2 Die angefochtene Verfügung vom 27. Juni 2018 ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. 24 2.2.1 Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger erneut bewaffneten Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge betreiben wird (a). Zudem ist die Ausweisung auch für ein Grundinteresse der Gesellschaft unerlässlich (b). Dass die Ausweisung nicht unter einer Bedingung verfügt worden ist, steht der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ebenso wenig entgegen (c) wie die Tatsache, dass jedenfalls eine ausländerbehördliche Abschiebungsandrohung im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts nicht gegeben war (d). 25 Da das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise und im Einklang mit den rechtlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die von der Beklagten auch nicht angegriffen worden sind, davon ausgegangen ist, dass dem Kläger nach Art. 7 Satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980 (nachfolgend ARB 1/80) ein Aufenthaltsrecht zusteht bzw. zustand, findet die Ausweisung ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Maßstäbe, die der rechtlichen Beurteilung der hier streitgegenständlichen Ausweisung zugrunde zu legen sind, sind in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt (vgl. grundlegend Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - BVerwGE 157, 325 Rn. 20 ff.; ferner Urteile vom 25. Juli 2017 - 1 C 12.16 - juris Rn. 15 und vom 27. Juli 2017 - 1 C 28.16 - BVerwGE 159, 270 Rn. 17). 26 Nach dem Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Die Ausweisung setzt nach § 53 Abs. 1 AufenthG eine umfassende und ergebnisoffene Abwägung aller Umstände des Einzelfalls voraus, die vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet wird. Die Abwägung erfolgt dabei nicht auf der Rechtsfolgenseite im Rahmen eines der Ausländerbehörde eröffneten Ermessens, sondern auf der Tatbestandsseite einer nunmehr gebundenen Ausweisungsentscheidung und ist damit gerichtlich voll überprüfbar. Der Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG erfährt durch die weiteren Ausweisungsvorschriften mehrfache Konkretisierungen. So wird einzelnen in die Abwägung einzustellenden Ausweisungs- und Bleibeinteressen durch den Gesetzgeber in den §§ 54 und 55 AufenthG von vornherein ein spezifisches, bei der Abwägung zu berücksichtigendes Gewicht beigemessen, jeweils qualifiziert als entweder ""besonders schwerwiegend"" (Absatz 1) oder als ""schwerwiegend"" (Absatz 2). Bei der Abwägung sind schließlich gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG nach den Umständen des Einzelfalls insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. 27 § 53 Abs. 3 AufenthG ergänzt den Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG und legt erhöhte Ausweisungsvoraussetzungen für die dort bezeichneten rechtlich privilegierten Personengruppen fest, unter anderem für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige. Eine solche Person darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (zur Auslegung des § 53 Abs. 3 AufenthG s.a. BVerwG, Urteile vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - BVerwGE 157, 325 Rn. 46 und 57, vom 25. Juli 2017 - 1 C 12.16 - juris Rn. 23 und vom 27. Juli 2017 - 1 C 28.16 - BVerwGE 159, 270 Rn. 32). Nach diesen Grundsätzen, an denen der Senat auch nach neuerlicher Prüfung und unter Berücksichtigung der zum 21. August 2019 geänderten Fassung des § 53 Abs. 3 AufenthG festhält, modifiziert diese Regelung den allgemeinen Prüfungsmaßstab des § 53 Abs. 1 AufenthG, ändert aber im Übrigen nichts an der durch diese Grundnorm vorgegebenen Prüfungsstruktur. Insbesondere sind bei der vorzunehmenden Interessenabwägung im Lichte des spezifischen Prüfungsmaßstabs des § 53 Abs. 3 AufenthG auch die §§ 54 und 55 AufenthG anzuwenden (BT-Drs. 18/4097 S. 50; vgl. bereits BVerwG, Urteile vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - BVerwGE 157, 325 Rn. 36 ff. und 57 ff. und vom 25. Juli 2017 - 1 C 12.16 - juris Rn. 14 ff. und 30; dem folgend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Juli 2020 - 11 N 24.18 - juris Rn. 15; vgl. auch VGH München, Beschluss vom 13. Mai 2016 - 10 ZB 15.492 - Asylmagazin 2016, 223; OVG Lüneburg, Urteil vom 11. Juli 2018 - 13 LB 44/17 - BeckRS 2018, 46529 Rn. 36 ff.; a.A. OVG Münster, Urteil vom 12. Juli 2017 - 18 A 2735/15 - juris Rn. 40 ff.). 28 a) Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht, dass das persönliche Verhalten des Klägers eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Dieser Maßstab verweist - im Unterschied zu dem Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz. Erfasst sind nur solche Rechtsnormen und Schutzgüter, die ein Grundinteresse der Gesellschaft verkörpern. Dabei ist das Erfordernis einer gegenwärtigen Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit nicht gleichbedeutend mit einer ""gegenwärtigen Gefahr"" im Sinne des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts. Der Eintritt eines Schadens muss nicht sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten sein. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr eine hinreichende - unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit nach dem Ausmaß des möglichen Schadens und dem Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts differenzierende - Wahrscheinlichkeit, dass der Ausländer künftig die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erheblich beeinträchtigen wird. Die Beurteilung, ob Art und Schwere des persönlichen Verhaltens des Drittstaatsangehörigen die Annahme einer Gefahr neuerlicher erheblicher Verfehlungen begründen, bedingt dabei stets eine unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Bewertung des persönlichen Verhaltens des Betroffenen und eine daran anknüpfende aktuelle Gefährdungsprognose (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 3. August 2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 <304 ff.>). 29 Das Berufungsgericht ist hiernach in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise von einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger erneut bewaffneten Handel mit Heroin und Kokain in nicht geringer Menge treiben wird, ausgegangen. Dabei hat das Berufungsgericht die Anlasstat, nämlich die strafrechtliche Verurteilung vom 1. Juli 2016 zu sechs Jahren und vier Monaten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen gewürdigt, insbesondere die erhebliche Menge an Drogen, mit der der Kläger gehandelt hat. Zudem hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der seiner Entscheidung zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen, an die das Bundesverwaltungsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass die Umstände der Begehung dieser Straftaten, insbesondere die dort gezeigte hohe kriminelle Energie und Hartnäckigkeit, die lange kriminelle Karriere des Klägers über einen Zeitraum von 17 Jahren vor den Anlasstaten, in denen er zu acht Geldstrafen und sechs Freiheitsstrafen verurteilt worden ist, die erneute Begehung immer schwerwiegenderer Straftaten durch den Kläger jeweils nach Ablauf der Bewährungszeiten, die beiden einschlägigen vorherigen Verurteilungen wegen Betäubungsmitteldelikten, seine Verwurzelung im Drogenmilieu seiner Heimatstadt sowie die vom Kläger weiterhin teilweise gezeigte Bagatellisierung seiner Straftaten ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das die Prognose rechtfertigt, dass der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut bewaffneten Handel mit Heroin und Kokain treiben wird. Die strafrechtlichen Verurteilungen sind gemäß § 47 BZRG im Bundeszentralregister noch nicht getilgt oder zu tilgen. An der Prognose einer hohen Rückfallwahrscheinlichkeit habe sich auch unter Berücksichtigung des insgesamt guten Vollzugsverhaltens des Klägers sowie seiner familiären Verhältnisse im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts nichts geändert, zumal er bereits mehrfach Hafterfahrung gesammelt habe und auch die den Anlasstaten zugrundeliegenden Umstände mit der jetzigen Situation vergleichbar seien. Zudem hat sich das Berufungsgericht ausführlich damit auseinandergesetzt, dass die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts mit Beschluss vom 29. Oktober 2019 die Vollstreckung des Rests der Freiheitsstrafe nach § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt hat. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Oktober 2016 - 2 BvR 1943/16 - NVwZ 2017, 229 Rn. 21; zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 2. September 2009 - 1 C 2.09 - Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 54 Rn. 18 und vom 15. Januar 2013 - 1 C 10.12 - Buchholz 402.242 § 55 AufenthG Nr. 16 Rn. 18), auf die das Berufungsgericht zu Recht hinweist, haben die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen. Entscheidungen der Strafgerichte nach § 57 StGB sind zwar von tatsächlichem Gewicht und stellen bei der ausländerrechtlichen Prognose ein wesentliches Indiz dar. Von ihnen geht aber keine Bindungswirkung aus. Bei fortbestehenden konkreten Gefahren für höchste Rechtsgüter kommt eine Abweichung von der strafrechtlichen Legalprognose auch bei einer im Wesentlichen vergleichbaren Tatsachengrundlage in Betracht, ohne dass es insoweit der Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens bedarf (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Oktober 2016 - 2 BvR 1943/16 - NVwZ 2017, 229 Rn. 24). Hiervon ist das Berufungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgegangen und hat sich ausführlich mit dem von der Strafvollstreckungskammer eingeholten Prognosegutachten befasst, das sich für das Berufungsgericht in wesentlichen Teilen als nicht nachvollziehbar dargestellt hat, was im Detail ausgeführt wird; an diese tatrichterliche Würdigung, auf die hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen werden kann (UA S. 17 ff.), ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden; der Kläger hat sich dagegen auch nicht substantiiert gewandt und namentlich keine Verfahrensrüge erhoben. 30 Die Schwere dieser Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft ergibt sich schließlich auch aus der vom Berufungsgericht zu Recht hervorgehobenen Art der Straftaten und der (auch) unionsrechtlichen Bewertung, denn nach Art. 83 AEUV zählt der illegale Drogenhandel zur besonders schweren Kriminalität (vgl. auch EuGH, Urteil vom 23. November 2010 - C-145/09 [ECLI:​EU:​C:​2010:​708], Tsakouridis - Rn. 46 f.). 31 Anhaltspunkte für einen Verbrauch des Ausweisungsinteresses durch Verzicht der Ausländerbehörde liegen nicht vor. Zwar ist der Kläger diverse Male verwarnt worden, ohne dass es zu einer Ausweisung gekommen ist. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist dem Kläger unter anderem im Jahr 2003 und zuletzt 2007 mitgeteilt worden, dass wegen seines langen Aufenthalts in Deutschland von einer Ausweisung abgesehen werde, diese aber umgehend erfolgen würde, falls er wieder straffällig werde. Selbst wenn hierin ein (zeitweiliger) Verzicht auf die Ausweisung gelegen hätte, hat sich anschließend die maßgebliche Sach- und Rechtslage geändert, in dem der Kläger weiter und noch schwerwiegender strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, wodurch ein möglicherweise zunächst geschaffener Vertrauenstatbestand wieder beseitigt worden wäre. Denn ein Vertrauenstatbestand steht unter dem Vorbehalt, dass sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage nicht ändert, was auch in der jeweiligen Warnung der Ausländerbehörde vor einer erneuten Straffälligkeit deutlich zum Ausdruck gekommen ist. Die neuerliche Begehung einer Straftat oder ein sonstiger Umstand, der das Ausweisungsinteresse erhöht, führt dazu, dass auch von einem möglichen Verbrauch erfasste frühere Sachverhalte wieder in die Gefahrenbeurteilung einzubeziehen sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. November 1999 - 1 C 11.99 - Buchholz 402.240 § 47 AuslG Nr. 19 und vom 3. August 2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 <313 f.>). 32 b) Das Berufungsgericht ist zudem im Einklang mit Bundesrecht davon ausgegangen, dass die Ausweisung für die Wahrung des Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist. Der Begriff der Unerlässlichkeit ist nicht im Sinne einer ""ultima ratio"" zu verstehen, sondern bringt zum Ausdruck, dass der Ausweisungsentscheidung eine sorgfältige und umfassende Prüfung der Verhältnismäßigkeit zugrunde liegen muss (vgl. VGH München, Beschluss vom 27. September 2019 - 10 ZB 19.17 81 - BeckRS 2019, 27461 Rn. 7). 33 aa) Das Berufungsgericht hat das öffentliche Interesse an der Ausweisung des Klägers gegen seine Bleibeinteressen gemäß § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG unter Berücksichtigung der den Einzelfall prägenden Umstände abgewogen und ist unter Beachtung des hierfür zentralen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass das Ausweisungsinteresse überwiegt. Das Berufungsgericht hat insbesondere zutreffend erkannt, dass der Kläger mit Blick auf seine Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt. Zudem besteht auch ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1b AufenthG. Dabei hat das Berufungsgericht die nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Urteil vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner - Rn. 57 ff.) zu berücksichtigenden Kriterien aufgeführt, die in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen sind, um die Ausweisung als in einer demokratischen Gesellschaft notwendig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK anzusehen. Nach dieser Rechtsprechung sind insbesondere die Art und Schwere der begangenen Straftat, die seither vergangene Zeit und das Verhalten des Ausländers seit der Tat, die familiäre Situation, die Kenntnis des Partners von der Straftat bei der Begründung der Beziehung, das Interesse und das Wohl eventueller Kinder, insbesondere deren Alter, der Umfang der Schwierigkeiten, auf die Kinder oder der Partner im Heimatland des Ausländers treffen würden, die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten, die Dauer des Aufenthalts des Ausländers im Aufenthaltsstaat, die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen des Ausländers zum Gastland sowie zum Bestimmungsland zu berücksichtigen. Hiermit korrespondieren die - nicht abschließend aufgeführten - Kriterien des § 53 Abs. 2 AufenthG, nach dem bei der Interessenabwägung nach den Umständen des Einzelfalls insbesondere die Dauer des Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen sind. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei die dem öffentlichen Interesse an der Ausweisung gegenüberstehenden besonders schwerwiegenden Bleibeinteressen des Klägers und seiner Familie bestimmt. Es hat berücksichtigt, dass der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist und er mit seiner deutschen Ehefrau in familiärer Lebensgemeinschaft lebt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). Im Rahmen der Interessenabwägung hat das Berufungsgericht die familiären Bindungen des Klägers im Sinne des Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zu seinen beiden jüngsten Kindern, zu seiner deutschen Ehefrau sowie zu seiner in Deutschland lebenden Mutter und seinen Geschwistern umfassend gewürdigt. Zudem befasst sich das Berufungsgericht detailliert mit der Stellung des Klägers als ""faktischer"" Inländer, der nahezu sein gesamtes Leben in Deutschland verbracht hat. Diese Personen genießen zwar keinen absoluten Ausweisungsschutz (EGMR, Urteil vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99 - Rn. 57 ff.; BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Oktober 2016 - 2 BvR 1943/16 - NVwZ 2017, 229 Rn. 19), und ihre Ausweisung ist nicht von vornherein unzulässig. Es ist aber der besonderen Härte, die eine Ausweisung für diese Personengruppe darstellt, in angemessenem Umfang Rechnung zu tragen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 19. Oktober 2016 - 2 BvR 1943/16 - NVwZ 2017, 229 Rn. 19 und vom 25. August 2020 - 2 BvR 640/20 - InfAuslR 2020, 424 Rn. 24). Bei eng mit Deutschland verwurzelten ""faktischen"" Inländern bedarf es hiernach einer besonders sorgfältigen Prüfung und Erfassung der individuellen Lebensumstände eines Ausländers, seiner Verwurzelung in Deutschland einerseits und seiner Entwurzelung im Herkunftsland andererseits (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Oktober 2016 - 2 BvR 1943/16 - NVwZ 2017, 229 Rn. 19). Das Berufungsgericht setzt sich in diesem Zusammenhang auch ausführlich mit der Möglichkeit der Integration des Klägers in der Türkei auseinander. Hierbei berücksichtigt es, dass dem Kläger die Türkei nur aus früheren Familienurlauben bekannt ist und dass ihm seine gesundheitlichen Einschränkungen eine Arbeitsaufnahme in der Türkei erschweren werden. Auf der anderen Seite würdigt das Berufungsgericht seine vorhandenen türkischen Sprachkenntnisse sowie die (bestehende) Möglichkeit des Klägers, in der Türkei Sozialleistungen sowie die gegebene finanzielle Unterstützung des Klägers durch Mutter und Schwester in Anspruch zu nehmen. Auch die Erkrankungen des Klägers bezieht das Berufungsgericht mit ein, aufgrund derer der Kläger aber in einer Gesamtschau keine besonderen Schwierigkeiten in der Türkei zu erwarten habe, insbesondere könnten dort die von ihm gelegentlich eingenommenen Schmerzmittel bezogen werden. Die Behandlung der vom Kläger geltend gemachten psychischen Erkrankungen sei in der Türkei ebenfalls möglich; seit dem 1. Januar 2012 seien alle Personen mit Wohnsitz in der Türkei, also auch der Kläger, obligatorisch krankenversichert. Das Berufungsgericht hat sich auch im Rahmen der Interessenabwägung ausführlich mit der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung durch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts befasst. 34 bb) Hingegen können die vom Kläger geltend gemachten Gefahren im Herkunftsstaat, die - sollten sie zutreffen - die Schwelle zu einem zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 AufenthG überschreiten würden, bei der Ausweisung im Rahmen der Interessenabwägung und bei der freizügigkeitsrechtlichen Verlustfeststellung im Rahmen der Ermessensentscheidung jedenfalls insoweit nicht berücksichtigt werden, als für das Abschiebungsverbot eine ausschließliche Prüfungszuständigkeit des Bundesamts besteht und dieses ein solches Verbot bislang nicht festgestellt bzw. hier sogar ausdrücklich verneint hat. Dies gilt insbesondere für zielstaatsbezogene Gefahren, die ihrer Art nach objektiv geeignet wären, eine Anerkennung als Asylberechtigter oder Flüchtling oder die Zuerkennung subsidiären Schutzes zu begründen. Denn nach der - vom Berufungsgericht zutreffend zugrunde gelegten - Rechtsprechung des Senats ist ein Ausländer mit einem Asylbegehren, das nach § 13 AsylG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) seit dem 1. Dezember 2013 auch das Begehren auf subsidiären Schutz umfasst, hinsichtlich aller zielstaatsbezogenen Schutzersuchen und Schutzformen auf das Asylverfahren zu verweisen; er hat kein Wahlrecht zwischen einer Prüfung durch die Ausländerbehörde und einer Prüfung durch das Bundesamt (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Februar 2019 - 1 C 30.17 - Buchholz 402.251 § 29 AsylG Nr. 6 Rn. 22 und vom 16. Dezember 2021 - 1 C 60.20 - juris Rn. 52 f.) und auch keinen Anspruch auf eine Doppelprüfung. Ein Ausländer ist daher nach aktueller Rechtslage schon dann - gemäß § 24 Abs. 2 AsylG auch hinsichtlich nationaler Abschiebungsverbote - zwingend auf das Asylverfahren vor dem Bundesamt zu verweisen, wenn er sich auf Gefahren beruft, die ihrer Art nach objektiv geeignet wären, subsidiären Schutz zu begründen. Hat er bereits (erfolglos) ein Asylverfahren durchgeführt, ist unabhängig davon die Ausländerbehörde zudem nach § 6 Satz 1 und § 42 Satz 1 AsylG an die in jenem Verfahren (zuletzt) getroffene Entscheidung des Bundesamts oder des Verwaltungsgerichts gebunden. Diese Bindungswirkung kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch negativen Entscheidungen des Bundesamts zu (BVerwG, Urteile vom 7. September 1999 - 1 C 6.99 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 20, vom 21. März 2000 - 9 C 41.99 - BVerwGE 111, 77 <80 f.>, vom 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 - BVerwGE 126, 192 Rn. 12 und vom 16. Dezember 2021 - 1 C 60.20 - juris Rn. 52 f.). Auch bedarf es für die Bindungswirkung nach § 6 AsylG, nach der die Entscheidung über den Asylantrag in allen Angelegenheiten verbindlich ist, in denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung des internationalen Schutzes rechtserheblich ist, keiner Bestandskraft. Die Bindungswirkung gilt auch für noch nicht bestandskräftige, aber sofort vollziehbare Bescheide, die auch im Falle ihrer Anfechtung jedenfalls vorläufig als verbindlich gelten (Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 6 AsylG Rn. 9; Preisner, in: BeckOK, Ausländerrecht, 32. Edition, Stand Oktober 2021, § 6 AsylG Rn. 6; Oubensalh, in: Huber/Mantel, Aufenthaltsgesetz/Asylgesetz, 3. Aufl. 2021, § 6 AsylG Rn. 13). Gleiches gilt auch für die Bindungswirkung nach § 42 Satz 1 AsylG bezogen auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG (Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Auf. 2020, § 42 AsylG Rn. 3; zum Ganzen Funke-Kaiser, in: GK-Asyl, Stand August 2021, § 42 AsylG Rn. 21 ff.). Auch bei nachträglicher erheblicher Änderung der Sachlage ist ausschließlich das Bundesamt zur Korrektur seiner einmal getroffenen Feststellung befugt und zwar unabhängig von dem Zeitraum, der seit der Erstentscheidung des Bundesamts verstrichen ist (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2021 - 1 C 60.20 - juris Rn. 53). Die Ausländerbehörde ist deshalb im Ausweisungsverfahren - wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist - an die sofort vollziehbare Entscheidung des Bundesamts, das den Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet abgelehnt und auch ein Abschiebungsverbot verneint hat, gebunden. 35 cc) Zu Recht hat das Berufungsgericht indessen drohende Beeinträchtigungen von Belangen des Ausländers im Herkunftsstaat geprüft, die keinen strikten verfassungs- oder völkerrechtlichen Schutz in dem Sinne genießen, dass die deutschen Behörden unter allen Umständen verpflichtet wären, den Ausländer durch Absehen von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen vor ihrem Eintritt zu bewahren. Dies sind solche Nachteile, die das Gewicht eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nicht erreichen, aber gleichwohl so erheblich sind, dass sie sich auf die durch Art. 7 GRC und Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Belange des Ausländers auswirken können (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2021 - 1 C 60.20 - juris Rn. 50 ff. m.w.N.). Das Berufungsgericht ist hier rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass es nicht möglich ist, die vom Kläger geltend gemachten Gefahren einer drohenden Verhaftung und Misshandlung durch Sicherheitskräfte in der Türkei - sollten sie tatsächlich bestehen - in rechtlicher Hinsicht als unterhalb der Schwelle des § 60 AufenthG und damit als bloße Reintegrationsschwierigkeiten zu betrachten. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Reintegrationsmöglichkeiten und -schwierigkeiten des Klägers in der Türkei umfassend gewürdigt. 36 Ohne Erfolg bleibt in diesem Zusammenhang auch der - erstmals unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Senats vom 16. Dezember 2021 - 1 C 60.20 - (juris Rn. 55) - in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobene Einwand des Klägers, ihm drohe wegen seiner türkischen Staatsangehörigkeit eine erneute Strafverfolgung und langjährige Freiheitsstrafe in der Türkei wegen seiner in Deutschland abgeurteilten Betäubungsmitteldelikte und damit eine Doppelbestrafung, die sich auf sein Recht auf Privat- und Familienleben auswirken würde. Das Berufungsgericht hat die dem Kläger in der Türkei möglicherweise drohenden Nachteile unterhalb der Schwelle einer politischen Verfolgung geprüft, hat aber zu der jetzt behaupteten Gefahr einer Doppelbestrafung keine tatrichterlichen Feststellungen getroffen. Da der Kläger selbst einen Türkeibezug hinsichtlich der von ihm verübten Betäubungsmitteldelikte nicht behauptet, bestand hierzu auch keine Veranlassung. 37 c) Das Berufungsgericht ist des Weiteren im Einklang mit Bundesrecht davon ausgegangen, dass das noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Asylverfahren der Ausweisung nicht entgegensteht. Gemäß § 53 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von dieser Bedingung wird nach Satz 2 abgesehen, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3 eine Ausweisung rechtfertigt (Nr. 1) oder eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist (Nr. 2). Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers mit Bescheid vom 2. Januar 2020 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht zuletzt mit Beschluss vom 19. Januar 2021 abgelehnt. Damit liegt im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts eine vollziehbare Abschiebungsandrohung nach den Vorschriften des Asylgesetzes vor, so dass hier - wovon auch das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist - die Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt sind. 38 Die Vorschrift begegnet auch keinen durchgreifenden unionsrechtlichen Bedenken. Unionsrechtlich haben die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, dass der Rechtsbehelf gegen die Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz seine volle Wirksamkeit entfaltet, so dass während der Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs und, falls er eingelegt wird, bis zur Entscheidung über ihn u.a. alle Wirkungen der Rückkehrentscheidung auszusetzen sind (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​465], Gnandi - Rn. 61). Das in dem Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gründende Gebot, alle Rechtswirkungen der Rückkehrentscheidung auszusetzen, findet auch Anwendung auf einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag auf internationalen Schutz im Einklang mit Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60, nachfolgend RL 2013/32/EU) als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG trägt diesen Anforderungen Rechnung, da hiernach die Abschiebung bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung über einen Antrag nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG nicht zulässig ist. Dies korrespondiert auch mit Art. 46 Abs. 6 Buchst. a RL 2013/32/EU, der als Ausnahme zu dem in seinem Absatz 5 aufgestellten Grundsatz des Rechts auf Verbleib im Hoheitsgebiet bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf u.a. bei offensichtlich unbegründeten Asylanträgen eine Modifizierung dahingehend erlaubt, dass lediglich der Ausgang des Eilverfahrens abzuwarten ist, wenn der Mitgliedstaat ein Recht auf Verbleib in diesen Fällen nicht gewährt hat (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 15. April 2021 - 12 S 2505/20 - juris Rn. 100 und 101). Nach Art. 46 Abs. 8 RL 2013/32/EU hat der betreffende Mitgliedstaat dem Betroffenen bis zur Entscheidung über sein Bleiberecht in diesem Verfahren zu gestatten, in seinem Hoheitsgebiet zu verbleiben; bis zu einer solchen Entscheidung sind alle Wirkungen der Rückkehrentscheidung auszusetzen (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 - Rn. 61 und Beschluss vom 5. Juli 2018 - C-269/18 PPU [ECLI:​EU:​C:​2018:​544] - Rn. 50 ff.). 39 d) Der Ausweisung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts jedenfalls eine ausländerbehördliche Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 der RL 2008/115/EG nicht vorgelegen hat. 40 Nach der Rechtsprechung des Senats lässt das Nichtergehen oder die Aufhebung einer Rückkehrentscheidung die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsentscheidung unberührt (BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2019 - 1 C 21.18 - BVerwGE 165, 331 Rn. 10 ff. und Beschluss vom 9. Mai 2019 - 1 C 14.19 - Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- und Asylrecht Nr. 100; so auch Bauer/Hoppe, Urteilsanmerkung, NVwZ 2021, 1207 <1210 f.). Zwar ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 RL 2008/115/EG, dass die Mitgliedstaaten unbeschadet der Ausnahmen nach den Abs. 2 bis 5 verpflichtet sind, gegen alle in ihrem Hoheitsgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Folglich muss ein Mitgliedstaat, wenn er mit einem Drittstaatsangehörigen befasst ist, der sich in seinem Hoheitsgebiet befindet und nicht oder nicht mehr über einen gültigen Aufenthaltstitel verfügt, nach den einschlägigen Bestimmungen ermitteln, ob diesem Drittstaatsangehörigen ein neuer Aufenthaltstitel zu erteilen ist. Ist dies nicht der Fall, ist der betreffende Mitgliedstaat verpflichtet, gegen diesen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, die gemäß Art. 11 Abs. 1 RL 2008/115/EG mit einem Einreiseverbot im Sinne des Art. 3 Nr. 6 der RL 2008/115/EG einhergehen kann oder muss. Folglich läuft es sowohl dem Gegenstand Richtlinie 2008/115/EG, wie er in deren Art. 1 angeführt ist, als auch dem Wortlaut des Art. 6 RL 2008/115/EG zuwider, das Bestehen eines Zwischenstatus von Drittstaatsangehörigen zu dulden, die sich ohne Aufenthaltsberechtigung und ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates befinden und gegebenenfalls einem Einreiseverbot unterliegen, gegen die aber keine wirksame Rückkehrentscheidung mehr besteht. Dies gilt auch für Drittstaatsangehörige, die sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates befinden und gegebenenfalls einem Einreiseverbot unterliegen, gegen die aber keine wirksame Rückkehrentscheidung (mehr) besteht. Es ergibt sich aus Art. 9 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2008/115/EG, dass dieser Umstand es nicht rechtfertigt, in einer solchen Situation keine Rückkehrentscheidung gegen einen Drittstaatsangehörigen zu erlassen, sondern seine Abschiebung in Vollstreckung dieser Entscheidung aufzuschieben (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 - C-546/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​432], BZ - Rn. 55 ff.). 41 Aus der Pflicht zum Erlass einer Rückkehrentscheidung gegen alle sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhaltenden Drittstaatsangehörigen kann nicht geschlussfolgert werden, dass ein erst späterer Erlass einer Rückkehrentscheidung oder eine nachträgliche Aufhebung einer zuvor erlassenen Rückkehrentscheidung die Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Ausweisung berührt. Denn die Ausweisung, die selbst keine Rückkehrentscheidung darstellt (BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 2019 - 1 C 14.19 - Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- und Asylrecht Nr. 100 Rn. 30, vgl. hierzu auch Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, Vorbemerkung §§ 53-56 Rn. 29), unterfällt bereits nicht dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG, ihre Voraussetzungen werden daher nicht durch die Richtlinie 2008/115/EG bestimmt (so auch Bauer/Hoppe, Urteilsanmerkung, NVwZ 2021, 1207 <1210 f.>). Der Gerichtshof der Europäischen Union geht selbst davon aus, dass die Richtlinie 2008/115/EG nicht zum Ziel hat, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Aufenthalt von Ausländern insgesamt zu harmonisieren (EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2015 - C-290/14 [ECLI:​EU:​C:​2015:​640], Celaj - Rn. 20). Die mit der Richtlinie 2008/115/EG geschaffenen gemeinsamen Normen und Verfahren beziehen sich nämlich nur auf den Erlass von Rückkehrentscheidungen und deren Vollstreckung (EuGH, Urteil vom 24. Februar 2021 - C-673/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​127], M. u.a. - Rn. 43). Zudem ist dem europäischen Recht und auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zu entnehmen, dass die Abschiebungsandrohung, die als Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 RL 2008/115/EG anzusehen ist (BVerwG, Beschlüsse vom 9. Mai 2019 - 1 C 14.19 - Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- und Asylrecht Nr. 100 Rn. 30 ff. und vom 6. Mai 2020 - 1 C 14.19 - Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- und Asylrecht Nr. 114 Rn. 14; ferner BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2018 - 1 C 17.17 - Buchholz 402.242 § 4 AufenthG Nr. 4 Rn. 24, vom 21. August 2018 - 1 C 21.17 - BVerwGE 162, 382 Rn. 22 und vom 20. Februar 2020 - 1 C 19.19 - BVerwGE 167, 383 Rn. 16 und 23), gleichzeitig oder gar in einem Bescheid zu erlassen ist. Vielmehr bestimmt Art. 6 Abs. 6 RL 2008/115/EG ausdrücklich, dass die Mitgliedstaaten durch diese Richtlinie nicht daran gehindert werden sollen, entsprechend ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften und unbeschadet der nach deren Kapitel III und nach anderen einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und des einzelstaatlichen Rechts verfügbaren Verfahrensgarantien mit einer einzigen behördlichen oder richterlichen Entscheidung eine Entscheidung über die Beendigung eines legalen Aufenthalts sowie einer Rückkehrentscheidung und/oder eine Entscheidung über eine Abschiebung und/oder ein Einreiseverbot zu erlassen. Hieraus folgt - im Umkehrschluss - aber, dass zwar die Möglichkeit, nicht aber die Verpflichtung besteht, die Rückkehrentscheidung gemeinsam mit der Entscheidung, die den Aufenthalt des Betroffenen illegal macht, hier die Ausweisung, zu erlassen, sondern vielmehr, dass diese ebenso in einem gesonderten Bescheid ergehen kann wie ein Einreiseverbot und die Entscheidung über die Abschiebung. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union in einem Fall der Ablehnung internationalen Schutzes selbst ausdrücklich betont, in dem er ausgeführt hat, dass die Rückkehrentscheidung aber auch ""unmittelbar nach der Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz in einer gesonderten behördlichen Entscheidung [...] einer anderen Behörde"" ergehen kann (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 - Rn. 60). 42 Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob im Lichte der oben dargestellten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union etwas anderes dann gelten müsste, wenn die Ausweisung von vornherein als sogenannte inlandsbezogene Ausweisung ergangen wäre, die gezielt nicht auf eine Aufenthaltsbeendigung durch freiwillige Ausreise oder Abschiebung, sondern wegen Vorliegens eines voraussichtlich auf absehbare Zeit bestehenden Abschiebungshindernisses lediglich auf die Vernichtung des Aufenthaltstitels nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG gerichtet und der Erlass einer Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 RL 2008/115/EG auf absehbare Zeit nicht beabsichtigt wäre (vgl. zur inlandsbezogenen Ausweisung VGH Mannheim, Urteil vom 13. Januar 2016 - 11 S 889/15 - DVBl 2016, 387 <391 f.>; s.a. BVerwG, Urteile vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - BVerwGE 157, 325 Rn. 48 f., vom 25. Juli 2017 - 1 C 12.16 - juris Rn. 23 und vom 9. Mai 2019 - 1 C 21.18 - BVerwGE 165, 331 Rn. 28). Denn das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Ausweisung der Beklagten nicht um eine lediglich inlandsbezogene Ausweisung handelt, sondern die Ausweisung hier auf eine Aufenthaltsbeendigung gerichtet ist. Nicht aus jedem (vorübergehenden) Fehlen einer Abschiebungsandrohung kann bereits geschlossen werden, dass eine Aufenthaltsbeendigung auf absehbare Zeit nicht beabsichtigt ist und es sich lediglich um eine sogenannte inlandsbezogene Ausweisung handelt. Nach nationalem Recht ist die Ausweisung, auch wenn sie nach ständiger Rechtsprechung des Senats selbst keine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 RL 2008/115/EG darstellt (BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 2019 - 1 C 14.19 - Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- und Asylrecht Nr. 100 Rn. 30; vgl. hierzu auch Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, Vorbemerkung §§ 53-56 Rn. 29), grundsätzlich auf eine Beendigung des Aufenthalts des betroffenen Ausländers gerichtet oder hat diese jedenfalls zum Ziel. Die (nationalen) Vorschriften über die Ausweisung stehen im Kapitel 5 des Aufenthaltsgesetzes ""Beendigung des Aufenthalts"". Die wirksame Ausweisung begründet die Pflicht des Ausländers zum Verlassen des Bundesgebiets (Ausreisepflicht) nach § 50 Abs. 1 AufenthG, da sie sowohl zum Erlöschen des Aufenthaltstitels nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG als auch zum Erlöschen einer Befreiung nach § 51 Abs. 5 AufenthG führt. Das Ausweisungsinteresse ist grundsätzlich auf die Ausreise aus dem Bundesgebiet gerichtet. Nach dem Grundtatbestand der Ausweisung in § 53 Abs. 1 AufenthG ist das öffentliche Interesse an der Ausreise mit dem privaten Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet abzuwägen. 43 Zwar hat die Beklagte im Bescheid vom 27. Juni 2018 zunächst die Ausweisung des zu diesem Zeitpunkt in Haft befindlichen Klägers ohne Abschiebungsandrohung erlassen, diese (einschließlich Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich Ausweisung und Abschiebungsandrohung) aber mit Ergänzungsbescheid vom 27. Mai 2019 verfügt. Dass die Beklagte diese Abschiebungsandrohung in der mündlichen Verhandlung vom 31. August 2020 wieder aufgehoben hat, lag ersichtlich darin begründet, dass der Aufenthalt des Klägers wegen dessen gestellten Asylantrags zu diesem Zeitpunkt nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG gestattet gewesen ist und die Ausreisepflicht nach § 50 Abs. 1 AufenthG entfallen war mit der Folge, dass die Abschiebungsandrohung gegenstandslos geworden ist (vgl. hierzu Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand Oktober 2019, § 55 Rn. 7 und 33). Die Beklagte hat die Ausweisung indessen durchgängig als rückführungsbezogen behandelt, insbesondere ist sie in ihrem Bescheid vom 27. Juni 2018 ausführlich auch auf die Reintegrationsmöglichkeiten des Klägers in der Türkei eingegangen. Zudem lagen auch keine Hinweise auf ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis oder eine anderweitige Unmöglichkeit der Abschiebung auf unabsehbare Zeit vor, die die Beklagte zu einer inlandsbezogenen Ausweisung hätten veranlassen können. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass das Berufungsgericht in seinem Urteil (UA S. 29 f.) - gefasst im Konjunktiv - darauf hingewiesen hat, dass das Bestehen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 AufenthG im Übrigen lediglich zur Folge hätte, dass der tatsächliche Aufenthalt des Klägers in Deutschland nicht zwangsweise beendet werden dürfe und sich nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit wohl sogar zu seinem Nachteil auswirken würde, da eine konkrete Beeinträchtigung seines Bleibeinteresses durch eine die Ausweisung vollziehende Abschiebung dann auf absehbare Zeit nicht drohen dürfte. Dies stellt lediglich eine rein hilfsweise Argumentation im Anschluss an die Frage dar, ob und welche zielstaatsbezogenen Nachteile im Herkunftsland im Rahmen der Interessenabwägung zu prüfen sind. Das Berufungsgericht hat die Reintegrationsmöglichkeiten und -schwierigkeiten des Klägers in der Türkei zudem umfassend gewürdigt, ohne eine sogenannte inlandsbezogene Ausweisung in diesem Zusammenhang zu erwähnen. 44 Darüber hinaus kann hier offenbleiben, ob und wie sich die vorgenannte Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu seiner Entscheidung vom 24. Februar 2021 - C-673/19 - (Rn. 36 ff. und 42 ff.) verhält, in der der Gerichtshof zwar ebenfalls betont hat, dass die Mitgliedstaaten grundsätzlich verpflichtet sind, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, dies aber nicht gilt und eine Rückkehrentscheidung nicht zu erlassen ist, wenn diese gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung verstößt. Anhaltspunkte, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts der Grundsatz der Nichtzurückweisung einer Abschiebung des Klägers in die Türkei entgegengestanden hätte, sind hier nicht gegeben. 45 Schließlich lag im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht eine Rückkehrentscheidung in Form der - nach erfolglosem Eilverfahren sofort vollziehbaren - Abschiebungsandrohung des Bundesamts als Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 RL 2008/115/EG vor. Da Art. 6 Abs. 1 RL 2008/115/EG lediglich verlangt, dass gegen alle illegal Aufhältigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist und eine Rückkehrentscheidung - wie bereits zuvor ausgeführt - grundsätzlich gesondert und auch durch eine andere Behörde erlassen werden kann, sind die Vorgaben des europäischen Rechts erfüllt. Die Ausweisung ist rechtmäßig. 46 2.2.2 Der Bescheid vom 27. Juni 2018 erweist sich auch im Übrigen als rechtmäßig. 47 a) Die Feststellung im Bescheid der Beklagten, dass die Niederlassungserlaubnis infolge der Ausweisung nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG kraft Gesetzes erloschen ist, ist deklaratorisch. 48 b) Im Übrigen ist das Berufungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 49 aa) Rechtsgrundlage für den Erlass des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Hiernach ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot im Falle der Ausweisung gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Nach Absatz 2 Satz 3 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen, wobei die Frist mit der Ausreise beginnt (Satz 4). Gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG ist über die Länge der Frist nach Ermessen zu entscheiden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten. Nach Absatz 5 soll die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots zehn Jahre unter anderem dann nicht überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist. 50 Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG sind erfüllt. Insbesondere liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in einer auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AufenthG in der vor dem 21. August 2019 gültigen Fassung ergangenen behördlichen Befristungsentscheidung regelmäßig auch die konstitutive Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots, weil Unionsrecht ein allein auf einer Anordnung des Gesetzgebers beruhendes Einreise- und Aufenthaltsverbot ausschließt (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Juli 2017 - 1 C 12.16 - juris Rn. 34; vom 27. Juli 2017 - 1 C 28.16 - BVerwGE 159, 270 Rn. 42 und vom 21. August 2018 - 1 C 21.17 - NVwZ 2019, 483 Rn. 25; Beschluss vom 9. Mai 2019 - 1 C 14.19 - Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- und Asylrecht Nr. 100 Rn. 27). Zudem liegt eine nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG wirksame und nach den obigen Ausführungen rechtmäßige Ausweisung vor. Dem steht das Recht des Klägers aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 nicht entgegen, da § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nach seinem Wortlaut auch in Bezug auf assoziationsrechtliche Aufenthaltsrechte Anwendung findet, und - anders als § 50 Abs. 1 AufenthG - nicht zwischen nationalen Aufenthaltstiteln und assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechten differenziert. Art. 13 ARB 1/80 widerstreitet einer solchen Anwendung nicht. Diese Vorschrift stellt wie auch bereits § 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG lediglich klar, dass die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage nicht die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts beseitigt, vielmehr der angefochtene Verwaltungsakt vorläufig nur nicht vollzogen werden kann. Ebenso wenig steht einer solchen Anwendung das unionsrechtliche Erfordernis der Einzelfallprüfung und der unionsrechtliche Grundsatz des ""effet utile"" entgegen, da den Rechtswirkungen des § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zwingend eine im Rahmen der Ausweisung vorzunehmende und damit gleichsam vorverlagerte Einzelfallprüfung vorausgeht und dem von der Ausweisung betroffenen Assoziationsberechtigten hiergegen effektiver Rechtsschutz auch und gerade nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO offensteht (in diesem Sinne OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. Januar 2021 - 13 ME 355/20 - InfAuslR 2021, 143 <145 ff.>; a.A. VGH Mannheim, Beschluss vom 16. November 2010 - 11 S 2328/10 - InfAuslR 2011, 51 <53 f.>). Auch hat die Beklagte das Einreise- und Aufenthaltsverbot befristet. 51 bb) Dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot vorliegend an die Ausweisung anknüpft, ohne dass jedenfalls eine ausländerbehördliche Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 RL 2008/115/EG vorgelegen hat, berührt im Ergebnis nicht die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots, insbesondere steht Unionsrecht, vor allem die Richtlinie 2008/115/EG, hier nicht entgegen. Denn im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts lag objektiv die vom Bundesamt erlassene Abschiebungsandrohung und damit eine Rückkehrentscheidung vor. Dies kann jedenfalls dann, wenn der Ausländer wie hier noch nicht ausgereist war, für das unionsrechtlich geforderte ""Einhergehen"" genügen; die Befristung des ausländerbehördlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots, das an eine Ausweisung anknüpft, kann dabei neben eine Befristungsentscheidung des Bundesamts treten und weitere Gesichtspunkte berücksichtigen. 52 Nach Art. 3 Nr. 6 RL 2008/115/EG ist unter einem Einreiseverbot die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme zu verstehen, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Art. 11 Abs. 1 Satz 1 RL 2008/115/EG bestimmt, dass Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot einhergehen, falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde (Buchst. a) oder falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde (Buchst. b). In anderen Fällen kann eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen (Satz 2). 53 Nach der Definition des Einreise- und Aufenthaltsverbots muss ein Einreiseverbot im Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG immer mit einer Rückkehrentscheidung einhergehen, kann also ein Einreiseverbot nicht ohne Rückkehrentscheidung bestehen, auch wenn im umgekehrten Fall nach Art. 11 RL 2008/115/EG zu einer Rückkehrentscheidung nicht immer ein Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden muss, sondern nur in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 - C-546/19 - Rn. 48) hat hierzu auf Vorlage des Senats (Beschluss vom 9. Mai 2019 - 1 C 14.19 - Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- und Asylrecht Nr. 100) ausgeführt, dass Art. 2 RL 2008/115/EG dahin auszulegen ist, dass diese Richtlinie auf ein Einreiseverbot anwendbar ist, das von einem Mitgliedstaat, der von der in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2008/115/EG vorgesehenen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, gegen einen Drittstaatsangehörigen verhängt wurde, der sich in dessen Hoheitsgebiet befindet und gegen den aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf der Grundlage einer früheren strafrechtlichen Verurteilung eine Ausweisungsverfügung ergangen ist. Dabei wird der Anwendungsbereich der Richtlinie allein unter Bezugnahme auf die Situation des illegalen Aufenthalts definiert, in der sich ein Drittstaatsangehöriger befindet, unabhängig von den Gründen, die dieser Situation zugrunde liegen oder den Maßnahmen, die gegen ihn getroffen werden können (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 - C-546/19 - Rn. 45, so auch Lutz, in: Thym/Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 3. Edition 2022, Art. 11 RL 2008/115/EG Rn. 6; a.A. VGH Mannheim, Urteil vom 15. April 2021 - 12 S 2505/20 - juris Rn. 138 ff.). Weiter hat der Gerichtshof der Europäischen Union zur Frage der Aufrechterhaltung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Aufhebung einer Rückkehrentscheidung ausgeführt, dass dem Wortlaut der Bestimmungen des Art. 3 Nr. 6 und des Art. 11 Abs. 1 RL 2008/115/EG zu entnehmen ist, dass ein Einreiseverbot die Rückkehrentscheidung dadurch ergänzen soll, dass dem Betroffenen verboten wird, während eines bestimmten Zeitraums nach seiner Rückkehr, also seiner Ausreise aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, erneut in dieses Gebiet einzureisen und sich darin aufzuhalten (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 - C-546/19 - Rn. 50 ff. und 52). Ein Einreiseverbot entfaltet folglich seine Wirkungen erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Betreffende das Hoheitsgebiet tatsächlich verlässt. Zwar kann ein Einreiseverbot, das unter die Richtlinie 2008/115/EG falle, seine individuellen Rechtswirkungen erst nach der - freiwilligen oder zwangsweisen - Vollstreckung der Rückkehrentscheidung entfalten, doch kann es nach der Aufhebung der Rückkehrentscheidung nicht aufrechterhalten werden (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 - C-546/19 - Rn. 54). 54 Der Senat hält in diesem Zusammenhang auch nach erneuter Prüfung an seiner Rechtsprechung (Beschlüsse vom 9. Mai 2019 - 1 C 14.19 - Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- und Asylrecht Nr. 100 und vom 6. Mai 2020 - 1 C 14.19 - Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- und Asylrecht Nr. 114 Rn. 2 ff.) fest, nach der der Gesetzgeber durch die gesetzliche Regelung in § 11 AufenthG und seine Begründungen zu § 11 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 AufenthG und seinen Vorgängerregelungen jedenfalls nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit hat erkennen lassen, dass er von der Option des Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2008/115/EG nicht nur partiell, sondern umfassend Gebrauch machen wollte. Wenngleich keine besonderen formellen Anforderungen an die Bekanntgabe eines entsprechenden Beschlusses zu stellen sind, so muss doch auch nach Auffassung der Europäischen Kommission ""aus den nationalen Rechtsvorschriften - explizit oder implizit - klar hervorgehen, ob und in welchem Umfang ein Mitgliedstaat die Ausnahmeregelung anwendet"" (vgl. Nr. 2 der Empfehlung 2017/2338 der Kommission vom 16. November 2017 für ein gemeinsames ""Rückkehr-Handbuch"", das von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Durchführung rückkehrbezogener Aufgaben heranzuziehen ist ; in diesem Sinne auch Augustin, Die Rückführungsrichtlinie der Europäischen Union, 2016, S. 181; ebenso Lutz, in: Thym/Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 3. Edition 2022, Art. 2 RL 2008/115/EG Rn. 6 auch zu den Konsequenzen eines nicht eindeutigen Opting-Out). Dem Gesetzgeber bleibt es indessen unbenommen, insoweit eine eindeutige Entscheidung zu treffen, der in der gebotenen Klarheit zu entnehmen ist, dass er von der Ausnahmeregelung des Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2008/115/EG, nach der die Mitgliedstaaten beschließen können, diese Richtlinie nicht auf Drittstaatsangehörige anzuwenden, die nach einzelstaatlichem Recht aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind oder gegen die ein Auslieferungsverfahren anhängig ist, umfassend Gebrauch macht (a.A. VGH Mannheim, Urteil vom 15. April 2021 - 12 S 2505/20 - juris Rn. 152 ff.). 55 Eine Rückkehrentscheidung, die mit dem an die Ausweisung anknüpfenden Einreise- und Aufenthaltsverbot einhergeht, ist hier trotz der Aufhebung der ausländerbehördlichen Abschiebungsandrohung und insoweit abweichend von dem der vorgenannten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zugrundeliegenden Sachverhalt im maßgeblichen Beurteilungszeitraum der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung der Tatsacheninstanz objektiv gegeben, da das Bundesamt im Bescheid vom 30. Oktober 2020 ebenfalls eine Abschiebungsandrohung erlassen hat. Auch geht das ausländerbehördliche Einreise- und Aufenthaltsverbot vorliegend mit der asylbehördlichen Abschiebungsandrohung des Bundesamts im Sinne des Art. 3 Nr. 6 RL 2008/115/EG einher bzw. begleitet dieses (vgl. hierzu Lutz, in: Thym/Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 3. Edition 2022, Art. 11 RL 2008/115/EG Rn. 7, der ausführt: ""The term 'accompanied' in Article 11 (1) therefore has to be interpreted as requiring in substance a connection between return decision and entry ban decision. It is, however, not necessary to take both decisions within one act.""). Ein Zusammenhang liegt bereits darin, dass die Beklagte vorliegend ihre ausländerbehördliche Abschiebungsandrohung allein aufgrund des durch den förmlich gestellten Asylantrag gestatteten Aufenthalts des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht aufgehoben hat. Die Beklagte ist des Weiteren für die Abschiebung und damit auch den Vollzug einer asylbehördlichen Abschiebungsandrohung nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zuständig. 56 Dem steht hier auch nicht entgegen, dass die asylrechtliche Abschiebungsandrohung durch eine andere Behörde und zeitlich nach dem Einreise- und Aufenthaltsverbot der Beklagten erlassen worden ist (s.o. unter 2.2.1.d). Wie bereits zuvor ausgeführt, ist es im Umkehrschluss zu Art. 6 Abs. 6 RL 2008/115/EG grundsätzlich zulässig, die dort genannten Entscheidungen, zu denen auch die Rückkehrentscheidung und das Einreise- und Aufenthaltsverbot zählen, in gesonderten Bescheiden und - jedenfalls bezogen auf die Rückkehrentscheidung - auch durch eine andere Behörde wie hier das Bundesamt zu erlassen. Vor allem aber lag die Rückkehrentscheidung in Gestalt der asylbehördlichen Abschiebungsandrohung im maßgeblichen Beurteilungszeitraum und vor der tatsächlichen Ausreise bzw. Abschiebung des Klägers vor, so dass das Einreiseverbot seine Wirkungen, nämlich dem Kläger eine Wiedereinreise und einen erneuten Aufenthalt im Bundesgebiet für einen bestimmten Zeitraum zu verbieten, noch entfalten konnte. Schließlich sind die erforderlichen Rechtsschutz- und Verfahrensgarantien, für deren Anwendung die Mitgliedstaaten unionsrechtlich mit Blick auf Kapitel III der Richtlinie 2008/115/EG zu sorgen haben, vorliegend eingehalten worden (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 - Rn. 60 f., vgl. auch die Ausführungen zu § 53 Abs. 4 AufenthG). Im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gebietet Unionsrecht vorliegend daher nicht den Erlass einer weiteren Rückkehrentscheidung durch die Beklagte. 57 cc) Die Beklagte hat das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach der revisionsgerichtlich im Ergebnis nicht zu beanstandenden Bewertung des Berufungsgerichts auch im Einklang mit § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 11 Abs. 2 Satz 1 RL 2008/115/EG frei von Ermessensfehlern auf einen Zeitraum von drei Jahren befristet. Die Beklagte muss bei der vorzunehmenden Befristung der Geltungsdauer des ausweisungsbedingten Einreise- und Aufenthaltsverbots einerseits Zweck und Gewicht der das Einreise- und Aufenthaltsverbot veranlassenden Verfügung oder Maßnahme und andererseits die schützenswerten Belange des Betroffenen berücksichtigen. Schützenswert sind solche persönlichen Belange, die dem Ausländer eine aufenthaltsrechtlich beachtliche Rückkehrperspektive vermitteln (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. September 2021 - 1 C 47.20 - NVwZ 2021, 1842 Rn. 14 f. m.w.N.). 58 Das Erfordernis einer Ermessensentscheidung ändert nichts am behördlichen Prüfprogramm. Die Ausländerbehörde muss bei der allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist das Gewicht des Ausweisungsinteresses und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck berücksichtigen. Hierzu bedarf es in einem ersten Schritt der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das seiner Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr trägt. Die auf diese Weise an der Erreichung des Ausweisungszwecks ermittelte Höchstfrist muss von der Behörde in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, das heißt verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG), sowie unions- und konventionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 7 GRC und Art. 8 EMRK gemessen und gegebenenfalls relativiert werden. Über dieses normative Korrektiv lassen sich auch bei einer Ermessensentscheidung die einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen begrenzen. Dabei sind von der zuständigen Behörde nicht nur die nach § 55 Abs. 1 und 2 AufenthG schutzwürdigen Bleibeinteressen des Ausländers in den Blick zu nehmen, sondern es bedarf nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls einer umfassenden Abwägung der betroffenen Belange. Da für die gerichtliche Überprüfung des Einreise- und Aufenthaltsverbots und seiner Befristung - wie oben dargelegt - auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen ist, trifft die Ausländerbehörde auch während des gerichtlichen Verfahrens eine Pflicht zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihrer Befristungsentscheidung und gegebenenfalls zur Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen (BVerwG, Urteile vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - BVerwGE 157, 325 Rn. 66 und vom 7. September 2021 - 1 C 47.20 - NVwZ 2021, 1842 Rn. 16 f.). 59 In Anwendung dieser Grundsätze genügen die Ausführungen der Beklagten noch den Anforderungen, die an eine Ermessensentscheidung insbesondere mit Blick auf die Berücksichtigung der Schutzwirkungen von Ehe und Familie zu stellen sind. So hat die Beklagte in der angefochtenen Verfügung durch den Hinweis auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK deutlich gemacht, dass sie ihre Pflicht zur Berücksichtigung der familiären Belange des Klägers erkannt hat. Auch hat sie bereits dort die Bindung an seine damalige Verlobte und heutige Ehefrau gewürdigt und sich im Rahmen ihrer ergänzenden Ermessenserwägungen, die in formeller Hinsicht noch den Anforderungen des § 114 Satz 2 VwGO genügen, mit der Beziehung des Klägers zu seiner Ehefrau noch hinreichend befasst, in dem sie ausdrücklich das Bestehen eines weiteren besonders schwerwiegenden Bleibeinteresses erkannt und auch gewürdigt hat, dass die Ehe mit seiner deutschen Ehefrau erst nach der Ankündigung aufenthaltsbeendender Maßnahmen geschlossen und die Eheleute daher nicht darauf vertrauen durften, ihre Ehe ohne zeitliche Unterbrechung im Bundesgebiet zu führen. Eine zwingende Notwendigkeit, die Ermessenserwägungen zur Geltungsdauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots mit Blick auf die Ehefrau nochmals zu ergänzen, bestand - im Unterschied zu dessen Beziehung zu seinem zwischenzeitlich geborenen jüngsten Kind, auf die die Beklagte in ihrem Schreiben vom 21. August 2020 ausführlich eingegangen ist - damit nicht. 60 Ohne Erfolg bleibt in diesem Zusammenhang die Rüge des Klägers, die Beklagte habe bei der Bemessung der Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots sein aufgrund seiner ihm drohenden politischen Verfolgung bestehendes besonderes Bleibeinteresse nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG berücksichtigen müssen. Insoweit wird auf die Ausführungen zur Frage der Berücksichtigung ""oberschwelliger"" bzw. ""unterschwelliger"" Nachteile im Heimatland verwiesen. 61 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2022-17,10.03.2022,"Pressemitteilung Nr. 17/2022 vom 10.03.2022 EN Keine Einsichtnahme der Überwachungsbehörde in ärztliche Patientenakten zur Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs Die für die Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs zuständigen Behörden sind nicht befugt, zur Kontrolle des Verschreibens von Betäubungsmitteln Einsicht in ärztliche Patientenakten zu nehmen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist Arzt und betreibt eine allgemeinmedizinische Praxis. Die Beklagte gab ihm auf, für 14 namentlich benannte Patienten und jeweils mehrjährige Zeiträume alle von ihm ausgestellten Betäubungsmittelrezepte sowie die Unterlagen vorzulegen, die die Betäubungsmittelverschreibungen medizinisch begründen können (z.B. Patientendokumentation, Arztbriefe, Befunde). Zur Begründung des Bescheides führte sie aus, bei routinemäßigen Kontrollen in Apotheken seien zahlreiche Verschreibungen des Klägers über (u.a.) die Betäubungsmittel Methylphenidat und Fentanyl aufgefallen. Die auffälligen Rezepte gäben Anlass zur Überprüfung, ob die Anwendung der verschriebenen Betäubungsmittel medizinisch indiziert gewesen sei. Die Prüfung sei ohne Einsicht in die Patientenakten nicht möglich. Das Verwaltungsgericht München hob den Bescheid auf, soweit er die Vorlage der Patientenunterlagen anordnet, und wies die Klage im Übrigen ab. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten änderte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil und wies die Klage insgesamt ab. Die auf vollständige Aufhebung des Bescheids gerichtete Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil geändert und die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG sind die Überwachungsbehörden befugt, Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr einzusehen und hieraus Abschriften oder Ablichtungen anzufertigen, soweit sie für die Sicherheit oder Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs von Bedeutung sein können. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, nicht nur Betäubungsmittelverschreibungen, sondern auch Patientenakten seien Unterlagen im Sinne von § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, verstößt gegen Bundesrecht. Die Auslegung der Vorschrift ergibt, dass sie auf Patientenakten keine Anwendung findet. Gemäß § 13 Abs. 1 BtMG dürfen Ärzte Betäubungsmittel nur verschreiben, wenn ihre Anwendung im menschlichen Körper begründet ist. Anhand der Angaben auf einem Betäubungsmittelrezept lässt sich die medizinische Begründung der Verschreibung nicht feststellen. Das Ziel, eine effektive Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs zu gewährleisten, kann daher dafürsprechen, den Überwachungsbehörden auch die Befugnis einzuräumen, ärztliche Patientenunterlagen einzusehen. § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG bietet für die Befugnis zur Einsicht in Patientenakten jedoch keine Grundlage. Weder Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm noch die Gesetzessystematik geben Anknüpfungspunkte dafür, dass Patientenakten nach dem Willen des Gesetzgebers von dem Begriff ""Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr"" umfasst sein sollen. Anders liegt es für die Befugnis zur Einsicht in Betäubungsmittelrezepte. Sie findet in § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, § 8 Abs. 5 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung eine hinreichend bestimmte und auch im Übrigen verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage. BVerwG 3 C 1.21 - Urteil vom 10. März 2022 Vorinstanzen: VGH München, VGH 20 BV 18.68 - Urteil vom 04. Juli 2019 - VG München, VG M 18 K 16.5287 - Urteil vom 27. September 2017 -","Urteil vom 10.03.2022 - BVerwG 3 C 1.21ECLI:DE:BVerwG:2022:100322U3C1.21.0 EN Befugnis der Überwachungsbehörde zur Einsicht in Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr Leitsatz: Die für die Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs bei Ärzten zuständigen Behörden sind nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG nicht befugt, Einsicht in ärztliche Patientenakten zu nehmen. Patientenakten sind keine Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr im Sinne der Vorschrift. Rechtsquellen BtMG § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3, § 19 Abs. 1 Satz 3, § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 24 Abs. 1 BtMVV § 1 Abs. 2, § 8 Abs. 1 und 5, § 9 Abs. 1 StGB § 203 Abs. 1 Nr. 1 GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 Satz 2 Instanzenzug VG München - 27.09.2017 - AZ: VG M 18 K 16.5287 VGH München - 04.07.2019 - AZ: VGH 20 BV 18.68 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 10.03.2022 - 3 C 1.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:100322U3C1.21.0] Urteil BVerwG 3 C 1.21 VG München - 27.09.2017 - AZ: VG M 18 K 16.5287 VGH München - 04.07.2019 - AZ: VGH 20 BV 18.68 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2022 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und Dr. Sinner für Recht erkannt: Die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Juli 2019 und des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2017 werden geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2016 wird in den Ziffern I.2, II., soweit sie sich auf Ziffer I.2 bezieht, und IV., soweit der Gesamtbetrag über 102,19 € hinausgeht, aufgehoben. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen. Der Kläger und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Gründe I 1 Der Kläger ist Diplom-Psychologe und Arzt mit einer allgemeinmedizinischen Praxis in München. Er wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem ihm aufgegeben wurde, für bestimmte Patienten und Zeiträume Betäubungsmittelrezepte und Patientenunterlagen vorzulegen. 2 Im Rahmen einer routinemäßigen betäubungsmittelrechtlichen Kontrolle in einer Apotheke im August 2013 fiel der Beklagten eine vom Kläger ausgestellte Betäubungsmittel-Verschreibung für seinen Sohn (geb. 1986) über den Wirkstoff Methylphenidat auf. Sie teilte dem Kläger schriftlich mit, sie habe Anlass zur Überprüfung, ob die Verschreibung medizinisch begründet gewesen sei, und forderte ihn auf, die Begründetheit durch entsprechende Patientenunterlagen zu belegen. Das Gesundheitsamt der Beklagten kam nach Prüfung der vom Kläger übermittelten Unterlagen zu der Bewertung, dass die Begründetheit der Verschreibung nicht ausreichend nachvollziehbar sei, weil im Verschreibungszeitpunkt keine gesicherte fachärztliche Diagnose vorgelegen habe. Bei zwei weiteren routinemäßigen Kontrollen in Apotheken im November 2013 und August 2014 fielen der Beklagten Betäubungsmittelverschreibungen des Klägers für drei Patienten über die Wirkstoffe Methylphenidat bzw. Fentanyl auf. Der Aufforderung, die medizinische Begründetheit der Verschreibungen durch Vorlage von Patientenunterlagen nachzuweisen sowie alle seit Januar 2013 für diese Patienten ausgestellten Betäubungsmittelrezepte einzureichen, kam der Kläger unter Verweis auf seine ärztliche Schweigepflicht nicht nach. Im Oktober 2015 führte die Beklagte eine unangekündigte Kontrolle in seiner Arztpraxis durch. Bei Durchsicht der Betäubungsmittelrezeptdurchschläge der letzten drei Jahre stufte sie Verschreibungen für zwölf Patienten (insgesamt 54 Rezepte) als auffällig ein. Die ärztliche Begründetheit der Verschreibungen habe im Rahmen des Praxisbesuchs nicht geklärt werden können, da der Kläger die Herausgabe von Patientenunterlagen abgelehnt habe. 3 Nach Anhörung des Klägers gab ihm die Beklagte durch Bescheid vom 20. Oktober 2016 auf, für vierzehn namentlich benannte Patienten und jeweils bestimmte Zeiträume alle von ihm ausgestellten Betäubungsmittel-Rezepte (Teil III) sowie alle fehlerhaft ausgestellten Betäubungsmittel-Rezepte (Teil I bis III) sortiert nach Ausstellungsdatum vorzulegen (Ziffer I.1). Des Weiteren verpflichtete sie den Kläger, die entsprechenden Unterlagen (z. B. Patientendokumentation, Arztbriefe, Befunde etc.) vorzulegen, die die Verschreibungen für die unter Ziffer I.1 genannten Patienten medizinisch begründen könnten (Ziffer I.2). Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Anordnungen wurde jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 1 000 € pro Patient angedroht (Ziffer II.). Außerdem erhob die Beklagte Verwaltungskosten in Höhe von 202,19 € (Ziffer IV.). Zur Begründung führte sie aus: Gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) sei sie befugt, Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr einzusehen, soweit sie für die Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs von Bedeutung sein könnten. Gemäß § 22 Abs. 2 BtMG könne sie die Maßnahme auch schriftlich anordnen. Der Kläger sei nach § 24 Abs. 1 BtMG verpflichtet, Einsicht in die Unterlagen zu ermöglichen. Unterlagen im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG seien nicht nur die nach den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften zu führenden Aufzeichnungen und aufzubewahrenden Belege, sondern Unterlagen jeglicher Art, die Auskunft über den Betäubungsmittelverkehr geben könnten. Gemäß § 13 Abs. 1 BtMG dürften Ärzte Betäubungsmittel nur verschreiben, wenn ihre Anwendung begründet sei. Ohne Einsicht in Patientenunterlagen könne sie nicht überprüfen, ob diese Vorgabe eingehalten sei. Die ärztliche Schweigepflicht werde durch § 22, § 24 BtMG eingeschränkt. Die Verpflichtung zur Vorlage der Betäubungsmittelrezepte ergebe sich aus § 8 Abs. 5 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV). 4 Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 27. September 2017 den Bescheid in den Ziffern I.2, II. und IV. aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Anordnung in Ziffer I.1 sei rechtmäßig. Die Betäubungsmittelrezepte seien Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr im Sinne von § 22 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Abs. 1 BtMG. Die Anordnung in Ziffer I.2 des Bescheides sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinem Grundrecht auf freie Berufsausübung. Die Einsicht in die ärztlichen Patientendokumentationen sei zwar zur Kontrolle der medizinischen Begründetheit der Verschreibungen geeignet und erforderlich. Patientenakten enthielten aber sehr sensible persönliche Daten. Der Eingriff in die Privatsphäre der Patienten sei daher nur angemessen, wenn konkrete Tatsachen vorlägen, die auf einen Verstoß gegen die Verschreibungsanforderungen des § 13 Abs. 1 BtMG hinwiesen. Solche Tatsachen habe die Beklagte nicht dargelegt. Wegen der Rechtswidrigkeit der Grundanordnung sei auch die auf Ziffer I.2 bezogene Zwangsgeldandrohung rechtswidrig. Die auf die Anordnung in Ziffer I.1 bezogene Androhung sei aufgrund des überhöhten Zwangsgeldbetrages ebenfalls rechtswidrig. Die Kostenentscheidung sei vollständig aufzuheben, weil ein Großteil der Bescheidanordnung rechtswidrig sei. 5 Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof durch Urteil vom 4. Juli 2019 die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Rechtsgrundlage der Ziffern I.1 und I.2 des angefochtenen Bescheides seien § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und § 24 Abs. 1 BtMG. Der Kläger verschreibe als Arzt Betäubungsmittel im Rahmen einer ärztlichen Behandlung. Damit nehme er am Betäubungsmittelverkehr teil. Sowohl die Betäubungsmittelrezepte als auch die Patientenakten bzw. -unterlagen seien Unterlagen im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, da sie der Durchführung und Dokumentation der Behandlung im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 BtMG unmittelbar dienten. Darüber hinaus gehende Anforderungen stelle § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG nicht. Der Wortlaut, Sinn und Zweck sowie die Entstehungsgeschichte der Regelung sprächen gegen das Erfordernis einer konkreten Gefahr. Die Überwachungsbehörden seien auch zu anlasslosen Stichproben- und Routinekontrollen befugt. Gegen diese Auslegung bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Wegen der Gefahren des Betäubungsmittelverkehrs komme einer wirksamen behördlichen Überwachung eine besondere Bedeutung zu. Der Schutz des herausragend wichtigen Gemeinwohlbelangs der Gesundheit der Bevölkerung rechtfertige die - auch anlasslose - Überwachung. Die in § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BtMG geregelte ärztliche Pflicht, Betäubungsmittel nur zu verschreiben, wenn ihre Anwendung medizinisch begründet sei, könne ohne Einsicht in die Patientenakte nicht überwacht werden. Der besonderen Schutzwürdigkeit des Arzt-Patienten-Verhältnisses sei im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Rechnung zu tragen. Danach sei die Anordnung der Beklagten nicht zu beanstanden. Sie sei geeignet und erforderlich, um die medizinische Begründetheit der Verschreibungen kontrollieren zu können. Der Eingriff in das durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Arzt-Patienten-Verhältnis sei auch angemessen. Es handele sich um eine anlassbezogene Kontrolle. Es gebe tatsächliche Anhaltspunkte, die auf einen möglichen Verstoß gegen § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BtMG hindeuteten. Der Bescheid sei auch im Übrigen rechtmäßig. Die angedrohten Zwangsgelder bewegten sich im unteren Bereich des gesetzlich vorgegebenen Rahmens. Der Ansatz je Patient sei gerechtfertigt, weil es sich bei jeder Patientenakte um einen Streitgegenstand handele. 6 Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend: § 22 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 24 Abs. 1 BtMG stellten keine Rechtsgrundlage für die Anordnung der Herausgabe von Patientenakten und die Verpflichtung des Arztes dar, seine ärztliche Schweigepflicht zu verletzen. Die Offenlegung der Krankengeschichte eines Patienten gegenüber der Beklagten greife in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Patienten ein. Auf der Grundlage von § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG sei der Eingriff nicht gerechtfertigt. Es liege ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Zitiergebot vor. Das Verschreiben von Betäubungsmitteln sei kein Betäubungsmittelverkehr, Patientenakten seien keine Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr. Selbst wenn die §§ 22, 24 BtMG den Überwachungsbehörden die Befugnis zur Einsicht in Patientenakten einräumten, könne eine solche Maßnahme nicht ohne konkreten Verdacht eines Verstoßes gegen § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BtMG zulässig sein. Dürfte die Beklagte die Herausgabe von ärztlichen Patientenakten bereits verlangen, wenn Verschreibungen lediglich ""aufgefallen"" seien, würde das gesetzlich geschützte Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ausgehöhlt. Die vom Verwaltungsgerichtshof getroffenen tatsächlichen Feststellungen ließen nicht den Schluss zu, es lägen Anhaltspunkte vor, die auf einen Verstoß gegen § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BtMG hindeuteten. Nach alledem verletze ihn die streitige Anordnung in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. 7 Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. 8 Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht trägt in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit vor, die Überwachung nach § 19 und § 22 BtMG umfasse im Rahmen der Verhältnismäßigkeit auch die Prüfung der einer Betäubungsmittelverschreibung zugrundeliegenden Unterlagen. Dies könne die Einsicht in die Patientendokumentation, Arztbriefe und Befunde einschließen. Betäubungsmittelrezepte und die Unterlagen, die die Verschreibung des Betäubungsmittels begründen könnten, seien Unterlagen im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Ohne die Befugnis, auch Patientenunterlagen zu sichten, liefe die behördliche Kontrolle der Begründetheit der Verschreibung ins Leere. II 9 Die zulässige Revision des Klägers ist zum Teil begründet. Das angegriffene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit der Verwaltungsgerichtshof angenommen hat, die von der Beklagten in Ziffer I.2 des angefochtenen Bescheides angeordnete Vorlage von Patientenunterlagen finde ihre Rechtsgrundlage in § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Aus der Vorschrift ergibt sich keine Befugnis der Beklagten zur Einsicht in ärztliche Patientenakten (1.). Im Einklang mit Bundesrecht hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die in Ziffer I.1 des Bescheides getroffene Anordnung rechtmäßig ist. Die Beklagte ist gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Abs. 1 BtMG, § 8 Abs. 5 BtMVV befugt, vom Kläger die Vorlage der Betäubungsmittelrezeptdurchschläge (Teil III) und der fehlerhaft ausgefertigten Betäubungsmittelrezepte für die benannten Patienten und die bestimmten Zeiträume zu verlangen (2.). Die Zwangsgeldandrohung und die Verwaltungskostenentscheidung sind danach rechtswidrig, soweit sie sich auf Ziffer I.2 des Bescheides beziehen (3.). Das führt unter Änderung der vorinstanzlichen Urteile zur Bescheidaufhebung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang und im Übrigen zur Zurückweisung der Revision (§ 144 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 10 1. Ziffer I.2 des angefochtenen Bescheides der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung. Die für die Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs bei Ärzten zuständigen Behörden sind nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG nicht befugt, Einsicht in ärztliche Patientenakten zu nehmen. 11 a) Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der auf § 22 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 BtMG, § 8 Abs. 5 BtMVV gestützten Überwachungsmaßnahme ist die (Sach- und) Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Danach ist hier auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 20. Oktober 2016 abzustellen. Zugrunde zu legen sind daher das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz - BtMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358) und die Verordnung über das Verschreiben, die Abgabe und den Nachweis des Verbleibs von Betäubungsmitteln (Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung - BtMVV) vom 20. Januar 1998 (BGBl. I S. 74, 80), beide in der Fassung der Verordnung vom 31. Mai 2016 (BGBl. I S. 1282). 12 Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 BtMG unterliegt der Betäubungsmittelverkehr (u. a.) bei Ärzten und in Apotheken der Überwachung durch die zuständigen Behörden der Länder. Dass die Beklagte nach Landesrecht die zuständige Überwachungsbehörde ist, ist unstreitig und für den Senat verbindlich von den Vorinstanzen zugrunde gelegt worden (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO). Gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG sind die mit der Überwachung beauftragten Personen befugt, Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr einzusehen und hieraus Abschriften oder Ablichtungen anzufertigen, soweit sie für die Sicherheit oder Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs von Bedeutung sein können. Nach § 22 Abs. 2 BtMG kann die zuständige Behörde Maßnahmen gemäß Absatz 1 Nr. 1 auch auf schriftlichem Wege anordnen. Gemäß § 24 Abs. 1 BtMG ist jeder Teilnehmer am Betäubungsmittelverkehr verpflichtet, die Maßnahmen nach § 22 BtMG zu dulden und die mit der Überwachung beauftragten Personen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen, insbesondere ihnen auf Verlangen Einsicht in Unterlagen zu ermöglichen. 13 Daraus ergibt sich keine Befugnis der Beklagten, von dem Kläger die Vorlage der ärztlichen Patientenakten zu verlangen. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof zutreffend angenommen, dass der Kläger am Betäubungsmittelverkehr teilnimmt (b). Ärztliche Patientenakten sind aber keine Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr im Sinne von § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG (c). 14 b) Das ärztliche Verschreiben von Betäubungsmitteln ist eine Teilnahme am Betäubungsmittelverkehr im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes und unterliegt der Überwachung nach § 19 Abs. 1 Satz 3 BtMG. Das ergeben Wortlaut und Systematik des Gesetzes und wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. 15 aa) Der Dritte Abschnitt des Gesetzes (§ 11 bis § 18 BtMG) trägt die Überschrift ""Pflichten im Betäubungsmittelverkehr"". § 13 BtMG regelt (u. a.) das ärztliche Verschreiben von Betäubungsmitteln. Nach dessen Absatz 1 dürfen die in Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel (vgl. § 1 Abs. 1 BtMG) von Ärzten nur dann verschrieben werden, wenn ihre Anwendung am oder im menschlichen Körper begründet ist (Satz 1). Die Anwendung ist insbesondere dann nicht begründet, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann (Satz 2). Die in Anlagen I und II bezeichneten Betäubungsmittel dürfen nicht verschrieben werden (Satz 3). Weitere Pflichten ergeben sich aus der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung, die auf der Grundlage von § 13 Abs. 3 BtMG erlassen worden ist. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 BtMG wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Verschreiben von den in Anlage III bezeichneten Betäubungsmitteln zu regeln, soweit es zur Sicherheit oder Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs erforderlich ist. § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG i. V. m. § 2 BtMVV legt für das Verschreiben durch den Arzt Beschränkungen hinsichtlich Zahl und Menge der Betäubungsmittel fest. § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 BtMG i. V. m. § 8 und § 9 BtMVV bestimmt Form und Inhalt der Verschreibung. Betäubungsmittel für Patienten und den Praxisbedarf dürfen nur auf einem dreiteiligen amtlichen Formblatt (Betäubungsmittelrezept) verschrieben werden (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BtMVV), auf dem die in § 9 Abs. 1 BtMVV bezeichneten Angaben zu vermerken sind. Daraus ist zu entnehmen, dass das ärztliche Verschreiben von Betäubungsmitteln von dem Begriff des Betäubungsmittelverkehrs (vgl. § 1 Abs. 2 BtMG) umfasst ist. 16 bb) Diese Auslegung wird durch § 19 Abs. 1 Satz 3 BtMG bestätigt. Die Formulierung ""Der Betäubungsmittelverkehr bei Ärzten, Zahnärzten und Tierärzten, ..."" bringt zum Ausdruck, dass Ärzte, die Betäubungsmittel verschreiben, am Betäubungsmittelverkehr teilnehmen. Dies lässt sich des Weiteren den in § 4 BtMG geregelten Ausnahmen von der Erlaubnispflicht nach § 3 BtMG entnehmen. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG bedarf einer Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, wer Betäubungsmittel anbauen, herstellen, mit ihnen Handel treiben, sie, ohne mit ihnen Handel zu treiben, einführen, ausführen, abgeben, veräußern, sonst in den Verkehr bringen oder erwerben will. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BtMG bedarf einer Erlaubnis nach § 3 BtMG nicht, wer im Rahmen des Betriebs einer öffentlichen Apotheke oder einer Krankenhausapotheke in Anlage III bezeichnete Betäubungsmittel auf Grund ärztlicher Verschreibung abgibt. Ebenfalls keiner Erlaubnis bedarf, wer in Anlage III bezeichnete Betäubungsmittel auf Grund ärztlicher Verschreibung erwirbt (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BtMG). Entsprechend sieht § 12 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a BtMG vor, dass die Anforderungen des § 12 Abs. 1 und 2 BtMG an Abgabe und Erwerb eines Betäubungsmittels nicht gelten bei Abgabe von in Anlage III bezeichneten Betäubungsmitteln auf Grund ärztlicher Verschreibung im Rahmen des Betriebs einer Apotheke. Diese Regelungen zeigen, dass die ärztliche Verschreibung die sonst für die Abgabe und den Erwerb von Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis ersetzt (BVerwG, Urteil vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - BVerwGE 158, 142 Rn. 20) und den Verkehr des verschriebenen Betäubungsmittels ermöglicht. 17 cc) Die Auslegung wird auch durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Danach ist unter dem Begriff ""Sicherheit oder Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs"" die Gesamtheit der Maßnahmen und Vorkehrungen zu verstehen, die der Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs dienen. Damit sollte zum einen der Aspekt der Sicherung des legalen Betäubungsmittelverkehrs ""von der Herstellung bzw. der Einfuhr über den Handel bis zur Abgabe an den Verbraucher"" abgedeckt werden und zum anderen der Aspekt der Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs durch die Überwachungsbehörden (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts, BT-Drs. 8/3551 S. 26 f.). In der Begründung zum Zweiten Abschnitt des Gesetzes (§§ 3 ff. BtMG) heißt es, dass die Erlaubnis nach § 3 BtMG nur den Betäubungsmittelverkehr im engeren Sinn abdecken solle, das heißt die Handlungen, die erlaubnisfähig seien. Davon abzugrenzen sei der Betäubungsmittelverkehr im weiteren Sinn, der auch Tätigkeiten des Arztes wie Verschreiben, Verabreichen und Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch umfasse. Diese Handlungen seien nicht erlaubnisfähig und die sie betreffenden Regelungen würden deshalb aus gesetzessystematischen Gründen nicht im Zweiten Abschnitt getroffen, sondern im § 13 (vgl. BT-Drs. 8/3551 S. 27; Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 8/3551, Anlage 3, S. 50). Daraus ergibt sich das klare Regelungsziel des Gesetzgebers, das ärztliche Verschreiben von Betäubungsmitteln in den Begriff des Betäubungsmittelverkehrs einzubeziehen. 18 dd) Danach umfasst die Überwachung nach § 19 Abs. 1 Satz 3 BtMG das ärztliche Verschreiben von Betäubungsmitteln. Der Einwand des Klägers, das Verschreiben sei kein Betäubungsmittelverkehr, weil es in § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG nicht genannt werde, greift nicht durch. Die Vorschrift bezeichnet allein die erlaubnisfähigen Arten des Betäubungsmittelverkehrs. Dazu zählen die in § 13 BtMG geregelten ärztlichen Tätigkeiten nicht, die der Normgeber - wie gezeigt - als nicht erlaubnisfähige Handlungen klassifiziert hat. 19 c) Die Auslegung von § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG ergibt, dass die Vorschrift auf ärztliche Patientenakten (aa) keine Anwendung findet. Weder ihr Wortlaut (bb) und ihre Entstehungsgeschichte (cc) noch die gesetzliche Systematik (dd) bieten Anknüpfungspunkte dafür, dass Patientenakten nach dem Willen des Gesetzgebers von dem Begriff ""Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr"" umfasst sein sollen. Die teleologische Betrachtung führt zu keinem anderen Auslegungsergebnis (ee). Für das Ergebnis sprechen zudem verfassungsrechtliche Gründe (ff). 20 aa) Der Begriff der Patientenakte meint die ärztlichen Aufzeichnungen über die Behandlung des Patienten, also insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien sowie Arztbriefe (vgl. § 630f BGB; § 10 Abs. 1 der Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte i. d. F. vom 14. Mai 2015, DÄ 2015, A 1348). 21 bb) § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG enthält den Begriff der Patientenakte oder Ähnliches nicht. Nach dem Wortlaut bezieht sich die Befugnis zur Einsicht auf ""Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr"". Der Verkehr mit Betäubungsmitteln umfasst - wie ausgeführt - neben den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG bezeichneten erlaubnisfähigen Tätigkeiten auch den nicht erlaubnisfähigen ärztlichen Umgang mit Betäubungsmitteln nach § 13 BtMG wie Verschreiben, Verabreichen und Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch. ""Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr"" sind demgemäß Unterlagen über diese Tätigkeiten. 22 (1) Es ist nicht zweifelhaft, dass Betäubungsmittelrezepte zu diesen Unterlagen zählen. Das ausgefertigte Betäubungsmittelrezept erlaubt dem Apotheker, das vom Arzt verschriebene Betäubungsmittel an den Patienten abzugeben, und dem Patienten, es zu erwerben (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c, Nr. 3 Buchst. a, § 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 BtMG, § 1 Abs. 2 BtMVV). Verschreiben, Abgabe und Erwerb von Betäubungsmitteln sind der Betäubungsmittelverkehr, das Rezept ist eine Unterlage über diesen Verkehr. Das Gleiche gilt für Verschreibungen für den Praxisbedarf eines Arztes (vgl. § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 3, § 8 Abs. 1 Satz 1 BtMVV). 23 Entsprechend sind die ärztlichen Aufzeichnungen zum Nachweis von Verbleib und Bestand der Betäubungsmittel für den Praxisbedarf Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr. Aus dem Praxisbedarf dürfen Ärzte Betäubungsmittel verabreichen oder zum unmittelbaren Verbrauch überlassen. Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 BtMG i. V. m. § 1 Abs. 3 Nr. 2 BtMVV sind der Verbleib und der Bestand der Betäubungsmittel lückenlos nachzuweisen. Der Nachweis ist nach amtlichem Formblatt zu führen. Dazu können Karteikarten, Betäubungsmittelbücher oder EDV-Ausdrucke verwendet werden (vgl. § 13 BtMVV). Verabreichen und Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch sind in diesem Zusammenhang der Betäubungsmittelverkehr; die Karteikarten, Betäubungsmittelbücher oder EDV-Ausdrucke sind Unterlagen über diesen Verkehr. 24 Das Herstellen und das Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln gehören zu den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG bezeichneten Tätigkeiten. Die betrieblichen und geschäftlichen Aufzeichnungen über diesen Betäubungsmittelverkehr sind daher ebenfalls Unterlagen im Sinne von § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Das Gleiche gilt für Betriebs- und Geschäftsunterlagen über andere in § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG benannte Betäubungsmittelverkehre (vgl. Cremer-Schaeffer, in: Hügel/Junge/Lander/Winkler, Deutsches Betäubungsmittelrecht - Kommentar, 8. Aufl., 19. Akt.-Lief., § 22 BtMG Rn. 2; Hochstein, in: Bohnen/Schmidt, BtMG, 2020, § 22 Rn. 4; Weber, in: Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl. 2021, § 22 Rn. 8). 25 (2) Danach spricht der Begriff ""Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr"" nicht für eine Einbeziehung ärztlicher Patientenakten. Die Patientenakte dient der Dokumentation der ärztlichen Behandlung des Patienten. Sie soll sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzeichnen (vgl. § 630f Abs. 2 BGB). Da dazu insbesondere Diagnosen und therapeutische Maßnahmen zählen, ist in der Patientenakte die Indikation für das Verschreiben eines der in Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel zu dokumentieren. Die Indikationsstellung ist eine ärztliche Aussage über den Patienten, die der Verschreibung vorausgeht. Aus diesem Zusammenhang zu folgern, dass nicht nur das Betäubungsmittelrezept, sondern auch die Patientenakte eine ""Unterlage über den Betäubungsmittelverkehr"" darstellt, überschreitet zwar nicht die Wortlautgrenze. Der Wortlaut legt diese Auslegung aber nicht nahe. Sie setzt voraus, dass bereits die Indikationsstellung als Betäubungsmittelverkehr einzustufen wäre. Dafür bietet der Begriff ""Verkehr mit Betäubungsmitteln"" allerdings keine Stütze. Aus dem zweiten Halbsatz des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG ergibt sich nichts Abweichendes. Überwachungspersonen sind hiernach nicht befugt, Unterlagen einzusehen, die für die Sicherheit oder Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs von Bedeutung sein können, sondern ""befugt, Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr einzusehen, soweit sie für die Sicherheit oder Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs von Bedeutung sein können"". Danach ist der zweite Halbsatz keine inhaltliche Bestimmung des Begriffs ""Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr"". Er beschränkt die Befugnis zur Einsicht auf solche Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr, die für die Sicherheit oder Kontrolle des Verkehrs von Bedeutung sein können (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts, BT-Drs. 8/3551, Anlage 2 , S. 42 f. und Anlage 3 , S. 51 ). 26 cc) Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht gegen die Einbeziehung von ärztlichen Patientenakten. 27 (1) Auf der Grundlage des Opiumgesetzes vom 10. Dezember 1929 (RGBl. I S. 215), das zuletzt durch Gesetz vom 22. Dezember 1971 geändert worden war (BGBl. I S. 2092), sowie der Verordnung über das Verschreiben Betäubungsmittel enthaltender Arzneien und ihre Abgabe in den Apotheken i. d. F. der Bekanntmachung vom 24. April 1963 (BGBl. I S. 216), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. April 1971 (BGBl. I S. 317), mussten Ärzte, wenn sie an einem Tag für einen Kranken mehr als 2 g Opium oder mehr als o,2 g Morphin verschrieben, hierüber Aufzeichnungen in einem besonderen Buch (Morphinbuch) machen. Aus den Aufzeichnungen über den Krankheitsfall musste auch die vom Arzt festgestellte Erkrankung zu ersehen sein, die das Überschreiten der Menge von 2 g Opium bzw. 0,2 g Morphin notwendig machte. War die Arznei für einen Betäubungsmittelsüchtigen bestimmt, hatte der Arzt in dem Morphinbuch zusätzliche Angaben zu vermerken. Auf Verlangen hatte der Arzt das Buch dem zuständigen beamteten Arzt vorzulegen (vgl. § 9 Abs. 2, § 11 der Verordnung). Über jede Verschreibung einer Kokain enthaltenden Arznei hatten Ärzte ein Kokainbuch zu führen. Bei Verschreibungen für einen Kranken zu dessen eigenem Gebrauch mussten die Aufzeichnungen die vom Arzt festgestellte Erkrankung, die das Verschreiben der Arznei notwendig machte, enthalten. Das Kokainbuch war ebenfalls auf Verlangen vorzulegen (§ 15, § 18 der Verordnung). Über die Verschreibung von Arzneien, die andere Betäubungsmittel enthalten, mussten die Ärzte nicht Buch führen. 28 Die Verordnung über das Verschreiben Betäubungsmittel enthaltender Arzneien und ihre Abgabe in den Apotheken wurde durch die Verordnung über das Verschreiben, die Abgabe und den Nachweis des Verbleibs von Betäubungsmitteln (Betäubungsmittel-Verschreibungs-Verordnung - BtMVV) vom 24. Januar 1974 (BGBl. I S. 110) ersetzt (vgl. § 20 BtMVV 1974), die auf der Grundlage des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) i. d. F. der Bekanntmachung vom 10. Januar 1972 (BGBl. I S. 1) erlassen wurde. Die ärztlichen Dokumentationspflichten beschränkten sich auf die in die Verschreibung aufzunehmenden Angaben (§ 6 Abs. 2 Satz 2, § 10 Abs. 1 BtMVV 1974). Die Morphin- und Kokainbücher wurden abgeschafft. 29 (2) Aufzeichnungs- und Vorlagepflichten wie bei den Morphin- und Kokainbüchern ergaben sich auch nicht aus den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes in der Neufassung vom 10. Januar 1972, die das Opiumgesetz ersetzte (vgl. Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln vom 22. Dezember 1971 ). Gemäß § 2 Abs. 2 BtMG 1972 waren das Bundesgesundheitsamt oder die sonst zuständige Stelle berechtigt, die Örtlichkeiten, in denen die Betäubungsmittel gewonnen, hergestellt, verarbeitet, aufbewahrt, feilgehalten oder abgegeben wurden, sowie Beförderungsmittel zu besichtigen (Satz 1). Auf Verlangen war über Ort, Zeit und Menge der Ein- und Ausfuhr, über Lieferer und Empfänger sowie über alle die Gewinnung, die Herstellung, die Verarbeitung der Betäubungsmittel, den Verkehr mit ihnen und den Bestand betreffenden Fragen Auskunft zu erteilen (Satz 3) und Einsicht in die geschäftlichen Aufzeichnungen und Bücher zu gewähren (Satz 4). Danach sah das Betäubungsmittelgesetz von 1972 keine Befugnis der Überwachungsbehörden zur Einsicht in ärztliche Patientenakten oder -unterlagen vor. Dass sie von dem Begriff der geschäftlichen Aufzeichnung und Bücher erfasst sein sollten, liegt fern. Geregelt war allerdings, dass bestraft wird, wer als Arzt ein Betäubungsmittel verschreibt oder abgibt, wenn die Anwendung nicht ärztlich begründet ist (§ 11 Abs. 1 Nr. 9 Buchst. a BtMG 1972). § 4 BtMVV 1974 bestimmte, dass Ärzte Betäubungsmittel nur verschreiben durften, wenn ihre Anwendung am oder im menschlichen Körper begründet war (ebenso die Vorgängerregelung des § 6 der Verordnung von 1963). 30 (3) Durch das Gesetz zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts vom 28. Juli 1981 (BGBl. I S. 681) erhielt § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG seine bis heute unveränderte Fassung. In den Gesetzesmaterialien (Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts, BT-Drs. 8/3551, Begründung, S. 34 ) wird darauf verwiesen, da Betäubungsmittel zum großen Teil auch Arzneimittel seien, liege es nahe, die Überwachungsvorschriften an die Vorschriften im elften Abschnitt des Arzneimittelgesetzes von 1976 - insbesondere § 64 Abs. 4 und 5, § 65, § 66 und § 68 - anzulehnen. Weiter heißt es, dass damit zugleich der sachliche Inhalt der Regelungen in § 2 Abs. 2 und 3 BtMG 1972 ersetzt werde. Die Begründung befasst sich außerdem mit dem Wohnungsbegriff in Art. 13 GG, bei dem nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwischen Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten und Wohnräumen im weiteren Sinne sowie zwischen Geschäfts- und Nichtgeschäftszeiten unterschieden werden müsse. Schließlich wird angemerkt, dass eine regelmäßige Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs mit vertretbarem Aufwand nur bei Herstellern und Großhändlern erfolgen könne. Auf ärztliche Patientenakten oder -unterlagen geht die Begründung nicht ein. 31 Danach ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber den Überwachungsbehörden mit der in § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG getroffenen Regelung auch die Einsicht in ärztliche Patientenakten ermöglichen wollte. Die Begründung befasst sich aus Anlass der in § 22 Abs. 1 Nr. 3 BtMG geregelten Befugnis, Räumlichkeiten zu betreten und zu besichtigen, mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Wohnungsbegriff in Art. 13 GG. Es hätte nahegelegen, dass die Begründung bei einer Einbeziehung von Patientenakten in die Regelung des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum verfassungsrechtlichen Schutz von ärztlichen Patientenunterlagen eingeht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 8. März 1972 - 2 BvR 28/71 - BVerfGE 32, 373 und vom 24. Mai 1977 - 2 BvR 988/75 - BVerfGE 44, 353 ). Jedenfalls wäre ein Hinweis in den Gesetzesmaterialien zu erwarten gewesen, dass die Einsichtsbefugnis sich auch auf ärztliche Patientenunterlagen erstrecken soll. Denn damit wäre die Neuregelung über die Befugnis des § 2 Abs. 2 Satz 4 BtMG 1972 (""Einsicht in die geschäftlichen Aufzeichnungen und Bücher"") erheblich hinausgegangen. Tatsächlich beschränkt sich die Begründung - wie gezeigt - auf den bloßen Hinweis, dass mit der neuen Bestimmung der sachliche Inhalt von § 2 Abs. 2 BtMG 1972 ersetzt wird. Das weist auf eine vom Normgeber bezweckte Fortführung des bisherigen Regelungskonzepts hin. 32 Aus der Anlehnung an die Überwachungsvorschriften im Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) vom 24. August 1976 (BGBl. I S. 2445, 2448) ergibt sich nichts Abweichendes. Gemäß § 64 Abs. 4 Nr. 2 AMG 1976 waren die mit der Überwachung beauftragten Personen befugt, Unterlagen über Herstellung, Prüfung, Erwerb, Lagerung, Verpackung, Inverkehrbringen und sonstigen Verbleib der Arzneimittel sowie über das im Verkehr befindliche Werbematerial und über die nach § 94 erforderliche Deckungsvorsorge einzusehen und hieraus Abschriften oder Ablichtungen anzufertigen. Patientenakten oder -unterlagen waren in § 64 Abs. 4 Nr. 2 AMG 1976 nicht benannt. 33 Auch sonst ergeben sich aus den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte, dass von der Einsichtsbefugnis nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG ärztliche Patientenakten umfasst sein sollen. Im allgemeinen Teil der Begründung wird dargelegt, Zweck des Gesetzes sei, den Verkehr mit Betäubungsmitteln so zu regeln, dass dessen Sicherheit und Kontrolle gewährleistet seien (BT-Drs. 8/3551 S. 23). Dass den Überwachungsbehörden zu diesem Zweck die Befugnis zur Einsicht in ärztliche Patientenunterlagen eingeräumt werden soll, lässt sich der Begründung nicht entnehmen (vgl. BT-Drs. 8/3551 S. 23 f., S. 26 f. , S. 31 f. und S. 33 ). 34 dd) Die gesetzliche Systematik legt gleichfalls nahe, dass ärztliche Patientenakten nicht in den Unterlagenbegriff des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG einbezogen sind. 35 (1) Nach § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BtMG können in der Rechtsverordnung nach Satz 1 insbesondere Meldungen der verschreibenden Ärzte an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte über das Verschreiben eines Substitutionsmittels für einen Patienten in anonymisierter Form (Buchst. a) und Mitteilungen des Bundesinstituts an die zuständigen Überwachungsbehörden und an die verschreibenden Ärzte über die Patienten, denen bereits ein anderer Arzt ein Substitutionsmittel verschrieben hat, in anonymisierter Form (Buchst. c) sowie Art der Anonymisierung, Form und Inhalt der Meldungen und Mitteilungen vorgeschrieben werden. Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 5 BtMG dürfen die Empfänger nach Satz 2 Nr. 3 die übermittelten Daten nicht für einen anderen als den in Satz 1 genannten Zweck verwenden. In Bezug auf Daten von Patienten, denen Betäubungsmittel verschrieben wurden, enthält das Betäubungsmittelgesetz keine Regelungen zum Datenschutz. Auch § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG sieht solche Schutzbestimmungen nicht vor. Dass die Vorschrift die Befugnis zur Einsicht in ärztliche Patientenakten mit ihren sehr sensiblen persönlichen Daten umfassen soll, liegt deshalb nicht nahe. 36 (2) Gemäß § 5 Abs. 10 BtMVV hat der Arzt, der Substitutionsmittel verschreibt, die Erfüllung seiner Verpflichtungen nach den vorstehenden Absätzen sowie nach § 5a Abs. 2 und 4 BtMVV im erforderlichen Umfang und nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft zu dokumentieren (Satz 1). Die Dokumentation ist auf Verlangen der zuständigen Landesbehörde zur Einsicht und Auswertung vorzulegen oder einzusenden (Satz 2). Eine im Wesentlichen gleichlautende Regelung trifft § 5 Abs. 11 BtMVV i. d. F. vom 18. Mai 2021 (BGBl. I S. 1096). 37 Für Ärzte, die Betäubungsmittel verschreiben, besteht eine solche Regelung nicht. Bei ihnen beschränken sich die Dokumentationspflichten darauf, Abweichungen von den Vorschriften zur Zahl der verschriebenen Betäubungsmittel und zu den festgesetzten Höchstmengen auf der Verschreibung durch Angabe des Buchstaben ""A"" zu kennzeichnen (§ 2 Abs. 2 BtMVV) sowie in das Betäubungsmittelrezept die in § 9 Abs. 1 BtMVV bezeichneten Angaben aufzunehmen. Des Weiteren hat der Arzt gemäß § 8 Abs. 5 BtMVV Teil III der Verschreibung und die Teile I bis III der fehlerhaft ausgefertigten Betäubungsmittelrezepte drei Jahre aufzubewahren und auf Verlangen der nach § 19 Abs. 1 Satz 3 BtMG zuständigen Landesbehörde einzusenden oder Beauftragten dieser Behörde vorzulegen. Eine Verpflichtung des verschreibenden Arztes, der zuständigen Landesbehörde Patientenakten oder -unterlagen zur Einsicht vorzulegen oder einzusenden, regelt die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung nicht. 38 (3) Gemäß § 64 Abs. 4 AMG sind die mit der Überwachung beauftragten Personen befugt, Unterlagen u. a. über Inverkehrbringen und sonstigen Verbleib der Arzneimittel einzusehen (Nr. 2) und Abschriften oder Ablichtungen von Unterlagen nach Nummer 2 anzufertigen oder zu verlangen, soweit es sich nicht um personenbezogene Daten von Patienten handelt (Nr. 2a). Der Zusatz ""soweit es sich nicht um personenbezogene Daten von Patienten handelt"" ist durch Gesetz vom 7. September 1998 (BGBl. I S. 2649) eingefügt worden. Damit sollte Erfordernissen des Datenschutzes Rechnung getragen werden (Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, BT-Drs. 13/9996 S. 16). Für im Rahmen einer klinischen Prüfung erhobene personenbezogene Patientendaten gilt zudem, dass die betroffene Person über Zweck und Umfang der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten, insbesondere von Gesundheitsdaten zu informieren ist. Sie ist insbesondere darüber zu informieren, dass die erhobenen Daten soweit erforderlich zur Einsichtnahme durch die Überwachungsbehörde zur Überprüfung der ordnungsgemäßen Durchführung der klinischen Prüfung bereitgehalten werden (§ 40 Abs. 2a Satz 1, Satz 2 Nr. 1 Buchst. a AMG i. d. F. des Gesetzes vom 30. Juli 2004 ; mit Wirkung vom 27. Januar 2022: § 40b Abs. 6 Satz 2, Satz 3 Nr. 1 Buchst. a AMG i. d. F. des Gesetzes vom 20. Dezember 2016 und des Gesetzes vom 27. September 2021 ). Mit der Einfügung von § 40 Abs. 2a AMG sollte ebenfalls datenschutzrechtlichen Anforderungen Rechnung getragen werden (Entwurf eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung, BT-Drs. 15/2849 S. 60). 39 Demgegenüber ist die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, die - wie gezeigt - an § 64 Abs. 4 AMG angelehnt ist, seit ihrem Inkrafttreten (1. Januar 1982) unverändert geblieben. Anpassungen im Hinblick auf Erfordernisse des Datenschutzes hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen. Das spricht gegen die Auslegung, § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG räume den Überwachungsbehörden die Befugnis zur Einsicht in ärztliche Patientenakten ein. Dass der Gesetzgeber die mit einer solchen Einsichtsbefugnis verbundenen datenschutzrechtlichen Anforderungen übersehen haben könnte, liegt nicht nahe. 40 ee) Die teleologische Betrachtung führt zu keinem anderen Auslegungsergebnis. 41 (1) Die Ziele des Betäubungsmittelgesetzes, den Verkehr mit Betäubungsmitteln so zu regeln, dass dessen Sicherheit und Kontrolle gewährleistet sind, und dem Schutz der menschlichen Gesundheit zu dienen (BT-Drs. 8/3551 S. 23), können zwar dafürsprechen, den Überwachungsbehörden die Befugnis einzuräumen, Einsicht in Patientenakten zu nehmen, soweit sie für die Sicherheit oder Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs von Bedeutung sind. Die Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs ist gefährdet, wenn Ärzte Betäubungsmittel verschreiben, ohne dass ihre Anwendung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 BtMG begründet ist. Durch Einsicht in Betäubungsmittelrezepte kann die zuständige Überwachungsbehörde überprüfen, ob bei den Verschreibungen die Vorschriften über Zahl und Mengen der Betäubungsmittel (§ 2 BtMVV) sowie über Form und Inhalt (§ 8 und § 9 BtMVV) eingehalten sind und ob die Rezepte ordnungsgemäß aufbewahrt werden (§ 8 Abs. 4 und 5 BtMVV). Ob die Verschreibung im Sinne von § 13 Abs. 1 BtMG begründet ist, lässt sich anhand des Betäubungsmittelrezepts nicht klären. Die Anwendung eines Betäubungsmittels am oder im menschlichen Körper ist begründet, wenn nach anerkannten Regeln der ärztlichen Wissenschaft eine Indikation für die Anwendung besteht, also das verschriebene Betäubungsmittel im Rahmen einer medizinischen Behandlung zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden soll (BVerwG, Urteil vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - BVerwGE 158, 142 Rn. 16 m. w. N.). Auf dem Betäubungsmittelrezept sind gemäß § 9 Abs. 1 BtMVV Name, Vorname und Anschrift des Patienten anzugeben, für den das Betäubungsmittel bestimmt ist (Nr. 1), das Ausstellungsdatum (Nr. 2), Bezeichnung (Nr. 3) und Menge des verschriebenen Mittels (Nr. 4), eine Gebrauchsanweisung mit Einzel- und Tagesangabe (Nr. 5), Name, Berufsbezeichnung und Anschrift einschließlich Telefonnummer des verschreibenden Arztes (Nr. 7) sowie dessen Unterschrift, im Vertretungsfall darüber hinaus der Vermerk ""i.V."" (Nr. 9). Im Fall des § 2 Abs. 2 Satz 2 BtMVV ist der Buchstabe ""A"" anzugeben (§ 9 Abs. 1 Nr. 6 BtMVV), im Fall des § 2 Abs. 3 BtMVV der Vermerk ""Praxisbedarf"" anstelle der Angaben in den Nummern 1 und 5 (§ 9 Abs. 1 Nr. 8 BtMVV). Danach ergeben sich aus dem Rezept nicht die Gründe für die Verschreibung. Dass die Anwendung des verschriebenen Betäubungsmittels begründet ist, wird sich daher ohne Einsicht in die entsprechenden Unterlagen aus der Patientenakte nicht feststellen lassen. 42 (2) Das rechtfertigt jedoch kein anderes Auslegungsergebnis. 43 Auch ohne Befugnis der Überwachungsbehörden zur Einsicht in Patientenakten bleibt das Verbot, Betäubungsmittel ohne medizinische Begründung zu verschreiben, nicht ohne Kontrolle. Das Verschreiben von Betäubungsmitteln entgegen § 13 Abs. 1 BtMG ist gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a BtMG strafbewehrt. Bei hinreichendem Tatverdacht gegen den Arzt kann die Staatsanwaltschaft auf richterliche Anordnung die Arztpraxis durchsuchen (§§ 102, 105 Abs. 1 StPO) und nach Maßgabe von §§ 94 ff. StPO unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots Patientenakten beschlagnahmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 - BVerfGE 113, 29; Kammerbeschluss vom 29. Juli 2002 - 2 BvR 708/02 - juris). Ob jenseits der Kontrolle durch die Strafverfolgungsbehörden auch die Überwachungsbehörden nach § 19 Abs. 1 Satz 3 BtMG befugt sein sollen, ärztliche Patientenunterlagen einzusehen, ist eine vom Gesetzgeber zu entscheidende Frage. Wie gezeigt, ergeben die drei übrigen Auslegungsmethoden keine Anhaltspunkte, dass Patientenakten nach dem Willen des Gesetzgebers von dem Unterlagenbegriff des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG umfasst sein sollen. Dieser Befund kann durch die teleologische Betrachtung nicht überwunden werden. 44 ff) Das Auslegungsergebnis wird darüber hinaus durch eine verfassungsrechtliche Betrachtung gestützt. Eingriffe in das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Grundrechtsbeschränkung klar und für die Grundrechtsträger erkennbar ergeben. § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG würde diese Anforderungen in Bezug auf eine Befugnis zur Einsicht in Patientenakten nicht erfüllen. 45 (1) Ärztliche Patientenakten betreffen mit ihren Angaben über Anamnese, Untersuchungsergebnisse, Diagnose und therapeutischen Maßnahmen sensible Daten aus dem privaten Bereich des Patienten. Damit nehmen sie teil an dem Schutz, den das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG dem Einzelnen vor dem Zugriff der öffentlichen Gewalt gewährt (BVerfG, Beschlüsse vom 8. März 1972 - 2 BvR 28/71 - BVerfGE 32, 373 <379> und vom 24. Mai 1977 - 2 BvR 988/75 - BVerfGE 44, 353 <372 f.>). Der verfassungsrechtliche Schutz der Privatsphäre des Einzelnen umfasst auch die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Insoweit gewährleistet das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung von persönlichen Gesundheitsdaten zu bestimmen (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u. a. - BVerfGE 65, 1 <43>; Beschluss vom 24. Juni 1993 - 1 BvR 689/92 - BVerfGE 89, 69 <82 f.>; Kammerbeschluss vom 6. Juni 2006 - 2 BvR 1349/05 - GesR 2007, 41 <42>). Wer sich in ärztliche Behandlung begibt, muss und darf erwarten, dass alles, was der Arzt im Rahmen seiner Berufsausübung über seine gesundheitliche Verfassung erfährt, geheim bleibt und nicht zur Kenntnis Unberufener gelangt. Nur so kann zwischen Patient und Arzt jenes Vertrauen entstehen, das zu den Grundvoraussetzungen ärztlichen Wirkens zählt, weil es die Chancen der Heilung vergrößert und damit - im Ganzen gesehen - der Aufrechterhaltung einer leistungsfähigen Gesundheitsversorgung dient (BVerfG, Beschluss vom 8. März 1972 - 2 BvR 28/71 - BVerfGE 32, 373 <379 f.>; Kammerbeschlüsse vom 6. Juni 2006 - 2 BvR 1349/05 - GesR 2007, 41 <42>, vom 22. Januar 2015 - 2 BvR 2049/13 u. a. - juris Rn. 40 und vom 8. September 2017 - 1 BvR 1657/17 - GesR 2017, 739 <740>). 46 Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nimmt zudem an dem Schutz teil, den das Grundrecht auf freie Berufsausübung dem Arzt vor Eingriffen in seine berufliche Tätigkeit gewährt. Aus Art. 12 Abs. 1 GG ergibt sich das Recht des Arztes, grundsätzlich nicht an der Erfüllung seiner ärztlichen Schweigepflicht gehindert zu werden (BVerwG, Urteil vom 11. Mai 1989 - 3 C 68.85 - BVerwGE 82, 56 <59>; BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1977 - 2 BvR 988/75 - BVerfGE 44, 353 <372>; Kammerbeschluss vom 29. Juli 2002 - 2 BvR 708/02 - juris Rn. 5; ebenso für das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant: BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 - 2 BvR 1520/01 u. a. - BVerfGE 110, 226 <252>; Beschluss vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 - BVerfGE 113, 29 <48 f.>; Kammerbeschluss vom 27. Juni 2018 - 2 BvR 1405/17 u. a. - NJW 2018, 2385 Rn. 68). Auch einfachrechtlich sind das Recht und die Pflicht des Arztes zur Verschwiegenheit geschützt (vgl. z. B. § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB; § 53 Abs. 1 Nr. 3, § 97 Abs. 1 bis 3 StPO; siehe auch § 9 MBO-Ä 1997). 47 (2) Ärztliche Patientenakten sind dem Zugriff der öffentlichen Gewalt nicht absolut entzogen. Die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen von Arzt und Patient müssen zurücktreten, wenn überwiegende Belange des Gemeinwohls dies erfordern und das Verhältnismäßigkeitsgebot gewahrt ist (BVerfG, Beschlüsse vom 8. März 1972 - 2 BvR 28/71 - BVerfGE 32, 373 <380>, vom 24. Mai 1977 - 2 BvR 988/75 - BVerfGE 44, 353 <373 ff.> und vom 24. Juni 1993 - 1 BvR 689/92 - BVerfGE 89, 69 <84>; Kammerbeschlüsse vom 29. April 1996 - 1 BvR 1226/89 - NJW 1997, 1633 <1634> und vom 29. Juli 2002 - 2 BvR 708/02 - juris; BVerwG, Urteil vom 11. Mai 1989 - 3 C 68.85 - BVerwGE 82, 56 <60 f.>; BGH, Urteil vom 3. Dezember 1991 - 1 StR 120/90 - BGHSt 38, 144 <147 f.>). Eingriffe in das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art.  12 Abs. 1 GG klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u. a. - BVerfGE 65, 1 <44>; Beschluss vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 - BVerfGE 113, 29 <50>; Kammerbeschluss vom 6. Juni 2006 - 2 BvR 1349/05 - GesR 2007, 41 <43>). 48 (3) Diesen Anforderungen an die Ausgestaltung der gesetzlichen Eingriffsgrundlage genügt § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG in Bezug auf ärztliche Patientenakten nicht. Arzt und Patient können der Vorschrift nicht entnehmen, dass und unter welchen Voraussetzungen die Überwachungsbehörde befugt ist, die Patientenakte einzusehen, um die Begründetheit der Verschreibung des Betäubungsmittels zu kontrollieren. Weder Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm noch die Gesetzessystematik geben - wie dargelegt - Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Begriff der Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr auch Patientenakten gemeint sind. Die Festlegung der Eingriffsschwelle für die Maßnahme (vgl. BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 u. a. - BVerfGE 120, 378 <428>) ergibt sich aus § 22 BtMG ebenfalls nicht. 49 2. Die in Ziffer I.1 des Bescheides getroffene Anordnung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. 50 Die Verfassungsmäßigkeit der in § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, § 8 Abs. 5 BtMVV geregelten Befugnis zur Einsicht in Betäubungsmittelrezepte unterliegt keinen Bedenken. Ein Verstoß gegen das Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG) liegt nicht vor. Das in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte allgemeine Persönlichkeitsrecht einschließlich seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie die durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsausübungsfreiheit gehören nicht zu den Grundrechten, die dem Zitiergebot unterliegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1983 - 1 BvL 46/80 u. a. - BVerfGE 64, 72 <79 ff.>; Kammerbeschluss vom 22. August 2006 - 2 BvR 1345/03 - NJW 2007, 351 Rn. 63 f.). § 22 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Abs. 1 BtMG, § 8 Abs. 5 BtMVV stellen im Hinblick auf Betäubungsmittelrezepte auch eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage dar. Dass Betäubungsmittelrezepte Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr im Sinne von § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG sind, lässt sich der Regelung im Wege der Auslegung - wie bereits ausgeführt - eindeutig entnehmen. § 8 Abs. 5 BtMVV regelt ausdrücklich, dass der Arzt Teil III der Verschreibung und die Teile I bis III der fehlerhaft ausgefertigten Betäubungsmittelrezepte nach Ausstellungsdaten oder nach Vorgabe der zuständigen Landesbehörde geordnet drei Jahre aufzubewahren und auf Verlangen der nach § 19 Abs. 1 Satz 3 BtMG zuständigen Landesbehörde einzusenden oder Beauftragten dieser Behörde vorzulegen hat. 51 Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der in Ziffer I.1 des Bescheides getroffenen Maßnahme sind nicht geltend gemacht und nicht ersichtlich. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die die Einsicht in die Betäubungsmittelrezepte rechtfertigen. Diese Würdigung ist nach den in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die gemäß § 137 Abs. 2 VwGO für den Senat verbindlich sind, nicht zu beanstanden. 52 3. Wegen der Rechtswidrigkeit von Ziffer I.2 des Bescheides ist auch die Zwangsgeldandrohung rechtswidrig und aufzuheben, soweit sie sich auf die Anordnung zur Vorlage der Patientenunterlagen bezieht. Soweit sich die Zwangsgeldandrohung auf die Anordnung zur Vorlage der Betäubungsmittelrezepte bezieht, hat der Verwaltungsgerichtshof die auf Landesrecht gestützte Androhung nicht beanstandet. Ein Verstoß gegen Bundesrecht ist nicht geltend gemacht und nicht ersichtlich. Die teilweise Aufhebung der im Bescheid getroffenen Entscheidung über die Verwaltungskosten beruht auf der Aufhebung von Ziffer I.2. Der Senat hat die erhobene Gebühr (200 €) anteilig reduziert. 53 Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO." bverwg_2022-18,15.03.2022,"Pressemitteilung Nr. 18/2022 vom 15.03.2022 EN Bundesinnenministerium durfte Einvernehmen zu Berliner Aufnahmeanordnung für zusätzliche ""Moria-Flüchtlinge"" versagen Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat das nach § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit erforderliche Einvernehmen zu einer humanitären Anordnung des Landes Berlin vom Juni 2020 über die Aufnahme von 300 besonders schutzbedürftigen Personen aus dem (ehemaligen) Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos rechtmäßig versagt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom heutigen Tage entschieden. Die Aufnahmeanordnung des Klägers vom Juni 2020 zielte auf eine zusätzliche Linderung der humanitären Notlage für Schutzsuchende in dem überfüllten (später durch einen Brand zerstörten) griechischen Aufnahmelager. Das BMI lehnte die Erteilung des Einvernehmens im Juli 2020 ab, weil schon die Voraussetzungen für eine Landesaufnahmeanordnung nicht erfüllt seien und zudem die Bundeseinheitlichkeit nicht gewahrt werde. § 23 Abs. 1 AufenthG bilde keine Rechtsgrundlage für Kontingentaufnahmen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Diese Regelung setze die Feststellung des humanitären Schutzbedarfs vor der Einreise voraus. Hielten sich Geflüchtete bereits in einem anderen Mitgliedstaat auf, komme dem unionsrechtlichen Aufnahmeinstrument der Dublin III-VO gegenüber nationalen Aufnahmen einzelner deutscher Länder der Vorrang zu. Die beabsichtigte humanitäre Aufnahme durch ein Land sei auch nicht kohärent mit den vom Bund selbst getroffenen Maßnahmen. Dieser habe im Rahmen eines europäisch abgestimmten Vorgehens u.a. für eine bestimmte Anzahl kranker Kinder und ihrer Familien die Zuständigkeit für die Durchführung der Asylverfahren übernommen, ohne diesen sofort eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Im Bereich der Außen- und Europapolitik komme dem Bund, der sich für ein auf europäischer Ebene koordiniertes Vorgehen entschieden habe, die alleinige Zuständigkeit zu. Das bei verwaltungsrechtlichen Bund-Länder-Streitigkeiten in erster und letzter Instanz zuständige Bundesverwaltungsgericht hat die Klage des Landes Berlin abgewiesen. Die Versagung des Einvernehmens zu der Anordnung war rechtmäßig. Das Aufenthaltsgesetz eröffnet der obersten Landesbehörde mit der Befugnis zur gruppenbezogenen Aufnahme von Ausländern aus humanitären Gründen ein weites politisches Ermessen. Eine Aufnahmeanordnung bedarf nach der mit dem Grundgesetz vereinbaren Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG indes zu ihrer Wirksamkeit des Einvernehmens des BMI. Die Entscheidung über das Einvernehmen dient der Wahrung der Bundeseinheitlichkeit und ist an diesem Zweck auszurichten. Bundeseinheitlichkeit bezieht sich auf eine im Grundsatz einheitliche Behandlung der fraglichen Personengruppe im Bundesgebiet und zielt unter anderem auf die Verhinderung negativer Auswirkungen auf die anderen Länder oder den Bund. Dies berechtigt das BMI im Grundsatz auch, ein koordiniertes Vorgehen aller oder mehrerer durch das Gemeinsame Europäische Asylsystem zusammengeschlossenen Mitgliedstaaten durch eine kohärente und einheitliche Vertretung der Bundesrepublik Deutschland zu befördern. Hat der Bund in eigener Zuständigkeit Ausländer aus der fraglichen Gruppe aus denselben humanitären Gründen aufgenommen, darf er einem Landesaufnahmeprogramm zudem bei fehlender Kohärenz mit den eigenen, auf dieselbe Personengruppe bezogenen Maßnahmen das Einvernehmen verweigern. Bei der Bewertung der Erheblichkeit von Uneinheitlichkeiten im Einzelfall hat das BMI einen Beurteilungsspielraum. Nach diesen Grundsätzen war eine Rechtswidrigkeit der Versagung des Einvernehmens hier nicht festzustellen, selbst wenn die unionsrechtlichen Vorschriften über Asylverfahren einschließlich der Zuständigkeitsregeln für deren Durchführung einer humanitären Landesaufnahme nicht von vornherein entgegenstanden. Das BMI hat rechtsfehlerfrei auch darauf abgestellt, dass die Aufnahmeanordnung Berlins zu einer - grundlegend - unterschiedlichen Rechtsstellung von Personen aus demselben griechischen Flüchtlingslager im Bundesgebiet geführt hätte. Denn die vom Bund aufgenommenen Personen haben lediglich eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung eines ergebnisoffenen Asylverfahrens erhalten. Die vom Kläger beabsichtigte humanitäre Aufnahme hätte hingegen zur sofortigen Erteilung von längerfristigen, zunächst auf drei Jahre befristeten Aufenthaltserlaubnissen geführt, ohne dass der Schutzbedarf auch in Bezug auf das jeweilige Herkunftsland zuvor geprüft worden wäre. BVerwG 1 A 1.21 - Urteil vom 15. März 2022","Urteil vom 15.03.2022 - BVerwG 1 A 1.21ECLI:DE:BVerwG:2022:150322U1A1.21.0 EN Versagung des Einvernehmens des BMI zu Berliner Aufnahmeanordnung für zusätzliche ""Moria-Flüchtlinge"" Leitsätze: 1. Die Anordnung der obersten Landesbehörde nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, einer bestimmten Ausländergruppe aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, ist eine politische Leitentscheidung, die gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) bedarf. 2. Das Land kann eine Versagung des - zweckgebundenen - Einvernehmens im verwaltungsrechtlichen Bund-Länder-Streit überprüfen lassen; dafür fehlt es nicht von vornherein an der Klagebefugnis. 3. Das gesetzliche Erfordernis des Einvernehmens ist eine im Einklang mit Art. 84 Abs. 1 Satz 5 und 6 GG stehende Regelung des Verwaltungsverfahrens durch den Bund, von der die Länder gemäß § 105a AufenthG nicht abweichen dürfen. 4. Das BMI muss seine Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens an dem ihm (allein) zugewiesenen Belang der Bundeseinheitlichkeit ausrichten. Bei der Konkretisierung des Begriffs der Bundeseinheitlichkeit ist ihm ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum eingeräumt. 5. Bundeseinheitlichkeit bezieht sich auf eine im Grundsatz einheitliche Behandlung der fraglichen Personengruppe im Bundesgebiet und zielt unter anderem auf die Verhinderung negativer Auswirkungen auf die anderen Länder oder den Bund. 6. Hat der Bund in eigener Zuständigkeit Ausländer aus der fraglichen Gruppe aus denselben humanitären Gründen aufgenommen, darf das BMI einer Landesaufnahmeanordnung auch bei fehlender Kohärenz mit den eigenen, auf dieselbe Personengruppe zielenden Maßnahmen das Einvernehmen verweigern. 7. Das BMI ist im Grundsatz auch berechtigt, ein koordiniertes Vorgehen aller oder mehrerer durch das Gemeinsame Europäische Asylsystem zusammengeschlossener Mitgliedstaaten durch eine kohärente und einheitliche Vertretung der Bundesrepublik Deutschland zu befördern. Rechtsquellen AufenthG § 23 Abs. 1, § 26 Abs. 2, § 105a GG Art. 72 Abs. 2, Art. 73 Abs. 1 Nr. 3, Art. 74 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 6, Art. 83, 84 Abs. 1 und 5 Dublin III-VO Art. 17 Abs. 2 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 15.03.2022 - 1 A 1.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:150322U1A1.21.0] Urteil BVerwG 1 A 1.21 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß und Böhmann und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp und Fenzl für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Gründe I 1 Das klagende Land Berlin begehrt die Feststellung, dass die Versagung des Einvernehmens durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (seit 8. Dezember 2021: Bundesministerium des Innern und für Heimat; im Folgenden: BMI) zu einer nach § 23 Abs. 1 AufenthG beabsichtigten Anordnung über die Erteilung humanitärer Aufenthaltserlaubnisse für 300 als besonders schutzbedürftig definierte Personen aus dem (ehemaligen) Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos rechtswidrig war. 2 Im Laufe des Jahres 2019 verschlechterten sich die Lebensbedingungen in den - zunehmend überfüllten - Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln. In Reaktion darauf beschloss im März 2020 der Koalitionsausschuss der Bundesregierung, Griechenland im Rahmen einer europäischen Lösung bei der schwierigen humanitären Lage von etwa 1 000 bis 1 500 dringend behandlungsbedürftigen oder unbegleiteten Kindern auf den griechischen Inseln zu unterstützen und einen angemessenen Anteil dieser Kinder zu übernehmen. Parallel stimmten mehrere EU-Mitgliedstaaten unter Federführung der Europäischen Kommission Verfahrensregeln (Standard Operating Procedures, SOP) ab, nach denen die freiwilligen Übernahmen durch die sich beteiligenden Mitgliedstaaten erfolgen sollten. Darin war vorgesehen, dass der jeweilige Mitgliedstaat die Zuständigkeit für das Asylverfahren der ausgewählten Personen nach Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO übernimmt. In Umsetzung dieser Vorhaben nahm die Beklagte rund 50 unbegleitete Minderjährige sowie 243 kranke Kinder mit ihren Kernfamilien (insgesamt rund 930 Personen) in Deutschland auf und verteilte diese auf die Länder. 3 Der Kläger bekräftigte im April 2020 seine Bereitschaft, weitere mindestens 70 unbegleitete Minderjährige aufzunehmen, sofern das BMI das Einvernehmen zu einer entsprechenden Aufnahmeanordnung des Landes erteile. Das BMI kündigte mit Schreiben vom 7. Mai 2020 die Ablehnung des Einvernehmens an. 4 In der Folge legte der Kläger dem BMI eine vom 9. Juni 2020 datierende humanitäre Aufnahmeanordnung mit der Bitte um Erteilung des Einvernehmens vor. Diese sah die Erteilung von Visa und Aufenthaltserlaubnissen für zunächst drei Jahre an bis zu 300 Personen vor, die sich zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Anordnung im Aufnahmelager Moria auf der Insel Lesbos in Griechenland aufhalten und (nach bestimmten, im Einzelnen aufgeführten Kriterien) besonders schutzbedürftig sind. Die Aufnahmeanordnung sollte bis zum 30. Juni 2021 gelten. Die begünstigten Personen waren bis zum 31. Juli 2020 auszuwählen. Der Kläger wies darauf hin, die nur vulnerable Personen betreffende Anordnung widerspreche nicht den Regeln der Dublin III-VO, den Bemühungen um eine europäische Lösung oder dem Vorgehen anderer Länder. Die Bundeseinheitlichkeit fehle nicht deshalb, weil nicht alle, sondern nur einige Länder Interesse an einer Aufnahme bekundet und Anordnungen ausgearbeitet hätten. 5 Mit Schreiben vom 8. Juli 2020 lehnte das BMI die Erteilung des Einvernehmens ab. Es führte zur Begründung aus, die rechtlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 AufenthG seien nicht erfüllt, und die Bundeseinheitlichkeit werde nicht gewahrt. Die Aufnahmeanordnung stehe unvermeidbar im Widerspruch zu den Zielen der Dublin III-VO. Die Beklagte habe zur Unterstützung Griechenlands bei der Bewältigung der humanitären Lage und zur Verbesserung der Situation von Kindern in ""Hotspotlagern"" bereits die Übernahme eines angemessenen Anteils im Rahmen europäischer Maßnahmen beschlossen. Das Übernahmeverfahren finde freiwillig und europäisch koordiniert auf der Grundlage des Selbsteintrittsrechts nach der Dublin III-VO statt. Ziel sei die Durchführung eines ergebnisoffenen Asylverfahrens. Demgegenüber führe die vom Kläger beabsichtigte humanitäre Aufnahme unmittelbar zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Mit Blick auf die bundeseinheitliche Behandlung gelte es zu vermeiden, dass für denselben Personenkreis aufgrund zweier Rechtsgrundlagen verschiedene Rechtsfolgen getroffen werden. Auch aus operativer Sicht sei es nicht sinnvoll, wenn einzelne Länder von den zwischenstaatlichen Vereinbarungen abweichende eigene Verfahren und Auswahlkriterien für die Aufnahme Geflüchteter aus denselben Lagern implementierten. Im Übrigen spiegele das Einvernehmenserfordernis die Alleinzuständigkeit des Bundes für die Außen- und Europapolitik wider. Eine eigenständige politische Gestaltungsbefugnis der Länder laufe einer europäischen Lösung zuwider. 6 Am 8./9. September 2020 wurde das Flüchtlingslager Moria durch mehrere Brände nahezu vollständig zerstört und sodann geräumt. Die Schutzsuchenden wurden überwiegend in umliegend neu errichteten Flüchtlingslagern untergebracht. Daraufhin beteiligte sich die Beklagte an der - mit weiteren EU-Mitgliedstaaten abgestimmten - Aufnahme von 400 weiteren unbegleiteten Minderjährigen, indem sie 150 dieser Minderjährigen in Deutschland aufnahm. Zur Linderung der humanitären Notlage erließ das BMI zudem eine Anordnung gemäß § 23 Abs. 2 AufenthG zur Aufnahme von 1 553 Personen, die von der griechischen Asylbehörde als international schutzberechtigt anerkannt worden waren. 7 Nach einem weiteren Schriftwechsel der Beteiligten hat der Kläger am 13. Januar 2021 Klage beim Bundesverwaltungsgericht erhoben. Er macht geltend, das Rechtsschutzinteresse sei weiterhin gegeben. Werde gleichwohl von einer Erledigung der Aufnahmeanordnung ausgegangen, sei das Begehren als Feststellungsklage statthaft. Die Versagung des Einvernehmens hält der Kläger für rechtswidrig. Der Anwendungsvorrang der Dublin III-VO stehe einer Aufnahmeanordnung nach § 23 Abs. 1 AufenthG nicht entgegen. Die humanitäre Landesaufnahme sei ein die Dublin III-VO und das Asylverfahren ergänzendes Aufnahmeinstrument. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Aufnahmeanordnung der obersten Landesbehörde seien erfüllt. Die Anordnung sei unstreitig durch humanitäre Gründe motiviert und ziele auf einen temporären Schutz. Das Gesetz weise den Ländern die zentrale politische Gestaltungsbefugnis zu. Demgegenüber sei die Entscheidung des BMI über die Erteilung des Einvernehmens an den Zweck der ""Wahrung der Bundeseinheitlichkeit"" gebunden. Der Begriff der ""Bundeseinheitlichkeit"" sei einschränkend auszulegen. Dies ergebe sich aus der grundgesetzlichen Verteilung der Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern, aus dem Grundsatz der Bundestreue und aus der hier betroffenen konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Aufenthaltsrecht, deren Inanspruchnahme an die Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG gebunden sei. Nur unter diesen Voraussetzungen dürfe dann auch das Einvernehmen versagt werden. Eine Versagung komme nur in Betracht, wenn sich einzelne Länder zulasten anderer Länder oder des Bundes allzu weit von einer bundeseinheitlichen Rechtsanwendung entfernten, also eine Rechtszersplitterung drohe. Diese hohe Schwelle sei hier nicht erreicht. Aufgrund der vorgesehenen Kostentragungspflicht des Klägers seien nachteilige Auswirkungen der Aufnahme auf die Haushalte anderer Länder oder des Bundes ausgeschlossen. Weiteren Nachteilen beuge die Wohnsitzauflage vor. Die vom BMI angeführten außen-, europa- oder migrationspolitischen Gründe hätten keinen Bezug zur Bundeseinheitlichkeit. 8 Der Kläger beantragt festzustellen, dass die Beklagte ihr Einvernehmen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zur Durchführung des Erlasses des Klägers vom 9. Juni 2020 über die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für 300 besonders schutzbedürftige Personen aus Griechenland rechtswidrig verweigert hat. 9 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 10 Sie verteidigt die Versagung des Einvernehmens durch das BMI. 11 Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht an dem Verfahren. 12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen. II 13 Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. 14 1. Die Klage ist zulässig. 15 1.1 Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten und die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts sind gegeben. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen einem Land und dem Bund (§ 50 Abs. 1 Nr. 1, § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Grundlage für den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Erteilung des Einvernehmens zu einer gruppenbezogenen Anordnung der Aufnahme von Ausländern durch die oberste Landesbehörde ist § 23 Abs. 1 AufenthG, eine einfach-rechtliche Norm. Kern des Rechtsstreits ist nicht die - weder substantiiert in Frage gestellte noch im Ergebnis zweifelhafte (s.u.) - Vereinbarkeit des gesetzlichen Einvernehmenserfordernisses mit dem Grundgesetz, sondern die Rechtmäßigkeit der Versagung des Einvernehmens durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) im konkreten Einzelfall. Das streitige Rechtsverhältnis wurzelt damit nicht primär im verfassungsrechtlichen Grundverhältnis von Bund und Land. Der Annahme eines Verwaltungsrechtsstreits steht es in diesem Fall nicht entgegen, wenn der Ausgang des Rechtsstreits zugleich durch verfassungsrechtliche Aspekte beeinflusst wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. März 2002 - 9 A 16.01 - BVerwGE 116, 92 <93> und vom 24. Januar 2007 - 3 A 2.05 - BVerwGE 128, 99 Rn. 15 und Beschlüsse vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 <260> m.w.N. und vom 10. August 2011 - 6 A 1.11 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 305 Rn. 6). 16 Das Bundesverwaltungsgericht hat im ersten und letzten Rechtszug über die Klage zu entscheiden (§ 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Diese Zuständigkeitsvorschrift ist einschränkend auszulegen und nur auf Streitigkeiten anzuwenden, die in ihrer Eigenart gerade durch die Beziehungen zwischen dem Bund und den Ländern geprägt sind und sich ihrem Gegenstand nach einem Vergleich mit landläufigen Streitigkeiten entziehen. Das trifft aber jedenfalls für Streitigkeiten zu, bei denen über die Abgrenzung der beiderseitigen Hoheitsbefugnisse und Kompetenzbereiche zu entscheiden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1994 - 11 A 1.92 - BVerwGE 96, 45 <49>; Beschlüsse vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 <260 f.> und vom 9. Mai 2019 - 4 VR 1.19 - Buchholz 310 § 44a VwGO Nr. 17 Rn. 8). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Das klagende Land und die beklagte Bundesrepublik streiten über die Reichweite der Befugnis des BMI, zu der humanitären Aufnahmeanordnung des Klägers nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vom 9. Juni 2020 das Einvernehmen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zu verweigern; es geht somit um die Abgrenzung der jeweiligen Kompetenzbereiche von Bund und Land bei der Anwendung des § 23 Abs. 1 AufenthG. 17 1.2 Zu Recht hat der Kläger zuletzt einen Feststellungsantrag gestellt und nicht (mehr) die Verpflichtung oder Verurteilung zur Erteilung des Einvernehmens begehrt. Denn das Begehren auf Erteilung des Einvernehmens hatte sich bereits vor Klageerhebung dadurch erledigt, dass die in der Aufnahmeanordnung vom 9. Juni 2020 vorgesehene Frist für die Auswahl der begünstigten Personen am 31. Juli 2020 abgelaufen war; darauf, dass die Aufnahmeanordnung zwischenzeitlich auch außer Kraft getreten wäre, kommt es daher nicht mehr an. Eine Verpflichtungsklage, die einschlägig wäre, wenn es sich bei dem Einvernehmen des BMI um einen Verwaltungsakt handelte, ist nach Erledigung des Verpflichtungsbegehrens nicht mehr statthaft (vgl. Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 42 Rn. 69 und 350; Wolff, ebenda, § 113 Rn. 303). Für eine allgemeine Leistungsklage fehlte es jedenfalls am Rechtsschutzinteresse, wenn und weil die begehrte Leistung dem Kläger zweifelsfrei keinen Nutzen mehr bringen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 1. Oktober 2015 - 7 C 8.14 - BVerwGE 153, 99 Rn. 19 m.w.N. und vom 10. Oktober 2019 - 10 C 2.19 - Buchholz 442.43 BADV Nr. 1 Rn. 18). 18 1.3 Ob das in § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG vorgesehene Einvernehmen des BMI die Rechtsqualität eines Verwaltungsakts hat, kann der Senat auch mit Blick auf das zur Entscheidung gestellte Feststellungsbegehren offenlassen, weil dessen Zulässigkeit (und Begründetheit) hiervon nicht abhängt. Der Antrag des Klägers ist entweder als - nachträgliche - Feststellungsklage (§ 43 VwGO) oder als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (dazu a)). In beiden Fällen ist die Klage auch im Übrigen zulässig (dazu b) bis e)). 19 a) Ist das Einvernehmen ein durch das adressierte Land grundsätzlich mit der Leistungsklage zu erstreitendes Internum (in diese Richtung etwa BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 - 9 A 24.01 - BVerwGE 116, 175 <186 f.>), so ist der Klageantrag als allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Bei dem Streit um die Frage, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erteilung des Einvernehmens zu seiner Aufnahmeanordnung vom 9. Juni 2020 hatte oder ob das BMI die Erteilung des Einvernehmens rechtmäßig versagt hat, handelt es sich um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im dort genannten Sinne. Gegenstand der Feststellungsklage kann auch ein - wie hier - vergangenes Rechtsverhältnis sein (vgl. Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 16). Sofern es sich bei dem Einvernehmen des BMI hingegen - mit Blick auf die Rechtswirkung im Verhältnis zum Land als selbstständigem Rechtsträger - um einen Verwaltungsakt handelt, ist der Antrag als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist auf die Fallgestaltung eines vor Klageerhebung erledigten Verpflichtungsbegehrens (doppelt) analog anzuwenden (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2007 - 6 C 47.06 - Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 3 Rn. 11 und 12; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 90, Bamberger, in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 113 Rn. 73 f.). 20 b) Der Kläger hat unter den hier gegebenen Umständen ein sowohl bei der Feststellungsklage (vgl. § 43 Abs. 1 VwGO) als auch bei der Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliches berechtigtes, schutzwürdiges Interesse an der Feststellung, dass die Weigerung der Beklagten, das Einvernehmen zu erteilen, rechtswidrig war. Ein solches Interesse, das bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen muss (BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2017 - 10 C 2.16 - Buchholz 415.10 KommWahlR Nr. 11 Rn. 13), ist wegen Wiederholungsgefahr gegeben, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Verwaltungsentscheidung oder Maßnahme ergehen wird (stRspr, zur Fortsetzungsfeststellungsklage vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2007 - 6 C 47.06 - Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 3 Rn. 13 m.w.N.; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 90 f. ). In Anbetracht des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ist dabei nicht die Prognose erforderlich, dass einem zukünftigen behördlichen Vorgehen in allen Einzelheiten die gleichen Umstände zugrunde liegen werden, wie dies vor Erledigung des Verwaltungsakts der Fall war. Für das Feststellungsinteresse ist vielmehr entscheidend, ob die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen künftigen Verwaltungshandelns unter Anwendung der dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften geklärt werden können (BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2007 - 6 C 47.06 - Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 3 Rn. 13). 21 Das ist hier der Fall. Der Kläger hat glaubhaft angekündigt, auch in Zukunft aus humanitären Gründen zugunsten von Drittstaatsangehörigen, die sich etwa in Griechenland unter problematischen Lebensbedingungen aufhalten, Aufnahmeanordnungen nach § 23 Abs. 1 AufenthG erlassen zu wollen. Er hat auch hinreichend dargetan, dass es sich bei den die Aufnahmeanordnung motivierenden Verhältnissen im (ehemaligen) griechischen Aufnahmelager Moria nicht um ein einmaliges und vorübergehendes, sondern ein nach den Erfahrungen der Vergangenheit längerfristiges oder jedenfalls wiederholt auftretendes Problem handelt. Bei den vorausgesetzten vergleichbaren Umständen ist erneut mit einer Versagung des Einvernehmens durch das BMI zu rechnen, denn dieses hält an seiner Rechtsauffassung fest. 22 c) Der Kläger ist auch klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). 23 Er stützt sich mit § 23 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 AufenthG auf Rechtsnormen, die zumindest auch seinen rechtlich geschützten Interessen zu dienen bestimmt sind. Zwar dienen die genannten Regelungen der Kompetenzabgrenzung im Bund-Länder-Verhältnis und begründen kein subjektives Recht im klassischen Sinne. Auch zwischen Hoheitsträgern können aber wehrfähige Kompetenzen oder Wahrnehmungszuständigkeiten bestehen, die der Gesetzgeber mit einer subjektiv-öffentlichen Rechten vergleichbaren Rechtsdurchsetzungsmacht ausgestattet hat (vgl. Wahl/Schütz, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 41. EL, Stand Juli 2021, § 42 Abs. 2 VwGO Rn. 95 ff.). 24 § 23 Abs. 1 AufenthG ist - auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung von Bund und Ländern - dahin auszulegen, dass dem Land grundsätzlich ein durchsetzbarer Anspruch auf Erteilung des Einvernehmens zustehen kann. Einfach-rechtlich vermittelt § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG den Ländern im Bereich der humanitären Aufnahme von Ausländergruppen einen Raum für eigene politische Entscheidungsbefugnisse. Diese Rechtsstellung ist durch die Notwendigkeit des Einvernehmens zwar beschränkt, wird dadurch aber nicht aufgehoben. Denn das Einvernehmen dient nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Regelung der Wahrung der Bundeseinheitlichkeit und ist an diesem Zweck auszurichten (siehe näher unter 2.3 a)). Es darf also jedenfalls nicht aus beliebigen Gründen verweigert werden (vgl. zu einer umgekehrten Konstellation BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 - 9 A 24.01 - BVerwGE 116, 175 <187>). Die Einhaltung der an diese Begrenzung zu stellenden Anforderungen - wie weit diese auch immer reichen mögen - müssen die Länder verwaltungsgerichtlich überprüfen lassen können. 25 Dies findet seine Bestätigung in der zugrundeliegenden verfassungsrechtlichen Verteilung der Verwaltungskompetenzen. Die der obersten Landesbehörde in § 23 Abs. 1 AufenthG zugewiesene Anordnungskompetenz ist Ausdruck der Befugnis der Länder zur Ausführung des Aufenthaltsgesetzes als eigene Angelegenheit (Art. 83 und 84 GG). Die in diesem Rahmen vorgesehene Kompetenzaufteilung dient dazu, die Länder vor einem Eindringen des Bundes in den ihnen vorbehaltenen Bereich der Verwaltung zu schützen (BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433, 2434/04 - BVerfGE 119, 331 <364>). Anders als bei der Bundesauftragsverwaltung gemäß Art. 85 GG (dazu BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2002 - 2 BvG 2/00 - BVerfGE 104, 249 <264 f.> m.w.N.; F. Kirchhof, in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, 95. EL, Stand Juli 2021, Art. 85 Rn. 84) besteht hier mithin keine funktionelle Hierarchie zwischen Bund und Ländern, die die Annahme einer Eigenständigkeit der Länder mit eigenen wehrfähigen Rechten aus Art. 30 GG ausschließt. 26 Ausgehend davon ist hier nicht von vornherein nach jeder Betrachtungsweise auszuschließen, dass die Versagung des Einvernehmens nicht zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit erfolgt ist und damit rechtswidrig war. 27 d) Der Durchführung eines Vorverfahrens hätte es hier auch vor Erhebung einer - möglicherweise ursprünglich statthaft gewesenen - Verpflichtungsklage nicht bedurft, weil die ablehnende Entscheidung von einer obersten Bundesbehörde getroffen worden ist (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 VwGO). Zudem hat sich das (etwaige) Verpflichtungsbegehren bereits vor Klageerhebung erledigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1967 - 1 C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <166>). 28 e) Der Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage stünde auch nicht entgegen, dass die Versagungsentscheidung im Zeitpunkt der Erledigung etwa bereits bestandskräftig gewesen wäre. Eine (spätere) Erledigung kann nicht zur Wiedereröffnung der Klagemöglichkeit über § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO führen, wenn der Kläger die bis zur Erledigung zwingend einzuhaltende Klagefrist für eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ungenutzt hat verstreichen lassen (BVerwG, Urteile vom 9. Februar 1967 - 1 C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <167> und vom 30. Mai 2018 - 6 A 3.16 - BVerwGE 162, 179 Rn. 18). Dies war hier indes nicht der Fall, denn die ablehnende Entscheidung des BMI vom 8. Juli 2020 war nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen und konnte deshalb binnen eines Jahres ab Bekanntgabe angefochten werden (§ 58 Abs. 2 VwGO). Diese Frist war bei Eintritt der Erledigung Ende Juli 2020 noch nicht abgelaufen. 29 2. Die Klage ist nicht begründet. Dem Kläger stand gegen die Beklagte kein Anspruch auf Erteilung des Einvernehmens zu seiner Aufnahmeanordnung vom 9. Juni 2020 zu; die Weigerung des BMI, das Einvernehmen zu erteilen, war rechtmäßig. 30 Für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt (unmittelbar vor) der Erledigung des Begehrens auf Erteilung des Einvernehmens abzustellen, das heißt auf den 31. Juli 2020. Der Senat versteht den in der mündlichen Verhandlung nur noch gestellten Feststellungsantrag dahin, dass der zur Entscheidung gestellte Streitgegenstand von demjenigen eines - ursprünglich angekündigten - Leistungs- bzw. Verpflichtungsbegehrens umfasst gewesen sein soll. Im Rahmen einer Leistungs- oder Verpflichtungsklage wäre es nicht auf den Zeitpunkt des Ergehens der ablehnenden Entscheidung angekommen, sondern auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Dieser Streitgegenstand umfasst den Streitgegenstand eines auf den Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses bezogenen Feststellungsantrags (vgl. näher BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2014 - 4 C 33.13 - BVerwGE 151, 36 Rn. 17 bis 21 m.w.N.). 31 § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG verleiht der obersten Landesbehörde die Befugnis, aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an Ausländer aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen anzuordnen. Zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf eine solche Anordnung nach § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG des Einvernehmens mit dem BMI. Dieses Einvernehmen ist zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit der Anordnung (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2009 - 1 C 40.07 - BVerwGE 133, 72 Rn. 11; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Dezember 2021, § 23 AufenthG Rn. 17; Röcker, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 23 AufenthG Rn. 10). 32 Der Senat kann im Ergebnis offenlassen, ob die oberste Landesbehörde von der ihr nach § 23 Abs. 1 AufenthG eröffneten Anordnungsbefugnis in jeder Hinsicht rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (2.1). Das BMI hat jedenfalls das im Einklang mit dem Grundgesetz (2.2) zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit vorgesehene Einvernehmen bis zum Zeitpunkt der Erledigung der Aufnahmeanordnung rechtmäßig verweigert (2.3). 33 2.1 Ob die Aufnahmeanordnung des Klägers vom 9. Juni 2020 insgesamt von § 23 Abs. 1 AufenthG gedeckt gewesen ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Zweifel könnten hier daraus erwachsen, dass sich die Aufnahmeanordnung auf drittstaatsangehörige Asylsuchende bezog (a)), die sich bereits in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhielten (b)), ohne dass die Feststellung eines - auch - herkunftslandbezogenen Schutzbedarfs vorgesehen war (c)). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 AufenthG im Übrigen lagen, soweit dies gerichtlicher Überprüfung unterliegt, jedenfalls vor (d)). 34 a) Die Aufnahmeanordnung vom 9. Juni 2020 war - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - bei verständiger Würdigung unter Berücksichtigung der darin verwendeten Formulierungen, der tatsächlichen Sachlage im Juni 2020 und der diesbezüglichen Korrespondenz der Beteiligten dahin zu verstehen, dass sie drittstaatsangehörige Personen mit Aufenthalt im Lager Moria begünstigen sollte, die einen noch nicht bestandskräftig beschiedenen Asylantrag gestellt hatten oder dies jedenfalls beabsichtigten. Für eine vom Kläger beabsichtigte Erfassung auch von Personen mit bereits - positiv oder negativ - abgeschlossenem Asylverfahren bestanden aus dem objektiven Empfängerhorizont des BMI bis zur Erledigung keine konkreten Anhaltspunkte. 35 Zwar war der Umschreibung des begünstigten Personenkreises unter Nr. I. 1. 1.1. der Aufnahmeanordnung eine Differenzierung nach dem Stand des Asylverfahrens nicht ausdrücklich zu entnehmen. Der bezeichnete Personenkreis ist jedoch im Kontext mit der in der Anordnung einleitend beschriebenen Ausgangslage zu sehen, in der von 22 000 im überfüllten griechischen Aufnahmelager Moria lebenden ""Schutzsuchenden"" die Rede ist. Auch wenn dieser Begriff es bei einem materiellen Schutzverständnis noch nicht ausschließt, dass auch Personen gemeint gewesen sein könnten, die in Griechenland bereits formal schutzberechtigt waren, war dieser Personenkreis indes seinerzeit noch nicht im Blickfeld der Aufnahmeüberlegungen von Bund und (einigen) Ländern. So nimmt die Aufnahmeanordnung Bezug auf die Erklärung des Bundesinnenministers, Deutschland sei bereit, bis zu einem Viertel der in Europa ankommenden ""Schutzsuchenden"" aufzunehmen, sowie auf die nachfolgend am 9. März 2020 vom Koalitionsausschuss der Bundesregierung beschlossene Aufnahme von Kindern (und teilweise deren Familienangehörigen) aus Moria. Diese Aufnahmen erfolgten im Wege der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO und betrafen somit Personen mit noch laufendem Asylverfahren. Hieran hat sich der Kläger nach seinen in der mündlichen Verhandlung bekräftigten Angaben orientiert; er wollte erklärtermaßen denselben Personenkreis begünstigen wie seinerzeit der Bund. Eine Aufnahme auch von bereits in Griechenland als international schutzberechtigt anerkannten Personen durch den Bund stand bis zum Zeitpunkt der Erledigung der klägerischen Aufnahmeanordnung indes noch nicht in Rede; dazu ist es erst im Oktober 2020 nach der brandbedingten Zerstörung des Lagers Moria gekommen. 36 Auch dem zwischen den Beteiligten geführten Schriftwechsel war nicht zu entnehmen, dass der Kläger darüberhinausgehend bereits im Juni/Juli 2020 die Einbeziehung von in Griechenland anerkannten Schutzberechtigten beabsichtigte. Das BMI hatte mit Schreiben vom 7. Mai 2020 die Versagung des Einvernehmens angekündigt. Zur Begründung hatte es den Anwendungsvorrang der Dublin III-VO und die unterschiedlichen Rechtsfolgen der beabsichtigten Landesaufnahme einerseits und der - mit weiteren Mitgliedstaaten konsentierten und durch den Bund praktizierten - Aufnahme im Wege der Ausübung des Selbsteintrittsrechts zur Durchführung eines ergebnisoffenen Asylverfahrens andererseits angeführt. Diesen Einwänden hat der Kläger mit seiner Bitte um Erteilung des Einvernehmens vom 12. Juni 2020 lediglich in der Sache widersprochen. Er hat dabei indes nicht erkennen lassen, dass er auch Personen von der Anordnung hätte erfasst wissen wollen, auf die die Einwände von vornherein nicht zutreffen konnten (etwa Schutzberechtigte). Vor diesem Hintergrund konnte vom BMI nicht erwartet werden, in seine Entscheidung über das Einvernehmen eine Personengruppe bereits anerkannter Schutzberechtigter (oder gar bestandskräftig abgelehnter Asylbewerber) ausdrücklich mit gesonderten Überlegungen einzubeziehen oder durch Rückfrage beim Kläger eine weitergehende Klärung herbeizuführen. 37 Ob sich im Aufnahmelager Moria im maßgeblichen Zeitpunkt überhaupt anerkannte Schutzberechtigte befanden oder ob dieser Personenkreis nach einer Schutzzuerkennung ausnahmslos unmittelbar auf das Festland transferiert worden ist, bedarf damit keiner weiteren Aufklärung. Nicht zu vertiefen ist nach alledem auch die - im Falle einer Einbeziehung von Personen mit abgeschlossenem Asylverfahren - aufgeworfene Frage, ob die Aufnahmeanordnung hinsichtlich der dann möglicherweise unterschiedlich zu behandelnden verschiedenen Personengruppen teilbar sowie hinreichend bestimmt gewesen wäre. 38 b) Einer Landesaufnahmeanordnung für den hier erfassten Personenkreis steht rechtlich nicht schon entgegen, dass sich die begünstigte Ausländergruppe bereits in einem ersten Zufluchtsstaat aufhält (aa)). Das dürfte auch dann gelten, wenn es sich bei diesem - wie hier - um einen Mitgliedstaat der Europäischen Union handelt und die Betroffenen dort ein Asylverfahren betreiben (bb)). 39 aa) Der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG regelt die Erteilung humanitärer Aufenthaltserlaubnisse an Ausländer aus ""bestimmten"" Staaten oder in sonstiger Weise bestimmte Ausländergruppen, ohne eine Einschränkung in Bezug auf den aktuellen Aufenthaltsstaat vorzunehmen. Nach dem Willen des Gesetzgebers kann sich die Anordnung sowohl auf Personen beziehen, die sich noch nicht im Bundesgebiet aufhalten, als auch auf bereits Aufhältige (BT-Drs. 15/420 S. 77). Dies schließt im Grundsatz auch Personen ein, die sich zwar nicht mehr im Herkunftsland, aber auch noch nicht in Deutschland, sondern in einem ersten Zufluchtsland aufhalten. Im Rahmen (vergleichbarer) humanitärer Aufnahmeprogramme des Bundes nach § 23 Abs. 2 AufenthG sind Aufnahmen aus Erstzufluchtsländern auch bereits mehrfach praktiziert worden. Dies gilt etwa für die Aufnahmeprogramme für syrische Flüchtlinge aus der Türkei oder die Aufnahme von anerkannten international Schutzberechtigten aus Malta im Jahr 2010 (vgl. Verwaltungsvorgang Bl. 58 sowie Heuser, Rechtsgutachten zur Zulässigkeit der Aufnahme von Schutzsuchenden durch die Bundesländer aus EU-Mitgliedstaaten, S. 24 und 28). Für Landesaufnahmeprogramme kann insoweit nichts Anderes gelten. 40 bb) Der Senat neigt zu der Annahme, dass die auf § 23 Abs. 1 AufenthG gestützte humanitäre Aufnahme von Drittstaatsangehörigen auch dann nicht von vornherein rechtlich unzulässig ist, wenn sich diese - wie hier - in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als Asylsuchende aufhalten. Vorrangiges Unionsrecht schließt dies nicht aus. 41 Für den Hauptbereich ""Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts"", dem auch die Art. 77 bis 80 AEUV unterfallen, ist der Union eine mit den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit übertragen (Art. 4 Abs. 2 Buchst. j AEUV). Hier können die Mitgliedstaaten gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen, ""sofern und soweit die Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat"" (Art. 2 Abs. 2 AEUV). Es bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die der Union übertragenen Zuständigkeiten im Bereich Asyl, subsidiärer Schutz und vorübergehender Schutz (Art. 78 AEUV) sowie der gemeinsamen Einwanderungspolitik (Art. 79 AEUV) und die auf diesen Grundlagen erlassenen Rechtsakte des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems jedwede humanitären Aufenthalte insgesamt abschließend regeln sollen und damit zusätzliche Aufnahmen einzelner Mitgliedstaaten aus - anders gearteten oder zumindest weiter gefassten - humanitären Gründen sperren. Die hier beabsichtigte Aufnahme nach § 23 Abs. 1 AufenthG aus humanitären Gründen ist nicht an die engen Voraussetzungen des internationalen oder des vorübergehenden Schutzes nach der sogenannten Massenzustromrichtlinie (Richtlinie 2001/55/EG; siehe dazu auch § 24 AufenthG, sowie Röcker, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 23 AufenthG Rn. 2) gebunden. Der internationale Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU schließt weitere humanitäre Schutzformen nicht aus (vgl. den 15. Erwägungsgrund der RL 2011/95/EU sowie O'Brien, in: Dörig , Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2. Aufl. 2020, § 18 Rn. 11). Von seiner Kompetenz zur Regelung von Normen für die Erteilung von Visa und Aufenthaltstiteln für einen langfristigen Aufenthalt (Art. 79 Abs. 2 Buchst. a AEUV) hat der Unionsgesetzgeber hinsichtlich humanitärer Aufenthalte bislang keinen Gebrauch gemacht (vgl. EuGH, Urteil vom 7. März 2017 - C-638/16 PPU [ECLI:​EU:​C:​2017:​173], X und X - Rn. 44 und 51). 42 Soweit das Unionsrecht für das Problem der Überforderung einzelner Mitgliedstaaten mit Asylsuchenden und eines dadurch bedingten systemischen Versagens der allgemeinen Zuständigkeits- und Verteilungsregeln bestimmte Bewältigungsmechanismen bereithält (vgl. etwa Art. 78 Abs. 3 AEUV oder die im hiesigen Kontext zur Anwendung gekommene Zuständigkeitsübernahme nach dem Rechtsgedanken des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO), dürften auch diese nicht abschließend sein und namentlich einen außerhalb des Asylverfahrens gewährten humanitären Schutz nicht von vornherein sperren. 43 c) Nicht abschließend zu entscheiden ist die Frage, ob es in derartigen Fällen ausreicht, dass humanitäre Gründe in Bezug auf den Mitgliedstaat vorliegen, in dem sich die Ausländergruppe aufhält, oder ob es auch in Bezug auf den jeweiligen Herkunftsstaat der vorherigen Feststellung eines Schutzbedarfs bedarf, der über das - nur kurzfristige - rein asylverfahrensbedingte Bleiberecht hinausgeht. Humanitärer Schutz nach dem Abschnitt 5 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes ist - von Ausnahmen etwa nach § 23 Abs. 2 und 4 AufenthG abgesehen - grundsätzlich zeitlich begrenzt; er endet mit dem Wegfall der humanitären Gründe. § 26 Abs. 2 AufenthG, der namentlich auch auf § 23 Abs. 1 AufenthG Anwendung findet (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2009 - 1 C 40.07 - BVerwGE 133, 72 Rn. 12), schließt eine Verlängerung der humanitären Aufenthaltserlaubnis ausdrücklich aus, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind. Dies impliziert, dass schon die Aufenthaltsgewährung voraussetzt, dass der Aufenthalt aus rechtlichen oder humanitären Gründen nicht beendet werden kann oder soll. Bezugspunkt einer solchen Feststellung ist stets - primär oder zumindest auch - der Herkunftsstaat, der typischerweise am ehesten für eine Rückkehr in Betracht kommt (vgl. Art. 3 Nr. 3 RL 2008/115/EG). Humanitäre Gründe für die Aufenthaltsgewährung in Deutschland müssen deshalb jedenfalls auch in Bezug auf diesen Staat vorliegen. 44 Dies war in der Aufnahmeanordnung des Klägers vom 9. Juni 2020, die den begünstigten Personenkreis auch nicht nach Herkunftsstaaten weiter eingegrenzt hat, nicht besonders vorgesehen. Diese knüpfte vielmehr allein an die desolaten humanitären Bedingungen im griechischen Lager Moria an und definierte Personen als besonders schutzbedürftig, die hiervon als besonders hart betroffen angesehen wurden. So wurden bestimmte Personengruppen wie unbegleitete Minderjährige, Schwangere, Alleinerziehende mit jüngeren Kindern oder Personen, die etwa altersbedingt einer COVID-19 Hochrisikogruppe angehören, allein deshalb als besonders schutzbedürftig eingeordnet. Aus der vorgesehenen Beteiligung von UNHCR bei der Auswahl (Nr. 1.3 der Aufnahmeanordnung) ergibt sich hier nicht hinreichend deutlich etwas Anderes, denn dessen Vorschläge sollten sich ihrerseits auf Empfehlungen von Ärzten (anerkannter Nichtregierungsorganisationen) stützen. 45 Der auf die griechischen Aufnahmebedingungen bezogene humanitäre Grund wäre indes bereits mit der Einreise im Wege des Visumverfahrens entfallen und hätte die Erteilung der vorgesehenen Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre jedenfalls für sich allein nicht mehr tragen können. Denn schon in diesem Zeitpunkt hätten die betroffenen Drittstaatsangehörigen in keiner Beziehung mehr zu Griechenland gestanden; eine Rückführung dorthin wäre selbst bei einer Verbesserung der dortigen Bedingungen nicht in Betracht gekommen. 46 Allerdings konnten die von der Aufnahmeanordnung erfassten schutzsuchenden Drittstaatsangehörigen im Moment der (gedachten) Einreise in die Bundesrepublik auf eine Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht verwiesen werden, soweit sie (noch) über ein asylverfahrensbedingtes Bleiberecht verfügten (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​465], Gnandi -, sowie Beschluss vom 5. Juli 2018 - C-269/18 PPU [ECLI:​EU:​C:​2018:​544], C u.a. -). Ob dieses rein verfahrensbedingte und für sich genommen eher kurzfristige Rückkehrhindernis in das Herkunftsland, das bewirkte, dass den Betroffenen zunächst keine alternative und vorrangige Möglichkeit zur Verfügung stand, der in Griechenland bestehenden Notlage zu entkommen, vor dem Hintergrund des § 26 Abs. 2 AufenthG die Erteilung einer für drei Jahre gültigen Aufenthaltserlaubnis in Deutschland rechtfertigen konnte, lässt der Senat offen. Denn die Klage hat jedenfalls aus anderen Gründen keinen Erfolg (siehe unten 2.3). 47 d) Im Übrigen sind gegen die Aufnahmeanordnung vom 9. Juni 2020 allerdings rechtliche Bedenken nicht ersichtlich. 48 Ob die oberste Landesbehörde eine Anordnung nach § 23 Abs. 1 AufenthG trifft, steht in ihrem Ermessen, das lediglich durch die im Gesetz genannten Motive (""aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland"") dahin begrenzt ist, dass eine Anordnung nicht aus anderen Gründen erlassen werden darf. Humanitäre Gründe in diesem Sinne liegen vor, wenn die Aufnahmeanordnung durch einen nicht auf rechtlicher Verpflichtung, sondern auf moralischen oder menschlichen Überlegungen beruhenden Einsatz zugunsten anderer Menschen motiviert ist, die sich in Not oder Bedrängnis befinden. Eine besondere Qualifizierung oder Schwere ist nicht erforderlich; es genügen Nachteile und Rechtsgutsbeeinträchtigungen von Gewicht (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand Dezember 2015, § 23 Rn. 16 f.). Aus der begrifflichen Weite humanitärer Gründe, der Binnensystematik der Vorschrift, die humanitäre Gründe in eine Reihe mit politischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland stellt, sowie der Zuweisung der Entscheidungskompetenz an die höchste politische Ebene der Landesverwaltung ergibt sich, dass die oberste Landesbehörde bei der Annahme der Voraussetzungen für eine Landesaufnahmeanordnung über einen weiten Beurteilungsspielraum verfügt. Es handelt sich um eine politische Leitentscheidung, die sowohl hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen als auch auf der Rechtsfolgenseite allenfalls einer begrenzten gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Die oberste Landesbehörde kann im Rahmen ihres Entschließungs- und Auswahlermessens den von einer Anordnung erfassten Personenkreis bestimmen. Sie kann dabei positive Kriterien (Erteilungsvoraussetzungen) und negative Kriterien (Ausschlussgründe) aufstellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. September 2000 - 1 C 19.99 - BVerwGE 112, 63 <66> und - zu § 23 Abs. 2 AufenthG - vom 15. November 2011 - 1 C 21.10 - BVerwGE 141, 151 Rn. 12). 49 Dies zugrunde gelegt, bestanden gegen die Aufnahmeanordnung des Klägers - vorbehaltlich der Frage eines hinreichenden Herkunftslandbezugs und des noch zu thematisierenden Einvernehmens des BMI - keine rechtlichen Bedenken. Es liegt auf der Hand und wird von der Beklagten nicht bestritten, dass die in der Aufnahmeanordnung beschriebenen, zudem allgemeinkundigen desolaten humanitären Bedingungen im überfüllten griechischen Aufnahmelager Moria humanitäre Gründe darstellen, die eine Aufnahmeanordnung nach § 23 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich rechtfertigen können. An dieser Situation hatte sich jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Erledigung der Aufnahmeanordnung auch nichts geändert. Die Aufnahmeanordnung begünstigte bei sachgerechter Auslegung eine ""in sonstiger Weise bestimmte Ausländergruppe"" (§ 23 Abs. 1 AufenthG); nämlich bis zu 300 asylsuchende (s.o.) Drittstaatsangehörige, die im Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung im Aufnahmelager Moria aufhältig und nach näher bezeichneten Kriterien als besonders schutzbedürftig anzusehen waren. Die Auswahl sollte durch den Kläger erfolgen und sich im Einvernehmen mit den zuständigen griechischen Behörden auf Vorschläge von Vertretern des UNHCR stützen, die sich ihrerseits auf Empfehlungen von Ärzten anerkannter Nichtregierungsorganisationen stützen sollten. 50 2.2 Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG bedarf die Anordnung zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit des Einvernehmens mit dem BMI. Dieses zwingende Erfordernis des Einvernehmens zu Aufnahmeanordnungen der obersten Landesbehörden findet seine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 84 Abs. 1 Satz 2 und 5 GG. Es handelt sich um eine verfassungsmäßige, nach Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG einer Abweichung durch die Länder unzugängliche (das heißt abweichungsfeste) Regelung des Verwaltungsverfahrens. Keiner Vertiefung bedarf daher die Frage, ob ein derartiges generelles Erfordernis des Einvernehmens mit einem einzelnen Bundesministerium (auch) als ""abgeschwächte Form"" der Einzelweisung von Art. 84 Abs. 5 GG gedeckt wäre, wie es eine ältere Rechtsprechung angenommen hat (BVerwG, Urteile vom 20. Juni 1973 - 8 C 141.72 - BVerwGE 42, 279 <283 f.> und vom 16. Mai 1983 - 1 C 56.79 - BVerwGE 67, 173 <175 f.>; siehe aber BT-Drs. 15/420 S. 94, wonach Art. 84 Abs. 5 GG nur die Bundesregierung als Kollegium ermächtigt). 51 a) Gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG regeln die Länder, wenn sie - wie grundsätzlich beim Aufenthaltsgesetz - Bundesrecht als eigene Angelegenheit ausführen, die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren. Art. 84 GG eröffnet dem Bund indes verschiedene Einwirkungsmöglichkeiten auf den Verwaltungsvollzug, die es ihm ermöglichen, einen möglichst wirksamen und gleichmäßigen Verwaltungsvollzug des Bundesrechts zu gewährleisten (vgl. F. Kirchhof, in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar 95. EL, Stand Juli 2021, Art. 84 GG Rn. 2). Wie sich aus Art. 84 Abs. 1 Satz 2 und 5 GG ergibt, hat er insbesondere ein Zugriffsrecht auf das Regelungsgebiet des Verwaltungsverfahrens (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 - 3 CN 1.13 - BVerwGE 150, 129 Rn. 11). 52 b) Regelungen des Bundes zum Verwaltungsverfahren setzen voraus, dass dem Bund in dem jeweiligen Sachbereich auch die materiell-rechtliche Normsetzungskompetenz nach den Art. 70 ff. GG zukommt (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 - 3 CN 1.13 - BVerwGE 150, 129 Rn. 12). Das ist hier der Fall. Dabei bedarf keiner Vertiefung, ob die humanitäre Aufnahme von Schutzsuchenden aus dem Ausland der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Einwanderung (Art. 73 Abs. 1 Nr. 3 GG) oder der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz auf dem Sachgebiet des Aufenthaltsrechts der Ausländer (Art. 74 Abs. 1 Nr. 4 GG) oder der Angelegenheiten der Flüchtlinge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 6 GG) zuzuordnen ist. Selbst wenn mit Blick auf den temporären Charakter der Aufnahme ""nur"" der Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 4 GG einschlägig sein sollte, wofür einiges spricht, stünde der Bundeskompetenz für die Regelung des § 23 Abs. 1 AufenthG die dann zu beachtende zusätzliche Kompetenzausübungsschranke des Art. 72 Abs. 2 GG nicht entgegen. 53 Nach Art. 72 Abs. 2 GG hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Diese Voraussetzungen sind angesichts der potentiell erheblichen Auswirkungen von Gruppenaufnahmen auf die anderen Länder und den Bund (vgl. zur Vorläuferregelung BT-Drs. 11/6321 S. 48 f.) hier erfüllt (siehe auch BT-Drs. 15/420 S. 66). Nur eine bundesrechtliche Regelung der landesbehördlichen Aufnahme von Ausländergruppen stellt einheitliche rechtliche Voraussetzungen sicher und ermöglicht es, die Aufnahmeanordnung vom Einvernehmen des BMI abhängig zu machen; und nur mittels einer solchen Einvernehmensregelung kann verhindert werden, dass sich einzelne Bundesländer zu weit von einer bundeseinheitlichen Rechtsanwendung entfernen (siehe auch BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 - 1 C 19.99 - BVerwGE 112, 63 <69>). 54 c) Das durch § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG begründete Erfordernis des Einvernehmens des BMI ist eine Regelung des Verwaltungsverfahrens im Sinne von Art. 84 Abs. 1 Satz 2 und 5 GG. Der dort verwendete Begriff des Verwaltungsverfahrens ist weiter als derjenige des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Er umfasst jegliches Verfahren der Verwaltung im Sinne eines administrativen Erkenntnis- und Entschließungsprozesses, nicht nur das, welches auf Verwaltungsakte oder Verwaltungsverträge klassischer Behörden nach § 9 VwVfG gerichtet ist (vgl. F. Kirchhof, in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar 95. EL, Stand Juli 2021, Art. 84 Rn. 96). Zum Verwaltungsverfahren in diesem Sinne gehören das ""Wie"" des Verwaltungshandelns, die Einzelheiten des Verfahrensablaufs, nämlich die Art und Weise der Ausführung eines Gesetzes einschließlich der dabei zur Verfügung stehenden Handlungsformen, die Form der behördlichen Willensbildung, die Art der Prüfung und Vorbereitung der Entscheidung, deren Zustandekommen und Durchsetzung sowie verwaltungsinterne Mitwirkungs- und Kontrollvorgänge (BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 - 2 BvF 2/03 - BVerfGE 114, 196 <224>). Darunter fällt auch eine Regelung, die die nach außen zuständige Landesbehörde hinsichtlich bestimmter Anordnungen oder Verwaltungsakte an die Zustimmung des sachlich zuständigen Bundesministers bindet (vgl. BVerfG , Gutachten vom 22. November 1951 - PBvV 1/51 - BVerfGE 1, 76 <79>; Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, 2001, S. 187, 189, 246; Blümel, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 1990, § 101 Rn. 35; a.A. Oebbecke, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 136 Rn. 42). 55 d) Von der vorstehenden Einordnung als Regelung des Verwaltungsverfahrens ist auch der Gesetzgeber selbst ausgegangen, wie aus § 105a AufenthG deutlich wird. Nach dieser Vorschrift, die durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I 1970) in das Aufenthaltsgesetz eingefügt worden ist, kann von den in § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG und weiteren Normen getroffenen Regelungen des Verwaltungsverfahrens nicht abgewichen werden. Art. 84 GG war zuvor dahin geändert worden, dass einerseits bundesrechtliche Regelungen zum Verwaltungsverfahren im Sinne von Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG als solche keine Zustimmungspflicht des Bundesrates zu dem Gesetz (mehr) begründen, andererseits aber Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG es dem Bund ermöglicht, in Ausnahmefällen wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung das Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder zu regeln; erst ein solches Gesetz bedarf nach Art. 84 Abs. 1 Satz 6 GG der Zustimmung des Bundesrats (vgl. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl. I S. 2034). 56 In Anwendung dieser Regelungen ist das Recht der Länder, von dem Einvernehmensvorbehalt des § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG abzuweichen, durch § 105a AufenthG zulässigerweise ausgeschlossen worden. Das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I 1970) ist - wie nach Art. 84 Abs. 1 Satz 6 GG erforderlich - mit Zustimmung des Bundesrats ergangen. Auch die weiteren Voraussetzungen des Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG - Ausnahmefall und besonderes Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung - unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. In der Begründung des Gesetzentwurfs ist hierzu ausgeführt, bereits die Notwendigkeit der besonderen Anordnung (an die Ausländerbehörden, bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen) mache den Ausnahmecharakter der Regelung deutlich. Um eine Einheitlichkeit der Anwendung dieser Ausnahmeregelung sicherzustellen, sei die Herstellung des Einvernehmens mit dem BMI unverzichtbar (BT-Drs. 16/5065 S. 205). Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. 57 2.3 Die Weigerung des BMI, das gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG erforderliche Einvernehmen zu erteilen, war im maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung der Aufnahmeanordnung rechtmäßig. Die hierfür in erster Linie angeführte Begründung, dass die Aufnahmeanordnung zu einer - grundlegend - unterschiedlichen Rechtsstellung von Personen aus demselben griechischen Flüchtlingslager im Bundesgebiet führen würde, ist vom Zweck des Einvernehmens gedeckt. 58 a) Das Erfordernis des Einvernehmens des BMI dient nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Norm der Wahrung der Bundeseinheitlichkeit. 59 § 32 AuslG 1990 führte erstmals eine spezielle Regelung über die humanitäre Aufnahme von bestimmten Ausländergruppen durch die oberste Landesbehörde ein, die - noch ohne ausdrücklichen erläuternden Zusatz - an das Einvernehmen des BMI geknüpft war. Dem lag ausweislich der Entwurfsbegründung die Annahme zugrunde, dass eine solche Entscheidung erhebliche Auswirkungen auf die anderen Länder und auch den Bund habe. Wegen ihrer grundsätzlichen und weittragenden Bedeutung gewinne bei einer solchen Entscheidung der Gesichtspunkt der Wahrung der Bundeseinheitlichkeit besonderes Gewicht (BT-Drs. 11/6321 S. 67). 1993 wurde im Zusammenhang mit der Schaffung einer zusätzlichen Rechtsgrundlage für die vorübergehende Aufnahme von Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen (§ 32a AuslG) auch in § 32 AuslG der Zweck des Einvernehmens nunmehr im Gesetzestext ausdrücklich benannt. Hierzu wurde der - bereits mit § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG identische - Satz angefügt: ""Zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf die Anordnung des Einvernehmens mit dem Bundesminister des Innern"" (siehe auch BT-Drs. 12/4450 S. 29 f.). Die Entwurfsbegründung zum heute geltenden § 23 Abs. 1 AufenthG enthält erneut den Hinweis, dass die Entscheidung über die Gruppenaufnahme erhebliche Auswirkungen auch auf die anderen Länder habe und deshalb zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit des Einvernehmens des Bundesministeriums des Innern bedürfe (BT-Drs. 15/420 S. 77). An anderer Stelle wird dort bemerkt, die ""Wahrung der Bundesinteressen"" erfolge in den Fällen der Gruppenaufnahme durch die Einholung des Einvernehmens des Bundesministeriums des Innern (Satz 3). Diese Hinweise aus den verschiedenen Gesetzgebungsverfahren sprechen zusammenfassend dafür, dass die Bedeutung der Zweckbeschreibung des Einvernehmens (""zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit"") einerseits nicht auf die bloße Beschreibung eines Ausgangsbefundes reduziert werden kann, sondern auch handlungsbegrenzende Bedeutung für die Entscheidung des BMI haben sollte. Andererseits ist dieser Zweck nach dem Willen des Gesetzgebers aber nicht eng zu verstehen, sondern - soweit in den Grenzen des Wortlauts möglich - im Lichte des zur Wahrung der Bundesinteressen Erforderlichen auszulegen. 60 b) Aufnahmeanordnungen nach § 23 Abs. 1 AufenthG haben aufgrund ihres einzelfallübergreifenden Inhalts politischen Charakter; ihr Erlass geht über einen typischen Verwaltungsvollzug hinaus. Dem ist durch Entscheidungsspielräume Rechnung zu tragen, die nicht nur der obersten Landesbehörde bei Erlass der Anordnung, sondern auch dem BMI bei der Entscheidung über das Einvernehmen zuzugestehen sind. Diese Entscheidung ist daher zwar an dem ihm (allein) zugewiesenen Belang der Wahrung der Bundeseinheitlichkeit auszurichten. Bei der Konkretisierung des Begriffs der Bundeseinheitlichkeit ist dem BMI indes ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum eingeräumt. Denn die Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens ist ungeachtet ihrer Zweckbindung ebenso wie die Aufnahmeentscheidung der obersten Landesbehörde eine - auch - politische Entscheidung. Sie ist mit dem BMI ebenfalls der höchsten politischen Verwaltungsebene (hier: des Bundes) zugewiesen; und die Bestimmung der Grenze bundesstaatlich hinnehmbarer Uneinheitlichkeit ist mit politischen Wertungen verknüpft, bei denen von umfänglicher gerichtlicher Kontrolle freie Handlungsspielräume der Bundesexekutive anzuerkennen sind. 61 Die gerichtliche Kontrolle ist in derartigen Fällen darauf beschränkt, ob die Behörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat, von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist, den erheblichen Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt hat und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 37.14 - Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- und Asylrecht Nr. 77 Rn. 21 m.w.N.). 62 c) Bund und Länder trifft bei der Wahrnehmung ihrer jeweiligen in § 23 Abs. 1 Satz 1 und 3 AufenthG normierten verwaltungsrechtlichen Kompetenzen eine wechselseitige Pflicht zur Rücksichtnahme. Diese wurzelt im Gebot der Bundestreue und der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten, die auch in verwaltungsrechtliche Bund-Länder-Verhältnisse hineinwirken (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. April 1976 - 2 BvH 1/75 - BVerfGE 42, 103 <117>; zur akzessorischen Natur der Bundestreue vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 - 2 BvG 1/00 - BVerfGE 104, 238 <247 f.> m.w.N.). Für das BMI folgt daraus die Pflicht, bei ohne Weiteres ausräumbaren oder für die Länder nicht erkennbaren Bedenken das Einvernehmen nicht ohne Rücksprache mit der obersten Landesbehörde zu verweigern oder gegebenenfalls unter einer Maßgabe zu erteilen. 63 d) Bundeseinheitlichkeit bezieht sich auf eine im Grundsatz einheitliche Behandlung der fraglichen Personengruppe im Bundesgebiet und zielt unter anderem auf die Verhinderung negativer Auswirkungen auf die anderen Länder (horizontal) oder den Bund (vertikal). Dies verlangt keine Uniformität im Sinne absoluter Übereinstimmung, denn § 23 Abs. 1 AufenthG weist die Entscheidungsbefugnis über eine gruppenbezogene Aufnahme gerade der obersten Landesbehörde und damit auch einzelnen Ländern zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 - 1 C 19.99 - BVerwGE 112, 63 <69>). Soll gleichwohl die ""Bundeseinheitlichkeit"" gewahrt werden, ist indes eine möglichst einheitliche Aufnahmepraxis sowohl dem Grunde nach als auch bei der Ausgestaltung von Aufnahmeanordnungen erwünscht. Dem entspricht eine häufige Staatspraxis, nach der sich die Länder und der Bund im Rahmen der Innenministerkonferenz auf die Aufnahme bestimmter Ausländergruppen und bestimmte Eckpunkte dazu verständigen und das BMI zu derartigen Vereinbarungen - oft noch vor Ausarbeitung konkreter Landesaufnahmeanordnungen - sein Einvernehmen erteilt (vgl. etwa Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand Dezember 2015, § 23 Rn. 21 und 33). Das schließt Aufnahmeanordnungen, die nicht derart umfassend abgestimmt sind, zwar nicht aus. Über das erforderliche Einvernehmen kann das BMI dann aber zumindest verhindern, dass sich einzelne Länder durch Erlass entsprechender Anordnungen zu weit von einer bundeseinheitlichen Rechtsanwendung entfernen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 - 1 C 19.99 - BVerwGE 112, 63 <69>). Hat der Bund in eigener Zuständigkeit Ausländer aus der fraglichen Gruppe aus denselben humanitären Gründen aufgenommen, darf das BMI einem Landesaufnahmeprogramm auch bei fehlender Kohärenz mit den eigenen, auf dieselbe Personengruppe zielenden Maßnahmen das Einvernehmen verweigern. Dies ist hier keine Frage des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG, der nur innerhalb des Geltungsbereichs einer Anordnung nach § 23 Abs. 1 AufenthG zum Tragen kommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 - 1 C 19.99 - BVerwGE 112, 63 <66 f.>), sondern Ausprägung der im föderalen Verhältnis bedeutsamen ""Bundeseinheitlichkeit"". 64 Bei der Bewertung der Erheblichkeit von Uneinheitlichkeiten oder Inkohärenzen im Einzelfall hat das BMI - wie ausgeführt - einen Beurteilungsspielraum. Es muss eine Versagung des Einvernehmens stets begründen. Ob und wie konkret dabei nachteilige Auswirkungen auf die anderen Länder oder den Bund dargelegt werden müssen, hängt vom Einzelfall ab. Je größer und gewichtiger sich die durch eine Aufnahmeanordnung bewirkte Uneinheitlichkeit darstellt, umso weniger rechtfertigungsbedürftig ist ein Veto des BMI. Umgekehrt wird das Einvernehmen in der Regel zu erteilen sein oder dessen Versagung besonders fundierter Begründung bedürfen, wenn ein Land nur in Details der Ausgestaltung eigene Wege geht. 65 Strengere Anforderungen an eine Versagung des Einvernehmens lassen sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus Art. 72 Abs. 2 GG herleiten. Diese Regelung begrenzt die Ausübung der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes zu bestimmten Kompetenztiteln und richtet sich damit ausschließlich an den Gesetzgeber (s.o. unter 2.2 b)). 66 e) Im vertikalen Verhältnis zwischen Bund und Ländern betrifft nicht schon jeder Fall eines Widerspruchs zu politischen Vorstellungen des Bundes auch die ""Bundeseinheitlichkeit"" und kann damit eine Versagung des Einvernehmens begründen. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Bewältigung humanitärer Notlagen jedenfalls dann, wenn diese in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auftreten, häufig auch eine außenpolitische Komponente aufweist, weil hierüber auf zwischenstaatlicher Ebene durch alle oder mehrere Mitgliedstaaten Verhandlungen geführt und Vereinbarungen getroffen werden. In Angelegenheiten der Europäischen Union, zu denen namentlich das Gemeinsame Europäische Asylsystem zählt, wird die Bundesrepublik Deutschland nach außen allein durch den Bund vertreten, wie sich aus Art. 23 Abs. 1 GG rückschließen lässt. Gleiches gilt für die sonstige Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten (Art. 32 Abs. 1 GG). Der Bund mag dabei mitunter - wie hier sinngemäß vorgetragen - das Ziel verfolgen, das Maß der Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Linderung humanitärer Notlagen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union so zu ""dosieren"", dass einerseits ein gewisser Beitrag geleistet wird, andererseits aber auch andere Mitgliedstaaten in der Pflicht bleiben, sich zu beteiligen. Eigene humanitäre Aufnahmen seitens der Länder können geeignet sein, diese Balance und damit die Verhandlungsposition des Bundes zu beeinträchtigen. 67 Das BMI ist unter dem Aspekt des ihm zugewiesenen Belangs der Bundeseinheitlichkeit im Grundsatz auch berechtigt, ein koordiniertes Vorgehen aller oder mehrerer durch das Gemeinsame Europäische Asylsystem zusammengeschlossener Mitgliedstaaten durch eine kohärente und einheitliche Vertretung der Bundesrepublik Deutschland zu befördern. Das Einvernehmen zu einer humanitären Landesaufnahme darf in solchen Fällen verweigert werden, wenn der Bund plausibel machen kann, dass er sich auf überstaatlicher Ebene entsprechend positioniert hat oder dass er in konkreten Verhandlungen steht, und dies durch konkurrierende Maßnahmen auf Landesebene beeinträchtigt wird. 68 f) Nach diesen Maßstäben war die Entscheidung des BMI, das Einvernehmen zu der Aufnahmeanordnung des Klägers vom 9. Juni 2020 zu versagen, im maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung rechtlich nicht zu beanstanden. 69 aa) Dahinstehen kann, ob es vorliegend in entsprechender Anwendung des § 28 VwVfG oder nach dem Grundsatz der Bundestreue geboten war, den Kläger vor der Versagung des Einvernehmens anzuhören. Eine solche Anhörung wäre jedenfalls in hinreichender Weise erfolgt. Das BMI hat mit Schreiben vom 7. Mai 2020 auf die Bitte des Klägers um Prüfung, ob das Einvernehmen zu dem Antrag des Landes erteilt werden könne, weitere unbegleitete minderjährige Flüchtlinge von den griechischen Inseln nach § 23 Abs. 1 AufenthG nach Deutschland kommen zu lassen, reagiert und dem Kläger erläutert, warum über das vom Bund Beschlossene hinaus für die Einrichtung von humanitären Aufnahmeprogrammen, die zur direkten Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis führten, aus seiner Sicht kein Raum sei. Der Kläger hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und hat von dieser mit seiner Bitte um Erteilung des Einvernehmens vom 12. Juni 2020 auch Gebrauch gemacht. 70 bb) Auch in der Sache ist eine Rechtswidrigkeit der Versagung des Einvernehmens hier nicht festzustellen. Das BMI hatte seine Entscheidung vor allem damit begründet, dass die Aufnahmeanordnung des Klägers zu einer - grundlegend - unterschiedlichen Rechtsstellung von Personen aus demselben griechischen Flüchtlingslager im Bundesgebiet geführt hätte. Denn der Bund hatte seinerseits bereits unter gänzlich anderen Maßgaben einer größeren Zahl von unbegleiteten und behandlungsbedürftigen Minderjährigen (letztere nebst Kernfamilien) die Einreise nach Deutschland ermöglicht. Diese Aufnahme ist im Einklang mit Verfahrensregeln, die von mehreren Mitgliedstaaten unter Beteiligung der Europäischen Kommission zu diesem Zweck abgestimmt waren, dergestalt erfolgt, dass der Bund die Zuständigkeit für das Asylverfahren der ausgewählten Person(en) nach der Dublin III-VO übernommen hat. Die im Klageverfahren vorgelegten Standard Operating Procedures (SOP) vom 11. Mai 2020 (dort insbesondere Nr. 18 ff., Nr. 26) haben dies nachträglich bestätigt. Dieses Vorgehen des Bundes hatte - systemkonform und sachangemessen - die Durchführung eines ergebnisoffenen Asylverfahrens auf der Grundlage einer asylverfahrensrechtlichen Aufenthaltsgestattung zum Ziel. Demgegenüber hätte die vom Kläger beabsichtigte humanitäre Aufnahme nach § 23 Abs. 1 AufenthG zur sofortigen Erteilung von längerfristigen, zunächst auf drei Jahre befristeten Aufenthaltserlaubnissen geführt, ohne dass eine Prüfung des Schutzbedarfs auch in Bezug auf das jeweilige Herkunftsland vorgesehen gewesen wäre. Einer ohne sachliche Gründe so grundlegend unterschiedlichen Rechtsstellung von Personen aus demselben griechischen Flüchtlingslager in Deutschland durfte das BMI wegen nicht hinreichender Wahrung der Bundeseinheitlichkeit durch Versagung seines Einvernehmens zu der Aufnahmeanordnung entgegentreten. 71 Dagegen lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht einwenden, dass es unter TOP 38 Nr. 4 des Beschlusses der 211. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 4. bis 6. Dezember 2019 heißt, begründete anderweitige (mit Bundesprogrammen inkohärente) Planungen der Länder blieben möglich. Unabhängig davon, dass Beschlüssen der Innenministerkonferenz keine rechtliche Verbindlichkeit zukommt, ist für eine ""Begründetheit"" der Abweichung hier nichts Hinreichendes angeführt oder ersichtlich. Der bloße Umstand, dass dem Kläger das von der Beklagten verwendete Aufnahmeinstrumentarium der Zuständigkeitsübernahme für die jeweils betriebenen Asylverfahren nach der Dublin III-VO nicht zur Verfügung steht, musste die Beklagte nicht veranlassen, eine zusätzliche humanitäre Landesaufnahme mit grundlegend unterschiedlichen Rechtsfolgen hinzunehmen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte keineswegs ""untätig"" geblieben ist, sondern der Kläger lediglich das Maß der von der Bundesrepublik Deutschland übernommenen humanitären Unterstützung für unzureichend hält. 72 Zu einem anderen Ergebnis führt hier auch nicht das Gebot der Bundestreue. Denn die vorgenannte Problematik war für den Kläger aufgrund des vorausgegangenen Schriftverkehrs bei Erlass seiner Aufnahmeanordnung hinreichend erkennbar. Ihm hätte es oblegen, eventuelle - hier nicht auf der Hand liegende - Möglichkeiten ihrer Bewältigung zu prüfen und gegebenenfalls vorzusehen. 73 cc) In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen bedarf keiner Vertiefung, ob auch die erst im Klageverfahren näher dargelegten Erwägungen der Beklagten zu Verhandlungsprozessen und informellen Absprachen mit anderen Mitgliedstaaten und deren potentieller Beeinträchtigung durch zusätzliche Landesaufnahmeanordnungen hier noch hätten berücksichtigt werden können (vgl. zur fehlenden Berücksichtigungsfähigkeit erst nach Eintritt der Erledigung erfolgender nachträglicher Ermessenserwägungen bei der Fortsetzungsfeststellungsklage Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 41. EL, Stand Juli 2021, § 113 VwGO Rn. 152 f., § 114 Rn. 246), und ob dies in einer Weise plausibilisiert worden ist, dass die Versagung des Einvernehmens auch unter diesem Aspekt wegen mangelnder Wahrung der Bundeseinheitlichkeit gerechtfertigt gewesen wäre. 74 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2022-19,16.03.2022,"Pressemitteilung Nr. 19/2022 vom 16.03.2022 EN Sonntagsöffnungen im ersten Halbjahr 2018 im Land Berlin rechtmäßig Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Allgemeinverfügung zur sonntäglichen Ladenöffnung für das erste Halbjahr 2018 im Land Berlin rechtmäßig war. Zugleich hat es seine Rechtsprechung zum verfassungsrechtlich gebotenen Sonn- und Feiertagsschutz bei Großveranstaltungen präzisiert. Die Senatsverwaltung des Landes Berlin legte durch Allgemeinverfügung für das erste Halbjahr 2018 drei verkaufsoffene Sonntage fest, an denen alle Verkaufsstellen im Land Berlin in der Zeit von 13 Uhr bis 20 Uhr geöffnet sein durften. Am ersten Sonntag fanden in Berlin die Internationale Grüne Woche und das Berliner Sechstagerennen statt, an den beiden weiteren die Internationalen Filmfestspiele (Berlinale) sowie die Internationale Tourismus-Börse. Die Klägerin, eine Gewerkschaft, hat mit ihrer Klage geltend gemacht, die Allgemeinverfügung verletze den verfassungsrechtlichen Sonntagsschutz. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, die angegriffenen Sonntagsöffnungen seien rechtswidrig gewesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die in der Allgemeinverfügung genannten Veranstaltungen seien herausragend bedeutsame Ereignisse für die ganze Stadt, die im öffentlichen Interesse die Öffnung von Verkaufsstellen an einem Sonntag ausnahmsweise rechtfertigten. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Das verfassungsrechtlich gebotene Mindestniveau des Sonn- und Feiertagsschutzes verlangt, dass der Gesetzgeber die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen zur Regel erheben muss. Ausnahmen darf er nur aus zureichendem Sachgrund zur Wahrung gleich- oder höherwertiger Rechtsgüter zulassen. Anlassbezogene Sonntagsöffnungen müssen sich als Annex zur anlassgebenden Veranstaltung darstellen und in der Regel auf das räumliche Umfeld der Veranstaltung beschränkt werden. Ausnahmen kommen bei mehrtägigen Großveranstaltungen von nationalem oder internationalem Rang in Betracht, wenn sich deren Ausstrahlungswirkung auf das gesamte Gebiet der Kommune erstreckt. Darüber hinaus müssen die Umstände die Prognose erlauben, die Zahl der von der Veranstaltung selbst angezogenen Besucher werde größer sein als die Zahl derjenigen, die allein wegen einer Ladenöffnung am selben Tag - ohne die Veranstaltung - kämen (prognostischer Besucherzahlenvergleich). Die Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Berliner Ladenöffnungsgesetz (BerlLadÖffG) durch das Berufungsgericht wird diesen Anforderungen nicht in jeder Hinsicht gerecht. Es hat das aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abzuleitende Erfordernis, dass die Veranstaltung und nicht die Ladenöffnung den Sonntag prägen muss, nicht ausreichend berücksichtigt. § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG lässt im öffentlichen Interesse ausnahmsweise die Öffnung von Verkaufsstellen an jährlich acht, nicht unmittelbar aufeinander folgenden Sonn- oder Feiertagen in der Zeit von 13.00 bis 20.00 Uhr durch Allgemeinverfügung zu. Wird das öffentliche Interesse - wie hier - mit einer Veranstaltung begründet, finden die dargestellten Kriterien Anwendung. Danach durfte das Berufungsgericht in Anbetracht der Bedeutung der mehrtätigen internationalen Großveranstaltungen vom Regelerfordernis der räumlichen Begrenzung auf das Umfeld der Veranstaltungen absehen, weil sich deren Ausstrahlungswirkung nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen auf das gesamte Stadtgebiet erstreckte. Auf einen Vergleich der Besucherströme durfte es hingegen nicht verzichten. Die angefochtene Entscheidung erweist sich gleichwohl im Ergebnis als richtig, weil nach den für das Revisionsgericht bindenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen war, dass die von den Veranstaltungen an einem Sonntag jeweils angezogene Besucherzahl die Anzahl der von der Ladenöffnung angezogenen Besucher überstieg. BVerwG 8 C 6.21 - Urteil vom 16. März 2022 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, OVG 1 B 6.19 - Beschluss vom 14. Mai 2020 - VG Berlin, VG 4 K 527.17 - Beschluss vom 05. April 2019 -","Urteil vom 16.03.2022 - BVerwG 8 C 6.21ECLI:DE:BVerwG:2022:160322U8C6.21.0 EN Verfassungskonforme Auslegung der Ermächtigung zu Sonntagsöffnungen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG Leitsätze: 1. Wird das öffentliche Interesse für eine ausnahmsweise Sonntagsöffnung im Sinne des § 6 Abs. 1 Abs. 1 BerlLadÖffG mit einer Veranstaltung begründet, gelten keine geringeren verfassungsrechtlichen Anforderungen als für Verkaufsöffnungen an Sonn- und Feiertagen aus besonderem Anlass. 2. Ausnahmen vom Regelerfordernis der räumlichen Begrenzung der Ladenöffnung auf das Umfeld der Veranstaltung kommen bei mehrtägigen Großveranstaltungen von nationalem oder internationalem Rang in Betracht, wenn sich deren Ausstrahlungswirkung auf das gesamte Gebiet der Kommune erstreckt. Rechtsquellen GG Art. 140 i.V.m. Art. 139 WRV BVerfGG § 31 BerlLadÖffG § 6 Abs. 1 Satz 1 Instanzenzug VG Berlin - 05.04.2019 - AZ: VG 4 K 527.17 OVG Berlin-Brandenburg - 14.05.2020 - AZ: OVG 1 B 6.19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 16.03.2022 - 8 C 6.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:160322U8C6.21.0] Urteil BVerwG 8 C 6.21 VG Berlin - 05.04.2019 - AZ: VG 4 K 527.17 OVG Berlin-Brandenburg - 14.05.2020 - AZ: OVG 1 B 6.19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2022 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gründe I 1 Die Klägerin, eine Gewerkschaft, wendet sich gegen die Allgemeinverfügung des Beklagten vom 17. November 2017 über das Offenhalten von Verkaufsstellen an zusätzlichen Sonntagen für das erste Halbjahr 2018. Danach durften in diesem Zeitraum an drei Sonntagen Verkaufsstellen im Land Berlin jeweils in der Zeit von 13.00 bis 20.00 Uhr im öffentlichen Interesse ausnahmsweise für das Anbieten von Waren geöffnet sein. Am ersten Sonntag fanden in Berlin die Internationale Grüne Woche und das Berliner Sechstagerennen statt, an den beiden weiteren die Internationalen Filmfestspiele (Berlinale) sowie die Internationale Tourismusbörse. In der Begründung zur Allgemeinverfügung wurde ausgeführt, das öffentliche Interesse an der sonntäglichen Öffnung der Verkaufsstellen ergebe sich aus den genannten mehrtägigen Großveranstaltungen, denen Bedeutung für Berlin als Ganzes zukomme und die eine Vielzahl von Touristen in die Stadt holten. 2 Mit ihrer dagegen erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Allgemeinverfügung verletze den verfassungsrechtlichen Sonntagsschutz. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, die Allgemeinverfügung sei rechtswidrig gewesen. Das Oberverwaltungsgericht hat dieses Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Die Allgemeinverfügung sei rechtmäßig. Die darin genannten Veranstaltungen seien herausragend bedeutsame Ereignisse für die ganze Stadt, die im öffentlichen Interesse die Öffnung von Verkaufsstellen an einem Sonntag ausnahmsweise rechtfertigten. Das Bundesverfassungsgericht habe § 6 Abs. 1 Satz 1 Berliner Ladenöffnungsgesetz (BerlLadÖffG) mit Urteil vom 1. Dezember 2009 verfassungskonform ausgelegt und die verfassungsrechtlichen Fragen zur ausnahmsweisen Sonntagsöffnung für das Berliner Landesrecht abschließend geklärt. Daher bedürfe es keiner ergänzenden Heranziehung weiterer, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelter Kriterien, um dem verfassungsrechtlich gebotenen Mindestschutz der Sonntagsruhe Rechnung zu tragen. Das gelte auch dann, wenn das für die Festlegung eines verkaufsoffenen Sonntags erforderliche öffentliche Interesse inhaltlich an eine Veranstaltung anknüpfe. Nach diesem Maßstab seien die Sonntagsöffnungen rechtmäßig gewesen. 3 Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das Berufungsgericht verletze den durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV garantierten Sonntagsschutz. Die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei auf die Rechtslage im Land Berlin anzuwenden. Sie leite sich unmittelbar aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben ab und sei unabhängig von der konkreten landesrechtlichen Ausgestaltung der Rechtsgrundlage immer dann zwingend zu beachten, wenn eine Sonntagsöffnung mit einer Anlassveranstaltung begründet werde. Das Bundesverfassungsgericht habe mit Urteil vom 1. Dezember 2009 keine abschließende Auslegung des Berliner Landesrechts vorgenommen. Diese bleibe den Fachgerichten vorbehalten. Bei zutreffender Anwendung des revisiblen Rechts hätte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die jeweiligen Anlässe eine Sonntagsöffnung für ganz Berlin und alle Warengruppen nicht hätten rechtfertigen können, da die Veranstaltungen nicht stadtweit prägend gewesen seien. Zudem habe der Beklagte keine verlässliche Besucherzahlenprognose erstellt. 4 Die Klägerin beantragt, den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Mai 2020 zu ändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 5. April 2019 zurückzuweisen. 5 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils, die Revision zurückzuweisen. 6 Sie verteidigen den angegriffenen Beschluss und tragen ergänzend vor, der Berliner Landesgesetzgeber habe dem verfassungsrechtlich gebotenen Mindestschutz der Sonntagsruhe durch zahlenmäßige Begrenzung der möglichen Sonntagsöffnungen und deren Beschränkung auf jeweils sieben Stunden Rechnung getragen. Der verfassungskonformen Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG durch das Bundesverfassungsgericht komme gemäß § 31 BVerfGG Gesetzeskraft zu. Danach liege ein öffentliches Interesse für eine berlinweite Sonntagsöffnung vor, wenn an dem betreffenden Sonntag große Messen oder andere Veranstaltungen stattfänden, die Bedeutung für Berlin als Ganzes hätten. Weitere Voraussetzungen habe das Bundesverfassungsgericht nicht gefordert. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht trägt vor, in größeren Städten sei die anlassbezogene Sonntagsöffnung mit erheblichen Rechtsunsicherheiten belastet. Die durch die Ladenöffnung ausgelösten Besucherströme sollten daher außer Betracht bleiben. Die zunehmende Säkularisierung habe zu einem Bedeutungswandel des Sonntags geführt. Bei der rechtlichen Bewertung der Zulässigkeit von Sonntagsöffnungen sei zu berücksichtigen, dass Einkaufen heute zur Freizeitgestaltung gehöre. Zudem sei der stationäre Einzelhandel einem erheblichen Strukturwandel unterworfen. II 8 Die Revision hat keinen Erfolg. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht zwar auf der Verletzung von Bundesrecht, erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). 9 1. Die Annahme des Berufungsgerichts, eine stadtweite sonntägliche Ladenöffnung sei nach § 6 Abs. 1 Satz 1 des Berliner Ladenöffnungsgesetzes vom 14. November 2006 (GVBl. S. 1045), zuletzt geändert durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Berliner Ladenöffnungsgesetzes vom 13. Oktober 2010 (GVBl. S. 467 - BerlLadÖffG -), wegen herausragend bedeutsamer Ereignisse für die ganze Stadt Berlin gerechtfertigt, ohne dass es auf die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Sonntagsschutz entwickelten Kriterien ankomme, steht nicht im Einklang mit Bundesrecht. Sie beruht auf einer Auslegung der landesrechtlichen Ermächtigung, die dem verfassungsrechtlich geforderten Mindestniveau des Sonntagsschutzes nicht entspricht. 10 a) Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG legt die für die Ladenöffnungszeiten zuständige Senatsverwaltung im öffentlichen Interesse die Öffnung von Verkaufsstellen an jährlich acht, nicht unmittelbar aufeinanderfolgenden Sonn- oder Feiertagen in der Zeit von 13.00 bis 20.00 Uhr durch Allgemeinverfügung fest. Da die Vorschrift zum irrevisiblen Recht gehört, hat das Revisionsgericht nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO von der vorinstanzlichen Auslegung auszugehen und nur deren Vereinbarkeit mit revisiblem Recht zu beurteilen. Das Berufungsgericht geht davon aus, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - (BVerfGE 125, 39) habe eine abschließende verfassungskonforme Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG vorgenommen. Danach sei eine ausnahmsweise Sonntagsöffnung im öffentlichen Interesse bei herausragend bedeutsamen Ereignissen für die ganze Stadt Berlin zulässig, ohne dass es auf weitere, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelte Kriterien zum ausreichenden, die Sonntagsöffnung rechtfertigenden Gewicht der Veranstaltung als Sachgrund ankomme. Zu solch besonderen Ereignissen zählt das Berufungsgericht insbesondere Großveranstaltungen, die über die Stadt hinaus Bedeutung haben, zahlreiche Touristen nach Berlin holen und die einzeln oder in ihrem Zusammenwirken Bedeutung für Berlin als Ganzes haben. In solchen Fällen hält das Berufungsgericht die Überprüfung der prägenden Wirkung der Veranstaltung anhand eines prognostischen Besucherzahlenvergleichs für entbehrlich. Ebenso wenig soll es auf die räumliche Ausstrahlungswirkung des Veranstaltungsgeschehens ankommen. Diese Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG wird der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Sonn- und Feiertagsschutzes gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV nicht in jeder Hinsicht gerecht. 11 b) Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV schützt den Sonn- und Feiertag als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung. Er konkretisiert die Schutzpflichten aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und dient der Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips, weil er jedermann regelmäßige Ruhetage garantiert und den Schutz der Grundrechte verstärkt, deren Ausübung in besonderem Maße auf die synchrone Taktung des sozialen Lebens angewiesen ist, beispielsweise Art. 2 Abs. 2, Art. 6 Abs. 1, Art. 8 und Art. 9 Abs. 1 und 2 GG (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <77 f., 80 ff., 85 f.>). Der Gesetzgeber ist gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV verpflichtet, den Sonn- und Feiertagsschutz entsprechend auszugestalten. Die Grenzen seines weiten Gestaltungsspielraums sind erst überschritten, wenn das gesetzliche Schutzkonzept offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich ist oder wenn es erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleibt. Das ist der Fall, wenn die gesetzliche Regelung das verfassungsrechtlich geforderte Mindestniveau des Sonntagsschutzes unterschreitet. Um dieses Mindestniveau zu wahren, muss der Gesetzgeber die Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe zur Regel erheben. Ausnahmen darf er nur aus zureichendem Sachgrund zur Wahrung gleich- oder höherrangiger Rechtsgüter zulassen; das bloß wirtschaftliche Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und das alltägliche Erwerbsinteresse (Shopping-Interesse) potenzieller Käufer genügen dazu nicht. Außerdem muss sichergestellt sein, dass die Ausnahmen als solche für die Öffentlichkeit erkennbar bleiben. Danach genügt es nicht, die Zahl der jährlich zulässigen Sonn- und Feiertagsöffnungen gesetzlich zu beschränken. Darüber hinaus muss der Gesetzgeber sicherstellen, dass entsprechende Ermächtigungen nur Sonntagsöffnungen ermöglichen, die durch einen zureichenden Sachgrund im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gerechtfertigt und für das Publikum am betreffenden Tag als Ausnahme von der sonntäglichen Arbeitsruhe zu erkennen sind. Eine Sonntagsöffnung darf nicht auf eine weitgehende Gleichstellung mit den Werktagen und ihrer geschäftigen Betriebsamkeit hinauslaufen. Geht eine gesetzliche Ermächtigung über diese Grenzen hinaus, unterschreitet sie das verfassungsrechtlich geforderte Mindestniveau des Sonntagsschutzes, sofern sie nicht verfassungskonform ausgelegt werden kann (vgl. BVerwG, Urteile jeweils vom 22. Juni 2020 - 8 CN 1.19 - BVerwGE 168, 338 Rn. 14 ff. und - 8 CN 3.19 - BVerwGE 168, 356 Rn. 14 ff. m.w.N.). 12 Der Gesetzgeber darf nur zu Sonntagsöffnungen ermächtigen, die jeweils durch einen zureichenden Sachgrund von einem Gewicht getragen werden, das den zeitlichen und räumlichen Umfang der Öffnung rechtfertigt. Findet die Sonntagsöffnung aus Anlass einer Veranstaltung statt, muss gewährleistet sein, dass sie und nicht die Ladenöffnung das öffentliche Bild des betreffenden Sonntags prägt. Daraus ergeben sich Grenzen für den zulässigen Umfang anlassbezogener Öffnungen. Anlassbezogene Sonntagsöffnungen müssen sich stets als Annex zur anlassgebenden Veranstaltung darstellen. Sie dürfen nur zugelassen werden, wenn die dem zuständigen Organ bei der Entscheidung über die Sonntagsöffnung vorliegenden Informationen und die ihm sonst bekannten Umstände die schlüssige und nachvollziehbare Prognose erlauben, die Zahl der von der Veranstaltung selbst angezogenen Besucher werde größer sein als die Zahl derjenigen, die allein wegen einer Ladenöffnung am selben Tag - ohne die Veranstaltung - kämen (prognostischer Besucherzahlenvergleich). Anlassbezogene Sonntagsöffnungen müssen in der Regel auf das räumliche Umfeld der Anlassveranstaltung beschränkt werden. Dieses Umfeld wird durch die Ausstrahlungswirkung der Veranstaltung bestimmt und entspricht dem Gebiet, das durch das Veranstaltungsgeschehen selbst geprägt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2020 - 8 CN 1.19 - BVerwGE 168, 338 LS 2, 3 und 4, Rn. 20 ff.). Ausnahmen vom Regelerfordernis der räumlichen Begrenzung auf das Umfeld der Veranstaltung kommen beispielsweise bei mehrtägigen Großveranstaltungen von nationalem oder internationalem Rang in Betracht, wenn deren Besucher im gesamten Gebiet der Kommune untergebracht und versorgt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2020 - 8 CN 1.19 - a.a.O. Rn. 26; BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <98>). 13 c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2009 einer Berücksichtigung dieser Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Mindestschutzniveaus bei der Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG nicht entgegen. Ihm lässt sich keine abschließende, die Fachgerichte gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG bindende Auslegung dieser landesrechtlichen Vorschrift entnehmen. 14 Grundsätzlich ist die Auslegung und Anwendung einfachen Gesetzesrechts Aufgabe der sachnäheren Fachgerichte (BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1975 - 2 BvR 1018/74 - BVerfGE 40, 88 <94>). Nur soweit die Verfassungswidrigkeit einer Norm ausgesprochen oder die Feststellung getroffen worden ist, eine bestimmte Auslegung des einfachen Rechts sei verfassungswidrig, sind die Fachgerichte gemäß § 31 BVerfGG hieran gebunden (BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 1986 - 1 BvR 677/84 - BVerfGE 72, 119 <121>). Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Auslegung und Anwendung einfachen Rechts sind nur insoweit verbindlich, als das Gericht aus dem Verfassungsrecht abzuleitende Maßstäbe hierfür setzt (BVerwG, Urteil vom 12. Juni 1992 - 7 C 5.92 - BVerwGE 90, 220 <226>). 15 Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 1. Dezember 2009 zwar aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV verfassungsrechtliche Maßgaben für Ladenöffnungen an Sonn- und Feiertagen abgeleitet, aber keine abschließende Konkretisierung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Sonntagsöffnung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG vorgenommen. Es ist davon ausgegangen, dass das verfassungsrechtlich geforderte Mindestniveau des Sonn- und Feiertagsschutzes gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV nur gewahrt ist, wenn für die Sonntagsöffnung ein dem Sonntagsschutz gerecht werdender Sachgrund besteht und die jeweilige Ladenöffnung dem Regel-Ausnahme-Gebot genügt (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <87 f.>). Diese verfassungsrechtlichen Maßgaben hat es in Bezug auf § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG dahin konkretisiert, dass ein allein am Wortlaut orientiertes Verständnis des unbestimmten Rechtsbegriffs ""öffentliches Interesse"", das für eine Sonntagsöffnung jedes noch so geringe öffentliche Interesse genügen ließe, dem verfassungsrechtlichen Mindestniveau des Sonn- und Feiertagsschutzes nicht gerecht wird. Vielmehr verlangt § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG bei verfassungskonformer Auslegung ein öffentliches Interesse solchen Gewichts, das die Ausnahmen von der Arbeitsruhe rechtfertigt (vgl. BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 a.a.O. S. 98). 16 Über diese ihrerseits konkretisierungsbedürftigen Maßgaben hinaus entfaltet das Urteil keine Bindungswirkung gemäß § 31 BVerfGG. Seine Bezugnahme auf die Begründung des Berliner Landesgesetzgebers, wonach besondere Ereignisse im Interesse der Berliner und Touristen, wie große Veranstaltungen, die über die Stadt hinaus Bedeutung haben und zahlreiche Touristen nach Berlin holen, das Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Interesses im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG sollen ausfüllen können (vgl. Abgh.-Drs. 16/0015, S. 13), stellt keine für jeden Einzelfall abschließende Auslegung der Vorschrift dar. Das verdeutlichen die weiteren Ausführungen des bundesverfassungsgerichtlichen Urteils, wonach nur solche Veranstaltungen, die einzeln oder in ihrem Zusammenwirken Bedeutung für Berlin als Ganzes hätten, die ausnahmsweise Sonntagsöffnung würden ""tragen können"" (vgl. BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <98>). Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass nicht jede Veranstaltung allein schon wegen ihrer Bedeutung für Berlin als Ganzes ohne Prüfung weiterer Voraussetzungen eine Sonntagsöffnung im öffentlichen Interesse begründet. Zudem verlangt die Freigabe der Sonntagsöffnung durch Allgemeinverfügung eine Verwaltungsentscheidung, welche die Möglichkeit eröffnet, die jeweils betroffenen Interessen und Rechtsgüter konkret in eine Abwägung einzubeziehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 a.a.O. S. 97). Das setzt eine fallbezogene Konkretisierung des öffentlichen Interesses an einer ausnahmsweisen Sonntagsöffnung in jedem konkreten Einzelfall voraus, die der zuständigen Behörde und den Fachgerichten vorbehalten bleibt. 17 2. Der angegriffene Beschluss beruht auf der aufgezeigten, den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in jeder Hinsicht genügenden Konkretisierung des § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG. Bei zutreffender Anwendung der Vorschrift erweist sich die Entscheidung des Berufungsgerichts jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen im Ergebnis die Annahme, dass die verfahrensgegenständlichen Sonntagsöffnungen ausnahmsweise im öffentlichen Interesse nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG zugelassen werden durften. 18 a) Zu Recht hat das Berufungsgericht das Vorliegen eines zureichenden Sachgrundes für die ausnahmsweisen Sonntagsöffnungen angenommen. Bei der Internationalen Grünen Woche, dem Berliner Sechstagerennen, der Berlinale und der Internationalen Tourismusbörse handelt es sich jeweils um jährlich stattfindende, mehrtägige internationale Großveranstaltungen mit langjähriger und internationaler Tradition, die eine Besucherzahl in erheblicher, teils sechsstelliger Größenordnung anziehen. Solche Veranstaltungen können einen Sachgrund von hinreichendem Gewicht für eine sonntägliche Ladenöffnung darstellen. 19 b) Wird das öffentliche Interesse an einer Sonntagsöffnung mit einer Veranstaltung als Sachgrund gerechtfertigt, muss die Veranstaltung - und nicht die Ladenöffnung - das öffentliche Bild des betreffenden Sonntags prägen. Das setzt voraus, dass die öffentliche Wirkung der Veranstaltung gegenüber der durch die Ladenöffnung ausgelösten, typischen werktäglichen Geschäftigkeit im Vordergrund steht, sodass die Ladenöffnung nur als Annex zur Veranstaltung erscheint. Dazu muss die Sonntagsöffnung regelmäßig auf das räumliche Umfeld der Veranstaltung begrenzt werden, damit ihr Bezug zum Veranstaltungsgeschehen erkennbar bleibt. Ausnahmen von diesem Regelerfordernis kommen bei mehrtägigen Großveranstaltungen von nationalem oder internationalem Rang in Betracht, wenn deren Besucher im gesamten Gebiet der Kommune untergebracht und versorgt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2020 - 8 CN 1.19 - BVerwGE 168, 338 Rn. 26) oder sie in anderer Weise auf das Gesamtgebiet ausstrahlen. Das war hier nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachenfeststellungen der Fall. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass sich die Ausstrahlungswirkung der Veranstaltungen, die teils zeitgleich an unterschiedlichen Veranstaltungsorten im Stadtgebiet stattfanden, jeweils über deren unmittelbares räumliches Umfeld hinaus auf das gesamte Stadtgebiet erstreckte. Damit waren sie geeignet, gebietsweit das öffentliche Bild des Sonntags zu prägen. 20 c) Das Berufungsgericht hat allerdings - wie dargelegt - zu Unrecht davon abgesehen, für die prägende Wirkung der verfahrensgegenständlichen Veranstaltungen einen prognostischen Vergleich der von der jeweiligen Veranstaltung und der von einer bloßen Ladenöffnung angezogenen Besucherzahlen zu verlangen. Gleichwohl hat es die in der Allgemeinverfügung angestellte Besucherzahlenprognose in Bezug genommen und (hilfsweise) bestätigt. Diese erweist sich indessen nicht in jeder Hinsicht als schlüssig und nachvollziehbar. Auf der Grundlage der vom Handelsverband Berlin-Brandenburg für verkaufsoffene Sonntage ermittelten Daten geht sie davon aus, 8,04 % der durchschnittlichen wöchentlichen Kundenzahl würden auch ohne Veranstaltung von einer Ladenöffnung an einem Sonntag angezogen. Die daraus abgeleitete Folgerung, 8,04 % aller Veranstaltungsbesucher würden von einer Sonntagsöffnung angezogen, ist hingegen nicht nachvollziehbar. Vielmehr kommt es nicht auf die Bezugsgröße aller Veranstaltungsbesucher, sondern darauf an, ob die Veranstaltung auch ohne Sonntagsöffnung mehr Besucher anzöge, als Kunden wegen der sonntäglichen Ladenöffnung ohne Veranstaltung gekommen wären. 21 Bei zutreffender Bezugsgröße ist die Prognose jedoch im Ergebnis nicht zu beanstanden. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht für die betreffenden Veranstaltungen festgestellten Gesamtbesucherzahlen war an den drei verkaufsoffenen Sonntagen mit durchschnittlich 50 000, 45 000 und 36 000 Veranstaltungsbesuchern zu rechnen. Demgegenüber belief sich die Anzahl der Kunden, die auch ohne die Veranstaltung allein von der Ladenöffnung angezogen würden, nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für das Revisionsgericht bindenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) auf lediglich 20 255 und blieb damit hinter den prognostizierten Besucherzahlen der Veranstaltungen deutlich zurück. 22 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2022-2,13.01.2022,"Pressemitteilung Nr. 2/2022 vom 13.01.2022 EN Erreichen des Regelrentenalters schließt Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz nicht aus Ein schwerbehinderter Mensch kann im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamts für begleitende Hilfen im Arbeitsleben die Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz auch nach Erreichen des Regelrentenalters beanspruchen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit gestrigem Urteil entschieden. Der 1951 geborene Kläger ist blind und mit einem Grad der Behinderung von 100 als schwerbehindert anerkannt. Die Leistungen für eine Assistenzkraft in Höhe von monatlich 1.650,- Euro (22 Wochenstunden), die er für seine selbständige Tätigkeit als Lehrer, Berater und Gewerbetreibender erhielt, erbrachte der beklagte Landeswohlfahrtsverband nur bis zum 30. Juni 2016, weil der Kläger ab dem 1. Juli 2016 eine Altersrente beziehe. Den Antrag des weiterhin erwerbstätigen Klägers, die Kosten vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017 weiter zu übernehmen, lehnte er ab. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an diesen zurückverwiesen. Für den Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz als begleitender Hilfe im Arbeitsleben (gemäß § 102 Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch - SGB IX - alter Fassung, dem § 185 Abs. 5 SGB IX neuer Fassung entspricht) ist eine Altersgrenze weder ausdrücklich im Gesetz geregelt noch lässt sie sich diesem - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - im Wege der Auslegung entnehmen. Der Anspruch setzt zum einen für eine Einordnung als Hilfe im Arbeitsleben nach Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck der Regelung nur voraus, dass der schwerbehinderte Mensch einer nachhaltig betriebenen Erwerbstätigkeit nachgeht, die geeignet ist, dem Aufbau bzw. der Sicherung einer wirtschaftlichen Lebensgrundlage zu dienen. Zum anderen ist erforderlich, dass tatsächlich Arbeitsassistenzleistungen erbracht werden, die unter Berücksichtigung der konkreten Arbeitsumstände zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile notwendig sind. Da der Verwaltungsgerichtshof - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - zu diesen Voraussetzungen keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen hat, konnte das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht nicht selbst abschließend in der Sache entscheiden, sondern hatte diese an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. BVerwG 5 C 6.20 - Urteil vom 12. Januar 2022 Vorinstanzen: VGH Kassel, VGH 10 A 1852/18 - Urteil vom 27. Februar 2020 - VG Frankfurt/Main, VG 11 K 4774/16.F - Urteil vom 13. Januar 2017 -","Urteil vom 12.01.2022 - BVerwG 5 C 6.20ECLI:DE:BVerwG:2022:120122U5C6.20.0 EN Arbeitsassistenzleistungen für Selbstständige, die als begleitende Hilfen im Arbeitsleben gewährt werden, unterliegen keiner Altersgrenze Leitsatz: Der Anspruch auf Gewährung einer notwendigen Arbeitsassistenz zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit (§ 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F.) wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der schwerbehinderte Mensch die Regelaltersgrenze für Rentenleistungen überschreitet. Denn eine zu gewährende Arbeitsassistenzleistung verliert ihren Charakter als ""begleitende Hilfe im Arbeitsleben"" (§ 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB IX n.F.) nicht deshalb, weil der Berechtigte das Rentenregelalter oder eine nach dem Gesichtspunkt der Üblichkeit zu bestimmende Altersgrenze erreicht hat und eine Altersrente bezieht. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 3 Satz 2 VwGO § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 137 Abs. 1 Nr. 1, § 141 Satz 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB I § 10 Nr. 3 SGB VI §§ 3, 35 ff., § 41 Satz 3, §§ 235 f. SGB IX a.F. § 2 Abs. 2, § 6 Abs. 1, § 33 Abs. 1 und 8 Satz 2, §§ 39, 77 Abs. 1 und 5, § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4, § 136 Abs. 1 Satz 1 bis 3 SGB IX § 58 Abs. 1 Satz 3, § 160 Abs. 1, § 185 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 BSHG § 39 Abs. 1 Satz 1, § 41 SchwbG § 4 Abs. 1 UN-BRK Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Buchst. e, Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 Instanzenzug VG Frankfurt am Main - 13.01.2017 - AZ: VG 11 K 4774/16.F VGH Kassel - 27.02.2020 - AZ: VGH 10 A 1852/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 12.01.2022 - 5 C 6.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:120122U5C6.20.0] Urteil BVerwG 5 C 6.20 VG Frankfurt am Main - 13.01.2017 - AZ: VG 11 K 4774/16.F VGH Kassel - 27.02.2020 - AZ: VGH 10 A 1852/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 12. Januar 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2020 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz. 2 Der ... geborene Kläger ist blind und mit einem Grad der Behinderung von 100 als schwerbehindert anerkannt. Die Leistungen für eine Assistenzkraft in Höhe von monatlich 1 650 Euro (22 Wochenstunden), die er für seine selbstständige Tätigkeit als Lehrer, Berater und Gewerbetreibender erhielt, erbrachte der beklagte Landeswohlfahrtsverband nur bis zum 30. Juni 2016, weil der Kläger ab dem 1. Juli 2016 eine Altersrente beziehe. Den Antrag des weiterhin erwerbstätigen Klägers, die Kosten für seine Arbeitsassistenz auch vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017 zu übernehmen, lehnte er ab und wies den Widerspruch des Klägers zurück. 3 Die daraufhin erhobene Verpflichtungsklage des Klägers hat weder vor dem Verwaltungsgericht noch vor dem Verwaltungsgerichtshof Erfolg gehabt. Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine weitere Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz. Mit dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters entfalle der Zweck der Förderung, die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben zu ermöglichen. Der Begriff des Arbeitslebens in § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. knüpfe ebenso wie derjenige in dem seit dem 1. Januar 2018 geltenden § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. an den gesellschaftlichen Rahmen der Arbeitsphase des menschlichen Lebens an. Insofern sei bei einer generalisierenden Betrachtung für das Ende des Arbeitslebens primär auf die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften abzustellen, sodass das Arbeitsleben in der Regel mit dem Renteneintrittsalter ende, das derzeit sukzessive von 65 auf 67 Jahre ansteige. Abweichungen davon könnten sich nur aufgrund einer berufsfeldspezifisch differenzierten Betrachtung der Lebenswirklichkeit ergeben. Für den vom Kläger betriebenen Vertrieb sogenannter Bio-Feedbackgeräte sei aber ebenso wenig wie für dessen Schulungs- und Unterrichtstätigkeit erkennbar, dass der Ruhestandseintritt in der Praxis mehrheitlich von der Regelaltersgrenze abweiche. 4 Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision und trägt insbesondere vor, der Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz sei nach Wortlaut, Systematik, Geschichte sowie nach dem vom Gesetzgeber definierten Ziel, die Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeits- und Berufsleben während der gesamten Zeitdauer der Erwerbstätigkeit zu verbessern, nicht an das Erreichen einer Lebensaltersgrenze gebunden. Bei der Auslegung des Begriffs Arbeitsleben komme in besonderem Maße seine grundrechtlich geschützte Position aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und dem Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zum Tragen. Die vom Verwaltungsgerichtshof herangezogene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der Sache 5 C 26.04 betreffe einen anderen Sachverhalt und könne keine Orientierung bieten. Bei der Altersgrenze in § 35 und § 235 SGB VI handele es sich um eine anspruchsbegründende Voraussetzung für einen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch, bei deren Erreichen ein Arbeitsverhältnis arbeitsrechtlich nicht ""automatisch"" ende. 5 Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung. II 6 Die Revision des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 141 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs steht mit Bundesrecht nicht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz gemäß § 102 Abs. 4 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX - in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (SGB IX a.F.) wird entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs durch das Erreichen der Regelrentenaltersgrenze und den Bezug einer Altersrente nicht ausgeschlossen. Aus dem Begriff des Arbeitslebens in § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. folgt nicht, dass begleitende Hilfen nur in einem berufsfeldabhängigen gesellschaftlichen Rahmen, in dem sich die Berufstätigkeit vollzieht, und im Übrigen regelmäßig nur bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter zu gewähren sind. Ob sich das Urteil aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Das angefochtene Urteil ist daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. 7 1. Gegenstand der revisionsgerichtlichen Prüfung ist der Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017. 8 Allein der darauf gerichtete Antrag des Klägers bildete mit dem diesem zugrundeliegenden Lebenssachverhalt den Streitgegenstand des Berufungsverfahrens, der wegen der unbeschränkt zugelassenen Revision in das Revisionsverfahren übergegangen ist. Dabei unterliegt die inhaltliche Bewertung des Klageantrags durch das Berufungsgericht der uneingeschränkten Überprüfung in der Revisionsinstanz. Denn es steht die Auslegung einer Prozesserklärung in Rede, die das Revisionsgericht ohne Bindung an eine Auslegung durch die Vorinstanz vornehmen darf (BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 2015 - 5 P 1.14 - Buchholz 250 § 25 BPersVG Nr. 18 Rn. 9 m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 - II ZR 305/14 - WM 2016, 1599 Rn. 13 m.w.N.). 9 Anders als der Sache nach vom Verwaltungsgerichtshof angenommen, erfasst der dort gestellte, auf einen Zeitraum ""über den 30. Juni 2016 hinaus"" gerichtete Verpflichtungsantrag nicht auch die Zeit nach dem 30. Juni 2017. Die am objektiven Empfängerhorizont ausgerichtete Auslegung des insoweit offen formulierten Klageantrags ergibt nicht, dass der Kläger damit seine Klage auf einen zukünftigen Zeitraum erstrecken wollte, der von dem Beklagten bisher nicht beschieden worden ist. Die zeitlich offene Formulierung erklärt sich vielmehr daraus, dass der Zeitraum, für den der Kläger die Übernahme der Kosten für seine Arbeitsassistenz beantragt hatte, zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 23. November 2016 noch nicht abgelaufen war, sodass der Antrag nur dahin verstanden werden kann, dass der Kläger die Verpflichtung des Beklagten für den an den 30. Juni 2016 anschließenden Bewilligungszeitraum von einem Jahr begehrt, für den er Leistungen beantragt hat und auf den sich der verfahrensgegenständliche Bescheid bezieht. 10 Geregelt hat der Beklagte mit dem Bescheid vom 6. Juni 2016 allein den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017. An die weitergehende Auslegung des Bescheids durch den Verwaltungsgerichtshof ist der Senat nicht gebunden, weil sie jedenfalls auf einem unzutreffenden rechtlichen Ansatz beruht. Nach der Rechtsprechung des Senats kann zwar auch ein in die Zukunft reichender Zeitraum Gegenstand einer behördlichen Entscheidung sein, wenn die Behörde diesen Zeitraum auch tatsächlich regeln wollte. Hierfür kann sprechen, dass sie ihre Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt stützt, der einer Leistungsgewährung dauerhaft (oder jedenfalls bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung) entgegensteht. Dies bedeutet aber entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht, dass ein solcher Regelungswille stets im Wege der Auslegung aus einer solchen Begründung abzuleiten wäre. Denn sie trägt in gleicher Weise auch die Versagung des Anspruchs für einen kürzeren Zeitraum. Anhaltspunkte für einen solchen Regelungswillen können sich zwar im Fall eines zeitlich nicht eingegrenzten Antragsbegehrens im Verwaltungsverfahren, an das die Behördenentscheidung anknüpft, oder einer ausdrücklich von der Behörde so bezeichneten ""Vorabentscheidung"" ergeben (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Juli 1998 - 5 C 2.97 - Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr. 17 S. 9 und vom 23. Januar 2018 - 5 C 9.16 - BVerwGE 161, 145 Rn. 7 m.w.N.). An derartigen Anknüpfungspunkten fehlt es hier aber. Schon der Kläger selbst hat seinen Weiterbewilligungsantrag vom 6. April 2016 ausdrücklich auf den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017 beschränkt. Diese Beschränkung des Antragsbegehrens wurde sowohl im Versagungsbescheid als auch in der Entscheidung der Widerspruchsbehörde erkannt und beiden Entscheidungen zugrunde gelegt. Dies spricht dafür, dass die Regelung eines weitergehenden Zeitraums gerade nicht gewollt war. 11 Das so verstandene Klagebegehren hat sich auch nicht erledigt, weil dem Kläger in dem bezeichneten Zeitraum nach den aktenkundigen und nicht bestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs, auf die dieser in der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen hat, Aufwendungen für eine Arbeitsassistenzkraft entstanden sind, die Gegenstand eines Übernahmeanspruchs sein können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juni 2010 - 5 B 66.09 - juris Rn. 7). 12 2. Die Ablehnung des Antrags auf Übernahme der Kosten für die Arbeitsassistenz des Klägers in dem Bescheid vom 6. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Oktober 2016 kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht darauf gestützt werden, dass der Kläger die Regelrentenaltersgrenze oder eine nach Üblichkeitsgesichtspunkten zu bestimmende Altersgrenze erreicht hat und eine Altersrente bezieht. 13 Da sich der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 6. Juni 2016 nur auf den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017 bezieht, kommt als Rechtsgrundlage der begehrten Leistung allein § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. in Betracht. Danach haben schwerbehinderte Menschen im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. 14 Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass der Kläger als schwerbehinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX a.F. grundsätzlich einen nicht im Ermessen der Behörde stehenden Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz hat und dass dies auch für eine selbstständige Tätigkeit gilt, die nachhaltig betrieben wird und dem Aufbau bzw. der Sicherung einer wirtschaftlichen Lebensgrundlage zu dienen geeignet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2018 - 5 C 9.16 - BVerwGE 161, 145 Rn. 10; Beschluss vom 27. Juli 2018 - 5 B 1.18 - juris Rn. 10). Unstreitig ist auch, dass es sich bei der begehrten Leistung der Sache nach um eine Arbeitsassistenzleistung handelt. Diese muss außerdem notwendig gewesen sein und im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben (vgl. § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB IX a.F.) geltend gemacht werden, die von den Zuständigkeiten anderer Leistungsträger abzugrenzen ist. Erforderlich ist insoweit, dass die Arbeitsassistenzleistung sich ihrem Charakter nach als ""begleitende Hilfe im Arbeitsleben"" darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2018 - 5 C 9.16 - BVerwGE 161, 145 Rn. 10). Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanz wird der Anspruch auf Gewährung einer notwendigen Arbeitsassistenz zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit (§ 102 Abs. 4 SGB IX a.F.) nicht dadurch ausgeschlossen, dass der schwerbehinderte Mensch die Regelaltersgrenze für Rentenleistungen überschreitet. Denn eine zu gewährende Arbeitsassistenzleistung verliert ihren Charakter als ""begleitende Hilfe im Arbeitsleben"" (§ 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB IX a.F.) nicht deshalb, weil der Berechtigte das Rentenregelalter oder eine nach dem Gesichtspunkt der Üblichkeit zu bestimmende Altersgrenze erreicht hat und eine Altersrente bezieht. Dies erschließt sich im Wege der Auslegung aus Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Für die inzwischen geltende wortgleiche Regelung des § 185 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB IX n.F. gilt nichts anderes (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Januar 2022 - 5 C 2.21 -). 15 a) Für das genannte Auslegungsergebnis spricht bereits der Wortlaut des § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. Eine Altersbeschränkung findet sich dort nicht und folgt auch nicht aus dem Begriff des Arbeitslebens, der lediglich den durch die Erwerbstätigkeit geprägten Teil des Lebens eines Menschen bezeichnet. Ihm ist ebenso wie dem Begriff der Arbeitsassistenz zwar im Zusammenhang des § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. insofern eine zeitliche Begrenzung immanent, als die begleitende Hilfe nicht lebenslang, sondern nur solange geleistet wird, wie sich der Berechtigte in der Arbeitsphase seines Lebens befindet. Wann diese Phase endet und welche Kriterien dafür außer dem Umstand maßgeblich sein sollen, dass der Betreffende tatsächlich und nachhaltig einer Erwerbstätigkeit nachgeht, ergibt sich daraus jedoch nicht. 16 b) Die systematische Auslegung des § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bestätigt, dass es für die Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz nicht darauf ankommt, ob der schwerbehinderte Mensch die gesetzliche Regelrentenaltersgrenze oder eine nach Üblichkeitsgesichtspunkten zu bestimmende Altersgrenze überschritten hat oder nicht. 17 aa) Der Begriff des Arbeitslebens in § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. ist zunächst im systematischen Zusammenhang mit § 10 Nr. 3 SGB I zu sehen. Nach dieser Vorschrift haben Menschen mit einer Behinderung unabhängig von der Ursache der Behinderung zur Förderung ihrer Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe ein Recht auf Hilfe, die notwendig ist, um ihnen einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern. Als Hilfebedarf wird damit der Gesamtbereich dessen umschrieben, was Arbeit in ihrer Bedeutung für das menschliche Leben auch in seinem sozialen Bezug ausmacht. Umfasst sind von ihm nicht nur die auf eine gezielte Verbesserung der individuellen beruflichen Fähigkeiten des behinderten Menschen abzielenden Leistungen der beruflichen Rehabilitation, sondern auch der Bereich der behinderungsgerechten Arbeitsbedingungen (vgl. Mrozynski, in: Mrozynski, SGB I, 6. Aufl. 2019, § 10 Rn. 5). Der Begriff Arbeitsleben verweist dabei auf einen Beruf oder eine sonstige Tätigkeit, die dem Betroffenen die Chance zur größtmöglichen Entfaltung seiner Persönlichkeit bietet und zu deren Erlangung die Hilfe auch mit dem Ziel der (wirtschaftlichen) Selbstbestimmung dienen soll (vgl. Niedermeyer, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Meßling/Udsching, BeckOK Sozialrecht, Stand 01.09.2021, SGB I, § 10 Rn. 31). Eine einheitliche zeitliche Begrenzung des an eine berufliche Betätigung in diesem Sinne anknüpfenden Hilfeanspruchs bezogen auf alle seine denkbaren Ausgestaltungen lässt sich dem in § 10 Nr. 3 SGB I verwendeten Begriff des Arbeitslebens nicht entnehmen. 18 bb) Auch bei systematischer Betrachtung der Regelungen über die in die Zuständigkeit der Integrationsämter fallenden ""begleitenden Hilfen im Arbeitsleben"" im Sinne des § 102 SGB IX a.F. und der Vorschriften über die Leistungen zur ""Teilhabe am Arbeitsleben"" nach § 33 und § 39 SGB IX a.F., für die die Rehabilitationsträger im Sinne des § 6 Abs. 1 SGB IX a.F. zuständig sind, fehlt es an Anhaltspunkten für eine an das Lebensalter oder den Bezug von Rentenzahlungen anknüpfende einheitliche zeitliche Begrenzung des Hilfeanspruchs. 19 Gemäß § 33 Abs. 1 SGB IX a.F. werden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Eine ähnliche Funktion haben Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, die gemäß § 39 SGB IX a.F. erbracht werden, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit der behinderten Menschen zu erhalten, zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen, die Persönlichkeit dieser Menschen weiterzuentwickeln und ihre Beschäftigung zu ermöglichen oder zu sichern. Die Werkstatt für behinderte Menschen ist gemäß § 136 Abs. 1 Satz 1 bis 3 SGB IX a.F. eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben im Sinne des Kapitels 5 des Teils 1 und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Sie hat denjenigen behinderten Menschen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können, eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis anzubieten (Nr. 1) und zu ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln (Nr. 2). Sie fördert außerdem durch geeignete Maßnahmen den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Sowohl die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 33 SGB IX a.F. als auch die Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen zielen damit auf eine möglichst dauerhafte berufliche (Wieder-)Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt, also auf berufliche Rehabilitation im Sinne einer gezielten Verbesserung der individuellen beruflichen Fähigkeiten oder, soweit das nicht möglich ist, auf berufliche Integration. Dieser Zweckrichtung der Teilhabeleistungen entspricht eine grundsätzliche zeitliche Beschränkung der Rehabilitationsleistungen jedenfalls insoweit, als auf sie kein Anspruch mehr besteht, wenn das Eingliederungsziel erreicht ist oder dessen Erreichung sich als unmöglich erweist (vgl. Mrozynski, in: Mrozynski, SGB I, 6. Aufl. 2019, § 29 Rn. 5), was gegebenenfalls auch aus Altersgründen der Fall sein kann. Die hierauf beruhende grundsätzliche Begrenzung der Teilhabeleistungen kommt im Übrigen auch darin zum Ausdruck, dass die Gewährung von Arbeitsassistenzleistungen als Teilhabeleistungen gemäß § 33 Abs. 8 Satz 2 SGB IX a.F. zeitlich befristet ist. Sie beruht aber nicht auf einem entsprechenden Verständnis des Begriffs ""Arbeitsleben"". 20 Im Gegensatz dazu zielen die begleitenden Hilfen im Arbeitsleben darauf, behinderte Menschen zu unterstützen, die bereits in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert sind. Bei dieser Hilfeart geht es darum, ausführbare und durchführbare Arbeit für den Betroffenen besser, zumutbarer und erfolgreicher zu gestalten, also seine Arbeitssituation individuell und konkret zu verbessern (vgl. Seidel, SuP 2001, 577 <590 f.>). Eine zeitliche Beschränkung ergibt sich aus dieser Zweckrichtung nur insoweit, als die von ihnen erbrachte Arbeitsleistung von Arbeitgebern oder Dritten (noch) abgenommen wird und die Betreffenden insofern im weiteren Sinne am Arbeitsleben teilnehmen. Solange dies noch der Fall ist, ist auch der rechtliche Bezugspunkt für die Erbringung von begleitenden Hilfen gegeben. Deshalb lässt sich auf die begleitenden Hilfen im Arbeitsleben auch nicht das vom Verwaltungsgerichtshof herangezogene Urteil des Senats vom 21. Dezember 2005 - 5 C 26.04 - (Buchholz 436.0 § 41 BSHG Nr. 1 Rn. 14) übertragen, wonach mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze kein Anspruch mehr auf die Eingliederungshilfe gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG in einer Förderwerkstatt im Sinne des § 41 BSHG besteht. Denn deren spezifischer Zweck, den behinderten Menschen in das Arbeitsleben zu integrieren bzw. ihm die Tagesstruktur einer im Arbeitsprozess integrierten Person zu vermitteln, entfällt mit Erreichen des Regelruhestandsalters. Ihm liegt als rechtlicher Bezugspunkt nicht der Charakter einer ""begleitenden Hilfe"" zugrunde. Die zwischenzeitliche Kodifizierung dieser Rechtsprechung in § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB IX n.F. zeigt im Übrigen, dass der Gesetzgeber eine Normierung von Altersgrenzen vornimmt, wenn er sie für notwendig hält. 21 cc) Gegen eine zeitliche Beschränkung der Hilfeleistung auf das Erreichen des Rentenalters spricht außerdem das in § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB IX a.F. formulierte Ziel der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben, dahin zu wirken, dass die schwerbehinderten Menschen in ihrer sozialen Stellung nicht absinken, auf Arbeitsplätzen beschäftigt werden, auf denen sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können sowie durch Leistungen der Rehabilitationsträger und Maßnahmen der Arbeitgeber befähigt werden, sich am Arbeitsplatz und im Wettbewerb mit nichtbehinderten Menschen zu behaupten. Die Hilfen beziehen sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und zielen darauf ab, dem schwerbehinderten Menschen eine vollständige Umsetzung und Weiterentwicklung seiner vorhandenen Fähigkeiten und Kenntnisse im Erwerbsleben zu ermöglichen. Dem liegt das Verständnis eines Menschen zugrunde, bei dem sich auch im Beruf die Persönlichkeit entfaltet und der seine Arbeitskraft hierfür einsetzt. Ist es deshalb (ebenso wie bei einem nichtbehinderten Menschen) grundsätzlich Sache des schwerbehinderten Menschen zu entscheiden, welchem Beruf er nachgeht, ob er diesem seine Arbeitskraft vollumfänglich widmet oder ob er sie anteilig für mehrere Erwerbstätigkeiten einsetzt, und ob er eine Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung ausüben möchte (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2018 - 5 C 9.16 - BVerwGE 161, 145 Rn. 15), muss dies auch für den Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Arbeitsleben gelten. 22 dd) Systematisch gegen eine Begrenzung des Anspruchs auf Kostenübernahme für eine notwendige Arbeitsassistenz durch das Erreichen der gesetzlichen Regelrentenaltersgrenze ist außerdem einzuwenden, dass das jeweilige gesetzliche Regelrentenalter gemäß §§ 35 ff. i.V.m. §§ 235 f. SGB VI lediglich eine anspruchsbegründende Tatbestandsvoraussetzung für den Bezug der Rente darstellt, aber kein ""Arbeitsverbot"" beinhaltet. Das Erreichen der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung führt auch bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nicht kraft Gesetzes zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und lässt insofern auch nicht das ""Arbeitsleben"" enden. Im Gegenteil verfolgt der Gesetzgeber seit einiger Zeit die Absicht, den Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand flexibler zu gestalten. Die damit einhergehenden Erleichterungen zielen neben einer Verbesserung der Kombinierbarkeit von Einkommen aus Teilzeitarbeit und vorgezogener Altersrente insbesondere auf die Beseitigung von arbeits- und rentenversicherungsrechtlichen Hemmnissen für die Fortsetzung von bestehenden Arbeitsverhältnissen über die rentenrechtliche Regelaltersgrenze hinaus (vgl. etwa § 41 Satz 3 SGB VI). Von diesen Erleichterungen können auch abhängig beschäftigte Empfänger von begleitenden Hilfen im Arbeitsleben profitieren, wenn die Bereitschaft für eine solche Fortsetzung auch auf Seiten des Arbeitgebers besteht. Hinzu kommt, dass diejenigen, die eine Berufstätigkeit selbstständig ausüben, von der rentenrechtlichen Regelaltersgrenze überhaupt nicht betroffen sind. 23 ee) Gegen eine Höchstaltersgrenze für die als begleitende Hilfe im Arbeitsleben gewährten Arbeitsassistenzleistungen spricht außerdem die ""Spiegelbildlichkeit"" von Erhebung und Verwendung der Ausgleichsabgabe, wie sie in § 77 Abs. 5 SGB IX a.F. zum Ausdruck kommt. Das frühere Schwerbehindertengesetz (SchwbG) kannte grundsätzlich keine Altersgrenze und der Arbeitgeber konnte deshalb seine Pflicht nach § 4 Abs. 1 SchwbG auch durch Beschäftigung eines Schwerbehinderten erfüllen, der das 65. Lebensjahr bereits vollendet hat (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1990 - 5 C 74.86 - BVerwGE 87, 205 <209>). Das gilt für die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers gemäß §§ 71 ff. SGB IX a.F. in gleicher Weise. Kann sich der Arbeitgeber aber durch die Beschäftigung eines behinderten Menschen, der die Regelrentenaltersgrenze bereits überschritten hat, von der Ausgleichsabgabe befreien, spricht das umgekehrt auch dafür, dass die Verwendung dieser Mittel für begleitende Hilfen im Arbeitsleben keiner Altersgrenze unterliegt, sondern behinderte Menschen auch noch im Rentenalter aus der Ausgleichsabgabe zu fördern sind, wenn und solange sie noch ""im Arbeitsleben"" stehen und die sonstigen Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz gemäß in § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB IX a.F. (bzw. § 185 Abs. 2 Satz 2 SGB IX n.F.) erfüllen. 24 ff) Das entspricht außerdem dem in Art. 27 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention - UN-BRK) zum Ausdruck kommenden Menschenbild. Die UN-Behindertenrechtskonvention ist nach dem Gesetz vom 21. Dezember 2008 (BGBl. II S. 1419) seit dem 1. Januar 2009 als innerstaatliches Recht im Rang einfachen Bundesrechts anzuwenden und kann als Auslegungshilfe für die Bestimmung und den Inhalt der Grundrechte und des einfachen Gesetzesrechts herangezogen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2018 - 5 C 9.16 - BVerwGE 161, 145 Rn. 16). Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 UN-BRK beinhaltet das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit auch das Recht, diese frei zu wählen. Dies steht der Annahme entgegen, dass ein Leistungsanspruch, der gerade der Verwirklichung dieses Rechts dienen soll, an eine Altersgrenze anknüpft. 25 c) Die Entstehungsgeschichte und der sich hieraus ergebende Sinn und Zweck der Kostenübernahme für eine notwendige Arbeitsassistenz gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bestätigen die systematische Auslegung, dass dieser Anspruch zeitlich weder durch das Erreichen des Regelrentenalters noch durch eine nach dem Gesichtspunkt der ""Üblichkeit"" zu bestimmende Altersgrenze beschränkt ist. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist danach die Herstellung von Chancengleichheit für behinderte Menschen auf dem Arbeitsmarkt ein selbstständiges Ziel der Kostenübernahme für eine notwendige Arbeitsassistenz, das gleichrangig neben deren arbeitsmarktpolitischer Zielsetzung steht, durch Sicherung und Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben und Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen zu bekämpfen. 26 Bereits in seinem Urteil vom 23. Januar 2018 - 5 C 9.16 - (BVerwGE 161, 145 Rn. 17 f.) hat der Senat ausgeführt, dass nach der insofern heranzuziehenden allgemeinen Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter vom 16. Mai 2000 mit den Regelungen des Gesetzes dem Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG Rechnung getragen werden sollte. Vor dem Hintergrund einer vom Gesetzgeber festgestellten seit Jahren bestehenden überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen sollte die Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeits- und Berufsleben verbessert und ihre Arbeitslosigkeit schnellstmöglich abgebaut werden (BT-Drs. 14/3372 S. 15). Dem Abbau der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen kam und kommt damit im Rahmen der auf die Erwerbstätigkeit bezogenen Regelungen des Neunten Buches Sozialgesetzbuch zwar eine wesentliche Bedeutung zu. Das bedeutet aber nicht, dass drohende oder bereits eingetretene Arbeitslosigkeit zugleich eine notwendige Bedingung für das Eingreifen dieser Regelungen im Allgemeinen und speziell der Vorschriften des § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. (bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F.) wäre. Dies ergibt sich schon aus dem ebenfalls verfolgten Ziel der Verbesserung der Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeits- und Berufsleben im Vergleich zu nichtbehinderten Menschen, dem nicht nur bei erstmaliger Aufnahme einer Beschäftigung, sondern während der gesamten Zeitdauer der Erwerbstätigkeit Rechnung getragen werden soll. 27 Dass die Herstellung von Chancengleichheit ein gleichberechtigtes Ziel neben der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist, wird durch den späteren Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 5. September 2016 bestätigt, mit dem das deutsche Recht im Hinblick auf die am 26. März 2009 in Kraft getretene UN-Behindertenrechtskonvention weiterentwickelt wurde. Hinsichtlich der Zielsetzung und Notwendigkeit der gesetzlichen Regelungen knüpft der Gesetzgeber dort zur Begründung seiner Maßnahmen nicht nur an das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG an, sondern auch an die UN-Behindertenrechtskonvention und formuliert als Leitlinie der deutschen Behindertenpolitik, dass nicht nur gut ausgebaute Leistungssysteme die gleichberechtigte Teilhabe Schwerbehinderter ermöglichen sollen, sondern auch die möglichst gleichberechtigte Teilhabe Schwerbehinderter am politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben anzustreben sei, sodass ein selbstbestimmtes Leben mit freiem Zugang zu allen Berufen stattfinden könne und Diskriminierungen jedweder Art unterblieben. Dabei solle namentlich Chancengleichheit gewährt und gemäß Art. 27 UN-BRK größtmögliche Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend dem individuellen Leistungsvermögen des Behinderten erreicht werden (BT-Drs. 18/9522, insbes. S. 1, 188 ff., 193 f. und BT-Drs. 19/13399 insbes. S. 39). Dem entspricht die Begründung der Ergänzung des § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. in dem Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigen-Entlastungsgesetz) vom 23. September 2019. In dem neu eingefügten Satz 2 wird unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 23. Januar 2018 - 5 C 9.16 - (BVerwGE 161, 145 Rn. 10) klargestellt, dass für den Anspruch auf Arbeitsassistenzleistungen weder dem Grunde noch der Höhe nach Ermessen besteht, sondern sich der Anspruch auf die Übernahme der vollen Kosten richtet, die für eine notwendige Arbeitsassistenz entstehen. Zur Begründung wird einleitend auf den Zweck des Anspruchs aus § 185 Absatz 5 SGB IX n.F. abgestellt, Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt am Arbeitsleben teilhaben zu lassen. 28 Dieses Verständnis der allgemeinen Zweckbestimmung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch, die auch für den Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz gilt, ist zuletzt durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2021 - 1 BvR 1541/20 - (NVwZ 2022, 139) noch einmal bestätigt worden. Danach liegt eine Benachteiligung wegen einer Behinderung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG vor, wenn einem Menschen wegen einer Behinderung Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten vorenthalten werden, die anderen offenstehen, soweit dies nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Fördermaßnahme hinlänglich kompensiert wird. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG beinhaltet außer einem Benachteiligungsverbot auch einen Förderauftrag. Er vermittelt einen Anspruch auf die Ermöglichung gleichberechtigter Teilhabe nach Maßgabe der verfügbaren finanziellen, personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2021 - 1 BvR 1541/20 - NVwZ 2022, 139 Rn. 93, 94 m.w.N.). Für die UN-Behindertenrechtskonvention gilt nichts anderes. Die Vertragsstaaten sind nach Art. 4 Abs. 1 UN-BRK verpflichtet, die Verwirklichung aller Menschenrechte für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu gewährleisten und zu fördern. Zu diesem Zweck sind nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Buchst. e UN-BRK alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung aufgrund von Behinderung durch Personen, Organisationen oder private Unternehmen zu ergreifen (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2021 - 1 BvR 1541/20 - NVwZ 2022, 139 Rn. 104 m.w.N.). 29 Ziel der Kostenübernahme für eine notwendige Arbeitsassistenz gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. ist es danach auch, die Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeits- und Berufsleben im Vergleich zu nichtbehinderten Menschen nicht nur bei erstmaliger Aufnahme einer Beschäftigung, sondern während der gesamten Zeitdauer der Erwerbstätigkeit zu verbessern. Können nichtbehinderte Menschen frei und nach eigenem Gutdünken darüber entscheiden, bis zu welchem Lebensalter sie dem von ihnen gewählten Beruf nachgehen wollen, kann für schwerbehinderte Menschen nichts anderes gelten. Insbesondere kann es für die Dauer der Förderung entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht darauf ankommen, in welchem Alter Berufstätige in einem bestimmten Tätigkeitsbereich üblicherweise in den Ruhestand treten. 30 Eine andere Auslegung ist auch nicht deshalb geboten, weil für die Arbeitsassistenzleistungen gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. die aus der Ausgleichsabgabe im Sinne von § 77 Abs. 1 SGB IX a.F. zur Verfügung stehenden und insoweit begrenzten Mittel einzusetzen sind. Wie bereits in dem Urteil vom 23. Januar 2018 - 5 C 9.16 - (BVerwGE 161, 145 Rn. 21 f.) dargelegt, unterscheidet sich die Bewirtschaftung dieser Mittel nicht grundlegend von der Bewirtschaftung anderer Finanzmittel, sodass damit der generelle Ausschluss einer bestimmten Gruppe berufstätiger schwerbehinderter Menschen von der Unterstützungsleistung nicht gerechtfertigt werden kann. Daran hält der Senat fest. 31 3. Da der Verwaltungsgerichtshof - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - ausdrücklich keine Feststellungen dazu getroffen hat, in welchem Umfang die beantragte Kostenübernahme Arbeitsassistenzleistungen betrifft und ob diese notwendig sind, kann der Senat nicht selbst abschließend über die Sache entscheiden. Die Sache ist daher an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen, damit er die erforderlichen Feststellungen im Rahmen der ihm obliegenden Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) nachholen kann." bverwg_2022-22,06.04.2022,"Pressemitteilung Nr. 22/2022 vom 06.04.2022 EN Kein Ausschluss von der Pedelec-Förderung wegen Verweigerung einer Distanzierung von Scientology Eine Gemeinde darf die Bewilligung einer finanziellen Zuwendung, mit der umweltpolitische Zielsetzungen verfolgt werden, nicht davon abhängig machen, dass Antragsteller eine Erklärung zur Distanzierung von der Scientology-Organisation abgeben. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin beantragte eine Zuwendung zum Erwerb eines Pedelecs nach der ""Förderrichtlinie Elektromobilität"" der beklagten Landeshauptstadt München. Dabei gab sie die im Antragsformular enthaltene ""Schutzerklärung in Bezug auf die Lehre von L. Ron Hubbard/Scientology"" nicht ab. Damit erklärt der Zuwendungsempfänger, die Lehre von Scientology nicht anzuwenden, nicht zu verbreiten und auch keine Kurse oder Seminare der Organisation zu besuchen. Die Beklagte lehnte den Antrag unter Verweis auf die fehlende Erklärung ab. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beklagte verpflichtet, der Klägerin entsprechend ihrem Antrag eine Förderzusage zu erteilen. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil bestätigt. Die Beklagte darf die Förderung nicht von der Abgabe der Schutzerklärung abhängig machen. Erklärungen zur Weltanschauung einzufordern, ist keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft im Sinne des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, so dass es bereits an einer Zuständigkeit der Beklagten fehlt. Wird eine solche Erklärung verlangt und an deren Verweigerung der Ausschluss von der Förderung geknüpft, greift dies gezielt in die von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete Religions- und Weltanschauungsfreiheit ein. Der Eingriff ist schon mangels einer gesetzlichen Grundlage verfassungswidrig. Schließlich verstößt die Vorgehensweise der Beklagten gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Sie stellt eine unzulässige Differenzierung dar, weil sie den Kreis der Förderberechtigten nicht sachgerecht abgrenzt, sondern nach Kriterien, die mit dem Förderzweck in keinem Zusammenhang stehen. Da alle sonstigen Voraussetzungen der Förderung erfüllt sind, ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine entsprechende Zusage zu erteilen. BVerwG 8 C 9.21 - Urteil vom 06. April 2022 Vorinstanzen: VGH München, VGH 4 B 20.3008 - Urteil vom 16. Juni 2021 - VG München, VG M 31 K 19.203 - Urteil vom 28. August 2019 -","Urteil vom 06.04.2022 - BVerwG 8 C 9.21ECLI:DE:BVerwG:2022:060422U8C9.21.0 EN Kein Ausschluss von einer umweltbezogenen Förderung wegen Verweigerung einer Distanzierung von Scientology Leitsatz: Macht eine Gemeinde die Bewilligung einer finanziellen Zuwendung mit umweltpolitischer Zielsetzung davon abhängig, dass die Antragsteller eine Erklärung zu ihrer Religion oder Weltanschauung abgeben, stellt dieses Verlangen keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft im Sinne des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG dar. Eine derartige Vorgehensweise verstößt zudem gegen Art. 3 Abs. 1 und 3 sowie Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 28 Abs. 2 Satz 1, Art. 140 i. V. m. Art. 136 Abs. 3 WRV Instanzenzug VG München - 28.08.2019 - AZ: VG M 31 K 19.203 VGH München - 16.06.2021 - AZ: VGH 4 B 20.3008 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 06.04.2022 - 8 C 9.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:060422U8C9.21.0] Urteil BVerwG 8 C 9.21 VG München - 28.08.2019 - AZ: VG M 31 K 19.203 VGH München - 16.06.2021 - AZ: VGH 4 B 20.3008 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. April 2022 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die beklagte Landeshauptstadt München erließ im Rahmen des ""Integrierten Handlungsprogramms zur Förderung der Elektromobilität in München"" (IHFEM 2018) die Förderrichtlinie Elektromobilität (im Folgenden auch: Richtlinie), die für zwischen dem 1. Januar 2018 und dem 31. Dezember 2020 gestellte Anträge galt. Danach konnte unter anderem der Erwerb von Pedelecs durch Gewerbetreibende gefördert werden. 2 Unter dem 26. August 2018 beantragte die Klägerin eine derartige Förderung. Sie legte das von der Beklagten vorgesehene Antragsformular vor, das bis auf Nr. VII vollständig ausgefüllt war. Nr. VII lautet: VII. Schutzerklärung in Bezug auf die Lehre von L. Ron Hubbard/Scientology Nach städtischen Vorgaben ist die Zuwendungsempfängerin/der Zuwendungsempfänger verpflichtet, eine Schutzerklärung in Bezug auf die Lehre von L. Ron Hubbard abzugeben. Mit ihrer/seiner Unterschrift erklärt die Antragstellerin/der Antragsteller, dass sie/er keine Inhalte oder Methoden und auch keine Technologie von L. Ron Hubbard anwendet, lehrt oder in sonstiger Weise verbreitet und sie/er keine Kurse oder Seminare nach dieser Technologie besucht. Ort, Datum Unterschrift Antragstellerin/Antragsteller 3 Die Beklagte lehnte den Antrag unter Verweis auf die fehlende Abgabe der Schutzerklärung ab. Das Verwaltungsgericht hat die daraufhin erhobene Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts sowie den Ablehnungsbescheid aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin entsprechend ihrem Antrag eine Förderzusage zu erteilen. Die Abgabe der Schutzerklärung dürfe nicht zur Voraussetzung der Förderung gemacht werden. Die Beklagte überschreite damit ihre Kompetenz und verstoße gegen die von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete Religions- und Weltanschauungsfreiheit sowie gegen Art. 3 Abs. 1 und 3 GG. 4 Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend: Sie habe nicht außerhalb ihrer Zuständigkeit gehandelt. Im Lichte der Wertentscheidung des Grundgesetzes sei es ihr nicht versagt, bei der Erfüllung der Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft auch auf den Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie auf den Schutz der gemeindlichen Reputation bedacht zu sein. Im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 und 2 GG fehle es schon an einem Grundrechtseingriff. Läge er vor, sei er verfassungsgemäß, insbesondere verhältnismäßig. Auch eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung sei nicht gegeben. 5 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Juni 2021 zu ändern und die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 28. August 2019 zurückzuweisen. 6 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. 7 Sie verteidigt das Berufungsurteil. 8 Die Beteiligte stellt keinen Antrag und schließt sich in der Sache dem Vorbringen der Beklagten an. II 9 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil steht mit revisiblem Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) im Einklang. Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof die Beklagte zur Erteilung der beantragten Förderzusage verpflichtet. Die hierfür in der Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen liegen vor. Die fehlende Abgabe der Schutzerklärung steht dem daraus folgenden Anspruch der Klägerin nicht entgegen. 10 1. Regelwerke wie die Förderrichtlinie stellen keine Rechtsnormen, sondern lediglich verwaltungsinterne, das Ermessen der für die Verteilung der staatlichen Leistungen zuständigen Stellen steuernde Weisungen und damit Verwaltungsvorschriften dar. Sie vermögen eine anspruchsbegründende Außenwirkung nur vermittels des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und des im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebots des Vertrauensschutzes (Art. 20 und 28 GG) zu begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 10 C 1.17 - Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 119 Rn. 15 m. w. N.). 11 Nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Voraussetzungen der Richtlinie für eine Förderzusage zugunsten der Klägerin erfüllt, sodass sie aufgrund der genannten verfassungsrechtlichen Grundsätze einen Anspruch auf deren Erteilung hat. Die Zusage durfte nicht wegen der fehlenden Abgabe der Schutzerklärung abgelehnt werden. 12 Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass mit der Aufforderung zur Abgabe einer weltanschaulichen Erklärung als Voraussetzung für eine Förderzusage der Bereich der gemeindlichen Zuständigkeit überschritten worden ist (2.) und die Beklagte durch diese Abfrage und die daran anknüpfende Ablehnung des Förderantrags unzulässig in das Grundrecht der Klägerin aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG eingegriffen hat (3.). Zudem liegt darin ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und 3 GG (4.). Die Beklagte ist zur Erteilung der Zusage verpflichtet (5.). 13 2. Zutreffend hat der Verwaltungsgerichtshof das Verlangen nach Abgabe der Schutzerklärung als eigenständige Maßnahme qualifiziert, die von einer Zuständigkeit der Beklagten gedeckt sein müsste. Es handelt sich bei der Abfrage nicht um ein bloßes Element der aus der Richtlinie folgenden Förderbedingungen. Anders als diese findet sich die Schutzerklärung nicht in der Richtlinie, sondern lediglich in dem von den Antragstellern zu verwendenden Formular. Sie fußt nach ihrem Wortlaut auf ""städtischen Vorgaben"" und erlegt den Antragstellern eine spezifische, von den sonstigen Förderbedingungen gänzlich unabhängige Erklärungspflicht auf. Hierfür ist eine Verbandskompetenz der Beklagten nicht gegeben. 14 Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der politischen Gemeinde betreffen; auf die Verwaltungskraft der Gemeinde kommt es hierfür nicht an (BVerfG, Beschlüsse vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 - BVerfGE 79, 127 <151 f.> und vom 19. November 2014 - 2 BvL 2/13 - BVerfGE 138, 1 Rn. 45). Die Gemeinden haben die Befugnis, sich dieser Angelegenheiten, sofern sie nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind, ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 - BVerfGE 79, 127 <146>; BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1990 - 7 C 37.89 - BVerwGE 87, 228 <230>). Das Grundgesetz beschränkt dieses Zugriffsrecht gegenständlich auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft und verwehrt den Gemeinden so, unter Berufung auf ihre Allzuständigkeit auch allgemeinpolitische Fragen zum Gegenstand ihrer Tätigkeit zu machen (BVerfG, Urteil vom 30. Juli 1958 - 2 BvG 1/58 - BVerfGE 8, 122 <134>; Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 - BVerfGE 79, 127 <147>). Erforderlich ist stets eine spezifische Ortsbezogenheit der Angelegenheit (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1990 - 7 C 37.89 - BVerwGE 87, 228 <231>). Art. 28 Abs. 2 GG schließt es andererseits nicht aus, dass der Gesetzgeber den Gemeinden über diese Garantie hinausgehende Aufgaben zuweist (BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2013 - 8 CN 1.12 - BVerwGE 148, 133 Rn. 16). 15 Hieran gemessen fehlt es an einer Zuständigkeit der Beklagten. Die Einforderung von Erklärungen zu Religion und Weltanschauung ist ihr weder durch Gesetz zugewiesen noch handelt es sich dabei um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft im Sinne des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Eine solche Maßnahme betrifft nicht das Zusammenleben der Gemeindeeinwohner und weist damit keinen spezifischen Ortsbezug auf. 16 Die Verbandskompetenz der Beklagten kann auch nicht aus einem objektiven Zusammenhang der Abfrage mit einer von der gemeindlichen Zuständigkeit gedeckten Angelegenheit - hier der Förderung bestimmter Formen innerstädtischer Mobilität - hergeleitet werden. Soweit das Berufungsgericht dies für möglich hält, unterscheidet es nicht hinreichend zwischen der gemeindlichen Tätigkeit und den mit ihr verfolgten Absichten. Eine Kompetenz der Gemeinde muss für die von ihr durchgeführten Maßnahmen gegeben sein, nicht aber für die diesen Tätigkeiten zugrunde liegenden Motive. Abweichendes lässt sich auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2013 - 8 CN 1.12 - BVerwGE 148, 133 Rn. 17) nicht entnehmen. 17 Allein das Verlangen nach der Abgabe der Schutzerklärung stellt hier die Maßnahme dar; für sie fehlt es indessen an der erforderlichen Kompetenz der Beklagten. Damit muss das Verhältnis von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zu den von der Beklagten mit der Abfrage verfolgten Absichten nicht im Einzelnen geklärt werden. Sie zielt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts darauf, eine mögliche Verbesserung des Ansehens von Scientology in der Öffentlichkeit zu verhindern. Zudem möchte die Beklagte mit Scientology nicht in Verbindung gebracht werden und damit einen Beitrag zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung leisten. Nach ihrem Revisionsvorbringen soll die Abfrage zudem der Wahrung der gemeindlichen Reputation dienen. Ob und in welchem Umfang diese Motive noch dem gemeindlichen Wirkungskreis (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) zuzuordnen sind, kann mangels einer Verbandskompetenz der Beklagten für die Maßnahme selbst offen bleiben. 18 3. Zu Recht hat das Berufungsgericht weiter angenommen, dass das Verlangen nach der Abgabe der Schutzerklärung und die daran anknüpfende Ablehnung des Förderantrags gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verstoßen. 19 a) Der persönliche und sachliche Schutzbereich des Grundrechts ist eröffnet. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erkennt die Klägerin die Lehren von Scientology für sich als verbindlich an und praktiziert sie seit Jahrzehnten. Hierfür kann sie die Gewährleistungen des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in Gestalt der Religions- oder Weltanschauungsfreiheit in Anspruch nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 7 C 20.04 - Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 78 Rn. 12). Auf die von der Beklagten aufgeworfenen Fragen, ob die Scientology-Organisation eine Kirche und ihre Lehre eine Religion ist, kommt es dabei nicht an. 20 b) Das Einfordern der Schutzerklärung und die mit einer Weigerung verbundenen Rechtsfolgen stellen einen Eingriff in das Grundrecht dar. Mit der Erklärung wird ein ausdrückliches Bekenntnis zu den Lehren von Scientology oder eine Distanzierung hiervon verlangt. Dies stellt eine Verpflichtung zur Offenbarung des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses im Sinne des Art. 136 Abs. 3 Satz 1 WRV und damit einen zielgerichteten Eingriff in die von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete negative Bekenntnisfreiheit dar (vgl. Germann, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand 15. Februar 2022, Art. 4 Rn. 43.1). Zudem zielt die Erklärung nach den ihr zugrunde liegenden Zwecksetzungen auf Anhänger von Scientology, die unter den Förderantragstellern ermittelt werden und keine Förderung erhalten sollen. Die Versagung der begehrten Förderung im Falle der Nichtabgabe beeinträchtigt die von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete Freiheit, weil sie ihren Grund allein in den religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen der Betroffenen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 7 C 20.04 - Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 78 Rn. 20). Eine derartige beabsichtigte Schlechterstellung von Angehörigen einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft - bereits durch ihre Aufdeckung unter den Förderantragstellern und erst recht durch deren Ausschluss von der Förderung - stellt einen Grundrechtseingriff dar. Er setzt auch keine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung voraus, da die Beklagte gezielt in die Grundrechtsposition der Klägerin eingreift (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 1992 - 7 C 21.90 - BVerwGE 90, 112 <121 f.>). 21 c) Der Eingriff ist verfassungsrechtlich nicht zulässig. Es fehlt, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage. 22 Die in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verbürgte Glaubensfreiheit ist vorbehaltlos gewährleistet. Einschränkungen müssen sich daher aus der Verfassung selbst ergeben. Hierzu zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang. Die Einschränkung der Glaubensfreiheit muss überdies hinreichend bestimmt sein. Dabei verpflichtet die erforderliche Bestimmung und Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken den (parlamentarischen) Gesetzgeber, die Schranken der widerstreitenden Freiheitsgarantien jedenfalls so weit selbst zu bestimmen, wie sie für die Ausübung der Freiheitsrechte wesentlich sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130 <142>; Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <297>). Eine solche gesetzliche Grundlage ist hier nicht gegeben. Zudem ist kein verfassungsrechtlich zulässiges Ziel erkennbar, das mit dem Eingriff verfolgt werden könnte. Hierfür ist mindestens eine konkrete Gefahr für verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 1 BvR 471, 1181/10 - BVerfGE 138, 296 Rn. 101). Diese Voraussetzung ist nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen nicht erfüllt. 23 4. Zu Recht hat das Berufungsgericht schließlich angenommen, dass das Verlangen nach der Abgabe der Schutzerklärung und der daran anknüpfende Ausschluss der Förderung von Personen, die die Erklärung nicht abgeben, mit Art. 3 Abs. 1 und 3 GG nicht im Einklang stehen. 24 a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Daraus ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht nur, dass die Ungleichbehandlung an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium anknüpft, sondern verlangt auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. 25 Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich beispielsweise aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der Normgeber bei der Entscheidung darüber, welche Personen oder Unternehmen durch finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden sollen, weitgehend frei. Zwar darf der Staat seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, nicht ""willkürlich"" verteilen: Subventionen müssen sich gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen, sollen sie vor dem Gleichheitssatz Bestand haben. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen jedoch dem Normgeber in sehr weitem Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden. Die dargestellten, in erster Linie für das Handeln des Gesetzgebers entwickelten Grundsätze gelten auch für den Richtliniengeber (vgl. zu all dem BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 10 C 1.17 - Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 119 Rn. 16 ff.). 26 b) Hieran gemessen zielt das Verlangen nach der Abgabe der Schutzerklärung auf eine unzulässige, von Sachgründen nicht getragene Differenzierung. Die Abfrage weist keinen inhaltlichen Bezug zu den umweltpolitischen Zielen der Förderrichtlinie Elektromobilität auf. Zudem fehlt ein legitimer Sachgrund, da sie auf einen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriff in die negative Bekenntnisfreiheit zielt und damit an ein nach Art. 3 Abs. 3 GG grundsätzlich unzulässiges Kriterium anknüpft. 27 5. Im Einklang mit Bundesrecht hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Erteilung der Förderzusage (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) und nicht nur zur Neubescheidung im Sinne des § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO verpflichtet. Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen durch die Förderrichtlinie Elektromobilität gebunden, deren Voraussetzungen der Antrag der Klägerin erfüllt. Auf die fehlende Abgabe der Schutzerklärung durfte eine Ablehnung der Förderung nicht gestützt werden. Sonstige Umstände, die hierzu berechtigen könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. 28 Zwar steht es der Beklagten frei, wie sie die Förderung zukünftig ausgestalten will und ob sie die Entscheidung des Senats zum Anlass nehmen möchte, ihre Praxis zu ändern. Die hier anzuwendende Fassung der Richtlinie betrifft indessen nur Anträge, die zwischen dem 1. Januar 2018 und dem 31. Dezember 2020 gestellt wurden. Eine auf diesen Zeitraum zurückwirkende Änderung der Förderpraxis kommt nicht in Betracht. 29 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2022-23,07.04.2022,"Pressemitteilung Nr. 23/2022 vom 07.04.2022 EN Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auch bei ordnungswidrigkeitsrechtlich nicht geahndeter Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss zulässig Die Fahrerlaubnisbehörde darf auch dann wegen wiederholter Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auffordern, wenn eine als Ordnungswidrigkeit einzustufende Zuwiderhandlung nicht geahndet worden ist. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger wandte sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis. Ihm war 2008 und 2009 vom Strafgericht wegen Trunkenheitsfahrten mit Blutalkoholkonzentrationen (BAK) von 1,4 und 1,48 Promille jeweils die Fahrerlaubnis entzogen worden. Aufgrund eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens wurde ihm im Juni 2016 die Fahrerlaubnis wiedererteilt. Am 1. September 2017 wurde der Kläger als Führer eines Kraftfahrzeugs unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt. Die bei ihm entnommene Blutprobe wies eine BAK von 1,04 Promille auf. Der Kläger behauptete später, dass dies auf einem Nachtrunk beruht habe. Das gegen ihn eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde eingestellt und der Vorgang an die Bußgeldstelle abgegeben. Ob ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet wurde und wie es gegebenenfalls endete, konnte nicht festgestellt werden; der Vorgang wurde bei der Bußgeldstelle aus datenschutzrechtlichen Gründen gelöscht. Mit Schreiben vom 9. Mai 2019 forderte der beklagte Landkreis vom Kläger gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Nachdem der Kläger das Gutachten nicht beibrachte, entzog ihm der Beklagte die Fahrerlaubnis. Der vom Kläger daraufhin erhobenen Anfechtungsklage gegen die Fahrerlaubnisentziehung hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße stattgegeben. Diese Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz geändert und die Klage abgewiesen. Die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei rechtmäßig erfolgt. Der vom Beklagten als Rechtsgrundlage angeführte § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV (… wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss …) rechtfertige die Beibringungsaufforderung allerdings nicht. Für die Anwendung dieser Vorschrift genüge nicht jeder Verstoß gegen eine Verkehrsvorschrift; er müsse straf- oder bußgeldrechtlich geahndet worden sein. Daher könne der Beklagte die Anwendung der genannten Regelung nicht auf den Vorfall vom 1. September 2017 stützen. Stattdessen finde die Aufforderung an den Kläger, ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen, die erforderliche Rechtsgrundlage jedoch im Auffangtatbestand des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV (… sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen …). Solche Tatsachen ergäben sich hier daraus, dass der Kläger im Juli 2009 ein Kraftfahrzeug mit einer BAK von 1,48 Promille geführt habe und ihm deshalb die Fahrerlaubnis entzogen worden sei. Außerdem sei bei ihm nach dem Verkehrsunfall vom 1. September 2017 eine BAK von 1,04 Promille festgestellt worden. Der vom Kläger behauptete Nachtrunk sei eine unglaubhafte Schutzbehauptung; er habe hierzu keine substanziierten und schlüssigen Angaben gemacht. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lagen die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV vor. Eine Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss im Sinne dieser Vorschrift ist auch dann gegeben, wenn eine als Ordnungswidrigkeit einzustufende Trunkenheitsfahrt ordnungswidrigkeitsrechtlich nicht geahndet worden ist, aber mit hinreichender Gewissheit feststeht, dass der Betroffene die Zuwiderhandlung begangen hat und sie in zeitlicher Hinsicht noch verwertbar ist. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Dass das Oberverwaltungsgericht die Behauptung des Klägers, er habe den Alkohol erst nach Beendigung der Fahrt zu sich genommen, nicht als glaubhaft angesehen hat, ist nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf die Tilgungsfristen für geahndete Zuwiderhandlungen bestanden auch gegen die Verwertung der Trunkenheitsfahrt vom 1. September 2017 keine Bedenken. Fußnote: § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV: Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV: Zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn a) … sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen, b) wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden, … BVerwG 3 C 9.21 - Urteil vom 07. April 2022 Vorinstanzen: OVG Koblenz, OVG 10 A 11032/20 - Urteil vom 09. Dezember 2020 - VG Neustadt/Weinstraße, VG 1 K 175/20 - Urteil vom 15. Mai 2020 -","Urteil vom 07.04.2022 - BVerwG 3 C 9.21ECLI:DE:BVerwG:2022:070422U3C9.21.0 EN Leitsatz: Die Fahrerlaubnisbehörde darf den Betroffenen auch dann gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV wegen wiederholter Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluß zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auffordern, wenn eine als Ordnungswidrigkeit einzustufende Zuwiderhandlung ordnungswidrigkeitsrechtlich nicht geahndet worden ist. Es muss aber hinreichend sicher feststehen, dass der Betroffene die Zuwiderhandlung begangen hat, und sie muss in zeitlicher Hinsicht noch verwertbar sein. Falls eine Bußgeldentscheidung ergangen ist, darf die Berücksichtigung der Zuwiderhandlung nicht entgegen § 3 Abs. 4 Satz 2 StVG von den dort getroffenen Feststellungen abweichen. Rechtsquellen StVG § 3 Abs. 1 und 3, §§ 29, 65 Abs. 3 Nr. 2 FeV § 11 Abs. 6 und 8, § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 und Buchst. b, § 46 Abs. 1 und 3 Instanzenzug VG Neustadt a. d. Weinstraße - 15.05.2020 - AZ: VG 1 K 175/20.NW OVG Koblenz - 09.12.2020 - AZ: OVG 10 A 11032/20 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 07.04.2022 - 3 C 9.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:070422U3C9.21.0] Urteil BVerwG 3 C 9.21 VG Neustadt a. d. Weinstraße - 15.05.2020 - AZ: VG 1 K 175/20.NW OVG Koblenz - 09.12.2020 - AZ: OVG 10 A 11032/20 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. April 2022 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und Dr. Sinner für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. Dezember 2020 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis. 2 Dem Kläger wurde mit rechtskräftigem strafgerichtlichem Urteil vom 28. Oktober 2008 die Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,4 Promille entzogen, die er am 12. April 2008 begangen hatte. Eine weitere Fahrerlaubnisentziehung erfolgte mit rechtskräftigem Strafurteil vom 2. September 2009 wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 1,48 Promille am 3. Juli 2009. Am 28. Juni 2016 wurde dem Kläger die Fahrerlaubnis auf der Grundlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens wiedererteilt. 3 Am 1. September 2017 wurde der Kläger unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt. Der von der Polizei um 23:26 Uhr durchgeführte Alkoholtest ergab eine Atemalkoholkonzentration von 1,23 Promille. Die am Folgetag um 0:55 Uhr entnommene Blutprobe wies eine BAK von 1,04 Promille auf. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und das Verfahren zur Verfolgung in Betracht kommender Ordnungswidrigkeiten an die Zentrale Bußgeldstelle abgegeben. Ob ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den Kläger eingeleitet wurde und wie es gegebenenfalls endete, konnte nicht festgestellt werden, da die Zentrale Bußgeldstelle inzwischen den Vorgang aus datenschutzrechtlichen Gründen gelöscht hatte. 4 Mit Schreiben vom 9. Mai 2019 forderte der Beklagte den Kläger gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf. Zur Begründung der Zweifel an der Fahreignung führte er aus: ""Durch die Polizeiinspektion N. erhielten wir Mitteilung, dass Sie am 01.09.2017 ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führten, obwohl Sie alkoholbedingt fahruntüchtig waren. Die bei Ihnen festgestellte Blutalkoholkonzentration betrug 1,04 Promille. Aufgrund der wiederholten Auffälligkeit mit Alkohol im Straßenverkehr und einer bereits am 28.06.2016 erfolgten Neuerteilung des Führerscheins nach Entzug wegen Trunkenheit bestehen erhebliche Bedenken an Ihrer Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Diese Bedenken können nur durch ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten ausgeräumt werden."" 5 Da der Kläger das Gutachten nicht vorlegte, entzog ihm der Beklagte gestützt auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnis, untersagte ihm das Führen von fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen und ordnete den Sofortvollzug an. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte zur Begründung unter anderem geltend, er sei wegen des Autounfalls geschockt gewesen und habe daraufhin eine größere Menge Alkohol getrunken. 6 Dem Antrag des Klägers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße stattgegeben. Diesen Beschluss hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz geändert und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs abgelehnt. 7 Auf die nach Zurückweisung des Widerspruchs erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die angegriffenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung heißt es: Der Beklagte könne die Fahrerlaubnisentziehung nicht auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV stützen, denn die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei rechtswidrig gewesen. Der Kläger habe nicht erkennen können, welche der vor der Neuerteilung der Fahrerlaubnis begangenen Trunkenheitsfahrten der Beklagte neben der mit Datum genannten Trunkenheitsfahrt vom 1. September 2017 zur Begründung seiner Eignungszweifel noch heranziehe. Weitere - wenn auch nicht entscheidungserhebliche - Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung ergäben sich daraus, dass zweifelhaft sei, ob der Vorfall vom 1. September 2017 als nachgewiesene Zuwiderhandlung im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV angesehen werden könne. Der Kläger sei für diesen Vorfall weder strafrechtlich noch ordnungswidrigkeitsrechtlich belangt worden. Sein Vortrag, ein Ordnungswidrigkeitsverfahren sei gegen ihn nicht eingeleitet worden, könne nicht widerlegt werden. Auch wenn Zweifel an dem vom Kläger behaupteten Nachtrunk bestünden, könne bei dieser Sachlage nicht ohne Weiteres von einem festgestellten Verkehrsverstoß gesprochen werden. 8 Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht diese Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass dem Kläger die Fahreignung fehle, denn er habe das von ihm zu Recht geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorgelegt. Die Gutachtensanforderung genüge den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV. Der Kläger habe ihr zweifelsfrei entnehmen können, aus welchen Vorfällen der Beklagte seine Eignungszweifel herleite. Abgestellt worden sei dort allein auf die Alkoholauffälligkeiten vom 1. September 2017 und vom 3. Juli 2009; die Aufforderung enthalte keinerlei Anhaltspunkte, dass sich der Beklagte auch auf den Vorfall vom 12. April 2008 bezogen haben könnte. Zu den Begründungsanforderungen nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV gehöre nicht, dass die Fahrerlaubnisbehörde die von ihr für einschlägig gehaltene Ermächtigungsgrundlage nenne. Angeben müsse sie nur die Gründe für die Eignungszweifel und damit die Tatsachen, auf denen diese Zweifel beruhten. Die Angabe einer unzutreffenden Rechtsgrundlage führe grundsätzlich nicht zur Rechtswidrigkeit der Gutachtensanforderung. Etwas Anderes komme nur dann in Betracht, wenn der Betroffene bei seiner Entscheidung, ob er der Anordnung nachkommen wolle, durch die Angabe einer falschen Rechtsgrundlage in die Irre geführt werden könne. Das sei hier nicht der Fall. Der anwendbare § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV sei die Auffangregelung für Fälle, die nicht unter § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV fielen. Wegen der engen Nähe der Anwendungsbereiche habe der Kläger als Adressat der mit wiederholten Trunkenheitsfahrten begründeten Gutachtensanforderung erkennen können, dass mit Hilfe des Gutachtens diese Alkoholproblematik geklärt werden solle. Auch materiell-rechtlich sei die Gutachtensanforderung nicht zu beanstanden. Sie finde ihre Rechtsgrundlage aber nicht in dem vom Beklagten genannten § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV. ""Zuwiderhandlung"" im Sinne dieser Vorschrift sei nur eine geahndete Straftat oder Ordnungswidrigkeit. Der vom Beklagten herangezogene Vorfall vom 1. September 2017 sei jedoch nicht strafrechtlich und - soweit ersichtlich - auch nicht bußgeldrechtlich geahndet worden. Die erforderliche Rechtsgrundlage sei aber aus der Auffangregelung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV zu entnehmen. Tatsachen, die sonst die Annahme von Alkoholmissbrauch begründeten, ergäben sich aus den beiden vom Beklagten herangezogenen Alkoholauffälligkeiten vom 3. Juli 2009 und 1. September 2017. Die Tat vom 3. Juli 2009, die mit einem seit dem 4. März 2010 rechtskräftigen Strafurteil geahndet worden sei, sei auch noch verwertbar. Anlässlich des Verkehrsunfalls vom 1. September 2017 sei beim Kläger eine BAK von 1,04 Promille festgestellt worden. Der Annahme, dass er in alkoholisiertem Zustand ein Kraftfahrzeug geführt habe, stehe nicht entgegen, dass der Kläger einen Nachtrunk behaupte. Fehlten - wie hier - substanzielle und schlüssige Darlegungen, sei von einer unglaubhaften Schutzbehauptung auszugehen. Derartige Darlegungen, insbesondere zur Art und Menge des nach dem Unfall angeblich getrunkenen Alkohols und zu den sonstigen Umständen, wären schon bei der Unfallaufnahme erforderlich gewesen. Hinweise auf einen solchen Vortrag enthalte die Mitteilung der Polizei an den Beklagten nicht und der Kläger habe nicht geltend gemacht, dass sie unvollständig sei. Auch im Verwaltungsverfahren und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren habe der Kläger hierzu keine konkreten Angaben gemacht. 9 Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend: Ihm habe nicht nachgewiesen werden können, dass er am 1. September 2017 eine Trunkenheitsfahrt begangen habe. Deshalb sei das Strafverfahren eingestellt und kein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. Aus der Gutachtensanordnung sei für ihn nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen, welche der vor der Neuerteilung der Fahrerlaubnis am 28. Juni 2016 begangenen Zuwiderhandlungen der Beklagte zur Begründung herangezogen habe; nach der Formulierung hätte auch noch die Alkoholfahrt vom 12. April 2008 gemeint sein können. In Bezug auf den Vorfall vom 1. September 2017 sei er weder strafrechtlich noch ordnungswidrigkeitsrechtlich belangt worden; von einem festgestellten Verkehrsverstoß könne daher nicht ausgegangen werden. Da zwischen den Fahrten mehr als acht Jahre lägen, seien die Voraussetzungen von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FeV nicht erfüllt. 10 Der Beklagte tritt der Revision entgegen und trägt vor: § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV sei anwendbar. Die Fahrt am 1. September 2017 sei eine Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss im Sinne dieser Regelung. Die Blutprobe habe eine BAK von 1,04 Promille ergeben; die Ausführungen des Klägers zum Nachtrunk seien eine unglaubhafte Schutzbehauptung. Eine Ahndung der Zuwiderhandlung als Straftat oder Ordnungswidrigkeit setze § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV nicht voraus. Ansonsten müsste die Fahrerlaubnisbehörde den Ausgang eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens abwarten, bevor sie auf der Grundlage dieser Vorschrift die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens fordern dürfe. Die damit verbundene zeitliche Verzögerung hätte zur Folge, dass möglicherweise ungeeignete Fahrzeugführer weiter am Straßenverkehr teilnehmen dürften. Die Beibringensaufforderung genüge auch den Begründungsanforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV. Aus ihr ergebe sich eindeutig, dass er außer auf den Vorfall vom 1. September 2017 nur auf die Trunkenheitsfahrt vom 3. Juli 2009 abgestellt habe; sie habe zu der dort erwähnten Fahrerlaubnisentziehung geführt. Nichtsdestotrotz könne die Gutachtensanforderung auch auf den Auffangtatbestand des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV gestützt werden. Aus den Vorfällen vom 3. Juli 2009 und vom 1. September 2017 ergäben sich Anhaltspunkte für Alkoholmissbrauch. Der Kläger sei zudem schon kurz nach der Neuerteilung der Fahrerlaubnis wieder mit Alkohol im Straßenverkehr aufgefallen. II 11 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zwar verletzt das angegriffene Berufungsurteil Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), doch stellt sich die Entscheidung selbst aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). 12 Der Beklagte durfte gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV annehmen, dass dem Kläger die Fahreignung fehlt (1. und 2.). Die Begründung der Aufforderung an den Kläger, ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen, genügte den Anforderungen von § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV. Der Kläger konnte dem Aufforderungsschreiben entnehmen, aus welchen Vorfällen der Beklagte seine Eignungszweifel herleitete. Die Annahme des Berufungsgerichts, es sei dort nur auf die Vorfälle vom 1. September 2017 und vom 3. Juli 2009 abgestellt worden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (3.). Die Rechtswidrigkeit der Aufforderung folgt auch nicht daraus, dass der Beklagte § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV als Rechtsgrundlage angegeben hat; diese Angabe war zutreffend. Die Voraussetzungen der Regelung waren erfüllt; die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Fahrerlaubnisbehörde darf die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auch dann auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV stützen, wenn eine als Ordnungswidrigkeit einzustufende Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss ordnungswidrigkeitsrechtlich nicht geahndet worden ist, aber mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass der Betroffene sie begangen hat, und, falls eine Bußgeldentscheidung ergangen ist, die Berücksichtigung der Zuwiderhandlung nicht entgegen § 3 Abs. 4 Satz 2 StVG von den dort getroffenen Feststellungen abweicht. Diese Voraussetzungen waren hier auch hinsichtlich der Trunkenheitsfahrt vom 1. September 2017 erfüllt. Dass das Berufungsgericht die Behauptung des Klägers, er habe die festgestellte Blutalkoholkonzentration erst durch einen Nachtrunk erreicht, nicht als glaubhaft angesehen hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (4.). Die beiden für die Begründung der Eignungszweifel herangezogenen Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss waren zum maßgeblichen Zeitpunkt auch noch verwertbar (5.). Erweist sich die Beibringungsaufforderung damit als rechtmäßig, durfte der Beklagte wegen der Nichtbeibringung dieses Gutachtens von fehlender Fahreignung des Klägers ausgehen und ihm deshalb die Fahrerlaubnis entziehen (§ 3 Abs. 1 StVG sowie § 46 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). 13 1. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (stRspr, vgl. u. a. BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 - 3 C 14.17 - BVerwGE 165, 215 Rn. 11 m. w. N.); abzustellen ist hier danach auf den Erlass des Widerspruchsbescheids vom 9. Januar 2020. 14 Im vorliegenden Fall schloss der Beklagte, nachdem der Kläger das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beibrachte, gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf dessen Nichteignung. Das Berufungsgericht ist der ständigen Rechtsprechung des Senats folgend (Urteil vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 - BVerwGE 156, 293 Rn. 14 und 19 m. w. N.) davon ausgegangen, dass er hierzu nur berechtigt war, wenn die Aufforderung zur Beibringung des Fahreignungsgutachtens zum Zeitpunkt des Ergehens der Aufforderung formell und materiell rechtmäßig war; sie ist hier mit Schreiben des Beklagten vom 9. Mai 2019 erfolgt. Der Kläger und Revisionskläger wird durch diese Annahme nicht beschwert. Ob im Hinblick auf den zwischenzeitlich erreichten Stand der Rechtsprechung zum Rechtsschutz gegen in Grundrechte eingreifende behördliche Vorbereitungshandlungen (zur Untersuchungsaufforderung im Dienstrecht vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Januar 2022 - 2 BvR 1528/21 - NVwZ 2022, 401; zur Beibringungsaufforderung im Fahrerlaubnisrecht vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 11 FeV Rn. 25; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 44a Rn. 13 und 52. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2014, Empfehlungen der Arbeitskreise, AK V Ziffer 8, S. XIV) daran festzuhalten ist, dass die Aufforderung, ein Fahreignungsgutachten beizubringen, nicht selbständig anfechtbar ist (BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 - BVerwGE 156, 293 Rn. 17), bedarf deshalb keiner Entscheidung. 15 2. Die Rechtsgrundlagen für die Fahrerlaubnisentziehung ergeben sich aus § 3 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) sowie § 46 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV. Diese Vorschriften sind zwischen der Anforderung des Gutachtens und der Entziehung der Fahrerlaubnis unverändert geblieben. 16 Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Das gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach der Anlage 4 vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Nach Nr. 8.1 dieser Anlage ist die Fahreignung im Falle von Alkoholmissbrauch zu verneinen. Er liegt nach der dort enthaltenen Begriffsbestimmung vor, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. 17 Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 entsprechende Anwendung. Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss auf die Nichteignung ist nur dann zulässig, wenn die Aufforderung zur Beibringung des Fahreignungsgutachtens rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. u. a. BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 - BVerwGE 156, 293 Rn. 19 m. w. N.). 18 3. Die Beibringensaufforderung vom 9. Mai 2019 genügte hinsichtlich der Angaben zu den Gründen für die Eignungszweifel des Beklagten den Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe dem Schreiben in der gebotenen Weise entnehmen können, aus welchen Vorfällen der Beklagte seine Eignungszweifel herleitete, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. 19 a) Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 FeV bestimmt, dass die Behörde dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mitteilt, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat. Sie teilt ihm außerdem mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann (§ 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV). 20 Diese formellen Anforderungen an den Inhalt einer Beibringensaufforderung sollen es dem Betroffenen ermöglichen, eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob er sich der geforderten Begutachtung unterziehen will oder nicht. Das ist für ihn wegen der sich aus § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ergebenden Rechtsfolgen von besonderer Bedeutung. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Aufforderung im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein muss. Der Betroffene muss ihr entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das dort Mitgeteilte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Juli 2001 - 3 C 13.01 - Buchholz 442.16 § 15b StVZO Nr. 29 S. 4 f. und vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 - BVerwGE 156, 293 Rn. 21). Der Betroffene soll durch die Angaben in der Beibringensaufforderung in die Lage versetzt werden, sich innerhalb der für die Vorlage des Gutachtens gesetzten Frist ein Urteil darüber zu bilden, ob die Aufforderung zu dessen Beibringung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 C 21.04 - Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 11 S. 6 und Beschluss vom 5. Februar 2015 - 3 B 16.14 - Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 21 Rn. 8). 21 b) Das Oberverwaltungsgericht nimmt an, der Kläger habe der Gutachtensanforderung vom 9. Mai 2019 zweifelsfrei entnehmen können, dass der Beklagte zur Begründung seiner Eignungszweifel neben dem Vorfall vom 1. September 2017 nur die Trunkenheitsfahrt vom 3. Juli 2009, nicht aber zusätzlich noch die Trunkenheitsfahrt vom 12. April 2008 herangezogen habe (UA S. 8 ff.). Hiergegen ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern. 22 Hinsichtlich des rechtlichen Maßstabs, der an die Erfüllung der Begründungserfordernisse des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV anzulegen ist, hat das Berufungsgericht auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats Bezug genommen (UA S. 8). Eine Verfehlung dieses Maßstabs und ein daraus folgender Bundesrechtsverstoß des Berufungsgerichts sind nicht zu erkennen. 23 Bei der Frage, was der Kläger aus der Begründung der Beibringensaufforderung vom 9. Mai 2019 entnehmen konnte, handelt es sich um eine tatsächliche Würdigung. Es geht darum, wie der Kläger nach seinem Empfängerhorizont die Angaben in der Aufforderung verstehen musste. Die entsprechende Wertung des Tatsachengerichts ist der revisionsgerichtlichen Überprüfung nur eingeschränkt zugänglich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 2015 - 3 B 16.14 - Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 21 Rn. 10). 24 Gemessen hieran ist das Ergebnis, zu dem das Oberverwaltungsgericht gelangt ist, nicht zu beanstanden. Zwar wird die Fahrerlaubnisbehörde den Begründungsanforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV in der Regel dadurch am besten gerecht, dass sie die Vorfälle, aus denen sie ihre Eignungszweifel herleitet, mit dem genauen Datum bezeichnet, wie sie es hier hinsichtlich des Vorfalls vom 1. September 2017 getan hat. Die Angabe des Datums, an dem sich ein Vorfall ereignet hat, ist jedoch entbehrlich, wenn sich aus anderen in der Aufforderung dargelegten Umständen vergleichbar sicher ergibt, auf welchen Vorfall die Behörde ihre Zweifel an der Fahreignung des Betroffenen stützt. So ist es nach den tatsächlichen Feststellungen und deren tatrichterlicher Würdigung hier hinsichtlich der Trunkenheitsfahrt vom 3. Juli 2009. In der Gutachtensanforderung wird mit dem 28. Juni 2016 das Datum der letzten Neuerteilung der Fahrerlaubnis angegeben. Das Berufungsgericht nimmt in ohne Weiteres nachvollziehbarer Weise an, dass der Beklagte damit auf die Trunkenheitsfahrt vom 3. Juli 2009 Bezug genommen habe, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis vor dieser Neuerteilung geführt hatte. Nach dem Vorbringen des Klägers im Verwaltungsverfahren und im verwaltungsgerichtlichen Eil- und Hauptsacheverfahren hatte auch für ihn nicht in Frage gestanden, dass die Neuerteilung der Fahrerlaubnis an die Fahrerlaubnisentziehung anknüpft, die aufgrund der Trunkenheitsfahrt vom 3. Juli 2009 erfolgt war. Seinem Einwand, dass zusätzlich noch die Trunkenheitsfahrt vom 12. April 2008 gemeint gewesen sein könnte, hält das Berufungsgericht - auch das ohne Weiteres vertretbar - entgegen, dass die Begründung des Anforderungsschreibens hierfür keinerlei Anhaltspunkte aufweise, zumal dort die Worte ""Auffälligkeit"" und ""Entzug"" im Singular verwendet worden seien (UA S. 9). Soweit der Kläger in der Revisionsbegründung erneut geltend macht, für ihn sei aus der Gutachtensforderung nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen, welche der vor der Neuerteilung der Fahrerlaubnis am 28. Juni 2016 begangenen Zuwiderhandlungen der Beklagte zu deren Begründung herangezogen habe, verhilft das seiner Revision nicht zum Erfolg. Mit dieser Behauptung hat er keine zulässige und begründete Verfahrensrüge verbunden, mit der er die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts in Frage stellen könnte; sie sind für die Entscheidung im Revisionsverfahren daher bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). 25 4. Die Gutachtensanforderung erweist sich auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil der Beklagte § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV als Rechtsgrundlage angegeben hat; nach dieser Vorschrift ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe damit auf eine nicht einschlägige Rechtsgrundlage abgestellt, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Voraussetzungen von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV waren erfüllt; diese Vorschrift ist nicht erst dann anwendbar, wenn es bei einer als Ordnungswidrigkeit einzuordnenden Zuwiderhandlung unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr zu deren ordnungswidrigkeitsrechtlicher Ahndung gekommen ist (a). Das ist aus dem Wortlaut der Bestimmung (aa) sowie ihrem Sinn und Zweck in Verbindung mit ihrer systematischen Stellung zu entnehmen (bb und cc). Maßgebliches Gewicht kommt darüber hinaus der vom Gesetzgeber in § 3 Abs. 3 StVG getroffenen Regelung zu (dd). Das Abweichungsverbot des § 3 Abs. 4 StVG steht der Heranziehung des Vorfalls vom 1. September 2017 hier ebenfalls nicht entgegen (ee). 26 a) § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV setzt bei einer als Ordnungswidrigkeit einzuordnenden Zuwiderhandlung unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr nicht auch deren ordnungswidrigkeitsrechtliche Ahndung voraus. 27 aa) Nach allgemeinem Sprachgebrauch meint der Begriff ""Zuwiderhandlung"" eine ""gegen ein Verbot, eine Anordnung gerichtete Handlung"" (vgl. etwa Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl. 2011). Aus dem Wortlaut der Bestimmung kann daher nicht hergeleitet werden, dass der betreffende Verstoß auch bereits geahndet und ebenso wenig, dass eine solche Ahndung bereits in Rechtskraft oder Bestandskraft erwachsen sein muss. Hätte der Verordnungsgeber das in dieser Weise regeln wollen, hätte er diese Einschränkung durch einen entsprechenden Zusatz in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV ohne Weiteres deutlich machen können. Solche Einschränkungen hat der Gesetzgeber in § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG hinsichtlich des Fahreignungs-Bewertungssystems und in § 28 Abs. 3 StVG in Bezug auf Eintragungen in das Fahreignungsregister vorgenommen. Die Regelung in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV hat dem Wortlaut nach daher einen Handlungs-, nicht aber einen Sanktionsbezug. 28 bb) Auch der Blick auf die durch die weiteren Buchstaben des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV erfassten Fallgruppen erhellt, dass die Vorschrift auf tatsächliche Umstände, nicht aber auf die Verhängung einer bestimmten Sanktion abstellt (Buchst. a Alt. 2: ""sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen""; Buchst. c: ""ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr ... geführt wurde""; Buchst. e: ""sonst zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr besteht""). In eine andere Richtung weist allein der Buchstabe d (""die Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchstaben a bis c genannten Gründe entzogen war""); selbst hier wird aber letztlich auf einen tatsächlichen Umstand abgestellt. 29 cc) Dieses Ergebnis wird durch die Stellung der Vorschrift im System der fahrerlaubnisrechtlichen Eignungsbeurteilung und der bei Eignungszweifeln von der Fahrerlaubnisbehörde zu ergreifenden Maßnahmen bestätigt. 30 Wesentlich für die Auslegung der in § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV aufgeführten tatbestandlichen Voraussetzungen ist, dass es bei § 13 FeV noch nicht unmittelbar um die Entziehung der Fahrerlaubnis geht, sondern - wie schon der amtlichen Überschrift zu entnehmen ist - um die dieser Entscheidung vorgelagerte Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik. Die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens dient - wie § 13 Satz 1 Halbsatz 1 FeV ausdrücklich bestimmt - der Vorbereitung der Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen. Gleiches gilt gemäß § 46 Abs. 3 FeV im Vorfeld der Entscheidung über eine Entziehung oder Beschränkung der Fahrerlaubnis (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 - BVerwGE 156, 293 Rn. 17 m. w. N.). 31 Damit steht § 13 FeV in einem anderen systematischen Kontext als die Vorschriften in § 4 StVG zum Fahreignungs-Bewertungssystem. Für das Ergreifen der in § 4 Abs. 5 StVG vorgesehenen Maßnahmen kommt es gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG auf das Entstehen von Punkten wegen der Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten an, sofern sie - wie dort vorausgesetzt wird - rechtskräftig geahndet worden sind. Eine solche Anknüpfung an die rechtskräftige Ahndung enthält § 13 FeV aber gerade nicht, vielmehr stellt Satz 1 Nr. 2 Buchst. b allein auf die Zuwiderhandlung als solche ab. 32 In der Normbegründung zu § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV (VkBl. 98, 1070; abgedruckt bei Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 13 FeV Rn. 4) wird zudem ausgeführt, dass Buchstabe b gegenüber dem Punktsystem in § 4 StVG eine Spezialvorschrift darstelle, wonach die Maßnahme der Eignungsüberprüfung bereits bei einem wiederholten Alkoholverstoß zu ergreifen sei, unabhängig von der Punktzahl. Auch das spricht vor dem Hintergrund der Regelungen des damals noch geltenden Mehrfachtäter-Punktsystems, bei dem nach ständiger Rechtsprechung ebenfalls nur rechtskräftig geahndete Verkehrsverstöße für das Ergreifen der dort vorgesehenen Maßnahmen zugrunde gelegt werden durften (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 3.07 - BVerwGE 132, 48 Rn. 19), dafür, dass es für die Anforderung eines Gutachtens nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV auf eine Ahndung oder rechtskräftige Ahndung einer Zuwiderhandlung nicht ankommt. 33 dd) Wesentliche Bedeutung kommt schließlich dem Umstand zu, dass der Gesetzgeber der Fahrerlaubnisbehörde in § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG auch für den Fall, dass die Ahndung einer als Ordnungswidrigkeit einzustufenden Zuwiderhandlung noch aussteht, eine Berücksichtigung des betreffenden Sachverhalts gestattet. 34 Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG darf die Fahrerlaubnisbehörde, solange gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis ein Strafverfahren anhängig ist, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 des Strafgesetzbuches in Betracht kommt, den Sachverhalt, der Gegenstand des Strafverfahrens ist, in einem Entziehungsverfahren nicht berücksichtigen. Diese Sperrwirkung gilt danach nur für Straftaten, und auch nur für solche, die zur Anwendung von § 69 StGB führen können, nicht aber für Ordnungswidrigkeiten. Darin, dass § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG Ordnungswidrigkeiten nicht erfasst, kann keine vom Gesetzgeber unbeabsichtigte planwidrige Regelungslücke gesehen werden. Das zeigt der folgende Absatz 4, in dem der Gesetzgeber anders als im Absatz 3 Bußgeldentscheidungen ausdrücklich erwähnt. Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG kann die Fahrerlaubnisbehörde, will sie in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung der Schuldfrage oder der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. In Satz 2 Halbsatz 1 ist geregelt, dass der Strafbefehl und die gerichtliche Entscheidung, durch welche die Eröffnung des Hauptverfahrens oder der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls abgelehnt wird, einem Urteil gleichstehen; dies gilt nach Halbsatz 2 auch für Bußgeldentscheidungen, soweit sie sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung der Schuldfrage beziehen. Daraus ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber bei der in § 3 StVG getroffenen Regelung - und damit auch in Bezug auf dessen Absatz 3 - die ordnungswidrigkeitsrechtliche Ahndung von Zuwiderhandlungen zwar im Blick hatte, die gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG für die Fahrerlaubnisbehörden bestehende vorübergehende Sperrwirkung eines noch laufenden Verfahrens hierauf aber nicht erstrecken wollte. Eine analoge Anwendung von § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG auf Ordnungswidrigkeiten scheidet daher aus (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 24. Juli 2007 - 10 S 306/07 - DAR 2007, 664; OVG Magdeburg, Beschluss vom 13. April 2012 - 3 M 47/12 - Blutalkohol 49 <2012>, 327 sowie Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 3 StVG Rn. 45 m. w. N.). 35 Dass der Gesetzgeber der Fahrerlaubnisbehörde bei einer als Ordnungswidrigkeit einzustufenden Zuwiderhandlung im Straßenverkehr eine Berücksichtigung des betreffenden Sachverhalts schon vor dem Abschluss des Ordnungswidrigkeitsverfahrens gestattet, findet seine Erklärung und sachliche Rechtfertigung darin, dass der zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zuständigen Stelle das Instrument der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nicht zur Verfügung steht. § 111a Abs. 1 Satz 1 StPO macht die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis davon abhängig, dass dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden wird (§ 69 StGB). § 69 Abs. 1 StGB wiederum setzt voraus, dass jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt wurde, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, wenn sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Voraussetzung ist somit die Begehung einer entsprechenden Straftat; das zeigt auch der Katalog der in § 69 Abs. 2 StGB aufgeführten Vergehen. Bei als Ordnungswidrigkeiten einzustufenden Zuwiderhandlungen kann weder die für deren bußgeldrechtliche Ahndung zuständige Stelle noch die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis vorläufig entziehen, um damit einen aller Voraussicht nach ungeeigneten Fahrerlaubnisinhaber rasch von der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen. Doch ist der Fahrerlaubnisbehörde eine zeitnahe Reaktion jedenfalls in der Weise eröffnet, dass sie zur Klärung der durch das Verhalten des Betroffenen aufgeworfenen Eignungszweifel ein medizinisch-psychologisches Gutachten anfordern und bei dessen Nichtvorlage gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die fehlende Fahreignung des Betroffenen schließen darf (vgl. in diesem Sinne auch VGH München, Beschluss vom 15. September 2015 - 11 CS 15.16 82 - Blutalkohol 52 <2015>, 426 <428>). 36 ee) Auch das die Fahrerlaubnisbehörde treffende Verbot des § 3 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StVG, zu Lasten des Fahrerlaubnisinhabers vom Inhalt einer Bußgeldentscheidung abzuweichen, soweit sie sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung der Schuldfrage bezieht, hinderte den Beklagten nicht an der Verwertung des Vorfalls vom 1. September 2017. Das Abweichungsverbot besteht nach der genannten Regelung erst dann, wenn eine Bußgeldentscheidung getroffen wurde. Eine solche Entscheidung mit Feststellungen der genannten Art ist im vorliegenden Fall jedoch nicht ersichtlich, da die Akten des Ordnungswidrigkeitsverfahrens aus datenschutzrechtlichen Gründen vernichtet wurden. Auch der Kläger hat Entsprechendes nicht vorgetragen. 37 b) Der Umstand, dass die Fahrerlaubnisbehörde eine als Ordnungswidrigkeit einzustufende Zuwiderhandlung unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr auch ohne deren ordnungswidrigkeitsrechtliche Ahndung für eine auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV gestützte Beibringensaufforderung heranziehen darf, kann mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip und die mit einer medizinisch-psychologischen Begutachtung für den Betroffenen verbundenen Belastungen (dazu BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 - BVerwGE 156, 293 Rn. 37) indes nicht bedeuten, dass bereits der vage Verdacht wiederholter Zuwiderhandlungen die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf der Grundlage dieser Vorschrift rechtfertigt. 38 Die Fahrerlaubnisbehörde darf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV nur dann als Rechtsgrundlage für eine Gutachtensanforderung heranziehen, wenn mit hinreichender Gewissheit feststeht, dass der Betroffene die Zuwiderhandlungen, mit denen die Fahrerlaubnisbehörde ihre Eignungszweifel begründet, auch tatsächlich begangen hat. Das setzt regelmäßig voraus, dass die von der Fahrerlaubnisbehörde für diese Annahme herangezogenen Umstände in den Verfahrensakten hinreichend dokumentiert sind, also etwa die dem Betroffenen zur Last gelegte Blutalkoholkonzentration beim Führen eines Fahrzeugs durch ein gerichtsmedizinisches Gutachten unterlegt ist. Insoweit kann für § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV nichts Anderes gelten als für den Buchstaben c, wo gefordert wird, dass eine BAK von 1,6 Promille zum Zeitpunkt der Fahrt nachgewiesen ist (vgl. dazu Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 13 FeV Rn. 23b). 39 Die Fahrerlaubnisbehörde ist damit - soweit sie keinen Beschränkungen nach dem Abweichungsverbot des § 3 Abs. 4 StVG unterliegt - zwar befugt, das Vorliegen einer ""Zuwiderhandlung"" im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV eigenständig, d. h. auch unabhängig davon zu beurteilen, ob die dem Betroffenen zur Last gelegte Zuwiderhandlung ordnungswidrigkeitsrechtlich geahndet wurde. Die Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, unterliegt - wie dargelegt - jedoch jedenfalls dann der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung, wenn die Fahrerlaubnisbehörde aus der Nichtvorlage des geforderten Gutachtens die Nichteignung des Betroffenen herleitet und ihm deshalb die Fahrerlaubnis entzieht. 40 c) Ausgehend davon hat der Beklagte in den Vorfällen vom 3. Juli 2009 und 1. September 2017 zu Recht wiederholte Zuwiderhandlungen des Klägers im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV gesehen. Die hiergegen vom Kläger vorgetragenen Einwände sind - wie das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht annimmt - unbegründet. 41 aa) Dass die Trunkenheitsfahrt des Klägers vom 3. Juli 2009 mit einer BAK von 1,48 Promille eine solche Zuwiderhandlung ist, steht außer Frage. Sie wurde durch das am 4. März 2010 rechtskräftig gewordene Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 2. September 2009 strafrechtlich geahndet und führte zur Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß §§ 69, 69a StGB wegen fehlender Fahreignung. 42 bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, aus dem Verkehrsunfall vom 1. September 2017 ergebe sich eine weitere Zuwiderhandlung des Klägers unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV, steht ebenfalls im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). 43 Der von der Polizei beim Kläger bei der Unfallaufnahme durchgeführte Atemalkoholtest ergab eine Atemalkoholkonzentration von 1,23 Promille (Bl. 167 VA). Die beim Kläger daraufhin am Folgetag um 0:55 Uhr entnommene Blutprobe wies nach der Mitteilung der Untersuchungsstelle für Blutalkohol am Institut für Rechtsmedizin vom 6. September 2009 (Bl. 190 VA) eine Blutalkoholkonzentration von 1,04 Promille auf. Einwände gegen die Höhe des festgestellten Blutalkoholwerts hat der Kläger nicht erhoben. 44 Dass - wie der Kläger geltend macht - der festgestellte Blutalkoholwert nicht die in der Rechtsprechung für die Annahme absoluter Fahruntüchtigkeit zugrunde gelegte Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille erreicht, ist für die Anwendbarkeit von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV unerheblich. Eine Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV liegt auch dann vor, wenn der Betroffene eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG begangen hat; nach dieser Vorschrift handelt ordnungswidrig, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt (vgl. dazu Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 13 FeV Rn. 22 m. w. N.). 45 Ohne Bundesrechtsverstoß nimmt das Berufungsgericht an, dass der vom Kläger behauptete Nachtrunk, mit dem er in Frage stellen will, dass die gerichtsmedizinisch festgestellte BAK bereits zu dem Zeitpunkt vorlag, als er das Kraftfahrzeug führte, nicht glaubhaft ist. Das Berufungsgericht stützt seine Wertung darauf, dass dann, wenn der Fahrer eines Fahrzeugs bei einer Unfallaufnahme unter Alkoholeinfluss angetroffen wird, eine lebensnahe Betrachtung dafür spreche, dass die Alkoholaufnahme vor Antritt der Fahrt erfolgt sei. Mache der Fahrerlaubnisinhaber hiervon abweichend einen sog. Nachtrunk geltend, obliege es zunächst ihm, die näheren Umstände dieses eher ungewöhnlichen Ablaufs durch konkrete Angaben glaubhaft darzulegen. Mangele es insoweit an substanziellen und schlüssigen Darlegungen, sei der geltend gemachte Nachtrunk als unglaubhafte Schutzbehauptung anzusehen, ohne dass es auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung und Beweiserhebung ankomme. Auch bedürfe es keines Gegenbeweises des Beklagten (UA S. 14 1. Absatz). An substanziierten und schlüssigen Angaben, insbesondere zur Art und Menge des nach dem Unfall angeblich getrunkenen Alkohols sowie zu den sonstigen Umständen schon bei der Unfallaufnahme habe es hier gefehlt; obwohl sowohl der Senat selbst als auch das Verwaltungsgericht in den Eilentscheidungen deutliche Zweifel an dem behaupteten Nachtrunk geäußert hätten, sei es bei nur pauschalen Behauptungen geblieben (UA S. 14 2. Absatz). Aus revisionsrechtlicher Sicht ist nichts dagegen zu erinnern, dass das Berufungsgericht daraus die fehlende Glaubhaftigkeit des vom Klägers geltend gemachten Nachtrunkeinwands hergeleitet hat. 46 Dieser Würdigung seines Verhaltens durch das Berufungsgericht kann der Kläger auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, er sei bei der polizeilichen Unfallaufnahme und der Blutentnahme nicht zu näheren Angaben verpflichtet gewesen, sondern habe von seinem Schweigerecht Gebrauch machen dürfen. Jedenfalls im anschließenden Verwaltungs- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren hätte Anlass für eine Substanziierung und Konkretisierung seines Nachtrunkeinwands bestanden. Gerade darauf, dass eine solche Substanziierung auch weiterhin unterblieben war, hat das Berufungsgericht aber seine Annahme gestützt, der Nachtrunk sei als reine Schutzbehauptung zu werten. Revisionsrechtlich ist auch hiergegen nichts zu erinnern. 47 Nachdem die Unterlagen zum Ordnungswidrigkeitsverfahren nicht mehr vorhanden sind, kann nicht abschließend geklärt werden, ob dieses Verfahren förmlich eingestellt oder aber aus sonstigen Gründen nicht eingeleitet oder nicht abgeschlossen wurde. Damit fehlt es auch an einer die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 3 Abs. 4 Satz 2 StVG bindenden Feststellung der für die Verfolgung als Ordnungswidrigkeit zuständigen Stelle, dass am 1. September 2017 keine Trunkenheitsfahrt im Sinne von § 24a StVG vorgelegen habe. Ebenso wenig kann der Kläger aus dem Umstand, dass die Staatsanwaltschaft wegen des Verkehrsunfalles vom 1. September 2017 kein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet, sondern es gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hat, herleiten, dass die Staatsanwaltschaft - anders als später der Beklagte und das Berufungsgericht - von einem Nachtrunk ausgegangen sei. Wäre das der Fall, hätte für die Staatsanwaltschaft kein Anlass bestanden, die Sache zur weiteren Verfolgung an die Ordnungswidrigkeitsbehörde abzugeben. Die Staatsanwaltschaft ist ausweislich ihrer in den Verwaltungsakten enthaltenen Einstellungsverfügung davon ausgegangen, dass keine Straftat, sondern lediglich - aber immerhin - eine Verkehrsordnungswidrigkeit vorliege (Bl. 181 VA). 48 5. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV gestützten Gutachtensanforderung ist außerdem, dass die Fahrerlaubnisbehörde die zur Begründung ihrer Eignungszweifel herangezogenen Zuwiderhandlungen noch zu diesem Zweck verwerten durfte. Diese Einschränkung ergibt sich aus § 29 Abs. 7 StVG (vgl. zum Verwertungsverbot wegen der Tilgung und Löschung einer Eintragung im Fahreignungsregister: BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2020 - 3 C 5.20 - BVerwGE 171, 1 Rn. 20 ff. m. w. N.; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 13 FeV Rn. 22 m. w. N.; Koehl, in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Aufl. 2022, § 13 FeV Rn. 14). 49 Diese Voraussetzung war hinsichtlich der beiden vom Beklagten herangezogenen Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss vom 3. Juli 2009 und vom 1. September 2017 erfüllt. 50 a) Die Trunkenheitsfahrt des Klägers vom 3. Juli 2009 mit einer BAK von 1,48 Promille wurde durch das am 4. März 2010 rechtskräftig gewordene strafgerichtliche Urteil vom 2. September 2009 geahndet, mit dem das Strafgericht dem Kläger zugleich die Fahrerlaubnis entzog. Da diese Entscheidung vor Ablauf des 30. April 2014 im Verkehrszentralregister gespeichert wurde, erfolgt gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 StVG die Tilgung und Löschung bis zum Ablauf des 30. April 2019 nach den Bestimmungen des § 29 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.); nach § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 4 Buchst. a StVG gilt ab dem 1. Mai 2019 für die Berechnung der Tilgungsfrist § 29 Abs. 1 bis 5 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung mit der Maßgabe, dass die nach Satz 1 bisher abgelaufene Frist angerechnet wird. Die Tilgungsfrist für die Eintragung betrug gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVG a.F. zehn Jahre. Sie begann, weil das Strafgericht die Fahrerlaubnis nach §§ 69, 69a StGB entzogen hatte, gemäß § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG a.F. erst mit der Neuerteilung der Fahrerlaubnis, spätestens jedoch fünf Jahre nach der beschwerenden Entscheidung zu laufen. Da dem Kläger die Fahrerlaubnis am 28. Juni 2016 wiedererteilt wurde und die beschwerende Entscheidung vom 2. September 2009 datiert, ist die Fünfjahresfrist maßgeblich. Daher begann die Tilgungsfrist am 2. September 2014 zu laufen und wäre nach 10 Jahren und somit am 2. September 2024 abgelaufen. Da dieser Zeitpunkt nach dem 30. April 2019 liegt, greift die Regelung des § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 4 Buchst. a StVG; zur Anwendung kommt danach das seit dem 1. Mai 2014 anwendbare Recht unter Anrechnung der bereits abgelaufenen Tilgungsfrist. Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a StVG beträgt die Tilgungsfrist ebenfalls zehn Jahre; sie begann unter den hier maßgeblichen Umständen gemäß § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG fünf Jahre nach der Rechtskraft der beschwerenden Entscheidung, also am 4. März 2015 zu laufen. Bei Anrechnung der nach dem alten Recht bis 30. April 2019 abgelaufenen Tilgungsfrist - sie begann hier etwa 5 1/2 Monate früher als nach neuem Recht - war die Frist zum Zeitpunkt der Anforderung des Gutachtens am 9. Mai 2019 daher noch nicht abgelaufen. Verwertbar waren die Eintragungen zur Trunkenheitsfahrt vom 3. Juli 2009 im Übrigen auch noch zum Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung selbst mit Bescheid vom 13. August 2019 und Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2020 (vgl. § 29 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 StVG). 51 b) Den Vorfall vom 1. September 2017 durfte der Beklagte mit Blick auf die für die Verwertung maßgeblichen Vorschriften des § 29 StVG über die Tilgung und Löschung von Eintragungen im Fahreignungsregister ebenfalls heranziehen, um damit seine Zweifel an der Fahreignung des Klägers zu begründen. 52 Hinsichtlich dieser vom Beklagten zu Lasten des Klägers berücksichtigten Trunkenheitsfahrt ist - wie gezeigt - keine Ahndung als Ordnungswidrigkeit und, da eine Speicherung im Fahreignungsregister gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG eine rechtskräftige Entscheidung voraussetzt, auch keine Speicherung erfolgt. Liegt aber eine rechtskräftige oder unanfechtbare Entscheidung nicht vor, fehlt es damit zugleich an dem zeitlichen Anknüpfungspunkt für den Beginn der Tilgungsfrist. § 29 Abs. 4 Nr. 3 und § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG stellen hierfür auf den Tag der Rechtskraft oder Unanfechtbarkeit der beschwerenden Entscheidung ab. 53 Dieser Umstand führt aber nicht dazu, dass die Fahrerlaubnisbehörde dem Betroffenen eine Zuwiderhandlung unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr, deren Begehung hinreichend sicher feststeht, nicht zur Begründung von Eignungszweifeln entgegenhalten darf. Auch die Dauer der Verwertbarkeit von im Ausland begangenen Zuwiderhandlungen, die ebenfalls nicht in das Fahreignungsregister eingetragen werden (vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 28 StVG Rn. 29), ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Zuwiderhandlungen im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV sind nach einhelliger Meinung aber auch im Ausland begangene Verkehrsverstöße, sofern sie hinreichend sicher nachgewiesen sind (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 27. März 2008 - 1 M 204/07 - NJW 2008, 3016 <3017 f.>; VGH München, Beschlüsse vom 9. Juni 2010 - 11 CS 10.786 - Blutalkohol 47 <2010>, 368 <370> und vom 16. August 2012 - 11 CS 12.16 24 - Blutalkohol 49 <2012>, 340 <341>; OVG Münster, Urteil vom 25. Oktober 2016 - 16 A 1237/14 - NJW 2017, 903 Rn. 26 ff. sowie VG Gera, Beschluss vom 6. November 2018 - 3 E 1514/18 Ge - Blutalkohol 56 <2019>, 279 <280> m. w. N.; ebenso Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 13 FeV Rn. 22 sowie Koehl, in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Aufl. 2022, § 13 FeV Rn. 16). Die insoweit festzustellende offenkundig unbeabsichtigte Regelungslücke ist vielmehr durch eine entsprechende Anwendung der Vorschriften in § 29 StVG über die Tilgung und Löschung von Eintragungen und die Verwertbarkeit von Taten und Entscheidungen zu schließen. § 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG ist in der Weise anzuwenden, dass für den Fristbeginn statt - wie in dieser Bestimmung vorgesehen - auf den Tag der Rechtskraft oder Unanfechtbarkeit der beschwerenden Entscheidung auf den Tag der Begehung der Zuwiderhandlung abgestellt wird. Damit wird in solchen Fällen - insoweit zugunsten des Betroffenen - der Beginn der Tilgungsfrist zeitlich etwas nach vorne verschoben. 54 Bei Entscheidungen über eine Ordnungswidrigkeit, die - wie eine nach § 24a StVG zu ahndende Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss - mit zwei Punkten zu bewerten ist (§ 40 FeV i. V. m. Nr. 2.2.2 der Anlage 13), beträgt die Tilgungsfrist gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b StVG fünf Jahre. Da die Tilgungsfrist hier am 1. September 2017 als dem Tag der Begehung der Ordnungswidrigkeit in Gang gesetzt wurde, war sie beim Ergehen der Gutachtensanforderung am 9. Mai 2019 noch nicht abgelaufen. 55 c) Da die beiden vom Beklagten für die Gutachtensanforderung herangezogenen Zuwiderhandlungen noch verwertbar waren, kann der Kläger der Heranziehung von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die beiden Vorfälle mehrere Jahre auseinanderlagen (vgl. dazu Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 13 FeV Rn. 22 m. w. N.). 56 6. Waren - wie gezeigt - die Voraussetzungen des in der Gutachtensanforderung als Rechtsgrundlage angeführten § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV erfüllt, kann offen bleiben, ob zu den Anforderungen, die nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV an die Begründung einer Gutachtensanforderung zu stellen sind, auch die Angabe der dafür in Anspruch genommenen Rechtsgrundlage gehört (offengelassen u. a. vom VGH München, Beschluss vom 24. August 2010 - 11 CS 10.11 39 - SVR 2011, 275 <279> und vom VG Schleswig, Gerichtsbescheid vom 14. Oktober 2014 - 3 A 254/13 - juris Rn. 22) und ob jedenfalls dann, wenn die Fahrerlaubnisbehörde eine Rechtsgrundlage angibt, diese Angabe auch zutreffen muss (so die überwiegende Rechtsprechung der Instanzgerichte, vgl. etwa VGH München, Beschlüsse vom 24. August 2010 - 11 CS 10.11 39 - SVR 2011, 275 <279> und vom 16. August 2012 - 11 CS 12.16 24 - Blutalkohol 49 <2012>, 340 <341>; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. September 2019 - 12 ME 141/19 - Blutalkohol 56 <2019>, 414 <415 f.>; offengelassen vom VGH Mannheim, Urteil vom 18. Juni 2012 - 10 S 452/10 - VBlBW 2013, 19 <20> und Beschluss vom 15. Januar 2014 - 10 S 1748/13 - NJW 2014, 1833 <1834>, anders noch Beschluss vom 24. Juni 2002 - 10 S 985/02 - VRS 103, 224 <227 f.>; ebenso die Mehrheitsmeinung in der Literatur, vgl. etwa Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 11 FeV Rn. 44; Scheidler, DAR 2014, 685 <689 f.>). 57 7. Nicht im Einklang mit Bundesrecht steht die Annahme des Berufungsgerichts, die Beibringensaufforderung finde die erforderliche Rechtsgrundlage stattdessen in der Auffangregelung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV. Die speziellere Regelung des Buchstaben b sperrt unter den hier vorliegenden tatsächlichen Umständen den Rückgriff auf die Auffangregelung. 58 Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nur dann auf die Auffangregelung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV gestützt werden, wenn Zusatztatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung der Wertungen u. a. des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV geeignet sind, die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen. Mit den Tatbeständen des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV erfasst der Verordnungsgeber verschiedene Lebenssachverhalte, die die Fahrerlaubnisbehörde je selbständig zur Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verpflichten. Diese Tatbestände stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Vielmehr hat der Verordnungsgeber mit ihnen einen Rahmen geschaffen, bei dessen Ausfüllung auch die jeweils anderen Tatbestände und die ihnen zugrundeliegenden Wertungen zu berücksichtigen sind. Das gilt namentlich für die Tatbestände des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. April 2017 - 3 C 13.16 - BVerwGE 158, 335 Rn. 14 und vom 17. März 2021 - 3 C 3.20 - ZfS 2021, 474 Rn. 17). Einen solchen Rückgriff auf die Auffangregelung hat der Senat im Urteil vom 17. März 2021 - 3 C 3.20 - bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von weniger als 1,6 Promille gebilligt, bei der beim Betroffenen trotz einer BAK von mehr als 1,1 Promille keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen feststellbar waren; das Fehlen solcher Ausfallerscheinungen sei eine im Rahmen der Auffangregelung berücksichtigungsfähige Zusatztatsache. 59 Da sich weder aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts noch sonst fahreignungsrelevante Zusatztatsachen ergeben, kann § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV nicht als Rechtsgrundlage für die Beibringensaufforderung herangezogen werden. Das Berufungsurteil verstößt daher auch insoweit gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Auch das führt aber nicht zu dessen Änderung, da es sich wegen der Anwendbarkeit von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV jedenfalls im Ergebnis als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO). 60 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2022-25,21.04.2022,"Pressemitteilung Nr. 25/2022 vom 21.04.2022 EN Grundsätzlich kein Abschiebungsschutz bei Existenzsicherung für absehbare Zeit nach der Rückkehr Maßstab für die im Rahmen der Prüfung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK anzustellende Gefahrenprognose ist grundsätzlich, ob der vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer nach seiner Rückkehr, gegebenenfalls durch ihm gewährte Rückkehrhilfen, in der Lage ist, seine elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen. Nicht entscheidend ist hingegen, ob das Existenzminimum eines Ausländers in dessen Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Mit dem angegriffenen Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof die beklagte Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, in Bezug auf den Kläger, einen 1998 geborenen afghanischen Asylantragsteller, ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK in Bezug auf Afghanistan festzustellen. Aufgrund der gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen infolge der COVID-19-Pandemie sei es auch leistungsfähigen, alleinstehenden erwachsenen Rückkehrern aus dem westlichen Ausland regelmäßig nur bei Vorliegen besonderer begünstigender Umstände möglich, in Afghanistan auf legalem Wege ihre elementarsten Bedürfnisse nach Nahrung, Unterkunft und Hygiene zu befriedigen.  Die freiwilligen Rückkehrern gewährten finanziellen Hilfen hätten für die Frage der Existenzsicherung bei fehlendem Netzwerk keine nachhaltige Bedeutung, da sie bestenfalls eine anfängliche Unterstützung und vorübergehende Bedarfsdeckung ermöglichten. Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Der von diesem für die Gefahrenprognose zugrunde gelegte Maßstab, nach dem auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen eine ""nachhaltige"" und nicht nur vorübergehende Existenzsicherung erforderlich ist, steht mit Art. 3 EMRK und mit dem Erfordernis einer ""schnell"" oder ""alsbald"" nach der Rückkehr eintretenden Gefahr nicht im Einklang. Die Gefahr eines Art. 3 EMRK-widrigen Zustands ist nicht schon dann gegeben, wenn zu einem beliebigen Zeitpunkt nach der Rückkehr in das Heimatland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Sie muss vielmehr in dem Sinne konkret sein, dass die drohende menschenrechtswidrige Beeinträchtigung in einem derart engen zeitlichen Zusammenhang zu der Rückkehr eintritt, dass bei wertender Betrachtung noch eine Zurechnung zu dieser - in Abgrenzung zu späteren Entwicklungen im Zielstaat oder Verhaltensweisen des Ausländers - gerechtfertigt ist. Kann der Rückkehrer Hilfeleistungen in Anspruch nehmen, die eine Verelendung innerhalb eines absehbaren Zeitraums ausschließen, so kann Abschiebungsschutz ausnahmsweise nur dann gewährt werden, wenn bereits zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt davon auszugehen ist, dass dem Ausländer nach dem Verbrauch der Rückkehrhilfen in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine Verelendung mit hoher Wahrscheinlichkeit droht. Der Rechtsstreit war an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen, um diesem Gelegenheit zu geben, die zu den vorstehenden Maßstäben unzureichende tatrichterliche Würdigung nachzuholen. BVerwG 1 C 10.21 - Urteil vom 21. April 2022 Vorinstanzen: VGH Mannheim, VGH A 11 S 2042/20 - Urteil vom 17. Dezember 2020 - VG Sigmaringen, VG A 5 K 7605/17 - Urteil vom 14. November 2019 -","Urteil vom 21.04.2022 - BVerwG 1 C 10.21ECLI:DE:BVerwG:2022:210422U1C10.21.0 EN Berücksichtigung von Rückkehrhilfen bei der Gefahrenprognose zu einem nationalen Abschiebungsverbot Leitsätze: 1. Maßstab für die im Rahmen der Prüfung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK anzustellende Gefahrenprognose ist grundsätzlich, ob der vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer nach seiner Rückkehr, gegebenenfalls durch ihm gewährte Rückkehrhilfen, in der Lage ist, seine elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen. Nicht entscheidend ist hingegen, ob das Existenzminimum eines Ausländers in dessen Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist. 2. Kann der Rückkehrer Hilfeleistungen in Anspruch nehmen, die eine Verelendung innerhalb eines absehbaren Zeitraums ausschließen, so kann Abschiebungsschutz ausnahmsweise nur dann gewährt werden, wenn bereits zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten behördlichen oder gerichtlichen Tatsachenentscheidung davon auszugehen ist, dass dem Ausländer nach dem Verbrauch der Rückkehrhilfen in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine Verelendung mit hoher Wahrscheinlichkeit droht. Je länger der Zeitraum der durch Rückkehrhilfen abgedeckten Existenzsicherung ist, desto höher muss die Wahrscheinlichkeit der Verelendung nach diesem Zeitraum sein. Rechtsquellen AufenthG § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 EMRK Art. 3 GRC Art. 4 Instanzenzug VG Sigmaringen - 14.11.2019 - AZ: VG A 5 K 7605/17 VGH Mannheim - 17.12.2020 - AZ: VGH A 11 S 2042/20 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 21.04.2022 - 1 C 10.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:210422U1C10.21.0] Urteil BVerwG 1 C 10.21 VG Sigmaringen - 14.11.2019 - AZ: VG A 5 K 7605/17 VGH Mannheim - 17.12.2020 - AZ: VGH A 11 S 2042/20 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 2022 durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dollinger und Böhmann sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp und Fenzl für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. Dezember 2020 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Kläger begehrt die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots hinsichtlich Afghanistan im Asylverfahren. 2 Er ist afghanischer Staatsangehöriger, geboren 1998 oder 1999, ledig und kinderlos, und reiste im Juni 2016 in das Bundesgebiet ein. Seinen Asylantrag vom 9. Juni 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 5. September 2017 ebenso wie die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus und die Gewährung von subsidiärem Schutz ab (Ziff. 1-3). Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4), forderte ihn zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen auf, drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat an (Ziff. 5) und befristete ein Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 6). 3 Die hiergegen erhobene, zuletzt noch auf die Gewährung subsidiären Schutzes und die Feststellung eines Abschiebungsverbots gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 14. November 2019 ab. Dem Kläger sei es als alleinstehendem, gesundem und leistungsfähigem jungem Mann zuzumuten, sich in Kabul eine Existenzgrundlage zu schaffen. Er habe sein Leben vor der Ausreise in Afghanistan verbracht und sei mit den Gebräuchen und der Sprache vertraut. Dass er nach eigenen Angaben nicht auf eine Unterstützung seiner Familie zurückgreifen könne, führe nicht zur Feststellung eines Abschiebungsverbots. 4 Der Verwaltungsgerichtshof hat der beschränkt zugelassenen Berufung des Klägers mit Urteil vom 17. Dezember 2020 stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 4 bis 6 des Bescheides des Bundesamtes vom 5. September 2017 und Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts verpflichtet festzustellen, dass in Bezug auf den Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan besteht. Unter bestimmten Voraussetzungen könnten auch schlechte humanitäre Verhältnisse, die keinem Akteur zuzuordnen seien, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen. Nach der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung seien diese Voraussetzungen im Falle eines leistungsfähigen erwachsenen Rückkehrers nach Afghanistan regelmäßig nicht erfüllt, selbst wenn er dort nicht über ein aufnahmebereites und tragfähiges familiäres oder soziales Netzwerk verfüge. Die humanitäre Lage in Afghanistan habe sich seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie aber gravierend verschlechtert, sodass die bisherige Rechtsprechung zu modifizieren sei. Aufgrund der Verbreitung des Corona-Virus und der Folgen des damit einhergehenden Lockdowns des Landes könnten selbst leistungsfähige Männer ohne Unterhaltsverpflichtungen ihr Existenzminimum nicht (mehr) erwirtschaften. Freiwillige Rückkehrer könnten zwar finanzielle Hilfen erhalten, auf die sie sich verweisen lassen müssten. Diese Rückkehrhilfen würden deren Existenz bei fehlendem Netzwerk jedoch nicht nachhaltig sichern, sondern bestenfalls eine anfängliche Unterstützung oder eine nur vorübergehende Bedarfsdeckung schaffen. Sie reichten indes nicht aus, um mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Verelendung selbst eines leistungsfähigen, erwachsenen, alleinstehenden Afghanen abzuwenden, in dessen Person keine besonderen begünstigenden Umstände vorlägen. Sie würden kein hinreichend effektives Mittel dafür darstellen, dass sich ein Rückkehrer, sofern er vor Ort nicht über ein tragfähiges Netzwerk verfüge, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit innerhalb des mit den Finanzhilfen überbrückten Zeitraums eine eigene Existenz werde aufbauen können. Ein Zugang zum Arbeitsmarkt lasse sich nicht erkaufen. Zwar wäre mit den Mitteln eine Existenzgründung (beispielsweise in Form eines Handwerksbetriebs) in finanzieller Hinsicht möglich. Ausreichende Umsätze könnten nach plausibler Einschätzung der im Verfahren bestellten Sachverständigen indes regelmäßig nur generiert werden, wenn ein Netzwerk vorhanden wäre, über welches die erforderlichen Aufträge im Wesentlichen vergeben oder eingeworben werden könnten. Danach liege im Falle des Klägers ein ganz außergewöhnlicher Fall vor, in dem humanitäre Gründe seiner Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK zwingend entgegenstünden. Aufgrund der konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalls sei nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es ihm gelingen werde, in Afghanistan wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu führen. 5 Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Revision macht die Beklagte geltend, das Berufungsgericht lege das Regelungskonzept des ausländerrechtlichen Abschiebungsschutzes unzutreffend aus und berücksichtige die zur Verfügung stehenden Rückkehrhilfen in unzureichendem Umfang. Das Leitbild der im Sinne des Art. 3 EMRK konventionswidrigen Situation lege einen sich zeitnah zur Rückkehr realisierenden Gefahreneintritt zugrunde. Selbst wenn man davon ausginge, dass ausnahmsweise auch eine erst nach längerem Zeitraum nach Rückkehr oder Abschiebung eintretende Gefahr den Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots zu begründen vermöge, könne dabei nur ein auf eine solche Dauer nach Rückkehr beschränkter Prognosezeitraum in den Blick genommen werden, der noch einen ausreichenden zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit den bei Rückkehr zu gewärtigenden Gegebenheiten aufweise. Jedenfalls bei der vom Berufungsgericht angenommenen Ausnahmesituation schlechter humanitärer Verhältnisse, bei der von einem etwaigen Gefahreneintritt erst erhebliche Zeit nach Rückkehr ausgegangen werden könne, müsse im Übrigen hinsichtlich der Feststellung zum Vorliegen der Umstände, die zu dem späteren Zeitpunkt ursächlich für den befürchteten Gefahreneintritt wären, ein über den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit hinausgehender gesteigerter Prognosegrad angelegt werden. Nach der Gesetzeskonzeption seien die tatbestandlichen Vorgaben in § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG als Ausdruck einer die Voraussetzungen des nationalen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots insgesamt prägenden Regelung anzusehen und in diesem Fall dann auch bei § 60 Abs. 5 AufenthG als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung mitzulesen. Das Berufungsurteil beruhe zudem auf einer nicht in vollem Umfang verfahrensfehlerfreien (Gefahren)Prognose. 6 Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil. Die Fragen nach dem Zeitrahmen und der Bedeutung einer etwaigen Rückkehrhilfe seien nicht abstrakt-generell, sondern nur einzelfallbezogen zu beantworten. Maßgeblich für die Beurteilung, welche Wirkungen von einer solchen Überbrückungsleistung ausgingen, sei auch, welche Situation ein Betroffener voraussichtlich vorfinden werde, wenn diese Leistung aufgebraucht sei. Nur wenn er mithilfe der Überbrückungsleistung in die Lage versetzt werde, sich anderweitig eine Existenzsicherung zu schaffen, also nach einem Verbrauch der letzten Mittel ohne diese zu überleben, sei die Überbrückungsleistung geeignet, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu verhindern. 7 Die Vertreterin des Bundesinteresses beteiligt sich nicht am Verfahren. II 8 Die zulässige Revision der Beklagten ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung des Verfahrens an die Vorinstanz begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beklagte zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK mit einer Begründung verpflichtet, die Bundesrecht verletzt. Die entscheidungstragende Annahme, dass die Existenz des Klägers nach der Rückkehr nach Afghanistan bei Inanspruchnahme von finanziellen Rückkehrhilfen zwar vorübergehend, jedoch nicht nachhaltig gesichert ist, beruht auf einem fehlerhaften rechtlichen Maßstab (1.). Mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob dem Kläger unter Zugrundelegung des zutreffenden Maßstabs für die Prognose der Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK Abschiebungsschutz zu gewähren ist (2.). Damit lässt sich auch nicht abschließend über die Abschiebungsandrohung und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots im Bescheid des Bundesamtes vom 5. September 2017 entscheiden, sodass die Sache insgesamt an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen ist (3.). 9 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens sind das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG -) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162) und das Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), jeweils zuletzt geändert durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters vom 9. Juli 2021 (BGBl. I S. 2467). Rechtsänderungen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts eintreten, sind zu berücksichtigen, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Tatsachengericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es diese nunmehr träfe, die aktuelle Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 12). 10 Maßgeblich für die tatsächliche Beurteilung des Klagebegehrens ist demgegenüber wegen der Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen des Tatsachengerichts im Revisionsverfahren (§ 137 Abs. 2 VwGO) die Sachlage im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung am 15. Dezember 2020. Keiner Berücksichtigung im revisionsgerichtlichen Verfahren zugänglich ist vorliegend daher die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan nach dem Abzug der NATO-Truppen und der Machtübernahme durch das Taliban-Regime im Sommer 2021. 11 1. Im Einklang mit Bundesrecht geht der Verwaltungsgerichtshof zunächst davon aus, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch schlechte humanitäre Verhältnisse, die keinem Akteur zuzuordnen sind, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen können (a.). Mit Bundesrecht nicht vereinbar ist dagegen die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dem Kläger sei Abschiebungsschutz zu gewähren, weil er wegen der gravierenden Verschlechterung der humanitären Lage in Afghanistan seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie, der Verbreitung des Corona-Virus und den Folgen des damit einhergehenden Lockdowns des Landes als leistungsfähiger Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen sein Existenzminimum trotz der finanziellen Hilfen wegen fehlendem Netzwerk bestenfalls anfänglich, aber nicht nachhaltig sichern könne (b.). 12 a. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. 13 Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Eine Verletzung von Art. 3 EMRK setzt die tatsächliche Gefahr der Folter oder unmenschlichen oder erniedrigender Behandlung voraus. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dessen Rechtsprechung zu den Kriterien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK besondere Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2019 - 1 B 2.19 - juris Rn. 6; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 - juris Rn. 38), muss eine ausreichende reale Gefahr bestehen, die nicht nur auf bloßen Spekulationen beruht, denen eine hinreichende Tatsachengrundlage fehlt. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung muss aufgrund aller Umstände des Falles ernsthaft bestehen und darf nicht hypothetisch sein (EGMR, Urteile vom 28. Juni 2011 - Nr. 8319/07 und Nr. 11449/07, Sufi and Elmi/UK - Rn. 212 ff., vom 27. Mai 2008 - Nr. 26565/05, N./UK - Rn. 34 ff. und vom 6. Februar 2001 - Nr. 44599/98, Bensaid/UK - Rn. 36 ff.). Der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr entspricht dem der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2019 - 1 B 2.19 - juris Rn. 6 und Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22). 14 Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Art. 3 EMRK-widrige Behandlung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Ein gewisser Grad an Mutmaßung ist dem präventiven Schutzzweck des Art. 3 EMRK immanent, sodass ein eindeutiger, über alle Zweifel erhabener Beweis dafür, dass der Betroffene im Falle seiner Rückkehr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre, nicht verlangt werden kann (EGMR, Urteil vom 9. Januar 2018 - Nr. 36417/16, X./Schweden - Rn. 50). 15 Die sozio-ökonomischen und humanitären Bedingungen im Abschiebezielstaat haben weder notwendigen noch ausschlaggebenden Einfluss auf die Frage, ob eine Person tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. EGMR, Urteile vom 29. Januar 2013 - Nr. 60367/10, S.H.H./UK - Rn. 74 ff., 88 ff., vom 28. Juni 2011 - Nr. 8319/07, 11449/07 - Rn. 278, 282 und vom 27. Mai 2008 - Nr. 26565/05 - Rn. 42 ff.). Gleichwohl entspricht es der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass in besonderen Ausnahmefällen auch schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK begründen können. Es sind allerdings strengere Maßstäbe anzulegen, sofern es an einem verantwortlichen (staatlichen) Akteur fehlt: Schlechte humanitäre Bedingungen, die ganz oder in erster Linie auf Armut oder auf das Fehlen staatlicher Mittel zum Umgang mit auf natürlichen Umständen beruhenden Gegebenheiten zurückzuführen sind, können eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nur in ganz außergewöhnlichen Fällen (""very exceptional cases"") begründen, in denen humanitäre Gründe zwingend (""compelling"") gegen eine Abschiebung sprechen. Solche ganz außergewöhnlichen Umstände können auch solche sein, die eine Person mit anderen Personen teilt, welche Träger des gleichen Merkmals sind oder sich in einer im Wesentlichen vergleichbaren Lage befinden (vgl. hierzu und zum Folgenden EGMR, Urteil vom 13. Dezember 2016 - Nr. 41738/10, Paposhvili/Belgien - NVwZ 2017, 1187 Rn. 183). In einem solchen Fall kann ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausnahmsweise etwa dann vorliegen, wenn die Abschiebung, wenngleich nicht unmittelbar zum Tod des Betroffenen, so doch zu einer ernsthaften, schnellen und irreversiblen Verschlechterung (""serious, rapid and irreversible decline"") seines Gesundheitszustands führen würde, die ein schweres Leiden oder eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zur Folge hätte. Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen hierfür jedenfalls ein ""Mindestmaß an Schwere"" (""minimum level of severity"") aufweisen; diese kann erreicht sein, wenn der Ausländer seinen existenziellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach findet oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhält (BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 45.18 - BVerwGE 166, 113, Rn. 12 m.w.N.). 16 In seiner jüngeren Rechtsprechung zum Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung nach Art. 4 GRC stellt der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH, Urteile vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2019:​219], Ibrahim - Rn. 89 ff. und - C-163/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​218], Jawo - Rn. 90 ff.) darauf ab, ob sich die betroffene Person ""unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not"" befindet, ""die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre"". Ein ernsthaftes Risiko eines Verstoßes gegen Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK besteht nicht bereits dann, wenn nicht sicher festzustellen ist, ob im Falle einer Rücküberstellung die Befriedigung der bezeichneten Grundbedürfnisse sichergestellt ist, sondern nur für den Fall, dass die Befriedigung eines der bezeichneten Grundbedürfnisse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist und der Drittstaatsangehörige dadurch Gefahr läuft, erheblich in seiner Gesundheit beeinträchtigt zu werden oder in einen menschenunwürdigen Zustand der Verelendung versetzt zu werden. Diese Schwelle der Erheblichkeit kann in Bezug auf vulnerable Personen schneller erreicht sein als etwa in Bezug auf gesunde und erwerbsfähige erwachsene Personen. Hinsichtlich letzterer ist die Feststellung, sie seien vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängig und befänden sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not, im Lichte des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens grundsätzlich von gesteigerten Anforderungen an die Entkräftung der Vermutung der Vereinbarkeit der Behandlung solcher Personen in dem betreffenden Mitgliedstaat mit den Erfordernissen der EU-Grundrechtecharta, der Genfer Konvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention, insbesondere aus Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK, abhängig (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. - Rn. 93; BVerwG, Urteil vom 7. September 2021 - 1 C 3.21 - juris Rn. 20 und 23). Der Umstand, dass die betreffende Person in dem Mitgliedstaat keine existenzsichernden Leistungen erhält, ohne jedoch anders als die Angehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt zu werden, genügt dem regelmäßig nicht. 17 Für die Erfüllung der vorbezeichneten Grundbedürfnisse gelten - gerade bei nicht vulnerablen Personen - nur an dem Erfordernis der Wahrung der Menschenwürde orientierte Mindestanforderungen. Das wirtschaftliche Existenzminimum ist immer dann gesichert, wenn erwerbsfähige Personen durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zu den im vorstehenden Sinne zumutbaren Arbeiten zählen auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, selbst wenn diese im Bereich der sogenannten ""Schatten- oder Nischenwirtschaft"" angesiedelt sind (BVerwG, Beschlüsse vom 9. Januar 1998 - 9 B 1130.97 - juris Rn. 5 und vom 17. Mai 2006 - 1 B 100.05 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 328 Rn. 11; vgl. in anderem Zusammenhang ferner EuGH, Urteil vom 2. Oktober 2019 - C-93/18 [ECLI:​EU:​C:​2019:​809], Bajratari - Rn. 48; BVerwG, Urteil vom 23. September 2020 - 1 C 27.19 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- und Asylrecht Nr. 123 Rn. 32). Können extrem schlechte materielle Lebensverhältnisse, welche die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK begründen, somit durch eigene Handlungen (z.B. den Einsatz der eigenen Arbeitskraft) oder die Inanspruchnahme der Hilfe- oder Unterstützungsleistungen Dritter (seien es private Dritte, seien es nichtstaatliche Hilfs- oder Unterstützungsorganisationen) abgewendet werden, besteht schon nicht mehr die ernsthafte Gefahr einer Situation extremer materieller Not, die unter Umständen eine staatliche Schutzpflicht zu (ergänzenden) staatlichen Leistungen auslösen kann (vgl. zur Berücksichtigung von nichtstaatlichen Unterstützungsleistungen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union: BVerwG, Urteil vom 7. September 2021 - 1 C 3.21 - juris Rn. 25 ff.). 18 Von diesen Grundsätzen, die auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung herangezogen werden (s. etwa VGH Mannheim, Urteil vom 12. Oktober 2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 176 f.; VGH München, Urteil vom 21. November 2018 - 13a B 18.30632 - juris Rn. 26 f.; OVG Münster, Beschluss vom 14. März 2018 - 13 A 341/18.A - juris Rn. 19 f.), ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen, soweit es feststellt, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch schlechte humanitäre Verhältnisse, die keinem Akteur zuzuordnen sind, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen können (UA S. 8 ff.), Betroffene sich dabei aber auf verfügbare finanzielle Hilfen verweisen lassen müssen (UA S. 66). 19 b. Mit Bundesrecht (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK) und den o.g. Grundsätzen nicht vereinbar ist dagegen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, die Existenzsicherung müsse nachhaltig und es müsse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sichergestellt sein, dass sich der Rückkehrer innerhalb des mit Rückkehrhilfen überbrückten Zeitraums eine eigene Existenz werde aufbauen können. 20 Bei einem zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbot ist eine Gefahr erheblich, wenn sich der Gesundheitszustand des Betroffenen ""schnell"" oder ""alsbald"" nach der Abschiebung, mithin innerhalb eines überschaubaren Zeitraums nach der Rückkehr, wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Geriete dieser ""schnell"" oder ""alsbald"" nach der Rückkehr in den Zielstaat in eine solche Situation, weil er auf die dortigen unzureichenden Möglichkeiten der Behandlung angewiesen wäre und auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte, ist die Gefahr auch konkret (BVerwG, Urteile vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 - BVerwGE 105, 383 <387>, zu § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG 1990 vom 17. Oktober 2006 - 1 C 18.05 - BVerwGE 127, 33 und vom 22. März 2012 - 1 C 3.11 - BVerwGE 142, 179 Rn. 34 zu § 60 Abs. 7 Abs. 1 AufenthG). Diese Rechtsprechung ist auch auf andere (als gesundheitliche) Gefahren im Sinne des Art. 3 EMRK übertragbar, weil sie allgemein zum Erfordernis einer konkreten Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ergangen ist. Soweit im Rahmen des § 60 Abs. 7 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung Abschiebungsschutz bei einer extremen Gefahrenlage nur ausnahmsweise dann beansprucht werden kann, wenn der Ausländer ansonsten ""gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde"" (BVerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 23), bedeutet dies zwar nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (BVerwG, Urteil vom 08. September 2011 - 10 C 14.10 - juris Rn. 23). Obwohl dieser - strengere - Maßstab nicht auf die in § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK getroffene Regelung übertragbar ist (BVerwG, Beschluss vom 08. August 2018 - 1 B 25.18 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 58 Rn. 13), ergibt sich auch aus der diesbezüglichen Rechtsprechung das Erfordernis einer zeitlichen Nähe des Gefahreneintritts nach der Rückkehr in das Herkunftsland. 21 Die Gefahr muss folglich in dem Sinne konkret sein, dass die drohende Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Würde der Person in einem solchen engen zeitlichen Zusammenhang mit der Abschiebung durch den Vertragsstaat eintritt, dass bei wertender Betrachtung noch eine Zurechnung zu dieser Abschiebung - in Abgrenzung zu späteren Entwicklungen im Zielstaat oder gewählten Verhaltensweisen des Ausländers - gerechtfertigt erscheint (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 25. März 2021 - 1 Bf 388/19.A - juris Rn. 139; VGH München, Urteil vom 7. Juni 2021 - 13a B 21.30342 - juris Rn. 38; VG Freiburg, Urteil vom 5. März 2021 - A 8 K 3716/17 - juris Rn. 62; VG Köln, Beschluss vom 4. März 2021 - 21 L 153/21.A - juris Rn. 62 ff., 150). Wo die zeitliche Höchstgrenze für einen solchen Zurechnungszusammenhang im Regelfall zu ziehen ist, ist keiner generellen Bestimmung zugänglich. Die Berücksichtigung finanzieller Rückkehrhilfen darf nicht dazu führen, den mit Art. 3 EMRK intendierten Schutz durch eine starre zeitliche Bestimmung seiner Reichweite - und ggf. entsprechend bemessene Rückkehrhilfen - zu beeinträchtigen (ähnlich VG Freiburg, Urteil vom 5. März 2021 - A 8 K 3716/17 - juris Rn. 67 f.). 22 Wenn der Gerichtshof der Europäischen Union darauf abstellt, dass es in Anbetracht des allgemeinen und absoluten Charakters des Verbots in Art. 4 GRC gleichgültig ist, ob es zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss dazu kommt, dass die betreffende Person einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, eine solche Behandlung zu erfahren (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. - Rn. 87), bezieht sich dies auf die Überstellung in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, für den aufgrund der unter anderem mit der Anerkennungs- und Aufnahmerichtlinie übernommenen Verpflichtungen ein deutlich gesteigertes Maß an Gewährleistungen besteht und es - jedenfalls bei Dublin-Rücküberstellungen - um die Dauer des Asylverfahrens geht. 23 Soweit das Bundesverfassungsgericht in einem in einem Eilverfahren ergangenen Kammerbeschluss vom 9. Februar 2021 - 2 BvQ 8/21 - (Asylmagazin 2021, 77) fordert, dass sich die Verwaltungsgerichte bei der Prüfung des Vorliegens eines nationalen Abschiebungsverbots damit auseinandersetzen müssen, ob es dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung möglich sein wird, sich dauerhaft durch Arbeit ein Existenzminium zu erwirtschaften, folgt daraus für den Fall des Klägers nichts anderes. Denn Beschwerdeführer des erfolgreichen verfassungsgerichtlichen Eilantrags war ein drogenabhängiger Ausländer, für den im Bundesgebiet eine Betreuung u.a. für die Bereiche Vermögens- und Gesundheitsvorsorge angeordnet gewesen war. Es handelte sich also um eine besonders schutzbedürftige, vulnerable Person. Für die Personengruppe der leistungsfähigen erwachsenen, alleinstehenden jungen Männer lassen sich aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts keine abstrakten Maßstäbe ableiten, die bei der Prüfung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK zu beachten wären. 24 Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den materiellen Existenzbedingungen für die Niederlassung am Ort des internen Schutzes (§ 3e AsylG) die Begründung eines perspektivisch dauerhaften Aufenthalts erforderlich ist und die Möglichkeit eines nur vorübergehenden Verweilens unter kurzzeitiger Unterbrechung einer fortdauernden Flucht nicht ausreicht (BVerwG, Urteil vom 18. Februar 2021 - 1 C 4.20 - Buchholz 402.251 § 3e AsylG Nr. 1 Rn. 37), ist dieser Maßstab auf die Frage des internen Schutzes und der Zumutbarkeit der dortigen Niederlassung begrenzt, und nicht auf die im Rahmen des Art. 3 EMRK anzustellenden Gefahrenprognose dergestalt übertragbar, dass ohne eine dauerhafte Existenzsicherung im Herkunftsland Abschiebungsschutz zu gewähren wäre. 25 In der Zusammenschau dieser Kriterien ergibt sich, dass die Gefahr eines ernsthaften Schadenseintritts nicht schon dann gegeben ist, wenn zu einem beliebigen Zeitpunkt nach der Rückkehr in das Heimatland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Maßstab für die im Rahmen der Prüfung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK anzustellende Gefahrenprognose ist vielmehr grundsätzlich, ob der vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer nach seiner Rückkehr, gegebenenfalls durch ihm gewährte Rückkehrhilfen, in der Lage ist, seine elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen. Nicht entscheidend ist hingegen, ob das Existenzminimum eines Ausländers in dessen Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist. Kann der Rückkehrer Hilfeleistungen in Anspruch nehmen, die eine Verelendung innerhalb eines absehbaren Zeitraums ausschließen, so kann Abschiebungsschutz ausnahmsweise nur dann gewährt werden, wenn bereits zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten behördlichen oder gerichtlichen Tatsachenentscheidung davon auszugehen ist, dass dem Ausländer nach dem Verbrauch der Rückkehrhilfen in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine Verelendung mit hoher Wahrscheinlichkeit droht. Je länger der Zeitraum der durch Rückkehrhilfen abgedeckten Existenzsicherung ist, desto höher muss die Wahrscheinlichkeit einer Verelendung nach diesem Zeitraum sein (im Sinne einer hohen Wahrscheinlichkeit der Verelendung: OVG Hamburg, Urteil vom 25. März 2021 - 1 Bf 388/19.A - juris Rn. 147; VGH München, Urteil vom 7. Juni 2021 - 13a B 21.30342 - juris Rn. 38). 26 Mit Art. 3 EMRK nicht im Einklang steht danach die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs, die finanziellen Rückkehrhilfen reichten nicht aus, um die Existenz eines Rückkehrers im Falle eines fehlenden Netzwerks nachhaltig zu sichern (UA S. 66) und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Verelendung selbst eines leistungsfähigen, erwachsenen, alleinstehenden Afghanen abzuwenden, in dessen Person keine besonderen begünstigenden Umstände vorlägen. Auch die weitere Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs, die Rückkehrhilfen stellten bestenfalls eine anfängliche Unterstützung dar, die eine vorübergehende Bedarfsdeckung gewährleisteten, sie seien aber nicht so angelegt, dass der über kein Netzwerk verfügende Rückkehrer innerhalb des durch sie zu überbrückenden Zeitraums eine eigene Existenz aufbauen könnte, um so auf Dauer menschenwürdig zu existieren (UA S. 67, unter Verweis auf VGH Mannheim, Urteile vom 12. Oktober 2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 437 und vom 3. November 2017 - A 11 S 1704/17 - juris Rn. 486) ist mit den vom Senat aufgestellten Maßstäben zu den Anforderungen an Abschiebungsschutz nach Art. 3 EMRK i.V.m. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG (vgl. oben Rn. 17) nicht vereinbar. Denn diese Feststellungen lassen außer Betracht, dass es bei wertender Betrachtungsweise aller Umstände des Einzelfalls eines engen zeitlichen Zurechnungszusammenhangs zwischen der Rückführung des Ausländers in den Zielstaat und der ihm dort drohenden Verelendung bedarf. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verlangt zur Konkretisierung dieses engen Zurechnungszusammenhangs eine ""schwerwiegende, schnelle und irreversible"" (EGMR, Urteil vom 13. Dezember 2016 - Nr. 41738/10 - NVwZ 2017, 1187 Rn. 183) Verschlechterung des Zustands des Ausländers im Zielland der Rückführung. Diese Konkretisierung macht sich der erkennende Senat zu eigen. 27 2. Das Bundesverwaltungsgericht kann über den Rechtsstreit in Ermangelung hinreichender tatsächlicher Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht abschließend entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Weder lässt sich feststellen, dass sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs selbst aus anderen Gründen im Sinne von § 144 Abs. 4 VwGO als richtig erweist noch kann der Senat eine Entscheidung zulasten des Klägers treffen. 28 a. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass es nach der Rückkehr einen Zeitraum gibt, in dem der Kläger seine Existenz durch Inanspruchnahme der Rückkehrhilfen decken kann (UA S. 67). Die Feststellungen beschränken sich indes darauf, dass es sich nur um eine anfängliche Unterstützung und eine vorübergehende Bedarfsdeckung handelt, ohne diese in eine konkretere zeitliche Perspektive einzuordnen oder konkreter zu unterlegen. Fehlt es bereits an der Zugrundelegung eines konkreten Zeitraums, fehlt es auch an tatsächlichen Feststellungen für die nach obigen Ausführungen erforderliche Prognose, ob nach Ablauf eines solchen Zeitraums - etwa unter Berücksichtigung der Möglichkeiten zum Aufbau eines sozialen Netzwerkes - die hohe Gefahr der Verelendung droht. Damit lässt sich auch nicht beurteilen, ob und gegebenenfalls welcher höhere Wahrscheinlichkeitsgrad für eine Verelendung zugrunde zu legen ist. 29 b. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Bundesamt zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG verpflichtet und eine Entscheidung über ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht getroffen (UA S. 74). Bei den Ansprüchen nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG, die der Kläger verfolgt, handelt es sich um einen eigenständigen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (BVerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 9), sodass im Falle der Versagung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG auch § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in den Blick zu nehmen wäre. 30 Mangels einer Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 AufenthG kommt für den Kläger allein ein Anspruch in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Betracht. Danach kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebungszielland erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 38). 31 Da der Verwaltungsgerichtshof bereits keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob unter Zugrundelegung des nach obigen Ausführungen zutreffenden Maßstabes für den Eintritt der Gefährdungslage ""alsbald nach der Rückkehr"" bereits das erforderliche Mindestmaß an Schwere der unmenschlichen Behandlung im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG für den Kläger vorliegt, fehlt es (erst recht) an Feststellungen zu einer extremen Gefahrenlage. 32 c. Ob sich die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots durch den Verwaltungsgerichtshof deshalb als rechtmäßig erweist, weil der Kläger einen Anspruch nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG hat, lässt sich mangels tatsächlicher Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hierzu durch den Senat nicht abschließend beurteilen. 33 3. Damit lässt sich auch nicht abschließend über die Abschiebungsandrohung (Ziff. 5) und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziff. 6) im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes vom 5. September 2017 entscheiden, weil diese das Schicksal der Rechtmäßigkeit der Feststellung von Abschiebungsverboten teilen. Die Sache ist insgesamt an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 34 4. Wegen der Aufhebung des angefochtenen Urteils bedarf es keiner Entscheidung über die von der Beklagten erhobenen Verfahrensrügen. Von einer Begründung wird nach § 144 Abs. 7 Satz 1 VwGO abgesehen. 35 5. Die Kostenentscheidung ist der Schlussentscheidung vorzubehalten. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor." bverwg_2022-28,04.05.2022,"Pressemitteilung Nr. 28/2022 vom 04.05.2022 EN Anspruch auf Ergänzung der Nachversicherung in der Rentenversicherung beim Wechsel eines Beamten in das EU-Ausland Macht ein Beamter von der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV Gebrauch, indem er aus dem in Deutschland begründeten Beamtenverhältnis ausscheidet, um in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, so hat er einen Anspruch auf einen Ausgleichsbetrag, der die Rente in der gesetzlichen Rentenversicherung ergänzt, die ihm infolge der mit der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis verbundenen Nachversicherung zusteht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger, war ab 1978 als beamteter Lehrer in Nordrhein-Westfalen tätig; in diesem Dienstverhältnis wäre er Anfang Februar 2016 in den Ruhestand getreten. Er beantragte jedoch im Jahr 1999 seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis, um in Österreich als Lehrer zu arbeiten. Daraufhin wurde der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert. Im Gegensatz zum Bund und anderen Ländern hat das Land Nordrhein-Westfalen keine gesetzliche Regelung geschaffen, nach der den Beamten im Falle ihres Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis die bis dahin erworbenen Versorgungsanwartschaften im Grundsatz erhalten bleiben. Im Jahr 2013 beantragte der Kläger beim beklagten Land die Bewilligung von „Altersgeld“ mit der Begründung, die bloße Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung bleibe weit hinter dem Wert der von ihm bis zur Entlassung ""erworbenen"" beamtenrechtlichen Versorgungsansprüche zurück. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat dem Gerichtshof der Europäischen Union mehrere Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt (EuGH, Urteil vom 13. Juli 2016, C-187/15). Im Anschluss hieran hat es das Land Nordrhein-Westfalen verpflichtet, dem Kläger ab dem 1. Februar 2016 einen Ausgleichsbetrag für den Verlust der Altersversorgung aufgrund seiner Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zuzuerkennen. Auf die Berufung des Landes hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und das Land verpflichtet, an den Kläger ab dem 1. August 2016 eine Entschädigung in Höhe der Differenz zwischen der Altersrente einschließlich Krankenversicherungszulage, die er von der Deutschen Rentenversicherung erhält, und einer fiktiven Altersrente einschließlich Krankenversicherungszulage zuzüglich einer VBL-Zusatzrente zu zahlen, die der Kläger erhalten hätte, wenn er zwischen dem 1. August 1980 und dem 31. August 1999 als angestellter Lehrer im Schuldienst des Landes tätig gewesen wäre. Der Kläger könne wegen des im Versorgungsrecht geltenden Grundsatzes der strikten Gesetzesbindung lediglich einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch geltend machen. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und das beklagte Land verpflichtet, dem Kläger ab dem 1. Februar 2016 einen Ausgleich für die mit seiner Entlassung aus dem Beamtenverhältnis verbundenen Einbußen in der Altersversorgung zu zahlen: Der Wert der Nachversicherung des Klägers bleibt bezogen auf die im Beamtenverhältnis verbrachte Zeit von ca. 20 Jahren deutlich hinter dem Wert der ""erworbenen"" Versorgungsansprüche zurück. Die damit einhergehende Beeinträchtigung des Rechts der Arbeitnehmer auf Freizügigkeit nach Art. 45 AEUV ist nicht durch öffentliche Interessen gerechtfertigt, sodass dem Kläger ein Ausgleichanspruch zusteht. Der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts gebietet es, innerstaatliche Vorschriften, wie hier den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts im Versorgungsrecht, unangewendet zu lassen und einen Ausgleichsanspruch unmittelbar auf der Grundlage des Unionrechts zuzuerkennen. Die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts zur Bestimmung des Ausgleichsanspruchs weichen dabei erheblich von denen des Verwaltungsgerichts ab. Entsprechend der Vorgabe des EuGH zum „gültigem Bezugssystem“, an dem sich die Rechtsstellung des aus dem Dienstverhältnis ausgeschiedenen Beamten zu orientieren hat, ist in einem ersten Schritt nach der zeitratierlichen Methode der Wert des Anteils an der fiktiven Gesamtversorgung des Klägers zum 1. Februar 2016 zu ermitteln, den der Kläger im Beamtenverhältnis zum beklagten Land verbracht hat. Maßgeblich ist der Versorgungsanspruch, der dem Kläger beim Verbleib im Dienst des Landes bis zum regulären Eintritt in den Ruhestand nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Bestimmungen zugestanden hätte; auszugehen ist dabei von den zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Beamtenverhältnis geltenden Umständen, etwa Statusamt und Stufe der Besoldung. Die im Beamtenverhältnis verbrachte Zeit ist in Bezug zu setzen zu dieser fiktiven Gesamtversorgung. Von diesem so berechneten Wert ist in einem zweiten Schritt der Anteil an der gesetzlichen Altersrente abzuziehen, der auf die Nachversicherung im Anschluss an die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis entfällt. BVerwG 2 C 3.21 - Urteil vom 04. Mai 2022 Vorinstanzen: OVG Münster, OVG 3 A 1194/18 - Urteil vom 18. November 2020 - VG Düsseldorf, VG 23 K 6871/13 - Urteil vom 26. Februar 2018 -","Urteil vom 04.05.2022 - BVerwG 2 C 3.21ECLI:DE:BVerwG:2022:040522U2C3.21.0 EN Anspruch auf Ergänzung der gesetzlichen Altersrente bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Leitsätze: 1. Macht ein Beamter von der unionsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch und scheidet deshalb aus dem Beamtenverhältnis aus, so hat er, sofern keine spezielle gesetzliche Regelung besteht, unmittelbar aufgrund von Art. 45 AEUV einen Anspruch auf Ergänzung der aus der Nachversicherung nach § 8 SGB VI resultierenden gesetzlichen Altersrente. 2. Solange der Gesetzgeber die Höhe des Anspruchs nicht regelt, bestimmt sich diese nach der Differenz zwischen dem Wert des im Beamtenverhältnis verbrachten Zeitanteils an der fiktiven Gesamtversorgung des Beamten und dem Wert des auf die Nachversicherung zurückzuführenden Anteils an der gesetzlichen Altersrente. Rechtsquellen AEUV Art. 45 SGB VI § 8 AltGG § 7 LBeamtVG NRW F 2013 §§ 12, 14, 55, 69g und 85 BayBeamtVG Art. 99a Instanzenzug VG Düsseldorf - 26.02.2018 - AZ: 23 K 6871/13 OVG Münster - 18.11.2020 - AZ: 3 A 1194/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 04.05.2022 - 2 C 3.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:040522U2C3.21.0] Urteil BVerwG 2 C 3.21 VG Düsseldorf - 26.02.2018 - AZ: 23 K 6871/13 OVG Münster - 18.11.2020 - AZ: 3 A 1194/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2022 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hartung, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Meister und Dr. Hissnauer für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. November 2020 wird aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 26. Februar 2018 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der ab dem 1. Februar 2016 zu zahlende Betrag für den Ausgleich der Einbußen in der Altersversorgung des Klägers aufgrund seiner Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zum Beklagten nach der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu bestimmen ist. Die Revision des Beklagten wird zurückgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen trägt der Kläger 2/5 und der Beklagte 3/5. Gründe I 1 Der Kläger beansprucht den Ausgleich der Einbußen in seiner Altersversorgung infolge seiner Entlassung aus dem Lebenszeitbeamtenverhältnis, die er beantragt hatte, um in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. 2 Der 1950 geborene Kläger absolvierte zunächst eine Lehre, holte das Fachabitur nach und studierte anschließend Wirtschaftswissenschaften. Von September 1978 bis Ende April 1980 durchlief der Kläger in Nordrhein-Westfalen als Beamter auf Widerruf den Vorbereitungsdienst für das Lehramt. Zum 1. August 1980 ernannte ihn der Beklagte zum Beamten auf Probe. Zuletzt stand der Kläger als Oberstudienrat (Besoldungsgruppe A 14) im Dienst des Beklagten. Aus diesem Beamtenverhältnis wäre er mit Ablauf des 31. Januar 2016 in den Ruhestand getreten. Der Kläger beantragte jedoch seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis, um mit seiner Familie auszuwandern. Mit Ablauf des 31. August 1999 wurde er entlassen. Von September 1999 bis zum Erreichen der dort geltenden gesetzlichen Altersgrenze am 31. August 2015 war der Kläger in Österreich als angestellter Lehrer tätig. Im September 1999 wurde der Kläger für die Zeiten von September 1978 bis Ende April 1980 und von August 1980 bis Ende August 1999 bei der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert. Seit Oktober 2015 erhält der Kläger von der Deutschen Rentenversicherung eine monatliche Altersrente. Aufgrund seiner Tätigkeit in Österreich bezieht er dort seit dem 1. September 2015 ebenfalls eine Alterspension. 3 Anfang Dezember 2008 rügte der Kläger die erheblichen finanziellen Nachteile anlässlich seines Ausscheidens aus dem Beamtenverhältnis infolge der Nachversicherung als Verstoß gegen die europarechtlichen Grundsätze der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Zum Ausgleich beantragte er, den Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes gleichgestellt und zusätzlich bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichert zu werden. Antrag und Widerspruch des Klägers blieben erfolglos. 4 Im Februar 2013 beantragte der Kläger beim Beklagten die Bewilligung von ""Altersruhegeld"" nach Erreichen des Ruhestands für den Zeitraum, in dem er als Beamter Dienst im Land Nordrhein-Westfalen geleistet hatte. Zur Begründung verwies er auf die unionsrechtlich gewährleistete Arbeitnehmerfreizügigkeit und den mit der Entlassung einhergehenden Verlust seiner erworbenen Ansprüche auf Altersversorgung, der durch die Nachversicherung nur unzureichend ausgeglichen worden sei. Der Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. 5 Im August 2013 hat der Kläger mit der Begründung Klage erhoben, ihm stehe ""Altersruhegeld"" zu, weil die ihm aus der Nachversicherung bei der Deutschen Rentenversicherung zustehende Altersrente zusammen mit der zu erwartenden österreichischen Alterspension weit hinter der Versorgung zurückbleibe, die ihm bei einer hypothetischen Berechnung aufgrund seiner Dienstzeit als Lebenszeitbeamter des Beklagten zustünde. Diese finanzielle Einbuße beruhe allein auf dem Umstand, dass er von seiner Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der Europäischen Union Gebrauch gemacht habe. 6 Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV mehrere Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt. Im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 2016 (C-187/15, Pöpperl - NVwZ 2016, 1465) hat es den Beklagten verpflichtet, dem Kläger unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts ab dem 1. Februar 2016 einen Ausgleichsbetrag für den Verlust der Altersversorgung aufgrund seiner Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zuzuerkennen. 7 Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts abgeändert. Es hat den Beklagten unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide verpflichtet, an den Kläger monatlich ab dem 1. August 2016 eine Entschädigung in Höhe der Differenz zwischen der Altersrente einschließlich Krankenversicherungszulage, die er von der Deutschen Rentenversicherung erhält, und einer fiktiven Altersrente einschließlich Krankenversicherungszulage zuzüglich einer VBL-Zusatzrente zu zahlen, die der Kläger erhalten hätte, wenn er zwischen dem 1. August 1980 und dem 31. August 1999 als angestellter Lehrer im Schuldienst des Beklagten tätig gewesen wäre; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Annahme eines Ausgleichsanspruchs unmittelbar auf der Grundlage des Unionsrechts sei wegen des im Versorgungsrecht geltenden Grundsatzes der strikten Gesetzesbindung ausgeschlossen. Der Kläger könne lediglich einen Anspruch auf Entschädigung aufgrund des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs ab dem 1. August 2016 geltend machen. Als Bezugssystem für die Ermittlung einer angemessenen Entschädigung der Nachteile biete sich die Situation eines angestellten Lehrers an. 8 Gegen dieses Urteil haben sowohl der Kläger als auch der Beklagte die bereits vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. 9 Der Kläger beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. November 2020 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 26. Februar 2018 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der ab dem 1. Februar 2016 zu zahlende Betrag für den Ausgleich der Einbußen in der Altersversorgung des Klägers aufgrund seiner Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zum Beklagten nach der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu bestimmen ist, sowie die Revision des Beklagten zurückzuweisen. 10 Der Beklagte beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. November 2020 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 26. Februar 2018 aufzuheben und die Klage des Klägers insgesamt abzuweisen sowie die Revision des Klägers zurückzuweisen. II 11 Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Dagegen ist die Revision des Klägers mit der Maßgabe begründet, dass der ab dem 1. Februar 2016 zu zahlende Betrag für den Ausgleich der Einbußen in der Altersversorgung des Klägers aufgrund seiner Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zum Beklagten nach der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu bestimmen ist. 12 Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat zwar angenommen, dass die Beschränkung der Altersversorgung des Klägers auf den aus der Nachversicherung resultierenden Rentenanspruch in der gesetzlichen Rentenversicherung diesen in seinem Recht aus Art. 45 AEUV verletzt. Es hat aber lediglich auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch abgestellt, weil es sich durch den im Versorgungsrecht geltenden strikten Gesetzesvorbehalt an der Annahme eines unmittelbaren Anspruchs des Klägers auf Ergänzung der gesetzlichen Rente gehindert gesehen hat. Steht nationales Recht - hier der strikte Gesetzesvorbehalt des Versorgungsrechts - mit dem Unionsrecht, das dem Kläger einen Anspruch auf Ergänzung der Nachversicherung in der gesetzlichen Versicherung einräumt, nicht in Einklang, so muss das nationale Recht zur Gewährleistung der vollen Wirksamkeit des Unionsrechts unangewendet bleiben (EuGH, Urteile vom 4. Februar 1988 - C-157/86, Murphy u. a. - Slg. 1988, 686 Rn. 11, vom 11. Januar 2007 - C-208/05, ITC - Slg. 2007, I-213 Rn. 68 f. und vom 18. Dezember 2007 - C-357/06, Frigerio Luigi & C - Slg. I-2007, I-12313 Rn. 28). Grundlage des Anspruchs ist dann unmittelbar das Unionsrecht, hier Art. 45 AEUV; auf die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs, die das Berufungsgericht zudem erst ab dem 1. August 2016 als erfüllt angesehen hat, kommt es dementsprechend nicht an. 13 Das Berufungsurteil ist auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Denn gültiges Bezugssystem, an dem sich der Anspruch des Klägers zum Ausgleich der Nachteile in der Altersversorgung zu orientieren hat, ist nach dem Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 2016 (C-187/15, Pöpperl - NVwZ 2016, 1465 Rn. 47) die Rechtsstellung eines Beamten, der innerstaatlich den Dienstherrn gewechselt hat - und damit Beamter geblieben ist - und nicht die eines angestellten Lehrers. 14 Der Kläger hat den Antrag auf Entlassung aus dem zum Beklagten bestehenden Lebenszeitbeamtenverhältnis gestellt, weil er nur auf diese Weise seinen Wunsch realisieren konnte, in Österreich beruflich tätig zu sein; ein grenzüberschreitender Dienstherrnwechsel unter Wahrung der beamtenrechtlichen Versorgung war nicht möglich. 15 Aus dem nationalen Verfassungsrecht ergibt sich für Fälle mit grenzüberschreitendem Bezug kein Anspruch auf eine über die Nachversicherung nach § 8 SGB VI hinausgehende Altersversorgung. Das Beamtenverhältnis besteht zu einem bestimmten Dienstherrn und ist grundsätzlich nicht auf Zeit, sondern auf Lebenszeit begründet. Kündigt der Beamte dieses auf Lebenszeit ausgerichtete Dienst- und Treueverhältnis aufgrund eigener Willensentscheidung auf, entfällt die Notwendigkeit der darauf bezogenen Alimentation und Fürsorge. Stattdessen besteht ein aus dem Sozialstaatsprinzip hergeleiteter Anspruch auf Gewährung einer Mindest-Altersversorgung, dem mit der Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung Genüge getan ist. Es existiert kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, der den Gesetzgeber verpflichtet, dem auf eigenen Antrag ausscheidenden Beamten den beamtenrechtlichen Versorgungsanspruch bezogen auf die bisherige Dienstzeit zu erhalten (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 2. März 2000 - 2 BvR 951/98 - DVBl 2000, 1117 Rn. 4 und vom 28. März 2007 - 2 BvR 1304/05 - NVwZ 2007, 802 Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2020 - 2 C 9.19 - BVerwGE 167, 351 Rn. 18). 16 Allerdings behindern die wirtschaftlichen Nachteile der Entlassung aus dem zum beklagten Land bestehenden Beamtenverhältnis die Ausübung der Grundfreiheit aus Art. 45 AEUV (1). Diese Einschränkung ist nicht durch öffentliche Interessen gerechtfertigt (2). Dem Kläger müssen im Ergebnis solche Altersversorgungsansprüche zustehen, die insgesamt jenen vergleichbar sind, die er im Beamtenverhältnis zum beklagten Land erworben hatte (3). Der Ausgleichsanspruch des Klägers ist weder verjährt noch verwirkt (4). Ein Abschlag zum Nachteil des Klägers kommt nicht in Betracht, weil ein solcher einer Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers vorbehalten ist (5). Für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist der Wert des im Beamtenverhältnis verbrachten Zeitanteils zu der fiktiven Gesamtversorgung zum 1. Februar 2016 in Bezug zu setzen. Von diesem Betrag ist der Anteil an der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung abzuziehen, der auf die Nachversicherung im Anschluss an die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis entfällt (6). Einer erneuten Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den Gerichtshof bedarf es nicht (7). 17 1. Die wirtschaftlichen Folgen der antragsgemäßen Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit im Hinblick auf seine Altersversorgung beeinträchtigen das Recht des Klägers auf Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV. 18 Die Beeinträchtigung folgt nicht bereits daraus, dass der Kläger aufgrund der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis seinen Ruhegehaltsanspruch aus der Beamtenversorgung verloren hat. Maßgeblich ist die unterschiedliche Höhe der ursprünglich bestehenden Anwartschaft gegenüber dem aus der Nachversicherung resultierenden Anspruch in der gesetzlichen Rentenversicherung (EuGH, Urteil vom 13. Juli 2016 - C-187/15, Pöpperl - NVwZ 2016, 1465 Rn. 20). Dementsprechend kann aus diesem Urteil des Gerichtshofs nicht gefolgert werden, die Bestimmungen über die Nachversicherung könnten bei einem Sachverhalt mit Unionsrechtsbezug nicht zur Anwendung kommen (unzutreffend, Ruland NVwZ 2017, 422 <426>). Es geht allein um eine Ergänzung des aus der Nachversicherung resultierenden Anspruchs. 19 Der Kläger wird infolge der Ausübung seiner Arbeitnehmerfreizügigkeit hinsichtlich seiner Altersversorgung bezogen auf seine Dienstzeit beim Beklagten wirtschaftlich schlechter gestellt als ein vergleichbarer Beamter, der bis zum Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand im Dienst des beklagten Landes stand. Denn der auf der Nachversicherung nach § 8 SGB VI beruhende Anteil an der gesetzlichen Altersrente ist niedriger als der Wert des im Beamtenverhältnis verbrachten Anteils - bis Ende August 1999 - an der Gesamtversorgung, die der Kläger beim Verbleib im Beamtenverhältnis beim Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand zum 1. Februar 2016 erhalten hätte. Für die Bewertung im Hinblick auf Art. 45 AEUV ist dabei unerheblich, dass diese Rechtsfolge auch bei solchen Beamten des Landes eintritt, die aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden, um in der Bundesrepublik Deutschland im Privatsektor als Angestellte zu arbeiten (EuGH, Urteil vom 13. Juli 2016 - C-187/15, Pöpperl - NVwZ 2016, 1465 Rn. 26 und 28). 20 2. Nach den Maßstäben des Urteils des Gerichtshofs vom 13. Juli 2016 (C-187/15, Pöpperl - NVwZ 2016, 1465 Rn. 29 ff.) ist diese Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit des Klägers aus Art. 45 AEUV nicht gerechtfertigt. 21 Als zwingender Grund des Allgemeininteresses, der die Beeinträchtigung der Grundfreiheit aus Art. 45 AEUV zu rechtfertigen vermag, kommt grundsätzlich der Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung in Betracht. Jedoch wird das Ziel der Gewährleistung der Loyalität der Beamten und damit der Kontinuität und Beständigkeit des öffentlichen Dienstes nicht in kohärenter und systematischer Weise erreicht. Denn bei einem innerstaatlichen Wechsel des Dienstherrn mit Zustimmung des Beklagten als abgebendem Dienstherrn wird der betroffene Beamte nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert, sondern bei seinem Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand vom aufnehmenden Dienstherrn nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgt. Diese Versorgung ist mit jener vergleichbar, die er beim bisherigen Dienstherrn erhalten hätte und geht über den Wert der aus der Nachversicherung resultierenden Altersrente hinaus. Zudem ist, wie das Altersgeldgesetz des Bundes und auch landesrechtliche Regelungen zur Portabilität von erworbenen beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaften belegen, eine weniger beschränkende Regelung als der Verweis des Beamten auf die Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung möglich. 22 3. Will ein Beamter von der Grundfreiheit aus Art. 45 AEUV Gebrauch machen, verlangt das Unionsrecht, dass er nicht durch eine für ihn nachteilige Regelung seiner Altersversorgung im Verhältnis zu Fällen des Verbleibs im Mitgliedstaat von einem Wechsel in einen anderen Mitgliedstaat abgehalten wird. Solange das nationale Recht, wie hier, für Konstellationen mit grenzüberschreitendem Bezug nicht den Vorgaben des Unionsrechts angepasst ist, haben die Angehörigen der benachteiligten Gruppe Anspruch auf die Anwendung der für die bevorzugte Gruppe geltenden Regelungen. ""Gültiges Bezugssystem"" in diesem Sinne ist die Rechtsstellung von Beamten, die innerhalb des Bundesgebiets den Dienstherrn wechseln. Dem Kläger muss danach unter Berücksichtigung der Nachversicherung eine Altersversorgung zustehen, die jener vergleichbar ist, die er bei seinem ursprünglichen Dienstherrn erworben hatte (EuGH, Urteil vom 13. Juli 2016 - C-187/15, Pöpperl - NVwZ 2016, 1465 Rn. 48). Deshalb ist insoweit auf die Regelungen des Dienstherrn abzustellen, in dessen Dienst der Beamte vor seinem Wechsel in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gestanden hat. 23 4. Der Anspruch des Klägers auf Ergänzung seiner Altersversorgung in Gestalt der Altersrente aus der Deutschen Rentenversicherung ist weder verjährt noch verwirkt. 24 a) Der Anspruch auf Ergänzung der gesetzlichen Altersrente aus der Deutschen Rentenversicherung ist nicht verjährt, weil er erst am 1. Februar 2016 entstanden ist, der Kläger ihn aber bereits im August 2013 klageweise geltend gemacht hat. 25 Fehlen, wie hier, unionsrechtliche Vorgaben zur Verjährung, gelten für die aus dem Unionsrecht abgeleiteten Ansprüche die Verjährungsregeln des nationalen Rechts (EuGH, Urteile vom 17. November 1998 - C-228/96, Aprile - Slg. 1998, I-7164 Rn. 19 m. w. N. und vom 11. Juli 2002 - C-62/00, Marks & Spencer - Slg. 2002, I-6348 Rn. 35 m. w. N.). Mangels spezieller Verjährungsvorschriften des einschlägigen Fachrechts sind die Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anzuwenden (BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2020 - 2 C 20.19 - BVerwGE 168, 236 Rn. 14 ff.). Maßgeblich ist die dreijährige Verjährungsfrist in entsprechender Anwendung von § 195 BGB (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 70.11 - NVwZ 2012, 1472 Rn. 35 f.). 26 Ausgehend von § 199 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Ergänzung der Nachversicherung nicht verjährt. Der Anspruch auf Ausgleich der Differenz zwischen der Rente in der gesetzlichen Rentenversicherung und dem Wert der ""erworbenen Versorgungsansprüche für die Zeit im Beamtenverhältnis"" lässt sich erst ab Februar 2016 berechnen, weil der Kläger beim Verbleib im Dienst des Beklagten zu diesem Zeitpunkt in den Ruhestand getreten wäre. Die Höhe der Gesamtversorgung eines Beamten - und damit auch der ""versorgungsrechtliche Wert des im Beamtenverhältnis verbrachten Zeitanteils"" – hängt von der Rechtslage zum Zeitpunkt des Eintritts in den gesetzlichen Ruhestand ab (BVerwG, Urteile vom 25. August 2011 - 2 C 22.10 - Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 20 Rn. 8 und vom 1. Oktober 2020 - 2 C 9.20 - BVerwGE 169, 293 Rn. 8). Den Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichsbetrags ab dem 1. Februar 2016 hat der Kläger mit der bereits im August 2013 erhobenen Klage verfolgt. 27 b) Der Umstand, dass der Kläger den gegenüber dem Beklagten im Jahr 2008 geltend gemachten Anspruch auf Versicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder nach dem ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 30. März 2009 nicht weiterverfolgt hat, begründet nicht die Verwirkung des Anspruchs auf Ergänzung der gesetzlichen Altersrente. Denn zum einen handelt es sich um verschiedene Ansprüche und zum anderen setzt das auch für öffentlich-rechtliche Ansprüche geltende Rechtsinstitut der Verwirkung voraus, dass dem Schuldner das Bestehen des Anspruchs bewusst war. Der Verpflichtete kann unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung nur dann auf ein weiteres Absehen des Berechtigten von einer Verfolgung des Rechts vertrauen, wenn ihm bewusst war, dass der Gegenseite ein solches Recht zustand, zumindest aber zustehen könnte. Ein Vertrauen darauf, dass von einem nicht zustehenden Recht kein Gebrauch gemacht wird, gibt es nicht (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1998 - 3 C 1.98 - BVerwGE 108, 93 <99> m. w. N.). Der Beklagte hat aber seit der Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis die Ansicht vertreten, über die Nachversicherung hinausgehende Ansprüche stünden dem Kläger nicht zu. Schließlich steht der Annahme der Verwirkung entgegen, dass das beklagte Land im Hinblick auf die fehlende Geltendmachung des Anspruchs des Klägers keine konkreten Vorkehrungen getroffen hat, durch die es sich in einer Weise eingerichtet hat, dass ihm durch die späte Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs durch den Kläger ab Februar 2013 ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. 28 5. Ein pauschaler Abschlag oder eine sonstige Beschränkung des Ausgleichsanspruchs zum Nachteil des Klägers ist hier mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung des Beklagten ausgeschlossen. 29 Der Senat lässt offen, ob die von anderen Gesetzgebern im Hinblick auf die Portabilität von beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaften getroffenen gesetzlichen Regelungen den Anforderungen des Unionsrechts genügen. 30 Nach § 7 Abs. 1 AltGG in der Fassung des Gesetzes zur Regelung des Erscheinungsbilds von Beamtinnen und Beamten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 28. Juni 2021 (BGBl. I S. 2250) beträgt die Höhe des Altersgelds für jedes Jahr altersgeldfähiger Dienstzeit - § 6 AltGG - 1,79375 % der altersgeldfähigen Dienstbezüge - § 5 AltGG -, insgesamt jedoch höchstens 71,75 %, multipliziert mit 0,85, sofern bei der Ermittlung des Altersgelds eine altersgeldfähige Dienstzeit von weniger als zwölf Jahren berücksichtigt wird, ansonsten multipliziert mit 0,95. Auch Art. 99a BayBeamtVG in der Fassung der Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98), der speziell den Fall des Wechsels eines Beamten in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union regelt, sieht vor, dass sich die ergänzende Versorgungsabfindung nach dem Unterschiedsbetrag der um einen Abschlag von 15 v. H. verminderten Versorgungsanwartschaft und der durch Nachversicherung begründeten Anwartschaft zum Zeitpunkt der Beendigung des Beamtenverhältnisses bemisst. Diese Vorschriften sind hier weder unmittelbar noch analog anzuwenden und damit für den Anspruch des Klägers auf Ergänzung der aus der Nachversicherung resultierenden gesetzlichen Altersrente nicht entscheidungserheblich. 31 Das beklagte Land hat weder eine allgemeine Vorschrift zur Portabilität von beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaften noch eine spezielle Regelung für einen Ergänzungsanspruch für Fälle mit Unionsrechtsbezug geschaffen. Die Bewertung, ob und inwieweit pauschale Abschläge bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs mit dem Unionsrecht vereinbar sind, obliegt aber dem jeweiligen Gesetzgeber. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, diese Abwägungsentscheidung anstelle des Gesetzgebers zu treffen und einen solchen Abschlag dem Anspruch des Klägers entgegenzuhalten. 32 6. Dem Kläger müssen in der Gesamtheit solche Ruhegehalts- und Altersrentenansprüche zustehen, die jenen vergleichbar sind, die er beim beklagten Land als seinem ursprünglichen Dienstherrn erworben hatte (EuGH, Urteil vom 13. Juli 2016 - C-187/15, Pöpperl - NVwZ 2016, 1465 Rn. 48). Danach bemisst sich der Anspruch auf Ergänzung der gesetzlichen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Unterschied zwischen dem Wert des im Beamtenverhältnis verbrachten Zeitanteils an der fiktiven Gesamtversorgung des Klägers zum 1. Februar 2016 und dem Wert des auf die Nachversicherung entfallenden Anteils an der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. 33 a) Bezugspunkt für die Berechnung ist entgegen dem Vorbringen des Klägers nach den Vorgaben des Gerichtshofs nicht der Versorgungsanspruch eines vom Beklagten am 1. September 1999 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Beamten, sondern die Stellung eines Beamten, der nach einem inländischen Dienstherrnwechsel wegen des Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt wird. Es kommt auch nicht darauf an, welche gesetzlichen Vorgaben für die Bemessung der Versorgungsbezüge des Klägers während seiner Tätigkeit im Dienst des Landes galten. Denn die Versorgungsbezüge eines Beamten bestimmen sich allein nach dem Versorgungsrecht, das zum Zeitpunkt seines Eintritts in den Ruhestand gilt. Die Vorstellung, der Beamte erwerbe während seines aktiven Dienstes pro Jahr gesicherte Versorgungsansprüche und genieße insoweit ""Versorgungssicherheit"", entspricht nicht den Grundprinzipien des Beamtenversorgungsrechts. 34 b) Der dem Kläger zustehende ""versorgungsrechtliche Wert des im Beamtenverhältnis verbrachten Zeitanteils"" ist nach dem Prinzip der zeitratierlichen Berechnung zu ermitteln. 35 Zunächst ist der Versorgungsanspruch zu berechnen, der dem Kläger zugestanden hätte, wenn er bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze - Ablauf des 31. Januar 2016 - im Dienst des beklagten Landes verblieben wäre (fiktive Gesamtversorgung). Maßgeblich ist das am 1. Februar 2016 geltende Recht, d. h. das Beamtenversorgungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2013 (GV. NRW. S. 234 - LBeamtVG NRW F 2013). Zu beachten sind dabei auch die Vorschriften über die Berücksichtigung von Ausbildungs- und sonstigen Vordienstzeiten; soweit ein Ermessen eröffnet ist, ist von der üblichen Praxis des Beklagten auszugehen. 36 Anders als der Kläger meint, kommt die Berücksichtigung von Zeiten der Ausbildung im Ermessenswege (§§ 12 und 69g LBeamtVG NRW F 2013) nicht nur der im Beamtenverhältnis verbrachten Zeit zugute, sondern der Gesamtheit der fiktiven Versorgung zum 1. Februar 2016. Auch ist zu berücksichtigen, dass bei einer Dienstzeit von mehr als 40 Jahren der durchschnittliche Ruhegehaltssatz pro Jahr gegenüber dem Wert von 1,79375 v. H. für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit absinkt. Dies gilt auch für die im Beamtenverhältnis verbrachte Zeit. Damit ist eine schlichte Berechnung des Werts des Zeitanteils nach der Maßgabe ""Dienstjahre einschließlich der zu berücksichtigenden Vordienstzeiten x 1,79375 v. H./Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit"" ausgeschlossen. 37 Da das Beamtenverhältnis des Klägers bereits zum 31. Dezember 1991 bestand, ist auch zu prüfen, ob eine Berechnung nach Maßgabe des § 85 LBeamtVG NRW F 2013 zu einem höheren Ruhegehaltssatz führt. Bei der Vergleichsberechnung ist es allerdings ausgeschlossen, lediglich bestimmte, für den Kläger günstige Regelungen des § 85 LBeamtVG NRW F 2013 herauszugreifen, hier die hohe Steigerungsrate des Ruhegehaltssatzes in den ersten Dienstjahren bis zum Jahr 1999. Für die nach § 85 Abs. 4 LBeamtVG NRW F 2013 maßgebliche Vergleichsberechnung ist jeweils der Ruhegehaltssatz bei Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit Ablauf des 31. Januar 2016 zu bestimmen. 38 Bei der Berechnung des fiktiven Versorgungsanspruchs zum 1. Februar 2016 ist aus Gründen der Handhabbarkeit der Berechnung hinsichtlich der für die Bestimmung maßgeblichen Faktoren von den zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis bestehenden Umständen auszugehen. Dies gilt etwa für das erreichte Statusamt, aber auch für die Stufe der Besoldung, für die an den Familienstand anknüpfenden Leistungen oder auch für den etwaigen Bezug einer ruhegehaltfähigen Zulage. Gerade das Beispiel des Statusamtes belegt, dass die Berechnung andernfalls wegen einer Vielzahl von Unwägbarkeiten kaum noch durchzuführen wäre. Wollte man etwa auf das vom Beamten bis zum Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand voraussichtlich erreichte Statusamt abstellen, basierte die Berechnung auf bloßen Spekulationen. 39 c) In einem weiteren Schritt ist nach der zeitratierlichen Methode der Wert des Anteils der vom Kläger im Beamtenverhältnis verbrachten Zeit an dieser fiktiven Gesamtversorgung zu ermitteln (ähnlich § 40 Abs. 2 VersAusglG). 40 Der Wert des im Beamtenverhältnis verbrachten Zeitanteils an der fiktiven Gesamtversorgung ergibt sich, wenn das Verhältnis der im Beamtenverhältnis verbrachten Zeit (20,74 Jahre) und der gesamten fiktiven Dienstzeit unter Berücksichtigung der Vordienstzeiten (39,75 Jahre) mit dem fiktiven Ruhegehalt zum 1. Februar 2016 (3 730,40 €) multipliziert wird. 41 Nicht zu folgen ist dabei dem Vorbringen des Klägers, bei dieser Bruchrechnung müssten zum Ausgleich der Berücksichtigung der Ausbildungszeiten bei der Gesamtheit der Dienstzeiten beim sog. Nenner oder Teiler dieses Bruchs diese Zeiten - zugunsten des Beamten - auch beim Zähler addiert werden. Der Kläger nimmt nicht in den Blick, dass sich die Erhöhung der gesamten - fiktiven - Dienstzeit infolge der Berücksichtigung der Ausbildungszeiten von 37 Jahren und 157 Tagen um zwei Jahre und 215 Tage - nach Maßgabe des § 69g LBeamtVG NRW F 2013 - auf 39,75 Jahre bereits in der Steigerung des Ruhegehaltssatzes auf 71,3 v. H. (39,75 Jahre x 1,7975 v. H./Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit) und damit in der Erhöhung des Ruhegehalts niederschlägt, das in die Berechnung nach der zeitratierlichen Methode eingestellt wird. 42 d) Der auf diese Weise errechnete Betrag kennzeichnet den Wert des im Beamtenverhältnis verbrachten Zeitanteils an der fiktiven Gesamtversorgung des Beamten zum 1. Februar 2016. Von diesem Betrag ist der Anteil an der Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung abzuziehen, der auf die Nachversicherung nach § 8 SGB VI zurückgeht. Auch die speziellen gesetzlichen Bestimmungen anderer Länder zur Bestimmung des Ausgleichs des Beamten in den Fällen mit Unionsrechtsbezug im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 2016 (C-187/15, Pöpperl - NVwZ 2016, 1465) sehen im Grundsatz diesen Rechenweg vor (Art. 99a Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG; § 88k Abs. 2 Beamtenversorgungsgesetz Schleswig-Holstein vom 8. September 2020, GVOBl. Schl.-H. S. 516 und § 22a Abs. 3 Satz 1 Landesbeamtenversorgungsgesetz Sachsen-Anhalt vom 13. Juni 2018, GVBl. LSA S. 72). Bei der Berechnung ist im Fall des Klägers zu beachten, dass dessen gesetzliche Altersrente nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausschließlich auf der Nachversicherung nach § 8 SGB VI, sondern auch auf anderen Zeiten beruht. 43 Das Verwaltungsgericht hat wohl auch im Hinblick auf den auf der Nachversicherung beruhenden Anteil an der gesetzlichen Altersrente des Klägers die Anwendung des § 55 LBeamtVG NRW F 2013 vorgegeben (UA S. 13). Dies kommt nicht in Betracht. Sie widerspricht der Grundüberlegung, dass es, solange der Gesetzgeber den Anspruch nicht ausgestaltet, allein um die Ergänzung der auf der Nachversicherung beruhenden gesetzlichen Altersrente bis hin zum Wert der bis zur Entlassung aus dem Beamtenverhältnis ""erdienten Versorgungsanwartschaft"" geht. Die Anwendung des § 55 LBeamtVG NRW F 2013 brächte dem Kläger nicht gerechtfertigte finanzielle Vorteile. Hier wäre die Höchstgrenze des Absatzes 2 wohl nur geringfügig überschritten, sodass der ""Wert des Anteils an der fiktiven Gesamtversorgung"" als ""Versorgungsbezug"" i. S. v. § 55 LBeamtVG NRW F 2013 nur in einem geringen Umfang zum Ruhen gebracht werden müsste. 44 Die dargelegte Berechnung ist monatlich vorzunehmen; ihr Ergebnis hängt insbesondere von der Entwicklung der Bezüge und der gesetzlichen Altersrente des Klägers ab. 45 Die vom Kläger in Österreich bezogene Altersrente ist weder für die hier streitgegenständliche Berechnung des Ausgleichsbetrags noch für die davon zu trennende etwaige Anwendung des § 55 LBeamtVG NRW F 2013 von Bedeutung. 46 7. Einer erneuten Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV bedarf es nicht. 47 Zwar sind die Angaben des Verwaltungsgerichts im Vorlagebeschluss zum Wert des vom Kläger bis zur Entlassung aus dem Beamtenverhältnis ""erworbenen Versorgungsanspruchs"" – und damit auch die tatsächlichen Annahmen des Gerichtshofs in seinem Urteil vom 13. Juli 2016 (C-187/15, Pöpperl - juris Rn. 9 ff.) – unrichtig. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, der Wert des ""erworbenen Anspruchs"" auf Versorgung betrage 2 173,03 €, unter Berücksichtigung der Zeiten des Studiums als Vordienstzeit 2 728,18 €. Tatsächlich beläuft sich der Wert des im Beamtenverhältnis verbrachten Anteils an der fiktiven Gesamtversorgung des Klägers nach der dargelegten Vorgehensweise unter Berücksichtigung der Ausbildungszeiten - ausweislich der Rechnung des Landesamtes - auf ca. 1 946 €. Die für das Urteil des Gerichtshofs grundlegende Annahme, dass der Wert des auf die Nachversicherung zurückzuführenden Anteils an der gesetzlichen Altersrente des Klägers (ca. 992 €) deutlich hinter dem Wert des im Beamtenverhältnis verbrachten Zeitanteils an der fiktiven Gesamtversorgung (ca. 1 946 €) zurückbleibt, trifft aber zu. 48 Auch der vom Klägervertreter im Schriftsatz vom 25. Januar 2022 gestellte Antrag führt nicht zur erneuten Vorlage an den Gerichtshof. Denn die dort formulierte Bedingung, dass dem Kläger nur ein Ausgleich zugesprochen wird, der um mehr als 5 % hinter den Altersbezügen von Beamten zurückbleibt, die trotz innerstaatlichem Dienstherrnwechsels ihre der ruhegehaltfähigen Dienstzeit entsprechenden Ruhegehaltsansprüche behalten, ist nicht eingetreten. Wie dargelegt, ist, solange der Gesetzgeber keine Regelung trifft, in die Berechnung des Ausgleichsanspruchs der volle Wert einzustellen, der dem im Beamtenverhältnis verbrachten Zeitanteil an der fiktiven Gesamtversorgung zum 1. Februar 2016 zukommt. 49 8. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat auch noch in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren bezogen auf den Februar 2016 einen Ausgleichsanspruch geltend gemacht, der weit über dem Wert von ca. 954 € liegt, der sich nach der geschilderten Berechnungsweise aus den vom Senat beim Landesamt eingeholten und dem Kläger bekanntgegebenen Auskünften ergibt." bverwg_2022-29,04.05.2022,"Pressemitteilung Nr. 29/2022 vom 04.05.2022 EN Klage gegen die Nordverlängerung der A 14 erfolglos Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute die Klage einer Umweltvereinigung gegen den Planfeststellungsbeschluss des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt für den Neubau der Bundesautobahn A 14 zwischen Osterburg und Seehausen abgewiesen. Der streitgegenständliche Autobahnabschnitt von knapp 17 km Länge ist Teil der geplanten Nordverlängerung der A 14. Diese soll die Bundesländer Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern verbinden und die Lücke im Autobahnnetz zwischen Magdeburg und dem Kreuz Schwerin schließen. Das rund 155 km lange Gesamtvorhaben ist in weiten Teilen bereits im Bau oder unter Verkehr. Nach dem heutigen Urteil gibt es lediglich für einen Abschnitt in Brandenburg noch keinen bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss. Das Bundesverwaltungsgericht ist den Rügen des Klägers zum Wasser- und Naturschutzrecht nicht gefolgt. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, der Planfeststellungsbeschluss lege eine veraltete Verkehrsprognose zugrunde und gehe von einem deutlich zu hohen Verkehrsaufkommen auf der geplanten Autobahn aus, kommt es auf die konkreten Verkehrszahlen nicht an. Der Gesetzgeber hat das Gesamtprojekt der Nordverlängerung der A 14 in Sachsen-Anhalt im Bedarfsplan zum Fernstraßenausbaugesetz der Stufe des Vordringlichen Bedarfs zugeordnet. Aus dieser gesetzlichen Bedarfsfeststellung folgt die Planrechtfertigung für das Vorhaben, die grundsätzlich für das gerichtliche Verfahren verbindlich ist. Sie erweist sich auch nicht als evident unsachlich. Der Verkehrsbedarf leitet sich aus der unzureichenden verkehrlichen Erschließung der Region ab. Mit der Nordverlängerung der A 14 soll die größte noch bestehende Lücke im deutschen Autobahnnetz geschlossen und eine leistungsfähige Fernstraßenverbindung zwischen dem mitteldeutschen Raum und den Ostseehäfen geschaffen werden. Diese Ziele werden nach wie vor erfüllt und durch die zuletzt prognostizierten niedrigeren Verkehrszahlen nicht durchgreifend in Frage gestellt. Aus diesem Grund hat das Bundesverwaltungsgericht auch die Gewichtung der verkehrlichen Interessen im Rahmen der Gesamtabwägung nicht beanstandet. Der Kläger hat allerdings zu Recht gerügt, dass der Planfeststellungsbeschluss bei seinem Erlass das damals schon geltende Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) nicht berücksichtigt hat. Nach dessen § 13 Abs. 1 Satz 1 sind die Träger öffentlicher Aufgaben verpflichtet, bei ihren Planungen und Entscheidungen Zweck und Ziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes zu berücksichtigen. Der Beklagte hat diesen Abwägungsmangel aber im Laufe des gerichtlichen Verfahrens behoben, indem er die Begründung des Planfeststellungsbeschlusses entsprechend ergänzt hat. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht darauf abgestellt, dass das Gesetz keine weiteren Vorgaben zu den Anforderungen an das Berücksichtigungsgebot enthält und es bisher keine konkretisierenden Vorschriften, Leitfäden oder sonstige Handreichungen hierfür gibt. Zudem handelt es sich bei dem Vorhaben um einen Lückenschluss in einem Gesamtvorhaben, dessen Realisierung weit fortgeschritten ist. In dieser konkreten Planungs- und Entscheidungssituation hat das Gericht es nicht beanstandet, dass die Behörde zur Beurteilung der Auswirkungen auf CO2-Emissionen auf die zum Bundesverkehrswegeplan 2030 hinterlegten Daten zurückgegriffen hat. Dem Umstand, dass durch den Autobahnbau Waldflächen zerstört werden, hat der Planfeststellungsbeschluss im Ergebnis dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass er hierfür einen vollständigen Ausgleich vorsieht. BVerwG 9 A 7.21 - Urteil vom 04. Mai 2022","Urteil vom 04.05.2022 - BVerwG 9 A 7.21ECLI:DE:BVerwG:2022:040522U9A7.21.0 EN Nordverlängerung A 14 (VKE 2.2 Osterburg - Seehausen-Nord) Leitsätze: 1. Das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der bis zum 15. Mai 2017 geltenden Fassung erfordert keine Berücksichtigung globaler Klimaauswirkungen; das Inkrafttreten des Bundes-Klimaschutzgesetzes führt nicht zu einer nachträglichen ""Aufladung"" und Erweiterung des Begriffs der Umweltauswirkungen um den Aspekt des globalen Klimas. 2. Die Planfeststellungsbehörde muss seit dem Inkrafttreten des Bundes-Klimaschutzgesetzes bei ihrer Abwägungsentscheidung (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG) nach Art. 20a GG i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG die Aspekte des globalen Klimaschutzes und der Klimaverträglichkeit berücksichtigen. 3. Die Regelungen in § 13 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 KSG betreffen Maßnahmen und Entscheidungen im direkten Zusammenhang mit Investitions- und Beschaffungsvorgängen und gelten nicht für einen Planfeststellungsbeschluss. 4. Das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG verlangt von der Planfeststellungsbehörde, mit einem - bezogen auf die konkrete Planungssituation - vertretbaren Aufwand zu ermitteln, welche CO2-relevanten Auswirkungen das Vorhaben hat und welche Folgen sich daraus für die Klimaschutzziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes ergeben. 5. Die Berücksichtigungspflicht ist sektorübergreifend im Sinne einer Gesamtbilanz zu verstehen; auch der Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft nach § 3a KSG ist in den Blick zu nehmen, wenn Klimasenken durch das Vorhaben beeinträchtigt oder zerstört werden. 6. § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG formuliert keine gesteigerte Beachtenspflicht und ist nicht im Sinne eines Optimierungsgebots zu verstehen; ein Vorrang des Klimaschutzgebots gegenüber anderen Belangen lässt sich weder aus Art. 20a GG noch aus § 13 KSG ableiten. Rechtsquellen GG Art. 20a KSG §§ 1, 3, 3a, 4 Abs. 1 Satz 10, § 13 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 UmwRG § 2 Abs. 1, §§ 3, 5, 6 UVPG § 74 Abs. 2 UVPG a. F. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BNatSchG § 30 Abs. 3 LWaldG LSA § 6 Abs. 4, § 8 FStrG § 17 Abs. 1 Satz 4 und 5 VwVfG § 75 Abs. 1a Satz 2 VwGO § 67 Abs. 4 VerkPBG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1, § 11 Abs. 2 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 04.05.2022 - 9 A 7.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:040522U9A7.21.0] Urteil BVerwG 9 A 7.21 In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2022 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler und Dr. Dieterich sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Sieveking und Prof. Dr. Schübel-Pfister am 4. Mai 2022 für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Kläger, eine im Land Sachsen-Anhalt anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für das Vorhaben ""Lückenschluss BAB 14 Magdeburg - Wittenberge - Schwerin, VKE 2.2 AS Osterburg (L 13) bis AS Vielbaum (L 2/zukünftig AS Seehausen-Nord)"" vom 14. Dezember 2020 in der Fassung des Begründungsergänzungsbeschlusses vom 24. Februar 2022. 2 Der streitgegenständliche Autobahnabschnitt mit einer Länge von 16,784 km soll im vierstreifigen Regelquerschnitt 28 gebaut werden und verläuft in Nord-Süd-Richtung weitgehend parallel zu der Bundesstraße B 189. Er ist Teil der rund 155 km langen Nordverlängerung der A 14, mit der die Lücke zwischen Magdeburg und dem Kreuz Schwerin geschlossen und eine Verbindung zwischen den Bundesautobahnen A 2 im Süden und A 24 im Norden geschaffen werden soll. Die neue Autobahn soll die Bundesländer Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern verbinden, die bislang autobahnfreie Region zwischen den Autobahnen A 2, A 7, A 24 und A 10 erschließen, eine leistungsfähige Anbindung der Wirtschaftsstandorte des mitteldeutschen Raums an die Ostseehäfen schaffen und damit die größte noch bestehende Lücke im deutschen Autobahnnetz schließen. 3 Das Gesamtvorhaben ist in großen Teilen bereits fertiggestellt oder im Bau. Die Teilstrecke in Mecklenburg-Vorpommern sowie einzelne Abschnitte in Brandenburg und Sachsen-Anhalt sind schon unter Verkehr, weitere Abschnitte sind im Bau oder jedenfalls bestandskräftig planfestgestellt. Lediglich für eine Teilstrecke in Brandenburg fehlt noch ein bestandskräftiger Planfeststellungsbeschluss. 4 Die in Sachsen-Anhalt gelegenen Abschnitte einschließlich der streitgegenständlichen Verkehrskosteneinheit (VKE) 2.2 sind Gegenstand eines Vergleichs, den der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Beklagte im Jahr 2019 im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens zu einer anderen VKE des Gesamtprojekts geschlossen haben. Diese Vereinbarung, die umfangreiche Naturschutz- und Lärmschutzmaßnahmen zum Gegenstand hat, beinhaltet u. a. eine Verpflichtung des BUND zu Klagebeendigung bzw. Klageverzicht bezüglich aller Teilstrecken in Sachsen-Anhalt. Die Abschnitte in Brandenburg sind Gegenstand eines weiteren Vergleichs mit dem BUND geworden. 5 Im aktuellen Bedarfsplan 2016 zum Bundesverkehrswegeplan 2030 ist die in Sachsen-Anhalt verlaufende Teilstrecke, zu der das streitige Vorhaben gehört, als lfd. Nr. 1197 im Vordringlichen Bedarf eingestuft. Sie gehört zudem zum Gesamtnetz des transeuropäischen Verkehrsnetzes. 6 Die Linienbestimmung für das Vorhaben erfolgte im April 2005, im Sommer 2014 wurde das Planfeststellungsverfahren für die VKE 2.2 eingeleitet. Im Jahr 2019 fand im Rahmen eines Änderungsverfahrens, das insbesondere den wasserrechtlichen Fachbeitrag, zwei FFH-Verträglichkeitsprüfungen und die Verkehrsuntersuchung betraf, eine weitere Öffentlichkeitsbeteiligung statt. Der Kläger beteiligte sich nicht am Verfahren. Mit Beschluss des Beklagten vom 14. Dezember 2020 wurde das Vorhaben planfestgestellt. Dagegen hat der Kläger am 15. März 2021 rechtzeitig Klage erhoben. 7 Im Laufe des Klageverfahrens hat der Beklagte mit Beschluss vom 24. Februar 2022 die Begründung des Planfeststellungsbeschlusses vom 14. Dezember 2020 um den Punkt ""C.XV.4.a Klima"" ergänzt und den Plan im Übrigen unverändert bestätigt. 8 Mit seiner Klage will der Kläger eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, hilfsweise dessen Nichtvollziehbarkeit erreichen. Er rügt insbesondere die fehlende Planrechtfertigung sowie Abwägungsmängel wegen falscher Annahmen zum Verkehrsaufkommen und unzureichender Berücksichtigung des Klimaschutzes. Zudem macht er Verstöße gegen das Wasserrecht sowie das Habitat-, Arten- und Biotopschutzrecht geltend. 9 Der Kläger beantragt, den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für das Vorhaben ""Lückenschluss BAB 14 Magdeburg - Wittenberge - Schwerin, VKE 2.2 AS Osterburg (L 13) bis AS Vielbaum (L 2/zukünftig AS Seehausen-Nord)"" vom 14. Dezember 2020 in der Fassung des Begründungsergänzungsbeschlusses vom 24. Februar 2022 aufzuheben, hilfsweise für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären. 10 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen, die Klage abzuweisen. 11 Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss und treten dem Vorbringen des Klägers im Einzelnen entgegen. II 12 Die Klage, die ein Vorhaben des Gesetzes zur Beschleunigung der Planungen für Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin (Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz - VerkPBG) betrifft und über die das Bundesverwaltungsgericht nach § 5 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 11 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 VerkPBG erstinstanzlich entscheidet, ist zulässig, aber unbegründet. 13 Der Kläger hat keine Verfahrensrügen gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 14. Dezember 2020 erhoben; seine materiell-rechtlichen Einwendungen sind zwar berücksichtigungsfähig (A.), können aber weder die Planrechtfertigung des Vorhabens (B.) noch dessen Vereinbarkeit mit den Anforderungen des Wasserrechts (C.) oder des Naturschutzrechts (D.) oder das Ergebnis der Abwägung (E.) erfolgreich in Frage stellen. Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Aufhebung oder jedenfalls Außervollzugsetzung des Planfeststellungsbeschlusses. 14 A. Die Einwendungen des Klägers sind - soweit sie innerhalb der Klagebegründungsfrist erfolgt sind - in vollem Umfang zu berücksichtigen. Dem steht entgegen den Überlegungen des Beklagten nicht die Vorschrift des § 5 UmwRG in der durch Gesetz vom 29. Mai 2017 (BGBl. I S. 1298) eingeführten Fassung entgegen, wonach Einwendungen, die eine Vereinigung erstmals im Rechtsbehelfsverfahren erhebt, unberücksichtigt bleiben, wenn die erstmalige Geltendmachung im Rechtsbehelfsverfahren missbräuchlich oder unredlich ist. Der Kläger hat zwar erstmals mit der Klageerhebung im März 2021 zum Ausdruck gebracht, dass er Einwände gegen das Vorhaben hat; dies stellt aber kein widersprüchliches oder treuwidriges Verhalten i. S. d. § 5 UmwRG dar. Allein der objektive Umstand der Nichtbeteiligung im Verwaltungsverfahren reicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände hierfür nicht aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2019 - 9 A 2.18 - BVerwGE 166, 1 Rn. 38 m. w. N.). 15 Besondere Gesichtspunkte, die hier den Vorwurf des Missbrauchs rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Das gilt auch für den vom Beklagten angeführten Umstand, dass der BUND sich als einzige Naturschutzvereinigung im Planfeststellungsverfahren aktiv beteiligt und mit dem Beklagten umfangreiche Vereinbarungen getroffen hat. Der Kläger war in diese Vergleichsverhandlungen nicht einbezogen. Allein seine Funktion als anerkannte Umweltvereinigung, der es u. a. zukommt, die zuständige Behörde im Rahmen der Beteiligung der Öffentlichkeit bei UVP-pflichtigen Vorhaben zu unterstützen, begründet keine Mitwirkungs-, Prüfungs- oder Äußerungsobliegenheiten vor Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses, deren Nichterfüllung sich nachteilig auf nachfolgende Rechtsschutzmöglichkeiten auswirken könnte (vgl. Beckmann, in: Hoppe/Beckmann/Kment, UVPG/UmwRG, 5. Aufl. 2018, § 18 UVPG Rn. 18). Der Beklagte mag in seiner Erwartung, aufgrund der Einigung mit dem BUND alle umwelt- und naturschutzrechtlichen Bedenken ausgeräumt und auf diese Aspekte gestützte Klagen vermieden zu haben, enttäuscht worden sein; dies ist aber nicht dem Kläger anzulasten. 16 B. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben ist gegeben. Sie folgt aus der gesetzlichen Bedarfsfeststellung. Die A 14 zwischen Magdeburg und Schwerin war bereits im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen zum Fernstraßenausbaugesetz - FStrAbG - in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes vom 4. Oktober 2004 (Bekanntmachung vom 20. Januar 2005, BGBl. I S. 201) ausgewiesen und als laufendes und fest disponiertes Vorhaben ""mit besonderem naturschutzfachlichen Planungsauftrag"" in die Kategorie des Vordringlichen Bedarfs eingestellt. Im aktuellen Bedarfsplan ist der planfestgestellte Autobahnabschnitt in der Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 2 FStrAbG in der Fassung vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3354) als Teilstrecke der lfd. Nr. 1197 (""AS Dahlenwarsleben - Wittenberge "") als vierstreifiger Neubau mit der Dringlichkeitsstufe ""Vordringlicher Bedarf"" aufgeführt. 17 1. Die gesetzliche Bedarfsfeststellung ist für die Planfeststellung und das gerichtliche Verfahren verbindlich und schließt im Grundsatz die Nachprüfung aus, ob für die geplante Autobahn ein Verkehrsbedarf vorhanden ist (stRspr, vgl. zuletzt etwa BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2020 - 9 A 19.19 - BVerwGE 169, 94 Rn. 59). Der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ist eingebettet in die gesamtstaatliche Bundesverkehrswegeplanung und stellt eine verkehrspolitische Leitentscheidung auf einer der konkreten Planung weit vorgelagerten Ebene dar, die von zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Faktoren bestimmt wird; die gerichtliche Prüfung der sachlichen Rechtfertigung dieser Entscheidung ist daher auf eine Evidenzkontrolle beschränkt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Juni 1998 - 1 BvR 650/97 u. a. - NVwZ 1998, 1060 <1061> zu Bundesschienenwegen). Anhaltspunkte für eine Überschreitung des weiten Gestaltungs- und Prognoseermessens des Gesetzgebers liegen nur dann vor, wenn die Bedarfsfeststellung evident unsachlich ist, weil es für die Aufnahme des Vorhabens in den Bedarfsplan im Hinblick auf die bestehende oder künftig zu erwartende Verkehrsbelastung oder auf die verkehrliche Erschließung eines zu entwickelnden Raums an jeglicher Notwendigkeit fehlt, oder wenn sich die Verhältnisse seit der Bedarfsentscheidung des Gesetzgebers so grundlegend gewandelt haben, dass das angestrebte Planungsziel unter keinen Umständen auch nur annähernd erreicht werden kann (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 43 und vom 24. Februar 2021 - 9 A 8.20 - NVwZ 2021, 1846 Rn. 46, jeweils m. w. N.). Das ist vorliegend nicht der Fall. 18 Die Bedarfsfeststellung leitet sich hier nicht aus der bestehenden oder zu erwartenden Verkehrsbelastung, sondern aus der Notwendigkeit der verkehrlichen Erschließung eines zu entwickelnden Raums her. Im Projektinformationssystem zum Bundesverkehrswegeplan 2030 (PRINS) wird die Dringlichkeitseinstufung des Gesamtprojekts der A 14 zwischen Karstädt und Dahlenwarsleben mit seiner hohen raumordnerischen Bedeutung begründet. Es dient danach der ""Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, Erreichbarkeit und Verbindungsqualitäten und somit zur Schaffung günstigerer Voraussetzungen für die Stabilisierung und die weitere Entwicklung der Wirtschaft (Verbesserung Lagegunst , Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen) im Sinne der Erfüllung des gesetzlichen Auftrages des Bundes zur Wahrung der Chancengleichheit und Sicherung der Daseinsvorsorge im autobahnfreien Raum im nördlichen Sachsen-Anhalt bzw. Nordosten Deutschlands (Lückenschlussprojekt)"". Erst nachrangig folgt der Hinweis auf die Entlastung der B 189. Auf das vornehmliche gesetzgeberische Ziel eines Lückenschlusses zur Verbesserung der Fernverkehrserreichbarkeit vor dem Hintergrund des ausgeprägten wirtschaftlichen Entwicklungsrückstands der Regionen im Planungsraum der A 14 hat der Senat bereits in seinem Urteil aus dem Jahr 2013 zu einem anderen Teilabschnitt der Nordverlängerung der A 14 hingewiesen, damals bezogen auf den Bedarfsplan 2004 (BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2013 - 9 A 16.12 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 236 Rn. 25 [insoweit in BVerwGE 146, 254 nicht abgedruckt]). Daran ist festzuhalten. 19 Die Nordverlängerung der A 14 soll die größte noch bestehende Lücke im deutschen Autobahnnetz schließen. Damit soll die Region der Altmark in Sachsen-Anhalt an das übergeordnete großräumige Fernstraßennetz angeschlossen und eine leistungsfähige überregionale Fernstraßenverbindung zwischen dem mitteldeutschen Wirtschaftsraum und den Ostseehäfen geschaffen werden. Als Bestandteil des Gesamtnetzes des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V), das über die - inzwischen bereits im Bau befindliche - Feste Fehmarnbeltquerung eine Verbindung nach Skandinavien vorsieht, hat die A 14 überregionale Bedeutung; im Bundesverkehrswegeplan 2030 ist das Gesamtvorhaben auf der Grundlage der Richtlinien für integrierte Netzgestaltung (RIN) der Verbindungsstufe 0 zugeordnet, die Verbindungen zwischen Metropolregionen beschreibt. Die Planrechtfertigung ist damit vor dem Hintergrund des zentralen politischen Ziels der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Regionen Deutschlands (vgl. Art. 72 Abs. 2 GG, zur Bedeutung für die Raumentwicklung auch § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 3 ROG) zu sehen. Die Mobilität - auch in der Form des Individualverkehrs - ist ein wesentliches Element der Daseinsvorsorge; verkehrliche Erreichbarkeit und die Anbindung an regionale und überregionale Verkehrswege sind wichtige Voraussetzungen für die wirtschaftliche Stabilisierung und Entwicklung des Raums. 20 2. Die mit der Nordverlängerung der A 14 verfolgten Ziele der Raumerschließung und verkehrlichen Verbindung haben nach wie vor Gültigkeit und werden vom Kläger nicht durchgreifend in Frage gestellt. Der Planungsraum weist weiterhin erhebliche Defizite hinsichtlich der verkehrlichen Erschließung auf. So belegt etwa die vom Beklagten vorgelegte Beurteilung durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung deutschlandweite Höchstwerte, was die Erreichbarkeit von Oberzentren mit Fahrzeiten über 60 Minuten betrifft (vgl. hierzu auch PFB S. 96 f.). 21 Auf die vom Kläger thematisierten konkreten Zahlen und prognostizierten Verkehrsstärken in einzelnen Verkehrsprognosen kommt es dabei nicht an. Wie dargelegt, soll mit dem Neubau der A 14 nicht eine bestimmte Verkehrsbelastung bewältigt oder eine zahlenmäßig konkretisierte Entlastungsfunktion erreicht werden, sondern die defizitäre verkehrliche Erschließung der Region verbessert werden. Dabei kommt dem konkret zu erwartenden Verkehrsaufkommen allenfalls eine untergeordnete Bedeutung zu. Dass hier ein Ausnahmefall vorliegen könnte und der künftig zu erwartende Verkehr tatsächlich so niedrig wäre, dass sich auch im Hinblick auf das Planungsziel der Erschließung eines bisher nicht erschlossenen Raums die Notwendigkeit für eine Autobahn offensichtlich nicht mehr begründen ließe, hat der Kläger nicht dargelegt. Dies gilt selbst bei Zugrundelegung der von ihm angeführten niedrigeren Zahlen der Zielnetzprognose 2030 für den Netzzuschnitt VB (Vordringlicher Bedarf) mit einer durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke an Werktagen (DTVw) im Bereich der VKE 2.2 von 11 000 Kfz. Soweit der Kläger die Verkehrszahlen der projektspezifischen Verkehrsuntersuchung aus dem Jahr 2008 (DTVw 23 800 bis 26 000 Kfz) als deutlich überhöht kritisiert, lagen diese im Übrigen der gesetzlichen Bedarfsfeststellung aus dem Jahr 2016 nicht zugrunde. Letztere beruht vielmehr auf der aus der Verflechtungsprognose 2030 abgeleiteten Bewertungsprognose, deren Zahlen im Projektinformationssystem zum Bundesverkehrswegeplan 2030 (PRINS) hinterlegt sind und für die streitige VKE 2.2 eine Verkehrsstärke (DTVw) von 14 000 bis 18 000 Kfz ausweisen. 22 3. Da sich die Bedarfsfeststellung somit weder unter dem Gesichtspunkt anfänglicher Fehleinschätzung noch wegen nachträglicher Änderung der Verhältnisse als evident unsachlich erweist, besteht keine Veranlassung für die vom Kläger beantragte Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (Klagebegründung vom 25. Mai 2021 S. 11). Soweit der Kläger darüber hinaus eine Unvereinbarkeit des Bedarfsplans mit Art. 20a GG geltend macht, weil die Realisierung der im Bedarfsplan verankerten Vorhaben die Einhaltung des den Art. 20a GG konkretisierenden Pariser Abkommens verhindere, ist diese Rüge erst nach Ablauf der Klagebegründungsfrist erhoben worden und damit verspätet. Sie ist auch nicht erstmals durch den Planbegründungsergänzungsbeschluss vom 24. Februar 2022 veranlasst worden und betrifft keinen etwaigen Fehler dieses Beschlusses, sondern bezieht sich auf Umstände, die schon dem Planfeststellungsbeschluss in seiner Ursprungsfassung zugrunde lagen. Die Rüge ist daher nicht geeignet, dem weiteren Vorlageantrag des Klägers aus seinem Schriftsatz vom 30. März 2022 (S. 56) zum Erfolg zu verhelfen. 23 C. Der Kläger zeigt nicht auf, dass das Vorhaben wasserrechtlich zu beanstanden sein könnte. 24 Der innerhalb der Klagebegründungsfrist erfolgte Vortrag zur Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Wasserhaushaltsgesetz und der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie entspricht weitgehend nicht den Anforderungen an eine substantiierte Klagebegründung nach § 6 UmwRG i. V. m. § 67 Abs. 4 VwGO. Nach der Rechtsprechung des Senats reicht eine nur stichwortartige Benennung oder Zusammenfassung von Kritikpunkten aus beigefügten Gutachten oder deren bloße wörtliche Wiedergabe nicht aus (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 76 Rn. 133 ff. [insoweit in BVerwGE 166, 132 nicht abgedruckt] und vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 17 m. w. N.). Die Klagebegründung muss aus sich heraus hinreichend verständlich sein und den Gegenstand der Rüge deutlich machen und rechtlich einordnen; es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich aus beigefügten Unterlagen den Inhalt der Kritik des Klägers selbst zusammenzusuchen und zu erschließen. 25 Diesem Substantiierungserfordernis, das für alle Kläger - Privatpersonen und Umweltvereinigungen - gleichermaßen und unabhängig von ihrer Größe gilt, genügt die Klagebegründung zum Wasserrecht in weiten Teilen nicht. Der Vortrag beschränkt sich im Wesentlichen darauf, auf die als Anlage beigefügte fachliche Stellungnahme eines Diplom-Geographen und Hydrologen zu verweisen und diese kurz zusammenzufassen, indem die dort als ""Fazit"" oder ""Zwischenfazit"" formulierten Ausführungen weitgehend wörtlich wiedergegeben werden, ohne sie im Einzelnen zu konkretisieren und rechtlich zu durchdringen. 26 1. Die Rüge fehlender Aktualität und Vollständigkeit des Fachbeitrags lässt nicht erkennen, welche Entwicklungen in Literatur und Rechtsprechung nach Auffassung des Klägers nicht berücksichtigt wurden und welche inhaltlichen Fehler sich daraus ergeben sollen, welche Qualitätskomponenten unvollständig erfasst wurden, welche und inwiefern Messreihen veraltet, lückenhaft und zu kurz sind oder welche straßentypischen Schadstoffe noch hätten ermittelt werden sollen. Der Kläger kritisiert allgemein Darstellung, Gliederung und Systematik des wasserrechtlichen Fachbeitrags, ohne konkrete Verstöße gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot oder sonstige erhebliche inhaltliche Mängel des Planfeststellungsbeschlusses aufzuzeigen. Die Qualität der Datengrundlage ist kein absoluter Wert an sich; maßgebend ist vielmehr, ob sie geeignet ist, eine tragfähige Beurteilung der Auswirkungen des konkreten Vorhabens in Bezug auf das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot zu ermöglichen. Eine vollständige und valide Bestandsaufnahme ist dafür (nur) insoweit erforderlich, als es um vorhabenbezogene Wirkpfade geht (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 76 Rn. 160, 163). Der Kläger legt jedoch nicht dar, für welchen potentiellen Wirkpfad welche Datenerhebung fehlt oder welche erhobenen Daten aus welchen Gründen unzureichend sein könnten. 27 Soweit der Kläger im Hinblick auf die Zustandsermittlung und Bewertung der Grundwasserkörper die Nichtberücksichtigung einer dritten Messstelle beanstandet, setzt er sich nicht mit den entsprechenden Erläuterungen im ""Fachbeitrag zu den Belangen der Wasserrahmenrichtlinie"" (Unterlage 16.3, dort S. 79) auseinander, wonach die Messstelle Krevese wegen fehlender Eignung nicht mehr vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) Sachsen-Anhalt beprobt wird und deshalb nicht mehr Bestandteil des Landesmessnetzes Grundwasserbeschaffenheit ist. Die Rüge der fehlenden grundwasserbezogenen Bewertung von Tausalzbelastungen berücksichtigt nicht die eigenständige Unterlage ""Gutachten WF Seehausen"" (Materialband Sonstige Untersuchungen und Gutachten, Bd. 6 Nr. 17) zur Ermittlung der Tausalzbelastung im Grundwasser der Wasserfassung Seehausen. 28 2. Die in der Klagebegründung zur Entwässerungsplanung erhobenen Rügen lassen nicht erkennen, welche fachlichen Mängel konkret geltend gemacht werden und welche rechtlichen Folgerungen sich daraus für die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses ergeben sollen. Die Frage der Vereinbarkeit der Planung mit dem aktuellen Regelwerk wird aufgeworfen, ohne dies konkret und vorhabenbezogen inhaltlich zu erläutern. Soweit es um die Begriffe ""drainiertes Versickerungsbecken"" und ""Retentionsbodenfilter"" geht, hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass nach dem Merkblatt der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) zur Berücksichtigung der Wasserrahmenrichtlinie in der Straßenplanung (damals noch Entwurfsstadium S. 33, Endfassung Ausgabe 2021 S. 25) davon auszugehen ist, dass drainierte Versickerungsbecken bei fachgerechter Ausführung die gleiche Reinigungsleistung aufweisen wie Retentionsbodenfilteranlagen. In diesem Zusammenhang geht es nicht darum, ob die Planunterlagen durchgehend die nach heutigem Stand zutreffende Terminologie verwenden, sondern ob das in der Praxis zu erwartende Ergebnis der konkreten technischen Planung mit den wasserrechtlichen Vorgaben zum Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot vereinbar ist. Dazu verhält sich die Klagebegründung nicht. 29 Die Rüge einer unzulässigen Konfliktverlagerung in die Ausführungsplanung und einzelne Kritikpunkte in Bezug auf die wassertechnischen Unterlagen (U 13 und 13.1 ) – etwa Dimensionierung des Regenrückhaltebeckens 6, Vergleich der verschiedenen Angaben zu den relevanten Flächen für die jeweiligen Entwässerungsanlagen, zu hoch berechnete Zulaufmengen zu den Entwässerungsanlagen, Widerspruch zwischen Tausalzgutachten und Entwässerungsplanung - wurden erstmals mit Schriftsatz vom 30. März 2022 sowie in der mündlichen Verhandlung und damit nach Ablauf der Klagebegründungsfrist geltend gemacht. Dabei handelt es sich nicht um die Vertiefung eines fristgerecht substantiierten Einwands oder die Erwiderung auf neuen Tatsachenvortrag, sodass das Vorbringen als verspätet nicht mehr zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 9 VR 1.22 - juris Rn. 16 m. w. N.). 30 3. Das Trinkwasserschutzgebiet (TWSG) Seehausen und die dortige Grundwassersituation sind nicht unzureichend dargestellt und behandelt worden. Es trifft zu, dass das TWSG und die beiden Trinkwasserschutzzonen III A und III B im wasserrechtlichen Fachbeitrag nicht explizit erwähnt werden. Sie werden aber im Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt (S. 170, 200, 230); mit der Schutzwirkung der Grundwasserüberdeckung und der Entwässerung in den Trinkwasserschutzzonen befassen sich der Erläuterungsbericht (S. 241 f.) sowie die Unterlage 13.1 zum Entwässerungsabschnitt 9 (S. 19A). Die Nebenbestimmung IV.11.10 stellt zudem sicher, dass die Vorgaben der Richtlinien für bautechnische Maßnahmen an Straßen in Wasserschutzgebieten (RiStWag) und die Schutzgebietsverordnung beachtet werden. Damit setzt sich der Kläger innerhalb der Klagebegründungsfrist nicht konkret auseinander. 31 D. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf einen Verstoß gegen naturschutzrechtliche Regelungen berufen. Soweit sich sein Vorbringen auf den Verweis auf eine beigefügte fachgutachterliche Stellungnahme und deren auszugsweise Wiedergabe beschränkt, fehlt es wiederum an der erforderlichen Substantiierung und rechtlichen Durchdringung. 32 1. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Bestandserfassung schon im Ansatz auf einem fehlerhaften Verständnis von der erforderlichen Validität der Datengrundlage oder auf einer fehlerhaften Methodik beruhen könnte. 33 Die Basisuntersuchungen für den Landschaftspflegerischen Begleitplan, den Artenschutzfachbeitrag und die FFH-Verträglichkeitsuntersuchungen wurden zwischen den Jahren 2006 und 2009 durchgeführt, ergänzende Untersuchungen erfolgten zwischen 2012 und 2014; zudem wurden die Daten der Basisuntersuchung im Jahr 2012 einer flächendeckenden Plausibilitätsprüfung auf der Datenbasis Stand 2011 unterzogen. Im Jahr 2020 wurde das Kieler Institut für Landschaftsökologie mit einer Plausibilitätsprüfung beauftragt, die zu dem Ergebnis kam, dass alle faunistischen Daten auch in 2020 als noch hinreichend repräsentativ eingestuft werden könnten. 34 Die Kritik des Klägers erschöpft sich in wenigen Sätzen, ohne auf die Einzelheiten der Datenerhebung und Bestandserfassung und die einzelnen Grundlagen der Erkenntnisgewinnung näher einzugehen und konkret aufzuzeigen, welche betroffenen Arten und Lebensräume hier einer erhöhten Dynamik unterliegen und welche relevanten Lebensraumveränderungen unberücksichtigt geblieben sein sollen oder zu welchen Aspekten stichpunktartige Kontrolluntersuchungen hätten erfolgen müssen. Die im Jahr 2020 durchgeführte Plausibilitätsuntersuchung besteht nicht nur in einer bloßen Luftbildanalyse, sondern befasst sich auch mit der ""Belastbarkeit der Bestandserfassung hinsichtlich der Erfassungsmethoden"" und in diesem Zusammenhang mit der Methodik der Fledermauserfassung und thematisiert die Überarbeitung der Roten Liste gefährdeter Arten in Sachsen-Anhalt. Im Jahr 2020 fand zudem eine Kontrolle der Waldbestände im Plangebiet auf der Grundlage aktueller Begehungen statt (Verwaltungsvorgang Ordner 13 Bl. 197 ff.). 35 2. Die Rügen zum Gebietsschutz sind unsubstantiiert. Der Kläger behauptet fehlerhafte Ergebnisse der FFH-Verträglichkeitsprüfungen des FFH-Gebiets ""Secantsgraben, Milde und Biese"" in Bezug auf den Fischotter und des FFH-Gebiets ""Krumker Holz und Wälder östlich Drüsedau"" in Bezug auf die Mopsfledermaus, ohne dies ansatzweise zu konkretisieren. 36 3. Der Planfeststellungsbeschluss steht mit dem Artenschutzrecht in Einklang. 37 a) Der Beklagte hat erkannt, dass der Stadtforst Seehausen in seiner Funktion als Ausbreitungskorridor und potentielles Ansiedlungsgebiet für den Wolf durch das Vorhaben in Anspruch genommen wird, und hat die Beeinträchtigung dieser Funktionsbeziehungen durch die Barrierewirkung der geplanten A 14 sowie das erhöhte Kollisionsrisiko bei der Planung berücksichtigt (PFB S. 127 f., 207, 211, 329 f., 413). Das Maßnahmekonzept umfasst trassenparallele Wildschutz- bzw. Kollisionsschutzzäune sowie verschiedene Querungsmöglichkeiten einschließlich einer besonders breiten Grünbrücke. Mit der Wirksamkeit dieser Maßnahmen setzt sich die Klagebegründung ebenso wenig konkret auseinander wie mit der Nebenbestimmung zur Ökologischen Baubegleitung in Nr. IV.2.4 (PFB S. 61). Auch die in der mündlichen Verhandlung vom Kläger geäußerten Zweifel beschränken sich auf die pauschale Infragestellung der Querungshilfen, ohne dafür einen konkreten Ansatzpunkt zu benennen. Entsprechendes gilt für die dort erstmals - und damit zugleich verspätet - geäußerten unspezifischen Bedenken in Bezug auf bauzeitbedingte Störungen während der Bauphase. 38 Entgegen der Auffassung des Klägers ist es unschädlich, dass der Beklagte sich nicht ausdrücklich auf den kurz vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses veröffentlichten Monitoringbericht des Wolfskompetenzzentrums Iden (WZI) 2020 zum Zeitraum 2019/2020 gestützt und im Jahr 2020 auch keine aktuellen Auskünfte vom WZI eingeholt hat. Der Beklagte hat bei seiner Entscheidung den vorhergehenden Wolfsmonitoringbericht 2019, der sich auf den Zeitraum 2018/2019 bezog, berücksichtigt und wegen des unklaren Status des Wolfs einen vorsorglichen Maßstab angelegt. Der zuständige Bearbeiter des Artenschutzfachbeitrags hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend erläutert, dass eine Auswertung des Monitoringberichts 2020 keine weitergehenden Erkenntnisse ermöglicht und nicht zu einer Änderung des Maßnahmekonzepts geführt hätte. 39 b) Ohne Erfolg rügt der Kläger einen Verstoß gegen die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG wegen fehlerhafter Bewertungen der Vorkommen des Seeadlers, des Mäusebussards und anderer Vogelarten. Soweit er sich darauf beruft, der Jagdpächter im Seehauser Stadtforst habe von wiederholten Beobachtungen zweier junger Seeadler im Bereich der planfestgestellten Trasse im Jahr 2020 berichtet, zeigt er weder auf, dass die durchgeführte avifaunistische Erfassung fehlerhaft war, noch, dass der Planfeststellungsbehörde ein etwaiges Vorkommen von Seeadlern hätte bekannt sein müssen. Der Hinweis, dass ""derzeit"" ein Mäusebussard im Trassenbereich brüte und sich dort auch Brutvorkommen und Gelege weiterer Vogelarten befänden, ist schon deshalb nicht beachtlich, weil Beobachtungen und Erkenntnisse, die auf einen Zeitpunkt nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses abstellen, in aller Regel nicht geeignet sind, die der Planung zugrunde liegende Bestandserfassung und naturschutzrechtliche Bewertung in Frage zu stellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 50 und - zum Biotopschutz - vom 3. November 2020 - 9 A 9.19 - BVerwGE 170, 210 Rn. 175). Ausführungen, warum dies hier anders zu beurteilen sein sollte, enthält die Klagebegründung nicht. 40 4. Der Planfeststellungsbeschluss widerspricht dem Naturschutzrecht auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Biotopschutzes. 41 a) Bedenken in Bezug auf die Erfassung der Biotope ergeben sich aus dem Klagevorbringen nicht. Soweit der Kläger beanstandet, dass die Biotoperfassung nicht nach der im Land Sachsen-Anhalt seit dem 5. Mai 2020 geltenden Biotoptypenrichtlinie vom 15. Februar 2020 (MBl. LSA S. 174) erfolgt und zudem so alt sei, dass sie zur Planfeststellung nicht mehr hätte herangezogen werden dürfen, ist auch diese Rüge unsubstantiiert. Der Kläger geht auf den Inhalt der neuen Richtlinie nicht ein und erläutert nicht, welche Vorgaben hinsichtlich der Erfassung oder Bewertung von Biotopen nicht eingehalten worden seien und inwieweit dies für das Ergebnis im vorliegenden Fall relevant sein soll. Seinem Vortrag lassen sich auch keine konkreten Bedenken wegen des Alters der Biotoperfassung entnehmen. Vor diesem Hintergrund war dem in der Klagebegründung angekündigten Beweisantrag auf Einholung einer Auskunft der Oberen Naturschutzbehörde nicht nachzugehen, zumal dieser Antrag in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt wurde und überdies unklar ist, welche konkrete Aussage unter Beweis gestellt werden sollte. 42 b) Soweit der Kläger Mängel bei der Bewertung von Stickstoffeinträgen in Biotope außerhalb von FFH-Gebieten geltend macht, ist seine Kritik an einem Abschneidewert von 5 kg N/ha/a nicht nachvollziehbar, weil der Planfeststellungsbeschluss einen solchen Abschneidewert nicht zugrunde legt. 43 Darauf ob - wie in der Stellungnahme des (die Aufgaben der Oberen Naturschutzbehörde wahrnehmenden) Referats 407 des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt vom 20. August 2019 (VV Ordner XVII S. 172 f.) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg (OVG Magdeburg, Urteil vom 8. Juni 2018 - 2 L 11.16 - juris Rn. 267 ff.) ausgeführt wird - nicht hinreichend untersucht wurde, ob unter Zugrundelegung des Konzepts der Critical Loads gesetzlich geschützte Biotope außerhalb von FFH-Gebieten durch Stickstoffeinträge (erheblich) beeinträchtigt werden, kommt es vorliegend nicht an. Nähere Überlegungen zu diesem rechtlichen Ansatz (vgl. dazu auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. September 2019 - 11 B 24.16 - ZUR 2020, 90 Rn. 51 ff. und nachfolgend BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2021 - 7 C 9.19 - Buchholz 406.25 § 18 BImSchG Nr. 8 Rn. 28; OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 17. Juli 2013 - 12 ME 275/12 - BauR 2013, 1831 <1833> und vom 15. September 2020 - 12 ME 29/20 - NordÖR 2021, 71 <82 f.>) und seiner tatsächlichen Relevanz im Planungsraum können dahinstehen, weil jedenfalls für alle Vorkommen gesetzlicher geschützter Biotope, die im Landschaftspflegerischen Begleitplan (Tabelle 30 S. 112A ff.) aufgelistet sind und auf die die Obere Naturschutzbehörde Bezug genommen hat, im Planfeststellungsbeschluss eine Ausnahme nach § 30 Abs. 3 BNatSchG erteilt wurde (PFB S. 50 i. V. m. S. 161 ff.). Etwaigen Beeinträchtigungen durch Stickstoffeinträge wäre damit hinreichend Rechnung getragen. 44 E. Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an einem erheblichen Abwägungsmangel. Im Rahmen der von § 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG geforderten Berücksichtigung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange ist dem Beklagten weder bei der Bewertung des Verkehrs (1.) noch in Bezug auf den Klimaschutz (2.) im Ergebnis ein relevanter Fehler unterlaufen. 45 1. a) Die mit der Planung verfolgten öffentlichen Verkehrsinteressen wurden zutreffend abgewogen. 46 Mit der Ausweisung des Vorhabens in der Stufe des Vordringlichen Bedarfs im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ist die Feststellung eines dringenden Verkehrsbedarfs verbunden, der nach § 1 Abs. 2 Satz 2 FStrAbG für die Planfeststellung nach § 17 FStrG und deren gerichtliche Kontrolle verbindlich ist und dem Planungsvorhaben - und damit den dahinter stehenden öffentlichen Verkehrsinteressen - einen besonderen Stellenwert verleiht (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 135 und vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 76 Rn. 202 f. [insoweit in BVerwGE 166, 132 nicht abgedruckt]). Dabei geht es vorliegend nicht um eine konkrete Verkehrserwartung, weshalb der Planfeststellungsbeschluss auch nicht mit einzelnen Verkehrszahlen argumentiert. Maßgebend für die Bewertung und Gewichtung der verkehrlichen Bedeutung des Vorhabens ist - wie oben im Zusammenhang mit der Planrechtfertigung dargelegt - vielmehr die Verbindungs- und Erschließungsfunktion der A 14, die nicht von bestimmten Verkehrsstärken und einer zahlenmäßig erfassten Entlastungswirkung für die B 189 abhängig ist. 47 Der Hinweis des Klägers auf divergierende Zahlen der verschiedenen Verkehrsprognosen ist nicht geeignet, die verkehrliche Bedeutung des Vorhabens in Frage zu stellen. Da sich der Verkehrsbedarf hier aus der verkehrlichen Erschließung und nicht einer konkreten Verkehrsbewältigung herleitet, kommt es auf Zweifel an den konkreten Verkehrszahlen der projektspezifischen Verkehrsuntersuchung aus dem Jahr 2008 von vornherein nicht an. Deshalb war entgegen der Auffassung des Klägers auch die Einholung einer aktuellen Projektprognose vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses nicht geboten. 48 Die vom Kläger für maßgeblich gehaltene Zielnetzprognose 2030 ist keine geeignete Grundlage für eine projektspezifische Abwägung. Nach den Erläuterungen des Sachverständigen der Ingenieurgruppe IVV in der mündlichen Verhandlung handelt es sich bei dieser im Mai 2018 für verschiedene Netzfälle erstellten Prognose um eine interne Arbeitsgrundlage des Bundes, die nicht für eine Nutzung als Projektprognose bestimmt und dazu in aller Regel auch nicht geeignet ist. Sie wurde im Planfeststellungsbeschluss nur zu Kontrollzwecken herangezogen, um zu gewährleisten, dass das Maßnahmekonzept in Bezug auf die vorhabenbedingten Belastungen durch Lärm und Schadstoffeinträge hinreichend vorsorglich ist (vgl. PFB S. 385 f., 411). 49 Die vom Beklagten im gerichtlichen Verfahren vorgelegte länderübergreifende Projektprognose 2019 mag interne Kontrollüberlegungen zur ""Bauwürdigkeit"" des Vorhabens gestützt haben, lag aber der konkreten Planung nicht zugrunde, sodass die diesbezüglichen Rügen des Klägers das Vorhaben nicht in Frage stellen. 50 b) Die Alternativenprüfung weist keine Fehler auf, insbesondere durfte der Beklagte die Nullvariante und Null-Plus-Variante ausscheiden. 51 Auch bei Vorliegen einer gesetzlichen Bedarfsfeststellung ist die Planfeststellungsbehörde bei der gebotenen Abwägung aller für und gegen das Vorhaben sprechenden Gesichtspunkte nicht von der Prüfung befreit, ob gleichwohl einer von der gesetzlichen Festlegung abweichenden Trassierung oder sogar einem Verzicht auf die Projektverwirklichung der Vorzug zu geben ist (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 15. Januar 2004 - 4 A 11.02 - BVerwGE 120, 1 <4> und vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 676). 52 Der Planfeststellungsbeschluss thematisiert die Möglichkeiten eines Verzichts auf den Neubau der A 14 unter Berücksichtigung eines etwaigen ein- oder zweibahnigen Ausbaus der B 189 ausführlich (PFB S. 389 - 392 sowie in Auseinandersetzung mit den damaligen Einwendungen des BUND S. 479 - 481), lehnt diese Alternativen aber ab, weil auch der einbahnige Ausbau der B 189 unter Verzicht auf eine Autobahn ein anderes Vorhaben darstelle, das dem gesetzgeberischen Planungsziel widerspreche, und eine weitergehende Ertüchtigung der B 189 umfangreiche Ausbauten und Veränderungen wie etwa die Neuschaffung einer Ausweichstrecke für den langsamen Verkehr erforderlich machen würde. Mit dieser Argumentation setzt sich der Kläger nicht auseinander. Sein Verweis auf die Verkehrszahlen der Zielnetzprognose 2030 ist auch in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Ein Verzicht auf die Realisierung der streitgegenständlichen Verkehrskosteneinheit würde zu einer Unterbrechung der im Übrigen weitgehend fertiggestellten oder jedenfalls bestandskräftig planfestgestellten Autobahn führen und die angestrebte Verbindungsfunktion verfehlen. Der Lückenschluss im Autobahnnetz könnte nicht erreicht werden (vgl. zur Alternativenprüfung für andere Teilabschnitte des Gesamtprojekts bereits BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2013 - 9 A 16.12 - BVerwGE 146, 254 Rn. 86 f. und vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - NVwZ 2014, 1008 Rn. 122 [insoweit in BVerwGE 149, 31 nicht abgedruckt]). 53 c) Die Dimensionierung des Vorhabens ist nicht zu beanstanden. 54 Soweit der Kläger auf die Verkehrszahlen der Zielnetzprognose 2030 (VB) verweist, die den Bau einer Autobahn nicht rechtfertigen könnten und im Übrigen allenfalls einen Regelquerschnitt (RQ) 25 nach Einzelfallprüfung zuließen, geht auch hier sein Ansatz fehl, weil die Zielnetzprognose 2030 nicht maßgebend ist. Es gibt auch keine Mindestbelegungszahlen, bei deren Unterschreitung eine Autobahn nicht gebaut werden dürfte. Im Übrigen richtet sich der Straßenquerschnitt nicht nach dem durchschnittlichen Verkehrsaufkommen, sondern nach der die Netzfunktion ausdrückenden Straßenkategorie, die sich nach den Richtlinien für integrierte Netzgestaltung (RIN Ausgabe 2008) bestimmt. Die funktionale Gliederung nach den RIN bildet die Grundlage für den Entwurf und Betrieb der Straße, die dann entsprechend den jeweils gültigen Entwurfsregelwerken - wie etwa den Richtlinien für die Anlage von Autobahnen (RAA, Ausgabe 2008) – zu gestalten ist. Auf der Grundlage der RIN hat der Bundesverkehrswegeplan 2030 das Gesamtvorhaben der Nordverlängerung der A 14 der Verbindungsfunktionsstufe 0 zugeordnet, die Verbindungen zwischen Metropolregionen beschreibt und mit der Verkehrswegekategorie AS 0 (Autobahnen) verknüpft ist. Der kleinste Regelquerschnitt, der in Ausnahmefällen für Autobahnen in Betracht kommt, sofern es sich nicht um Stadtautobahnen handelt, ist der RQ 28 (vgl. RAA Nr. 4.3.2 S. 21). Vor diesem Hintergrund bestand kein Anlass für die vom Kläger geforderte Abwägung einer weitergehenden Querschnittsreduzierung. 55 d) Die Abwägungsentscheidung lässt weder bei der Bewertung der verkehrlichen Belange noch im Übrigen die gebotene Unvoreingenommenheit vermissen. 56 Die Planfeststellungsbehörde muss die ihr übertragene Befugnis zur planerischen Gestaltung in unparteiischer Weise wahrnehmen. Der rechtsstaatliche Grundsatz der fairen Verfahrensgestaltung verpflichtet sie, sich ein Maß an innerer Distanz und Neutralität zu bewahren, das es ihr ermöglicht, zu einer problemabgewogenen Entscheidung zu gelangen. Denn nur auf der Grundlage von Gestaltungsfreiheit und innerer Unabhängigkeit kann sie die Aufgabe einer eigenen planerischen Entscheidung erfüllen und im Rahmen der Abwägung den erforderlichen gerechten Ausgleich zwischen den vom Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belangen herstellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Dezember 1986 - 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214 <230 f.>, vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 24 und vom 24. November 2011 - 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 Rn. 20, 22). 57 Dass diese Anforderungen hier nicht erfüllt wären, lässt sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen. Seine Rüge, die einseitige Abwägung zugunsten der Planung ergebe sich aus der einseitigen Berücksichtigung der Zielnetzprognose 2030, geht auch hier fehl, weil deren Verkehrszahlen - wie dargelegt - für die Gesamtabwägung nicht maßgeblich waren. Im Übrigen sind die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss zur Zielnetzprognose inhaltlich nicht zu beanstanden und belegen - auch in der Gesamtschau –, dass die Planfeststellungsbehörde die in der Zielnetzprognose ermittelten Verkehrszahlen zwar zu Kontrollzwecken in den Blick genommen, die konkrete Planentscheidung aber einheitlich auf der Grundlage der projektspezifischen Verkehrsprognose getroffen hat, unabhängig davon, ob sich deren höhere Verkehrszahlen im konkreten Zusammenhang günstig oder ungünstig auf die Planung auswirkten. 58 Soweit der Kläger geltend macht, zentrale Entscheidungen seien nicht von der Planfeststellungsbehörde selbst getroffen, sondern vom Verkehrsministerium vorgegeben worden, und dabei auf ""verschiedene Stellen"" der Verwaltungsvorgänge verweist, ist sein Vortrag unsubstantiiert. Aus der einzigen konkret benannten E-Mail, in der ein Mitarbeiter des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt, der in der im Landesverwaltungsamt angesiedelten Außenstelle ""Straßenplanung und -entwurf, Infrastrukturplanung Autobahn"" tätig ist, seine (fachliche) Einschätzung zu der Plausibilitätsprüfung formuliert, lässt sich weder der vom Kläger beanstandete ""Duktus einer Weisung"" noch eine sonstige Form der unzulässigen Einflussnahme ableiten. 59 2. Den Belangen des Klimaschutzes, die hier auch unter dem Gesichtspunkt der globalen Klimaauswirkungen und der nationalen Klimaschutzziele (a) im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen waren (b), trägt der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung des Begründungsergänzungsbeschlusses im Ergebnis hinreichend Rechnung (c). 60 a) Die Planfeststellungsbehörde musste bei ihrer Entscheidung die Aspekte des globalen Klimaschutzes und der Klimaverträglichkeit berücksichtigen. Dies ergibt sich aus Art. 20a GG i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 1 des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG). 61 Die Bestimmung in Art. 20a GG verpflichtet den Staat - auch in Verantwortung für künftige Generationen - zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen; dies umfasst auch die Verpflichtung zum Klimaschutz einschließlich des Ziels der Herstellung von Klimaneutralität (vgl. grundlegend BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78, 96 und 288/20 - BVerfGE 157, 30 Rn. 197 f.). Zu den Adressaten des Schutzgebots gehört die vollziehende Gewalt ""nach Maßgabe von Gesetz und Recht"". Das bedeutet, dass für die Verwaltung die Staatsziele des Art. 20a GG grundsätzlich dort Bedeutung entfalten, wo die Gesetze ihr Gestaltungsspielräume überlassen; dies ist etwa im Rahmen von planerischen Entscheidungen der Fall (vgl. Krings, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 15. Aufl. 2022, Art. 20a Rn. 18). Nähere Vorgaben enthält das Grundgesetz selbst allerdings nicht. Art. 20a GG mit dem darin enthaltenen Klimaschutzgebot bedarf daher zunächst der gesetzgeberischen Ausgestaltung und Konkretisierung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78, 96 und 288/20 - BVerfGE 157, 30 Rn. 205); erst diese kann - und muss - der Vorhabenplanung zugrunde gelegt werden. Eine solche Konkretisierung ist mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz erfolgt. 62 Das am 18. Dezember 2019 in Kraft getretene Bundes-Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2513) - KSG - hat den maßgeblichen Rechtsrahmen für die nationale Klimapolitik geschaffen, das Klimaschutzziel des Grundgesetzes konkretisiert und durch § 1 Satz 3 KSG näher bestimmt (BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78, 96 und 288/20 - BVerfGE 157, 30 Rn. 197, 208). Im Abschnitt 5 über die ""Vorbildfunktion der öffentlichen Hand"" werden Vorgaben für die Berücksichtigung von Klimaschutzbelangen innerhalb des allgemeinen Verwaltungshandelns formuliert. Zentrale Vorschrift ist dabei das in § 13 KSG normierte Berücksichtigungsgebot. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG haben die Träger öffentlicher Aufgaben bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck dieses Gesetzes und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele zu berücksichtigen. Dieses Gebot konkretisiert die allgemeine Vorbildfunktion der öffentlichen Hand und soll nach dem Willen des Gesetzgebers bei allen Planungen und Entscheidungen zum Tragen kommen, soweit im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben Entscheidungsspielräume bestehen, ""insbesondere, soweit die zugrunde liegenden Vorschriften bestimmte Entscheidungen vom Vorliegen von 'öffentlichen Interessen' oder 'vom Wohl der Allgemeinheit' abhängig machen, wenn sie den zuständigen Stellen Planungsaufgaben geben oder Abwägungs-, Beurteilungs- und Ermessensspielräume zuweisen"" (BT-Drs. 19/14337 S. 36). Das Berücksichtigungsgebot gilt damit umfassend für jede nicht gesetzesgebundene Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung, die klimarelevante Auswirkungen haben kann (vgl. Schink, NuR 2021, 1), und erstreckt sich als materiell-rechtliche Vorgabe des Bundesrechts auf sämtliche Bereiche, für die dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz zusteht, in denen es also um den Vollzug von materiellem Bundesrecht geht (vgl. etwa Klinski/Scharlau/von Swieykowski-Trzaska/Keimeyer/Sina, NVwZ 2020, 1 <5>). Es begründet dabei selbst keine neuen Handlungs- oder Entscheidungsspielräume, sondern setzt das Bestehen derartiger Spielräume aufgrund anderer gesetzlicher Regelungen voraus. Überall dort, wo materielles Bundesrecht auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe verwendet oder Planungs-, Beurteilungs- oder Ermessensspielräume konstituiert, sind nunmehr der Zweck und die Ziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes als (mit-)entscheidungserhebliche Gesichtspunkte in die Erwägungen einzustellen (vgl. Klinski/Scharlau/von Swieykowski-Trzaska/Keimeyer/Sina, NVwZ 2020, 1 <6>; Schink, NuR 2021, 1 <3> und in: Frenz, Klimaschutzrecht, 2. Aufl. 2022, § 13 KSG Rn. 18). Damit findet das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG auch im Rahmen des Fachplanungsrechts für Bundesfernstraßen Anwendung. 63 b) Rechtlicher Anknüpfungspunkt für die danach gebotene Berücksichtigung des globalen Klimaschutzes ist vorliegend nicht die Umweltverträglichkeitsprüfung (aa), sondern (nur) die Gesamtabwägung nach § 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG (bb). 64 aa) Die globalen Klimaschutzziele gehören hier nicht zum Prüfungsprogramm der Umweltverträglichkeitsprüfung. 65 (1) Für das streitgegenständliche Planfeststellungsverfahren ist das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) nach § 74 Abs. 2 Nr. 2 UVPG noch in der bis zum 15. Mai 2017 geltenden Fassung vom 24. Februar 2010 - UVPG a. F. - anzuwenden, denn der Antrag auf Durchführung des Planfeststellungsverfahrens für die VKE 2.2 unter Vorlage der Planfeststellungsunterlagen ist im Jahr 2014 und damit vor dem 16. Mai 2017 erfolgt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats erfordert die Umweltverträglichkeitsprüfung nach altem Recht keine Berücksichtigung globaler Klimaauswirkungen, weil der Begriff des Klimas in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UVPG a. F. allgemein eng im Sinne des standortbezogenen lokalen Klimas verstanden wurde und auch europarechtlich eine großräumigere Betrachtung des Klimas nicht geboten war. Die UVP-Richtlinie legt fest, was - europarechtlich - im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung zu ermitteln ist, und benennt die maßgeblichen Schutzgüter; das großräumige Klima gehörte nach altem Recht nicht dazu. Ein erweiterter Klimabegriff wurde erst durch die Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 124 S. 1) zum Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht, wobei die Richtlinie in Art. 3 Abs. 2 Buchst. b ebenfalls eine Übergangsregelung mit entsprechendem Stichtag enthält (Vorlage der Informationen nach Art. 5 Abs. 1 UVP-RL a. F. vor dem 16. Mai 2017), der bei Änderung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in § 74 UVPG übernommen wurde (vgl. im Einzelnen BVerwG, Beschluss vom 27. November 2018 - 9 A 10.17 - juris Rn. 34 ff.; Urteile vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - BVerwGE 166, 132 Rn. 19 ff. und vom 24. Februar 2021 - 9 A 8.20 - BVerwGE 171, 346 Rn. 35 ff.). Auch die Europäische Kommission geht davon aus, dass in Bezug auf die Stichtagsregelung (""vor dem 16. Mai 2017"") zwischen solchen Projekten, die der UVP-Richtlinie von 2011 (Richtlinie 2011/92/EU), und solchen, die der UVP-Richtlinie von 2014 (Richtlinie 2014/52/EU) unterfallen, zu unterscheiden ist und (nur) die geänderte Fassung der Richtlinie Bestimmungen zum Klimawandel umfasst (vgl. Bekanntmachung der Kommission, Technische Leitlinien für die Sicherung der Klimaverträglichkeit von Infrastrukturen im Zeitraum 2021 - 2027, ABl. 2021/C 373/1, S. 43 f., 64). 66 (2) Das Inkrafttreten des Bundes-Klimaschutzgesetzes gebietet keine andere Beurteilung und führt nicht zu einer nachträglichen ""Aufladung"" und Erweiterung des Begriffs der Umweltauswirkungen bei der Umweltverträglichkeitsprüfung um den Aspekt des globalen Klimas. Das Berücksichtigungsgebot des § 13 KSG soll - wie dargelegt - immer dann zur Anwendung kommen, wenn es um die Ausfüllung vorhandener Entscheidungsspielräume geht, nicht aber neue Aufgaben begründen. Besteht im Planfeststellungsverfahren nach den einschlägigen Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung keine Verpflichtung, das globale Klima zu betrachten, wird eine solche Pflicht nicht durch das Bundes-Klimaschutzgesetz erstmals begründet. Für die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung gelten besondere verfahrensrechtliche Regelungen, insbesondere Auslegungs- und Beteiligungsverpflichtungen, mit der Folge, dass veränderte inhaltliche Anforderungen auch die Wiederholung bereits absolvierter Verfahrensschritte erfordern würden. Die Übergangsvorschrift in § 74 Abs. 2 UVPG, die - wie dargelegt - der europarechtlichen Regelung nachgebildet ist, soll verhindern, dass bereits laufende Planfeststellungsverfahren aufgrund von Rechtsänderungen immer wieder von neuem begonnen oder abgeschlossene Verfahrensschritte wiederholt werden müssen. Dieses Ziel würde unterlaufen, wenn das Inkrafttreten des Bundes-Klimaschutzgesetzes dazu führte, die im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung formulierten Prüfungsinhalte anders auszulegen und der Sache nach zu erweitern. 67 Vor diesem Hintergrund besteht für den Senat kein Zweifel, dass es im Einklang mit der UVP-Richtlinie steht, dass die hier nach altem Recht durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung nicht nachträglich wiederaufgenommen und um einen weiteren Prüfungspunkt ergänzt wurde. Aus diesem Grund besteht auch kein Anlass für die vom Kläger mit Schriftsatz vom 30. März 2022 (S. 51) beantragte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof. 68 (3) Dafür, dass der nationale Gesetzgeber dies nicht anders beurteilt hat, spricht im Übrigen auch der Umstand, dass er zusammen mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz eine punktuelle Änderung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung beschlossen hat, ohne einen Anlass zu weitergehenden Veränderungen zu sehen. Dem Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG kann im Übrigen auch bei noch nicht abgeschlossenen ""Altverfahren"" Geltung verschafft werden (siehe dazu sogleich unter bb). 69 bb) Der globale Klimaschutz und die Klimaschutzziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes gehören zu den öffentlichen Belangen, die in die Abwägung nach § 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG einzustellen sind und daher auch im vorliegenden Planfeststellungsverfahren, das bei Inkrafttreten des Bundes-Klimaschutzgesetzes noch nicht abgeschlossen war, zu berücksichtigen waren. 70 (1) Die Einbeziehung der Klimaschutzbelange in die Gesamtabwägung ist ein Aspekt, den der Kläger gerichtlich geltend machen kann. Seiner Rügebefugnis steht nicht die Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 10 KSG entgegen, wonach subjektive Rechte und klagbare Rechtspositionen durch oder aufgrund des Gesetzes nicht begründet werden. Dem Kläger als anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung nach § 3 UmwRG steht gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG unabhängig von der Geltendmachung einer Verletzung eigener Rechte ein Klagerecht gegen den streitigen Planfeststellungsbeschluss als Zulassungsentscheidung i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG zu. Diese Verbandsklagebefugnis ist vor dem Hintergrund von Art. 9 Abs. 2 und 3 der Aarhus-Konvention im Interesse eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte grundsätzlich weit auszulegen, um es einer Umweltschutzorganisation zu ermöglichen, eine Entscheidung, die möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, gerichtlich überprüfen zu lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2020 - 9 A 22.19 - BVerwGE 168, 368 Rn. 18 m. w. N.). Zu den umweltbezogenen Vorschriften im Sinne der Aarhus-Konvention gehören auch die Klimaschutzziele (vgl. etwa Appel/Meyn, DB-Beil. 2021, 5 <8>). Vor diesem Hintergrund kann der Ausschluss klagbarer Rechte im Bundes-Klimaschutzgesetz nicht so verstanden werden, dass damit die unionsrechtlich geforderte und im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz gewährleistete Klagebefugnis von Umweltschutzorganisationen eingeschränkt und ihnen die Möglichkeit, die Frage der ordnungsgemäßen Einbeziehung der Klimaschutzbelange in Ermessens- und Abwägungsentscheidungen gerichtlich überprüfen zu lassen, verwehrt werden soll. Eine derartige Intention ist auch den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Der Gesetzgeber verstand die (ursprünglich in § 4 Abs. 1 Satz 7 KSG formulierte) Ausschlussregelung vielmehr als deklaratorische Klarstellung, dass die im Gesetz geregelten Jahresemissionsmengen keine einklagbaren Rechte oder Pflichten für Bürger oder Unternehmen begründen (BT-Drs. 19/14337 S. 28). 71 (2) Das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG erfordert, dass im Rahmen der Abwägung die Auswirkungen der Planungsentscheidung auf den Klimaschutz - bezogen auf die in §§ 1 und 3 KSG konkretisierten nationalen Klimaschutzziele - zu ermitteln und die Ermittlungsergebnisse in die Entscheidungsfindung einzustellen sind (vgl. etwa Schlacke, EurUP 2020, 338 <343>; Schink, in: Frenz, Klimaschutzrecht, 2. Aufl. 2022, § 13 KSG Rn. 24 f.). Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, ""die Bedeutung der Entscheidung für den Klimaschutz zu ermitteln und Klimaschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen, soweit keine entgegenstehenden, überwiegenden rechtlichen oder sachlichen Gründe vorliegen"" (BT-Drs. 19/14337 S. 36). 72 c) Die nach § 13 KSG gebotene Berücksichtigung der Klimaschutzbelange ist im Planfeststellungsbeschluss vom 14. Dezember 2020 unterblieben, sodass der Beschluss zunächst an einem Abwägungsdefizit litt. Dieser Mangel ist jedoch behoben worden, weil der Beklagte während des gerichtlichen Verfahrens die Abwägung in Bezug auf das Klima nachgeholt und die Begründung des Planfeststellungsbeschlusses mit Beschluss vom 24. Februar 2022 insoweit ergänzt hat. Dies lässt im Ergebnis weder formelle noch materielle Fehler erkennen. 73 aa) Das Bundes-Klimaschutzgesetz enthält keine näheren Vorgaben für das Verfahren der ""Berücksichtigung"", es gelten die allgemeinen planungsrechtlichen Grundsätze. Die Abwägung der Klimabelange durfte daher verfahrensrechtlich im Wege des ergänzenden Verfahrens gemäß § 17 Abs. 1 Satz 5 FStrG i. V. m. § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG nachgeholt werden. Diese Form der Fehlerbehebung kann auch prozessbegleitend während eines gerichtlichen Verfahrens erfolgen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 155 m. w. N.; Urteil vom 27. Juni 2019 - 7 C 22.17 - Buchholz 406.403 § 64 BNatSchG 2010 Nr. 2 Rn. 30). 74 Entgegen der Auffassung des Klägers bedurfte es hierfür keiner erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung. Wie ausgeführt, war der Aspekt des globalen Klimas nicht Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung, sodass die verfahrensrechtlichen Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung insoweit nicht einschlägig sind. Der Träger des Vorhabens hat keine neue ""Unterlage"" i. S. d. § 6 UVPG a. F. zur Klimaverträglichkeit erstellt, und es gibt auch keine neuen, im Verhältnis zum ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss veränderten Umweltauswirkungen. Der Beklagte hat lediglich die Abwägungsentscheidung ergänzt, um einen Abwägungsfehler des gegenüber dem Kläger noch nicht bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses zu beseitigen, ohne die Planung inhaltlich zu verändern. Dies begründet keine Pflicht zu einer erneuten Offenlage (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 33 m. w. N.; zur Möglichkeit einer auf Begründungselemente beschränkten Änderung des Planfeststellungsbeschlusses nur im Verhältnis zum Kläger auch BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - BVerwGE 149, 31 Rn. 16). 75 Verfahrensrechtlich zutreffend hat der Beklagte den Abwägungsmangel dadurch behoben, dass er die in der Gesamtabwägung fehlenden Verfahrensschritte nachgeholt hat, indem er die Abwägung um die Ermittlung und Bewertung des bislang fehlenden Belangs des Klimaschutzes ergänzt, auf dieser Grundlage die Gesamtabwägung erneut ergebnisoffen vorgenommen und das neue Abwägungsergebnis in der Planbegründung dokumentiert hat. Die ergänzende Begründung ist mit dem ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss zu einem einzigen Plan in der durch den Ergänzungsbeschluss erreichten Gestalt verschmolzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2010 - 9 A 25.09 - NVwZ 2011, 175 Rn. 24). 76 bb) Die Abwägung der Klimabelange ist auch inhaltlich im Ergebnis nicht zu beanstanden. 77 (1) Das Berücksichtigungsgebot des § 13 KSG verlangt, den Zweck des Gesetzes und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele zu berücksichtigen. Weitere Anforderungen und Vorgaben zur Art und Weise der Umsetzung dieser Verpflichtung in einem Planfeststellungsverfahren enthält das Gesetz nicht. 78 (a) Der Maßstab für die nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG gebotene Berücksichtigung des Klimaschutzes ergibt sich aus dem in § 1 KSG umschriebenen Zweck und den in § 3 KSG festgelegten Zielen des Gesetzes. Danach geht es um die dem Bundes-Klimaschutzgesetz zugrunde liegende Verpflichtung nach dem Pariser Übereinkommen, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, und die Treibhausgasemissionen entsprechend den in § 3 KSG festgeschriebenen Vorgaben zu mindern. Die in § 1 Satz 3 KSG genannte Temperaturschwelle ist dabei als verfassungsrechtlich maßgebliche Konkretisierung des Klimaschutzziels des Grundgesetzes anzusehen (BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78, 96 und 288/20 - BVerfGE 157, 30 Rn. 209). Dementsprechend muss bei den Planungen und Entscheidungen die Frage in den Blick genommen werden, ob und inwieweit diese Einfluss auf die Treibhausgasemissionen haben und die Erreichung der Klimaziele gefährden können (vgl. etwa Klinski/Scharlau/von Swieykowski-Trzaska/Keimeyer/Sina, NVwZ 2020, 1 <6>). 79 (b) Die Bestimmungen in § 13 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 KSG finden vorliegend keine Anwendung. Der Beklagte hat zwar zutreffend auf das Bundes-Klimaschutzgesetz in der seit dem 31. August 2021 geltenden Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes vom 18. August 2021 (BGBl. I S. 3905) als das zum Zeitpunkt der Abwägung der Klimabelange geltende Recht abgestellt. Die Regelungen in § 13 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 KSG betreffen aber - auch soweit der Begriff der ""Planung"" verwendet wird - nur Maßnahmen und Entscheidungen im direkten Zusammenhang mit Investitions- und Beschaffungsvorgängen. In der Begründung zur Einführung des Bundes-Klimaschutzgesetzes führt der Gesetzgeber aus, bei Investitions- und Beschaffungsvorgängen sei das Ziel der Treibhausgasminderung als weiterer Zweck der Beschaffung zu berücksichtigen (BT-Drs. 19/14337 S. 2), und verweist zur Begründung des § 13 Abs. 2 KSG (in seiner ursprünglichen Fassung) darauf, dass der Begriff der ""Beschaffung"" als Oberbegriff für den Erhalt von vertraglichen Leistungen durch einen Träger öffentlicher Verwaltung verstanden werde und es um die Verpflichtung des Bundes zur Prüfung der für den Klimaschutz relevanten Investitionen und sonstigen Beschaffungen am Maßstab der Klimaschutzziele des § 3 KSG gehe (BT-Drs. 19/14337 S. 37). Zur Umsetzung der Vorgaben aus § 13 Abs. 2 KSG hat die Bundesregierung inzwischen in Weiterentwicklung der geltenden Bestimmungen die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen (AVV Klima) vom 19. Oktober 2021 (BAnz AT 22.10.2021 B1) erlassen. Diese hat das Ziel, die in § 13 Abs. 2 KSG für den dem Vergabeverfahren vorgelagerten Prozess der Konzeption und Strukturierung geregelte Prüf-, Berücksichtigungs- und Bevorzugungspflicht klimafreundlicher Leistungen zu einer zentralen Vorgabe für die Bedarfsanalyse und die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu machen (vgl. die Begründung vom 15. September 2021, veröffentlicht auf der Webseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz www.bmwk.de). Um einen derartigen Konzeptions- und Strukturierungsprozess im Vorfeld von Beschaffungen geht es bei einem Planfeststellungsbeschluss jedoch nicht. Dieser begründet (nur) ein Baurecht und stellt weder selbst eine Investitions- oder Beschaffungsmaßnahme dar noch bereitet er - anders als die Ausführungsplanung - eine solche unmittelbar vor, weshalb die Vorgaben nach § 13 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 KSG für ihn nicht gelten. 80 (c) Für die Ermittlung der klimarelevanten Auswirkungen oder für deren Bewertung gibt es gegenwärtig keine konkretisierenden Vorgaben. Das Bundes-Klimaschutzgesetz ist ein Rahmengesetz, das sich in erster Linie an den Gesetzgeber richtet. Bisher existieren keine Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften, Ausführungsvorschriften, Leitfäden, Handreichungen oder Ähnliches, die die Verwaltungsbehörden bei der praktischen Umsetzung ihrer Ermittlungs- und Bewertungspflichten zugrunde legen könnten. Das führt zwar nicht dazu, dass das Berücksichtigungsgebot zurzeit nicht handhabbar wäre und keine Anwendung finden würde, ist aber von Bedeutung für die Frage, was die Behörde für eine sachgerechte Erfüllung ihrer Berücksichtigungspflicht leisten muss. Die Anforderungen dürfen dabei nicht überspannt werden, müssen ""mit Augenmaß"" inhaltlich bestimmt und konkretisiert werden und dürfen der Behörde keinen unzumutbaren Aufwand abverlangen. 81 Diese Auslegung steht mit der Intention des Bundes-Klimaschutzgesetzes im Einklang. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das allgemeine Berücksichtigungsgebot nach den Vorstellungen des Gesetzgebers mit einem größeren Verwaltungsaufwand verbunden sein sollte. Die Gesetzesbegründung spricht vielmehr dagegen. So wird bezüglich des Bundes-Klimaschutzgesetzes in der ursprünglichen Fassung vom 12. Dezember 2019 ausdrücklich nur für die Erfassung von Emissionsdaten, die Emissionsberichterstattung, die Klimaschutzprogramme und die Einrichtung des Expertenrats, nicht aber im Zusammenhang mit § 13 KSG ein besonderer Erfüllungsaufwand für die Verwaltung erwartet; zusätzliche Kosten durch Datenerhebungen werden unter Hinweis auf die ohnehin erfolgende umfassende Datenerhebung ausgeschlossen (BT-Drs. 19/14337 S. 21 f.). Für das Änderungsgesetz vom 18. August 2021 wird ein besonderer Erfüllungsaufwand für die Verwaltung ausdrücklich verneint (BT-Drs. 19/30230 S. 2). Auch die - nur Beschaffungsvorgänge nach § 13 Abs. 2, Abs. 1 Satz 3 KSG betreffende - AVV Klima geht davon aus, dass für die Prognose der Treibhausgasemissionen der jeweiligen Leistungen pro Beschaffungsvorgang nur ein Zeitaufwand von 15 Minuten entsteht, und setzt detaillierte Hilfestellungen des Umweltbundesamtes voraus (Begründung vom 15. September 2021, veröffentlicht auf der Website des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz www.bmwk.de, S. 5 f.); nach § 4 Abs. 4 Satz 5 Nr. 1 AVV Klima unterbleibt zudem die Berücksichtigung von Lebenszykluskosten, wenn die Ermittlung nicht mit vertretbarem Aufwand möglich ist. 82 Danach verlangt das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG von der Planfeststellungsbehörde, mit einem - bezogen auf die konkrete Planungssituation - vertretbaren Aufwand zu ermitteln, welche CO2-relevanten Auswirkungen das Vorhaben hat und welche Folgen sich daraus für die Klimaziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes ergeben. 83 (d) Die Berücksichtigungspflicht ist sektorübergreifend im Sinne einer Gesamtbilanz zu verstehen. Klimarelevant sind dabei nicht nur die in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 KSG genannten Sektoren, die als potentiell emissionsverursachende Sektoren den Minderungszielen des § 3 KSG unterworfen sind, sondern alle in Anlage 1 des Bundes-Klimaschutzgesetzes genannten Sektoren und damit auch der positiv für die Gesamtbilanz wirkende Beitrag des Sektors Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft nach § 3a KSG (Nr. 7 der Anlage 1 zum Gesetz). Dieser ist daher in den Blick zu nehmen, wenn Klimasenken durch das Vorhaben beeinträchtigt oder zerstört werden. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG. 84 Das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG verweist auf Zweck und Ziele des Gesetzes, die auf eine Gesamtbilanz gerichtet sind. Es geht um die Einhaltung der nationalen, europäischen und völkerrechtlichen Klimaschutzziele, wobei langfristig eine ""Netto-Treibhausgasneutralität"" im Sinne eines Gleichgewichts zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken angestrebt wird (BT-Drs. 19/14337 S. 24). Wie oben bereits ausgeführt wurde, soll der Klimaschutz querschnittsartig überall dort geprüft werden, wo Abwägungs-, Beurteilungs- oder Ermessensspielräume bestehen (BT-Drs. 19/14337 S. 36). Das verlangt, dass das gesamte Bundes-Klimaschutzgesetz zu beachten ist und damit auch die den Beitrag des Sektors Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft regelnde Vorschrift des § 3a KSG. Soweit für diesen Sektor nach § 2 Nr. 8 KSG die Anwendung einzelner Vorschriften ausgeschlossen ist, betrifft dies nicht § 13 KSG. Auch wenn die verschiedenen Sektoren unterschiedlichen Ressorts zugeordnet sind, die jeweils für die Einhaltung der Jahresemissionsmengen in dem ihnen zugeordneten Bereich verantwortlich sind, bedeutet dies nicht, dass Auswirkungen des einen auf den anderen Sektor bei der Abwägung ausgeblendet werden dürfen. Sinn und Zweck des Berücksichtigungsgebots würde verfehlt, wenn sich die Betrachtung nur auf einen Ausschnitt beschränken würde, selbst wenn dies der Teilbereich mit der konkret größten Klimarelevanz sein mag. Es ist zwar nicht geboten, dass die Verwaltung in aufwändige Ermittlungen zu klimarelevanten Auswirkungen einsteigt, sie darf aber andererseits auch nicht die Augen vor erkennbaren Klimafolgen verschließen. 85 (e) Für die Bewertung des Ergebnisses im Rahmen der Abwägungsentscheidung gilt, dass § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG eine Berücksichtigungspflicht, aber keine gesteigerte Beachtenspflicht formuliert und nicht im Sinne eines Optimierungsgebots zu verstehen ist (vgl. Schink, in: Frenz, Klimaschutzrecht, 2. Aufl. 2022, § 13 KSG Rn. 25; Klinski/Scharlau/von Swieykowski-Trzaska/Keimeyer/Sina, NVwZ 2020, 1 <6>; Schlacke, EurUP 2020, 338 <343 und 344>; Kment, NVwZ 2020, 1537 <1543 f.>; Hermes, EurUP 2021, 162 <165 f.>; Wickel, ZUR 2021, 332 <337>; Appel/Meyn, DB-Beil. 2021, 5 <6>). Dafür spricht bereits ein Vergleich des Wortlauts der Vorschrift mit dem des § 13 Abs. 2 KSG, in dem der Vorrang bestimmter Maßnahmen bei der Abwägung ausdrücklich bestimmt ist. 86 Dem Klimaschutzgebot kommt trotz seiner verfassungsrechtlichen Bedeutung kein Vorrang gegenüber anderen Belangen zu; ein solcher lässt sich weder aus Art. 20a GG noch aus § 13 KSG ableiten. Auch aus dem Klimaschutzbeschluss des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich nichts anderes (vgl. auch Uechtritz/Ruttloff, NVwZ 2022, 9 <11 f.>). Dieses hat vielmehr klargestellt, dass Art. 20a GG keinen unbedingten Vorrang gegenüber anderen Belangen genießt, sondern im Konfliktfall in einen Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen ist, wobei das relative Gewicht des Klimaschutzgebots in der Abwägung bei fortschreitendem Klimawandel weiter zunimmt (BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78, 96 und 288/20 - BVerfGE 157, 30 Rn. 198). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das Berücksichtigungsgebot insbesondere querschnittartig Regelungslücken schließen, soweit die Fachgesetze die Berücksichtigung des Klimaschutzes nicht ausdrücklich vorschreiben, und für alle eröffneten Abwägungs-, Beurteilungs- und Ermessensspielräume Bedeutung haben. Mit dieser weitreichenden Geltung für eine Vielzahl unterschiedlichster rechtlicher und tatsächlicher Konstellationen ließe sich die Annahme einer generellen Vorrangstellung des Klimaschutzes nicht vereinbaren. Auch der Gesetzgeber verlangt eine Berücksichtigung nur, ""soweit keine entgegenstehenden, überwiegenden rechtlichen oder sachlichen Gründe vorliegen"" (BT-Drs. 19/14337 S. 36). 87 Bei dem Berücksichtigungsgebot bleibt es auch im Lichte der gesetzlichen Planfeststellung im Bundesverkehrswegeplan 2030. Ihr kann keine Vorfestlegung zugunsten des Projekts entnommen werden, weil die konkreten Klimaschutzziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes nicht Gegenstand dieser Entscheidung waren und insbesondere der Aspekt der Landnutzungsänderung auf dieser übergeordneten Ebene nicht sinnvoll betrachtet werden konnte. Geboten nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG ist demnach das Einstellen der ermittelten klimarelevanten Auswirkungen in die Abwägung ohne gesetzlich vorgegebene Gewichtung oder Bindungswirkung. Maßgebend sind die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, nach denen sich gegebenenfalls auch konträre abwägungsrelevante Belange und Interessen durchsetzen können. 88 (2) Gemessen an diesen Vorgaben ist die vom Beklagten durchgeführte Abwägung der Klimabelange im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Planfeststellungsbeschluss hat die dem Sektor Verkehr (a) und Industrie (b) zuzurechnenden Treibhausgasemissionen in ausreichender Weise ermittelt und ermessensfehlerfrei in die Abwägung eingestellt (c); soweit er die Inanspruchnahme von Waldflächen nicht ausdrücklich unter dem Aspekt des Klimaschutzes behandelt, wirkt sich dies jedenfalls im Ergebnis nicht aus (d). 89 (a) Bei der Betrachtung des Verkehrssektors (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSG) durfte der Beklagte vor dem Hintergrund der konkreten Planungs- und Entscheidungssituation auf die im Projektinformationssystem zum Bundesverkehrswegeplan 2030 (PRINS) hinterlegten Zahlen zurückgreifen. 90 Der Planfeststellungsbeschluss verweist zur Ermittlung der dem Projekt zuzurechnenden CO2-Emissionen auf die Informationen, die im PRINS für das Gesamtprojekt ""A 14 AS Karstädt - AS Dahlenwarsleben"" hinterlegt sind. Zugrunde gelegt werden sowohl die betriebsbedingten CO2-Emissionen als auch die CO2-Äquivalente aus Lebenszyklusemissionen, wobei die für das Gesamtprojekt ausgewiesenen Gesamtemissionen entsprechend dem Verhältnis der Länge der VKE 2.2 an der Gesamtstrecke auf das streitige Vorhaben heruntergerechnet werden. Dieser Ansatz begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. 91 Die Zahlen in PRINS sind vorhandene, leicht zugängliche Daten, die Grundlage der gesetzlichen Bedarfsfeststellung sind. Es handelt sich um Dossiers zu den im Bundesverkehrswegeplan 2030 aufgeführten Verkehrsprojekten, die die Ergebnisse der Nutzen-Kosten-Analyse, der umwelt- und naturschutzfachlichen Beurteilung sowie der raumordnerischen und städtebaulichen Beurteilung darstellen und in einem Sachzusammenhang stehen mit der Entscheidung über das Vorhaben, hier projektspezifisch bezogen auf die Nordverlängerung der A 14 in Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Dass geeignetere, aussagekräftigere und damit ""bessere"" Daten vorhanden gewesen wären, ist nicht ersichtlich; die Durchführung eigener Untersuchungen und Berechnungen war vor diesem Hintergrund nicht geboten. 92 Soweit der Kläger auf den Grundsatz der einheitlichen Prognose als Grundlage der Planfeststellung verweist, wäre die Erstellung einer neuen Verkehrsprognose lediglich zur Beurteilung der Klimaauswirkungen mit einem Aufwand verbunden, der hier unverhältnismäßig wäre und daher nicht geboten ist. Die der Planung zugrunde liegende projektspezifische Verkehrsuntersuchung aus dem Jahr 2008 - deren Verkehrszahlen der Kläger als zu hoch angreift - ist zur sachgerechten Ermittlung klimarelevanter Auswirkungen jedenfalls nicht vorzugswürdig, weil sie nicht die aktuellen Annahmen widerspiegelt. 93 Das ""Herunterrechnen"" der Zahlen auf den einzelnen Abschnitt begegnet im vorliegenden Fall keinen Bedenken. Die VKE 2.2 weist keine klimarelevanten Besonderheiten gegenüber den übrigen Abschnitten auf; ihre Planfeststellung entfaltet auch keine ""Pilotwirkung"" für das Gesamtprojekt oder Vorwirkung für andere Abschnitte, vielmehr handelt es sich um einen ""Lückenschluss im Lückenschluss"". 94 (b) Auch auf den Sektor Industrie ist der Planfeststellungsbeschluss mit den Erwägungen zu Lebenszyklusemissionen in ausreichendem Umfang eingegangen. Weitere Ermittlungen waren hier nicht erforderlich. 95 (c) Die Bewertung der für die Sektoren Verkehr und Industrie ermittelten Treibhausgasemissionen in Bezug auf die Klimaschutzziele und ihre Einstellung in die Gesamtabwägung lässt keinen Abwägungsmangel erkennen. 96 Mit Blick auf die Treibhausgasminderungsziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes kommt der Planfeststellungsbeschluss zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben als solches eine emissionserhöhende Wirkung habe und deshalb für sich betrachtet den Minderungszielen des KSG zuwiderliefe, bei Abwägung aller betroffenen Belange die zugunsten des Projekts sprechenden Gründe aber die mit ihm verbundenen Nachteile gleichwohl überwögen. Zur Begründung wird ausgeführt, der durch die A 14 primär induzierte Neuverkehr (PIV) umfasse nach der Länderübergreifenden Verkehrsuntersuchung je nach Lage des Abschnitts rund 2 000 - 5 000 PKW-Fahrten je Werktag. Hinsichtlich der jeweiligen Gesamtbelastung machten diese PIV-Anteile lediglich 15 bis 30 % aus. Bezogen auf die nach Anlage 2 zu § 4 KSG zulässigen Jahresemissionsmengen stelle die der VKE 2.2 zurechenbare jährliche CO2-Belastung nur einen äußerst untergeordneten Anteil von höchstens einem Zehntel Promille dar, der sich künftig durch Umstellung auf Elektromobilität noch weiter verringern werde. Demgegenüber stritten für das Vorhaben die verkehrlichen Planungsziele. Angesichts des Grades der Verwirklichung des Gesamtprojekts der A 14-Nordverlängerung könnte auch ein Verzicht auf die VKE 2.2 nicht mehr maßgeblich zu einer Reduktion des durch das Gesamtprojekt induzierten Verkehrs und der dadurch bedingten Emissionserhöhung beitragen, sondern würde im Wesentlichen zu einer Verkehrsverlagerung führen. 97 Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat zutreffend erkannt, dass das Projekt nicht zum Klimaschutz beiträgt, sondern den Klimaschutzzielen vielmehr entgegenwirkt. Dass er dies nicht zum Anlass genommen hat, von der Planung Abstand zu nehmen, und dem Klimaschutzgebot keine Beschränkung auf die Planfeststellung ausschließlich klimaneutraler Straßenvorhaben entnommen hat, ist nicht abwägungsfehlerhaft. Das Bundes-Klimaschutzgesetz und die in ihm festgelegten konkreten Klimaschutzziele richten sich in erster Linie an den Gesetzgeber, in dessen Entscheidung es liegt, wie er innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit in den einzelnen Sektoren die Klimaziele erreichen will. Ein Verzicht auf den Bau von Straßen ist kein im Rahmen der politischen und umweltschutzfachlichen Klimaschutzdiskussionen besonders propagiertes Ziel; erst recht hat es im Bundes-Klimaschutzgesetz keinen Niederschlag gefunden. Für den Verkehrssektor sind als Steuerungsmaßnahmen für einen klimagerechten Verkehr acht Bausteine im Gespräch, die ordnungsrechtliche, ökonomische und infrastrukturelle Instrumente umfassen und die Elektrifizierung und Effizienz von Pkw und Lkw, den Abbau klimaschädlicher Subventionen, eine verursachergerechte Bepreisung, Geschwindigkeitsbegrenzungen, den Ausbau des Schienenverkehrs, die Stärkung des Öffentlichen Nahverkehrs, Rad- und Fußverkehrs sowie postfossile Brennstoffe betreffen (vgl. Umweltbundesamt, Klimaschutzinstrumente im Verkehr, Bausteine für einen klimagerechten Verkehr, Stand 19. Mai 2022, veröffentlicht auf der Webseite des Umweltbundesamtes www.umweltbundesamt.de); die Reduzierung des Baus neuer Straßen gehört nicht dazu. Das Erfordernis von Infrastruktur auch für den Individualverkehr wird als solches nicht in Frage gestellt. In der anstehenden Bedarfsplanüberprüfung sollen künftig auch die möglichen Auswirkungen des Bundes-Klimaschutzgesetzes in geeigneter Weise berücksichtigt werden (vgl. die Antwort der Bundesregierung vom 29. Oktober 2020 auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 19/23823 S. 3); es gibt aber kein Moratorium für den im Bundesverkehrswegeplan 2030 vorgesehenen Straßenbau. Hierüber zu entscheiden ist Aufgabe des Gesetzgebers und nicht der einzelnen Planfeststellung. Deswegen stellt es auch kein Abwägungsdefizit dar, dass der Planergänzungsbeschluss die voraussichtliche Verfehlung der Klimaziele im Verkehrssektor nicht eigens erwähnt. 98 Somit ist es insgesamt nicht abwägungsfehlerhaft, dass der Beklagte - auch mit Blick auf die verkehrliche Erschließungsfunktion der Nordverlängerung der A 14 und den Grad ihrer Verwirklichung - die für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Belange im Ergebnis höher gewichtet hat als die klimaschädlichen Nachteile. 99 (d) Der Planfeststellungsbeschluss geht allerdings im Zusammenhang mit der Abwägung der Klimabelange nicht auf den Sektor der Landnutzungsänderung ein. Eine solche Betrachtung wäre hier deswegen angezeigt gewesen, weil das Vorhaben in größerem Maße Waldflächen in Anspruch nimmt, deren Funktion als CO2-Senken - wie ausgeführt - im Rahmen des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG zu berücksichtigen ist. Dies hat sich jedoch jedenfalls im Ergebnis nicht ausgewirkt. Denn der Planfeststellungsbeschluss trägt dem Waldverlust in der Sache vollumfänglich Rechnung. 100 Der Umfang der Inanspruchnahme von Wald ist im Planfeststellungsbeschluss im Einzelnen festgestellt worden; im Rahmen der Eingriffsbilanz ist eine Kompensation von mindestens 1:1 vorgesehen. Dabei ist auch das Klima als betroffenes Schutzgut erkannt worden, allerdings ohne Thematisierung der besonderen Funktion der Wälder als klimarelevante CO2-Senken. Aus den im Einzelnen im Planfeststellungsbeschluss sowie dem Landschaftspflegerischen Begleitplan (LPB) aufgeführten Aufforstungsmaßnahmen zur Waldbilanz nach § 8 Landeswaldgesetz Sachsen-Anhalt (LWaldG) ergibt sich, dass mindestens eine flächenmäßig vollständige Realkompensation erreicht wird und im Ergebnis ""dem Grundsatz der Walderhaltung im vollen Umfang Rechnung getragen wird"" (LPB S. 184). Der Planfeststellungsbeschluss erfüllt damit die in § 6 Abs. 4 LWaldG begründete Pflicht, die Funktionen des Waldes - zu der nach § 1 Nr. 2 LWaldG auch die Schutzfunktion für das Klima gehört - angemessen zu berücksichtigen, und genügt den Anforderungen des § 8 Abs. 2 LWaldG, wonach die Genehmigung zur Umwandlung des Waldes mit der Auflage zur Erstaufforstung in einem Flächenumfang, der mindestens der umzuwandelnden Fläche entspricht, versehen werden soll. 101 Der Beklagte hat weder im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss noch in der ergänzenden Klimaabwägung die Kompensationsmaßnahmen für den Waldverlust ausdrücklich in Beziehung gesetzt zu den Zielen des Bundes-Klimaschutzgesetzes und der Funktion der Wälder als CO2-Senken. Er hat aber im Laufe des gerichtlichen Verfahrens schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung unter Darstellung der einzelnen Maßnahmen auf die Kompensation nach waldrechtlichen Vorschriften hingewiesen, die einen vollständigen Ausgleich auch unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes gewährleiste, weshalb sich kein Defizit ergebe, das nach § 13 KSG zusätzlich zu berücksichtigen wäre. 102 Ein etwaiger Abwägungsmangel hat sich danach jedenfalls im Ergebnis nicht ausgewirkt. Der Beklagte hat den Aspekt des Waldverlusts bereits im Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt und würde auch bei einer erneuten Abwägungsentscheidung zu keinem anderen Ergebnis kommen. Der Verweis auf die naturschutzrechtliche Eingriffsbilanz, die hier eine flächenmäßig vollständige Kompensation vorsieht, ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden. Auch für eine sachgerechte und praktikable Ermittlung und Bewertung der klimarelevanten Auswirkungen von Landnutzungsänderungen und der Beeinträchtigung von Klimasenken gibt es zurzeit keine wissenschaftlichen oder rechtlichen Vorgaben, Leitfäden oder sonstige Handreichungen. Soweit der Kläger das Fehlen einer Umrechnung in CO2-Äquivalente beanstandet, greift dies schon deshalb nicht durch, weil es hierfür zurzeit an Maßstäben fehlt. Das Planungsergebnis entspricht den Kompensationsvorstellungen, wie sie etwa dem Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung zugrunde liegen. Dieser benennt als sinnvolle weitere Maßnahme für den Bereich Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft, dass bei Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen im Zuge von Waldrodungen im Rahmen von Infrastrukturprojekten mindestens eine der Rodungsfläche entsprechende Waldfläche wieder aufgeforstet wird (Klimaschutzplan 2050 S. 68 f.). Weitergehende Abwägungserwägungen konnten in der vorliegenden Planungs- und Entscheidungssituation vom Beklagten nicht verlangt werden. 103 F. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Im Hinblick darauf, dass die Beigeladene erstmals in der mündlichen Verhandlung einen Klageabweisungsantrag gestellt und sich ebenfalls erstmals hier zu einzelnen Aspekten des Klagevorbringens geäußert hat, bestand keine Veranlassung, dem unterlegenen Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen." bverwg_2022-31,05.05.2022,"Pressemitteilung Nr. 31/2022 vom 05.05.2022 EN Informationszugang zu Sitzungsprotokollen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen Die anonymisierten Sitzungsprotokolle des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen unterliegen keinem besonderen Amtsgeheimnis und können deshalb Gegenstand eines Auskunftsanspruchs nach dem Informationsfreiheitsgesetz sein. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger befasst sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit dem Einfluss externer Berater im Politikbetrieb und begehrt den Informationszugang zu Sitzungsprotokollen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen. Dem Beirat gehören mehr als 30 Professoren an deutschen Universitäten an, die den Bundesfinanzminister in allen Fragen der Finanzpolitik unabhängig beraten sollen. Zu diesem Zweck werden Gutachten erstellt, die veröffentlicht werden. Über die zweitägigen Sitzungen des Beirats wird ein kurzes Verlaufsprotokoll angefertigt, das nach der Satzung des Beirats nicht veröffentlicht wird. Nach der Satzung sind die Beratungen nicht öffentlich und die Zusammenarbeit beruht auf Vertraulichkeit. Den beantragten Informationszugang lehnte das Bundesministerium ab. Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten vor dem Oberverwaltungsgericht blieb ohne Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das Bundesministerium ist nach dem Informationsfreiheitsgesetz für die Entscheidung über den Antrag auf Informationszugang zuständig. Dem Anspruch stehen Ausschlussgründe nicht entgegen. Insbesondere begründet die Satzung des Beirats als bloßes Binnenrecht kein besonderes Amtsgeheimnis im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG. Auch liegt hier nicht der Versagungsgrund des Schutzes von Behördenberatungen vor. Die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, es sei nicht davon auszugehen, dass die zukünftigen Beratungen des Beirats aufgrund einer Veröffentlichung der Protokolle beeinträchtigt würden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. BVerwG 10 C 1.21 - Urteil vom 05. Mai 2022 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 11.19 - Urteil vom 05. November 2020 - VG Berlin, VG 2 K 178.18 - Urteil vom 04. Juli 2019 -","Urteil vom 05.05.2022 - BVerwG 10 C 1.21ECLI:DE:BVerwG:2022:050522U10C1.21.0 EN Informationszugang zu Sitzungsprotokollen eines Beirats bei einem Bundesministerium Leitsätze: 1. § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG ist auf den Fall einer Zuständigkeitskonkurrenz verschiedener Behörden zugeschnitten. Ist nur eine Behörde im Besitz der Akten, ist sie verfügungsberechtigt. 2. Es bedarf für alle Varianten des § 3 Nr. 4 IFG einer gesetzlichen Spezialvorschrift, die die Geheimhaltung gebietet. 3. Die Beratungen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen sind in der Regel keine Beratungen des Ministeriums im Sinne von § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG. Rechtsquellen GG Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 65 Satz 2 IFG § 1 Abs. 1, § 3 Nr. 1 Buchst. d, § 3 Nr. 3, § 3 Nr. 4 Var. 4, § 7 Abs. 1 Satz 1 Instanzenzug VG Berlin - 04.07.2019 - AZ: 2 K 178.18 OVG Berlin-Brandenburg - 05.11.2020 - AZ: 12 B 11.19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 05.05.2022 - 10 C 1.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:050522U10C1.21.0] Urteil BVerwG 10 C 1.21 VG Berlin - 04.07.2019 - AZ: 2 K 178.18 OVG Berlin-Brandenburg - 05.11.2020 - AZ: 12 B 11.19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 2022 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Wöckel und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. November 2020 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte. Gründe I 1 Der Kläger begehrt den Zugang zu Sitzungsprotokollen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen. 2 Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am W. und befasst sich mit dem Einfluss externer Berater im Politikbetrieb und im Hinblick darauf mit der Arbeit der Wissenschaftlichen Beiräte. Dem Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen gehören mehr als 30 Professoren an deutschen Universitäten an, die den Bundesfinanzminister in allen Fragen der Finanzpolitik unabhängig beraten sollen. Zu diesem Zweck werden Gutachten erstellt, die grundsätzlich veröffentlicht werden. Über die zweitägigen Sitzungen des Beirats wird ein kurzes Verlaufsprotokoll angefertigt, das nach der Satzung des Beirats nicht veröffentlicht wird. Nach der Satzung des Beirats sind die Beratungen nicht öffentlich und die Zusammenarbeit beruht auf Vertraulichkeit. 3 Im Juni 2018 beantragte der Kläger beim Bundesministerium der Finanzen, ihm die Sitzungsprotokolle des Wissenschaftlichen Beirats zwischen 1998 und 2018 zu übersenden. Den Informationszugang lehnte das Bundesministerium ab. Das Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg. Auf die hiergegen erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte, dem Kläger Zugang zu den Sitzungsprotokollen, soweit nicht die Teilnehmerlisten betroffen sind, ohne personenbezogene Daten zu gewähren und den Antrag auf Zugang zu den Teilnehmerlisten in den Protokollen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts erneut zu bescheiden. Im Übrigen wies es die Klage ab. 4 Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit geändert, als es die Klage auch abgewiesen hat, soweit der Kläger Zugang zu den in den Protokollen als Anlagen enthaltenen Vorträgen und Gutachten begehrt hat. Außerdem hat das Berufungsgericht die Beklagte, soweit der Kläger Zugang zu dem in den Protokollen aufgeführten Tagesordnungspunkt ""Mitteilungen des Vorsitzenden"" begehrt, zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts verpflichtet. Im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte im Hinblick auf die Protokolle und deren Anlagen als verfügungsberechtigte Behörde angesehen. Die Protokolle unterlägen keiner Geheimhaltungspflicht; die Vorschriften der Beiratssatzung begründeten kein besonderes Amtsgeheimnis im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG. Dies könne nur durch den Gesetz- und Verordnungsgeber geschaffen werden. Die Verschwiegenheitspflichten aus der Beiratssatzung begründeten mit Blick auf die Wissenschaftsfreiheit ebenfalls keine besondere Amtspflicht. 5 Dem Informationsbegehren stehe nicht der Schutz von Beratungen nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG entgegen. Bei den Beratungen des Wissenschaftlichen Beirats handele es sich nicht um Beratungen einer Behörde, weil der Beirat nicht Teil einer Behörde sei. Auch könne durch eine Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle nicht die politische Entscheidungsfindung des Bundesministeriums der Finanzen im Sinne des § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG beeinträchtigt werden. Zudem könne das Bekanntwerden der Information keine nachteiligen Auswirkungen auf Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanzbehörden im Sinne von § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG haben. 6 Die Beklagte hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt und trägt vor: Dem Bundesministerium fehle die Verfügungsberechtigung über die Protokolle des Beirats und daher auch die Zuständigkeit für den klägerischen Antrag. Dass die begehrten Informationen Teil der Akten der auskunftspflichtigen Behörde seien, genüge nicht. Ausschließlich verfügungsberechtigt sei vielmehr der Urheber der Information, also vorliegend der Beirat. Als unselbstständiges beratendes Bundesgremium könne er aber nicht Anspruchsgegner sein. Eine stillschweigende Übertragung der Berechtigung auf das Bundesministerium liege nicht vor. 7 Zu Unrecht seien die Sitzungsprotokolle nicht als besonderes Amtsgeheimnis anerkannt worden. Es bedürfe keiner vom parlamentarischen Gesetzgeber erlassenen Geheimnisschutznorm. Eine Satzung, wie hier die des Beirats, könne ausreichend sein. Es reiche, wenn sich aus der Eigenart des Amts ergebe, dass mit seiner Ausübung ein besonderes Amtsgeheimnis verbunden sei. Hier gewähre die Satzung dem Wissenschaftlichen Beirat erkennbar einen autonomen wissenschaftlichen Diskussionsraum. Zudem folge aus der Wissenschaftsfreiheit, auf die sich die Beiratsmitglieder berufen könnten, ein Recht auf die Entscheidungsfreiheit über den Zugang zu ihrem wissenschaftlichen Wirken. 8 Zu Unrecht habe das Berufungsgericht den Schutz von Beratungen gemäß § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG nicht anerkannt. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, müssten Beratungen des Beirats als nicht-informationspflichtige Stellen geschützt sein. 9 Die Beklagte beantragt, unter teilweiser Änderung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. November 2020 und des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Juli 2019 die Klage insgesamt abzuweisen. 10 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. 11 Er verteidigt das angefochtene Urteil. II 12 Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil beruht auf keinem Verstoß gegen revisibles Recht. 13 1. Das Berufungsgericht ist ohne Verstoß gegen Bundesrecht davon ausgegangen, dass Anspruchsgrundlage für den Auskunftsanspruch § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG ist. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis auch zu Recht das Bundesministerium der Finanzen als nach § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG zuständige Behörde für die Bescheidung des Auskunftsantrags angesehen. 14 Nach der als Zuständigkeitsbestimmung ausgestalteten Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG entscheidet diejenige Behörde über den Informationszugang, der die Verfügungsberechtigung zusteht. Mit diesem Kriterium macht das Gesetz deutlich, dass die lediglich faktische Verfügungsmöglichkeit nicht ausreicht. Die Verfügungsberechtigung liegt aber auch nicht bereits dann vor, wenn die Information nach formalen Kriterien ordnungsgemäß Teil der Akten der grundsätzlich informationspflichtigen Behörde ist. Die ordnungsmäßige Zugehörigkeit zu den Akten ist nur notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für die Verfügungsberechtigung (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 - Buchholz 400 IFG Nr. 7 Rn. 27). 15 Verfügungsberechtigt über eine Information ist grundsätzlich diejenige Behörde, die die Information im Rahmen der Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben erhoben oder selbst geschaffen hat (siehe BT-Drucks. 15/4493 S. 14). Ihr ist sie auch zur weiteren Verwendung zugewiesen. Das umfasst auch die Entscheidung, welchem Personenkreis sie zugänglich gemacht werden soll. Wird die Information im weiteren Verlauf anderen Behörden übermittelt und ist sie demnach an mehreren Stellen verfügbar, soll mit dem Merkmal der Verfügungsberechtigung eine sachangemessene Entscheidungszuständigkeit ermöglicht werden, die sowohl der Aufgabenverteilung auf Seiten der Behörden als auch dem Interesse des Informationsberechtigten an einer aus seiner Sicht nachvollziehbaren Bestimmung der auskunftspflichtigen Stelle Rechnung trägt. Insbesondere angesichts der umfangreichen Abstimmungspraxis unter den Behörden, aufgrund deren diese in großem Umfang als Teil der bei ihnen geführten Akten über Informationen verfügen, die nicht von ihnen erhoben worden sind, sollen die Verfahren auf Informationszugang bei der Behörde konzentriert werden, der die größte Sachnähe zum Verfahren zukommt bzw. die die Verfahrensführung innehat (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 - Buchholz 400 IFG Nr. 7 Rn. 28). § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG ist daher auf den Fall einer Zuständigkeitskonkurrenz verschiedener Behörden zugeschnitten. Ist nur eine Behörde zulässigerweise im Besitz der Akten, ist sie verfügungsberechtigt. Sie hat zu prüfen, ob Ausschlussgründe vorliegen. 16 Danach ist hier das Bundesministerium der Finanzen über die begehrte Auskunft verfügungsberechtigt. Nur das Bundesministerium der Finanzen ist Behörde im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG, so dass sich die Frage der Konkurrenz von Zuständigkeiten zwischen mehreren Behörden nicht stellt. Dem Wissenschaftlichen Beirat kommt dagegen nicht die Eigenschaft einer Behörde zu. Der Behördenbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG ist funktioneller Natur. Eine Behörde ist jede Stelle im Sinne einer eigenständigen Organisationseinheit, die öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt (BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - NVwZ 2013, 431 Rn. 22). Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes bezieht sich daher allein auf die materielle Verwaltungstätigkeit der Behörden und der sonstigen Stellen des Bundes (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 7 C 1.14 - BVerwGE 152, 241 Rn. 15). Ob Letzteres der Fall ist, bestimmt sich nach materiellen Kriterien in negativer Abgrenzung zu den anderen Staatsfunktionen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 - BVerwGE 141, 122 Rn. 13). Danach erfüllt der Wissenschaftliche Beirat den Behördenbegriff nicht. 17 Zwar ist der Beirat teilweise organisatorisch selbstständig. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass seine Mitglieder auf Vorschlag des Beirats vom Bundesminister der Finanzen berufen und abberufen werden (§ 3 Satz 1 der Satzung des Wissenschaftlichen Beirats - im Folgenden: Satzung). Auch bestimmt der Beirat seinen Vorsitzenden selbst (§ 5 der Satzung). Die Mitglieder des Beirats sind zudem gegenüber dem Ministerium nicht weisungsgebunden (§ 1 der Satzung). Der Beirat leitet seine Existenz aber aus der Berufung gemäß der Ressorthoheit des Ministers nach Art. 65 Satz 2 GG und den vom Minister erlassenen und als Satzung des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen bezeichneten Regelungen ab. Nach § 1 der Satzung soll der Beirat den Bundesminister der Finanzen in voller Unabhängigkeit und ehrenamtlich in allen Fragen der Finanzpolitik beraten. Dem Beirat sind damit keine Aufgaben öffentlicher Verwaltung und entsprechende Zuständigkeiten zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts zugewiesen. Die Gutachten des Beirats sind zwar gemäß § 8 der Satzung grundsätzlich zu veröffentlichen. Allerdings ist dies Aufgabe des Bundesministers (§ 8 Satz 5 der Satzung). Der Beirat teilt die Ergebnisse der Beratungen dem Bundesminister lediglich durch gutachterliche Äußerungen mit (§ 8 Satz 1 der Satzung). Daher fehlt es im Sinne des funktionellen Behördenbegriffs des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG an einer nach außen gerichteten Tätigkeit des Beirats in eigener Zuständigkeit und im eigenen Namen. Insoweit unterscheidet sich der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission, die zwar auch ein ""beim"" zuständigen Ministerium gebildetes in erster Linie beratendes Gremium ist, das aber aufgrund des § 15 Abs. 2 LFGB befugt ist, außenwirksam zu handeln (vgl. OVG Münster, Urteil vom 2. November 2011 - 8 A 475/10 - ZLR 2011, 113 <123>). 18 2. Versagungsgründe stehen dem Anspruch auf Zugang zu den streitigen Unterlagen nicht entgegen. 19 a) Ohne Bundesrechtsverstoß hat das Berufungsgericht entschieden, dass sich die Beklagte nicht auf ein besonderes Amtsgeheimnis im Sinne von § 3 Nr. 4 Var. 4 IFG berufen kann. 20 aa) § 3 Nr. 4 IFG überlässt als Rezeptionsnorm den besonderen Geheimnisschutz den in Bezug genommenen Spezialvorschriften (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Mai 2011 - 7 C 6.10 - Buchholz 400 IFG Nr. 4 Rn. 14 f., vom 28. Juli 2016 - 7 C 3.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 19 Rn. 11 und vom 29. Juni 2017 - 7 C 22.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 24 Rn. 12). Es bedarf daher einer Spezialvorschrift, die die Geheimhaltung gebietet (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 21.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 2 Rn. 21 und 25). 21 Eine solche Spezialvorschrift ist auch im Falle des ""besonderen Amtsgeheimnisses"" im Sinne von § 3 Nr. 4 Var. 4 IFG erforderlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 22.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 24 Rn. 11 ff.). Zwar legt der Wortlaut des § 3 Nr. 4 IFG nahe, dass eine Rechtsvorschrift nur für die erste Variante geboten ist. Die systematische Auslegung des § 3 IFG zeigt aber, dass es für sämtliche Tatbestandsvarianten des § 3 Nr. 4 IFG einer formalgesetzlichen Grundlage bedarf. In § 3 Nr. 1 bis 8 IFG werden amtliche Informationen vor einem Zugang durch die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG Berechtigten durch ein komplexes System von Ausnahmegründen geschützt (Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 3 Rn. 1 und 8). Gemeinsam ist ihnen, dass sie dem Schutz ""besonderer öffentlicher Belange"" dienen. Dagegen sind die einzelnen Tatbestände der Nummern 1 bis 8 sowohl hinsichtlich der umfassten Schutzgüter als auch des Prognosemaßstabes unterschiedlich ausgestaltet (Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 3 Rn. 9). Auch in rechtstechnischer Hinsicht weisen die verschiedenen Nummern signifikante Unterschiede auf, wie sich an der singulären Bereichsausnahme des § 3 Nr. 8, aber auch und gerade an § 3 Nr. 4 IFG zeigt, der als einziger Ausschlussgrund als Rezeptionsnorm ausgestaltet ist und damit den spezialgesetzlichen Geheimhaltungsvorschriften den Vorrang einräumt. Dieses auf einer gesetzgeberischen Entscheidung beruhende differenzierte System von Ausschlussgründen würde in Frage gestellt und weitgehend entwertet, hätte es die Exekutive in der Hand, unabhängig hiervon über den Inhalt und die Reichweite eines Amtsgeheimnisses ohne gesetzliche Grundlage selbst zu entscheiden. 22 Bedarf es daher für die Bejahung eines Amtsgeheimnisses einer Rechtsvorschrift, so genügt auch insoweit eine untergesetzliche Rechtsvorschrift in Gestalt einer Rechtsverordnung (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2016 - 7 C 3.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 19 Rn. 11 ff.). 23 Solch eine Vorschrift besteht im Hinblick auf das hier in Rede stehende besondere Amtsgeheimnis nicht. Mit Recht führt das Berufungsgericht aus, dass weder § 6 Satz 3 noch § 9 der Satzung ein besonderes Amtsgeheimnis begründende Spezialvorschriften seien, weil es sich um reines Binnenrecht dieses Gremiums handelt, das nur die innere Organisation eines Organs und den Ablauf seiner Meinungs- und Willensbildung regelt. Ebenso wie bei einer Verwaltungsvorschrift fehlt es einer Geschäftsordnung an der Außenwirkung, die für eine Rechtsvorschrift charakteristisch ist (vgl. - zu § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO - BVerwG, Beschluss vom 15. September 1987 - 7 N 1.87 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 17 S. 3 f.; Urteile vom 28. Juli 2016 - 7 C 3.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 19 Rn. 16 und vom 13. Dezember 2018 - 7 C 19.17 - Buchholz 404 IFG Nr. 29 Rn. 30). 24 Zu Recht weist das Berufungsgericht außerdem darauf hin, dass zwar das Ressortrecht des Art. 65 Satz 2 GG als solches nicht dem Zugriff des Gesetzgebers unterliegt, das Recht der Minister im Rahmen gesetzlicher und haushaltsrechtlicher Vorgaben, Organisation und Verfahren im Ressort zu bestimmen, gesetzliche Regelungen aber nicht ausschließt und daher auch spezielle Ausschlusstatbestände ohne Weiteres denkbar sind (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 7 C 19.17 - Buchholz 404 IFG Nr. 29 Rn. 32). Dem Ressortprinzip ist insbesondere keine spezifische, den Ausschluss eines Informationszugangs nach dem Informationsfreiheitsgesetz rechtfertigende Ermächtigung für weitergehenden Geheimnisschutz zu entnehmen. Art. 65 Satz 2 GG ermächtigt den Minister nur dazu, sein Ressort und dessen Organisation durch Binnenrecht auszugestalten. 25 bb) Aus der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG kann die Revision ebenfalls kein besonderes Amtsgeheimnis herleiten. Dem steht entgegen, dass die Wissenschaftsfreiheit unmittelbar kein Recht auf Vertraulichkeit von Äußerungen vermittelt bzw. es dem Gesetzgeber vorbehalten ist, ein solches Recht oder einen dem Informationszugangsrecht entgegenstehenden Versagungsgrund zu schaffen. Schranken können sich zwar aus kollidierenden Grundrechten und damit aus der Verfassung selbst ergeben. Ihre Konkretisierung unterliegt aber grundsätzlich dem Vorbehalt des Gesetzes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130 <142> und Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <297, 302, 311>) und bedarf daher einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2004 - 1 BvQ 19/04 - BVerfGE 111, 147 <158>). Daran fehlt es vorliegend. 26 3. Der Ausschlussgrund der Beeinträchtigung von Behördenberatungen nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG liegt gleichfalls nicht vor. Es kann dahinstehen, ob der Wissenschaftliche Beirat entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts organisatorisch ein Teil des Bundesministeriums der Finanzen ist. Die Beratungen des Beirats sind in der Regel keine Beratungen des Ministeriums. 27 Gemäß § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterfällt dem Schutz der Beratung nur der eigentliche Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung als solcher. Ausgenommen sind das Beratungsergebnis und der Beratungsgegenstand. Der Begriff der Beratung erfasst die Vorgänge interner behördlicher Meinungsäußerung und Willensbildung, die sich inhaltlich auf die Entscheidungsfindung beziehen. Der Schutz gilt danach vor allem dem Beratungsprozess als solchem, also der Besprechung, Beratschlagung und Abwägung, mithin dem eigentlichen Vorgang des Überlegens. Zum demgegenüber nicht geschützten Beratungsgegenstand können insbesondere Sachinformationen oder gutachterliche Stellungnahmen im Vorfeld gehören, also die Tatsachengrundlagen und die Grundlagen der Willensbildung. Die amtlichen Informationen sind deshalb nur dann geschützt, wenn sie den Vorgang der behördlichen Willensbildung und Abwägung abbilden oder jedenfalls gesicherte Rückschlüsse auf die Meinungsbildung zulassen. Das trifft zwar auf viele Informationen zu, die in einem Verwaltungsverfahren anfallen; das gesamte Verwaltungsverfahren als solches fällt damit aber nicht unter den Begriff der Beratung (vgl. BVerwG, Urteile vom 2. August 2012 - 7 C 7.12 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 2 Rn. 26 und vom 9. Mai 2019 - 7 C 34.17 - Buchholz 404 IFG Nr. 34 Rn. 13 m. w. N.). 28 Hieran gemessen sind die Sitzungstätigkeiten des Beirats, die Gegenstand der Sitzungsprotokolle geworden sind, in der Regel keine Beratungen des Bundesministeriums. Aus den Beratungen des Wissenschaftlichen Beirats ergeben sich Sachinformationen und gutachterliche Stellungnahmen im Vorfeld vor den eigentlichen Beratungen im Ministerium. Die Beratungen des Beirats schaffen mithin die tatsächlichen und sonstigen Grundlagen der behördlichen Willensentscheidung. Sie bilden aber nicht den Vorgang der behördlichen Willensbildung und Abwägung ab und lassen keine gesicherten Rückschlüsse auf die spätere Meinungsbildung zu. Zwar berät auch der Wissenschaftliche Beirat zu einzelnen Tagesordnungspunkten. Diese Beratungen sind aber nicht Teil des behördlichen Willensbildungsprozesses, sondern der behördlichen Willensbildung vorgelagert. 29 Allerdings können der Bundesminister der Finanzen und seine Beauftragten an den Sitzungen des Beirats teilnehmen (§ 7 Satz 1 der Satzung). Falls bei einem solchen Zusammentreffen die behördliche Willensbildung stattfinden sollte, wären diese Beratungen womöglich von § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG geschützt. Das Berufungsgericht hat aber für einen solchen Fall nichts festgestellt und Entsprechendes wird auch nicht vorgetragen. 30 4. Schließlich hat das Berufungsgericht im Hinblick auf das Nichtvorliegen des Versagungsgrunds des § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG wegen der Veröffentlichung des Sitzungsprotokolls III/18 nicht gegen Bundesrecht verstoßen. 31 Nach § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG ist der Informationszugang ausgeschlossen, wenn aufgrund der konkreten Umstände durch das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanzbehörden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Das erfordert eine auf konkreten Tatsachen beruhende prognostische Bewertung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 - Buchholz 404 IFG Nr. 32 Rn. 30). Diesen Maßstab legt das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde und würdigt den Vortrag der Beklagten dahin, sie lasse bereits offen, ob die internen Einschätzungen überhaupt Schwächen der Regulierung konkret aufgezeigt hätten oder ob hier nur eine entfernte Möglichkeit bestehe, dass aus den im Protokoll enthaltenen Ausführungen auf Schwächen geschlossen werden könne. Soweit die Revision hierzu rügt, ihre Darlegung sei vom Berufungsgericht nicht richtig verstanden worden, betrifft das, ohne dass eine Verfahrensrüge erhoben worden ist, den nicht revisiblen Teil des Berufungsurteils. 32 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2022-33,24.05.2022,"Pressemitteilung Nr. 33/2022 vom 24.05.2022 EN Das ""Klimacamp 2017"" im Rheinland unterfiel mit Infrastruktureinrichtungen der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG Das ""Klimacamp 2017"" im Rheinland war eine durch Art. 8 GG geschützte Versammlung. Das Polizeipräsidium Aachen als Versammlungsbehörde hat sich zu Unrecht darauf berufen, dass ein als Übernachtungsfläche mit Zelten und Sanitäreinrichtungen genutztes Feld von dem Anwendungsbereich des Art. 8 GG und des Bundesversammlungsgesetzes (VersammlG) ausgenommen gewesen sei. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden und in diesem Zusammenhang Maßgaben für den Schutz von sog. Protestcamps durch das Grundrecht der Versammlungsfreiheit entwickelt. Die Klägerin meldete das Klimacamp für die Dauer von elf Tagen im August 2017 als öffentliche Versammlung unter freiem Himmel bei dem Polizeipräsidium Aachen an. Das Polizeipräsidium wies der Klägerin in Form einer auf § 15 Abs. 1 VersammlG gestützten Ortsauflage eine von der Klägerin gemietete Fläche und einen dieser Fläche benachbarten Sportplatz in Erkelenz als Versammlungsflächen zu. Auf dem Sportplatz dürften Versammlungsteilnehmer ihre Übernachtungszelte errichten. Mit einer nach Beginn des Camps erlassenen weiteren Verfügung lehnte das Polizeipräsidium ein 800 Meter entferntes Feld, das die Klägerin gemietet hatte und das als weitere Fläche für Übernachtungszelte von Versammlungsteilnehmern und für Sanitäreinrichtungen genutzt wurde, als Versammlungsfläche ab. Die Klägerin hat Klage auf Feststellung erhoben, dass das genannte Feld als Übernachtungsfläche von dem versammlungsgesetzlich ausgestalteten Schutz durch Art. 8 GG umfasst gewesen sei. Das Verwaltungsgericht Aachen hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht Münster die begehrte Feststellung getroffen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die auf die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils gerichtete Revision des Landes Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen. Auf eine gewisse Dauer angelegte Protestcamps wie das in Rede stehende Klimacamp sind als Versammlungen durch das Grundrecht der Versammlungsfreiheit geschützt, wenn sich aus der Gesamtkonzeption des Veranstalters nach objektivem Verständnis ein auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteter kommunikativer Zweck ergibt. Es obliegt dem Veranstalter, den Meinungskundgabezweck für die gesamte Dauer der Veranstaltung zu substantiieren. Je länger eine solche Versammlung dauern soll, desto höheres Gewicht erlangen Rechte Dritter und öffentliche Belange, die durch das Camp beeinträchtigt werden können. Die Versammlungsbehörde kann dem dadurch Rechnung tragen, dass sie auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 VersammlG insbesondere dessen Dauer in angemessener Weise unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beschränkt. Nach diesen Maßgaben hat das Oberverwaltungsgericht den Versammlungscharakter des hier in Rede stehenden, nach dem Gesamtkonzept auf die durchgehende Praktizierung einer umweltverträglichen Art des Zusammenlebens gerichteten und auf eine Dauer von elf Tagen bemessenen Klimacamps zu Recht bejaht. Infrastrukturelle Einrichtungen eines als Versammlung zu beurteilenden Protestcamps unterfallen dem unmittelbaren Schutz durch Art. 8 GG, wenn sie entweder einen inhaltlichen Bezug zur bezweckten Meinungskundgabe der Versammlung aufweisen oder für die konkrete Veranstaltung logistisch erforderlich sind und zu ihr in einem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang stehen. Auch diesem Maßstab genügt die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Es hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass das Klimacamp ohne die genannten Infrastruktureinrichtungen nicht hätte durchgeführt werden können und die Veranstaltungsfläche sowie die Übernachtungsflächen auf dem Sportplatz und dem hier umstrittenen, 800 Meter entfernten Feld eine räumliche Einheit gebildet haben. BVerwG 6 C 9.20 - Urteil vom 24. Mai 2022 Vorinstanzen: OVG Münster, OVG 15 A 3138/18 - Beschluss vom 16. Juni 2020 - VG Aachen, VG 6 K 1117/18 - Beschluss vom 04. Juli 2018 -","Urteil vom 24.05.2022 - BVerwG 6 C 9.20ECLI:DE:BVerwG:2022:240522U6C9.20.0 EN Versammlungsrechtlicher Schutz eines Protestcamps und seiner infrastrukturellen Einrichtungen Leitsätze: 1. Der Charakter eines Protestcamps als Dauerveranstaltung steht seiner Einordnung als durch Art. 8 GG und das Versammlungsgesetz geschützter Versammlung grundsätzlich nicht entgegen. 2. Die Versammlungsbehörde kann die Dauer eines Protestcamps unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG beschränken. 3. Eine infrastrukturelle Einrichtung eines als Versammlung zu beurteilenden Protestcamps unterfällt dem unmittelbaren, durch das Versammlungsgesetz ausgestalteten Schutz durch Art. 8 GG, wenn sie entweder einen inhaltlichen Bezug zu der mit dem Camp bezweckten Meinungskundgabe aufweist oder für das konkrete Camp logistisch erforderlich und ihm räumlich zuzurechnen ist. Rechtsquellen GG Art. 8 VersammlG § 1 Abs. 1, §§ 14, 15 Abs. 1 VwGO §§ 43, 113 Abs. 1 Satz 4 Instanzenzug VG Aachen - 04.07.2018 - AZ: VG 6 K 1117/18 OVG Münster - 16.06.2020 - AZ: OVG 15 A 3138/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 24.05.2022 - 6 C 9.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:240522U6C9.20.0] Urteil BVerwG 6 C 9.20 VG Aachen - 04.07.2018 - AZ: VG 6 K 1117/18 OVG Münster - 16.06.2020 - AZ: OVG 15 A 3138/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp für Recht erkannt: Die Revision des Beklagten gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Juni 2020 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten um die Frage, ob ein landwirtschaftliches Grundstück, das während des ""Klimacamps 2017"" im rheinischen Braunkohlerevier für Schlafzelte von Campteilnehmern und für Sanitäreinrichtungen genutzt wurde, dem Klimacamp als durch Art. 8 GG geschützte Versammlung zuzurechnen war und in den Anwendungsbereich des (Bundes-)Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz - VersammlG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. November 1978 (BGBl. I S. 1789) fiel, das zur entscheidungserheblichen Zeit in Nordrhein-Westfalen gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG fortgalt und zuletzt durch Gesetz vom 8. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2366) geändert worden war. 2 Die Klägerin meldete mit Schreiben vom 24. Juli und 7. August 2017 das Klimacamp als öffentliche Versammlung unter freiem Himmel nach § 14 VersammlG bei dem Polizeipräsidium Aachen als Versammlungsbehörde an. Das Camp finde in der Zeit vom 18. bis 29. August 2017 auf einer Wiese im Norden des bei B. gelegenen ... statt. Die Versammlungsteilnehmer brächten durch ihren mehrtägigen Aufenthalt vor Ort ihren persönlichen und gemeinschaftlichen Protest gegen die Zerstörung von gewachsenen Ortschaften sowie von Umwelt und Klima durch den Abbau und die Verstromung von Braunkohle zum Ausdruck. Sie lebten über mehrere Tage eine basisdemokratische und umweltverträgliche Art des Miteinanders als Gegenentwurf zu der herrschenden zerstörerischen Verwertungslogik praktisch vor. Die ""..."" mit diversen Teilnahmeformaten sei Teil der Versammlung. Die Zahl der teilnehmenden Personen werde schwanken, sich aber auf höchstens 6 000 gleichzeitig Anwesende belaufen. Es würden Zirkuszelte, Feldküchen, Versorgungs- und Veranstaltungszelte, eine Bühne, eine Lautsprecheranlage, Generatoren und Komposttoiletten aufgestellt. Ferner werde Platz für als Schlafgelegenheit dienende Zelte der Teilnehmer und für Sanitäranlagen vorgehalten. 3 Mit Verfügung vom 14. August 2017 bestätigte das Polizeipräsidium Aachen das Klimacamp ""vorsorglich"" als Versammlung, wobei es sich auf den von dem Bundesverfassungsgericht mit Kammerbeschluss vom 28. Juni 2017 - 1 BvR 1387/17 - (NVwZ 2017, 1374) gewährten Eilrechtsschutz für ein sog. Protestcamp während des G 20-Gipfels im Sommer 2017 in Hamburg bezog. Durch eine auf § 15 Abs. 1 VersammlG gestützte Auflage untersagte es die Durchführung auf der in der Anmeldung genannten Wiese und wies der Klägerin stattdessen eine ehemalige Kiesgrube sowie einen Sportplatz in E. als Versammlungsort zu. Nachdem die Klägerin das landwirtschaftliche Grundstück Flurstück 55, Flur ..., Gemarkung E.-K. (im Folgenden: Flurstück 55) gemietet hatte, erklärte sie mit Schreiben vom 18. August 2017, dass das Klimacamp auf dieser Fläche sowie auf dem benachbarten Sportplatz in E. stattfinde. Mit Verfügung vom 18. August 2017 änderte das Polizeipräsidium Aachen die unter dem 14. August 2017 erlassene Ortsauflage ab und wies der Klägerin nunmehr das Flurstück 55 und den Sportplatz in E. als Versammlungsflächen zu. Auf dem Sportplatz dürften Versammlungsteilnehmer ihre Schlafzelte errichten. 4 Nachdem der Sportplatz in E. mit Schlafzelten von Campteilnehmern belegt war, gab die Klägerin intern ein weiteres von ihr angemietetes landwirtschaftliches Grundstück - das in einer Entfernung von 800 Metern zu dem Flurstück 55 gelegene Flurstück 65, Flur ..., Gemarkung E.-K. (im Folgenden: Flurstück 65) – als zusätzliche Fläche für das Aufstellen von Schlafzelten und von Sanitäreinrichtungen frei. Mit Schreiben vom 22. August 2017 teilte sie dem Polizeipräsidium Aachen mit, das Flurstück 65 sei Teil des Klimacamps. Hierauf erließ das Polizeipräsidium am gleichen Tag eine Verfügung, mit der es das Flurstück 65 als Versammlungsfläche ablehnte. Aus versammlungsrechtlicher Sicht bestehe keine rechtliche Grundlage dafür, die Fläche, auf der faktisch keine Versammlung durchgeführt werde, auf der vielmehr Schlafzelte und Sanitäranlagen aufgestellt seien und die im Unterschied zu dem in gleicher Weise genutzten Sportplatz in E. nicht im Eigentum der öffentlichen Hand stehe, dem (vorsorglich) als Versammlung bewerteten Klimacamp zugehörig zu erklären. 5 Am 14. März 2018 hat die Klägerin Klage auf Feststellung erhoben, dass die Verfügung des Polizeipräsidiums Aachen vom 22. August 2017 rechtswidrig gewesen sei, soweit darin das Flurstück 65 als Versammlungsfläche abgelehnt worden sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht in der Form eines Beschlusses nach § 130a VwGO das erstinstanzliche Urteil geändert und die von der Klägerin begehrte Feststellung getroffen. Die Klage sei als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse bestehe unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Die Klage sei begründet, weil das Flurstück 65 auf Grund seiner Nutzung in der gegebenen Versammlungssituation unmittelbar - also auch nicht nur im Wege einer Vorwirkung - von dem Schutz durch Art. 8 GG umfasst und das Versammlungsgesetz anwendbar gewesen sei. Für das Klimacamp als solches mit dem Flurstück 55 als zentralem Veranstaltungsgelände sei der Schutzbereich des Art. 8 GG eröffnet gewesen. Die in dem Camp in der Nähe des Braunkohletagebaus G. zusammengekommenen Personen hätten nach den Angaben der Klägerin in Bezug auf die Themen des Klimaschutzes sowie der Energiegewinnung und Energieversorgung kollektiv auf die öffentliche Meinungsbildung einwirken wollen. Dem habe nicht entgegengestanden, dass das Klimacamp als Dauerveranstaltung konzipiert gewesen sei. Die in das Camp integrierten Veranstaltungen der ""..."" hätten überwiegend einen engen thematischen Bezug zu dem Gegenstand des Klimacamps aufgewiesen und dessen Versammlungseigenschaft nach dem Gesamtgepräge nicht entfallen lassen. Die Versammlungsqualität des Klimacamps habe sich auf die Übernachtungsfläche auf dem Flurstück 65 als infrastrukturelle Begleiteinrichtung des Camps erstreckt. Infrastrukturelle Ergänzungen einer Versammlung seien dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit unmittelbar zuzuordnen, wenn sie nach dem an einem objektiven Maßstab gemessenen Vorbringen der Veranstalter zur Verwirklichung des Versammlungszwecks funktional, symbolisch oder konzeptionell im Sinne der konkreten kollektiven Meinungskundgabe notwendig seien. Diese Voraussetzung sei in Bezug auf das Klimacamp durch die Nutzung des Flurstücks 65 in Gestalt der Schlafzelte von Versammlungsteilnehmern und Sanitäranlagen und damit auch durch das Flurstück 65 als solches erfüllt gewesen. Die Möglichkeit der Teilnahme an dem Camp als Dauerversammlung habe wegen dessen Veranstaltung in der ländlichen Region des rheinischen Braunkohletagebaus, in der alternative Übernachtungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung gestanden hätten, von einer temporär einzurichtenden Infrastruktur abgehangen. Diese infrastrukturelle Funktion habe neben dem Sportplatz in E. das ca. 800 Meter von dem Flurstück 55 als zentraler Veranstaltungsfläche entfernte, fußläufig erreichbare und deshalb dem Klimacamp auch in räumlicher Hinsicht zuzuordnende Flurstück 65 erfüllt, indem es den Versammlungsteilnehmern eine Übernachtungsgelegenheit geboten habe. Es habe eine konzeptionelle, inhaltliche und räumlich-funktionale Verknüpfung des Flurstücks 65 mit der Versammlung in dem Sinne bestanden, dass diese ohne die zusätzliche Übernachtungsfläche auf dem Flurstück 65 nicht hätte stattfinden können. Ein weitergehender thematisch-konzeptioneller Bezug sei nicht erforderlich gewesen. Insbesondere sei unschädlich, dass auf der Übernachtungsfläche selbst keine Meinungskundgabe stattgefunden habe. Auch komme es nach diesem Sachverhalt auf weitere Protestaktionen in Gestalt von Mahnwachen in unmittelbarer Nähe des Braunkohletagebaus nicht an. 6 Der Beklagte begehrt mit seiner von dem Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen klageabweisenden Urteils. Er verweist auf die räumliche Distanz zwischen der Veranstaltungsfläche auf dem Flurstück 55 und dem Flurstück 65. Ein funktional-versammlungsspezifischer, nicht lediglich auf eine erleichterte Erreichbarkeit der Veranstaltungsfläche bezogener Einsatz des ""Zeltlagers"" auf dem Flurstück 65 habe nicht bestanden. Werde ein solches Lager ohne funktional-versammlungsspezifischen Charakter zur Versammlung erklärt, könne diese nur auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes und nicht nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht eingeschränkt werden. Es bestehe die Gefahr, dass in ähnlich gelagerten Fällen das bloße Campieren und das dauerhafte Belagern von Grundstücken als Versammlung angemeldet und unter den besonders hohen Schutz des Versammlungsrechts gestellt werde, ohne dass es noch auf eine Meinungskundgabe ankomme. Jedenfalls hätten hier die Veranstaltungsteilnehmer morgens vor dem Beginn des Tagesprogramms anreisen und nach dessen Ende abends wieder abreisen können. Auch habe auf dem Flurstück 55 und dem Sportplatz genügend Platz zum Aufstellen von Schlafzelten und von Sanitäranlagen zur Verfügung gestanden. 7 Die Klägerin erstrebt die Zurückweisung der Revision. Das Berufungsgericht habe ihre Klage zutreffend als allgemeine Feststellungsklage im Sinne des § 43 VwGO behandelt und dieser Erfolg beigemessen. II 8 Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet und deshalb nach § 144 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. 9 Die Klägerin hat die von ihr erhobene Klage sinngemäß auf die Feststellung gerichtet, dass das Flurstück 65 mit seiner Nutzung als Übernachtungsfläche im Rahmen des ""Klimacamps 2017"" im Rheinland durch Schlafzelte von Campteilnehmern und Sanitäranlagen dem Schutzbereich des Art. 8 GG unterfiel und die Bestimmungen des Versammlungsgesetzes anwendbar waren. Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts ohne Verletzung von Bundesrecht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO stattgegeben. Es hat die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 VwGO zutreffend als zulässig (1.) und begründet (2.) erachtet. 10 1. Nach § 43 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (§ 43 Abs. 1 VwGO) und soweit er seine Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Diese Voraussetzungen sind für die von der Klägerin erhobene Klage erfüllt. 11 a. Zwischen den Beteiligten war eine Rechtsbeziehung in Gestalt eines konkreten, streitigen und mithin feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses dadurch entstanden, dass das Polizeipräsidium Aachen in der Verfügung vom 22. August 2017 der Sache nach festgestellt hatte, das von der Klägerin als Bestandteil des Klimacamps vorgesehene Flurstück 65 sei von dem durch die speziellen Bestimmungen des Versammlungsgesetzes ausgestalteten unmittelbaren Grundrechtsschutz aus Art. 8 GG nicht umfasst gewesen. Hierin lag spiegelbildlich die Feststellung der Anwendbarkeit des allgemeinen bzw. sonstigen Polizei- und Ordnungsrechts durch die dafür zuständigen Behörden, bei der allenfalls eine Vor- oder Nachwirkung des Schutzes aus Art. 8 GG bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung einer Maßnahme zu berücksichtigen ist (vgl. dazu allgemein: BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2018 - 1 BvR 142/15 - BVerfGE 150, 244 Rn. 136; BVerwG, Urteile vom 25. Juli 2007 - 6 C 39.06 - BVerwGE 129, 142 Rn. 30, 37 ff. und vom 25. Oktober 2017 - 6 C 46.16 - BVerwGE 160, 169 Rn. 16, 21, 24 ff., 48; Beschluss vom 3. Mai 2019 - 6 B 149.18 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 116 Rn. 8 f.). 12 b. Die Klägerin verfügt über das erforderliche berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung wegen der Gefahr einer Wiederholung eines vergleichbaren behördlichen Vorgehens unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen (vgl. zur Wiederholungsgefahr als einer anerkannten Fallgruppe des Feststellungsinteresses: BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017 - 6 C 46.16 - BVerwGE 160, 169 Rn. 20). Das Oberverwaltungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht in nicht zu beanstandender Weise auf die Absicht der Klägerin abgestellt, auch künftig Klimacamps mit gegebenenfalls mehrtägiger Dauer am Braunkohletagebau in G. durchzuführen, und insoweit ein Bedürfnis für eine Übernachtungsfläche wie die hier in Rede stehende als absehbar erachtet. Ebenfalls keiner Korrektur bedarf im Rahmen der revisionsgerichtlichen Ermittlung von Prozesstatsachen die hieran anschließende Prognose des Oberverwaltungsgerichts, auch in Zukunft werde die Qualifikation des jeweiligen Areals als unter den unmittelbaren Schutz aus Art. 8 GG fallende Versammlungsfläche in Frage stehen. In rechtlicher Hinsicht ist zwar insoweit eine Änderung eingetreten, als im Land Nordrhein-Westfalen mit Wirkung zum 7. Januar 2022 das (Bundes-)Versammlungsgesetz durch das Versammlungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen ersetzt worden ist (Art. 1 des Gesetzes zur Einführung eines nordrhein-westfälischen Versammlungsgesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 17. Dezember 2021, GV. NRW. 2022 S. 2). Diese Änderung hat jedoch keinen Einfluss auf die Abgrenzung der vergleichsweise engen Befugnisse der zuständigen Versammlungsbehörde auf der Grundlage des - nunmehr landesrechtlich geregelten - Versammlungsrechts von den durch das sonstige Polizei- und Ordnungsrecht verliehenen behördlichen Kompetenzen. 13 c. Die Zulässigkeit der Feststellungsklage scheitert schließlich nicht an dem Subsidiaritätsgebot des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Die Klägerin kann nicht auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO betreffend die Rechtswidrigkeit der mit der Beendigung des Klimacamps Ende August 2017 gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG NRW wegen Zeitablaufs erledigten Verfügung vom 22. August 2017 verwiesen werden. 14 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO seinem Zweck entsprechend einschränkend auszulegen und anzuwenden. Die Vorschrift steht der Feststellungsklage nicht entgegen, wenn eine Umgehung der besonderen Bestimmungen für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen - bzw. für an deren Stelle tretende Fortsetzungsfeststellungsklagen - nicht droht und die Feststellungsklage den effektiveren Rechtsschutz bietet (BVerwG, Urteile vom 29. April 1997 - 1 C 2.95 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127 S. 9, vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 13 und vom 22. August 2007 - 6 C 22.06 - Buchholz 402.44 VersG Nr. 14 Rn. 12). Beide Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. 15 Eine Fortsetzungsfeststellungsklage, die einen vor Klageerhebung und vor Eintritt der Bestandskraft erledigten Verwaltungsakt zum Gegenstand hat, ist nicht an die Einhaltung der Klagefrist aus § 74 VwGO gebunden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 113 Rn. 128). Vor diesem Hintergrund ist es unschädlich, dass die Klägerin die Feststellungsklage erst am 14. März 2018 erhoben hat, obwohl ihr die Verfügung vom 22. August 2017 am Tag ihres Erlasses bekanntgegeben worden war. Auch bietet die Feststellungsklage im Vergleich mit einer auf die Rechtmäßigkeit der Verfügung vom 22. August 2017 bezogenen Fortsetzungsfeststellungsklage wirkungsvolleren Rechtsschutz. Sie ermöglicht es, den die Beteiligten in erster Linie interessierenden versammlungsrechtlichen Schutz des Klimacamps einschließlich der von diesem in Anspruch genommenen Infrastruktur in den Mittelpunkt der Entscheidung zu stellen, unabhängig von der Frage nach der jedenfalls nicht ohne Weiteres ersichtlichen Ermächtigungsgrundlage für die Verfügung vom 22. August 2017, die im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage vorrangig zu behandeln wäre (entsprechend für eine strukturell vergleichbare Konstellation: BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 13 und vom 22. August 2007 - 6 C 22.06 - Buchholz 402.44 VersG Nr. 14 Rn. 12). 16 2. Für die Entscheidung über die Begründetheit der Klage hat das Oberverwaltungsgericht in sachgerechter Strukturierung der mit der Eigenschaft des Klimacamps als einem sog. Protestcamp verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Problematik (a.) eine Beurteilung in zwei Schritten vorgenommen (zu dem Erkenntniswert eines derartigen Vorgehens: Fischer, NVwZ 2022, 353 <354>). Es hat in einem ersten Schritt zutreffend festgestellt, dass dem Klimacamp als solchem die von dem Polizeipräsidium Aachen nur ""vorsorglich"" angenommene rechtliche Eigenschaft einer Versammlung im Sinne von Art. 8 GG - und damit auch im Sinne von § 1 Abs. 1 VersammlG - zukam (b.). Es hat sodann in einem zweiten Schritt ebenso zutreffend entschieden, dass das als Übernachtungsfläche genutzte Flurstück 65 als infrastrukturelle Einrichtung des Klimacamps von dessen unmittelbarem, durch das Versammlungsgesetz ausgestalteten Schutz aus Art. 8 GG umfasst war (c.). 17 a. Das Klimacamp unterfiel der Kategorie der sog. Protestcamps. Bei diesen Camps handelt es sich um eine neuere, zunehmende Verbreitung findende Form kollektiven Protests. Sie werden typischerweise an einem Ort veranstaltet, der einen Bezug zu dem jeweils inmitten stehenden Thema hat. Der Charakter der Protestcamps wird allerdings mehr noch als durch ihren Ortsbezug durch ihre zeitliche Dauer geprägt. Es handelt sich um Veranstaltungen mit einer zeitlichen Perspektive von einigen Tagen bis in Einzelfällen auch zu mehreren Jahren. Aus diesem Charakter als Dauerveranstaltungen erwächst ein spezifischer Bedarf der Campteilnehmer an Infrastruktur, insbesondere in Form von Verpflegungs-, Übernachtungs- und Sanitäreinrichtungen, die am Veranstaltungsort der Camps in erheblichem Umfang Raum in Anspruch nehmen können (dazu im Einzelnen etwa: Hartmann, NVwZ 2018, 200 ff.; Friedrich, DÖV 2019, 55 <56, 60 f.>; Fischer, NVwZ 2022, 353 ff.). Das Bundesverfassungsgericht ist bisher nur im Rahmen des verfassungsrechtlichen Eilrechtsschutzes mit der Problematik der Protestcamps befasst gewesen. Es hat sie dort als weitgehend ungeklärt bezeichnet und sie einer Aufbereitung durch die Fachgerichte mit einem sich gegebenenfalls anschließenden verfassungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren vorbehalten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Juni 2017 - 1 BvR 1387/17 - NVwZ 2017, 1374 Rn. 21 ff.; dies bestätigend: BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. August 2020 - 1 BvQ 94/20 - NVwZ 2020, 1508 Rn. 13). 18 b. Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Einstufung eines Protestcamps als einer durch Art. 8 GG und das Versammlungsgesetz geschützten Versammlung nach den hierfür in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Maßstäben (aa.) sein Charakter als Dauerveranstaltung grundsätzlich nicht entgegensteht (bb.). Es hat sodann in Anwendung dieser Maßstäbe die Versammlungseigenschaft des Klimacamps in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht (cc.). 19 aa. Eine Versammlung ist in ihrem Kern eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90 u. a. - BVerfGE 104, 92 <104>, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - BVerfGE 128, 226 <250>; BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 15, vom 22. August 2007 - 6 C 22.06 - Buchholz 402.44 VersG Nr. 14 Rn. 14 und vom 25. Oktober 2017 - 6 C 46.16 - BVerwGE 160, 169 Rn. 25). Aus der grundrechtlich verbürgten Versammlungsfreiheit folgt das Recht der Grundrechtsträger, insbesondere des Veranstalters, selbst über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung zu bestimmen (BVerfG, Beschlüsse vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 u. a. - BVerfGE 69, 315 <343>, vom 1. Dezember 1992 - 1 BvR 88/91 u. a. - BVerfGE 87, 399 <406> und vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90 u. a. - BVerfGE 104, 92 <111>; Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - BVerfGE 128, 226 <251>; BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2021 - 6 B 48.20 - NWVBl 2021, 239 Rn. 13). Die Versammlungsbehörde kann dieses Recht unter den in § 15 VersammlG geregelten Voraussetzungen einschränken (BVerfG, Beschlüsse vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 u. a. - BVerfGE 69, 315 <352 f.> und vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90 u. a. - BVerfGE 104, 92 <111>; BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2021 - 6 B 48.20 - NWVBl 2021, 239 Rn. 13). 20 In ihrer nach herkömmlichem Verständnis idealtypischen Ausformung als Demonstration besteht eine Versammlung in der gemeinsamen körperlichen Sichtbarmachung von Überzeugungen, wobei die Teilnehmer einerseits in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 u. a. - BVerfGE 69, 315 <345>; Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - BVerfGE 128, 226 <250>). Der durch die Versammlungsfreiheit bewirkte Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst auch solche, auf denen die Teilnehmer ihre Meinung auf andere Art und Weise - auch in nicht verbalen Formen - zum Ausdruck bringen (BVerfG, Beschlüsse vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 - BVerfGE 69, 315 <343>, vom 1. Dezember 1992 - 1 BvR 88/91 u. a. - BVerfGE 87, 399 <406> und vom 27. Oktober 2016 - 1 BvR 458/10 - BVerfGE 143, 161 Rn. 110; BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 15 und vom 22. August 2007 - 6 C 22.06 - Buchholz 402.44 VersG Nr. 14 Rn. 14). 21 Der Versammlungsbegriff ist generell offen für Fortschreibungen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Juni 2017 - 1 BvR 1387/17 - NVwZ 2017, 1374 Rn. 22). Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf eine Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, ist entscheidend, ob eine derart gemischte Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist. Kann ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festgestellt werden, bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Juli 2001 - 1 BvQ 28/01 u. a. - NJW 2001, 2459 <2461>; Beschluss vom 27. Oktober 2016 - 1 BvR 458/10 - BVerfGE 143, 161 Rn. 112 f.; BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 16 ff. und vom 22. August 2007 - 6 C 22.06 - Buchholz 402.44 VersG Nr. 14 Rn. 14, 22). 22 bb. Vor dem Hintergrund des in Art. 8 GG wurzelnden Rechts des Veranstalters einer Versammlung, selbst unter anderem über deren Zeitpunkt und damit auch über deren Dauer zu bestimmen, sowie dem hieraus weithin abgeleiteten Grundsatz, dass es keine zeitlichen Höchstgrenzen für Versammlungen gibt (vgl. etwa: VGH München, Urteil vom 8. März 2022 - 10 B 21.16 94 - juris Rn. 83; Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck/Huber/Voßkuhle , GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 8 Rn. 21; Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 18. Aufl. 2019, Teil I Rn. 160 f.; tendenziell a. A.: Dürig-Friedl, in: dieselbe/Enders, Versammlungsrecht, 1. Aufl. 2016, Einl. Rn. 27), steht allein der Charakter eines Protestcamps als einer auf längere Dauer angelegten Veranstaltung seiner rechtlichen Einordnung als Versammlung grundsätzlich nicht entgegen. 23 Im Rahmen der außerhalb des Selbstbestimmungsrechts des Veranstalters liegenden, den zuständigen Behörden und ggf. angerufenen Gerichten zustehenden rechtlichen Beurteilung, ob eine Veranstaltung den Versammlungsbegriff erfüllt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Juli 2001 - 1 BvQ 28/01 u. a. - NJW 2001, 2459 <2461>), kann eine andere Annahme in dem Fall eines Camps mit einer absehbar sehr langen, etwa auf viele Monate oder gar Jahre angelegten Dauer gerechtfertigt sein. Eine solche extrem lange Dauer kann ein Indiz dafür sein, dass mit dem Camp tatsächlich kein versammlungsspezifischer Zweck verfolgt wird. In diesem Zusammenhang kommt es auf die Erklärungen an, die der Veranstalter bei der Anmeldung oder im Rahmen von anschließenden Kooperationsgesprächen gegenüber der Versammlungsbehörde abgegeben hat. Der Veranstalter eines Protestcamps muss zwar nicht - gleichsam einem Schema gehorchend - mit der Anmeldung ein lückenloses Konzept mit konkreten Programmpunkten vorlegen (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. September 2020 - 1 BvR 2151/20 - NVwZ 2020, 1505 Rn. 17). Seinen Angaben muss sich jedoch nach objektivem Verständnis ein auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteter kommunikativer Zweck entnehmen lassen. Da es sich bei einem Protestcamp um eine Dauerveranstaltung handelt, ist der Veranstalter gehalten, den versammlungsspezifischen Zweck im Sinne einer auf die voraussichtliche Dauer bezogenen Gesamtkonzeption zu substantiieren. 24 Zur Verhinderung von durch die Dauer eines Protestcamps hervorgerufenen, nicht hinnehmbaren Beeinträchtigungen von Rechten Dritter oder öffentlichen Belangen bedarf es keines Ansetzens an dem Versammlungsbegriff. Denn die Versammlungsbehörde kann das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über die Dauer einer als Versammlung zu qualifizierenden Veranstaltung nach § 15 Abs. 1 VersammlG bei einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in angemessener Weise einschränken. Der Erlass einer die Dauer eines Protestcamps beschränkenden Verfügung stellt ein probates Mittel dar, um unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls eine praktische Konkordanz zwischen dem durch eine solche Veranstaltung ausgeübten Grundrecht der Versammlungsfreiheit und den Rechten Dritter sowie den betroffenen öffentlichen Belangen herzustellen. Dabei erlangen die letztgenannten Rechte und Belange im Rahmen der Abwägung ein umso höheres Gewicht, je länger ein Protestcamp absehbar dauern wird. 25 cc. Das Oberverwaltungsgericht ist auf der Grundlage der von ihm bindend festgestellten Tatsachen durch eine nicht zu beanstandende Einzelfallwürdigung zu der Einschätzung gelangt, dass es sich bei dem Klimacamp um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 GG und des Versammlungsgesetzes gehandelt hat. 26 Das Oberverwaltungsgericht hat für die Beurteilung der Versammlungseigenschaft des Klimacamps nicht nur das Flurstück 55 als das eigentliche Veranstaltungsgelände, sondern auch die für die Übernachtung von Campteilnehmern genutzten Flächen - den dem Veranstaltungsgelände benachbarten Sportplatz in E. und das 800 Meter entfernte Flurstück 65 - in den Blick genommen. Es hat die von dem Beklagten nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffene und deshalb nach § 137 Abs. 2 VwGO bindende Tatsachenfeststellung getroffen, dass diese Flächen eine räumliche Einheit gebildet haben. Das Oberverwaltungsgericht hat ferner in tatsächlicher Hinsicht bindend festgestellt, dass die Aktivitäten auf dem Flurstück 55 nach objektivem Verständnis des von der Klägerin im Zusammenhang mit der Versammlungsanmeldung dargelegten Gesamtkonzepts während der gesamtem vorgesehenen zwölftägigen Dauer des Camps am Ort des Braunkohleabbaus auf einen Protest gegen die durch diesen Abbau verursachte Umwelt- und Klimazerstörung sowie auf die durchgehende Praktizierung einer umweltverträglichen Art des Zusammenlebens gerichtet waren. Den dergestalt auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezogenen Zweck hat das Oberverwaltungsgericht nach dem von ihm gewürdigten Gesamtgepräge des Klimacamps als entscheidend beurteilt. Es hat diesen Zweck weder durch die in das Camp integrierte ""..."" noch durch die Nutzung des Sportplatzes in E. und des Flurstücks 65 als bloße Übernachtungsflächen in beachtlicher Weise beeinträchtigt gesehen. Diese Würdigung lässt eine Verletzung der dargestellten Maßstäbe des revisiblen Rechts nicht erkennen. 27 c. Eine infrastrukturelle Einrichtung eines als Versammlung zu beurteilenden Protestcamps unterfällt dem unmittelbaren, durch das Versammlungsgesetz ausgestalteten Schutz durch Art. 8 GG nicht nur dann, wenn sie einen inhaltlichen Bezug zu der mit dem Camp bezweckten Meinungskundgabe aufweist. Vielmehr wird ihr dieser Schutz auch dann zuteil, wenn sie für das konkrete Camp logistisch erforderlich und ihm räumlich zuzurechnen ist. Diesen Ansatz hat das Oberverwaltungsgericht in der Sache seiner Entscheidung im Einklang mit revisiblem Recht zu Grunde gelegt (aa.). Ein Grundstück, das für eine derartige infrastrukturelle Einrichtung genutzt wird, steht nach der zutreffenden Einschätzung der Vorinstanz in Bezug auf seinen versammlungsrechtlichen Schutz dieser Nutzung gleich. Dies gilt auch für ein im Eigentum einer Privatperson stehendes Grundstück, auf dem eine solche Nutzung mit Einwilligung des Eigentümers stattfindet (bb.). Das Oberverwaltungsgericht hat nach diesen Maßgaben das Flurstück 65 als infrastrukturelle Einrichtung des Klimacamps unmittelbar durch Art. 8 GG geschützt gesehen, was im Revisionsverfahren nicht in Frage zu stellen ist (cc.). 28 aa. Zur Kennzeichnung der materiellen Beziehung, die zwischen einem als Versammlung zu qualifizierenden Protestcamp einerseits und einer infrastrukturellen Einrichtung andererseits bestehen muss, damit letztere unmittelbar an dem versammlungsgesetzlich ausgestalteten Schutz des Camps aus Art. 8 GG teilhat, wird weithin - vor allem in der Instanzrechtsprechung - die Formel des funktionalen bzw. symbolischen Bezugs verwandt (vgl. hierzu und zum Folgenden die Nachweise bei Fischer, NVwZ 2022, 353 <355 ff.>). Überwiegend wird ein derartiger Bezug nur dann bejaht, wenn eine inhaltliche Verknüpfung der infrastrukturellen Einrichtung mit der konkreten Meinungskundgabe besteht. Von anderen Stimmen wird es demgegenüber als hinreichend erachtet, dass eine infrastrukturelle Einrichtung für die Veranstaltung des Camps logistisch erforderlich ist. Das Oberverwaltungsgericht hat sich im Ergebnis der letztgenannten Einschätzung angeschlossen, es aber nicht als ausgeschlossen erachtet, dass der erforderliche Bezug auch - im Sinne der erstgenannten Ansicht - inhaltlicher Natur sein kann. Mit diesem Ansatz befindet sich das Oberverwaltungsgericht im Einklang mit revisiblem Recht. 29 Die Forderung nach einem inhaltlichen Bezug entspricht im Ergebnis dem anerkannten Kriterium für die Einbeziehung von in anderen Versammlungsformen verwandten Gegenständen in den unmittelbaren Schutzbereich der Versammlungsfreiheit (vgl. dazu: BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Juni 2014 - 1 BvR 2135/09 - NVwZ 2014, 1453 Rn. 11; BVerwG, Urteil vom 22. August 2007 - 6 C 22.06 - Buchholz 402.44 VersG Nr. 14 Rn. 18 f.). Es bestehen keine Bedenken dagegen, infrastrukturelle Einrichtungen, die diesem Kriterium genügen, in den Schutz eines als Versammlung zu beurteilenden Protestcamps einzubeziehen. Indes kann es hiermit nicht sein Bewenden haben. Soll nicht die Einordnung eines Protestcamps als durch Art. 8 GG und das Versammlungsgesetz geschützte Dauerversammlung leerlaufen, muss dieser Schutz auch diejenigen infrastrukturellen Einrichtungen umfassen, die - diesem Camp räumlich zuzurechnen - für dessen Veranstaltung in logistischer Hinsicht erforderlich sind, ohne die das Camp also nicht veranstaltet werden könnte (in diesem Sinne durch die Annahme einer Ergänzung eines originären durch einen akzessorischen Infrastrukturschutz: Friedrich, DÖV 2019, 55 <58 ff.>; Fischer, NVwZ 2022, 353 <358>; Höfling, in: Sachs , GG, 9. Aufl. 2021, Art. 8 Rn. 26; Hong, in: Peters/Janz , Handbuch Versammlungsrecht, 2. Aufl. 2021, B Rn. 22 ff.). 30 Durch den Bezug der logistischen Erforderlichkeit von infrastrukturellen Einrichtungen auf das jeweilige konkrete Protestcamp und das Erfordernis ihres qualifizierten räumlichen Zusammenhangs mit diesem ist ausgeschlossen, dass Infrastruktur, die allein der Beherbergung von Personen dienen soll, welche an anderweitig - außerhalb des konkreten Camps - stattfindenden Versammlungen teilnehmen wollen, in den versammlungsrechtlichen Schutz dieses Camps einbezogen wird. Eine derartige Infrastruktur kann, wie der Senat bereits entschieden hat, allenfalls mit Blick auf die anderweitig stattfindenden Versammlungen von den Vorwirkungen des Art. 8 GG erfasst sein (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017 - 6 C 46.16 - BVerwGE 160, 169 Rn. 27 ff.), was - wie bereits erwähnt - der Anwendbarkeit des allgemeinen bzw. sonstigen Polizei- und Ordnungsrechts durch die dafür zuständigen Behörden grundsätzlich nicht entgegensteht. 31 bb. Gegen die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass ein Grundstück, welches für eine in den versammlungsrechtlichen Schutz eines Protestcamps einbezogene infrastrukturelle Einrichtung genutzt wird, deren versammlungsrechtliche Einordnung teilt, ist nichts zu erinnern. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht dem in der Verfügung des Polizeipräsidiums Aachen vom 22. August 2017 hervorgehobenen Umstand keine Bedeutung beigemessen hat, dass das Flurstück 65 - anders als der ebenfalls von Teilnehmern des Klimacamps als Übernachtungsfläche genutzte Sportplatz in E. – nicht im Eigentum der öffentlichen Hand stand, sondern Eigentum einer Privatperson war. Der Eigentümer des Flurstücks 65 hatte unstreitig auf der Grundlage eines mit der Klägerin geschlossenen Mietvertrags in die Nutzung des Grundstücks für das Klimacamp eingewilligt. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Wirkbereich des Grundrechts der Versammlungsfreiheit auch auf Privatgrundstücken in vollem Umfang eröffnet ist, wenn auf diesen mit Einwilligung des Eigentümers eine Versammlung stattfindet (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - BVerfGE 128, 226 <253>; Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 16. Aufl. 2017, § 23 Rn. 12). 32 cc. Das Oberverwaltungsgericht hat vor dem Hintergrund der von ihm bindend festgestellten Tatsachen durch eine in der Sache fehlerfreie Würdigung des Einzelfalls entschieden, dass das Flurstück 65 eine von Art. 8 GG unmittelbar geschützte infrastrukturelle Einrichtung des Klimacamps dargestellt hat. 33 Wie bereits dargelegt, hat das Oberverwaltungsgericht die Tatsachenfeststellung getroffen, dass sämtliche von dem Klimacamp in Anspruch genommenen Flächen eine räumliche Einheit gebildet haben. Die Vorinstanz hat in tatsächlicher Hinsicht weiter festgestellt, dass die Möglichkeit zur Teilnahme an dem als Dauerversammlung konzipierten Klimacamp (auch) von der infrastrukturellen Funktion des Flurstücks 65 als Übernachtungsfläche - das heißt der Nutzung der Fläche durch Schlafzelte von Campteilnehmern und durch Sanitäranlagen - abhing, dass alternative Unterkunftsmöglichkeiten in der ländlichen Region des Braunkohletagebaus G. nicht zur Verfügung standen, dass das Camp ohne die Nutzung des Flurstücks 65 als Übernachtungsfläche nicht hätte stattfinden können und dass es insoweit auf weitere Protestaktionen in Gestalt von Mahnwachen in unmittelbarer Nähe des Braunkohletagebaus nicht ankam. Der Beklagte hat keine dieser Tatsachenfeststellungen mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen. Ausgehend von diesen Feststellungen hat das Oberverwaltungsgericht in nicht zu beanstandender Weise darauf geschlossen, dass das dem Klimacamp räumlich zugehörige Flurstück 65 auf Grund seiner Nutzung jedenfalls für die Veranstaltung des Camps logistisch erforderlich war und deshalb als infrastrukturelle Einrichtung des Camps in dessen unmittelbaren Schutz aus Art. 8 GG in seiner Ausgestaltung durch das Versammlungsgesetz einbezogen war. 34 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2022-34,25.05.2022,"Pressemitteilung Nr. 34/2022 vom 25.05.2022 EN Kommandeure müssen bei privaten Internetauftritten die Auswirkungen auf ihr berufliches Ansehen beachten Der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts hat heute die Rechtsbeschwerde einer Bataillonskommandeurin gegen eine disziplinarrechtliche Entscheidung des Truppendienstgerichts Süd zurückgewiesen und betont, dass Soldaten in besonders repräsentativen Funktionen auch bei privaten Internetauftritten bei der Form ihres Auftretens Zurückhaltung üben müssen. Die überdurchschnittlich bekannte Kommandeurin hatte in einem Dating-Portal ein Profilbild von sich in sitzender Pose mit erkennbaren Gesichtszügen und unter Verwendung ihres tatsächlichen Vornamens eingestellt. Sie warb mit dem Text: „Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome."" Dafür erteilte ihr der Disziplinarvorgesetzte einen einfachen disziplinarrechtlichen Verweis. Das Truppendienstgericht hat diese Disziplinarmaßnahme gebilligt. Nach § 17 Abs. 2 Satz 3 SG dürfe eine Soldatin durch ihr außerdienstliches Verhalten das Ansehen der Bundeswehr und die Achtung und das Vertrauen, die ihre dienstliche Stellung erforderten, nicht ernsthaft beeinträchtigen. Die Kommandeurin dürfe zwar grundrechtlich geschützt privat ein promiskuitives Sexualleben führen. Durch die Formulierung in ihrem Profil habe sie aber Zweifel an ihrer moralischen Integrität begründet. Außenstehenden würde der Eindruck vermittelt, dass sie sich selbst und ihre Geschlechtspartner zu reinen Sexobjekten reduziere. Dies wirke sich in der Öffentlichkeit negativ auf die Bewertung ihrer moralischen Integrität und den guten Ruf der Bundeswehr aus. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar festgestellt, dass diese Begründung rechtlichen Bedenken unterliegt. Das Truppendienstgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die privaten Äußerungen der Soldatin in einem Partnerschaftsportal von der Öffentlichkeit der Bundeswehr als Ganzes zugerechnet werden. Auch hat es die Bedeutung der Grundrechte im Bereich der privaten Lebensführung nicht ausreichend gewürdigt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. 2 Abs. 1 GG enthält ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Dazu gehört, dass der Einzelne über seine geschlechtlichen Beziehungen frei bestimmen und sich für eine promiskuitives Sexualverhalten entscheiden kann. Der Schutz des Grundrechts erstreckt sich nicht nur auf die Intim- und Privatsphäre, sondern schließt das Recht ein, in der Sozialsphäre, das heißt im Internet, Kontakte mit Gleichgesinnten zu suchen. Die Entscheidung des Truppendienstgerichts erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig. Denn die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht verlangt, dass eine Soldatin in der besonders hervorgehebenen dienstlichen Stellung einer Bataillonskommandeurin mit Personalverantwortung für ca. 1.000 Personen bei der Wahl der verwendeten Worte und Bilder im Internet Rücksicht auf ihre berufliche Stellung nimmt. Sie muss daher Formulierungen vermeiden, die den falschen Eindruck eines wahllosen Sexuallebens und eines erheblichen Mangels an charakterlicher Integrität erwecken. Die Worte ""offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome"" erwecken auch aus der Sicht eines verständigen Betrachters Zweifel an der erforderlichen charakterlichen Integrität, weswegen diese Formulierung durch einen Verweis als mildeste Disziplinarmaßahme beanstandet werden durfte. BVerwG 2 WRB 2.21 - Beschluss vom 25. Mai 2022","Die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht des § 17 Abs. 2 Satz 3 SG verlangt von einem verheirateten/verpartnerten und als solchen identifizierbaren Bataillonskommandeur, dass er bei der Inanspruchnahme von Partnerschaftsvermittlungsdiensten für sexuelle Zwecke bei der äußeren Gestaltung und Formulierung von Internetauftritten auf Integritätserwartungen Rücksicht nimmt. Tenor Die Rechtsbeschwerde der Soldatin gegen den Beschluss der 4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 18. November 2020 wird zurückgewiesen.Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Soldatin auferlegt. Tatbestand Die Beschwerdeführerin ist Berufssoldatin und war vom ... Oktober 2017 bis zum ... September 2020 als Kommandeurin des ... sowie Standortälteste in ... eingesetzt. Sie genießt überregionale Bekanntheit als erste transsexuelle Bataillonskommandeurin der Bundeswehr. Mit Disziplinarverfügung vom 1. August 2019 verhängte ihr damaliger Disziplinarvorgesetzter gegen sie einen Verweis mit dem Vorwurf:""Sie hat zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt, jedoch nicht vor dem 20. März 2019, und an einem nicht mehr feststellbaren Ort das als Anlage beiliegende Foto mit dem folgenden Text: 'Z 45 Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung und auf der Suche nach Sex. All genders welcome.' bei der Dating App Tinder eingestellt und mindestens bis zur 29. Kalenderwoche 2019 nicht gelöscht. In dem genannten Zeitraum war sie in der herausgehobenen dienstlichen Stellung als Kommandeurin des ... und als Standortälteste ... eingesetzt.""Die Soldatin begründete ihre am 16. August 2019 eingegangene Beschwerde im Wesentlichen damit, dass das beschriebene Verhalten kein Dienstvergehen sei und allein ihre Privatsphäre betreffe. Bereits zuvor hatte sie angegeben, der Text sei mit ihrer Ehepartnerin abgestimmt gewesen. Er habe vor dem Hintergrund ihres Beziehungsstatus verdeutlichen sollen, dass keine romantische Begegnung beabsichtigt gewesen sei. Hieraus könne nicht der Schluss gezogen werden, sie sei freizügig oder moralisch nicht integer. Außerdem sei ihr Profil nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen, sondern nur für den geschlossenen Kreis der Tinder-Nutzer. Der als Beweismittel vorliegende Screenshot sei illegal, unter Verletzung der Geschäftsbedingungen von Tinder, angefertigt worden und daher nicht verwertbar.Der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte wies die Beschwerde mit Bescheid vom 16. Januar 2020 zurück. Das Verhalten der Beschwerdeführerin stelle einen Verstoß gegen die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht dar. Gegenstand der Würdigung sei nicht ihre promiskuitive Lebensweise per se. Disziplinare Relevanz erlange die unkontrollierbare Art und Weise des Propagierens dieser Lebensweise durch die Beschwerdeführerin in ihrer herausgehobenen Eigenschaft als Bataillonskommandeurin. Daran ändere auch eine liberalere Einstellung der Gesellschaft zu sexualbezogenen Themen nichts. Promiskuitives Verhalten reduziere die wechselnden Partner auf Sexualobjekte und sei auch gesellschaftlich in weiten Teilen verpönt. Der Bescheid wurde dem Verteidiger der Beschwerdeführerin am 20. Januar 2020 zugestellt.Die am 19. Februar 2020 eingelegte weitere Beschwerde hat die 4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd ohne mündliche Verhandlung mit Beschluss vom 18. November 2020 zurückgewiesen. Die Disziplinarmaßnahme sei verfahrensfehlerfrei erstellt worden. Der nächste Disziplinarvorgesetzte habe sie - wie mehrere dienstliche Stellungnahmen ergeben hätten - eigenverantwortlich ohne Anweisung verhängt. Der Tenor des Verweises sei auch hinreichend bestimmt und schuldige erkennbar ein vorsätzliches außerdienstliches Verhalten an. Ein Beweisverwertungsverbot des Screenshots liege nicht vor, auch wenn er möglicherweise rechtswidrig angefertigt worden sei. Dies sei im Übrigen unerheblich, weil die Beschwerdeführerin den Sachverhalt eingeräumt habe.Die Disziplinarmaßnahme sei auch in der Sache rechtmäßig. Ein Grundrechtsverstoß liege nicht vor, da die Verletzung einer Dienstpflicht und nicht die promiskuitive Lebensweise der Beschwerdeführerin Gegenstand der Würdigung sei. Aus Sicht der Kammer liege eine Verletzung der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht vor. Durch die in ihrem Profil gewählte Formulierung werde für Außenstehende der Eindruck vermittelt, dass die Beschwerdeführerin sich selbst und ihre wechselnden Geschlechtspartner zu reinen Sexobjekten reduziere. In der Öffentlichkeit werde ein solches Verhalten als moralisch zweifelhaft gewertet. Da die Soldatin als Bataillonskommandeurin und Standortälteste die Bundeswehr repräsentiere, würde diese negative Bewertung auf die Bundeswehr übertragen. Dadurch würde nicht nur ihre eigene Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit, sondern auch der gute Ruf der Bundeswehr ernsthaft beeinträchtigt. In diesem Zusammenhang sei es ohne Relevanz, dass es sich bei Tinder nach dem Vortrag des Verteidigers um ein geschlossenes System handele. Entscheidend sei vielmehr, dass die Beschwerdeführerin von anderen Nutzern wegen des regional eingegrenzten Suchbereichs des Datingportals aufgrund ihrer besonderen Stellung in der Bundeswehr und in der Region erkannt werden könne. Für eine Verletzung der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht reiche bereits eine solche Möglichkeit des Bekanntwerdens aus. Das Truppendienstgericht hat die Rechtsbeschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache mit Beschluss vom 10. Juni 2021 zugelassen.In der binnen eines Monats eingegangenen Begründung der Rechtsbeschwerde wird das bisherige Vorbringen im Rahmen einer allgemeinen Sachrüge wiederholt und vertieft. Die Disziplinarmaßnahme sei formell rechtswidrig, weil hinsichtlich des Screenshots ein Beweisverwertungsverbot bestehe. Die Maßnahme sei auch materiell rechtswidrig, weil kein Dienstvergehen, sondern ein rein privates Handeln vorliege. Die Nutzung der Datingplattform Tinder sei ebenso wie die aktive Suche nach Sexualpartnern vom Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung geschützt. Das Sexualleben gehöre zum intimsten Bereich der Persönlichkeit, in den nur bei Vorliegen besonderer öffentlicher Belange eingegriffen werden dürfe. Die gesetzliche Regelung der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht, gegen deren Bestimmtheit bereits rechtsstaatliche Bedenken bestünden, sei nicht darauf angelegt, in dieses Grundrecht einzugreifen. Weder das Soldatengesetz noch die Wehrdisziplinarordnung berechtigten zu einem Eingriff in dieses Grundrecht. Das Truppendienstgericht habe der Beschwerdeführerin in Wahrheit nicht ihren Internetauftritt, sondern ihr promiskuitives Sexualleben vorgeworfen. Dass sie mit dem Profiltext sich und andere zum reinen Sexobjekt reduziere, sei eine von empirischen Erkenntnissen entkleidete Bewertung, die weder nachvollziehbar noch berechtigt sei. Ebenso wenig evidenzbasiert und verständlich sei die Annahme des Truppendienstgerichts, es käme nicht darauf an, ob es sich bei Tinder um ein geschlossenes System handele, weil die Beschwerdeführerin jedenfalls von regionalen Nutzern aufgrund ihres Bekanntheitsgrades in der Bundeswehr und in der Region erkannt werden könne. Im Übrigen sei auch der Tatbestand der Verletzung der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht nicht erfüllt, weil weder eine ernsthafte Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr noch eine ernsthafte Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit der Soldatin zu besorgen sei.Der Bundeswehrdisziplinaranwalt tritt dem entgegen und verteidigt die angegriffene Entscheidung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Truppendienstgerichts und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Gründe Die Rechtsbeschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg.1. Die fristgerecht begründete Rechtsbeschwerde ist hinsichtlich der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts zulässig.a) Soweit die Antragstellerin das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbotes geltend macht, genügt die Rechtsbeschwerde nicht den Darlegungsanforderungen des § 23a Abs. 2 WBO i. V. m. § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO. Der Vortrag, von ihrem Profilbild sei unter Verletzung der Nutzungsbedingungen der Plattform Tinder, ihres Urheberrechts und ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) ein Screenshot angefertigt worden, betrifft eine Frage, die dem Verfahrensrecht angehört. Es bestimmt den Umfang des Beweismaterials, den das Tatgericht auf seinem Weg zur Urteilsfindung benutzen darf (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 1964 - 3 StR 60/63 - BGHSt 19, 273 <275> und vom 8. August 2018 - 2 StR 131/18 - NStZ 2019, 107 Rn. 14, 16).Das Beweisverwertungsverbot hätte darum im Rahmen einer Verfahrensrüge im Sinne des § 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO geltend gemacht werden müssen. Dies ist nicht ausdrücklich geschehen. Selbst wenn man das Vorbringen der Beschwerdeführerin als Verfahrensrüge auslegt, genügt es nicht den Darlegungsanforderungen. Die verletzte Vorschrift des Verfahrensrechts wird nicht bezeichnet. Es wird nicht angegeben, woraus sich deren Verletzung im Einzelnen ergibt und inwiefern die angefochtene Entscheidung auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 2014 - 10 B 58.14 - juris Rn. 6 m. w. N.). Gerade weil das Truppendienstgericht unter Verweis auf das Geständnis der Beschwerdeführerin die Entscheidungserheblichkeit des geltend gemachten Verwertungsverbots in Abrede gestellt hat, hätte im Rahmen einer Verfahrensrüge dazu explizit vorgetragen werden müssen.b) Mangels ordnungsgemäß erhobener Verfahrensrügen ist von den tatsächlichen Feststellungen des Truppendienstgerichts auszugehen, das im Verfahren nach § 42 Nr. 4 Satz 1 WDO ""zugleich die in der Sache erforderliche Entscheidung trifft"" und damit selbständig Disziplinargewalt ausübt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Mai 1975 - 2 WDB 23.74 - BVerwGE 53, 43 <44 f.> und vom 25. April 2019 - 2 WNB 1.19 - Buchholz 450.2 § 42 WDO 2002 Nr. 6 Rn. 5). Dementsprechend ist in der Rechtsbeschwerde der vom Disziplinarvorgesetzten verhängte Verweis mit dem Inhalt und der Begründung zugrunde zu legen, den er im Beschwerdebescheid und zuletzt im gerichtlichen Verfahren vor dem Truppendienstgericht erhalten hat. Darin wird der Beschwerdeführerin ein vorsätzliches außerdienstliches Verhalten vorgeworfen und in tatsächlicher Hinsicht bindend festgestellt, dass sie das Profilbild mit dem Text selbst, wissentlich und willentlich in die Plattform Tinder eingestellt hat, dass sie auf dem Profilbild von anderen Nutzern des Portals wegen ihrer besonderen Stellung in der Bundeswehr erkannt werden konnte und damit angesichts des regional eingegrenzten Suchbereichs des Portals rechnen musste.2. Die zulässige Rüge der Verletzung sachlichen Rechts ist teilweise begründet, bleibt aber letztlich ohne Erfolg. Die Ausführungen des Truppendienstgerichts zur materiellen Rechtmäßigkeit der Maßnahme sind zwar rechtsfehlerhaft. Die Entscheidung erweist sich jedoch im Sinne von § 23a Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig.a) Keinen durchgreifenden Bedenken begegnen die Ausführungen zur formellen Rechtmäßigkeit der Disziplinarmaßnahme. Der Verweis genügt jedenfalls in der Form und mit dem Inhalt, die er im Beschwerde- und Gerichtsverfahren erhalten hat, dem Bestimmtheitsgebot. Er lässt Zeit, Ort und Sachverhalt des Dienstvergehens im Sinne des § 37 Abs. 3 Satz 2 WDO hinreichend klar erkennen. Die zeitliche Eingrenzung des Vorwurfs ist so konkret, wie dies bei über längere Zeiträume andauernden Vorgängen nach dem Stand der Ermittlungen möglich gewesen ist. Die konkrete Angabe des Orts des Geschehens muss bei virtuellen Vorgängen im Internet - wie geschehen - durch die Bezeichnung der Plattform, des Orts im Internet, ersetzt werden. Die Disziplinarverfügung bezeichnet auch den vorgeworfenen Sachverhalt ausreichend. Sie weist eine hinreichend konkrete, gedrängte Schilderung des vorgeworfenen tatsächlichen Geschehensablaufs auf. Soweit die ursprüngliche Disziplinarverfügung über den gesetzlichen Mindestinhalt hinaus nur eine mündliche Begründung des rechtlichen Vorwurfs enthalten hat, ist die schriftliche Begründung im Beschwerde- und Gerichtsverfahren jedenfalls nachgeholt worden.Die für einfache Disziplinarmaßnahmen vorgeschriebenen Anhörungs- und Beteiligungsvorschriften sind beachtet worden. Ein Eingriff in die sachliche Unabhängigkeit des Disziplinarvorgesetzten (§ 35 Abs. 1 WDO) und eine daraus folgende Rechtswidrigkeit der Maßnahme sind vom Truppendienstgericht rechtsfehlerfrei verneint worden. Entgegen dem erstinstanzlichem Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Truppendienstgerichts ihrem damaligen nächsten Disziplinarvorgesetzten weder ein Befehl noch eine Weisung zur disziplinarrechtlichen Ahndung des Vorfalls erteilt.b) Die Ausführungen zur materiellen Rechtmäßigkeit der Disziplinarmaßnahme halten hingegen einer rechtlichen Überprüfung teilweise nicht stand. Nach § 17 Abs. 2 Satz 3 SG hat ein Soldat sich außer Dienst und außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt. Die Vorschrift bildet eine abstrakt gehaltene Auffangregelung für die sich aus dem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis des Soldaten nach Art. 33 Abs. 4 GG ergebenden Loyalitätspflichten im außerdienstlichen Bereich. Sie genügt dem für Gesetze geltenden rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 8. Januar 1981 - 2 BvL 3, 9/77 - BVerfGE 56, 1 <12 f.>), weil die sich aus der verfassungsrechtlichen Treuepflicht ergebenden Anforderungen für die vielfältigen und wechselnden Situationen des außerdienstlichen Lebens nicht abschließend konkret geregelt werden können und weil der Inhalt der Norm durch Auslegung mit Hilfe der in Jahrzehnten gewachsenen Rechtsprechung hinreichend klar bestimmt werden kann. Die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht verbietet zum einen die ernsthafte Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr (Alt. 1) und zum anderen die ernsthafte Beeinträchtigung der eigenen Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit (Alt. 2).aa) Das Truppendienstgericht hat zu Unrecht eine Verletzung des Ansehens der Bundeswehr angenommen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist das private (Fehl-)Verhalten eines Soldaten grundsätzlich nicht der Bundeswehr als Institution zuzurechnen, es sei denn, dass außergewöhnliche Umstände dazu zwangsläufig Anlass geben. Eine ernsthafte Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr liegt - nur - dann vor, wenn der Soldat als Repräsentant der Bundeswehr anzusehen ist und sein Verhalten negative Rückschlüsse auf die qualitative Ausbildung, moralische Integrität und allgemeine Dienstauffassung oder generell auf die militärische Disziplin in der Truppe zulässt (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 1995 - 2 WD 32.94 - Buchholz 236.1 § 12 SG Nr. 2 S. 5).Im vorliegenden Fall kann zwar davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin als Standortälteste und Kommandeurin eine repräsentative Funktion in der Bundeswehr innegehabt hat. Nicht jedes private Verhalten eines Repräsentanten der Bundeswehr wird in der Öffentlichkeit aber der Bundeswehr als Ganzes zugerechnet. Dies ist insbesondere dann nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände anzunehmen, wenn der Repräsentant rein privat auftritt, seine dienstliche Funktion nicht benennt, keine Uniform trägt und im privaten oder gesellschaftlichen Rahmen seine privaten Ansichten zu nicht militärischen Themen äußert. Nichts anderes gilt, wenn eine Kommandeurin sich - wie hier - ohne Erwähnung ihrer dienstlichen Stellung bei einem Partnerschaftsvermittlungsdienst um intime Kontakte bemüht. Es fehlt der erforderliche funktionelle Zusammenhang zur Bundeswehr, so dass das rein private Verhalten der Antragstellerin das Ansehen der gesamten ""Truppe"", um das es in § 17 Abs. 2 Satz 3 Alt. 1 SG geht, nicht berührt.bb) Auch die Begründung, mit der das Truppendienstgericht eine ernsthafte Beeinträchtigung der eigenen Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit der Soldatin im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 SG annimmt, überzeugt nur teilweise.(1) Es geht allerdings zutreffend davon aus, dass ein Soldat seine außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht nicht nur durch kriminelles Verhalten von erheblichen Gewicht verletzen kann. Die Missachtung gewichtiger Strafrechtsnormen bildet zwar in der Praxis der Wehrdienstgerichte den Hauptanwendungsfall der Norm (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. März 2014 - 2 WD 5.13 - BVerwGE 149, 224 Rn. 53 ff. und vom 24. August 2018 - 2 WD 3.18 - BVerwGE 163, 16 Rn. 53). Der Wortlaut des § 17 Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 SG stellt allerdings nicht auf deliktisches Handeln ab, sodass in Ausnahmefällen auch ein nicht strafbares Verhalten das für die dienstliche Stellung notwendige Ansehen eines Soldaten ernsthaft beeinträchtigen oder sogar zerstören kann. Denn das Strafrecht enthält im Kern nur Mindestanforderungen an das Sozialverhalten des Normalbürgers und spiegelt die Verhaltenserwartungen, die das Beamten- und Soldatenrecht an Staatsdiener formuliert und die in der Rechtsgemeinschaft in Bezug auf die Integrität von Staatsdienern vorherrschen, nur unzureichend wider. Mit der Betonung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass der Staat an seine Staatsdiener eine erhöhte Integritätserwartung hat. Insbesondere militärische Vorgesetzte können ihre Aufgaben nur sinnvoll erfüllen, wenn sie von ihren Untergebenen und von der Öffentlichkeit respektiert werden und als vertrauenswürdig gelten. Diese Vertrauensbasis kann auch durch strafloses außerdienstliches Verhalten ernsthaft beeinträchtigt oder sogar völlig zerstört werden. (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 15. Juni 1999 - 2 WD 34.98 - BVerwGE 113, 340 <341>, vom 4. März 2020 - 2 WD 3.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 72 Rn. 23 und vom 18. Juni 2020 - 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 23 f.; ähnlich für Beamte: BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127; OVG Weimar, Urteil vom 6. November 2008 - 8 DO 584/07 juris Rn. 103; OVG Münster, Urteil vom 13. Juli 2016 - 3d A 1112/13.O - juris Rn. 97).(2) Das Truppendienstgericht hat auch zutreffend darauf abgestellt, dass die Anforderungen an die Integrität eines Soldaten umso größer sind, je höher seine dienstliche Stellung ist. Dies gilt schon deswegen, weil das Soldatengesetz militärische Vorgesetzte zu vorbildlichem Verhalten verpflichtet (§ 10 Abs. 1 SG) und für Unteroffiziere und Offiziere eine besondere Zurückhaltungspflicht kennt (§ 10 Abs. 6 SG). Die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht des § 17 Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 SG knüpft ebenfalls an die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit an, die die dienstliche Stellung erfordert. Dabei ist das Amt im abstrakten Sinne beachtlich, weil der Staat und die Öffentlichkeit an die Vorbildlichkeit des außerdienstlichen Verhaltens eines Generals höhere Anforderungen stellen als bei niedrigeren Dienstgraden.Für die dienstliche Stellung im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 SG ist auch der konkrete Dienstposten maßgeblich. Es macht einen Unterschied, ob ein Oberstleutnant als Mitarbeiter eines Stabes nicht öffentlichkeitswirksam eingesetzt ist, oder ob er als Kommandeur und Standortältester verwendet wird, in dieser Funktion die Bundeswehr in einer Region repräsentiert und - wie hier - gegenüber etwa 1 000 Soldaten und Mitarbeitern befehls- und weisungsbefugt ist. Diese Repräsentations- und Führungsaufgabe eines Bataillonskommandeurs ist für die Bundeswehr so wichtig, dass sie eigene Auswahlkonferenzen zur Bestimmung der hierfür nach Eignung, Leistung und Befähigung in Betracht kommenden Stabsoffiziere durchführt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. November 2014 - 1 WB 61.13 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 91 Rn. 29).Der Kommandeur eines Bataillons übt zugleich die Disziplinarbefugnis der Stufe 1 und 2 aus. Er muss dienstlichen und außerdienstlichen Pflichtverletzungen untergebener Soldaten durch erzieherische oder disziplinare Maßnahmen begegnen und über Disziplinarbeschwerden entscheiden. Nicht selten muss er Soldaten an das Verbot der sexuellen Belästigung und das Unterlassen sexistischer Äußerungen erinnern und inner- wie außerdienstlichem Fehlverhalten auf diesem Gebiet entgegentreten. Diese besondere erzieherische und disziplinare Funktion kann ein Bataillonskommandeur nur glaubhaft wahrnehmen, wenn er sich selbst in dieser Hinsicht weder inner- noch außerdienstlich etwas zuschulden kommen lässt und auf seinen guten Ruf achtet. Die Stellung eines Kommandeurs ist folglich mit erhöhten Integritätsanforderungen verbunden.(3) Das Truppendienstgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass es für eine Verletzung der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht nicht darauf ankommt, ob eine Beeinträchtigung des eigenen Ansehens bereits eingetreten ist. Denn § 17 Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 SG verlangt von dem Soldaten, sein gegenwärtiges Verhalten so auszurichten, dass es nicht in der Folge künftig zu einer ernsthaften Beeinträchtigung seiner Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit kommt. Daher reicht es für eine Dienstpflichtverletzung aus, wenn das Verhalten aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten geeignet ist, den für die dienstliche Aufgabenerfüllung notwendigen Respekt und die für die Zusammenarbeit notwendige Vertrauensbasis ernsthaft zu beeinträchtigen. Dabei muss ein militärischer Vorgesetzter bereits den ""bösen Schein"" meiden. Denn die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten kann durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dies Zweifel an seiner Redlichkeit und Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt (BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 2 WD 5.13 - BVerwGE 149, 224 Rn. 52).(4) Keinen rechtlichen Bedenken begegnen auch die Ausführungen des Truppendienstgerichts, dass die Beschwerdeführerin mit dem Bekanntwerden ihres Profilbildes und -textes rechnen musste und dies in Kauf nahm. Die Beschwerdeführerin ist Stabsoffizierin im Organisationsbereich ... und, was die Funktionsweise des Internets betrifft, fachkundig. Dass die deutschlandweit von mehr als 500 000 Anwendern genutzte Dating-App Tinder eine regionale Suchfunktion besitzt, d. h. mögliche Dating-Partner im regionalen Umfeld als erste anzeigt, war ihr bekannt. Ebenso war ihr bewusst, dass sie aufgrund ihres regionalen und überregionalen Bekanntheitsgrades optisch auf dem Profilbild auch ohne Uniform identifiziert werden konnte. Daher musste sie damit rechnen, dass ihr Profilbild und ihr Profiltext in der Region und im Bataillon bekannt werden würden. In diesem Zusammenhang konnte das Truppendienstgericht die Frage offenlassen, ob es sich bei der Plattform Tinder aufgrund des Registrierungserfordernisses um ein geschlossenes System handelt. Angesichts der Vielzahl der Nutzer konnte jedenfalls auf ein Geheimbleiben des Profilbildes und -textes nicht vertraut werden.(5) Schließlich hat das Truppendienstgericht zutreffend angenommen, dass sich das Bekanntwerden des Profilbildes und -textes negativ auf die Bewertung der moralischen Integrität der Beschwerdeführerin durch Dritte auswirken würde. Zwar wird die Praxis sexueller Kontakte mit relativ häufig wechselnden Partnern als Ausprägung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts im westlichen Kulturkreis allgemein toleriert. Es widerspricht jedoch nach wie vor den Wertvorstellungen breiter Bevölkerungskreise, die teils aus religiösen, teils aus moralischen Gründen an der Leitvorstellung der Einehe, der ehelichen Treue und der Familie als Keimzelle der Gesellschaft festhalten. Dieses hergebrachte Werteverständnis ist auch und gerade in den eher traditionsorientierten militärischen Verbänden und im ländlichen Raum beheimatet. Daher ist die Annahme des Truppendienstgerichts realitätsnah, dass das Werben der Beschwerdeführerin um Sexualkontakte außerhalb ihrer eigenen Ehe sich nachteilig auf ihr Ansehen in der regionalen Öffentlichkeit und vor allem in der ihr unterstellten Truppe auswirken konnte. Dass ihre Partnerin damit einverstanden war, ändert daran nichts.cc) Das Truppendienstgericht hat allerdings nicht hinreichend berücksichtigt, dass sich die nähere Bestimmung des Umfangs der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht nicht allein daran orientiert, welches Maß an Zurückhaltung des Soldaten in seiner privaten Lebensführung im Hinblick auf die dienstlichen Interessen ideal wäre. Vielmehr bestimmt § 17 Abs. 2 Satz 3 SG im Hinblick darauf, dass die private Lebensführung des Soldaten eingeschränkt wird, dass eine Pflichtverletzung nur vorliegt, wenn dadurch eine ""ernsthafte"" Beeinträchtigung der beruflichen Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit bewirkt wird. Eine weniger schwerwiegende Beeinträchtigung nimmt das Gesetz hin, um die private Betätigungsfreiheit des Soldaten in seiner Freizeit nicht unangemessen durch dienstrechtliche Sanktionen einzuschränken. Es reicht also nicht aus, wenn ein außerdienstliches Verhalten als deliktisch, ordnungswidrig oder rechtswidrig eingestuft werden kann oder sich aus anderen Gründen negativ auf den Ruf des Soldaten auswirkt.Vielmehr muss das Verhalten eine ""ernsthafte"" Belastung des beruflichen Achtungs- und Vertrauensverhältnisses nach sich ziehen können. Dies ist - wie im Beamtenrecht - aufgrund einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei es auf die Sicht eines verständigen Betrachters ankommt, der alle relevanten Umstände des Einzelfalls kennt. In dieser Gesamtwürdigung muss auch einfließen, ob und inwieweit das außerdienstliche Verhalten des Soldaten grundrechtlichen Schutz genießt. Ein grundrechtlich geschütztes Verhalten kann zwar Beschränkungen unterliegen, soweit dies von Sinn und Zweck des konkreten soldatenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses (Art. 33 Abs. 4 GG, § 6 Satz 2 SG) gefordert wird. Die Grundrechtsbetätigung im privaten Bereich darf aber nicht einseitig unter dem Blickwinkel dienstlicher Belange beschränkt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127 Rn. 24 f.). Vielmehr muss § 17 Abs. 2 Satz 3 SG nach der sogenannten Wechselwirkungstheorie seinerseits im Lichte der Grundrechte ausgelegt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51 - BVerfGE 7, 198 <208 f.> ""Lüth""; Beschluss vom 18. Februar 1970 - 2 BvR 746/68 - BVerfGE 28, 55 <63> zu § 17 Abs. 1 SG und BVerwG, Urteil vom 1. Juli 2020 - 2 WD 15.19 - BVerwGE 169, 66 Rn. 23 ff.).Diesen Maßstäben wird die Entscheidung des Truppendienstgerichts nicht gerecht. Es hat zwar zutreffend ausgeführt, dass die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht keine Beschränkung der sexuellen Selbstbestimmung der Beschwerdeführerin in ihrer Privatsphäre rechtfertigt und dass der ihr erteilte Verweis dies auch nicht bezweckt. Denn das Grundgesetz hat den Intim- und Sexualbereich des Menschen als Teil seiner Privatsphäre unter den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gestellt. Dazu gehört, dass der Einzelne sein Verhältnis zur Sexualität und seine geschlechtlichen Beziehungen zu einem Partner einrichten und grundsätzlich selbst darüber befinden kann, ob, in welchen Grenzen und mit welchen Zielen er Einwirkungen Dritter darauf hinnehmen will (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 2 BvR 392/07 - BVerfGE 120, 224 <238 f.>). Wegen seiner besonderen Nähe zur Menschenwürde ist der Kernbereich privater Lebensgestaltung absolut geschützt, ohne dass dieser Schutz einer Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zugänglich ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Juni 2009- 1 BvR 1107/09 - NJW 2009, 3357 Rn. 25).Das Truppendienstgericht hat jedoch Bedeutung und Tragweite des Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG durch die Annahme verkannt, der grundrechtliche Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beschränke sich allein auf den Kernbereich privater Lebensführung. Denn es steht dem Einzelnen grundsätzlich frei, auch außerhalb seiner Privatsphäre seine sexuellen Interessen zu äußern und auf einem Internetportal mittels eines Accounts und Profilbildes nach Sexualpartnern zu suchen. Diese Bekanntgabe seiner persönlichen Partnerschaftsinteressen ist ebenfalls vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt, auch wenn sie im Bereich der Sozialsphäre erfolgt und dadurch nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtlichen Beschränkungen unterliegt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Juni 2009 - 1 BvR 1107/09 - NJW 2009, 3357 Rn. 25 und OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2020 - 16 U 67/19 - juris Rn. 53).Dementsprechend kann auch eine Beschränkung dieses Rechts aufgrund der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht des § 17 Abs. 2 Satz 3 SG nur erfolgen, wenn bei der gebotenen Abwägung des dienstlichen Interesses mit den von Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG geschützten privaten Interessen eine ernsthafte Beeinträchtigung der dienstlichen Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit zu besorgen ist. Die dafür erforderliche Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und die Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind durch das Truppendienstgericht nicht erfolgt.Diese Abwägung kann auch nicht - wie das Truppengericht anzunehmen scheint - zur Folge haben, dass die Beschwerdeführerin auf eine Nutzung der Dating-App im dienstlichen Interesse verzichten müsste. Denn die moralischen Verhaltenserwartungen der Bevölkerungsmehrheit haben in einer offenen Gesellschaft mit einer freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht das Gewicht, dass sich militärische Führungskräfte um ihrer dienstlichen Akzeptanz willen dem völlig anpassen müssten und sich nur hinter verschlossenen Türen anderweitig verhalten dürften. Vielmehr überwiegt das grundrechtlich geschützte Interesse der Soldaten, dem ihren Wertvorstellungen entsprechenden sexuellen Lebensstil auch in einem öffentlich bemerkbaren Rahmen nachzugehen. Ähnlich wie das Zurückhaltungsgebot des § 10 Abs. 6 SG die von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte politische Meinungsäußerung eines Offiziers in der Öffentlichkeit nicht per se verbietet, steht auch § 17 Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 SG der von Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten selbstbestimmten Inanspruchnahme von Partnerschaftsvermittlungsdiensten für sexuelle Zwecke nicht grundsätzlich entgegen, auch wenn damit ein Ansehensverlust verbunden sein kann. Vielmehr beschränkt § 17 Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 SG die Art und Weise dieser Betätigung und erfordert, bei der äußeren Gestaltung und Formulierung entsprechender Internetauftritte auf die mit der dienstlichen Stellung verbundenen Integritätserwartungen Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1970 - 2 BvR 531/68 - BVerfGE 28, 36 <47> und BVerwG, Urteil vom 1. Juli 2020 - 2 WD 15.19 - BVerwGE 169, 66 Rn. 14 zu § 10 Abs. 6 SG und Art. 5 Abs. 1 GG).dd) Das Truppendienstgericht hat in seiner Entscheidung auch den Grundsatz vernachlässigt, dass bei jeder Prüfung, ob eine Äußerung eines Soldaten im Hinblick auf § 17 Abs. 2 Satz 3 SG disziplinarische Relevanz besitzt, zunächst deren Sinngehalt gegebenenfalls durch Auslegung objektiv zu ermitteln ist. Gegen diesen Grundsatz wird verstoßen, wenn Teilen einer Meinungsäußerung eine bei hinreichender Beachtung des Zusammenhangs nicht mehr verständliche und damit überzogene Deutung gegeben und sie in dieser Deutung einer disziplinarrechtlichen Würdigung und Ahndung unterworfen wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Juli 1992 - 2 BvR 1802/91 - NJW 1992, 2750 <2751>; BVerwG, Urteil vom 1. Juli 2020- 2 WD 15.19 - BVerwGE 169, 66 Rn. 20).Im vorliegenden Fall hat das Truppendienstgericht bei der Interpretation des Profilbildes und -textes außer Acht gelassen, dass es sich dabei um ein virtuelles Werbemedium für eine Partnerschaftssuche handelt, bei der potentielle Interessenten typischer Weise durch attraktive Bilder und reißerische Texte angesprochen werden sollen. Mit den Worten ""offene Beziehung"", ""auf der Suche nach Sex"", ""all genders welcome"" wird schlagwortartig deutlich gemacht, dass der Wunsch nach einem sexuellen Erlebnis ohne partnerschaftliche Bindung den Beweggrund der Annonce bildet. Es wird aber aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten damit nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Beschwerdeführerin sich oder andere zum reinen Sexobjekt degradiert.Dagegen spricht, dass die Beschwerdeführerin auf dem Profilbild bekleidet abgelichtet ist. Anders als bei einer pornografischen Selbstabbildung kann nicht davon gesprochen werden, sie reduziere sich zum reinen Objekt geschlechtlicher Begierde (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 15. Juni 1999 - 2 WD 34.98 - BVerwGE 113, 340 <341>). Auch der Text des Profils deckt ein solches Verständnis nicht, wenngleich das sexuelle Motiv darin stark betont wird. Da Werbetexte knapp und plakativ formuliert werden, kann aus dem Fehlen einer Aussage über den beabsichtigten Verlauf eines Treffens nicht geschlossen werden, die Beschwerdeführerin wolle Geschlechtsverkehr ohne Rücksicht auf die eigene Würde und die Würde des anderen vollziehen. Vielmehr liegt die Annahme nahe, dass im Falle einer Kontaktaufnahme - wie üblich - die Sympathie oder Antipathie bei der persönlichen Begegnung die entscheidende Rolle spielen und der Geschlechtsverkehr nur im beiderseitigen Einverständnis unter Wahrung der Würde des anderen erfolgen sollte. Insofern hat das Truppendienstgericht den Inhalt des Profiltextes in unzulässiger Weise überzeichnet.c) Die Entscheidung des Truppendienstgerichts erweist sich jedoch im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig, so dass die Rechtsbeschwerde gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 144 Abs. 4 VwGO zurückzuweisen ist. Denn in dem Internetauftritt der Beschwerdeführerin liegt auch bei der nach § 17 Abs. 2 Satz 3 SG erforderlichen Abwägung der dienstlichen und privaten Belange eine Verletzung der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht. Auch wenn dieses Dienstvergehen weniger schwer wiegt, als vom Truppendienstgericht angenommen, ist der dafür verhängte Verweis als mildeste einfache Disziplinarmaßnahme noch verhältnismäßig.aa) Die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht stellt - wie bereits ausgeführt - an Stabsoffiziere in der besonders hervorgehobenen Stellung eines Bataillonskommandeurs besondere Anforderungen. Gerade weil ein Kommandeur eine besondere Personalverantwortung - hier über ca. 1 000 Personen - hat, im Rahmen seiner Repräsentations- und Führungsaufgaben integrativ wirken und in Ausübung seiner Disziplinarbefugnisse auch sexistischen Äußerungen und sexuellen Belästigungen entgegentreten muss, hat er bei Äußerungen im Internet mit sexuellem Bezug auf die für seine dienstliche Stellung erforderliche Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit Rücksicht zu nehmen. Dies bedeutet - wie oben dargestellt - nicht, dass ein Kommandeur auf eine seinem Lebensstil entsprechende Suche nach Sexualpartnern im Internet verzichten müsste; allerdings muss er bei der Wahl seiner Worte Rücksicht auf seine berufliche Stellung nehmen und auch Formulierungen vermeiden, die den falschen Eindruck einer sexuellen Disziplinlosigkeit erwecken können. Denn ein Disziplinarvorgesetzter kann erzieherische und disziplinare Maßnahmen wegen sexueller Verfehlungen nicht glaubhaft vermitteln, wenn seine Äußerungen über seinen eigenen Lebenswandel auf ein hemmungsloses Ausleben des Sexualtriebs hindeuten.Im vorliegenden Fall hat die Soldatin zwar bei der Auswahl ihres Profilbildes die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht nicht verletzt. Das Bild ist in keiner Weise kompromittierend. Der Werbetext ""lustvoll ... offene Beziehung ... auf der Suche nach Sex ... all genders welcome"" ist jedoch geeignet, den falschen Eindruck zu erwecken, sie führe ein wahlloses Sexualleben oder strebe dies an. Auch wenn dies objektiv betrachtet bei Kenntnis der Motive der Soldatin und sachgemäßer Auslegung des Textes bei längerem Nachdenken nicht der Fall ist, vermittelt die Betonung der Lust, der Suche nach Sex und dem Nachklapp ""all ... welcome"" beim ersten Durchlesen den falschen Anschein, es gehe um möglichst schnellen Sex mit Partnern gleich welchen Geschlechts. Ein ungehemmtes Ausleben des Sexualtriebs sei besonders wichtig. Diese äußerst missverständliche Überspitzung des eigenen Anliegens war für die beabsichtigte Grundrechtsausübung nicht erforderlich und auch für die Werbewirksamkeit der Annonce nicht notwendig. Die Formulierung hätte vermieden werden können und um der dienstlichen Akzeptanz willen - d. h. wegen der Erfordernisse des militärischen Dienstes (§ 6 Satz 2 SG) - vermieden werden müssen.bb) Die darin liegende vorsätzliche Verletzung der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht ist zwar ein Dienstvergehen, wiegt aber weniger schwer als vom Truppendienstgericht angenommen. Da die Soldatin lediglich einen Verweis, also die nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 WDO geringstmögliche Disziplinarmaßnahme erhalten hat, ist die Sanktion im Ergebnis nicht unverhältnismäßig. Ein einfacher Verweis wird in einem Personalgespräch verhängt und gelangt dann in die Personalakte. Er hindert bei entsprechender Bewährung keine förderlichen Maßnahmen und wird gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 WDO in der Regel nach drei Jahren gelöscht. Auch wenn ein Verweis die dienstliche Beurteilung nachteilig beeinflussen kann, ist die damit verbundene Belastung eher gering. Er ist im Ergebnis für einen Auftritt im Internet angemessen, bei dem die eigene Vorbildrolle in einer gewichtigen Führungsposition nicht ausreichend beachtet worden ist.3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 23a Abs. 2 WBO i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2022-35,02.06.2022,"Pressemitteilung Nr. 35/2022 vom 02.06.2022 EN Kosten der Streckenkontrolle an Bundesfernstraßen sind vom Bund zu tragen Die Personal- und Sachkosten, die für Streckenkontrollen an den von den Ländern im Auftrag des Bundes verwalteten Bundesfernstraßen anfallen, sind Zweckausgaben, die der Bund nach Art. 104a Abs. 2 GG zu tragen hat. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Länder verwalteten bis 31. Dezember 2020 nicht nur die Bundesstraßen, sondern auch die Bundesautobahnen im Auftrag des Bundes. Um die Instandhaltung und Verkehrssicherheit der Bundesfernstraßen zu gewährleisten, führten sie unter anderem Streckenkontrollen durch. Diese erfolgten insbesondere als regelmäßige Kontrollfahrten, bei denen die Bundesautobahnen und Bundesstraßen nach einem festgelegten Turnus durch Streckenwarte befahren und einer Sichtkontrolle aus dem Fahrzeug heraus unterzogen wurde. Festgestellte Mängel oder Gefahrenquellen wurden dabei möglichst sofort beseitigt. Seit 2011 hat der Bundesrechnungshof wiederholt beanstandet, dass die mit der Streckenkontrolle im Zusammenhang stehenden Personal- und Sachkosten vom Bund getragen würden, obwohl es sich dabei um Verwaltungsausgaben im Sinne des Art. 104a Abs. 5 GG handele, die den Ländern zur Last fielen. Die Bundesländer hingegen sahen die Streckenkontrollkosten als vom Bund zu tragende Zweckausgaben an. Nach längeren außergerichtlichen Bemühungen um eine Einigung mit den Ländern hat der Bund einen Anspruch auf Erstattung der von ihm in den Jahren 2012 bis 2020 getragenen Streckenkontrollkosten in Höhe von 16 743 696,75 € gegenüber dem Land Hessen geltend gemacht und damit gegen einen Zahlungsanspruch des Landes aufgerechnet. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Bund die Kosten der Streckenkontrolle in den Jahren 2012 bis 2020 zu Recht getragen hat. Diese Kosten, die sich aus den Personal- und Sachausgaben für die eingesetzten Streckenwarte und Fahrzeuge zusammensetzen, sind Zweckausgaben, die bei der Erfüllung der eigentlichen Sachaufgabe anfallen und nach der Finanzverfassung des Grundgesetzes und den sie konkretisierenden einfachgesetzlichen Vorschriften vom Bund zu tragen sind. Die Streckenkontrolle, mit der die Bundesländer die Straßenbaulast und die Verkehrssicherungspflicht für die Bundesfernstraßen wahrgenommen haben, war eine Sachaufgabe, die sie im Rahmen der Verwaltung der Bundesfernstraßen im Auftrag des Bundes zu erfüllen hatten. Die hierbei anfallenden Kosten für den Personal- und Fahrzeugeinsatz, die sich ohne Weiteres von den übrigen Kosten absondern lassen, sind der Erfüllung dieser Sachaufgabe zurechenbar. Sie standen damit in unmittelbarem Zusammenhang. Denn ohne den Einsatz der Streckenwarte und der für deren Kontrollfahrten genutzten Fahrzeuge konnte die Streckenkontrolle nicht erfolgen. Bei der Klage des Landes Hessen handelt es sich um einen Musterprozess. Nach einer entsprechenden Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern soll die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auch für die übrigen Bundesländer gelten. Fußnote: Art. 104a GG 1) Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt. (2) Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, trägt der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben. (5) Der Bund und die Länder tragen die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben und haften im Verhältnis zueinander für eine ordnungsmäßige Verwaltung. (…) BVerwG 9 A 13.21 - Urteil vom 02. Juni 2022","Urteil vom 02.06.2022 - BVerwG 9 A 13.21ECLI:DE:BVerwG:2022:020622U9A13.21.0 EN Kosten der Streckenkontrollen an Bundesfernstraßen in den Jahren 2012 bis 2020 Leitsätze: 1. Bund-Länder-Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, über die das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO im ersten und letzten Rechtszug entscheidet, sind nur Streitigkeiten, die sich ihrem Gegenstand nach einem Vergleich mit den landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten entziehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es der Sache nach um eine Abgrenzung der beiderseitigen Hoheitsbefugnisse für einen bestimmten Bereich geht oder die Finanzverantwortung für Ausgaben im Streit steht, die Bund und Ländern aus der Wahrnehmung ihrer Befugnisse erwachsen. 2. Zu den vom Bund im Bereich der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 104a Abs. 2 GG zu tragenden Zweckausgaben gehören Personalkosten und Kosten von Verwaltungseinrichtungen, soweit sie sich von den übrigen Kosten absondern lassen und der entsprechenden Sachaufgabe wegen eines unmittelbaren Zusammenhangs eindeutig zurechenbar sind. 3. Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG ist nicht auf Maßnahmen zum Bau und zur Unterhaltung von Bundesfernstraßen beschränkt, sondern umfasst das gesamte Straßenrecht für die Bundesfernstraßen und schließt Regelungen über die Streckenkontrollen ein. Rechtsquellen VwGO § 40 Abs. 1 Satz 1, § 50 Abs. 1 Nr. 1 GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 22, Art. 85 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Art. 90 Abs. 3, Art. 104a Abs. 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 5 Satz 1, Art. 143e Abs. 1 Satz 1 GG a.F. Art. 90 Abs. 2 FStrVermG § 6 Abs. 3 Satz 1 und 2, § 10a Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 und 2 FStrVermG a.F. § 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 02.06.2022 - 9 A 13.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:020622U9A13.21.0] Urteil BVerwG 9 A 13.21 In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juni 2022 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler, Dr. Martini und Dr. Dieterich sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Schübel-Pfister für Recht erkannt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16 743 696,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8 371 848,38 € ab 22. Juli 2021, aus 12 557 772,56 € ab 1. Oktober 2021 und aus 16 743 696,75 € ab 1. Januar 2022 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 16 743 696,75 €. 2 Bei diesem Betrag handelt es sich um einen Teilbetrag der Pauschale in Höhe von 5 % der Baukosten für Bundesautobahnen im Jahr 2020, mit der der Bund den Ländern nach § 10a Abs. 2 Satz 1 und 2 des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs (im Folgenden: FStrVermG) in der Fassung des Gesetzes vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2237) im Jahr 2021 die Zweckausgaben abzugelten hat, die bis zum 31. Dezember 2020 bei der Entwurfsbearbeitung für Bundesautobahnen entstanden sind (im Folgenden: Zweckausgabenpauschale). Diese Pauschale beträgt für den Kläger 38 379 725,37 €. 3 Die Länder verwalteten bis zum 31. Dezember 2020 sämtliche Bundesfernstraßen, also sowohl Bundesstraßen als auch die Bundesautobahnen, im Auftrag des Bundes. Um die laufende Instandhaltung und die Verkehrssicherheit der Bundesfernstraßen zu gewährleisten, führte der Kläger unter anderem Streckenkontrollen durch. Diese erfolgten insbesondere als regelmäßige Kontrollfahrten, bei denen die Bundesstraßen und Bundesautobahnen nach einem festgelegten Turnus durch Streckenwarte befahren und aus dem Fahrzeug heraus einer Sichtkontrolle unterzogen wurden. Soweit möglich, beseitigten die Streckenwarte festgestellte Mängel oder Gefahrenquellen im Rahmen der Kontrollfahrt selbst. Andernfalls sicherten sie etwaige Gefahrenstellen ab und veranlassten die erforderlichen Arbeiten. 4 In seiner Mitteilung vom 27. Januar 2011 über die Prüfung des Aufwands für den Betriebsdienst an Bundesfernstraßen in Hessen in den Jahren 2003 bis 2008 beanstandete der Bundesrechnungshof, dass der Kläger gegen die grundgesetzliche Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern verstoßen habe, indem er die mit der Streckenkontrolle verbundenen Personal- und Sachkosten dem Bund angelastet habe. Diese Kosten seien als Verwaltungsausgaben nicht vom Bund, sondern vom Land zu tragen, weil es sich bei den Kontrolltätigkeiten der Streckenwarte um Verwaltungstätigkeiten handele. Daraufhin forderte das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung den Kläger auf, die dem Bund in den Jahren 2003 bis 2011 angelasteten Streckenkontrollkosten in Höhe von 8 780 300,28 € zu erstatten. 5 Der Kläger wies die Erstattungsforderung zurück. In Übereinstimmung mit den übrigen Bundesländern vertrat er die Auffassung, dass es sich bei den Kosten der Streckenkontrolle nicht um Verwaltungsausgaben, sondern um vom Bund zu tragende Zweckausgaben handele. 6 Nach längeren erfolglosen Bemühungen um eine Einigung mit den Ländern machte das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur mit Schreiben vom 1. März 2021 einen Anspruch auf Erstattung der dem Bund in den Jahren 2012 bis 2020 angelasteten Streckenkontrollkosten in Höhe von 16 743 696,75 € gegenüber dem Kläger geltend und rechnete damit gegen dessen Anspruch auf Zahlung der Zweckausgabenpauschale für das Jahr 2021 in Höhe von 38 379 725,37 € auf. 7 Die übrigen Bundesländer erhielten vergleichbare Schreiben. Sie verständigten sich mit dem Kläger, gegen die Aufrechnung in einem durch das Land Hessen zu führenden Musterprozess vorzugehen. Im Juli 2021 schlossen Bund und Länder eine Vereinbarung, nach der sie eine in diesem Musterprozess ergehende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Frage, ob es sich bei den Kosten der Streckenkontrolle um Verwaltungs- oder Zweckausgaben handele, als verbindlich anerkennen. 8 Am 22. Juli 2021 hat der Kläger beim Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben und geltend gemacht: Der Beklagten stehe kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, mit dem sie gegen die Zweckausgabenpauschale habe aufrechnen können. Bei den Kosten der Streckenkontrolle handele es sich nicht um Verwaltungs-, sondern um Zweckausgaben, die der Bund zu Recht getragen habe. Auch soweit die Streckenkontrolle der Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht diene, sei sie Teil der Ausübung der Straßenbaulast. Die damit einhergehenden Personal- und Sachkosten seien daher der Erfüllung dieser Sachaufgabe zuzurechnen. 9 Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 16 743 696,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8 371 848,38 € ab 22. Juli 2021, aus 12 557 772,56 € ab 1. Oktober 2021 und aus 16 743 696,75 € ab 1. Januar 2022 zu zahlen. 10 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 11 Sie führt im Wesentlichen aus: Die Klageforderung sei durch die Aufrechnung erloschen. Dem Bund seien die Streckenkontrollkosten zu Unrecht angelastet worden. Sie gehörten nicht zu den Zweck-, sondern zu den Verwaltungsausgaben. Die Streckenkontrolle sei keine mit der Unterhaltung zusammenhängende Aufgabe der Straßenbaulast. Kontrolltätigkeiten könnten keine Zweckausgaben auslösen. Dies verdeutliche § 6 Abs. 3 Satz 2 FStrVermG. Die Kosten der Bauaufsicht seien als Sonderfall einer Kontrolltätigkeit überwiegend Verwaltungsausgaben. Das Bundesverwaltungsgericht habe dieser Regelung eine gesetzgeberische Grundentscheidung entnommen, die zur Lösung ähnlicher Problematiken herangezogen werden könne. Zweckausgaben seien nur die unmittelbar durch die Erfüllung der eigentlichen Sachaufgabe verursachten Kosten. Der Aufgabenerfüllung lediglich mittelbar zurechenbare Kosten seien hingegen Verwaltungsausgaben. Art. 104a Abs. 3 Satz 1 GG zeige, dass nur die zu gewährenden Geldleistungen als Zweckausgaben vom Bund zu tragen seien, während die Kosten der Ermittlung der Leistungshöhe als Verwaltungsausgaben den Ländern zur Last fielen. Die Streckenkontrolle erfülle die den Ländern als originäre Landesaufgabe obliegende Verkehrssicherungspflicht, die nicht unmittelbar der Unterhaltung der Straße diene. Die Streckenkontrollkosten seien daher Verwaltungsausgaben. Sie seien aber auch dann nicht vom Bund zu tragen, wenn es sich dabei um Zweckausgaben handele. Denn der Bund habe für die Streckenkontrolle keine Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG, weil diese auf den Bau und die Unterhaltung der Bundesfernstraßen beschränkt sei. Da die Bundesauftragsverwaltung nicht weiter reiche als die Gesetzgebungskompetenz des Bundes, habe dieser auch nicht das für seine Finanzverantwortung erforderliche Weisungsrecht nach Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG. 12 Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich nicht an dem Verfahren beteiligt. II 13 Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig (1) und begründet (2). 14 1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind der Verwaltungsrechtsweg (a) und die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts (b) eröffnet. 15 a) Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben. Die öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist nichtverfassungsrechtlicher Art. 16 Verfassungsrechtlicher Art ist ein Rechtsstreit, wenn der geltend gemachte Anspruch in einem Rechtsverhältnis wurzelt, das maßgeblich durch Verfassungsrecht geprägt ist. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn um föderale Ansprüche, Verbindlichkeiten oder Zuständigkeiten gestritten wird, die auf Normen des Grundgesetzes gestützt werden, die gerade das verfassungsrechtlich geordnete Verhältnis zwischen Bund und Ländern betreffen. Da Bund und Länder im Bundesstaat stets in einem verfassungsrechtlichen Verhältnis zueinander stehen, ist für den Rechtsweg maßgeblich, ob der Klageanspruch seine Grundlage im verfassungsrechtlichen Grundverhältnis oder in einem engeren Rechtsverhältnis hat, das durch Normen des einfachen Rechts geprägt wird. Ist das Rechtsverhältnis zwischen Bund und Land einfachgesetzlich näher ausgestaltet, behält es diesen Charakter auch dann, wenn der Ausgang des Rechtsstreits maßgeblich von der Anwendung und Auslegung von Verfassungsnormen abhängig ist (BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2016 - 9 A 16.15 - Buchholz 11 Art. 104a GG Nr. 28 Rn. 18 und 20 m. w. N.). 17 Dies zugrunde gelegt, ist die Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Zwar geht der Klageanspruch auf Art. 104a Abs. 2 GG zurück, der die föderale Lastenverteilung im Bereich der Bundesauftragsverwaltung regelt und nach dem der Bund die Ausgaben trägt, die sich aus dem Handeln der Länder im Auftrag des Bundes ergeben. Unmittelbar gestützt ist er aber auf § 10a Abs. 2 FStrVermG, der die verfassungsrechtliche Lastenverteilung einfachgesetzlich näher ausgestaltet. Denn der Bund hat danach den Ländern Zweckausgaben, die bei der Entwurfsbearbeitung für Bundesautobahnen bis zum 31. Dezember 2020 entstanden sind, in den Jahren 2021 bis 2023 durch die Zahlung von Pauschalen abzugelten. 18 b) Das Bundesverwaltungsgericht ist für den Rechtsstreit nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zuständig. 19 Nach dieser Regelung entscheidet es über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern im ersten und letzten Rechtszug. Im Hinblick auf den Regelungszweck, von den sonst geltenden Zuständigkeitsregeln nur bestimmte, in ihrer Eigenart gerade durch die Beziehungen zwischen dem Bund und einem Land geprägte Streitigkeiten auszunehmen und dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung zuzuweisen, gilt dies allerdings nur für Bund-Länder-Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, die sich ihrem Gegenstand nach einem Vergleich mit den landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten entziehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es der Sache nach um eine Abgrenzung der beiderseitigen Hoheitsbefugnisse für einen bestimmten Bereich geht (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 30. Juli 1976 - 4 A 1.75 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 6 und vom 24. Januar 2007 - 3 A 2.05 - BVerwGE 128, 99 Rn. 18). 20 Eine Bund-Länder-Streitigkeit entzieht sich einem Vergleich mit den landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten aber auch dann, wenn nicht die Abgrenzung von Hoheitsbefugnissen, sondern die Finanzverantwortung für die Ausgaben im Streit steht, die Bund und Ländern aus der Wahrnehmung ihrer Befugnisse erwachsen (vgl. zu einem nur der Höhe nach streitigen Anspruch auf Erstattung von Zweckausgaben BVerwG, Urteil vom 24. Juli 2008 - 7 A 2.07 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 2 Rn. 10). Auch in solchen Fällen ist die Streitigkeit gerade durch die Beziehung zwischen dem Bund und einem Land geprägt. 21 Danach ist das Bundesverwaltungsgericht für den Rechtsstreit in erster und letzter Instanz zuständig. Denn der Streit über den Anspruch auf Zahlung der Zweckausgabenpauschale für 2021 betrifft die Frage der Finanzverantwortung des Bundes für die Ausgaben, die dem klagenden Land bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben entstanden sind. 22 2. Die Klage ist auch in vollem Umfang begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch in Höhe von 16 743 696,75 € zu (a). Der Anspruch ist nicht durch Aufrechnung erloschen (b). Die Beklagte ist außerdem zur Zahlung der beantragten Zinsen verpflichtet (c). 23 a) Der Kläger hat nach § 10a Abs. 2 Satz 1 und 2 FStrVermG gegenüber der Beklagten Anspruch auf Zahlung von 16 743 696,75 €. 24 Gemäß § 10a Abs. 2 Satz 1 FStrVermG hat der Bund den Ländern Zweckausgaben, die bei der Entwurfsbearbeitung für Bundesautobahnen bis zum 31. Dezember 2020 entstanden sind, in den Jahren 2021 bis 2023 jeweils durch Zahlung einer Pauschale abzugelten. Im Jahr 2021 beträgt die Höhe dieser Pauschale nach § 10a Abs. 2 Satz 2 FStrVermG 5 % der Baukosten für Bundesautobahnen im Jahr 2020. 25 Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass sich danach für 2021 eine Pauschale von 38 379 725,37 € errechnet. Dem Kläger steht diese Pauschale auch in Höhe des Teilbetrags von 16 743 696,75 € zu, den die Beklagte im Hinblick auf ihre Aufrechnungserklärung vom 1. März 2021 bisher nicht gezahlt hat. 26 b) Der Anspruch des Klägers nach § 10a Abs. 2 Satz 1 und 2 FStrVermG ist durch die Aufrechnung der Beklagten nicht in entsprechender Anwendung von § 389 BGB erloschen. 27 Zwar sind die Regelungen der §§ 387 ff. BGB über die Aufrechnung auch im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1982 - 3 C 6.82 - BVerwGE 66, 218 <221>). Die Beklagte hat jedoch keine Forderung, die sie in entsprechender Anwendung von § 387 BGB gegen den Anspruch nach § 10a Abs. 2 Satz 1 und 2 FStrVermG hätte aufrechnen können. Der behauptete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Höhe von 16 743 696,75 € besteht nicht. 28 Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist ein gewohnheitsrechtlich anerkanntes, eigenständiges und aus Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Forderung nach wiederherstellender Gerechtigkeit abgeleitetes Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts. Er ist darauf gerichtet, Leistungen ohne Rechtsgrund oder sonstige rechtsgrundlose oder dem materiellen Recht nicht entsprechende Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen. Seine Anspruchsvoraussetzungen entsprechen denen des in den §§ 812 ff. BGB geregelten Bereicherungsanspruchs (BVerwG, Urteile vom 12. März 1985 - 7 C 48.82 - BVerwGE 71, 85 <87 f.> und vom 15. Mai 2008 - 5 C 25.07 - BVerwGE 131, 153 Rn. 13; Beschluss vom 3. Juli 2007 - 9 B 9.07 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 27 Rn. 7). 29 Danach hat die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der ihr vom Kläger angelasteten Kosten der in Hessen in den Jahren 2012 bis 2020 durchgeführten Streckenkontrollen an Bundesfernstraßen. Denn sie hat diese von ihr auf 16 743 696,75 € bezifferten Kosten nicht ohne Rechtsgrund getragen. 30 aa) Die Kostentragung durch den Bund findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 104a Abs. 2 GG. Einfachgesetzlich beruhte sie in den Jahren 2012 bis 2017 für alle Bundesfernstraßen auf § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung des Gesetzes vom 30. August 1971 (BGBl. I S. 1426; im Folgenden: a. F.), in den Jahren 2018 bis 2020 auf § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG in der Fassung des Gesetzes vom 29. November 2017 (BGBl. I S. 2237; im Folgenden: n. F.) für die Bundesstraßen und auf § 10a Abs. 1 Satz 1 FStrVermG für die Bundesautobahnen. 31 In den Jahren 2012 bis 2020 verwalteten die Länder die Bundesfernstraßen zunächst nach Art. 90 Abs. 2 GG in der bis 19. Juli 2017 gültigen Fassung (im Folgenden: a. F.) und später nach Art. 90 Abs. 2 GG a. F. i. V. m. Art. 143e Abs. 1 Satz 1 GG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347) und Art. 90 Abs. 3 GG in der Fassung dieses Gesetzes (im Folgenden: n. F.) im Auftrag des Bundes (Bundesauftragsverwaltung), sodass nach Art. 104a Abs. 2 GG der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben als sogenannte Zweckausgaben (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 24. Juli 2008 - 7 A 2.07 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 2 Rn. 11) zu tragen hatte. Die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben hatten die Länder nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG hingegen selbst zu tragen. 32 Einfachgesetzlich hatte der Bund nach § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG a. F. bis 31. Dezember 2017 die Zweckausgaben aus der Wahrnehmung der Straßenbaulast und die Zweckausgaben im Zusammenhang mit der Erhaltung und Bewirtschaftung des bundeseigenen Vermögens für alle Bundesfernstraßen zu tragen. Vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2020 hatte er diese Zweckausgaben für die Bundesstraßen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG n. F. und für die Bundesautobahnen nach § 10a Abs. 1 Satz 1 FStrVermG zu tragen. 33 bb) Dies zugrunde gelegt, hat der Bund die Kosten der Streckenkontrolle nicht rechtsgrundlos getragen. Denn es handelte sich bei diesen Kosten in den Jahren 2012 bis 2020 nicht um Verwaltungs-, sondern um Zweckausgaben, die nach Art. 104a Abs. 2 GG, § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG a. F., § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG n. F. und § 10a Abs. 1 Satz 1 FStrVermG vom Bund zu tragen waren. 34 (1) Verwaltungsausgaben, die nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG den Ländern zur Last fallen, sind Kosten für die Unterhaltung und den Betrieb des Verwaltungsapparats, also die Kosten des Verwaltungspersonals und die Kosten der Verwaltungseinrichtungen wie die Ausgaben für Dienstgebäude, Geräte, Fahrzeuge, Nachrichtenmittel und Geschäftsbedürfnisse, die die Tätigkeit der Verwaltung ermöglichen (BT-Drs. V/2861 S. 31 Nr. 122 und S. 52 Nr. 301). Zweckausgaben sind hingegen diejenigen Ausgaben, die bei der Verwirklichung des Verwaltungszwecks entstehen und durch die Erfüllung der eigentlichen Sachaufgabe im Auftrag des Bundes verursacht werden (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1997 - 3 A 2.95 - Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 5 S. 2). 35 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfassen Zweckausgaben nicht nur die zweckgebundenen sächlichen Kosten, sondern auch personelle Kosten, die durch die Erfüllung der Sachaufgabe hervorgerufen werden, weil deren Zweck nicht ohne Einsatz von Personal erreicht werden kann. Personalkosten unterfallen den Zweckausgaben dabei, soweit sie sich von den übrigen Kosten absondern lassen und der entsprechenden, im Auftrag des Bundes zu erfüllenden und daher in dessen Verantwortungsbereich fallenden Sachaufgabe eindeutig zurechenbar sind (BVerwG, Urteile vom 20. Februar 1997 - 3 A 2.95 - Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 5 S. 2 f., vom 24. Juli 2008 - 7 A 2.07 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 2 Rn. 11 und vom 27. Januar 2010 - 7 A 8.09 - juris Rn. 19). Dies ist der Fall, wenn die Personalausgaben in unmittelbarem Zusammenhang mit der übertragenen Aufgabe stehen (BVerwG, Urteil vom 24. Juli 2008 - 7 A 2.07 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 2 Rn. 12). Ebenso können unter diesen Voraussetzungen Kosten der Verwaltungseinrichtungen, wie etwa die Ausgaben für Dienstfahrzeuge, die durch die Erfüllung der Sachaufgabe hervorgerufen werden, Zweckausgaben sein, weil der Aufgabenzweck ohne die Nutzung solcher Einrichtungen nicht erreicht werden kann. Dies entspricht dem Sinn und Zweck von Art. 104a Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 GG. 36 Art. 104a Abs. 2 GG soll gewährleisten, dass der Bund, dessen Weisungen die Länder nach Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG im Bereich der Bundesauftragsverwaltung unterliegen und den deshalb die letzte Verwaltungsverantwortung für die in seinem Auftrag wahrzunehmenden Aufgaben trifft, dieser Letztverantwortung entsprechend die Sachausgaben trägt, die mit der Erfüllung der von seiner Weisungsbefugnis erfassten Aufgaben verbunden sind (vgl. BT-Drs. V/2861 S. 30 Nr. 116). Demgegenüber bezweckt Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG, den Ländern die mit der Einrichtung und Ausstattung der Behörden verbundenen Ausgaben im Hinblick darauf aufzuerlegen, dass nach Art. 85 Abs. 1 Satz 1 GG die Einrichtung der Behörden grundsätzlich Angelegenheit der Länder bleibt und diese deshalb für die Einrichtung und Ausstattung der Behörden verantwortlich sind (vgl. BT-Drs. V/2861 S. 31 Nr. 122). 37 Kosten für Dienstkräfte und Verwaltungseinrichtungen, die bei der Wahrnehmung einer bestimmten Sachaufgabe im Auftrag des Bundes in Anspruch genommen werden, können danach sowohl Zweck- als auch Verwaltungsausgaben sein. Dass solche Ausgaben Zweckausgaben sind, soweit sie sich von den übrigen Kosten absondern lassen und der entsprechenden, im Auftrag des Bundes zu erfüllenden und daher in dessen Verantwortungsbereich fallenden Sachaufgabe eindeutig zurechenbar sind, entspricht dabei dem Sinn und Zweck von Art. 104a Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 GG gleichermaßen. Die erforderliche Abgrenzung von Zweck- und Verwaltungsausgaben erfolgt in einer Weise, die dem Regelungsziel beider Verfassungsbestimmungen so weit wie möglich Rechnung trägt. Zum einen ist gewährleistet, dass Ausgaben, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Aufgaben stehen, deren Erfüllung der Bund kraft seiner Weisungsbefugnis maßgeblich beeinflussen kann und für die ihn daher die Letztverantwortung trifft, nach Art. 104a Abs. 2 GG vom Bund getragen werden (vgl. Wulfhorst, DÖV 2021, 578 <581>). Zum anderen wird sichergestellt, dass die Kosten des Verwaltungspersonals und der Verwaltungseinrichtungen, soweit sie keiner im Auftrag des Bundes zu erfüllenden Sachaufgabe eindeutig zurechenbar sind, nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG den für die Einrichtung und Ausstattung der Behörden verantwortlichen Ländern zur Last fallen. Soweit das Bundesverwaltungsgericht Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG als gegenüber Art. 104a Abs. 2 GG spezielle Regelung bezeichnet (BVerwG, Urteile vom 3. März 1994 - 4 C 1.93 - BVerwGE 95, 188 <195> und vom 24. Juli 2008 - 7 A 2.07 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 2 Rn. 11), betrifft dies daher nur diejenigen Kosten des Verwaltungsapparats, die sich keiner Sachaufgabe eindeutig zurechnen lassen. Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG verdrängt hingegen Art. 104a Abs. 2 GG nicht generell (vgl. dazu auch Wulfhorst, DÖV 2021, 578 <581>). 38 (2) Auf dieser Grundlage stellten sich die Kosten der Streckenkontrollen in den Jahren 2012 bis 2020, die die Personalkosten für die kontrollierenden Streckenwarte und die Kosten der eingesetzten Fahrzeuge beinhalteten, als vom Bund zu tragende Zweckausgaben dar. 39 (a) Die Streckenkontrollen waren eine im Auftrag des Bundes zu erfüllende Sachaufgabe. Dies gilt sowohl, soweit damit die Straßenbaulast wahrgenommen wurde (aa), als auch, soweit dadurch die Straßenverkehrssicherungspflicht erfüllt werden sollte (bb). 40 (aa) Die Streckenkontrollen gehörten zu den Aufgaben der nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FStrG dem Bund obliegenden Straßenbaulast für die Bundesfernstraßen, die die Länder in den Jahren 2012 bis 2020 im Rahmen der Verwaltung dieser Straßen nach Art. 90 Abs. 2 GG a. F. sowie Art. 90 Abs. 2 GG a. F. i. V. m. Art. 143e Abs. 1 GG und Art. 90 Abs. 3 GG n. F. im Auftrag des Bundes wahrgenommen haben. Die Straßenbaulast umfasst nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FStrG alle mit dem Bau und der Unterhaltung der Bundesfernstraßen zusammenhängenden Aufgaben. 41 Die Streckenkontrollfahrten selbst waren zwar keine Unterhaltungsmaßnahme, da sie nicht physisch-real auf die Straße einwirken; sie stellten jedoch eine mit der Unterhaltung zusammenhängende Aufgabe im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 FStrG dar, die als von der Straßenbaulast umfasste Aufgabe im Auftrag des Bundes zu erfüllen war. 42 Im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 FStrG hängen mit der Unterhaltung alle Aufgaben zusammen, die erfüllt werden müssen, damit die Straße in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand unterhalten werden kann, wie § 3 Abs. 1 Satz 2 FStrG dies vorsieht (Witting, in: Müller/Schulz, FStrG, 3. Aufl. 2022, § 3 Rn. 6; Grupp, in: Marschall, FStrG, 6. Aufl. 2012, § 3 Rn. 2). 43 Danach stellten die Streckenkontrollen, deren Zweck unter anderem darin bestand, bauliche Mängel der Straße festzustellen und dadurch ihre Behebung zu ermöglichen, eine mit der Unterhaltung der Bundesfernstraßen zusammenhängende Aufgabe dar. Erst ihre regelmäßige Durchführung gewährleistete, dass die zur Mängelbeseitigung erforderlichen Unterhaltungsmaßnahmen durchgeführt und die Bundesfernstraßen in einem den Verkehrsanforderungen entsprechenden Zustand erhalten werden konnten. 44 (bb) Auch soweit sie der Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht dienten, stellten die Streckenkontrollen in den Jahren 2012 bis 2020 eine von den Ländern im Auftrag des Bundes zu erfüllende Sachaufgabe dar. 45 (aaa) Die − weit auszulegende − Verkehrssicherungspflicht folgt aus dem allgemeinen, aus den §§ 823 und 836 BGB abgeleiteten Rechtsgrundsatz, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, diejenigen ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahren notwendig sind. Die Straßenverkehrssicherungspflicht als Unterfall der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht ergibt sich daraus, dass von der Straße durch die Zulassung des öffentlichen Verkehrs Gefahren ausgehen können. Sie gebietet es, die öffentlichen Verkehrsflächen und alle sonstigen einem öffentlichen Verkehr eröffneten Räume und Sachen möglichst gefahrlos zu gestalten und zu erhalten und im Rahmen des Zumutbaren alles zu tun, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmern aus einem nicht ordnungsgemäßen Zustand der Verkehrsflächen drohen (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1972 - III ZR 121/70 - BGHZ 60, 54 <55 f.>). Dazu ist eine regelmäßige Überprüfung der Straßen notwendig, um neu entstehende Schäden oder Gefahren zu erkennen und die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Der Pflichtige muss daher die Straßen regelmäßig beobachten und in angemessenen Zeitabschnitten befahren oder begehen (BGH, Urteil vom 21. Januar 1965 - III ZR 217/63 - NJW 1965, 815). 46 (bbb) Bei den Streckenkontrollen in den Jahren 2012 bis 2020 handelte es sich, auch soweit sie der Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht dienten, um eine im Auftrag des Bundes zu erfüllende Sachaufgabe. Denn die Streckenkontrollen waren auch insoweit Teil der Verwaltung der Bundesfernstraßen, die durch die Länder im Auftrag des Bundes erfolgte. 47 Zwar traf die Straßenverkehrssicherungspflicht für die Bundesfernstraßen ebenso wie die sich aus ihrer Verletzung ergebende Haftungsfolge in den Jahren 2012 bis 2020 grundsätzlich die Länder. Dies beruhte jedoch allein darauf, dass die Länder die Bundesfernstraßen im Auftrag des Bundes verwalteten und die Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht deshalb zu den im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung von den Ländern zu erfüllenden Aufgaben gehörte (vgl. BGH, Urteil vom 30. Dezember 1954 - III ZR 102/53 - BGHZ 16, 95 <97 f.>). Die Frage der Haftung der Länder ist jedoch von der Verteilung der finanziellen Pflichten zu unterscheiden. 48 (ccc) Offenbleiben kann danach, ob es sich bei den Streckenkontrollen, auch soweit sie der Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht dienten, um eine Bewirtschaftung des bundeseigenen Vermögens für die Bundesfernstraßen handelte, deren Zweckausgaben vom Bund nach § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG a. F., § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG n. F. und § 10a Abs. 1 Satz 1 FStrVermG zu tragen gewesen wären. Denn da die Länder auch bei der Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht im Auftrag des Bundes handelten, waren die Zweckausgaben der Streckenkontrollen unabhängig davon nach Art. 104a Abs. 2 GG vom Bund zu tragen. 49 (b) Die Personalkosten der eingesetzten Streckenwarte und die Sachkosten der für die Kontrollfahrten genutzten Fahrzeuge stellten auch Zweckausgaben dar. 50 Sie waren der Sachaufgabe der Streckenkontrollen eindeutig zurechenbar, weil die Streckenkontrollen ohne die Streckenwarte und die eingesetzten Fahrzeuge nicht hätten durchgeführt werden können. 51 Die Streckenkontrollkosten ließen sich auch von den übrigen Kosten absondern. 52 Der jeweilige Bundeshaushalt enthielt für den Betriebsdienst an Bundesfernstraßen Titel zu Ausgaben für eingesetztes Betriebspersonal der Auftragsverwaltung (Titel 521 13 und 521 23) und zu Fahrzeugen, Geräten und Maschinen (Titel 521 14 und 521 24), auf deren Grundlage der Kläger die entsprechenden Mittel für die Streckenkontrolle innerhalb des festgelegten Verfügungsrahmens abrufen konnte. Die mit den Streckenkontrollen einhergehenden Personal- und Fahrzeugkosten hätten außerdem auf der Grundlage einer Erfassung der Dauer der Streckenkontrollen und der gefahrenen Kilometer ermittelt und von den übrigen Kosten abgegrenzt werden können. Eine Unterscheidung zwischen den reinen Kontrollkosten und den Kosten der im Verlauf der Kontrollfahrten vorgenommenen Wartungstätigkeiten war dabei allerdings entbehrlich, weil diese Wartungsarbeiten Unterhaltungs- oder Verkehrssicherungsmaßnahmen darstellten, deren Kosten ebenfalls als Zweckausgaben aus der Straßenbaulast nach § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG a. F., § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG n. F. und § 10a Abs. 1 Satz 1 FStrVermG oder aus der Verwaltung der Bundesfernstraßen im Bundesauftrag nach Art. 104a Abs. 2 GG vom Bund zu tragen waren. 53 (3) Die Einwände der Beklagten gegen eine Belastung des Bundes mit den Kosten der Streckenkontrolle greifen nicht durch. 54 (a) Aus § 6 Abs. 3 Satz 2 FStrVermG a. F., § 6 Abs. 3 Satz 2 FStrVermG n. F. und § 10a Abs. 1 Satz 2 FStrVermG, wonach der Bund den Ländern die Zweckausgaben, die bei der Entwurfsbearbeitung und der Bauaufsicht entstehen, durch eine Pauschale abgilt, lässt sich nicht folgern, dass die Kosten von Kontrolltätigkeiten wie Bauaufsicht und Streckenkontrolle anders als die Kosten der Bauausführung sowie der Streckenwartung und -unterhaltung keine Zweckausgaben sein können, sondern als Verwaltungsausgaben stets von den Ländern zu tragen sind. 55 Bereits der Wortlaut der genannten Normen enthält für eine grundsätzliche Trennung zwischen Kontrolle und Ausführung keinen Anhaltspunkt. Er zeigt vielmehr, dass auch die Kosten der Bauaufsicht als Kontrolltätigkeit Zweckausgaben enthalten, die in Form einer Pauschale vom Bund abzugelten sind. Dies entspricht der Gesetzesbegründung zu Art. 3 des Finanzanpassungsgesetzes (im Folgenden: FAnpG), auf den § 6 Abs. 3 Satz 2 FStrVermG a. F. zurückgeht. Denn danach entstehen bei der Bauaufsicht für den Neubau von Bundesfernstraßen Kosten, die jedenfalls zu einem gewissen Teil als Zweckausgaben anzusehen sind (BT-Drs. VI/1771 S. 16). 56 Als spezielle Regelungen zur pauschalen Abgeltung der bei der Entwurfsbearbeitung und Bauaufsicht entstehenden Zweckausgaben enthalten § 6 Abs. 3 Satz 2 FStrVermG a. F., § 6 Abs. 3 Satz 2 FStrVermG n. F. und § 10a Abs. 1 Satz 2 FStrVermG außerdem keine gesetzgeberische Grundentscheidung zur Abgrenzung von Zweck- und Verwaltungsausgaben, die Kontrollkosten stets den Verwaltungsausgaben zuordnet. Eine solche Grundentscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht auch nicht in seinem Urteil vom 20. Februar 1997 - 3 A 2.95 - (Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 5) angenommen. Vielmehr hat es dort gerade die Personalkosten, die mit der Überwachung eines Kampfmittelräumeinsatzes, also einer Kontrolltätigkeit, verbunden waren, in Anlehnung an Art. 3 FAnpG bzw. § 6 Abs. 3 Satz 2 FStrVermG a. F. den Zweckausgaben zugerechnet. 57 Soweit nach der Gesetzesbegründung und der Ansicht der Bundesregierung zu Art. 3 FAnpG Ausgaben für Personal und Sachmittel, die in den Behörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben vorgehalten werden, als Kosten für die Unterhaltung und den Betrieb des Verwaltungsapparats unabhängig davon Verwaltungsausgaben sind, ob sie durch die Erfüllung der eigentlichen Sachaufgabe verursacht würden (vgl. BT-Drs. VI/1771 S. 15), sodass Personalkosten der Länder durch den Bund nach Art. 104a Abs. 2 GG nicht erstattet werden können (BT-Drs. VI/1771 S. 37), hat dies im Wortlaut von § 6 Abs. 3 FStrVermG a. F. ebenso wenig seinen Niederschlag gefunden wie in § 6 Abs. 3 FStrVermG n. F. und § 10a Abs. 1 FStrVermG. Dies ist außerdem verfassungsrechtlich unzutreffend und durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteile vom 20. Februar 1997 - 3 A 2.95 - Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 5 S. 2 f., vom 24. Juli 2008 - 7 A 2.07 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 2 Rn. 11 f. und vom 27. Januar 2010 - 7 A 8.09 - juris Rn. 19) überholt, die, wie ausgeführt, gerade hinsichtlich der Personalkosten die Zweck- und Verwaltungsausgaben im Einklang mit dem Sinn und Zweck von Art. 104a Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 GG voneinander abgrenzt. 58 (b) Nach Art. 104a Abs. 3 Satz 1 GG können von den Ländern ausgeführte Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren, bestimmen, dass die Geldleistungen ganz oder teilweise vom Bund getragen werden. Bestimmt ein solches Gesetz, dass der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr trägt, wird es nach Art. 104a Abs. 3 Satz 2 GG im Auftrag des Bundes durchgeführt. Auch diese Regelung schließt es nicht aus, die Kosten der Streckenkontrollen als Zweckausgaben einzuordnen. Denn Art. 104a Abs. 3 Satz 1 und 2 GG ist eine spezielle Regelung für Geldleistungsgesetze (vgl. Kment, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 104a Rn. 12; Siekmann, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 104a Rn. 35), die keine Vorgabe für die Abgrenzung von Zweck- und Verwaltungsausgaben in sonstigen Fällen der Bundesauftragsverwaltung enthält. 59 (c) Die Kosten der Streckenkontrolle waren auch nicht nach Art. 104a Abs. 1 GG von den Ländern zu tragen. 60 Die allgemeine Lastenverteilungsregelung des Art. 104a Abs. 1 GG, nach der Bund und Länder gesondert die Ausgaben tragen, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, kam nicht zur Anwendung. Abweichend davon hatte der Bund, wie ausgeführt, nach Art. 104a Abs. 2 GG und den ihn näher ausgestaltenden einfachrechtlichen Bestimmungen die Streckenkontrollkosten als Zweckausgaben zu tragen, die sich aus der Verwaltung der Bundesfernstraßen und insbesondere der Wahrnehmung der Straßenbaulast im Auftrag des Bundes ergaben. Entgegen der Ansicht der Beklagten verfügte der Bund auch über die für ein Handeln im Bundesauftrag nach Art. 104a Abs. 2 GG erforderliche Gesetzgebungskompetenz (aa) und Weisungsbefugnis (bb). 61 (aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes die äußerste Grenze für seine Verwaltungstätigkeit dar (BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1961 - 2 BvG 1, 2/60 - BVerfGE 12, 205 <229>), so dass in den Jahren 2012 bis 2020 die Bundesauftragsverwaltung nach Art. 90 Abs. 2 GG a. F., Art. 90 Abs. 2 GG a. F. i. V. m. Art. 143e Abs. 1 Satz 1 GG oder Art. 90 Abs. 3 GG n. F. nicht weiter reichte als die damit korrespondierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG (vgl. BVerfG, Urteil vom 3. Juli 2000 - 2 BvG 1/96 - BVerfGE 102, 167 <174> zu Art. 90 Abs. 2 GG a. F.). Die Streckenkontrolle war von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG umfasst. 62 (aaa) Die Begriffe ""Bau"" und ""Unterhaltung"" im Sinne dieser Verfassungsbestimmung beschränken sich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf die eigentlichen physisch-gestaltenden Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen zur Herstellung, Instandhaltung und Instandsetzung der Bundesfernstraßen. Die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG erstreckt sich vielmehr insbesondere auch auf Regelungen über die Planfeststellung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1969 - 2 BvF 1/64 - BVerfGE 26, 338 <377>), den Gemeingebrauch und die Sondernutzung, die Bestimmung des Trägers der Straßenbaulast, die Festlegung seiner Aufgaben und die Straßenaufsicht (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1970 - 7 C 77.68 - BVerwGE 35, 326 <328>). Sie umfasst letztlich neben Regelungen zu allen baulichen und sonstigen Maßnahmen von der Planung bis zur Kostentragung (Seiler, in: Epping/Hillgruber, GG, Stand 15. Februar 2022, Art. 74 Rn. 84) das gesamte Straßenrecht für die Bundesfernstraßen (Degenhart, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 74 Rn. 97) und ermächtigt auch zu Regelungen über die Streckenkontrolle. Dies gilt unabhängig davon, ob diese der Feststellung und Behebung baulicher Mängel oder der Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht im Übrigen dient. 63 Bei dem gebotenen weiten Verständnis seines Wortlauts lässt Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG alle Regelungen zu, die für den Bau und die Unterhaltung der Bundesfernstraßen erforderlich sind. Geregelt werden kann neben den notwendigen Planungen und Zulassungsentscheidungen auch eine Überwachung der Straße, die wie die Streckenkontrolle darauf abzielt, die Notwendigkeit von Unterhaltungsmaßnahmen zu erkennen. Unter ""Unterhaltung"" lässt sich bei weitem Sprachgebrauch zudem die durch die Straßenverkehrssicherungspflicht gebotene Beseitigung von Verschmutzungen oder Hindernissen einschließlich der sie erst ermöglichenden Straßenüberwachung verstehen, wie sie im Rahmen der Streckenkontrolle erfolgt. 64 Ein solches Verständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck von Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG, Regelungen für die Schaffung und Aufrechterhaltung eines zusammenhängenden Verkehrsnetzes zu ermöglichen, das einem weiträumigen Verkehr in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand dauerhaft zur Verfügung steht (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 1 Satz 2 FStrG). Denn ein den Verkehrsbedürfnissen auch hinsichtlich der Anforderungen an die Verkehrssicherheit genügender Straßenzustand kann nur mit regelmäßigen Kontrollen gewährleistet werden, wie sie die Streckenkontrollen darstellen. 65 Bei dieser Auslegung steht die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG schließlich auch in systematischer Hinsicht mit Art. 90 Abs. 2 GG a. F., Art. 90 Abs. 2 GG a. F. i. V. m. Art. 143e Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 90 Abs. 3 GG n. F. im Einklang. Denn sie erstreckt sich dann auf die gesamte Verwaltung der Bundesfernstraßen, die sowohl die Hoheits- als auch die Vermögensverwaltung beinhaltet und sich außer auf die Planung des Neu- und Umbaus der Bundesfernstraßen, den Rechtsstatus, die Benutzung, die Straßenaufsicht und die Behördenorganisation auch auf den Schutz der Bundesfernstraßen und die Erfüllung der Straßenbaulast erstreckt (BVerfG, Urteil vom 3. Juli 2000- 2 BvG 1/96 - BVerfGE 102, 167 <173>; BVerwG, Urteile vom 15. April 1977 - 4 C 3.74 - BVerwGE 52, 226 <229> und vom 15. Juli 2016 - 9 A 16.15 - Buchholz 11 Art. 104a GG Nr. 28 Rn. 20). 66 (bbb) Einer Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die Streckenkontrolle nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG steht auch nicht entgegen, dass die Verkehrssicherungspflicht und die sich aus ihrer Verletzung ergebenden Schadenersatzansprüche ihre Grundlage im Zivilrecht haben (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1972 - III ZR 121/70 - BGHZ 60, 54 <55 f.>), für das dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zusteht. Denn dies schließt jedenfalls straßenrechtliche Vorschriften zur Streckenkontrolle nicht aus, die auf der Grundlage von Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG Einzelheiten der Verwaltung der Bundesfernstraßen regeln, ohne Bestimmungen über die Haftung für eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu treffen, soweit diese auf einer unzureichenden Streckenkontrolle beruht (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1972 - III ZR 121/70 - BGHZ 60, 54 <60> zur offengelassenen Frage, ob der Bund im Bereich der Bundesfernstraßen auch den Inhalt und die Trägerschaft der Pflicht zur Verkehrssicherung regeln kann). 67 (bb) Damit unterlag die Streckenkontrolle in den Jahren 2012 bis 2020, selbst soweit sie der Wahrnehmung der Straßenverkehrssicherungspflicht diente, auch der Weisungsbefugnis des Bundes nach Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG (so auch BGH, Urteil vom 30. Dezember 1954 - III ZR 102/53 - BGHZ 16, 95 <97 f.>). Dass der Bundesgesetzgeber Regelungen über die Streckenkontrolle bisher nicht in das Bundesfernstraßengesetz aufgenommen hat, steht der Annahme einer Weisungsbefugnis des Bundes nicht entgegen. Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG gilt nicht nur für die Ausführung der Bundesgesetze im Auftrag des Bundes, sondern auch für die nicht gesetzesausführende ""gesetzesfreie"" Bundesauftragsverwaltung nach Art. 90 Abs. 2 GG a. F., Art. 90 Abs. 2 GG a. F. i. V. m. Art. 143e Abs. 1 Satz 1 GG oder Art. 90 Abs. 3 GG n. F. (BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1961 - 2 BvG 1, 2/60 - BVerfGE 12, 205 <246 f.>). 68 (4) Soweit sich die Beteiligten schließlich mit der 2. Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen, dem Allgemeinen Rundschreiben 25/1993 des Bundesministeriums für Verkehr vom 21. Juli 1993 und den dadurch eingeführten Hinweisen zur Durchführung der gemeinsamen Unterhaltung der Bundes-, Landes- (Staats-) und Kreisstraßen und zur Abrechnung des Direkt- und Gemeinschaftsaufwands, dem Leistungsheft für den Straßenbetriebsdienst auf Bundesfernstraßen vom Dezember 2004, dem Maßnahmenkatalog Straßenunterhaltung und Betrieb MK 6 d, der DIN 1076 zur Überwachung und Prüfung der Ingenieurbauwerke im Zuge von Straßen und Wegen und dem Merkblatt der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen für die Kontrolle, Wartung und Pflege von Straßentunneln auseinandersetzen, schließen diese Vorgaben die Einordnung der Kosten der Streckenkontrolle als vom Bund zu tragende Zweckausgaben nicht aus. Abgesehen davon, dass sie die Frage, ob es sich bei diesen Kosten um Verwaltungs- oder Zweckausgaben handelt, nicht übereinstimmend und zweifelsfrei beantworten, stellen sie keine Rechtsnormen dar, an die das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung gebunden wäre. 69 c) Der geltend gemachte Anspruch auf Prozesszinsen ergibt sich aus § 291 Satz 1 Halbs. 1 und 2 sowie § 291 Satz 2 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Diese Bestimmungen sind im Verwaltungsprozess entsprechend anzuwenden, wenn wie hier das Fachrecht keine abweichenden Regelungen enthält (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 47). 70 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2022-36,08.06.2022,"Pressemitteilung Nr. 36/2022 vom 08.06.2022 EN EuGH soll die Frage der Berücksichtigung des Kindeswohls und familiärer Bindungen bei Erlass einer Rückkehrentscheidung klären Das Bundesverwaltungsgericht hat heute den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung angerufen, ob im Sinne des Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b der Rückführungsrichtlinie (im Folgenden: RL 2008/115/EG) beachtliche Gründe bereits dem Erlass einer (asylrechtlichen) Abschiebungsandrohung entgegenstehen können. Der im Dezember 2018 geborene Kläger besitzt wie seine Eltern die nigerianische Staatsangehörigkeit. Zugunsten des Vaters und einer im Jahre 2014 geborenen Schwester des Klägers hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK festgestellt. Beiden wurden in der Folge Aufenthaltserlaubnisse erteilt. Der Asylantrag der Mutter und einer weiteren im Jahre 2016 geborenen Schwester des Klägers wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Das insoweit bei dem Verwaltungsgericht anhängige Klageverfahren ist im Hinblick auf das streitgegenständliche Verfahren ruhend gestellt worden. Ein Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist ohne Erfolg geblieben. Ihr Aufenthalt wird seither geduldet. Das Bundesamt lehnte den Asylantrag des Klägers ab. Das Verwaltungsgericht hat die gegen den Kläger erlassene Abschiebungsandrohung und das mit dieser einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot unter Abweisung der Klage im Übrigen aufgehoben. Wegen des hinsichtlich des Vaters des Klägers und dessen Schwester festgestellten nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG bestehe ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK, da dem Kläger eine Trennung von seinem Vater ob seines Alters nicht zuzumuten sei. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts sieht unionsrechtlichen Klärungsbedarf, ob das nationale Recht, dem zufolge das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung dem Erlass einer Abschiebungsandrohung nicht entgegensteht, mit Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b RL 2008/115/EG vereinbar ist. Danach berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie in gebührender Weise das Wohl des Kindes und die familiären Bindungen. Der Senat hat das Revisionsverfahren bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die nachstehende Vorlagefrage ausgesetzt: Ist Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b RL 2008/115/EG dahin auszulegen, dass er der Rechtmäßigkeit einer gegen einen minderjährigen Drittstaatsangehörigen erlassenen Rückkehrentscheidung, die zusammen mit der Ablehnung von dessen Antrag auf internationalen Schutz ergeht und diesem eine Ausreisefrist von 30 Tagen ab Bestandskraft setzt, ausnahmslos entgegensteht, wenn aus rechtlichen Gründen auf unabsehbare Zeit kein Elternteil in ein in Art. 3 Nr. 3 RL 2008/115/EG bezeichnetes Land rückgeführt werden kann und damit auch dem Minderjährigen das Verlassen des Mitgliedstaats wegen seiner schutzwürdigen familiären Bindungen (Art. 7 und 24 Abs. 2 GRC, Art. 8 EMRK) nicht zugemutet werden kann, oder genügt es, dass das Wohl des Kindes und die familiären Bindungen im Sinne des Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b RL 2008/115/EG auf der Grundlage einer nationalen gesetzlichen Regelung nach Erlass der Rückkehrentscheidung durch eine Aussetzung der Abschiebung zu berücksichtigen sind? BVerwG 1 C 24.21 - Beschluss vom 08. Juni 2022 Vorinstanz: VG Sigmaringen, VG A 4 K 3124/19 - Urteil vom 07. Juni 2021 -","Tenor Das Verfahren wird ausgesetzt.Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgender Frage eingeholt:Ist Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b RL 2008/115/EG dahin auszulegen, dass er der Rechtmäßigkeit einer gegen einen minderjährigen Drittstaatsangehörigen erlassenen Rückkehrentscheidung, die zusammen mit der Ablehnung von dessen Antrag auf internationalen Schutz ergeht und diesem eine Ausreisefrist von 30 Tagen ab Bestandskraft setzt, ausnahmslos entgegensteht, wenn aus rechtlichen Gründen auf unabsehbare Zeit kein Elternteil in ein in Art. 3 Nr. 3 RL 2008/115/EG bezeichnetes Land rückgeführt werden kann und damit auch dem Minderjährigen das Verlassen des Mitgliedstaats wegen seiner schutzwürdigen familiären Bindungen (Art. 7 und 24 Abs. 2 GRC, Art. 8 EMRK) nicht zugemutet werden kann, oder genügt es, dass das Wohl des Kindes und die familiären Bindungen im Sinne des Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b RL 2008/115/EG auf der Grundlage einer nationalen gesetzlichen Regelung nach Erlass der Rückkehrentscheidung durch eine Aussetzung der Abschiebung zu berücksichtigen sind? Gründe IDer Kläger wendet sich gegen eine zusammen mit der Ablehnung seines Asylantrags verfügte Abschiebungsandrohung.Der im Dezember 2018 im Bundesgebiet geborene Kläger ist wie seine Eltern Staatsangehöriger der Bundesrepublik Nigeria. Zugunsten des Vaters und einer im Jahre 2014 geborenen Schwester des Klägers hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) im März 2017 beziehungsweise im März 2018 ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK festgestellt und dieses auf den Umstand gestützt, dass es dem Kindesvater nicht möglich sein werde, seine gegenüber dessen Eltern, seiner Frau und seinen Kindern bestehenden Unterhaltspflichten in Nigeria durch einfache Arbeit zu erfüllen. Dem Vater und der vorbezeichneten Schwester des Klägers wurden daraufhin erstmals im Februar 2018 beziehungsweise im April 2018 Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt. Die Asylanträge der Mutter und einer weiteren im Jahre 2016 geborenen Schwester des Klägers wurden im März 2017 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Das insoweit bei dem Verwaltungsgericht anhängige Klageverfahren ist im Hinblick auf das streitgegenständliche Verfahren ruhend gestellt worden. Ein Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid anzuordnen, ist ohne Erfolg geblieben. Ihr Aufenthalt wird seither geduldet.Mit Bescheid vom 13. Juni 2019 lehnte das Bundesamt es ab, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (Ziff. 1), ihn als Asylberechtigten anzuerkennen (Ziff. 2) und ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen (Ziff. 3), stellte es das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG fest (Ziff. 4), drohte es ihm die Abschiebung primär nach Nigeria an (Ziff. 5) und befristete es das (seinerzeit noch) gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG a. F. auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 6).Mit Urteil vom 7. Juni 2021 hat das Verwaltungsgericht unter Abweisung der Klage im Übrigen Ziff. 5 und 6 des Bescheids vom 13. Juni 2019 aufgehoben. Die Abschiebungsandrohung sei rechtswidrig. Wegen des hinsichtlich des Vaters und einer Schwester des Klägers festgestellten nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG bestehe in Bezug auf diese ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Dem Kläger sei eine Trennung von seinem Vater wegen seines Alters nicht zuzumuten.Zur Begründung ihrer Sprungrevision führt die Beklagte im Wesentlichen aus, Umstände, welche das nach Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a RL 2008/115/EG zu berücksichtigende Wohl des Kindes und die nach Art. 5 Halbs. 1 Buchst. b RL 2008/115/EG zu berücksichtigenden familiären Bindungen beträfen, seien grundsätzlich nicht im Verfahren betreffend die Abschiebungsandrohung des Bundesamts, sondern in einem gesonderten Verfahren gegenüber der für den Vollzug der Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde geltend zu machen. Diese Aufteilung der Zuständigkeiten sei durch den dem nationalen Gesetzgeber verbliebenen Spielraum zur Ausgestaltung der Rechtsschutzverfahren gedeckt.IIDer Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) zu der im Beschlusstenor formulierten Frage einzuholen. Die Frage betrifft die Auslegung von Art. 5 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98; im Folgenden: RL 2008/115/EG).1. Die rechtliche Beurteilung der Abschiebungsandrohung richtet sich im nationalen Recht nach dem Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 9. Juli 2021 zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters (BGBl. I S. 2467 <2504>), sowie nach dem Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 9. Juli 2021 zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters (BGBl. I S. 2467 <2502>).Den danach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Rechts:Art. 6 GG(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. (...)(...)§ 34 AsylG - Abschiebungsandrohung(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,2a. dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,3. die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und4. der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. (...)§ 25 AufenthG - Aufenthalt aus humanitären Gründen(...)(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.§ 59 AufenthG - Androhung der Abschiebung(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. (...) Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. (...)(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.(...)§ 60a AufenthG - Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)(...)(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. (...)(...)(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.§ 123 VwGO(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.(...)2. Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich und bedarf einer Klärung durch den Gerichtshof.2.1 Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich.Nationales Recht steht der Rechtmäßigkeit einer gegen einen minderjährigen Drittstaatsangehörigen erlassenen Rückkehrentscheidung, die zusammen mit der Ablehnung von dessen Antrag auf internationalen Schutz ergeht und diesem eine Ausreisefrist von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens setzt, grundsätzlich auch dann nicht entgegen, wenn aus rechtlichen Gründen auf absehbare Zeit kein Elternteil des Minderjährigen in ein in Art. 3 Nr. 3 RL 2008/115/EG bezeichnetes Land zurückgeführt und damit auch dem Minderjährigen das Verlassen des Mitgliedstaats im Lichte von Art. 7 und 24 Abs. 2 GRC und Art. 8 EMRK nicht zugemutet werden kann. Das Wohl des Kindes und die familiären Bindungen im Sinne des Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b RL 2008/115/EG sind vielmehr Gegenstand einer nach Erlass der asylrechtlichen Rückkehrentscheidung im ausländerbehördlichen Verfahren zu treffenden Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung des Drittstaatsangehörigen.a) Rückkehrentscheidung im Sinne von Art. 3 Nr. 4, Art. 6 und Art. 7 Abs. 1 UAbs. 1 RL 2008/115/EG ist im deutschen Asyl- und Ausländerrecht die auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG bzw. § 59 AufenthG zu erlassende Abschiebungsandrohung (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 - 1 C 6.21 - juris Rn. 41, 45 und 56 m. w. N.).Um die Durchsetzung der Ausreisepflicht zu beschleunigen und zu vereinfachen, ergeht die Abschiebungsandrohung unabhängig davon, ob der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür erkennbar geworden sind, dass der Ausländer seiner Ausreisepflicht möglicherweise nicht freiwillig nachkommen wird (BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 1988 - 1 C 1.88 - Buchholz 402.24 § 7 AuslG 1965 Nr. 31 S. 34; ferner Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Oktober 2021, § 59 AufenthG Rn. 33). Den Zwecken der Beschleunigung und Vereinfachung der Durchsetzung der Ausreisepflicht dient auch die in § 34 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 59 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AufenthG getroffene Regelung, nach der dem Erlass der Abschiebungsandrohung das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegensteht (vgl. zu Ausnahmen OVG Magdeburg, Beschluss vom 22. November 2021 - 2 M 124/21 - juris Rn. 12 m. w. N.). Die Abschiebungsandrohung verfolgt das Ziel, den Ausländer zur freiwilligen Ausreise zu veranlassen, ohne dass dies nach Fristablauf zwangsläufig eine Abschiebung zur Folge hat (Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Oktober 2021, § 59 AufenthG Rn. 32 f.). Inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, darunter auch solche Umstände, infolge derer die Abschiebung eines Ausländers mit Blick auf eine mit Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK, Art. 7 und Art. 24 Abs. 2 GRC nicht vereinbare Trennung von Familienmitgliedern rechtlich unmöglich ist, sind nicht bei dem - im Asylverfahren in der Zuständigkeit des Bundesamts liegenden - Erlass der Abschiebungsandrohung und damit nicht beim Erlass der Rückkehrentscheidung, sondern bei der - von der Ausländerbehörde von Amts wegen, mithin auch ohne einen entsprechenden Antrag des Ausländers zu treffenden - Entscheidung über eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) zu beachten (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 45.18 - BVerwGE 166, 113 Rn. 21 und Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 10 B 39.12 - Buchholz 402.25 § 34 AsylVfG Nr. 11 Rn. 4). Auch ein aus dem legalen Aufenthalt von Familienangehörigen möglicherweise resultierender Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht dem Erlass der Abschiebungsandrohung nicht entgegen, sondern ist gesondert gegenüber der Ausländerbehörde geltend zu machen.b) Ist die Durchsetzung der Ausreisepflicht mit den Mitteln des Verwaltungszwangs wegen inlandsbezogener Abschiebungsverbote unmöglich, so ist die Abschiebung des Ausländers gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG von Amts wegen auszusetzen (Röder, in: Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand: 15. April 2022, § 60a AufenthG Rn. 21), solange die die rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung bewirkenden Gründe fortbestehen und dem Ausländer keine Aufenthaltserlaubnis - etwa nach § 25 Abs. 5 AufenthG - erteilt wird. Die Duldung ist ein den Ausländer begünstigender Verwaltungsakt (so bereits BVerwG, Beschluss vom 16. August 1980 - 1 B 809.80 - Buchholz 402.24 § 17 AuslG 1965 Nr. 3 S. 4; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 60a AufenthG Rn. 18). Ihre Erteilung lässt die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht unberührt, sie ändert auch nichts am Lauf bzw. Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise. Der Ausländer hält sich weiterhin rechtswidrig im Bundesgebiet auf, macht sich indes, sofern er den kraft Gesetzes räumlich beschränkten Geltungsbereich der Duldung nicht verlässt, nicht strafbar. Es obliegt ihm, der Ausländerbehörde das Vorliegen der die rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung begründenden Tatsachen darzulegen. Die Ausländerbehörde ist verpflichtet, diesen Tatsachen nachzugehen, gleichwohl, ob sie vor oder nach Ergehen der Abschiebungsandrohung entstanden sind, und dem Ausländer bei Bestehen eines inlandsbezogenen Abschiebungsverbots eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung auszustellen. Die Geltungsdauer der Duldung bemisst sich nach der Art des Duldungsgrundes und dessen zu erwartender Dauer (vgl. Röder, in: Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand: 15. April 2022, § 60a AufenthG Rn. 96). Erlischt die Duldung und ist sie wegen Fortfalls des Duldungsgrundes auch nicht zu verlängern, wird der Ausländer ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben (§ 60a Abs. 5 Satz 3 AufenthG).c) Hält die Ausländerbehörde Duldungsgründe nicht für gegeben, so ist sie allerdings nicht verpflichtet, die Versagung einer Duldung dem Ausländer vor der Abschiebung in der Form einer schriftlichen und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Entscheidung (Art. 12 Abs. 1 RL 2008/115/EG) mitzuteilen. Denn die in Deutschland verfügte Rückkehrentscheidung im Sinne von Art. 6, Art. 12 Abs. 1 RL 2008/115/EG ist nicht die Versagung der Duldung nach § 60a AufenthG, sondern die Abschiebungsandrohung gemäß § 59 AufenthG. Der Ausländer, gegen den eine Abschiebungsandrohung ergangen ist, muss deshalb nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise jederzeit mit seiner Abschiebung rechnen; der konkrete Termin der Abschiebung darf ihm nicht angekündigt werden (§ 59 Abs. 1 Satz 8 AufenthG). Effektiver Rechtsschutz ist gleichwohl gewährleistet, weil der Ausländer jederzeit die Möglichkeit hat, inlandsbezogene Abschiebungsverbote beim Verwaltungsgericht mit einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz in Form der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO geltend zu machen und den Vollzug der Abschiebung damit vorläufig zu verhindern (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2020 - 1 C 1.19 - BVerwGE 167, 366 Rn. 24). Ein Rechtsschutzbedürfnis und die Eilbedürftigkeit für einen solchen Antrag (sogenannter Anordnungsgrund) sind nach Ablauf der Ausreisefrist regelmäßig gegeben (BVerfG, Beschluss vom 8. November 2017 - 2 BvR 809/17 - NVwZ 2018, 254 Rn. 15). Kann der Ausländer glaubhaft machen, dass er einen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG hat, wird das Verwaltungsgericht die Ausländerbehörde verpflichten, die Abschiebung vorläufig bis zu einer Entscheidung in der (auf Verpflichtung zur Erteilung einer Duldung gerichteten) Hauptsache nicht zu vollziehen.2.2 Das vorlegende Gericht hält für klärungsbedürftig, ob die vorbeschriebene nationale Rechtslage dem aus Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b RL 2008/115/EG folgenden Gebot, das Wohl des Kindes und die familiären Bindungen im Rückkehrverfahren gebührend zu berücksichtigen, hinreichend gerecht wird.a) Der Gerichtshof hat mehrfach betont, dass die familiären Bindungen und das Wohl des Kindes vor Erlass einer Rückkehrentscheidung zu berücksichtigen sind: Art. 5 RL 2008/115/EG bezweckt unter anderem die Wahrung der in Art. 24 GRC verankerten Grundrechte minderjähriger Drittstaatsangehöriger im Rahmen des durch die Richtlinie eingeführten Rückkehrverfahrens. Im Lichte dieser Zwecksetzung verbietet sich eine enge Auslegung der Richtlinienbestimmung (EuGH, Urteil vom 11. März 2021 - C-112/20 [ECLI:EU:C:2021:197], M. A. - Rn. 35).Das Wohl des Kindes und die familiären Bindungen sind in sämtlichen Stadien des Verfahrens gebührend zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 14. Januar 2021 - C-441/19 [ECLI:EU:C:2021:9], TQ - Rn. 54). Die zuständige nationale Behörde hat daher das Wohl des Kindes und die familiären Bindungen auch dann gebührend zu berücksichtigen, wenn sie eine Rückkehrentscheidung zu erlassen beabsichtigt (EuGH, Urteile vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 [ECLI:EU:C:2014:2431], Khaled Boudjlida - Rn. 49 und vom 11. März 2021 - C-112/20, M. A. - Rn. 41). Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b RL 2008/115/EG verwehrt es einem Mitgliedstaat, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, ohne die relevanten Aspekte des Wohles des Kindes und der familiären Bindungen zu berücksichtigen, die der Drittstaatsangehörige geltend macht, um den Erlass einer solchen Entscheidung zu verhindern (EuGH, Urteil vom 8. Mai 2018 - C-82/16 [ECLI:EU:C:2018:308], K. A. u. a. - Rn. 104). Der Mitgliedstaat ist daher aus Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b RL 2008/115/EG i. V. m. Art. 24 Abs. 2 GRC gehalten, vor Erlass einer Rückkehrentscheidung eine Beurteilung der Situation eines von der Entscheidung betroffenen Minderjährigen vorzunehmen (EuGH, Urteil vom 14. Januar 2021 - C-441/19, TQ - Rn. 60). In diesem Zusammenhang ist dem Drittstaatsangehörigen grundsätzlich die Möglichkeit einzuräumen, seinen Standpunkt zur Rechtswidrigkeit seines Aufenthalts sowie solche Gründe sachdienlich und wirksam vorzutragen, welche es nach dem nationalen Recht rechtfertigen könnten, dass die Behörde von dem Erlass einer Rückkehrentscheidung absieht (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13, Khaled Boudjlida - Rn. 55 und 63). Der Mitgliedstaat hat zudem zu gewährleisten, dass sich der Drittstaatsangehörige auf jede auch nach Erlass der Rückkehrentscheidung eingetretene Änderung der Umstände berufen kann, die im Hinblick auf die Richtlinie 2008/115/EG und insbesondere deren Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b erheblichen Einfluss auf die Beurteilung seiner Situation haben kann (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 [ECLI:EU:C:2018:465], Sadikan Gnandi - Rn. 64 und 67).Ein Drittstaatsangehöriger muss nach Art. 13 Abs. 1 und 2 RL 2008/115/EG über einen wirksamen Rechtsbehelf gegen eine gegen ihn ergangene Rückkehrentscheidung verfügen. Indes muss dieser Rechtsbehelf nicht notwendigerweise aufschiebende Wirkung haben (EuGH, Urteile vom 30. September 2020 - C-233/19 [ECLI:EU:C:2020:757], B. - Rn. 44 und - C-402/19 [ECLI:EU:C:2020:759], LM - Rn. 33 und Beschluss vom 5. Mai 2021 - C-641/20 [ECLI:EU:C:2021:374], VT - Rn. 22). Kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung muss der Rechtsbehelf gegen eine Rückkehrentscheidung indes für den Fall haben, dass die Vollstreckung dieser Entscheidung den Drittstaatsangehörigen tatsächlich der ernsthaften Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung geschützter Rechtsgüter aussetzen könnte (vgl. EuGH, Urteil vom 30. September 2020 - C-233/19, B. - Rn. 46 und 66). Die Verpflichtung, in einem solchen Fall einem Drittstaatsangehörigen einen kraft Gesetzes mit aufschiebender Wirkung ausgestatteten Rechtsbehelf gegen die ihn betreffende Rückkehrentscheidung zu gewährleisten, soll sicherstellen, dass diese Entscheidung nicht vollstreckt wird, bevor das zur Stützung dieses Rechtsbehelfs geltend gemachte Vorbringen von einer zuständigen Behörde geprüft worden ist (EuGH, Urteil vom 30. September 2020 - C -402/19, LM - Rn. 38 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 - C-562/13 [ECLI:EU:C:2014:2453], Moussa Abdida - Rn. 49 f.). Sie soll es der betroffenen Person ermöglichen, sich vorübergehend in dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, der gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen hat, aufzuhalten (EuGH, Urteil vom 30. September 2020 - C-402/19, LM - Rn. 39). Würde die Vollstreckung einer solchen Rückkehrentscheidung zugelassen, bevor das auf die Lage des Drittstaatsangehörigen gestützte Vorbringen von einer zuständigen Behörde geprüft worden ist, so bestünde die Gefahr, dass diesem Drittstaatsangehörigen in der Praxis der Schutz entzogen würde, der ihm nach den Art. 5 und 13 RL 2008/115/EG i. V. m. Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 GRC zu gewähren ist (EuGH, Urteil vom 30. September 2020 - C-402/19, LM - Rn. 41). Insoweit obliegt es in erster Linie dem nationalen Gesetzgeber, die zur Wahrung der schutzwürdigen Belange erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Dieser verfügt insoweit über einen gewissen Spielraum (EuGH, Urteil vom 30. September 2020 - C-233/19, B. - Rn. 48 f.; vgl. in anderem Zusammenhang auch BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2020 - 1 C 1.19 - BVerwGE 167, 366 Rn. 13). Gelangt ein innerstaatliches Gericht zu dem Ergebnis, dass die nationalen Rechtsvorschriften einem Drittstaatsangehörigen, der durch die Vollstreckung der Rückkehrentscheidung der Gefahr einer gegen Art. 19 Abs. 2 GRC verstoßenden Behandlung ausgesetzt sein könnte, keinen Rechtsbehelf gegen die Rückkehrentscheidung bieten, der genauen, klaren und vorhersehbaren Regeln folgt und kraft Gesetzes die Aussetzung dieser Entscheidung nach sich zieht, so hat es die aufschiebende Wirkung der von diesem Drittstaatsangehörigen zur Aufhebung und Aussetzung der gegen ihn ergangenen Rückkehrentscheidung erhobenen Klage festzustellen, indem es nötigenfalls die nationalen Rechtsvorschriften, die ausschließen, dass diesem Rechtsbehelf eine solche Wirkung zukommen kann, unangewendet lässt (EuGH, Urteil vom 30. September 2020 - C-233/19, B. - Rn. 57 und Beschluss vom 5. Mai 2021 - C-641/20, VT - Rn. 28).b) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs ist zweifelhaft, ob die deutsche Rechtslage, nach der eine Rückkehrentscheidung ungeachtet möglicher inlandsbezogener Abschiebungsverbote ergeht und diese in einem gesonderten Verfahren gegenüber der Ausländerbehörde geltend zu machen sind, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.Teile der nationalen Rechtsprechung bejahen diese Vereinbarkeit, weil dem Gebot zur gebührenden Berücksichtigung des Kindeswohls und der familiären Bindungen bei Erlass der Rückkehrentscheidung dadurch hinreichend Rechnung getragen werde, dass gesetzlich geregelt ist und damit bereits im Zeitpunkt des Erlasses der Rückkehrentscheidung abstrakt-generell feststeht, dass eine Abschiebung nicht erfolgt, sofern und solange diese mit Blick auf eine mit Art. 7 und Art. 24 Abs. 2 GRC sowie Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht vereinbare Trennung von Familienmitgliedern rechtlich unmöglich ist (in diesem Sinne VG Karlsruhe, Urteil vom 19. April 2021 - A 4 K 6798/19 - juris Rn. 37; VG Potsdam, Beschluss vom 29. September 2021 - 6 L 411/21.A - juris Rn. 34; im Ergebnis ebenso OVG Münster, Urteil vom 23. April 2021 - 19 A 810/16.A - juris Rn. 94 und 98; anderer Ansicht VG Karlsruhe, Urteil vom 12. Juli 2021 - A 19 K 9993/17 - juris Rn. 73 ff. und Beschluss vom 2. Juli 2021 - A 19 K 2100/21 - juris Rn. 25 ff.; VG Sigmaringen, Urteil vom 15. April 2021 - A 4 K 5966/17 - juris UA S. 21). Hiervon ist auch der Senat zuletzt im Februar 2020 noch ausgegangen. Er hat in diesem Zusammenhang Art. 6 Abs. 4 RL 2008/115/EG dahin verstanden, dass eine Rückkehrentscheidung auch bei Vorliegen inlandsbezogener Abschiebungsverbote ergehen kann, weil es danach ausreicht, die Rückkehrentscheidung ""für die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels oder der sonstigen Aufenthaltsberechtigung auszusetzen"" (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2020 - 1 C 1.19 - BVerwGE 167, 366 Rn. 24). Mit einer Duldung wird allerdings nur die Abschiebung ausgesetzt und nicht die Rückkehrentscheidung. Die Rückkehrentscheidung würde bei einer Abweisung der Klage im vorliegenden Verfahren gerade bestandskräftig. Die Ausreisefrist begänne dann zu laufen, obwohl dem Kläger auch eine freiwillige Ausreise nicht zuzumuten ist.Aktuelle Entscheidungen des Gerichtshofs (vor allem die vorzitierten Urteile vom 14. Januar 2021 - C-441/19, TQ - und vom 11. März 2021 - C-112/20, M. A. -) verstärken indes die Zweifel an der Unionsrechtskonformität von § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Danach erscheint es denkbar, dass Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b RL 2008/115/EG zwingend zu einer konkret-individuellen Untersuchung des Wohles des Kindes und der familiären Bindungen vor Erlass einer Rückkehrentscheidung verpflichtet. Zudem wird angedeutet, dass ein illegaler Aufenthalt, der zum Erlass einer Rückkehrentscheidung berechtigt, womöglich erst angenommen werden darf, wenn zuvor geprüft und festgestellt wurde, dass dem Ausländer kein Aufenthaltstitel (etwa zum Familiennachzug oder aus humanitären Gründen) erteilt werden kann (vgl. EuGH, Urteile vom 14. Januar 2021 - C-441/19 - Rn. 71 und vom 11. März 2021 - C-112/20 - Rn. 24 ff.). Von der Unionsrechtswidrigkeit des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG wäre auch auszugehen, wenn es der Asylbehörde nicht freistünde, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, ohne hiernach vorbehaltlich der von Art. 9 Abs. 1 und 2 RL 2008/115/EG erfassten Situationen Abschiebungsmaßnahmen gegen den Drittstaatsangehörigen zu ergreifen (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 - C-546/19 [ECLI:EU:C:2021:432], BZ - Rn. 57 ff.; siehe auch Urteil vom 14. Januar 2021 - C-441/19 - Rn. 69 ff. zu unbegleiteten Minderjährigen)." bverwg_2022-39,23.06.2022,"Pressemitteilung Nr. 39/2022 vom 23.06.2022 EN Klage der Gemeinde Nalbach gegen Grubenwasseranstieg im Bergwerk Saar unzulässig Die Klage der Gemeinde Nalbach gegen die Zulassung des bergrechtlichen Sonderbetriebsplans der beigeladenen R. AG zum Anstieg des Grubenwassers im Bergwerk Saar, Betriebsbereich Duhamel, bis zum Niveau der 14. Sohle (etwa -400 m NHN) ist unzulässig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Gemeinde Nalbach macht geltend, durch die Zulassung des Sonderbetriebsplans in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt zu sein. Sie habe mehrere Bauleitplanungen eingeleitet, über die noch nicht abschließend entschieden worden sei. Bei Kenntnis von dem beabsichtigten Grubenwasseranstieg hätten Gemeinderatsmitglieder möglicherweise anders abgestimmt, weil es zu zahlreichen negativen Folgen des Grubenwasseranstiegs (u.a. Bodenbewegungen, Erschütterungen, Tagesbrüche, Belastung des Trinkwassers, Aufsteigen des Gases Radon) kommen könne. Auch kommunale Einrichtungen und kommunales Eigentum könnten deshalb erheblich beeinträchtigt werden. Vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht hatte die Klage Erfolg. Der Sonderbetriebsplan sei rechtswidrig, weil der rechtmäßige Erlass der bergrechtlichen Zulassung eine (neue) wasserrechtliche Erlaubnis voraussetze. Die Klägerin könne sich hierauf berufen und die Aufhebung des Sonderbetriebsplans verlangen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Urteile der Vorinstanzen geändert und die Klage abgewiesen. Sie ist bereits unzulässig, weil die Verletzung eigener Rechte der Klägerin auf der Grundlage des Klagevorbringens nicht als möglich erscheint. Eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung ihrer von der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung geschützten Planungshoheit kommt nicht in Betracht. Die bereits gegenwärtig vom Bergbau betroffene Klägerin ist durch die Zulassung des Grubenwasseranstiegs und der hiermit möglicherweise verbundenen Risiken nicht an der Bauleitplanung gehindert. Eine Gefährdung des Trinkwassers ist weder nachvollziehbar dargelegt, noch betreibt die Klägerin eine Einrichtung zur Trinkwasserversorgung. Die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit anderer kommunaler Einrichtungen wird ebenfalls nicht nachvollziehbar dargelegt. Auf einen verfassungsrechtlichen Schutz ihres kommunalen Eigentums kann sich die Klägerin, die als Gemeinde keine Grundrechtsträgerin ist, nicht berufen. Auch aus dem einfachrechtlichen Schutz des Eigentums ergibt sich aufgrund der Besonderheiten des Bergrechts keine Klagebefugnis. Ebenso wenig kann sich eine Kommune zum Kontrolleur anderer staatlicher Behörden in Bezug auf die Wahrung des objektiven öffentlichen Rechts aufschwingen, noch als Sachwalterin des Gemeinwohls Belange ihrer Bürger vertreten. BVerwG 7 C 1.21 - Urteil vom 23. Juni 2022 Vorinstanzen: OVG Saarlouis, OVG 2 A 185/18 - Urteil vom 10. Dezember 2019 - VG Saarlouis, VG 5 K 753/16 - Urteil vom 25. April 2018 -","Urteil vom 23.06.2022 - BVerwG 7 C 1.21ECLI:DE:BVerwG:2022:230622U7C1.21.0 EN Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 23.06.2022 - 7 C 1.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:230622U7C1.21.0] Urteil BVerwG 7 C 1.21 VG Saarlouis - 25.04.2018 - AZ: 5 K 753/16 OVG Saarlouis - 10.12.2019 - AZ: 2 A 185/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2022 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Löffelbein, Dr. Wöckel und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 10. Dezember 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 25. April 2018 werden geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gründe I 1 Die Klägerin, eine Gemeinde im Landkreis Saarlouis, wendet sich gegen die Zulassung des bergrechtlichen Sonderbetriebsplans der Beigeladenen zum Anstieg des Grubenwassers im Bergwerk Saar, Betriebsbereich Duhamel, bis zum Niveau der 14. Sohle (etwa - 400 m NHN). 2 Im Jahr 2013 stellte die Beigeladene den Pumpbetrieb im Betriebsbereich Duhamel ein. Nachdem die Klägerin am 7. April 2015 Widerspruch gegen den ihr nicht bekanntgegebenen Zulassungsbescheid vom 19. Februar 2013 erhoben hatte, nahm sie den Pumpbetrieb wieder auf. 3 Auf die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25. April 2018 den Bescheid des Beklagten vom 19. Februar 2013 und den Widerspruchsbescheid vom 27. April 2016 aufgehoben. Die gegen dieses Urteil gerichteten Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 10. Dezember 2019 zurückgewiesen. Die rechtmäßige Zulassung des Sonderbetriebsplans setze eine (neue) wasserrechtliche Erlaubnis voraus. Die Klägerin könne sich hierauf berufen und die Aufhebung des Sonderbetriebsplans verlangen. Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts richten sich die vom Senat zugelassenen Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen. 4 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 10. Dezember 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 25. April 2018 zu ändern und die Klage abzuweisen. 5 Die Klägerin beantragt, die Revisionen zurückzuweisen. 6 Sie verteidigt das angefochtene Urteil. II 7 Die zulässigen Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen sind begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verstößt gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). 8 Das Oberverwaltungsgericht bejaht eine Klagebefugnis der Klägerin unter Verstoß gegen § 42 Abs. 2 VwGO. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist eine Klage nach dieser Vorschrift nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Verletzung eigener Rechte muss nach ständiger Rechtsprechung auf der Grundlage des Klagevorbringens zumindest als möglich erscheinen (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 5. März 2019 - 7 B 3.18 - juris Rn. 8 m. w. N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall, so dass die Klage unzulässig ist. 9 Die Klägerin macht geltend, durch die Zulassung des bergrechtlichen Sonderbetriebsplans (vgl. § 52 Abs. 2 Nr. 2 BBergG) in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt zu sein. Sie habe mehrere Bauleitplanungen eingeleitet, über die noch nicht abschließend entschieden worden sei. Bei Kenntnis von dem beabsichtigten Grubenwasseranstieg hätten Gemeinderatsmitglieder möglicherweise anders abgestimmt, weil es zu zahlreichen negativen Folgen des Grubenwasseranstiegs (u. a. Bodenbewegungen, Erschütterungen, Tagesbrüche, Belastung des Trinkwassers, Aufsteigen des Gases Radon) kommen könne. Kommunale Einrichtungen und kommunales Eigentum könnten durch Bergschäden erheblich beeinträchtigt werden. Am Verfahren der Zulassung des Sonderbetriebsplans sei die Klägerin zu Unrecht nicht beteiligt worden. 10 Dieser Vortrag der Klägerin führt auf keine mögliche Verletzung eigener Rechte. Weder die Möglichkeit einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechts auf Selbstverwaltung noch einer rechtswidrigen Einwirkung auf ihr einfachrechtlich geschütztes Eigentum sind ersichtlich. Die Beteiligungspflicht nach § 54 Abs. 2 Satz 1 BBergG vermittelt keine über den Schutz nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG hinausreichende Rechtsposition. 11 1. Die durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantierte kommunale Selbstverwaltung umfasst nach ständiger Rechtsprechung den Schutz der Planungshoheit, die Funktionsfähigkeit kommunaler Einrichtungen und das Selbstgestaltungsrecht der Gemeinde. Eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Planungshoheit kommt nur dann in Betracht, wenn durch das zugelassene Vorhaben eine hinreichend konkrete und verfestigte eigene Planung der Gemeinde nachhaltig gestört wird oder wenn das Vorhaben wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren kommunalen Planung entzieht. Das Vorhaben darf ferner von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötig verbauen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2006 - 7 C 1.06 - BVerwGE 127, 259 Rn. 31 m. w. N.). Eine Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts mit Bezug auf den Betrieb kommunaler Einrichtungen kommt in Betracht, wenn solche Einrichtungen durch das Vorhaben in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 58 m. w. N.). Aus dem Selbstgestaltungsrecht erwachsen einer Gemeinde Abwehransprüche allenfalls dann, wenn die Gemeinde durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken. Denkbare Bergschäden an einzelnen Gebäuden, auch wenn diese in Bebauungsplänen als zu erhalten festgesetzt sind, stellen eine solche Beeinträchtigung des Selbstgestaltungsrechts (noch) nicht dar (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2006 - 7 C 1.06 - BVerwGE 127, 259 Rn. 39). 12 a) Auf dieser Grundlage kommt nach dem Vortrag der Klägerin eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung ihrer Planungshoheit nicht in Betracht. Aus einem möglicherweise abweichenden Abstimmungsverhalten von Gemeinderatsmitgliedern in Kenntnis der Zulassung des Grubenwasseranstiegs kann sich eine derartige Beeinträchtigung schon im Ansatz nicht ergeben. Nichts anderes gilt für den vom Oberverwaltungsgericht darüber hinaus angeführten Gesichtspunkt eingeschränkter Vermarktbarkeit von der Klägerin überplanter und potentiell von Bergschäden betroffener Grundstücke. 13 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Übrigen geklärt, dass der Umstand einer (auch großflächigen) Betroffenheit von Bergsenkungen infolge eines zugelassenen bergbaulichen Vorhabens nicht zur Folge hat, dass wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren kommunalen Planung entzogen werden. Eine Gemeinde ist rechtlich nicht gehindert, auch solche Gebiete zu überplanen, unter denen der Bergbau umgeht und auf die er sich deshalb in Form von Bergsenkungen auswirken kann. Rechtlich ist die Gemeinde - nach § 9 Abs. 5 Nr. 1 und 2 BauGB - insoweit nur verpflichtet, in entsprechenden Bebauungsplänen die Flächen zu kennzeichnen, unter denen der Bergbau umgeht und bei deren Bebauung deshalb möglicherweise bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen erforderlich sind (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2006 - 7 C 1.06 - BVerwGE 127, 259 Rn. 32). Dies gilt auch hinsichtlich der möglichen Betroffenheit durch sonstige bergbaubedingte Bodenbewegungen, Erschütterungen oder Tagesbrüche. 14 Es ist ebenfalls geklärt, dass kommunale Planungsentscheidungen und Vorstellungen der Gemeinde über die künftige Entwicklung ihres Gemeindegebiets nicht losgelöst von den natürlichen Gegebenheiten möglich sind, sondern ihnen zu folgen haben. Zu diesen natürlichen Gegebenheiten gehört auch das Vorhandensein abbauwürdiger Bodenschätze. Deren vom Gesetzgeber ermöglichter Abbau wirkt sich zwangsläufig auf die Erdoberfläche aus, etwa indem in bebauten Gebieten Bergschäden an Gebäuden eintreten können. Hieran muss sich eine Gemeinde mit ihren Vorstellungen über die künftige Entwicklung des Gemeindegebiets anpassen. Sie unterliegt insoweit einer Situationsgebundenheit mit der Folge, dass ihr Eingriffe, die an dieses Merkmal anknüpfen, zumutbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2006 - 7 C 1.06 - BVerwGE 127, 259 Rn. 33). Dies gilt auch für die fortdauernde Betroffenheit in der Phase der Stilllegung bergbaulicher Anlagen. 15 Auch die Möglichkeit eines durch den Grubenwasseranstieg verursachten (verstärkten) Zutagetretens des radioaktiven Edelgases Radon hindert die Klägerin nicht an der Bauleitplanung. Nach im Internet allgemein zugänglichen Informationen des Bundesamts für Strahlenschutz (www.bfs.de) vermischt sich Radon im Freien schnell mit der Umgebungsluft und kommt Radon - deutschlandweit - in allen Innenräumen vor. Einschränkungen der Bebaubarkeit von Flächen mit Rücksicht auf Radon sieht die Rechtsordnung nicht vor. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung vom 27. Juni 2017 (BGBl. I S. 1966), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 20. Mai 2021 (BGBl. I S. 1194), wird nunmehr lediglich bestimmt, dass derjenige, der ein Gebäude mit Aufenthaltsräumen oder Arbeitsplätzen errichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen hat, um den Zutritt von Radon aus dem Baugrund zu verhindern oder erheblich zu erschweren. 16 b) Eine mögliche erhebliche Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit kommunaler Einrichtungen kommt nach dem Vortrag der Klägerin ebenfalls nicht in Betracht. Eine gemeindeeigene Einrichtung zur Trinkwasserversorgung betreibt die Klägerin nicht. Die Aufgabe der örtlichen Trinkwasserversorgung nimmt vielmehr der Wasserzweckverband Nalbach wahr. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann eine Gemeinde eine etwaige negative Betroffenheit der eigenen öffentlichen Wasserversorgung insoweit nicht geltend machen, als sie diese Aufgabe - wie hier - auf einen Dritten übertragen hat. Etwaige Verstöße gegen Vorschriften zum Schutz der öffentlichen Wasserversorgung - die hier im Übrigen auch nicht erkennbar sind - können in diesem Falle nicht von der Kommune selbst, sondern nur seitens des betroffenen Rechtsträgers geltend gemacht werden (BVerwG, Urteil vom 9. November 2017 - 3 A 2.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 79 Rn. 28). Eine mögliche Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit sonstiger kommunaler Einrichtungen hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt. 17 c) Die Möglichkeit einer Verletzung des gemeindlichen Selbstgestaltungsrechts der Klägerin ist schon im Ansatz nicht ersichtlich. 18 2. Eine mögliche rechtswidrige Einwirkung auf das einfachrechtlich geschützte Eigentum der Klägerin ergibt sich aus dem von ihr geltend gemachten Risiko von Bergschäden als Folge des zugelassenen Grubenwasseranstiegs nicht. Aus dem Bergrecht, namentlich den Vorschriften über Bergschäden und die Haftung für solche Schäden (§§ 110 ff. BBergG), folgt eine Duldungspflicht betroffener Grundstückseigentümer, die auf die Geltendmachung sekundärer Ersatzansprüche verwiesen sind. Auf einen verfassungsrechtlichen Schutz ihres kommunalen Eigentums kann sich die Klägerin nicht berufen, weil Gemeinden nicht Träger des Grundrechts aus Art. 14 GG sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <100 ff.>). Insoweit ist eine Ergänzung der im Bergschadensrecht verankerten sekundären Ersatzansprüche um einen primären Abwehranspruch, wie ihn das Bundesverwaltungsgericht im Zuge einer verfassungskonformen Auslegung des § 48 Abs. 2 BBergG zur Vermeidung unverhältnismäßiger Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützten Oberflächeneigentums entwickelt hat (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. März 1989 - 4 C 36.85 - BVerwGE 81, 329 <334 ff.>), nicht angezeigt. 19 3. Auch die Rüge der unterbliebenen Verfahrensbeteiligung der Klägerin führt nicht auf die Möglichkeit einer Rechtsverletzung. Die Verfahrensvorschrift des § 54 Abs. 2 Satz 1 BBergG, die dazu dient, die der Zulassung eines bergrechtlichen Betriebsplans etwa entgegenstehenden Interessen der Gemeinde möglichst frühzeitig in den Entscheidungsvorgang einfließen zu lassen, bietet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keinen weiterreichenden Schutz als die gemeindliche Planungshoheit selbst und räumt insoweit kein von deren Beeinträchtigung unabhängiges, selbständig durchsetzbares Verfahrensrecht ein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 1994 - 4 B 102.94 - Buchholz 406.27 § 48 BBergG Nr. 4 S. 3 m. w. N.). 20 4. Schließlich kann sich eine Kommune weder zum Kontrolleur anderer staatlicher Behörden in Bezug auf die Wahrung des objektiven öffentlichen Rechts aufschwingen noch als Sachwalterin von Rechten Dritter bzw. des Gemeinwohls Belange ihrer Bürger vertreten (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 9. November 2017 - 3 A 2.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 79 Rn. 26 und Urteil vom 23. Juni 2021 - 7 A 10.20 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 94 Rn. 24, jeweils m. w. N.). Schon aus diesem Grund kann sich die Klägerin nicht in allgemeiner Art und Weise auf eine mögliche Beeinträchtigung von Belangen der Wasserwirtschaft oder auf mit dem Zutagetreten von Radon gegebenenfalls verbundene gesundheitliche Risiken berufen. 21 5. Lediglich klarstellend wird darauf hingewiesen, dass sich auch aus dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) keine Klagebefugnis der Klägerin herleiten lässt. Namentlich § 4 UmwRG über die Aufhebung einer Entscheidung wegen Verfahrensfehlern, der nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG i. V. m. § 61 Nr. 1 VwGO auch für Rechtsbehelfe juristischer Personen gilt, die keine Umweltvereinigungen im Sinne von § 3 UmwRG sind, betrifft ausschließlich die Begründetheit eines Rechtsbehelfs. Die Vorschrift lässt den subjektiv-rechtlichen Ansatz des § 42 Abs. 2 VwGO unangetastet und weitet durch einen Verzicht auf die sonst geltenden Einschränkungen der Rechtsfolgen von Verfahrensfehlern lediglich den gerichtlichen Umfang der Begründetheitsprüfung aus. Auch Unionsrecht gebietet keine abweichende Beurteilung (näher zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 30.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 19 ff.). 22 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2022-40,23.06.2022,"Pressemitteilung Nr. 40/2022 vom 23.06.2022 EN Der Transport von Klärschlamm auf der Straße unterliegt dem Kreislaufwirtschaftsgesetz Die Beförderung von Klärschlamm durch ein Saug- und Pumpfahrzeug von einer betrieblichen Abwasserbehandlungsanlage zu einer kommunalen Kläranlage unterfällt dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG). Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die auf die Feststellung gerichtete Klage eines Pharma-Unternehmens, dass das KrWG auf den Transport von Klärschlamm auf der Straße keine Anwendung findet, blieb vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin war vor dem Verwaltungsgerichtshof erfolgreich. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs geändert und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Nach der Abfallrahmenrichtlinie sind Abwässer aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie nur ausgeschlossen, soweit sie bereits von anderen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften abgedeckt sind. Solche gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften existieren für den Transport von Klärschlamm auf der Straße nicht. BVerwG 7 C 3.21 - Urteil vom 23. Juni 2022 Vorinstanzen: VGH Mannheim, VGH 10 S 2566/19 - Urteil vom 20. April 2021 - VG Sigmaringen, VG 5 K 1924/18 - Urteil vom 10. April 2019 -","Urteil vom 23.06.2022 - BVerwG 7 C 3.21ECLI:DE:BVerwG:2022:230622U7C3.21.0 EN Leitsätze: 1. Der straßengebundene Transport von Abwasser unterliegt dem Kreislaufwirtschaftsgesetz auch dann, wenn vor und nach dieser Beförderung eine Abwasserbeseitigung stattfindet und insoweit das Wasserhaushaltsgesetz gilt. 2. Abwässer unterfallen nur dann nicht dem Abfallrecht, wenn sie von anderen Unionsrechtsvorschriften als der Abfallrahmenrichtlinie abgedeckt sind, die genaue Bestimmungen über deren Bewirtschaftung - hier den Transport - enthalten und ein zumindest gleichwertiges Schutzniveau gewährleisten (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2020 - C-629/19, Sappi Austria - Rn. 34) Rechtsquellen RL 2008/98/EG Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, Art. 3 Nr. 1, Nr. 9 und Nr. 15, Art. 6 Abs. 1, Art. 26 Buchst. a, Art. 34 Abs. 1, Art. 35 Abs. 1 und 2, Art. 36 RL 91/271/EWG Art. 1 Abs. 1 RL 86/278/EWG Art. 1 KrWG § 2 Abs. 2 Nr. 9, § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1, §§ 53 bis 55 WHG § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 und 2, § 60 Abs. 1 Instanzenzug VG Sigmaringen - 10.04.2019 - AZ: 5 K 1924/18 VGH Mannheim - 20.04.2021 - AZ: 10 S 2566/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 23.06.2022 - 7 C 3.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:230622U7C3.21.0] Urteil BVerwG 7 C 3.21 VG Sigmaringen - 10.04.2019 - AZ: 5 K 1924/18 VGH Mannheim - 20.04.2021 - AZ: 10 S 2566/19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2022 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr für Recht erkannt: Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20. April 2021 geändert. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 10. April 2019 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Transport von Klärschlamm in einem Saug- und Pumpfahrzeug von ihrer betrieblichen Abwasserbehandlungsanlage zu einer kommunalen Kläranlage nicht den Regelungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes unterfällt. 2 Sie betreibt ein Pharma-Unternehmen und unterhält in B. einen Anlagenstandort, der eine Produktionsanlage für die Herstellung von biopharmazeutischen Wirkstoffen sowie eine Zentrale Abwasserbehandlungsanlage (ZABA) umfasst. In der ZABA erfolgt eine mechanische Abtrennung von Feststoffen, sodann eine Eindickung mit gravimetrischen Verfahren durch eine Einleitung in ein Becken zum weiteren Absetzen von Feststoffen, schließlich das Abschöpfen des flüssigen Teils und dessen erneute Verwendung als Produktionswasser. Der übrig bleibende Rest weist einen Anteil Trockensubstanz von maximal 5 bis 6 Prozent auf. In der von der Betriebsstätte der Klägerin ca. fünf Kilometer entfernten kommunalen Kläranlage wird dieser Stoff zusammen mit anderem Schlamm weiterbehandelt, nachdem er von einem Saug- und Pumpfahrzeug aufgenommen und über öffentliche Straßen dorthin transportiert worden ist. 3 Das Verwaltungsgericht hat die Feststellungsklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und festgestellt, dass für die Beförderung der Stoffe durch ein Saug- und Pumpfahrzeug nicht die aus den Vorschriften der §§ 53 bis 55 KrWG folgenden Rechtspflichten gelten. Mit der Entnahme der Stoffe sei die mit der Behandlung in der ZABA begonnene Abwasserbeseitigung noch nicht abgeschlossen. Unabhängig hiervon handele es sich bei dem Saug- und Pumpfahrzeug um eine Abwasseranlage im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG. 4 Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, der nicht leitungsgebundene Transport von Abwasser, Roh- und Klärschlamm müsse, mangels vergleichbarer Regelungen im Wasserrecht, den strengeren Regelungen des Abfallrechts unterliegen. § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG sei insoweit unionsrechtskonform auszulegen. 5 Der Beklagte beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20. April 2021 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 10. April 2019 zurückzuweisen. 6 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. 7 Sie verteidigt das angefochtene Urteil. 8 Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht ist der Auffassung, das Berufungsurteil sei mit unionsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar. II 9 Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). 10 1. Der Verwaltungsgerichtshof verneint unter Verstoß gegen § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG die Geltung der Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes für den straßengebundenen Transport von Reststoffen aus einer privaten zu einer kommunalen Abwasseranlage. Nach dieser Bestimmung gelten die Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes nicht für Stoffe, sobald sie in Gewässer oder Abwasseranlagen eingeleitet oder eingebracht werden. 11 In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Konjunktion ""sobald"" lediglich den Zeitpunkt des Übergangs vom Abfall- zum Wasserrecht regelt. Dies steht einer Wiedereröffnung des Anwendungsbereichs des Abfallrechts nicht entgegen. Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 54 Abs. 2 Satz 1 WHG ergibt sich mit der gebotenen Klarheit, dass das Regelungsregime des Wasserrechts endet und das Abfallrecht wieder anwendbar wird, wenn die Abwasserbeseitigung abgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2020 - 7 C 19.18 - BVerwGE 169, 119 Rn. 18). Ein am Merkmal ""sobald"" haftendes und ausschließlich auf den Beginn der Unanwendbarkeit des Abfallrechts bezogenes Verständnis vom Regelungsgehalt des § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG wird dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gerecht. Sie zielt auf die Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Abfallrechts und des Wasserrechts. Der Sinn der Regelung ist, solche Vorgänge dem Regelungsbereich des Abfallrechts zu entziehen, die bereits von den Bestimmungen des Wasserhaushaltsgesetzes erfasst werden. Nach der Gesetzesbegründung bezweckt die Ausschlussregelung des § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG die Anwendung von Wasserrecht, wenn Stoffe in Gewässer oder Abwasseranlagen eingeleitet oder eingebracht werden, weil dieses speziell auf derartige Fallkonstellationen und den Schutz des Umweltmediums Wasser ausgerichtet ist (vgl. BT-Drs. 17/6052 S. 70). Dies setzt einen funktionalen Zusammenhang der Maßnahme mit dem Abwasserbeseitigungsprozess voraus. Dieser Prozess umfasst jeden Vorgang, der dazu dient, die Schädlichkeit des Abwassers zu vermindern oder zu beseitigen, namentlich die Schadstofffracht im Abwasser zu reduzieren (BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2020 - 7 C 19.18 - BVerwGE 169, 119 Rn. 18; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 54 Rn. 23, 26; Ganske, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Dezember 2021, § 54 WHG Rn. 40). 12 a) Diese Maßstäbe verkennt der Verwaltungsgerichtshof, wenn er annimmt, die Abwasserbeseitigung sei mit der Entnahme der Stoffe aus der ZABA der Klägerin noch nicht abgeschlossen. 13 Zwar geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass während der Behandlung des Abwassers, also des durch gewerblichen Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderten Wassers (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG), in der ZABA das Wasserhaushaltsgesetz gilt. Die Abwasserbeseitigung endet jedoch mit der Entnahme der Stoffe durch ein Saug- und Pumpfahrzeug aus der ZABA und beginnt erst wieder - nach dieser Zäsur - mit dem Einbringen der Stoffe in die kommunale Kläranlage. Während der Zwischenphase des Transports der Stoffe auf der Straße von der ZABA zur kommunalen Kläranlage ist der Abwasserbeseitigungsprozess unterbrochen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei den entnommenen Stoffen um Abwasser, Roh- oder Klärschlamm handelt. Während des straßengebundenen Transports im Saug- und Pumpfahrzeug zur kommunalen Kläranlage findet keine Abwasserbeseitigung statt. 14 b) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Saug- und Pumpfahrzeug, mit dem die Stoffe entnommen und transportiert werden, auch nicht um eine Abwasseranlage im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG. Der Begriff der Abwasseranlage setzt - wie sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - eine Abwasserbeseitigung voraus (vgl. auch § 60 Abs. 1 WHG). Das Fahrzeug dient ausschließlich dem Abpumpen und dem Transport des in der ZABA behandelten Wassers. Eine Behandlung der entnommenen Stoffe findet in dem Wagen nicht statt. 15 Auch ein ""Sammeln"" von Abwasser im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 WHG liegt bei der Beförderung der Stoffe zur kommunalen Abwasseranlage durch das Saug- und Pumpfahrzeug nicht vor. Als ""Sammeln"" im Sinne dieser Vorschrift wird das Zusammenführen von Abwasser aus unterschiedlichen Anfallorten durch Sammelleitungen sowie das Sammeln von Abwasser aus geschlossenen Gruben mit Fäkalienwagen und das Sammeln von Schlamm aus Kleinkläranlagen verstanden (vgl. Ganske, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Dezember 2021, § 54 WHG Rn. 38; Nisipeanu, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl. 2017, § 54 Rn. 32). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Ein Sammelvorgang - bezogen auf unterschiedliche Erzeuger oder verschiedene Anlaufstellen eines Erzeugers - steht nicht in Rede. Stattdessen werden in der ZABA Stoffe - mit Ausschließlichkeit für die Klägerin - nach einer Abwasserbehandlung zur Abholung bereitgestellt und anschließend zur kommunalen Kläranlage verbracht. 16 Zwar gehört nach der Rechtsprechung des 9. Senats des Bundesverwaltungsgerichts das Sammeln des in Kleinkläranlagen anfallenden Schlamms durch Transportfahrzeuge zur Abwasserbeseitigung im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 2 WHG (BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2017 - 9 B 30.16 - juris Rn. 11). Diese Vorschrift ist hier aber nicht anwendbar, weil sie allein für Kleinkläranlagen gilt und es sich bei der ZABA nicht um eine solche handelt. Zudem ist bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes vom Sammeln von Schlämmen aus typischerweise mehreren Kleinkläranlagen bzw. unterschiedlichen Anlaufstellen auszugehen. Die Regelung des § 54 Abs. 2 Satz 2 WHG stellt klar, dass die Beseitigung des in Kleinkläranlagen anfallenden Schlamms zur Abwasserbeseitigung gehört und dass solche Schlämme der Beseitigungspflicht in kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen unterworfen werden können (BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2017 a. a. O., unter Hinweis u. a. auf BT-Drs. 16/13306 S. 12 f.). 17 Nach allem liegt ein ""Sammeln"" der Stoffe aus der betrieblichen Abwasserbehandlungsanlage der Klägerin und mithin die vom Verwaltungsgerichtshof deshalb vorgenommene Qualifizierung des eingesetzten Fahrzeugs als ""Abwasseranlage"" im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG in der hiesigen Fallkonstellation nicht vor. Daher kann offen bleiben, ob § 54 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 WHG, wonach die Abwasserbeseitigung auch das Entwässern von Klärschlamm in Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung umfasst, einer Bewertung des streitgegenständlichen Transports als ""Sammeln"" von Abwasser entgegensteht. Eine Abwasserbeseitigung im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 WHG ist jedenfalls schon deshalb nicht gegeben, weil es an einem Entwässern des aus der ZABA entnommenen Stoffes während des straßengebundenen Transports fehlt, der Entwässerungs- und Abwasserbeseitigungsprozess vielmehr unterbrochen ist. 18 c) Die Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG durch das Berufungsgericht ist mit Unionsrecht ebenfalls nicht vereinbar. § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG setzt Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. L 312 S. 3) – Abfallrahmenrichtlinie – (AbfRRL) um. Danach sind Abwässer aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie nur ausgeschlossen, soweit sie bereits von anderen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften abgedeckt sind. Solche unionsrechtlichen Rechtsvorschriften bestehen für den streitgegenständlichen Transport der Klärschlämme nicht. 19 Der Europäische Gerichtshof hat hierzu klargestellt, dass der Unionsgesetzgeber Abwässer ausdrücklich als ""Abfälle"" im Sinne der Abfallrahmenrichtlinie einstufen wollte, aber vorgesehen hat, dass diese Abfälle unter bestimmten Voraussetzungen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herausfallen und unter eine andere Regelung fallen können (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2020 - C-629/19 [ECLI:​EU:​C:​2020:​824], Sappi Austria - Rn. 34). Jedoch dürfen die fraglichen Regelungen, um im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a AbfRRL als andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften angesehen werden zu können, nicht nur bestimmte Stoffe betreffen, sondern müssen genaue Bestimmungen über deren Bewirtschaftung als ""Abfall"" im Sinne von Art. 3 Nr. 1 AbfRRL enthalten. Andernfalls wäre die Bewirtschaftung dieser Abfälle weder im Rahmen dieser oder einer anderen Richtlinie noch im Rahmen nationaler Rechtsvorschriften geregelt, was sowohl gegen den Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 AbfRRL verstieße als auch dem Ziel selbst des Abfallrechts der Union widerspräche (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2020 a. a. O. Rn. 35). Daraus folge zudem, dass die anderen Unionsregelungen ein Schutzniveau gewährleisten müssen, das demjenigen zumindest gleichwertig ist, das sich aus der Abfallrahmenrichtlinie ergibt (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2020 a. a. O. Rn. 36). 20 Der Transport von Abfall ist nach der Definition des Art. 3 Nr. 9 AbfRRL eine Maßnahme der Abfallbewirtschaftung. Im Hinblick auf die Beförderung von Abfällen enthält die Abfallrahmenrichtlinie detaillierte Vorgaben. So ist etwa eine Registrierungspflicht für Unternehmen, die gewerbsmäßig Abfälle befördern, vorgesehen (Art. 26 Buchst. a AbfRRL). Solche Unternehmen werden in regelmäßigen Abständen angemessenen Inspektionen durch die zuständigen Behörden unterzogen (Art. 34 Abs. 1 AbfRRL). Nach Art. 35 Abs. 1 AbfRRL müssen Unternehmen, die gefährliche Abfälle transportieren, chronologische Aufzeichnungen über Menge, Art und Ursprung der Abfälle und, sofern relevant, über die Bestimmung, die Häufigkeit der Sammlung, die Transportart und die vorgesehene Abfallbehandlungsmethode führen und diese Informationen auf Anfrage den zuständigen Behörden zur Verfügung stellen. Solche Aufzeichnungen müssen mindestens 12 Monate lang aufbewahrt werden (Art. 35 Abs. 2 AbfRRL). Schließlich normiert Art. 36 AbfRRL eine Durchsetzungs- und Sanktionspflicht der Mitgliedstaaten, um eine unkontrollierte Bewirtschaftung von Abfällen zu untersagen und Verstöße gegen die Vorschriften der Richtlinie zu ahnden. Andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften, die den straßengebundenen Transport von Abwasser, Roh- oder Klärschlamm regeln, existieren nicht. 21 Die Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser (ABl. L 135 S. 40) – Abwasserrichtlinie – (AbwRL) ist hier nicht anwendbar, da sich ihr Anwendungsbereich nach Art. 1 Abs. 1 auf das Sammeln, Behandeln und Einleiten von kommunalem Abwasser und das Behandeln und Einleiten von Abwasser bestimmter Industriebranchen beschränkt, zu denen die Klägerin nicht gehört (vgl. Anhang III der AbwRL). Abgesehen davon enthält sie keine genauen Bestimmungen über die Bewirtschaftung von Klärschlamm (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2020 - C-629/19 - Rn. 37), um den es sich bei den der ZABA der Klägerin entnommenen Stoffen, entgegen der Annahme des Berufungsgerichts, handelt. Klärschlamm ist der bei der Abwasserbeseitigung in Abwasserbehandlungsanlagen anfallende Schlamm (BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <371>; EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2020 - C-629/19 - Rn. 39), wobei Konsistenz und Flüssigkeitsgehalt des Klärschlamms für diese Einordnung unerheblich sind (vgl. Abraham/Denkhaus, ZfW 2020, 153 <154>; Kersandt, in: Schink/Fellenberg, GK-WHG, 2021, § 54 Rn. 53). 22 Die Richtlinie 86/278/EWG des Rates vom 12. Juni 1986 über den Schutz der Umwelt und insbesondere der Böden bei der Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft (ABl. L 181 S. 6) regelt - wie sich bereits aus ihrem Titel und auch aus ihrem Art. 1 ergibt - nur die Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft. Diese Richtlinie ist daher für den straßengebundenen Transport von Klärschlamm nicht relevant. 23 Die Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 327 S. 1) – Wasserrahmenrichtlinie - enthält keine Vorgaben zur Beförderung von Abwasser bzw. Klärschlamm. 24 Danach sind die Stoffe, die der ZABA der Klägerin entnommen werden, während des Transports mit dem Fahrzeug zur kommunalen Kläranlage nicht aus dem Anwendungsbereich der Abfallrahmenrichtlinie ausgeschlossen. Unionsrecht erfordert mithin eine Auslegung von § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG, wonach die straßengebundene Beförderung von Abwasser den Vorschriften der §§ 53 bis 55 KrWG unterfällt. Diese Regelungen bestimmen für den Beförderer solcher Abfälle insbesondere eine Anzeige- und Erlaubnispflicht und unter Umständen die Pflicht zum Nachweis der Zuverlässigkeit und der Fach- und Sachkunde des Betriebsinhabers und seines Personals. Entsprechende Vorschriften fehlen im Wasserhaushaltsgesetz. 25 2. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Das Bundesverwaltungsgericht kann in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Die aus der ZABA der Klägerin entnommenen und zur kommunalen Kläranlage mit dem Fahrzeug transportierten Stoffe sind im maßgeblichen Zeitpunkt der Entnahme und der Beförderung auch als Abfall im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG einzustufen. Die Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sind vorliegend anwendbar. 26 Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG sind Abfälle im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Dies entspricht wörtlich der Regelung in Art. 3 Nr. 1 AbfRRL. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich die Einstufung als ""Abfall"" im Sinne dieser Unionsnorm vor allem aus dem Verhalten des Besitzers und der Bedeutung des Ausdrucks ""sich entledigen"" (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2020 - C -629/19 - Rn. 42). Der Wille zur Entledigung ist nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KrWG - soweit hier von Interesse - hinsichtlich solcher Stoffe anzunehmen, die bei der Behandlung von Stoffen anfallen, ohne dass der Zweck der jeweiligen Handlung hierauf gerichtet ist. Bei dem in Rede stehenden Klärschlamm handelt es sich - wie bereits angesprochen - um einen Rückstand aus der Abwasserbehandlung. Der Schlamm fällt bei der Reinigung des in den Produktionsabläufen verwendeten Wassers durch die am Produktionsstandort betriebene ZABA an. Der Klärschlamm ist demnach gerade nicht das Zielprodukt des Aufbereitungsprozesses, sondern stellt vielmehr den Rückstand nach der Gewässerreinigung dar. Die Klägerin selbst ist am Standort B. nicht in der Lage, den Klärschlamm weiter zu entwässern oder als Endprodukt weiter zu bearbeiten, so dass es sich aus ihrer - insoweit maßgeblichen - Sicht hierbei um Abfall handelt. Dieses Abfalls entledigt sie sich durch die Übergabe an die kommunale Kläranlage. Zwar wird der Klärschlamm aus der betrieblichen Abwasserbehandlungsanlage der Klägerin sodann zusammen mit anderem Schlamm in der kommunalen Kläranlage in einen Faulturm gepumpt, wo Biogas entsteht, das in einem Blockheizkraftwerk energetisch genutzt wird. Der zurückbleibende Reststoff wird in einer - zu einer anderen Verbandskläranlage gehörenden - Monoverbrennungsanlage verbrannt. Dass dies ein bundesweit praktiziertes Verfahren der Abwasserbehandlung darstellt, das durch die Nutzung des im Klärschlamm enthaltenen energetischen Potentials als ökologisch sinnvoll angesehen wird (vgl. Petersen, NVwZ 2021, 1395), ändert nichts an der Abfalleigenschaft des Klärschlamms nach der Entnahme aus der ZABA und dem Transport zur kommunalen Kläranlage. Denn unter den Abfallbegriff fallen auch Stoffe, die zur Wiederverwendung geeignet sind und zu einem späteren Zeitpunkt, nach einem Verwertungs- oder Recyclingverfahren, nicht mehr als Abfälle anzusehen sind (§ 3 Abs. 1 Satz 2 und § 5 Abs. 1 KrWG, Art. 3 Nr. 15 und Art. 6 Abs. 1 AbfRRL; EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2020 - C-629/19 - Rn. 48, 64 ff.). 27 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2022-41,23.06.2022,"Pressemitteilung Nr. 41/2022 vom 23.06.2022 EN Über den Zugang zu Unterlagen des Bundessicherheitsrates muss teilweise neu verhandelt werden Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg muss über die Verpflichtung des Bundeskanzleramtes, den Zugang zu Unterlagen des Bundessicherheitsrates zu gewähren, teilweise erneut verhandeln. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin, eine Journalistin, begehrt vom Bundeskanzleramt unter Berufung auf das Bundesarchivgesetz (BArchG) Zugang zu Unterlagen des Bundessicherheitsrates der Jahre 1972 bis 1985 zu den Ländern Argentinien, Chile, Paraguay und Uruguay. Der Antrag hatte teilweise Erfolg. Das Bundeskanzleramt stellte einige teilgeschwärzte Dokumente zur Verfügung. Hinsichtlich weiterer Dokumente aus dem Zeitraum von 1981 bis 1985 lehnte es den Informationszugang ab, weil sie als Verschlusssachen eingestuft seien. Das Verwaltungsgericht verpflichtete die Beklagte, der Klägerin Zugang zu diesen Dokumenten zu gewähren. Auf die Berufung der Beklagten entschied das Oberverwaltungsgericht, dass ein Teil der Unterlagen erst 60 Jahre nach ihrer Entstehung genutzt werden dürfe, weil sie weiterhin materiell geheimhaltungsbedürftig seien. Hinsichtlich der übrigen Dokumente lehnte das Berufungsgericht die weitere Geheimhaltungsbedürftigkeit ab. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Darlegungen der Beklagten reichen aus, um hinsichtlich der Unterlagen, zu denen der Klägerin der Zugang versagt wurde, ohne Kenntnis des Inhalts der Unterlagen selbst deren weitere Geheimhaltungsbedürftigkeit zu rechtfertigen. Sie genießen daher einen 60-jährigen Geheimnisschutz. Die Dokumente enthalten u.a. Ausführungen über die Strategie der USA bezüglich ihrer im Bundesgebiet stationierten Truppen, technische Details der Mittelstreckenwaffensysteme sowie militärtaktische Erwägungen, Informationen zum Umgang des Bundessicherheitsrates mit strategischen Verteidigungsinitiativen sowie zur militärischen Zusammenarbeit Deutschlands mit anderen europäischen Staaten, insbesondere zur Sicherung der Nato-Ostgrenze. Die Revision der Beklagten hat hingegen Erfolg. Das Berufungsgericht hätte den Zugang der Klägerin zu den übrigen Unterlagen nicht ohne vorherige weitere Sachaufklärung mit der Begründung gewähren dürfen, die Beklagte habe deren fortbestehende materielle Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht ausreichend dargelegt. BVerwG 10 C 3.21 - Urteil vom 23. Juni 2022 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 4.19 - Urteil vom 07. Mai 2020 - VG Berlin, VG 2 K 178.17 - Urteil vom 20. Dezember 2018 -","Urteil vom 23.06.2022 - BVerwG 10 C 3.21ECLI:DE:BVerwG:2022:230622U10C3.21.0 EN Leitsätze: 1. § 4 Abs. 1 Satz 1 SÜG ist eine Rechtsvorschrift des Bundes über die Geheimhaltung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 BArchG. 2. Neben den Voraussetzungen des materiellen Tatbestandes des § 4 Abs. 1 Satz 1 SÜG müssen die Einstufung der Dokumente als Verschlusssachen nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SÜG und die materielle Rechtfertigung einer Einstufung als mindestens VS-Vertraulich vorliegen, um die 60-jährige Schutzfrist des § 11 Abs. 3 BArchG zu begründen. Rechtsquellen BArchG § 1 Nr. 2, 5, 9, 10, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 3 und 6, § 12 Abs. 3, § 13 Abs. 2 Nr. 2 IFG § 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Nr. 1 Satz 1, § 3 Nr. 4 und 8, § 7 Abs. 2 Satz 1 SÜG § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1a, 2 und 3 VwGO § 86 Abs. 1, § 88 Instanzenzug VG Berlin - 20.12.2018 - AZ: 2 K 178.17 OVG Berlin-Brandenburg - 07.05.2020 - AZ: 12 B 4.19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 23.06.2022 - 10 C 3.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:230622U10C3.21.0] Urteil BVerwG 10 C 3.21 VG Berlin - 20.12.2018 - AZ: 2 K 178.17 OVG Berlin-Brandenburg - 07.05.2020 - AZ: 12 B 4.19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2022 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Mai 2020 wird zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts teilweise geändert und die Berufung der Klägerin auch insoweit zurückgewiesen, als sie den Zugang zu den geschwärzten Passagen der mit den Teilentscheidungen vom 26. Oktober und 20. Dezember 2016 und 21. April 2017 bereitgestellten Dokumenten begehrt. Im Übrigen wird das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Klägerin ist Journalistin. Sie begehrt vom Bundeskanzleramt Zugang zu Unterlagen des Bundessicherheitsrates aus den Jahren 1972 bis 1985 betreffend die Länder Argentinien, Chile, Paraguay und Uruguay sowie Einsicht in die zugehörigen Find- und Recherchemittel. 2 Der Antrag der Klägerin vom 4. Juli 2016 hatte teilweise Erfolg. Mit drei ohne Rechtsbehelfsbelehrungen ergangenen Teilentscheidungen vom 26. Oktober und vom 20. Dezember 2016 sowie vom 21. April 2017 stellte das Bundeskanzleramt teilweise geschwärzte Unterlagen zur Nutzung bereit und mit abschließendem Bescheid vom 5. August 2017 ein ebenfalls teilweise geschwärztes Dokument. Hinsichtlich weiterer 26 Dokumente aus dem Zeitraum von 1981 bis 1985 lehnte es den Informationszugang ab, weil sie als Verschlusssachen eingestuft seien und eine Aufhebung der Einstufung wegen einer Gefährdung des Wohles der Bundesrepublik Deutschland nicht in Betracht komme. Die Find- und Registraturmittel der VS-Registratur beim Bundeskanzleramt seien selbst mindestens als VS-Geheim eingestuft. 3 Das Verwaltungsgericht verpflichtete mit Urteil vom 20. Dezember 2018 die Beklagte, der Klägerin Zugang zu den Dokumenten Nr. 2 bis 23 sowie 26 und 27 zu gewähren, wies im Übrigen die Klage ab und stellte (hinsichtlich der Dokumente 1, 24 und 25) das Verfahren ein. Die vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufungen der Beteiligten hat das Oberverwaltungsgericht überwiegend zurückgewiesen. Die Berufung der Beklagten sei nur insoweit begründet, als hinsichtlich der Dokumente Nr. 4, 6/7, 10/11, 12/13/14, 17/18 und 20/21 einem Zugangsanspruch der Klägerin eine 60-jährige Schutzfrist entgegenstehe. Die Darlegungen der Beklagten genügten, um ohne Kenntnis des Inhalts dieser Unterlagen deren weitere Einstufung als Verschlusssache mit dem Grad geheim zu rechtfertigen. Hinsichtlich der übrigen in den Dokumenten Nr. 2, 3, 5, 8/9, 15/16, 19, 22/23 und 26 sowie 27 enthaltenen Informationen seien die Darlegungen der Beklagten zur Plausibilisierung der Geheimhaltungsbedürftigkeit im gegenwärtigen Zeitpunkt und nach Ablauf der allgemeinen archivrechtlichen Schutzfrist von 30 Jahren nicht ausreichend. Die Berufung der Klägerin sei nur insoweit begründet, als sie die ungeschwärzte Zugänglichmachung der ihr mit den stattgebenden Teilentscheidungen teilgeschwärzt überlassenen Unterlagen anstrebe. Hierzu habe sich das Urteil des Verwaltungsgerichts zu Unrecht nicht verhalten. Eine Recherche durch das Bundeskanzleramt nach etwa vorhandenen weiteren Unterlagen könne die Klägerin nicht verlangen, weil dadurch ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand entstünde. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Nutzung der Mittel der Schriftgutverwaltung des Bundeskanzleramtes, mit denen Unterlagen des Bundessicherheitsrates registriert werden. 4 Gegen dieses Urteil richten sich die vom Senat zugelassenen Revisionen der Klägerin und der Beklagten. 5 Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend: § 4 SÜG stelle keine Rechtsvorschrift des Bundes über die Geheimhaltung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 BArchG dar. Die aufgrund des § 35 SÜG erlassene Verschlusssachenanweisung rechtfertige kein anderes Ergebnis, weil es sich dabei nicht um eine Rechtsvorschrift mit Außenwirkung handele. Das Berufungsgericht habe den Untersuchungsgrundsatz nach § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, indem es die materielle Rechtfertigung der weiteren Einstufung der Dokumente Nr. 4, 6/7, 10/11, 12/13/14, 17/18 und 20/21 als VS-Geheim ohne eigene Kenntnis der entsprechenden Unterlagen angenommen habe. Dem Anspruch auf Erschließung weiterer Unterlagen stehe der Versagungsgrund des unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BArchG nicht entgegen. Die behördlichen Find- und Recherchemittel seien vom archivrechtlichen Nutzungsanspruch mitumfasst; sie seien auch amtliche Informationen im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes. 6 Die Klägerin beantragt, unter teilweiser Abänderung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Mai 2020 und des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. Dezember 2018 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zurückzuweisen und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundeskanzleramtes vom 5. August 2017 und des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2018 zu verpflichten, ihr über die im Bescheid vom 5. August 2017 genannten Dokumente hinaus sämtliche Unterlagen des Bundessicherheitsrates mit Bezug zu Argentinien, Chile, Paraguay und Uruguay in der Zeit zwischen 1972 und 1985 bereitzustellen und ihr die Erlaubnis zur Einsichtnahme zu erteilen sowie ihr Zugang zu den Find- und Recherchemitteln beim Bundeskanzleramt zu gewähren, um nach den oben genannten Unterlagen in Archiv- und Datenbanken des Bundeskanzleramtes zu recherchieren und die Erlaubnis zur Nutzung der aufgefundenen Unterlagen zu erteilen und die Revision der Beklagten zurückzuweisen. 7 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Mai 2020 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. Dezember 2018 abzuändern und die Klage abzuweisen sowie die Revision der Klägerin zurückzuweisen. 8 Sie macht insbesondere geltend: Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei der Zugang zu den Dokumenten mit den lfd. Nrn. 2, 3, 5, 8/9, 15/16, 19, 22/23 und 26 sowie 27 aufgrund des Eingreifens der 60-jährigen Schutzfrist ausgeschlossen. Hierfür sei - insoweit abweichend von der früheren Gesetzeslage - die formelle Einstufung eines Dokuments als Verschlusssache ausreichend. Die fortdauernde Geheimhaltungsbedürftigkeit der genannten Dokumente ergebe sich aus dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung und der möglichen Gefährdung des Staatswohles in Gestalt der äußeren Sicherheit und der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland. Das Oberverwaltungsgericht habe die Anforderungen an die Plausibilisierung fortdauernder Geheimhaltungsbedürftigkeit überspannt. Ferner habe das Berufungsgericht den Klagegegenstand verkannt, indem es die Berufung der Klägerin insoweit für begründet erachtet habe, als die Beklagte Zugang zu den ungeschwärzten Unterlagen, die Gegenstand der stattgebenden Teilentscheidungen waren, zu gewähren habe. II 9 Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg (1.). Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet (2.). 10 1. Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Einen Anspruch der Klägerin auf Zugang zu den Dokumenten Nr. 4, 6/7, 10/11, 12/13/14, 17/18 und 20/21 hat das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint und der Berufung der Beklagten insoweit stattgegeben (a). In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Berufungsgericht erkannt, dass die Klägerin eine Recherche nach etwa vorhandenen weiteren Unterlagen des Bundessicherheitsrates beim Bundeskanzleramt nicht verlangen kann (b) und sie keinen Anspruch auf Nutzung der Find- und Recherchemittel des Bundeskanzleramtes hat (c). 11 a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Nutzung der im Schlussbescheid des Bundeskanzleramtes vom 5. August 2017 mit den Nummern 4, 6/7, 10/11, 12/13/14, 17/18 und 20/21 bezeichneten Dokumente. 12 aa) Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 11 Abs. 6 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Nutzung und Sicherung von Archivgut des Bundes (Bundesarchivgesetz - BArchG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 6. September 2021 (BGBl. I S. 4122), die das Berufungsgericht zugrunde legen müsste, wenn es jetzt entschiede. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG steht jeder Person nach Maßgabe dieses Gesetzes das Recht zu, auf Antrag Archivgut des Bundes - im Anwendungsbereich des § 11 Abs. 6 BArchG auch potentielles Archivgut - zu nutzen. 13 (1) Zutreffend nimmt das Oberverwaltungsgericht an, dass der Anspruch auf Nutzung von - wie hier - noch bei öffentlichen Stellen des Bundes befindlichen Unterlagen, die älter als 30 Jahre sind, in entsprechender Anwendung der sonst für die Nutzung von Archivgut gegenüber dem Bundesarchiv geltenden Vorschriften der § 10, § 11 Abs. 1 bis 5, § 12 und § 13 BArchG gegenüber den Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes als speziellere Anspruchsgrundlage Vorrang hat. Nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722) gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme des § 29 VwVfG und des § 25 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) dem Informationsfreiheitsgesetz vor. Diese Vorschrift dient der Sicherung des Vorrangs des Fachrechts gegenüber dem Informationsfreiheitsgesetz. Um dies zu erreichen, wird das Informationsfreiheitsgesetz (nur) durch Normen verdrängt, die einen mit § 1 Abs. 1 IFG - abstrakt - identischen sachlichen Regelungsgehalt aufweisen und sich als abschließende Regelung verstehen (BVerwG, Urteile vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 12 und vom 17. Juni 2020 - 10 C 16.19 - BVerwGE 168, 280 Rn. 9). Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits entschieden, dass zu den vorgehenden Regelungen auch die Vorschrift des § 5 Abs. 1 BArchG i. d. F. vom 6. Januar 1988 (BGBl. I S. 62), die den Zugang zu Archivgut betraf, gehörte (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 42). Nichts anderes gilt für den hier einschlägigen ergänzenden archivrechtlichen Anspruch nach § 11 Abs. 6 BArchG auf die Nutzung von Unterlagen, die trotz ihres Alters noch nicht dem Bundesarchiv zur Übernahme angeboten wurden. Die Vorschrift des § 11 Abs. 6 BArchG, die die Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG betreffend den Zugang zu Archivgut für entsprechend anwendbar erklärt, hat ebenfalls einen mit § 1 Abs. 1 IFG - abstrakt - identischen sachlichen Regelungsgehalt. Sie vermittelt jeder Person bei Vorliegen der spezialgesetzlichen Voraussetzungen ein Recht auf Nutzung von Unterlagen bei öffentlichen Stellen des Bundes, die älter als 30 Jahre sind, und versteht sich für diesen Tatbestand nach ihrem Wortlaut, der gesetzlichen Systematik sowie nach ihrem Sinn und Zweck als abschließende Regelung (vgl. die Begründung der Bundesregierung für den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Bundesarchivrechts vom 15. September 2016, BT-Drs. 18/9633 S. 71). 14 (2) Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 6 BArchG liegen vor. Bei den in der Schlussentscheidung genannten Dokumenten handelt es sich um Aufzeichnungen auf Papier (vgl. § 1 Nr. 10 BArchG), die in der Zeit von 1981 bis 1985 zuletzt inhaltlich bearbeitet wurden, also entstanden sind (vgl. § 1 Nr. 5 BArchG). Die Dokumente sind mithin älter als 30 Jahre. Sie unterliegen, weil sie bisher weder an das Bundesarchiv (vgl. § 2 BArchG) noch an das Zwischenarchiv (vgl. § 8 BArchG) abgegeben wurden, der Verfügungsgewalt des Bundeskanzleramtes, einer öffentlichen Stelle des Bundes im Sinne von § 1 Nr. 9 BArchG. 15 (3) Einem Anspruch der Klägerin auf Nutzung der Dokumente mit den Nummern 4, 6/7, 10/11, 12/13/14, 17/18 und 20/21 stehen jedoch § 11 Abs. 6 i. V. m. Abs. 3, § 6 Abs. 1 Satz 1 BArchG entgegen. Nach § 11 Abs. 6 i. V. m. Abs. 3 BArchG darf potentielles Archivgut des Bundes, das aus Unterlagen besteht, die der Geheimhaltungspflicht, soweit hier einschlägig, nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BArchG unterliegen, erst 60 Jahre nach seiner Entstehung genutzt werden. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BArchG haben die öffentlichen Stellen des Bundes u. a. dem Bundesarchiv auch Unterlagen zur Übernahme anzubieten, die, soweit hier einschlägig, den Rechtsvorschriften des Bundes über die Geheimhaltung unterliegen. 16 Zutreffend weist das Oberverwaltungsgericht darauf hin, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 BArchG unmittelbar nur die Anbietungspflicht für Unterlagen, die einer Geheimhaltungspflicht unterliegen, regelt und klarstellt, dass die öffentlichen Stellen des Bundes dem Bundesarchiv auch Unterlagen anzubieten haben, die den Rechtsvorschriften des Bundes über die Geheimhaltung oder § 30 der Abgabenordnung unterliegen. Dadurch wird einer Kollision der allgemeinen Anbietungspflicht nach § 5 BArchG mit Vorschriften gleichrangiger formeller Gesetze vorgebeugt, die ein Hindernis für das Anbieten danach geheimhaltungsbedürftiger Unterlagen darstellen könnten (vgl. BT-Drs. 18/9633 S. 57). 17 Ungeachtet dieser spezifischen Funktion der Vorschrift schließt § 6 Abs. 1 Satz 1 BArchG durch die Bezugnahme in § 11 Abs. 6 i. V. m. Abs. 3 BArchG den Zugang zu potentiellem Archivgut bei öffentlichen Stellen vor Ablauf von 60 Jahren nach seiner Entstehung aus, wenn die Unterlagen den Rechtsvorschriften des Bundes über die Geheimhaltung unterliegen. Der Begriff der Rechtsvorschrift erfasst nur Normen mit Außenwirkung, also Gesetze im formellen Sinne und Rechtsverordnungen (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2016 - 7 C 3.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 19 Rn. 10 und vom 13. Dezember 2018 - 7 C 19.17 - BVerwGE 164, 112 Rn. 30). 18 (a) § 1 Abs. 2 Satz 4 der Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates (GO BSR), wonach die Sitzungen des Bundessicherheitsrates geheim sind, stellt keine ""Rechtsvorschrift"" im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 BArchG dar. Eine Außenwirkung weist § 1 Abs. 2 Satz 4 GO BSR nicht auf. Der Bundessicherheitsrat ist nach § 1 Abs. 1 GO BSR ein Kabinettausschuss der Bundesregierung. Die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates enthält nur Regierungsinnenrecht und berechtigt und verpflichtet als solches im Wesentlichen nur die dort genannten Mitglieder der Bundesregierung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. September 1987 - 7 N 1.87 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 17 S. 3 und Urteile vom 28. Juli 2016 - 7 C 3.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 19 Rn. 16 und vom 13. Dezember 2018 - 7 C 19.17 - BVerwGE 164, 112 Rn. 30 f.); das rechtliche Verhältnis zwischen Staat und Bürger betrifft sie nicht. 19 (b) Die Regelungen der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern für Bau und Heimat zum materiellen Geheimschutz (Verschlusssachenanweisung - VSA) vom 10. August 2018 (GMBl S. 826) sind ebenfalls keine nach außen wirkenden Rechtsvorschriften. Abgesehen davon, dass es sich bei Verwaltungsvorschriften mangels Außenwirkung nicht um Rechtsvorschriften handelt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. September 1987 - 7 N 1.87 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 17 S. 4 und Urteil vom 28. Juli 2016 - 7 C 3.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 19 Rn. 16), stellt dies auch die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf zur Neuregelung des Bundesarchivrechts vom 15. September 2016 zu § 6 Abs. 1 Satz 1 BArchG ausdrücklich klar (BT-Drs. 18/9633 S. 57 f.). § 11 Abs. 3 i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 BArchG enthält keine § 3 Nr. 4 Alt. 2 IFG entsprechende Regelung, wonach der Anspruch auf Informationszugang auch dann nicht besteht, wenn die Information einer durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt. 20 (c) § 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes und den Schutz von Verschlusssachen (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG) i. d. F. vom 16. Juni 2017 (BGBl. I S. 1634), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 5. Juli 2021 (BGBl. I S. 2274, 2275), ist demgegenüber eine Rechtsvorschrift des Bundes über die Geheimhaltung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 BArchG. Danach sind Verschlusssachen im öffentlichen Interesse, insbesondere zum Schutz des Wohles des Bundes oder eines Landes, geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, unabhängig von ihrer Darstellungsform. 21 Bei dieser Vorschrift handelt es sich auch um ein Gesetz im formellen Sinn, das den Geheimnisschutz bereichsspezifisch ausgestaltet und nach materiellen Kriterien die Unterlagen beschreibt, die der Geheimhaltung unterliegen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2011 - 7 C 6.10 - Buchholz 400 IFG Nr. 4 Rn. 14 zu § 3 Nr. 4 IFG). § 6 Abs. 1 Satz 1 BArchG ist, ebenso wie der Versagungsgrund des § 3 Nr. 4 IFG, als Rezeptionsnorm ausgestaltet, die als Ausschlussgrund den spezialgesetzlichen Geheimhaltungsvorschriften den Vorrang einräumt. 22 (aa) Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Fachsenats, wonach § 4 SÜG kein Gesetz im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO sei, weil die Vorschrift lediglich eine allgemeine Definition der Verschlusssachen und eine generelle Vorgabe für die Abstufung der Geheimhaltungsgrade enthalte (BVerwG, Beschluss vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 23). Die Entscheidung des Fachsenats ist nicht nur zu einer anderen Norm, § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO, sondern auch zu einer anderen Fassung des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes ergangen. Nach § 4 Abs. 1 SÜG in der vom 20. April 1994 bis zum 20. Juni 2017 geltenden Fassungen waren Verschlusssachen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung eingestuft wurden. Die aktuelle Fassung des § 4 Abs. 1 Satz 1 SÜG enthält demgegenüber ein materielles Tatbestandsmerkmal, wonach der Geheimschutz insbesondere dem Wohl des Bundes und der Länder dient. Die Einstufung als Verschlusssachen ist nunmehr hiervon getrennt in § 4 Abs. 2 SÜG geregelt. Im geltenden Wortlaut des § 4 SÜG kommt die Intention des Gesetzgebers, einen materiellen gesetzlichen Tatbestand zu schaffen, zum Ausdruck. In der Begründung der Bundesregierung den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes vom 22. Februar 2017 betreffend heißt es, gesetzliche Regelungen seien, um ein angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten, auch zum materiellen Geheimschutz, z. B. zum Schutz von Verschlusssachen, erforderlich, um hier die erforderliche Vertraulichkeit zu gewährleisten (BT-Drs. 18/11281 S. 1). Da der materielle Geheimschutz bisher nur in untergesetzlichen Bestimmungen zu finden gewesen sei, sollten im Interesse des Staatswohles auch Regelungen zum materiellen Geheimschutz in das Sicherheitsüberprüfungsgesetz aufgenommen werden (a. a. O. S. 39). Die Neufassung des § 4 SÜG enthalte die wesentlichen gesetzlichen Grundlagen, die für einen effektiven materiellen Geheimschutz erforderlich seien. 23 (bb) Dass es sich bei § 4 Abs. 1 Satz 1 SÜG um eine materielle Rechtsvorschrift des Bundes über die Geheimhaltung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 BArchG handelt, verdeutlichen die weiteren Regelungen in § 4 SÜG. Nach § 4 Abs. 1a Satz 1 SÜG dürfen von einer Verschlusssache nur Personen Kenntnis erhalten, die aufgrund ihrer Aufgabenerfüllung Kenntnis haben müssen. Keine Person darf über eine Verschlusssache umfassender oder eher unterrichtet werden, als dies aus Gründen der Aufgabenerfüllung notwendig ist (§ 4 Abs. 1a Satz 2 SÜG). Gemäß § 4 Abs. 3 SÜG ist, wer aufgrund dieses Gesetzes oder sonst in berechtigter Weise Zugang zu einer Verschlusssache erlangt, zur Verschwiegenheit über die ihm dadurch zur Kenntnis gelangten Informationen verpflichtet (Nr. 1) und hat durch Einhaltung der Schutzmaßnahmen, die aufgrund dieses Gesetzes erlassen worden sind, dafür Sorge zu tragen, dass keine unbefugte Person Kenntnis von der Verschlusssache erlangt (Nr. 2). Demnach unterscheidet sich die Geheimhaltungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 SÜG mit ihren zur Wahrung der Geheimhaltungsbedürftigkeit ergangenen Regelungen nicht grundsätzlich von der in § 6 Abs. 1 Satz 1 BArchG genannten Tatbestandsalternative der Unterlagen, die § 30 der Abgabenordnung (AO) unterliegen. Danach haben Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren und verletzt ein Amtsträger das Steuergeheimnis, wenn er personenbezogene Daten eines anderen unbefugt offenbart oder verwertet. Diese Vorschrift enthält - wie § 4 Abs. 1 Satz 1 SÜG - unbestimmte Rechtsbegriffe, die durch Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über den Anspruch des Antragstellers auf Nutzung von (potentiellem) Archivgut ausgelegt werden müssen. Dass in der geltenden Fassung des Bundesarchivgesetzes nur noch § 30 AO als spezielle gesetzliche Vorschrift neben den Rechtsvorschriften des Bundes über die Geheimhaltung in § 6 Abs. 1 Satz 1 BArchG genannt wird, hat nach der Gesetzesbegründung allein den Hintergrund, dass eine Auflistung der der Geheimhaltung unterliegenden Vorschriften im Sinne von § 2 Abs. 4 Nr. 1 BArchG a. F. wegen der großen Zahl und der häufigen Gesetzesänderungen inopportun gewesen wäre (vgl. BT-Drs. 18/9633 S. 58). 24 (cc) Die Geheimhaltungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 SÜG weist allerdings die Besonderheit auf, dass neben dem Vorliegen der materiellen Voraussetzungen dieses Tatbestandes eine Einstufung als Verschlusssache von einer amtlichen Stelle des Bundes oder auf deren Veranlassung in einen Geheimhaltungsgrad nach § 4 Abs. 2 SÜG vorliegen muss. Die Einstufung einer Verschlusssache des Geheimhaltungsgrades VS-Nur für den Dienstgebrauch ist gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 4 SÜG nach § 16 Abs. 1 Satz 1 VSA, der als Verwaltungsvorschrift die Beklagte intern bindet, auf 30 Jahre befristet und nach § 17 Abs. 1 VSA kann diese Einstufungsfrist nicht verlängert werden. Demnach kommen für die Geltung der 60-jährigen Schutzfrist nach § 11 Abs. 3 BArchG für Verschlusssachen von vornherein nur die Einstufungen als streng geheim (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 SÜG), geheim (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 SÜG) oder VS-Vertraulich (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 SÜG) in Betracht. 25 Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass entgegen der Auffassung der Beklagten die bloß formelle Einstufung eines Dokuments als Verschlusssache nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SÜG nicht ausreichend ist, um das Eingreifen der 60-jährigen Schutzfrist zu rechtfertigen. Vielmehr müssen hierfür die materiellen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 SÜG sowie die materielle Rechtfertigung der Einstufung der Unterlagen als mindestens VS-Vertraulich vorliegen. Weshalb die Möglichkeit nach § 12 Abs. 3 BArchG, die Schutzfrist des § 11 Abs. 3 BArchG um höchstens 30 Jahre zu verkürzen oder zu verlängern, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt, dafür sprechen könnte, dass für die weitere Geheimhaltungspflicht eines Dokuments die formelle Einstufung als Verschlusssache ausreichend sei, wie die Beklagte meint, erschließt sich nicht. Die Einführung des § 12 Abs. 3 BArchG erfolgte im Interesse der Informationszugangsfreiheit (vgl. BT-Drs. 18/9633 S. 72). Diesem Zweck würde es zuwiderlaufen, wenn die Änderung herangezogen würde, um die Geltung der verlängerten Schutzfrist von der bloßen Einstufung der Unterlagen als Verschlusssachen durch die Behörde abhängig zu machen. Im Übrigen erfordert auch der Schutz von Amtsgeheimnissen gegenüber Informationszugangsansprüchen nicht lediglich eine formale Einstufung als Verschlusssache, sondern materielle Gründe, die eine solche Einstufung rechtfertigen (vgl. zu § 3 Nr. 4 IFG Urteile vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - NVwZ 2010, 321 Rn. 47 ff. und vom 28. Februar 2019 - 7 C 20.17 - NVwZ 2019, 1050 Rn. 33). 26 (dd) Nach allem unterliegen Aufzeichnungen der 60-jährigen Schutzfrist nach § 11 Abs. 3 i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 BArchG, wenn sie gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 SÜG Verschlusssachen im öffentlichen Interesse, insbesondere zum Schutz des Wohles des Bundes oder eines Landes, geheimhaltungsbedürftige Tatsachen sind, die zudem als Verschlusssachen im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SÜG eingestuft sind und jedenfalls die materiellen Voraussetzungen für die Einstufung als VS-Vertraulich gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 SÜG erfüllen. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht verkannt, indem es stattdessen lediglich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Nr. 2 SÜG geprüft und bejaht hat. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 SÜG werden Verschlusssachen als geheim eingestuft, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann. Damit hat das Oberverwaltungsgericht einen zu strengen Maßstab zugrunde gelegt. 27 Das angefochtene Urteil beruht insoweit auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Entscheidung stellt sich allerdings im Ergebnis als richtig dar, weil die Voraussetzungen für das Eingreifen der 60-jährigen Schutzfrist hier aus anderen Gründen vorliegen (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). 28 (ee) Das Oberverwaltungsgericht konnte ohne Kenntnis der Dokumente allein aufgrund der Angaben der Beklagten einen Nutzungsanspruch der Klägerin wegen des Eingreifens der 60-jährigen Schutzfrist versagen. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt nicht vor. 29 In Streitigkeiten um Informationszugangsrechte besteht keine generelle Pflicht zur Durchführung eines ""in-camera""-Verfahrens. Das gilt nicht nur für prozedurale Geheimhaltungsgründe, die sich aus dem jeweiligen den Informationszugang regelnden Fachgesetz ergeben und die - unabhängig vom Inhalt der Akten - darauf zielen, die Art und Weise des Zustandekommens behördlicher Akten und Unterlagen zu schützen, mithin dem Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses dienen. Der konkrete Akteninhalt muss auch für die Feststellung materieller Geheimhaltungsgründe - wie hier - nicht zwingend rechtserheblich sein. Das Gericht der Hauptsache ist deshalb gehalten, vor Erlass eines Beweisbeschlusses zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel auszuschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären und festzustellen, ob über das Vorliegen der geltend gemachten Geheimhaltungsgründe gegebenenfalls auch ohne Einsicht in die betreffenden Unterlagen entschieden werden kann (BVerwG, Beschlüsse vom 6. April 2011 - 20 F 20.10 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 63 Rn. 8 f. und vom 23. Mai 2016 - 7 B 47.15 - juris Rn. 8; Urteil vom 28. Februar 2019 - 7 C 20.17 - NVwZ 2019, 1050 Rn. 38). Zu diesem Zweck muss die Behörde, die den grundsätzlich gegebenen Informationszugang versagen will, soweit dies unter Wahrung der von ihr behaupteten Geheimhaltungsbedürftigkeit der Informationen möglich ist, in nachvollziehbarer Weise Umstände darlegen, die auch für den Antragsteller, der die Informationen gerade nicht kennt, den Schluss zulassen, dass die Voraussetzungen des in Anspruch genommenen Versagungsgrundes vorliegen (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 18.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 13 Rn. 19). Eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen wird nur dann entscheidungserheblich, wenn die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - für eine Prüfung der fachgesetzlichen Ausnahmegründe nicht ausreichen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2010 - 20 F 1.10 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 59 Rn. 7). 30 Der Prüfung, ob das angefochtene Urteil auf einer Verletzung der Aufklärungspflicht beruht, ist die materiell-rechtliche Beurteilung der Vorinstanz zugrunde zu legen (BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 2016 - 7 B 47.15 - juris Rn. 13). Davon ausgehend musste sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit eines ""in-camera""-Verfahrens nicht aufdrängen. Das Oberverwaltungsgericht hat im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geprüft, ob anhand der Darlegungen der Beklagten verifiziert werden kann, dass ein Versagungsgrund nach § 11 Abs. 3 BArchG vorliegt. Dies hat das Berufungsgericht ohne Verstoß gegen Verfahrensrecht bejaht. 31 Den nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanz lässt sich entnehmen, dass die im Tenor ihrer Entscheidung angeführten Dokumente als Verschlusssachen eingestuft sind und deren Einstufung als jedenfalls VS-Vertraulich zum maßgebenden Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung weiterhin materiell gerechtfertigt war, weil ihre Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland schädlich sein kann (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 3 SÜG). 32 Die Darlegungen der Beklagten zu den einzelnen Dokumenten hat das Berufungsgericht wie folgt zusammengefasst: Das Dokument Nr. 4 - Vorlage an den Bundeskanzler mit Hinweisen auf die Sitzung des Bundessicherheitsrates am 23. April 1982 - beinhalte im Lagebericht des Generalinspekteurs Ausführungen über strategische Erwägungen der USA im Hinblick auf ihre in Deutschland stationierten Truppen sowie Einzelheiten der Bewaffnung mit Mittelstreckenraketen. Die Dokumente Nr. 6/7 - Vorlage an den Bundeskanzler mit Hinweisen zur Sitzung des Bundessicherheitsrates am 4. März 1985 (Entwurf und 1. Ausfertigung) – enthielten geheime Grundlageninformationen, aus denen hervorgehe, wie die Bundesregierung bzw. der Bundessicherheitsrat mit strategischen Verteidigungsinitiativen eines Bündnispartners, hier der Initiative der USA zum Aufbau eines Abwehrschirms im Weltraum gegen Interkontinentalraketen (SDI) umgehe. In den Dokumenten Nr. 10/11 - Ergebnisprotokoll der Sitzung des Bundessicherheitsrates am 28. April 1982 (Entwurf und 1. Ausfertigung) – würden Aussagen über die (vermuteten) Erkenntnisse und militärischen Potentiale der damaligen Sowjetunion getätigt, die auch für die Beurteilung der aktuellen Erkenntnisfähigkeit Deutschlands noch von Bedeutung seien. Die Dokumente Nr. 12/13/14 - Ergebnisprotokoll der Sitzung des Bundessicherheitsrates am 1. September 1982 (Entwurf, 1. Ausfertigung und Kopie) – enthielten ebenfalls technische Details der Mittelstrecken-Waffensysteme sowie nach wie vor aktuelle militärtaktische Erwägungen. Die Dokumente Nr. 17/18 - Ergebnisprotokoll der Sitzung des Bundessicherheitsrates am 4. Februar 1981 (Entwurf und 1. Ausfertigung) – beinhalteten Informationen zu den Auslandsaktivitäten bestimmter Staaten, die Deutschland im Vertrauen auf ihre Geheimhaltung überlassen worden seien. Weiter enthalte das Ergebnisprotokoll interne Informationen der Bündnispartner zu deutsch-französischen Gemeinschaftsprojekten im Rüstungsbereich und zu französischen Kasernen. Schließlich beträfen die Dokumente Nr. 20/21 - Ergebnisprotokoll der Sitzung des Bundessicherheitsrates am 15. Dezember 1981 (Entwurf und 1. Ausfertigung) – Bewertungen der damaligen Verhältnisse in Polen einschließlich kritischer Äußerungen. 33 Die Würdigung dieser von der Beklagten vorgetragenen Inhalte der Dokumente durch das Berufungsgericht, wonach sie auch aktuell noch Rückschlüsse auf die Verteidigungsstrategie und -fähigkeit der Bundesrepublik Deutschland und des westlichen Bündnisses zulassen (Nr. 4, 10/11, 12/13/14) bzw. die außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährden (Nr. 6/7, 17/18 und 20/21), ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Die Beratung und Beschlussfassung im Bundessicherheitsrat unterfallen dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Zwar ist die Willensbildung der Bundesregierung in Bezug auf einen Kriegswaffenexportantrag mit dem jeweiligen Beschluss des Bundessicherheitsrates abgeschlossen. Die Bundesregierung ist jedoch selbst gegenüber den Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht verpflichtet, über die Mitteilung einer erfolgten Genehmigung hinaus Angaben zu der dieser Entscheidung vorausgegangenen Willensbildung innerhalb des Bundessicherheitsrates zu machen (BVerfG, Urteil vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 - BVerfGE 137, 185 Rn. 167 f.). Den Beratungen im Bundessicherheitsrat kann auch nach mehr als 30 Jahren noch eine erhebliche außen- und sicherheitspolitische Bedeutung zukommen. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist dies bei den genannten Dokumenten der Fall. Danach war ein Nutzungsanspruch der Klägerin zum Schutz des Wohles des Bundes nach § 4 Abs. 1 Satz 1 SÜG zu versagen und war die Einstufung der hier streitgegenständlichen Dokumente jedenfalls als VS-Vertraulich nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 SÜG materiell gerechtfertigt. 34 Eine Verkürzung der 60-jährigen Schutzfrist nach § 11 Abs. 6 i. V. m. § 12 Abs. 3 BArchG kommt schließlich nicht in Betracht, da ein öffentliches Interesse an einer Verkürzung nicht ersichtlich ist. 35 b) Ohne Bundesrechtsverstoß hat das Berufungsgericht erkannt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Recherche nach etwa vorhandenen weiteren Unterlagen des Bundessicherheitsrates mit Bezug zu Argentinien, Chile, Paraguay und Uruguay in der Zeit zwischen 1972 und 1985 durch das Bundeskanzleramt hat. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte mit Gewissheit ausschließen kann, dass sich einzelne Unterlagen mit thematischem Bezug in den Akten des Bundeskanzleramtes befinden. Dem klägerischen Begehren würde jedenfalls der Nutzungsversagungsgrund des § 13 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 11 Abs. 6 BArchG entgegenstehen. Danach können die öffentlichen Stellen des Bundes die Nutzung von Unterlagen einschränken oder versagen, wenn durch die Nutzung ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand entstünde. 36 aa) Im Hinblick auf die Frage, was unter einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand zu verstehen ist, verweist die Gesetzesbegründung zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 BArchG nur auf das treuwidrige Verhalten eines Antragstellers, der von der Behörde verlange, nach dem Inhalt von Archivgut auch dann zu forschen, wenn die Suche dem Nutzer billigerweise selbst zuzumuten sei. Dies gelte insbesondere für aufwendige Personalrecherchen in Sachakten (vgl. BT-Drs. 18/9633 S. 75). 37 Weitere Maßstäbe zur Auslegung von § 13 Abs. 2 Nr. 2 BArchG lassen sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG, der gleichfalls den Begriff des unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands verwendet, entnehmen. § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG zielt darauf ab, die informationspflichtige Stelle vor institutioneller Überforderung und einer Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit zu schützen. Die Vorschrift schließt einen (teilweisen) Informationszugang wegen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands aus, wenn die Erfüllung des (Teil-)Anspruchs einen im Verhältnis zum Erkenntnisgewinn des Anspruchstellers und der Allgemeinheit unvertretbaren Aufwand an Kosten oder Personal erfordern würde oder aber auch bei zumutbarer Personal- und Sachmittelausstattung sowie unter Ausschöpfung aller organisatorischen Möglichkeiten die Wahrnehmung der vorrangigen Sachaufgaben der Behörde erheblich behindern würde. Die informationspflichtigen Behörden sind grundsätzlich gehalten, sich in ihrer Arbeitsorganisation und Aktenführung auf die mit der Erfüllung von Informationsanträgen verbundenen (Zusatz-)Aufgaben einzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 24). 38 Legt man diese auf § 13 Abs. 2 Nr. 2 BArchG übertragbaren Maßstäbe dem vorliegenden Fall zugrunde, sind die Voraussetzungen des Nutzungsversagungsgrundes des § 13 Abs. 2 Nr. 2 BArchG gegeben. Die Beklagte hat nach den Feststellungen der Vorinstanz unwidersprochen vorgetragen, eine Sicherheit, dass das Rechercheergebnis alle thematisch einschlägigen Unterlagen umfasst, könne nur gewonnen werden, wenn eine manuelle Suche im gesamten Aktenbestand der VS-Registratur aus dem in Rede stehenden Zeitraum durchgeführt würde. Dazu müssten etwa 30 000 Aktenbände mit jeweils durchschnittlich sechs Verschlusssachen ab dem Geheimhaltungsgrad VS-Vertraulich und ca. 20 offenen bzw. VS-Nur für den Dienstgebrauch eingestuften Dokumenten durchgesehen werden, insgesamt 780 000 Einzeldokumente. Danach ist die Einschätzung des Berufungsgerichts, ein zeitnahes Ergebnis sei nur mit einem enormen Personalaufwand erzielbar, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Es ist nicht erkennbar und es wird von der Klägerin auch nicht dargelegt, dass das Berufungsgericht seinen Würdigungsspielraum gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO überschritten hat. 39 bb) Das Berufungsgericht ist auch mit Recht der Auffassung der Klägerin nicht gefolgt, das Bundeskanzleramt müsse sich, wenn es seiner gesetzlichen Andienungspflicht an das Bundesarchiv nicht nachkomme, im Hinblick auf seine Suchpflichten so behandeln lassen, wie das Bundesarchiv selbst. Dieses Verständnis findet im Bundesarchivgesetz keine Grundlage. 40 Zwar muss sich das Bundeskanzleramt infolge der Nichtabgabe von über 30 Jahre alten Unterlagen an das Bundesarchiv auf die Wahrnehmung archivrechtlicher Aufgaben, wie die Bescheidung von Nutzungsanträgen nach § 11 Abs. 6 BArchG einschließlich der Berufung auf Schutzfristen und Versagungsgründe, einstellen. Jedoch gibt es keinen gesetzlichen Ansatzpunkt dafür, dass ihm, wie dem Bundesarchiv als dafür speziell eingerichteter Behörde, die Aufbereitung der eigenen Akten als Archivgut obliegt. Es fehlt an einer strikten Sanktionierung der Anbietungspflicht; der Nutzungsanspruch gegen die anbietungspflichtigen Stellen hat lediglich eine Anreizfunktion (BVerwG, Beschluss vom 25. September 2017 - 6 A 4.15 - juris Rn. 5). 41 Bereits nach der früheren Fassung des Bundesarchivgesetzes war die Pflicht zur Anbietung nicht mehr benötigter Unterlagen nach § 2 BArchG a. F. nicht sanktionsbewehrt und unterlag auch keiner gesetzlichen Frist. Die Bereitschaft der anbietungspflichtigen Stellen zur Erfüllung der Anbietungspflicht wurde durch den gegen diese Stellen gerichteten Nutzungsanspruch aus § 5 Abs. 8 BArchG a. F. gefördert (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2013 - 6 A 5.13 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 3 Rn. 18). In der aktuellen Fassung des Bundesarchivgesetzes ist zwar durch die Sollvorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 2 BArchG für die Erfüllung der in §§ 5 und 6 BArchG geregelten Anbietungspflicht eine Frist von 30 Jahren eingeführt worden. Jedoch gibt es auch in der Gesetzesbegründung keine Hinweise darauf, dass der Nutzungsanspruch nach § 11 Abs. 6 BArchG als Sanktionierung für die nicht rechtzeitige Anbietung der Unterlagen gegenüber dem Bundesarchiv verstanden werden könnte. Vielmehr ist es dem Gesetzgeber darum gegangen, bei öffentlichen Stellen des Bundes vorhandene Unterlagen, die noch nicht auf ihre Archivwürdigkeit geprüft werden konnten, in gleicher Weise wie Archivgut des Bundesarchivs dem Nutzer zugänglich zu machen, um alle Unterlagen von bleibendem Wert als ""Gedächtnis des Staates"" zu erfassen. Eine strikte Sanktionierung dieser Pflicht besteht daher nach wie vor nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. September 2017 - 6 A 4.15 - juris Rn. 5). 42 c) Ebenfalls ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht erkannt, dass die Klägerin keinen Zugang zu den Find- und Recherchemitteln des Bundeskanzleramts nach dem Bundesarchivgesetz und nach dem Informationsfreiheitsgesetz beanspruchen kann. 43 aa) Der archivrechtliche Nutzungsanspruch aus § 11 Abs. 6 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG verleiht entgegen der Ansicht der Klägerin keinen derartigen Zugangsanspruch. 44 Zwar ist der Begriff der Unterlagen, die, wenn ihnen ein bleibender Wert zukommt, gemäß § 1 Nr. 2 BArchG zu Archivgut des Bundes werden und nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG genutzt werden können sowie zuvor gegebenenfalls einem Anspruch aus § 11 Abs. 6 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG unterliegen, sehr weit. Denn nach § 1 Nr. 10 BArchG sind Unterlagen Aufzeichnungen jeder Art, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Der Gesetzgeber wollte mit dem Begriff der Aufzeichnung die unterschiedlichen Informationsträger und Speicherungsformen und damit das potentielle Archivgut möglichst umfassend erfassen (BT-Drs. 18/9633 S. 44 f.; BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2019 - 6 C 21.18 - BVerwGE 167, 173 Rn. 19). Find- und Recherchemittel sind, solange sie in Gebrauch sind, gleichwohl keine Unterlagen in diesem Sinne. Sie dienen vielmehr der Auffindung solcher Unterlagen. Vor diesem Hintergrund geht es jedenfalls in den durch § 11 Abs. 6 BArchG erfassten Fällen nicht an, behördliche Find- und Recherchemittel dem archivrechtlichen Nutzungsanspruch zwecks Effektuierung dieses Anspruchs zu unterstellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2022 - 6 A 7.20 u. a. - NVwZ 2022, 877 Rn. 61). 45 bb) Ohne Verstoß gegen materielles Bundesrecht hat das Berufungsgericht im Hinblick auf die Find- und Recherchemittel des Bundeskanzleramtes auch einen Anspruch der Klägerin auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz verneint. Außerhalb der im Bundesarchivgesetz geregelten Tatbestände gelten die Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes ergänzend (vgl. BT-Drs. 18/9633 S. 71). 46 Die Mittel der Schriftgutverwaltung sind zwar, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, amtliche Informationen. 47 Mit Recht weist das Berufungsgericht indes darauf hin, dass es der Klägerin nicht um den Zugang zu Informationen in diesem Sinn geht, sondern dass sie die behördlichen Mittel der Schriftgutverwaltung zu nutzen beabsichtigt, um damit selbst in dem vorhandenen Schriftgut zu recherchieren. Ein solcher Anspruch ergibt sich aus dem Informationsfreiheitsgesetz nicht. 48 2. Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. 49 a) Die Revision der Beklagten hat Erfolg, soweit sie einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen §§ 128, 125 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 88 VwGO durch ein zu weites Verständnis des Klagegegenstands rügt. Die Teilentscheidungen der Beklagten vom 26. Oktober und 20. Dezember 2016 sowie vom 21. April 2017 sind nicht Gegenstand der Klage geworden. 50 Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden; es hat vielmehr das tatsächliche Rechtsschutzbegehren zu ermitteln. Für die Ermittlung des Rechtsschutzbegehrens gelten die Grundsätze für die Auslegung von Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB). Maßgeblich ist das Rechtsschutzziel, wie es in dem Klageantrag, der Klagebegründung und dem weiteren Vorbringen sowie in den sonstigen für das Gericht und die übrigen Beteiligten erkennbaren Umständen zum Ausdruck kommt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 - 3 C 11.16 - Buchholz 451.74 § 8 KHG Nr. 18 Rn. 14; Beschlüsse vom 13. Januar 2012 - 9 B 56.11 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 42 Rn. 7 und 27. Juli 2021 - 3 B 12.20 , 3 PKH 1.20 - juris Rn. 4 jeweils m. w. N.). 51 Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe die ungeschwärzte Zugänglichmachung der ihr mit den stattgebenden Teilentscheidungen bereits teilgeschwärzt überlassenen Unterlagen angestrebt, wird diesen Grundsätzen nicht gerecht. Die Klägerin hat ihren Antrag vom 4. Juli 2016 vielmehr auf Einsicht in die Akten des Bundessicherheitsrates, die die Länder Argentinien, Chile, Paraguay und Uruguay im Zeitraum von 1972 bis 1985 betreffen, beschränkt. In ihren Teilentscheidungen hat die Beklagte ausgeführt, dass sie nicht einschlägige Passagen in den überlassenen Dokumenten geschwärzt habe. Angesichts dessen wäre zu erwarten gewesen, dass die Klägerin im gerichtlichen Verfahren gegebenenfalls deutlich macht, auch Einsicht in die geschwärzten, nicht einschlägigen Passagen zu begehren. Dies hat die anwaltlich vertretene Klägerin jedoch nicht getan, sondern stattdessen ihren Vortrag und ihre Anträge auf die in der Schlussentscheidung vom 5. August 2017 genannten Dokumente und eventuell noch vorhandene weitere Unterlagen zu dem sie interessierenden Themenkreis beschränkt. 52 b) Soweit das Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der Dokumente Nr. 2, 3, 5, 8/9, 15/16, 19, 22/23 und 26 sowie 27 einen Nutzungsanspruch der Klägerin bejaht hat, verstößt das Urteil gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann über die Klage nicht abschließend entschieden werden. Die Sache ist deshalb insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 53 Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Darlegungen der Beklagten zur Plausibilisierung der Geheimhaltungsbedürftigkeit reichten nicht aus, das Eingreifen der 60-jährigen Schutzfrist nach § 11 Abs. 3 i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 BArchG zu rechtfertigen, hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Das Oberverwaltungsgericht hat die Ausführungen der Beklagten insoweit zu Unrecht am Maßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gemessen und - ohne Einleitung eines sogenannten ""in-camera""-Verfahrens nach § 99 VwGO - als nicht hinreichend konkret erachtet. 54 Zwar besteht - wie bereits ausgeführt - auch für die Feststellung materieller Geheimhaltungsgründe keine generelle Pflicht zur Durchführung eines ""in-camera""-Verfahrens, weshalb das Gericht der Hauptsache gehalten ist, zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel auszuschöpfen, um festzustellen, ob über das Vorliegen der geltend gemachten Geheimhaltungsgründe auch ohne Kenntnis der betreffenden Unterlagen entschieden werden kann. Die Darlegungsanforderungen dürfen hierbei, angesichts des bei materiellen Geheimhaltungsgründen aus der Natur der Sache folgenden ""Darlegungs- und Beweisnotstands"" der Behörde, nicht überspannt werden. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Fachsenats des Bundesverwaltungsgerichts bedarf es daher lediglich eines Mindestmaßes an Plausibilität (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 20 F 10.15 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 70 Rn. 10). Genügen die Darlegungen diesem Mindestmaß, dürfen Geheimhaltungsgründe nicht verneint werden, ohne die streitgegenständlichen Unterlagen zuvor anzufordern und ihre materiell zutreffende Einstufung in einem ""in-camera""-Verfahren nachprüfen zu lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 21.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 2 Rn. 28). Die Begründungsanforderungen richten sich auch nach der Nähe der Unterlagen zum innersten Bereich der Willensbildung der Bundesregierung (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 23 Rn. 12 f. m. w. N. und vom 13. Dezember 2018 - 7 C 19.17 - BVerwGE 164, 112 Rn. 23). 55 Die Darlegungen der Beklagten werden dem erforderlichen Mindestmaß an Plausibilität bei Zugrundelegung des zutreffenden materiell-rechtlichen Maßstabs des § 4 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SÜG gerecht. Bei den Dokumenten handelt es sich, ebenso wie bei den Unterlagen, deren weitere Geheimhaltungsbedürftigkeit das Oberverwaltungsgericht bejaht hat, um Vorlagen an den Bundeskanzler und Protokolle betreffend die Sitzungen des Bundessicherheitsrates - hier in den Jahren 1981 bis 1982. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts behandeln sie Forderungen der USA an die Bündnispartner, die strategische Konzeption der USA, insbesondere zu den Auswirkungen auf die Verteidigungsfähigkeit der NATO in Europa, zu unterstützen, die Neufassung der rüstungspolitischen Grundsätze, Einzelfälle des Rüstungsexports, detaillierte Erwägungen zu Rüstungsexportentscheidungen, die Malaysia, Thailand und Tunesien sowie ein Gemeinschaftsprogramm mit dem Vereinigten Königreich betreffen sowie ""Chemiewaffen"". Nachteilige Auswirkungen sieht die Beklagte vor allem darin, dass durch die Kenntnis der Informationen sicherheitspolitische Interessen und auswärtige Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland sowie die aktuelle Willensbildung im Bundessicherheitsrat beeinträchtigt würden. 56 Vor diesem Hintergrund kann ohne Einsicht in die betreffenden Unterlagen nicht ausgeschlossen werden, dass deren Offenlegung auch aktuell noch schädlich für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland sein kann (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 SÜG) und deshalb deren Geheimhaltung zum Schutz des Wohles des Bundes (§ 4 Abs. 1 Satz 1 SÜG) erfordert." bverwg_2022-42,29.06.2022,"Pressemitteilung Nr. 42/2022 vom 29.06.2022 EN Kein Anspruch auf Widerruf und Richtigstellung von Äußerungen in dem Bericht des Bundesrechnungshofs über die Bundeskunsthalle Der frühere kaufmännische Geschäftsführer der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn (Bundeskunsthalle) kann von der beklagten Bundesrepublik weder den Widerruf noch die Richtigstellung von Äußerungen in einem Bericht des Bundesrechnungshofs verlangen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger war seit 1993 bei der Bundeskunsthalle beschäftigt, zuletzt als kaufmännischer Geschäftsführer. Diese wurde im Jahr 2007 durch den Bundesrechnungshof einer Prüfung unterzogen. In dem hierüber erstellten Bericht wurden unter anderem die Durchführung bestimmter Veranstaltungen sowie verschiedene geschäftliche Verfahrensabläufe beanstandet. Der Kläger sieht sich durch mehrere in diesem Bericht enthaltene Äußerungen in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Seine gegen insgesamt sieben Äußerungen gerichtete Klage hat das Oberverwaltungsgericht - nachdem es in einem vom Bundesverwaltungsgericht bestätigten Zwischenurteil zunächst die Zulässigkeit der Klage bejaht hatte ( Pressemitteilung 14/2019 ) - als unbegründet abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger kann die begehrten Widerrufe und Richtigstellungen nicht verlangen. Die Rechtmäßigkeit von Äußerungen des Bundesrechnungshofs in seinen Berichten ist unter Heranziehung der für amtliche Äußerungen geltenden Grundsätze und unter Berücksichtigung der besonderen Stellung des Bundesrechnungshofs zu beurteilen. Danach kommt ein Widerruf oder eine Richtigstellung von Werturteilen nicht in Betracht. Eine unrichtige Tatsachenbehauptung ist hingegen zu widerrufen oder richtigzustellen, es sei denn, der Bundesrechnungshof durfte im Zeitpunkt der Erstellung des Berichts die objektiv unrichtige Tatsache für richtig halten. Das setzt voraus, dass die Verfahrensvorschriften eingehalten und etwaige abweichende Darstellungen der betroffenen Stellen im Bericht offengelegt wurden. Den hier geltend gemachten Anträgen auf Widerruf steht bereits entgegen, dass der Kläger die Äußerungen, deren Widerruf er begehrt, unzutreffend widergibt. Zudem handelt es sich um Werturteile. Die Richtigstellungsanträge bleiben unter anderem deshalb erfolglos, weil das Berufungsgericht für das Revisionsgericht bindend festgestellt hat, dass der nach Auffassung des Klägers richtig zu stellende Eindruck durch die angegriffenen Äußerungen nicht erweckt wird. Hinsichtlich einer Äußerung durfte der Bundesrechnungshof jedenfalls im Zeitpunkt der Erstellung des Berichts von der Richtigkeit der Tatsachen ausgehen. BVerwG 6 C 11.20 - Urteil vom 29. Juni 2022 Vorinstanzen: OVG Münster, OVG 16 A 2447/12 - Urteil vom 04. Juni 2020 - VG Köln, VG 26 K 7929/10 - Urteil vom 20. September 2012 -","Urteil vom 29.06.2022 - BVerwG 6 C 11.20ECLI:DE:BVerwG:2022:290622U6C11.20.0 EN Kein Anspruch auf Widerruf und Richtigstellung von Äußerungen in einem Bericht des Bundesrechnungshofs Leitsätze: 1. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Äußerungen in einem Bericht des Bundesrechnungshofs orientiert sich an den Grundsätzen für die Rechtmäßigkeit amtlicher Äußerungen. 2. Widerruf oder Richtigstellung von Werturteilen in einem Bericht des Bundesrechnungshofs können nicht verlangt werden. Eine unrichtige Tatsachenbehauptung ist hingegen zu widerrufen oder richtigzustellen, es sei denn, der Bundesrechnungshof durfte im Zeitpunkt der Erstellung des Berichts die objektiv unrichtige Tatsache für richtig halten. 3. Dies setzt voraus, dass der Bundesrechnungshof die die Feststellung des Sachverhalts sichernden Verfahrensvorschriften eingehalten hat. Besondere Bedeutung kommt der Beteiligung der Betroffenen zu. Abweichende Angaben der angehörten Personen oder Stellen zum Sachverhalt muss der Bundesrechnungshof im Bericht offenlegen. Rechtsquellen GG Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 114 Abs. 2 BHO § 88 Abs. 2 Instanzenzug VG Köln - 20.09.2012 - AZ: 26 K 7929/10 OVG Münster - 04.06.2020 - AZ: 16 A 2447/12 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.06.2022 - 6 C 11.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:290622U6C11.20.0] Urteil BVerwG 6 C 11.20 VG Köln - 20.09.2012 - AZ: 26 K 7929/10 OVG Münster - 04.06.2020 - AZ: 16 A 2447/12 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp und Hellmann für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. Juni 2020 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger begehrt den Widerruf und die Richtigstellung mehrerer Aussagen in einem Bericht des Bundesrechnungshofs. 2 Der Kläger war von 1993 bis 2007 Verwaltungsdirektor bzw. kaufmännischer Geschäftsführer der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH in Bonn (Bundeskunsthalle). Die Bundeskunsthalle ist eine privatrechtlich organisierte Einrichtung des Bundes und der Länder und wird aus öffentlichen Mitteln durch die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien (Bundesbeauftragte) gefördert. Ab 2002 führte die Bundeskunsthalle zusätzlich zu ihrem Ausstellungsbetrieb Freiluftkonzerte auf ihrem Vorplatz durch und betrieb dort zeitweilig eine Eisbahn. 3 Auf Bitten des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags führte der Bundesrechnungshof ab 2004 Prüfungen der bestimmungsgemäßen und wirtschaftlichen Verwendung der Bundesmittel durch die Bundeskunsthalle durch. Im vorliegend verfahrensgegenständlichen ""Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO"" vom 15. Mai 2007 unter dem Titel ""Ausgewählte Aspekte der Bundeszuwendungen an die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH sowie ihrer Geschäftstätigkeit"" stellte der Bundesrechnungshof unter anderem erhebliche Mängel in der Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung fest. Angesprochen wurden dabei insbesondere die Durchführung von Freiluftkonzerten, die hierbei praktizierte Vergabe von Freikarten, die Verletzung von Informationspflichten der Geschäftsführung gegenüber dem Kuratorium, die Behandlung von Reisekosten sowie die internen Verfahrensabläufe. Der Bericht wurde dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, dem damaligen Bundesbeauftragten, dem Bundesministerium der Finanzen und dem Prüfungsamt des Bundes übersandt. 4 Kuratorium und Gesellschafterversammlung der Bundeskunsthalle beschlossen, den Arbeitsvertrag mit dem Kläger aufzuheben, weil das Vertrauensverhältnis zerstört sei. Sie stellten ihn zunächst bis auf weiteres von seinem Amt als kaufmännischer Geschäftsführer frei. Später kündigte er das Arbeitsverhältnis. 5 Mit anwaltlichem Schreiben vom 10. Juli 2009 forderte der Kläger den Präsidenten des Bundesrechnungshofs erfolglos dazu auf, bis zum 14. August 2009 jeweils Unterlassungs- und Widerrufs- sowie Richtigstellungserklärungen in Bezug auf Äußerungen in dem streitbefangenen Bericht abzugeben. 6 Am 31. Dezember 2010 hat der Kläger Klage erhoben und begehrt, die Beklagte zur Unterlassung, zum Widerruf und zur Richtigstellung mehrerer Ausführungen im Bericht vom 15. Mai 2007 zu verurteilen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. September 2012 mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit Zwischenurteil vom 5. Dezember 2016 die Zulässigkeit der Klage bejaht. Die hiergegen eingelegte Revision der Beklagten hat der Senat mit Urteil vom 27. Februar 2019 - 6 C 1.18 - (BVerwGE 164, 368) zurückgewiesen. 7 Im fortgesetzten Berufungsverfahren hat der Kläger zuletzt noch den Widerruf von drei Äußerungen im Beratungsbericht sowie die Richtigstellung von vier weiteren Äußerungen beantragt. Im Hinblick auf die Richtigstellungsbegehren hat er zudem mehrere Hilfsanträge gestellt, zum Teil erstmals nach Ergehen des Zwischenurteils. 8 Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs lägen nicht vor. Dieser könne sich zwar auch gegen den Bundesrechnungshof richten und unter anderem solchen Personen zustehen, die, wie der Kläger, bei der geprüften oder der erhebungsunterworfenen Stelle tätig (gewesen) seien. Der Kläger habe jedoch keinen Anspruch auf Folgenbeseitigung, weil er durch die beanstandeten Äußerungen nicht in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Der Bundesrechnungshof sei nach Art. 114 Abs. 2 GG i. V. m. § 88 Abs. 2 Satz 1 BHO berechtigt gewesen, den in Rede stehenden Bericht zu erstellen und dabei nach § 91 BHO die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Bundeskunsthalle zu prüfen. In diesem Zusammenhang seien auch die angegriffenen Äußerungen erfolgt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht sei nicht schrankenlos gewährleistet, sondern werde durch die verfassungsmäßige Ordnung beschränkt. Für die insoweit erforderliche Abwägung zwischen der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung des Betroffenen und der Erfüllung der dem Bundesrechnungshof verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben (Art. 114 Abs. 2 GG) sei eine Heranziehung der für Äußerungen der Presse entwickelten Grundsätze angezeigt. Zwar könne der Bundesrechnungshof sich als Träger hoheitlicher Gewalt nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) berufen. Die dem grundrechtlichen Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit zugrundeliegende Bedeutung dieser Institute für die freiheitliche demokratische Staatsordnung, insbesondere die ihnen zukommende Kontrollfunktion für politisches Handeln, lasse sich aber in gewissem Rahmen mit der verfassungsmäßig vorgesehenen Kontrollfunktion des Bundesrechnungshofs vergleichen. Hiernach gelte im Kern, dass allein unwahre Tatsachenbehauptungen, nicht jedoch Werturteile einem Widerrufs- oder Richtigstellungsanspruch zugänglich seien. Handle es sich bei der Äußerung um eine Tatsachenbehauptung, so müssten wahre Aussagen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen seien, unwahre Aussagen dagegen nicht. Hiervon ausgehend blieben die auf Widerruf gerichteten Anträge unter anderem bereits deshalb erfolglos, weil der Kläger sich mit ihnen gegen Werturteile wende, die einem Widerruf nicht offen stünden. Die Richtigstellungsanträge hätten ebenfalls keinen Erfolg. Der Eindruck, den der Kläger rüge, werde überwiegend durch die angegriffenen Äußerungen nicht hervorgerufen. Teilweise seien die Ansprüche auch verjährt. 9 Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Die Anwendung der für Presseäußerungen geltenden Grundsätze auf Äußerungen in Berichten des Bundesrechnungshofs sei nicht gerechtfertigt. Der Bundesrechnungshof könne sich nicht auf die Garantien der Presse- und Meinungsfreiheit berufen. Die Rechtsprechung, wonach der Widerruf von Werturteilen nicht möglich sei, basiere auf einer pauschalierten Abwägung des Persönlichkeitsrechts mit der Meinungsfreiheit, die hier aber nicht passe. Zudem sei die Wirtschaftlichkeitskontrolle des Bundesrechnungshofs auf eine Zweck-Mittel-Relation zu beschränken und nicht darauf zu erstrecken, ob ein politisch vorgegebenes Ziel wirtschaftlich sinnvoll sei. Prüfe der Bundesrechnungshof dies dennoch, könne er sich nicht auf Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG berufen. Greife er in diesem Rahmen in das Persönlichkeitsrecht einer betroffenen Person ein, sei dieser Eingriff nicht gerechtfertigt. Dann seien auch Wertungen zu widerrufen. Nach der Prüfungsordnung des Bundesrechnungshofs sei außerdem in Prüfungsmitteilungen klar zwischen dem Sachverhalt und seiner Würdigung zu unterscheiden; Prüfungsmitteilungen dürften Tatsachen und Wertungen nicht miteinander vermischen. Geschehe dies, müssten die entsprechenden Äußerungen widerrufen oder richtiggestellt werden können. Zudem seien nicht sachgerechte bzw. mit unrichtigen Tatsachen verbundene oder unvertretbare Werturteile zu widerrufen, denn mit ihnen komme der Bundesrechnungshof seiner verfassungsrechtlichen Aufgabe nicht nach und schädige das öffentliche Interesse. Das Berufungsgericht habe zudem gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen, indem es angenommen habe, dass der Kläger keine hinreichenden Beweise für die Richtigkeit der von ihm behaupteten Tatsachen erbracht habe. Im Übrigen richteten sich seine Widerrufsanträge gegen Tatsachenbehauptungen, nicht gegen Werturteile. Bei der Ablehnung des die Äußerung zu vermeintlichen Verlusten im Rahmen der Freiluftkonzerte betreffenden Richtigstellungsantrags habe das Berufungsgericht übersehen, dass die Betrachtung einzelner Sparten nicht den Aufgaben des Bundesrechnungshofs entspreche und daher Adressaten eines Beratungsberichts die zwingende Erwartung hätten, dass die Darstellung der wirtschaftlichen Lage einzelner Geschäftsfelder auch Kompensationen aus anderen Geschäftsfeldern auf der Einnahmenseite beschreibe. Auch der Haushaltsausschuss habe um eine umfassende Prüfung gebeten. So hätten auch die staatlichen Organe und die Öffentlichkeit die Äußerung verstanden. Die Hilfsanträge seien nicht verjährt. Die Verjährung sei nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt, denn die Hilfsanträge seien im Hauptantrag enthalten. 10 Der Kläger beantragt, unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. September 2012 - 26 K 7929/10 - und unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. Juni 2020 - 16 A 2447/12 -, mit dem die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. September 2012 - 26 K 7929/10 - zurückgewiesen wurde, 1. die Beklagte zu verurteilen, gegenüber dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Bundestags, Deutscher Bundestag, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, und gegenüber dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Platz 1, 11011 Berlin, folgende Behauptungen in dem Bericht des Bundesrechnungshofs über die Prüfung der Bundeskunsthalle vom 15. Mai 2007 zu widerrufen: a) Bei den von der Geschäftsführung der Bundeskunsthalle unter der Verantwortung des Klägers vernichteten Aufzeichnungen über die Vergabe von Freikarten handelte es sich um aufbewahrungspflichtige Unterlagen im Sinne des § 257 Abs. 1 BGB und § 147 AO. Die Gesellschaft war auch nach dem Zuwendungsrecht verpflichtet, die Aufzeichnungen fünf Jahre nach Vorlage des Verwendungsnachweises aufzubewahren (Nr. 6.3 ANBest-I). b) Ob der Besucheranstieg bei den Ausstellungen auf Freiluftkonzerte zurückzuführen ist, kann nicht belegt werden. Die Geschäftsführung und der Kläger als verantwortlicher Geschäftsführer der Bundeskunsthalle haben die Auswirkungen von Freiluftkonzerten auf die Besucherzahlen nicht ermitteln lassen. Das gilt auch für die Frage, ob breitere Besucherschichten für die Ausstellungen gewonnen werden konnten. c) Der Verwaltungsdirektor unterzeichnete allein für die Gesellschaft im März 1998 einen Vertrag über die Durchführung von Abendveranstaltungen. Der Vertrag umfasste ein Finanzvolumen von mehr als 62 500 €. Der Bundesrechnungshof beanstandet, dass der Verwaltungsdirektor die in der Geschäftsordnung der Gesellschaft festgelegten Zeichnungsrechte nicht beachtete. 2. die Beklagte zu verurteilen, gegenüber dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Bundestags, Deutscher Bundestag, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, und gegenüber dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Platz 1, 11011 Berlin, folgende Behauptungen in dem Bericht des Bundesrechnungshofs über die Prüfung der Bundeskunsthalle vom 15. Mai 2007 wie folgt richtig zu stellen: a) Die Gesellschaft erwirtschaftete in der Sparte Freiluftkonzerte in den Jahren 2002 bis 2006 Verluste in Höhe von zusammen über 6 000 000 €. Der dadurch erweckte Eindruck, der Bundeskunsthalle sei dadurch ein Verlust entstanden, der bei der Erfolgsrechnung nicht durch andere, mit den Konzerten zusammenhängende Einnahmen ausgeglichen wurde, ist nicht richtig. Hilfsweise: Dazu ist richtig zu stellen, dass sich solche Verluste nicht aus der Erfolgsrechnung der Bundeskunsthalle ergaben und dass eingetretene Verluste durch eigenerwirtschaftete Mittel, die erst durch die Durchführung von Freiluftkonzerten erzielt werden konnten, ausgeglichen wurden. Hilfsweise: Der dadurch erweckte Eindruck, der Bundeskunsthalle sei dadurch ein Verlust entstanden, der bei der Erfolgsrechnung nicht durch andere, mit den Konzerten zusammenhängende Einnahmen in Höhe von mindestens 5 000 000 € ausgeglichen wurde, ist nicht richtig. Hilfsweise: Dazu ist richtig zu stellen, dass sich solche Verluste nicht aus der Erfolgsrechnung der Bundeskunsthalle ergaben und dass eingetretene Verluste durch eigenerwirtschaftete Mittel in Höhe von mindestens 5 000 000 €, die erst durch die Durchführung von Freiluftkonzerten erzielt werden konnten, ausgeglichen wurden. Hilfsweise: Der dadurch erweckte Eindruck, der Bundeskunsthalle sei dadurch ein Verlust entstanden, der bei der Erfolgsrechnung nicht durch andere, mit den Konzerten zusammenhängende Einnahmen in Höhe von mindestens 4 000 000 € ausgeglichen wurde, ist nicht richtig. Hilfsweise: Dazu ist richtig zu stellen, dass sich solche Verluste nicht aus der Erfolgsrechnung der Bundeskunsthalle ergaben und dass eingetretene Verluste durch eigenerwirtschaftete Mittel in Höhe von mindestens 4 000 000 €, die erst durch die Durchführung von Freiluftkonzerten erzielt werden konnten, ausgeglichen wurden. Hilfsweise: Der dadurch erweckte Eindruck, der Bundeskunsthalle sei dadurch ein Verlust entstanden, der bei der Erfolgsrechnung nicht durch andere, mit den Konzerten zusammenhängende Einnahmen in Höhe von mindestens 3 000 000 € ausgeglichen wurde, ist nicht richtig. Hilfsweise: Dazu ist richtig zu stellen, dass sich solche Verluste nicht aus der Erfolgsrechnung der Bundeskunsthalle ergaben und dass eingetretene Verluste durch eigenerwirtschaftete Mittel in Höhe von mindestens 3 000 000 €, die erst durch die Durchführung von Freiluftkonzerten erzielt werden konnten, ausgeglichen wurden. Hilfsweise: Der dadurch erweckte Eindruck, der Bundeskunsthalle sei dadurch ein Verlust entstanden, der bei der Erfolgsrechnung nicht durch andere, mit den Konzerten zusammenhängende Einnahmen in Höhe von mindestens 2 000 000 € ausgeglichen wurde, ist nicht richtig. Hilfsweise: Dazu ist richtig zu stellen, dass sich solche Verluste nicht aus der Erfolgsrechnung der Bundeskunsthalle ergaben und dass eingetretene Verluste durch eigenerwirtschaftete Mittel in Höhe von mindestens 2 000 000 €, die erst durch die Durchführung von Freiluftkonzerten erzielt werden konnten, ausgeglichen wurden. Hilfsweise: Der dadurch erweckte Eindruck, der Bundeskunsthalle sei dadurch ein Verlust entstanden, der bei der Erfolgsrechnung nicht durch andere, mit den Konzerten zusammenhängende Einnahmen in Höhe von mindestens 1 000 000 € ausgeglichen wurde, ist nicht richtig. Hilfsweise: Dazu ist richtig zu stellen, dass sich solche Verluste nicht aus der Erfolgsrechnung der Bundeskunsthalle ergaben und dass eingetretene Verluste durch eigenerwirtschaftete Mittel in Höhe von mindestens 1 000 000 €, die erst durch die Durchführung von Freiluftkonzerten erzielt werden konnten, ausgeglichen wurden. b) Indem die Geschäftsführung die stetig ansteigenden Einnahmen und Ausgaben für die Veranstaltung nicht in ihren Planungen berücksichtigte, vermittelte sie dem Kuratorium und dem Zuwendungsgeber kein zutreffendes Bild über ihre finanzielle Lage. Der dadurch erweckte Eindruck, das Kuratorium der Bundeskunsthalle sei von der Geschäftsführung über die steigenden Ausgaben für die Veranstaltungen von Freiluftkonzerten in den Jahren 2002 bis 2006 nicht informiert worden, ist nicht richtig. Hilfsweise: Dazu ist richtig zu stellen, dass sich die steigenden Ausgaben für die Veranstaltungen von Freiluftkonzerten aus dem halbjährlich dem Kuratorium der Bundeskunsthalle von der Geschäftsführung vorgelegten Finanzstatus ergaben und dass auf der Einnahmeseite haushaltsrechtlich nur ein einheitlicher Titel für Einnahmen aus Veranstaltungen bestand, der ebenfalls mitgeteilt wurde. c) Die Gesellschaft überließ für die Freiluftkonzerte Pressevertretern und weiteren Personen Freikarten. Es handelte sich um rund 21 000 Stück im Wert von nominal 840 000 € im Zeitraum von 2002 bis 2006. Der dadurch erweckte Eindruck, die Freikarten seien vollständig ohne vertragliche Verpflichtung der Bundeskunsthalle und ohne Gegenleistung ausgegeben worden, ist falsch. Hilfsweise: Dazu ist richtig zu stellen, dass rund 2/3 dieser Freikarten aufgrund vertraglicher Vereinbarungen an Sponsoren, Medienpartner und andere Vertragspartner der Bundeskunsthalle vergeben werden mussten und dass sie eine Gegenleistung für Sponsoren- und Medienleistungen darstellten sowie dass dem Nominalwert von 840 000 € allein ein Gegenwert an Medienleistungen von jährlich bis zu 1 800 000 € gegenüberstand. Äußerst hilfsweise: Dazu ist richtig zu stellen, dass rund 80 % dieser Freikarten aufgrund vertraglicher Vereinbarungen an Sponsoren, Medienpartner und andere Vertragspartner der Bundeskunsthalle vergeben werden mussten und dass sie eine Gegenleistung für Sponsoren- und Medienleistungen darstellten sowie dass dem Nominalwert von 840 000 € allein ein Gegenwert an Medienleistungen von jährlich bis zu 1 800 000 € gegenüberstand. Äußerst hilfsweise: Dazu ist richtig zu stellen, dass rund 50 % dieser Freikarten aufgrund vertraglicher Vereinbarungen an Sponsoren, Medienpartner und andere Vertragspartner der Bundeskunsthalle vergeben werden mussten. d) Der kaufmännische Geschäftsführer nutzte selbst sein Meilenkonto zur Zahlung für die Flugreise seiner privaten Begleitperson auf einer Dienstreise nach Hongkong. Der dadurch erweckte Eindruck, der kaufmännische Geschäftsführer habe das allein durch Flüge für die Bundeskunsthalle entstandene Meilenkonto zur Zahlung für die Flugreise seiner privaten Begleitperson auf eine Dienstreise nach Hongkong genutzt, ist nicht richtig. Hilfsweise: Dazu ist richtig zu stellen, dass der kaufmännische Geschäftsführer die Flugreise mit Bonusmeilen beglichen hat, die er durch privat bezahlte Flugreisen erworben hat. 11 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 12 Sie verteidigt das angefochtene Urteil. II 13 Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Zwar hat das Berufungsgericht revisibles Recht dadurch verletzt, dass es der Prüfung des Folgenbeseitigungsanspruchs einen unzutreffenden Maßstab zugrundegelegt hat. Es hat aber die zulässige Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen (§ 144 Abs. 4 VwGO). 14 1. Die Zulässigkeit der Klage ist hinsichtlich der zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Anträge durch das rechtskräftige Zwischenurteil des Berufungsgerichts nach § 173 VwGO i. V. m. § 557 Abs. 2 ZPO bindend festgestellt worden. Soweit der Kläger weitere Hilfsanträge nach Rechtskraft des Zwischenurteils gestellt hat, ist die Klage insoweit nicht mangels behördlicher Vorbefassung unzulässig. Im Rahmen der Leistungsklage ist zwar grundsätzlich vor Klageerhebung ein Antrag bei der Behörde zu stellen. Dies ist nach der Rechtsprechung des Senats aber dann nicht erforderlich, wenn das Beharren auf einer Vorbefassung der Verwaltung als bloße Förmelei erscheint, weil die Behörde klar und eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass sie einen solchen Antrag definitiv ablehnen wird (BVerwG, Urteil vom 2. März 2022 - 6 C 7.20 - NVwZ 2022, 1205 Rn. 58). Dies ist hier angesichts des umfassenden Sachvortrags der Beklagten zu den neu gestellten Hilfsanträgen der Fall. 15 2. Das Berufungsgericht hat die Klage im Ergebnis zutreffend als unbegründet beurteilt. In Übereinstimmung mit revisiblem Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) ist es davon ausgegangen, dass Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Widerrufs- und Richtigstellungsansprüche der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch ist (a)), seine Anspruchsvoraussetzungen indes nicht vorliegen (b)). Zwar hat es hierbei einen unzutreffenden Maßstab zugrundegelegt, der Kläger kann jedoch auch bei Anwendung der zutreffenden Maßstäbe die begehrten Widerrufe und Richtigstellungen nicht verlangen. 16 a) Als Rechtsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Widerruf und Richtigstellung kommt allein der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht. Nach diesem in den Grundrechten und dem rechtsstaatlichen Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wurzelnden Anspruch kann jemand, der durch öffentlich-rechtliches Handeln der Verwaltung in seinen Rechten verletzt wird, verlangen, dass diese die andauernden unmittelbaren Folgen ihres rechtswidrigen Vorgehens rückgängig macht (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juli 2015 - 6 C 35.14 - BVerwGE 152, 330 Rn. 8). Voraussetzung für den Folgenbeseitigungsanspruch ist, dass durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 1 C 13.14 - BVerwGE 151, 228 Rn. 24). 17 b) Die Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf Widerruf oder Richtigstellung einer Äußerung des Bundesrechnungshofs als Folgenbeseitigung gegeben ist, liegen im Fall des Klägers jedoch nicht vor. 18 Der Folgenbeseitigungsanspruch kann sich auch gegen den Bundesrechnungshof richten (aa)). Als subjektive Rechtsposition kommt das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Betracht (bb)), in welches durch eine Person betreffende Äußerungen staatlicher Stellen eingegriffen werden kann (cc)). Das Bestehen des Folgenbeseitigungsanspruchs setzt des Weiteren voraus, dass der äußerungsbedingte Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht gerechtfertigt werden kann (dd)) und der rechtswidrige Zustand noch andauert (ee)). Liegen die Voraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruchs vor, kann er auf der Rechtsfolgenseite einen Anspruch auf Widerruf und Richtigstellung von Äußerungen staatlicher Stellen umfassen (ff)). Das Berufungsgericht hat das Bestehen eines Folgenbeseitigungsanspruchs hinsichtlich der von dem Kläger geltend gemachten Widerrufs- und Richtigstellungsbegehren im Ergebnis zutreffend abgelehnt (gg)). 19 aa) Ein Folgenbeseitigungsanspruch kann sich - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - auch auf die Beseitigung der Folgen von Handlungen des Bundesrechnungshofs richten. Der Bundesrechnungshof als oberste Bundesbehörde (§ 1 Abs. 1 BRHG) nimmt im Rahmen des verfassungsrechtlich in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG erteilten Mandats ebenso wie bei Erfüllung der auf der Grundlage des Art. 114 Abs. 2 Satz 4 GG einfachgesetzlich in § 88 Abs. 2 Satz 1 Bundeshaushaltsordnung (BHO) vom 19. August 1969 (BGBl. S. 1284) i. d. F. des Art. 1 des Gesetzes vom 22. September 1994 (BGBl. S. 2605) zugewiesenen Beratungstätigkeit staatliche Aufgaben wahr, auch wenn diese Tätigkeiten weder der Rechtsprechung im Sinne des Art. 92 GG noch der gesetzgebenden Gewalt zuzurechnen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2019 - 6 C 1.18 - BVerwGE 164, 368 Rn. 11 m. w. N.). 20 bb) Als subjektive Rechtsposition im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs kommt unter anderem das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG in Betracht. Dieses schützt, ohne seinem Träger einen Anspruch darauf zu vermitteln, nur so dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist, nicht nur die Ehre, sondern auch weitere Aspekte des sozialen Geltungsanspruchs einer Person. Namentlich umfasst es den Schutz vor Äußerungen, die - ohne im engeren Sinn ehrverletzend zu sein - geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen des Einzelnen in der Öffentlichkeit auszuwirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. August 2010 - 1 BvR 2585/06 - NJW 2011, 511 Rn. 21 m. w. N.). Dafür bedarf es keiner namentlichen Nennung des Betroffenen; es genügt, wenn dieser etwa anhand einer Funktionsbezeichnung ohne weiteres erkennbar ist. Der soziale Achtungsanspruch des Einzelnen ist nicht erst dann betroffen, wenn eine ehrverletzende Äußerung in einer öffentlichen und allgemein zugänglichen Quelle wie etwa einem Presseartikel wiedergegeben wird, sondern es genügt die Ansehensminderung der Person in den Augen Dritter (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2019 - 6 C 1.18 - BVerwGE 164, 368 Rn. 15). Soweit es um Äußerungen in einem Bericht des Bundesrechnungshofs geht, ist die Berufung auf den Schutz des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG auch einem Funktionsträger der von der Prüfung bzw. Erhebung betroffenen Stelle möglich. Denn hiermit nimmt dieser ein subjektiv-öffentliches Recht in Anspruch, das seiner individuellen Rechtssphäre angehört, und tritt nicht als Sachwalter der Interessen der betroffenen Stelle auf (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2019 - 6 C 1.18 - BVerwGE 164, 368 Rn. 17). 21 cc) Einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht können neben gezielten staatlichen Maßnahmen auch mittelbare und faktische Beeinträchtigungen darstellen. Bei Äußerungen staatlicher Stellen kann ein derartiger Eingriff zum einen durch eine ausdrückliche Äußerung, zum anderen aber auch durch das Hervorrufen eines Eindrucks im Sinne einer zwischen den Zeilen herauszulesenden zusätzlichen Aussage geschehen (vgl. VGH München, Beschluss vom 18. Juni 2002 - 22 CE 02.815 - NVwZ-RR 2003, 121 <122>). Bei Berichten des Bundesrechnungshofs ist insoweit zu beachten, dass eine effektive Prüfungs- und Beratungstätigkeit nach Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG bzw. Art. 114 Abs. 2 Satz 4 GG i. V. m. § 88 Abs. 2 BHO weitgehend unmöglich gemacht würde, wenn der Bundesrechnungshof bei jeder Äußerung mitbedenken müsste, welche zusätzlichen Aussagen dieser bei ungünstigster Betrachtung entnommen werden könnten. Kommen neben dem beanstandeten Eindruck vernünftigerweise auch noch andere - nicht zu beanstandende - Deutungen in Betracht, scheidet daher ein Folgenbeseitigungsanspruch regelmäßig aus. Anderenfalls müsste der Bundesrechnungshof damit rechnen, selbst dann Ansprüchen ausgesetzt zu sein, wenn aus seinen Äußerungen vernünftigerweise auch vollkommen beanstandungsfreie Schlussfolgerungen gezogen werden können. Es liegt auf der Hand, dass dies eine offene und konstruktive Prüfungs- und Beratungstätigkeit über Gebühr belasten und ihren Sinn in Zweifel ziehen würde. 22 Die Eingriffsqualität von Äußerungen in einem Bericht des Bundesrechnungshofs ist im Übrigen auch nicht zu verneinen, wenn dieser allein staatlichen Stellen - hier etwa dem Haushaltsausschuss, dem Bundesbeauftragten, dem Bundesministerium der Finanzen und dem Prüfungsamt des Bundes - übersandt worden ist. Weder ein zwischen Parlament und Bundesrechnungshof bestehendes Beratungsverhältnis noch eine vertrauliche Weiterleitung an den Haushaltsausschuss rechtfertigen die Annahme, ein Bericht könne infolge seines Verbleibs im innerstaatlichen Bereich keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte auslösen. Denn mit seiner Zuleitung gibt der Bundesrechnungshof das abschließende Ergebnis seiner Prüfung bzw. seine abschließenden Empfehlungen gegenüber dem Verfassungsorgan Bundestag kund und schließt damit seine Tätigkeit ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2019 - 6 C 1.18 - BVerwGE 164, 368 Rn. 16). 23 dd) Die weitere Voraussetzung für das Bestehen eines Folgenbeseitigungsanspruchs, die Schaffung eines rechtswidrigen Zustandes, ist erfüllt, wenn der Eingriff in die subjektive Rechtsposition nicht gerechtfertigt werden kann. Bei Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist zugrunde zu legen, dass dieses nicht uneingeschränkt gewährleistet ist, sondern nach Art. 2 Abs. 1 GG durch die verfassungsmäßige Ordnung einschließlich der Rechte anderer eingeschränkt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2021 - 1 BvR 1073/20 - NJW 2022, 680 Rn. 26). Grundlage einer Einschränkung dieses Rechts durch eine Äußerung in einem Bericht des Bundesrechnungshofs können dabei auch die Bestimmungen über dessen Beratungskompetenzen nach Art. 114 Abs. 2 Satz 4 GG i. V. m. § 88 Abs. 2, 89 ff. BHO sein. 24 Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Äußerung in einem Bericht des Bundesrechnungshofs nach § 88 Abs. 2 BHO ist damit zum einen, dass die konkrete Äußerung von dieser Kompetenzgrundlage gedeckt, d. h. von dem jeweils eröffneten Prüfungsumfang umfasst ist ((1)), zum anderen, dass bei einer Abwägung der betroffenen Rechtsgüter die ansehensschädigende Äußerung nicht hinzunehmen ist ((2)). 25 (1) Der Umfang der Prüfungskompetenz des Bundesrechnungshofs ergibt sich aus Art. 114 Abs. 2 GG und den Vorschriften der Bundeshaushaltsordnung. Die Beratungstätigkeit gehört nicht unmittelbar zu der in Art. 114 Abs. 2 GG vorgesehenen Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofs. Sie ist nicht verfassungsrechtlich verankert, sondern beruht vielmehr auf der Ermächtigung zur Regelung weiterer Befugnisse in Art. 114 Abs. 2 Satz 4 GG i. V. m. § 88 Abs. 2 BHO. Hiernach kann der Bundesrechnungshof auf Grund von Prüfungserfahrungen den Bundestag, den Bundesrat, die Bundesregierung und einzelne Bundesministerien beraten. Aus dem Erfordernis der Prüfungserfahrung folgt dabei, dass der Beratung im Kern eine Prüfung nach § 88 Abs. 1 BHO, d. h. der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes, zugrunde liegen muss; eine Beratung im prüfungsfreien Raum ist nicht zulässig (vgl. Mähring, in: Heuer/Scheller, Kommentar zum Haushaltsrecht, Stand Juni 2022, § 88 Leitsatz 8). Regelungen zum Gegenstand, Umfang und den Maßstäben dieser Prüfung ergeben sich aus den §§ 89 ff. BHO. Darüber hinaus kommt es für die Frage der Kompetenz des Bundesrechnungshofs nicht darauf an, ob eine in einem Bericht enthaltene Äußerung zutreffend oder sachgerecht ist. Die Annahme des Klägers, mit unrichtigen oder auf nicht sachgerechten Wertungen beruhenden Prüfberichten nehme der Bundesrechnungshof keine öffentlichen Interessen wahr und bewege sich damit außerhalb seines Aufgabenbereichs, geht fehl. Damit ist die inhaltliche Richtigkeit der jeweiligen Äußerung angesprochen, nicht hingegen die Frage, ob der Bericht mit den darin enthaltenen Äußerungen von der Zuständigkeit des Bundesrechnungshofs gedeckt ist. 26 (2) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sind der Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des von der Äußerung Betroffenen und dem Erfordernis der effektiven Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe des Bundesrechnungshofs nicht die zivilrechtlichen Grundsätze über die Rechtfertigung von Äußerungen in der Presse zugrunde zu legen ((a)). Vielmehr orientiert sich die Abwägung - ausgehend von Aufgaben und Funktion des Bundesrechnungshofs - an den öffentlich-rechtlichen Grundsätzen für die Rechtmäßigkeit amtlicher Äußerungen ((b)). 27 (a) Die in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für die Zulässigkeit der Presseberichterstattung sind bei der Beurteilung von Äußerungen in (Beratungs-)Berichten des Bundesrechnungshofs nicht heranzuziehen. Die Rolle der grundrechtlich geschützten Presse ist nicht mit der des Bundesrechnungshofs vergleichbar. Allein der Umstand, dass sowohl die Presse als auch der Bundesrechnungshof verfassungsrechtlich gewährleistete Kontrollfunktionen wahrnehmen - die im Übrigen in Zielrichtung sowie Art und Weise allenfalls begrenzt Übereinstimmungen aufweisen –, reicht angesichts der erheblichen Unterschiede ihrer im Grundgesetz angelegten Rollen und Funktionen für eine weitgehende Übertragung der Prüfungsmaßstäbe nicht aus. Während die Presse grundrechtsberechtigt ist, ist der Bundesrechnungshof als Teil des Staates grundrechtsverpflichtet und unterliegt der rechtsstaatlichen Gesetzesbindung. Aus der grundrechtlich gewährleisteten Stellung der Presse folgt dabei, dass diese nach publizistischen Kriterien selbst bestimmen darf, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 - BVerfGE 101, 361 <389>, Beschluss vom 28. August 2000 - 1 BvR 1307/91 - NJW 2001, 503 <505>; BVerwG, Urteil vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 19). Demgegenüber kann der Bundesrechnungshof zwar auf der Grundlage von § 88 Abs. 2 BHO selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang er beratend tätig wird und sonstige Sonderaufträge wahrnimmt (vgl. Kube, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand Januar 2022, Art. 114 Rn. 122). Er ist aber insoweit auf die ihm von Gesetzes wegen zugewiesenen Aufgabenbereiche und Prüfungsmaßstäbe beschränkt und kann nicht frei wählen, wozu er sich äußert. Zudem hat er die für seine Tätigkeit bestehenden spezifischen Verfahrensvorschriften einzuhalten, für die es auf Seiten der Presse keine Entsprechung gibt. Aus der Meinungsfreiheit folgt weiter, dass Presseäußerungen auch überspitzt und polemisch sein dürfen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 2006 - 1 BvR 361/00 - juris), während für den Bundesrechnungshof - wie für sämtliches Staatshandeln - das Sachlichkeitsgebot gilt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u. a. - BVerfGE 105, 252 <272>; BVerwG, Urteil vom 13. September 2017 - 10 C 6.16 - BVerwGE 159, 327 Rn. 26). Darüber hinaus bestehen wesentliche Unterschiede auch im Hinblick auf den Empfängerkreis. Die Presse wendet sich an die Öffentlichkeit, während Adressaten der Berichte des Bundesrechnungshofs grundsätzlich Gesetzgeber und Regierung sind (vgl. Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG). Die Heranziehung presserechtlicher Grundsätze auf die Beurteilung von Äußerungen in Berichten des Bundesrechnungshofs kommt daher allenfalls punktuell in Betracht, soweit dies mit der hoheitlichen Stellung des Bundesrechnungshofs in Einklang zu bringen ist. 28 (b) Stattdessen hat sich die Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht und der effektiven Aufgabenerfüllung des Bundesrechnungshofs an den Grundsätzen für die Rechtmäßigkeit amtlicher Äußerungen zu orientieren. Insoweit ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die besondere Funktion und Stellung des Bundesrechnungshofs im Rahmen der Abwägung gebührend zu berücksichtigen sind. 29 Die in Art. 114 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich verankerte externe Finanzkontrolle des Bundes ist eng mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes verbunden und Ausdruck der im parlamentarischen Regierungssystem gebotenen Verantwortung der Regierung gegenüber dem Parlament. Sie sichert das parlamentarische Budgetrecht aus Art. 110 GG ab. Der Bundesrechnungshof unterstützt das Parlament bei der Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Mai 2021 - 6 C 12.19 - BVerwGE 172, 306 Rn. 13 und vom 28. Oktober 2021 - 10 C 5.20 - NVwZ 2022, 555 Rn. 25). Die Tätigkeit des Bundesrechnungshofs dient damit einem Gemeinwohlziel von hohem Gewicht. Dies kommt in den einfachgesetzlichen Vorschriften über das - auch der Beratung nach § 88 Abs. 2 BHO zugrundeliegenden - Prüfungsverfahren und in der durch Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten richterlichen Unabhängigkeit seiner Mitglieder zum Ausdruck. Aus letzterer folgt, dass die Mitglieder des Bundesrechnungshofs innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens autonom über die Auswahl des Prüfungsgegenstands sowie die Art, die Form, den Umfang, den Zeitpunkt und die Dauer einer Prüfung bestimmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Mai 2021 - 6 C 12.19 - BVerwGE 172, 306 Rn. 58). Sie haben dabei weitreichende Ermittlungsbefugnisse. So sind etwa nach § 95 Abs. 1 BHO dem Bundesrechnungshof Unterlagen, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält, auf Verlangen innerhalb einer bestimmten Frist zu übersenden oder seinen Beauftragten vorzulegen. Auf der Grundlage von § 95 Abs. 2 BHO sind dem Bundesrechnungshof und seinen Beauftragten Auskünfte zu erteilen. Zur Durchsetzung dieser Befugnisse kann der Bundesrechnungshof Prüfungsanordnungen erlassen, die sofort vollziehbar sind (§ 95a BHO). Der auf diese Weise festgestellte Sachverhalt ist sodann in seinen finanzwirksamen Faktoren mit Blick auf die jeweiligen Anforderungen und Prüfungsmaßstäbe nachzuvollziehen und zu bewerten; daran anknüpfend sind ggf. Empfehlungen auszusprechen, die eine verbesserte Haushalts- und Wirtschaftsführung im Hinblick auf Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zum Ziel haben. Dies ist nur dann effektiv möglich, wenn der Bundesrechnungshof in der Lage ist, den Sachverhalt umfassend zu würdigen, aus seiner Sicht bestehende Missstände aufzuzeigen und Verantwortlichkeiten hierfür konkret zu benennen. 30 Dabei lassen sich aus den beschriebenen Aufgaben auch inhaltliche Anforderungen an Äußerungen des Bundesrechnungshofs in seinen Berichten ableiten. Der Erfüllung seiner Aufgabe der externen Finanzkontrolle kann der Bundesrechnungshof nur mit inhaltlich zutreffenden Sachverhaltsdarstellungen nachkommen; mit unrichtigen Tatsachenfeststellungen wird er seiner Funktion hingegen nicht gerecht. Auch müssen sich seine Wertungen und Empfehlungen im Rahmen des Nachvollziehbaren und Vertretbaren halten; willkürliche Bewertungen sind nicht geeignet, zur Aufgabenerfüllung des Bundesrechnungshofs beizutragen. Diese Grenzen entsprechen im Wesentlichen den inhaltlichen Anforderungen an Äußerungen von Amtsträgern, die in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelt worden sind. Sie können daher zur Präzisierung der für Äußerungen des Bundesrechnungshofs bestehenden Grenzen herangezogen werden. 31 Zugrunde zu legen ist damit der Grundsatz, dass Äußerungen staatlicher Stellen den allgemeinen Anforderungen an rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. November 2010 - 7 B 54.10 - juris Rn. 14; Urteil vom 13. September 2017 - 10 C 6.16 - BVerwGE 159, 327 Rn. 27; VGH München, Beschluss vom 13. November 2020 - 11 CE 20.19 56 - juris Rn. 16; OVG Münster, Beschluss vom 17. Mai 2021 - 13 B 331/21 - NVwZ-RR 2021, 973 Rn. 8). Hieraus folgt, dass Tatsachenbehauptungen von Amtsträgern nur rechtmäßig sind, wenn sie sich als wahr erweisen (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 31. Mai 2021 - 1 B 150/21 - NVwZ-RR 2021, 886 Rn. 15 und 20). Nach den allgemeinen Regeln trägt dabei grundsätzlich die staatliche Stelle die Beweislast für die Richtigkeit der behaupteten Tatsache. Beansprucht der Staat das Recht, in einen durch ein Grundrecht geschützten Freiheitsbereich einzugreifen, trägt er grundsätzlich die Beweislast für die gesetzlichen Voraussetzungen dieses Eingriffs. Denn in der freiheitlichen Demokratie des Grundgesetzes bedarf der hoheitliche Eingriff in ein Grundrecht der Rechtfertigung; nicht ist umgekehrt die Ausübung von Grundrechten rechtfertigungsbedürftig (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 6 C 13.07 - BVerwGE 131, 171 Rn. 41). Werturteile hingegen dürfen nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen, d. h. sie müssen bei verständiger Beurteilung auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen und dürfen den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. August 1989 - 1 BvR 881/89 - NJW 1989, 3269 <3270>; BVerwG, Urteile vom 7. August 1997 - 3 C 49.96 - Buchholz 11 Art. 2 Nr. 79 S. 10 <12> und vom 13. September 2017 - 10 C 6.16 - BVerwGE 159, 327 Rn. 27, Beschluss vom 11. November 2010 - 7 B 54.10 - juris Rn. 14; VGH München, Beschluss vom 13. November 2020 - 11 CE 20.19 56 - juris Rn. 16; OVG Bremen, Beschluss vom 31. Mai 2021 - 1 B 150/21 - NVwZ-RR 2021, 886 Rn. 15). Letzteres bedeutet unter anderem, dass unnötige Zuspitzungen und Übertreibungen zu unterbleiben haben (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 31. Mai 2021 - 1 B 150/21 - a. a. O. Rn. 32). Das schließt die Zulässigkeit von Schmähkritik, Formalbeleidigungen und Angriffen auf die Menschenwürde aus. 32 ee) Für den Folgenbeseitigungsanspruch ist weiter erforderlich, dass der rechtswidrige Zustand noch andauert. Insoweit reicht es aus, wenn - wie hier - ein schriftlich verfasster Bericht weiterhin existent und den Adressaten zugänglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2019 - 6 C 1.18 - BVerwGE 164, 368 Rn. 19). 33 ff) Bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen kann der Betroffene die Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes verlangen. Hiervon ausgehend kann der Folgenbeseitigungsanspruch neben anderen Maßnahmen auch einen Anspruch auf Widerruf und Richtigstellung von Äußerungen staatlicher Stellen umfassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2019 - 6 C 1.18 - BVerwGE 164, 368 Rn. 14; siehe auch Urteil vom 26. Juni 2013 - 6 C 4.12 - Buchholz 402.7 BVerfSchG Nr. 15 Rn. 26). 34 (1) Dabei sind aber nur (unrichtige) Tatsachenbehauptungen einem Widerruf oder einer Richtigstellung zugänglich, nicht hingegen Werturteile (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. November 2009 - 7 B 10.09 - Buchholz 310 § 118 VwGO Nr. 5 Rn. 15; BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 1997 - 1 BvR 1805/92 - juris Rn. 1; OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. August 2010 - 10 LA 36/09 - juris Rn. 24). Niemand - auch nicht ein Hoheitsträger - kann im Wege der Zwangsvollstreckung gezwungen werden, eine Überzeugung aufzugeben oder eine Würdigung zurückzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 1997 - 1 BvR 1805/92 - juris Rn. 1; BVerwG, Beschluss vom 9. November 2009 - 7 B 10.09 - Buchholz 310 § 118 VwGO Nr. 5 Rn. 15). Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Abkehr von diesem Grundsatz auch nicht zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG geboten. Denn einer durch eine Äußerung in ihrem Persönlichkeitsrecht betroffenen Person steht grundsätzlich die Möglichkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes in Form einer auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der fraglichen Äußerung gerichteten Klage zur Verfügung (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Oktober 1971 - 6 C 99.67 - BVerwGE 38, 336 <339> und vom 13. September 2017 - 10 C 6.16 - BVerwGE 159, 327 Rn. 11 f.). Der Streit darüber, ob mit einer amtlichen Äußerung unzulässig in ein Grundrecht der betroffenen Person eingegriffen worden ist, betrifft ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. September 2017 - 10 C 6.16 - BVerwGE 159, 327 Rn. 12; siehe auch BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 1971 - 6 C 99.67 - BVerwGE 38, 336 <339>). Da ein Betroffener auf diese Weise effektiven Rechtsschutz erlangen kann, ist eine Widerrufsmöglichkeit im Übrigen entgegen der klägerischen Auffassung auch nicht zum Schutz öffentlicher Interessen erforderlich. 35 Die Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen orientiert sich ebenfalls an den allgemeinen Grundsätzen, die auch auf amtliche Äußerungen Anwendung finden (vgl. hierzu etwa VGH München, Beschluss vom 24. September 2019 - 4 CE 19.337 - juris Rn. 14; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. August 2018 - OVG 5 S 14.18 - juris Rn. 7; OVG Bremen, Beschluss vom 31. Mai 2021 - 1 B 150/21 - NVwZ-RR 2021, 886 Rn. 20). Während Tatsachenbehauptungen durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit geprägt werden und der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich sind, handelt es sich bei einem Werturteil um eine Äußerung, die durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. August 2016 - 1 BvR 2619/13 - juris Rn. 13 und vom 16. März 2017 - 1 BvR 3085/15 - NJW-RR 2017, 1003 f. Rn. 13 m. w. N.). Für die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen kommt es insbesondere auf den objektiven Sinn einer Äußerung und ihren Gesamtkontext an. Entscheidend ist nicht die subjektive Absicht des Äußernden oder das subjektive Verständnis einzelner Adressaten, sondern das Verständnis, das ihr ein unvoreingenommenes Durchschnittspublikum beimisst (vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 16. März 2017 - 1 BvR 3085/15 - a. a. O. Rn. 13). Sofern eine Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens geprägt ist, ist sie als Werturteil zu betrachten, auch wenn sich diese Elemente, wie häufig, mit solchen einer Tatsachenmitteilung oder -behauptung verbinden oder vermischen, jedenfalls wenn sich beide nicht trennen lassen und der tatsächliche Gehalt gegenüber der Wertung in den Hintergrund tritt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1988 - 1 BvR 1611/87 - NJW 1992, 1153). 36 Entgegen der Auffassung der Revision führt die Bestimmung des § 33 Abs. 2 PO-BRH a. F. nicht zu einer Modifikation der dargestellten Grundsätze. Insbesondere kann nicht angenommen werden, aus dieser Bestimmung folge, dass Tatsachenbehauptungen und Werturteile in Berichten des Bundesrechnungshofs nicht vermengt werden dürften und gegebenenfalls der Widerruf eines solchen Werturteils möglich sein müsse. § 33 Abs. 2 PO-BRH a. F. regelte lediglich Aufbau und Darstellungsweise einer Prüfungsmitteilung des Bundesrechnungshofs, nicht eines Berichts nach § 88 Abs. 2 BHO. Konsequenzen für die Reichweite des öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs lassen sich hieraus schon im Ansatz nicht ableiten. 37 (2) Darüber hinaus kann der Widerruf oder die Richtigstellung unrichtiger Tatsachenbehauptungen nicht verlangt werden, wenn der Bundesrechnungshof im Zeitpunkt der Erstellung des Berichts die objektiv unrichtige Tatsache für richtig halten durfte. 38 Diese Einschränkung des Anspruchs auf Widerruf oder Richtigstellung gründet in der Rolle und Funktion des Bundesrechnungshofs im System der Finanzkontrolle. Ihm obliegt nach Art. 114 Abs. 2 GG und § 88 Abs. 2 BHO die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes und die Beratung staatlicher Organe, wobei diese - bezogen auf den einzelnen Prüfungsgegenstand bzw. das einzelne Prüfungsthema - nicht fortlaufend erfolgt, sondern zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen ist. Dabei hat der Bundesrechnungshof den zugrundeliegenden Sachverhalt aufzuklären, wofür ihm - wie dargestellt - umfassende Erhebungsbefugnisse zur Verfügung stehen. Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts ist damit verfahrensrechtlich abgesichert. Naturgemäß kann der entsprechende Bericht bzw. die Prüfungsmitteilung aber nur den Erkenntnisstand zum Zeitpunkt des Abschlusses des Berichts bzw. der Mitteilung abbilden. Im Anschluss ergreifen die zuständigen Stellen ggf. erforderliche Maßnahmen. Im Hinblick auf die Aufgabe der effektiven Finanzkontrolle geht eine Verpflichtung des Bundesrechnungshofs, Äußerungen in Berichten und Prüfungsmitteilungen bei nachträglicher Unrichtigkeit von zugrundegelegten Tatsachen zu widerrufen oder richtigzustellen, ins Leere; mit der Mitteilung des Berichts oder des abschließenden Prüfungsergebnisses ist der Zweck der Prüfung bzw. Beratung erreicht. Dieser Rolle des Bundesrechnungshofs widerspräche es, einen Prüfungs- und Beratungsvorgang nicht durch das Absetzen eines Berichts als abgeschlossen zu betrachten, sondern gewissermaßen unbegrenzt offen zu halten. Darüber hinaus setzt die in Art. 114 Abs. 2 GG garantierte externe Finanzkontrolle eine effektive Prüfungs- und Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofs voraus. Eine solche wäre nicht möglich, wenn der Bundesrechnungshof sich zur Vermeidung von Widerrufs- oder Richtigstellungsansprüchen gehalten sehen müsste, nur Tatsachendarstellungen in einen Bericht aufzunehmen, die als unumstößlich richtig betrachtet werden können. Ein erneutes Tätigwerden des Bundesrechnungshofs nach Abschluss des Berichts durch einen Widerruf oder eine Richtigstellung kann daher nicht verlangt werden, wenn dieser im Zeitpunkt der Erstellung des Berichts die objektiv unrichtige Tatsache für richtig halten durfte. 39 Aus der Pflicht und Befugnis zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts folgt allerdings auch, dass der Bundesrechnungshof sich eine hinreichende Überzeugung von der Richtigkeit der seinem Bericht zugrundeliegenden Feststellungen bilden muss. Auf ungewisse Tatsachenfeststellungen darf er seine Berichte nicht stützen. Die erforderliche Überzeugungsbildung setzt zudem voraus, dass der Bundesrechnungshof die die Feststellung des Sachverhalts sichernden Verfahrensvorschriften eingehalten hat. Besondere Bedeutung kommt dabei der Beteiligung der Betroffenen zu. Insbesondere ist der Bundesrechnungshof nach § 96 Abs. 1 Satz 1 BHO verpflichtet, das vorläufig festgestellte Prüfungsergebnis den zuständigen Dienststellen zur Äußerung innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist mitzuteilen. Darin drückt sich die im öffentlichen Interesse liegende Pflicht des Bundesrechnungshofs aus, das kontradiktorische Verfahren einzuleiten, um zu überprüfen, ob der relevante Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt wurde. Darüber hinaus kann der Bundesrechnungshof nach § 96 Abs. 1 Satz 2 BHO das Prüfungsergebnis auch anderen Dienststellen, etwa den Erhebungsstellen, mitteilen, soweit er es für erforderlich erhält (s. a. § 33 Abs. 3 PO-BRH). Ein besonderer Grund hierfür kann darin liegen, dass von der Erhebungsstelle aufgrund ihrer Sachnähe ein wesentlicher Beitrag für das kontradiktorische Verfahren zu erwarten ist. Außerdem sieht § 9 Abs. 3 PO-BRH vor, dass der Bundesrechnungshof im Prüfungsverfahren Drittbetroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme gibt, wenn die Prüfungsmitteilungen, Berichte und Bemerkungen für sie - erstens - nachteilige Wertungen enthalten oder nachteilige Bewertungen erwarten lassen und - zweitens - in der Berichterstattung an das Parlament verwendet werden oder konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie veröffentlicht werden. Beschäftigte von geprüften Stellen oder Erhebungsstellen sind zwar nach der PO-BRH keine Drittbetroffenen; der Bundesrechnungshof kann sie aber gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 PO-BRH im Einzelfall wie Drittbetroffene behandeln. Ergeben sich aus den Stellungnahmen dieser - für die Richtigstellung etwaiger falscher Tatsachenbehauptungen besonders berufenen - Stellen oder Personen keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit einer Tatsachenfeststellung, kann der Bundesrechnungshof, soweit auch keine anderen für eine Unrichtigkeit sprechenden Umstände erkennbar sind, von der Richtigkeit der jeweiligen Feststellung ausgehen. Widersprechen die angehörten Stellen der Tatsachendarstellung des Bundesrechnungshofs, muss er, wenn er dennoch bei seiner eigenen Sachverhaltsdarstellung bleiben will, die abweichenden Angaben der angehörten Person oder Stelle im abschließenden Bericht offenlegen. 40 gg) Dies zugrundegelegt hat der Kläger keinen Anspruch auf die begehrten Widerrufe und Richtigstellungen. 41 (1) Das erste vom Kläger geltend gemachte Widerrufsbegehren (Antrag 1. a)) scheitert bereits daran, dass die vom Kläger gerügte Passage mit dem von ihm angeführten Wortlaut im Bericht des Bundesrechnungshofs nicht enthalten ist. Der Kläger hat die Worte ""von der Geschäftsführung der Bundeskunsthalle unter der Verantwortung des Klägers"" vielmehr selbst hinzugefügt. Widerrufen werden kann indes nur, was auch tatsächlich geäußert worden ist. Unabhängig davon scheidet ein Widerruf auch deshalb aus, weil es sich bei der vom Kläger gerügten Äußerung um ein Werturteil handelt. Der Kläger wendet sich gegen die Aussage, die in Rede stehenden Unterlagen seien aufbewahrungspflichtig gewesen und die Bundeskunsthalle sei auch nach dem Zuwendungsrecht zu einer mindestens fünfjährigen Aufbewahrung verpflichtet gewesen. Hierbei handelt es sich, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um ein Werturteil in Form einer rechtlichen Bewertung. 42 (2) Auch dem zweiten Widerrufsbegehren des Klägers (Antrag 1. b)) steht entgegen, dass der Kläger die Äußerung im Bericht des Bundesrechnungshofs nicht wortgetreu wiedergibt, sondern Worte hinzugefügt hat. Zudem ist das Berufungsgericht auf Grundlage seiner Auslegung der gerügten Passage, an die der Senat gebunden ist, zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich um ein nicht dem Widerruf zugängliches Werturteil handelt. 43 (3) Das dritte Widerrufsbegehren (Antrag 1. c)) bleibt ebenfalls erfolglos. Die angegriffene Passage ist in der Form, in der der Kläger sie in seinem Antrag wiedergibt, im Bericht des Bundesrechnungshofs nicht enthalten. Vielmehr hat der Kläger sie durch Zusammenfügung des ersten und zweiten Satzes einerseits und des dritten Satzes anderseits, die im Bericht an verschiedenen Stellen stehen, selbst kreiert. Im Übrigen besteht auch bei getrennter Betrachtung der beiden Teile kein Widerrufsanspruch. Dem Vorbringen des Klägers ist zu entnehmen, dass er nicht in Abrede stellt, den betreffenden Vertrag allein unterschrieben zu haben. Er wendet sich vielmehr allein gegen die Beanstandung eines Verstoßes gegen die in der Geschäftsordnung niedergelegten Zeichnungsrechte. Bei dieser Beanstandung handelt es sich ersichtlich um ein Werturteil in Form einer rechtlichen Beurteilung. 44 (4) Der erste auf Richtigstellung gerichtete Antrag des Klägers (Antrag 2. a)) bleibt ebenfalls erfolglos. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der vom Kläger beanstandete Eindruck, die Bundeskunsthalle habe in der Sparte Freiluftkonzerte einen Verlust erwirtschaftet, der bei der Erfolgsrechnung nicht durch andere, mit den Konzerten zusammenhängende Einnahmen ausgeglichen worden sei, durch die vom Kläger angegriffene Äußerung nicht erweckt werde. An diese Auslegung ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. 45 Zu den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts im Sinne dieser Vorschrift gehört auch der durch Auslegung ermittelte Inhalt der beanstandeten Passagen des streitgegenständlichen Beratungsberichts (vgl. zur Auslegung eines behördlichen Schreibens BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1981 - 8 C 6.81 - NVwZ 1982, 196 <197>, eines öffentlich-rechtlichen Vertrags BVerwG, Urteile vom 30. Mai 2012 - 9 C 5.11 - Buchholz 406.11 § 246a BauGB Nr. 1 Rn. 30 f. und vom 18. Mai 2021 - 4 C 6.19 - NVwZ 2021, 1713 Rn. 21 sowie einer behördlichen Willenserklärung BVerwG, Urteil vom 20. März 2003 - 2 C 23.02 - NVwZ-RR 2003, 874). Die Auslegung durch die Vorinstanz ist danach revisionsgerichtlich allein daraufhin überprüfbar, ob hierbei anerkannte Auslegungsgrundsätze, gesetzliche Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind. Ist dies nicht der Fall, ist das Bundesverwaltungsgericht an die Auslegung gebunden, soweit - wie hier - keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Mai 2012 - 9 C 5.11 - Buchholz 406.11 § 246a BauGB Nr. 1 Rn. 30 und vom 18. Mai 2021 - 4 C 6.19 - NVwZ 2021, 1713 Rn. 14; Neumann/Korbmacher, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 137 Rn. 165). 46 Ein die Bindung aufhebender Verstoß gegen Denkgesetze liegt hier nicht vor. Einen solchen zeigt insbesondere nicht der Vortrag des Klägers auf, angesichts der Äußerung auf Seite 16 des Berichts, es hätte bei rechtzeitigem Ausstieg aus dem Geschäftsfeld ein Verlust von 6 000 000 € verhindert werden können, müsse der von ihm genannte Satz im Sinne der Darstellung eines spartenübergreifenden Verlustes verstanden werden. Der Kläger verkennt hierbei die Struktur des Berichts des Bundesrechnungshofs: Dieser stellt auf Seite 15 mit dem vom Kläger angegriffenen Satz zunächst den Verlust in der Sparte der Freiluftkonzerte dar und befasst sich daran anschließend mit der Argumentation der Bundeskunsthalle zur Kompensation durch andere Einnahmen. Danach folgt auf Seite 16 das - wohl spartenübergreifend zu verstehende - Gesamtergebnis der Prüfung, dass ein Verlust von 6 000 000 € hätte verhindert werden können. Für das Verständnis des vom Kläger gerügten Satzes auf Seite 15 kann damit nicht auf den einen anderen Prüfungspunkt betreffenden Satz auf Seite 16 zurückgegriffen werden. Damit zeigt auch das klägerische Vorbringen, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO übersehen, dass der Beratungsbericht den falschen Eindruck eines spartenübergreifenden Verlusts an anderen Stellen auch ausdrücklich erwecke, keinen Verfahrensfehler auf. 47 Ist damit der vom Kläger beanstandete Eindruck durch die von ihm gerügte Äußerung gar nicht entstanden, so haben die Hilfsanträge bereits deshalb keinen Erfolg. Im Übrigen ist dem Berufungsgericht darin zu folgen, dass die erst am 15. Mai 2020 angekündigten und in der mündlichen Verhandlung am 3. Juni 2020 gestellten Hilfsanträge verjährt sind. Der Lauf der Verjährungsfrist war nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt. Bei den Hilfsanträgen handelt es sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht um ein Minus zu dem Haupt- und ersten Hilfsantrag, sondern - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - um ein aliud. 48 (5) Auch der zweite Richtigstellungsantrag (Antrag 2. b)) scheitert daran, dass der vom Kläger beanstandete Eindruck durch die von ihm benannte Äußerung nicht hervorgerufen wird. Dies hat das Berufungsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellt; Einwände hiergegen hat der Kläger nicht erhoben. 49 (6) Zum dritten Richtigstellungsbegehren (Antrag 2. c)) hat das Berufungsgericht - den Senat mangels durchgreifender Verfahrensrügen oder revisionsgerichtlich überprüfbarer materiellrechtlicher Fehler bindend - festgestellt, dass der vom Kläger gerügte Eindruck bei Berücksichtigung des Gesamtkontextes der Aussage nicht erweckt wird. Aus den gleichen Gründen bleiben auch die Hilfsanträge ohne Erfolg. Insoweit hat das Berufungsgericht zudem bindend festgestellt, dass der Anteil von Freikarten, die aufgrund vertraglicher Vereinbarungen vergeben wurden, auf Grundlage der Angaben des Klägers maximal 58,29567 % erreichten und damit weder ein Anteil von 80 % (Hilfsantrag 1) noch in Höhe von 2/3 (Hilfsantrag 2) erreicht wurde. 50 (7) Soweit der Kläger sich mit seinem vierten Richtigstellungsantrag (Antrag 2. d)) gegen den Eindruck wendet, er habe das allein durch Flüge für die Bundeskunsthalle entstandene Meilenkonto zur Bezahlung einer Flugreise seiner privaten Begleitperson auf einer Dienstreise genutzt, bleibt die Klage ebenfalls ohne Erfolg. Das mit dem Hauptantrag verfolgte Begehren wäre für eine Richtigstellung nicht geeignet. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, der Antrag des Klägers ziele lediglich auf die Aussage, dass sich auf dem Meilenkonto auch privat erworbene Bonusmeilen befunden hatten, ohne den Umfang der Nutzung dienstlich erworbener Bonusmeilen bei der in Rede stehenden Flugreise zu benennen. Auch die mit dem Hilfsantrag begehrte Richtigstellung, der Kläger habe nur privat erworbene Bonusmeilen für den Flug seiner Begleitperson eingesetzt, bleibt ohne Erfolg. Dabei ist nicht der Frage nachzugehen, ob die Darstellung des Klägers zutreffend ist. Jedenfalls durfte der Bundesrechnungshof zum Zeitpunkt des Abschlusses des Berichts davon ausgehen, dass der durch die gerügte Äußerung entstandene Eindruck, der Kläger habe dienstlich erworbene Bonusmeilen für die Bezahlung eines Flugs seiner Begleitperson verwandt, richtig war. Der Bundesrechnungshof hatte dem Kläger den Entwurf seines Berichts, in dem sich auch der von diesem angegriffene Satz befand, am 28. April 2007 zur Stellungnahme übersandt. Die vom Kläger mitverfasste Stellungnahme der Geschäftsführung zu diesem Entwurf macht nicht geltend, dass der Kläger für die Flugreise seiner Begleitperson lediglich privat erworbene Bonusmeilen genutzt hatte. Ein derartiger Hinweis wäre dem Kläger auch in der von ihm als zu kurz gerügten Stellungnahmefrist möglich gewesen. Demgegenüber wurde der Eindruck einer bisher geduldeten privaten Verwendung dienstlich erworbener Vergünstigungen durch die Erklärung in der Stellungnahme, die in Zusammenhang mit dienstlichen Flügen erwirtschafteten Bonusmeilen würden künftig gemäß den Bestimmungen des BRKG ausschließlich für dienstliche Zwecke verwendet werden und es werde eine diesbezügliche Dienstanweisung an die Mitarbeiter der Bundesausstellungshalle ergehen, eher noch gestützt. Andere Anhaltspunkte dafür, dass der vom Kläger gerügte Eindruck falsch sein könnte, lagen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Berichts nicht vor. 51 3. Der Kläger trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Revisionsverfahrens." bverwg_2022-43,05.07.2022,"Pressemitteilung Nr. 43/2022 vom 05.07.2022 EN Klage gegen die Uckermarkleitung erfolglos Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute die Klage einer Umweltschutzvereinigung gegen eine Höchstspannungsfreileitung im Land Brandenburg abgewiesen. Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss genehmigt die Errichtung und den Betrieb der sog. Uckermarkleitung. Die Leitung, ein Vorhaben nach dem Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG), soll als Höchstspannungsfreileitung auf einer Strecke von 116 km die Umspannwerke Bertikow und Neuenhagen verbinden. Teilstrecken sollen innerhalb oder in der Nähe von Europäischen Vogelschutzgebieten geführt werden. Die Leitung quert auf einer Länge von 18 km das Vogelschutzgebiet Schorfheide-Chorin und auf einer Länge von 6,5 km das Vogelschutzgebiet Randow-Welse-Bruch. Zudem verläuft sie westlich von Landin zwischen zwei Teilgebieten des Vogelschutzgebietes Unteres Odertal, dem Landiner Haussee und dem Felchowsee, ohne das Gebiet direkt in Anspruch zu nehmen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2014 für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwG 154, 73), weil das Risiko eines Vogelverlustes durch Leitungsanflug nicht artspezifisch untersucht worden war. Die Behörde holte diese Prüfung in einem ergänzenden Verfahren nach, das sie im August 2020 mit einem Planergänzungsbeschluss abschloss. Die dagegen erhobene Klage einer Umweltschutzvereinigung blieb erfolglos. Die beklagte Behörde durfte eine erhebliche Beeinträchtigung des Vogelschutzgebietes Unteres Odertal für ausgeschlossen halten. Auf der Grundlage einer ausreichenden Bestandserfassung hat sie das Risiko eines Leitungsanflugs für die einzelnen Vogelarten untersucht. Ihr Vorgehen war methodisch nicht zu beanstanden und konnte hinreichend sicher zeigen, dass eine erhebliche Gefährdung bestimmter Wasservögel, insbesondere Rohr- und Zwergdommeln und Kleiner Sumpfhühner, ausgeschlossen ist. Dabei durfte die Behörde eine – jeweils artspezifisch zu beurteilende – Wirksamkeit der planfestgestellten Vogelschutzmarker annehmen. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Vogelschutzgebiete Schorfheide-Chorin und Randow-Welse-Bruch hat die Behörde nicht ausgeschlossen. Sie durfte das Vorhaben aber insoweit im Wege einer Ausnahme nach § 34 Abs. 3 BNatSchG zulassen. Insbesondere war die Errichtung eines Erdkabels keine zumutbare Alternative. Denn der Gesetzgeber hat für den Bereich des Energieleitungsausbaugesetzes die Errichtung von Erdkabeln wirksam auf bestimmte Pilotvorhaben beschränkt, zu denen die Uckermarkleitung nicht gehört. BVerwG 4 A 13.20 - Urteil vom 05. Juli 2022","Urteil vom 05.07.2022 - BVerwG 4 A 13.20ECLI:DE:BVerwG:2022:050722U4A13.20.0 EN Planergänzungsbeschluss für die Uckermarkleitung Leitsätze: 1. Ob eine Höchstspannungsfreileitung ein Vogelschutzgebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BNatSchG erheblich beeinträchtigen kann, ist grundsätzlich artspezifisch zu prüfen (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Ls. 3). Diese Prüfung kann erfolgen, indem die vorhabentypspezifische Mortalitätsgefährdung der einzelnen Vogelart und das jeweilige konstellationsspezifische Risiko betrachtet werden. 2. Die Planfeststellungsbehörde darf nach den besten wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgehen, dass Vogelschutzmarker an Erdseilen artspezifisch unterschiedlich wirken, aber für alle Vogelarten eine Grundwirksamkeit besteht. 3. Das Energieleitungsausbaugesetz beschränkt für seinen Anwendungsbereich abschließend die Pilotvorhaben, die als Erdkabel errichtet werden können. Ist ein Vorhaben nach dem EnLAG kein Pilotvorhaben, so ist seine vollständige oder teilweise Errichtung als Erdkabel keine Alternative im Sinne des § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG. Rechtsquellen EnLAG § 2 Abs. 1 EnWG § 49 Abs. 1, 3 BNatSchG § 34 UmwRG § 4 Abs. 1a, § 6 Satz 1 VwVfG § 73 Abs. 8 VwVfG Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 05.07.2022 - 4 A 13.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:050722U4A13.20.0] Urteil BVerwG 4 A 13.20 In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2022 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Decker, Prof. Dr. Külpmann, Dr. Hammer und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger am 5. Juli 2022 für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gründe I 1 Der Kläger, eine nach § 3 Abs. 1 UmwRG anerkannte Vereinigung, wendet sich gegen die Planfeststellung einer Höchstspannungsfreileitung. 2 Der angegriffene Beschluss stellt den Plan für die Errichtung und den Betrieb einer 380-kV-Höchstspannungsfreileitung zwischen den Umspannwerken Bertikow und Neuenhagen, der sog. Uckermarkleitung, und damit im Zusammenhang stehender Leitungsabschnitte fest. Die Leitung ist ein Teil des Vorhabens Nr. 3 der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG). Planfestgestellt ist ferner der Rückbau von 220-kV-Freileitungen zwischen Neuenhagen und Bertikow sowie zwischen Polßen und Vierraden. 3 Teile der Uckermarkleitung sollen innerhalb oder in der Nähe von festgesetzten Vogelschutzgebieten geführt werden: Die Leitung soll zwischen Mast 21 bis 72 auf einer Länge von 15,8 km und zwischen Mast 157 bis 161 auf einer Länge von 1,65 km im Vogelschutzgebiet Schorfheide-Chorin (SPA DE 2948-401) errichtet werden. Innerhalb des Vogelschutzgebiets Randow-Welse-Bruch (SPA DE 2751-421) sind die Masten 73 bis 87 sowie 96 und 97 geplant; das Gebiet wird auf einer Länge von 6,5 km gequert. Die Leitung verläuft außerhalb des Vogelschutzgebiets Unteres Odertal (SPA DE 29541-401), nähert sich diesem aber zwischen Mast 110 und 119 an. In diesem Bereich liegt nördlich der Trasse, in einer Entfernung von jedenfalls 200 m der Landiner Haussee, südlich, etwa 1 500 m entfernt der Felchowsee. Verschiedene Wasservögel, u. a. Dommeln, Rallen und Enten, suchen diese Seen zur Brutzeit auf. Die Seen sind selbständige Teilflächen des Vogelschutzgebiets, die Fläche dazwischen ist nicht Teil des Gebiets. Dort verlaufen die Bundesstraße B 2, eine elektrifizierte Bahnlinie und eine 110-kV-Freileitung. 4 Der Beklagte stellte den Plan mit Beschluss vom 17. Juli 2014 fest. Auf eine u. a. vom Kläger angestrengte Klage hat der erkennende Senat mit Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - (BVerwGE 154, 73) festgestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Beschluss verletze Vorschriften des Habitatschutzrechts, weil das Risiko eines Vogelverlustes durch Leitungsanflug nicht artspezifisch untersucht worden sei. Erhebliche Beeinträchtigungen von Vogelschutzgebieten, aber auch von FFH-Gebieten seien nicht auszuschließen. Den artenschutzrechtlichen Betrachtungen der Kläger komme keine weitergehende Funktion zu. Die weiteren Einwände wies der Senat zurück. 5 Auf Antrag der Beigeladenen führte der Beklagte ein ergänzendes Verfahren durch, das er mit einem 2. Planergänzungsbeschluss vom 12. August 2020 (PEB) abschloss. Der Beschluss geht dem Risiko eines Leitungsanflugs für einzelne Vogelarten nach. Er hält eine erhebliche Beeinträchtigung des Vogelschutzgebiets Unteres Odertal für ausgeschlossen (PEB S. 332), nicht dagegen erhebliche Beeinträchtigungen der Vogelschutzgebiete Schorfheide-Chorin (PEB S. 272) und Randow-Welse-Bruch (PEB S. 196). Insoweit lässt er das Vorhaben im Wege einer Abweichung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG zu (PEB S. 361 ff.). Der Bau eines Erdkabels scheide als Alternative aus, weil die Uckermarkleitung kein Pilotprojekt nach § 2 Abs. 1 EnLAG sei. Die Kohärenz des Netzes ""Natura 2000"" wahre der Rückbau der 220-kV-Leitungen. 6 Der Kläger hält den Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des 2. Planergänzungsbeschlusses für rechtswidrig. Erhebliche Beeinträchtigungen des Vogelschutzgebiets Unteres Odertal ließen sich nicht ausschließen. Es drohten Verluste wertgebender Wasservögel, insbesondere der Rohrdommel, des Kleinen Sumpfhuhns und der Zwergdommel sowie mehrerer Entenarten, vor allem wenn die Tiere zwischen Landiner Haussee und Felchowsee flögen. Die planfestgestellten Vogelschutzmarker minderten das Risiko nicht ausreichend. Der Plan erkenne zwar zutreffend die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der Vogelschutzgebiete Schorfheide-Chorin und Randow-Welse-Bruch. Die Abweichungsprüfung sei aber fehlerhaft. Die Leitung könne als Erdkabel errichtet werden. Zur Sicherung der Kohärenz des Netzes ""Natura 2000"" dürfe der Rückbau der 220-kV-Leitungen nicht in Ansatz gebracht werden, weil diese ohnehin abgebaut würden. 7 Der Kläger hat einen weiteren Planänderungsbeschluss in die Klage einbezogen und beantragt, den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 17. Juli 2014 für die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Freileitung Bertikow - Neuenhagen 481/482 der 50Hertz Transmission GmbH - Uckermarkleitung - sowie der damit im Zusammenhang stehenden Leitungsabschnitte in der Fassung des 3. Planänderungsbeschlusses vom 16. Juli 2021 aufzuheben, hilfsweise, den Planfeststellungsbeschluss in der Fassung des 3. Planänderungsbeschlusses für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären. 8 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils, die Klage abzuweisen. 9 Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss. 10 Der Senat hat mit Beschluss vom 15. Juni 2021 - 4 VR 6.20 - einem Eilantrag des Klägers teilweise stattgegeben, weil sich die Erfolgsaussichten der Klage in einer summarischen Prüfung nicht abschätzen ließen und im nördlichen Teil der Trasse das Interesse des Klägers an der aufschiebenden Wirkung das Vollzugsinteresse des Beklagten und der Beigeladenen überwiege. II 11 Die Klage bleibt erfolglos. Sie ist unbegründet. Der Planfeststellungsbeschluss in der Gestalt der Planänderungs- und -ergänzungsbeschlüsse, eine Zulassungsentscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG, verstößt nicht gegen Rechtsvorschriften, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind (§ 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwRG). 12 A. Der Kläger hat den Prozessstoff durch seine Klagebegründung vom 25. November 2020 bestimmt. Nach § 6 Satz 1 UmwRG hat (u. a.) eine Vereinigung im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 UmwRG, welche die Anforderungen des § 3 Abs. 1 UmwRG erfüllt, innerhalb einer Frist von zehn Wochen die zur Begründung ihrer Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Die Bestimmung geht § 43e Abs. 3 Satz 1 EnWG als speziellere Vorschrift vor (BVerwG, Urteile vom 20. Januar 2021 - 4 A 4.19 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 12 Rn. 17 und vom 9. Dezember 2021 - 4 A 2.20 - NVwZ-RR 2022, 317 Rn. 23). Mit Ablauf der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG soll für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und unverwechselbar feststehen, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird; vertiefender Tatsachenvortrag bleibt nach Fristablauf zulässig (BVerwG, Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 14). Mit der Begründungspflicht einher geht die Pflicht des Klägerbevollmächtigten zur Sichtung und rechtlichen Einordnung der Tatsachen, auf welche die Klage gestützt werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 17 m. w. N.). 13 Der Kläger hat in Zusammenhang mit § 6 Satz 1 UmwRG beanstandet, er habe den Verwaltungsvorgang erst sechs Wochen nach Klageerhebung erhalten, so dass für die Erarbeitung der Klagebegründung nur vier Wochen zur Verfügung gestanden hätten. Diese Kritik kann auf sich beruhen. Denn der Kläger hat bereits nicht aufgezeigt, an welchem Vortrag er durch eine verzögerte Übersendung des Verwaltungsvorgangs gehindert gewesen sein könnte (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. Juni 2021 - 4 VR 6.20 - juris Rn. 6 und vom 11. Mai 2022 - 4 VR 3.21 - juris Rn. 8). 14 B. Dem Beklagten sind vor Erlass des 2. Planergänzungsbeschlusses keine beachtlichen Verfahrensfehler unterlaufen. 15 I. Der Kläger hat beanstandet, dass die Kartenblätter Karte 3 Bl. 7 und Karte 5 Bl. 24 der Umweltverträglichkeitsstudie Stufe II (UVS II) nicht auf der Internetseite des Beklagten eingestellt gewesen seien. Damit sei § 20 Abs. 2 Satz 1 UVPG verletzt, der die Behörde verpflichtet, die in § 19 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UVPG genannten Unterlagen über das einschlägige zentrale Internetportal zugänglich zu machen. Der Senat hat keinen Anlass, diesem Einwand weiter nachzugehen. 16 Ein - unterstellter - Verfahrensfehler wäre jedenfalls nach § 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG i. V. m. § 46 VwVfG unbeachtlich. Die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses oder die Feststellung als rechtswidrig und nicht vollziehbar scheiden aus, wenn offensichtlich ist, dass eine Rechtsverletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Ein Fehler ist nur erheblich, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit besteht, dass die angefochtene Entscheidung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre; die bloß abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung genügt nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 39 und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 23). Eine solche konkrete Möglichkeit fehlt: Karte 3 Bl. 7 der UVS II zeigt die Schutzgüter ""Boden und Wasser"" zwischen den Masten 183 und 206 im Bereich südlich von Ziethen. Karte 5 Bl. 24 betrifft das Schutzgut ""Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt"" und stellt den Trassenbereich zwischen Mast 227 und 230 nördlich von Eberswalde dar. Diese Inhalte und Örtlichkeiten spielen für die im ergänzenden Verfahren aufgeworfenen Fragen keine Rolle. Es ist ausgeschlossen, dass sich ein - unterstellter - Fehler bei der digitalen Bereitstellung dieser Karten auf den Planergänzungsbeschluss hätte auswirken können. 17 II. Der Kläger ist im ergänzenden Verfahren ausreichend beteiligt worden. 18 1. Nach Abschluss des Erörterungstermins legte die Beigeladene dem Beklagten FFH-Verträglichkeitsprüfungen für fünf FFH-Gebiete und zwei Vogelschutzgebiete sowie eine gutachterliche Bewertung eines Vorkommens des Schreiadlers ( Aquila pomarina ) im Vogelschutzgebiet Randow-Welse-Bruch vor. Der Beklagte gab dem Kläger mit Schreiben vom 11. Januar 2019 Gelegenheit, binnen zwei Wochen zu diesen Unterlagen Stellung zu nehmen. Diese Frist genügte. Der Beklagte durfte sich bei ihrer Bemessung an § 73 Abs. 8 VwVfG orientieren. 19 Ob der Kläger beteiligt werden musste, kann ebenso offen bleiben wie die Frage, ob eine Pflicht zur Beteiligung ihre Rechtsgrundlage in einer Analogie zu § 73 Abs. 8 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfGBbg (Wysk, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 73 Rn. 135b; wohl auch BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2019 - 9 A 2.18 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 75 Rn. 18 f.) oder in § 63 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG (in diese Richtung BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1996 - 4 C 19.95 - BVerwGE 102, 358 <362> und vom 12. November 1997 - 11 A 49.96 - BVerwGE 105, 348 <350>) findet. Denn eine Frist von zwei Wochen genügt nach den Vorstellungen des Gesetzgebers in § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG selbst für die Beteiligung zu Änderungen der planerischen Festsetzungen, die häufig gutachterlich vorbereitet und begründet werden. Die Frist wird daher regelmäßig erst recht ausreichen, wenn - wie hier - die Festsetzungen unverändert bleiben. 20 Inhalt und Umfang der Unterlagen gaben keinen Anlass, eine längere Frist einzuräumen. Gegenstand der Verträglichkeitsprüfungen war der Rückbau der 220-kV-Leitungen. Ein solcher Rückbau wirft regelmäßig - und so auch hier - weniger naturschutzfachliche Fragen auf als Bau und Errichtung einer Leitung. Zu befürchten waren im Wesentlichen Beeinträchtigungen durch zeitlich begrenzte Bauarbeiten. Zudem hatte die Beigeladene bereits mit den Antragsunterlagen im ergänzenden Verfahren FFH-Vorprüfungen vorgelegt, welche die naturschutzfachlichen Fragen behandelten und zu denen sich der Kläger im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung hatte äußern können. Naturschutzfachlich neu war eine eher kurze Untersuchung zu einem Paar des Schreiadlers, das sich im Jahr 2018 in der Mürower Heide angesiedelt hatte. Auch insoweit genügte aber die vom Gesetzgeber grundsätzlich als ausreichend angesehene Frist von zwei Wochen. 21 2. Bei den Nachbeteiligungen des Klägers vom 17. Mai 2019 und vom 4. Juli 2019 durfte die Behörde eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen ebenfalls für ausreichend halten. Dies gilt auch für die Beteiligung im Juli 2019, die während der brandenburgischen Schulferien stattfand. 22 C. Erhebliche Beeinträchtigungen des Vogelschutzgebiets Unteres Odertal im Sinne von § 34 Abs. 2 BNatSchG hält der Planergänzungsbeschluss für ausgeschlossen. Dies genügt den rechtlichen Anforderungen. 23 Nach § 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BNatSchG ist ein Projekt vor seiner Zulassung auf seine Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets, also eines Gebiets von gemeinschaftlicher Bedeutung oder eines Europäischen Vogelschutzgebiets (§ 7 Nr. 8 BNatSchG), zu überprüfen. Es darf nur zugelassen werden, wenn es nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen eines solchen Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 131). Die Verträglichkeitsprüfung ist indes nicht auf ein - wissenschaftlich nicht nachweisbares – ""Nullrisiko"" auszurichten. Ein Projekt ist vielmehr zulässig, wenn nach Abschluss der Verträglichkeitsprüfung unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse, also nach Ausschöpfung aller wissenschaftlichen Mittel und Quellen, kein vernünftiger Zweifel verbleibt, dass erhebliche Beeinträchtigungen vermieden werden. Die Prüfung darf nicht lückenhaft sein und muss vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthalten. Soweit sich Unsicherheiten über Wirkungszusammenhänge auch bei Ausschöpfung der einschlägigen Erkenntnismittel nicht ausräumen lassen, ist es zulässig, mit Prognosewahrscheinlichkeiten und Schätzungen zu arbeiten, die kenntlich gemacht und begründet werden müssen. Zugunsten des Projekts dürfen die vom Vorhabenträger geplanten oder von der Planfeststellungsbehörde angeordneten Schutz- und Kompensationsmaßnahmen berücksichtigt werden, sofern sie sicherstellen, dass erhebliche Beeinträchtigungen verhindert werden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 364 m. w. N.). Ein Vorhaben kann ein Gebiet auch erheblich beeinträchtigen, wenn es - wie hier - außerhalb dessen Grenzen errichtet wird, aber beispielsweise Flug- oder Wanderkorridore stört (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. April 2010 - 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 33 und vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 132). 24 I. Die Beteiligten streiten, ob der Planergänzungsbeschluss das Risiko eines Leitungsanflugs für bestimmte Vogelarten zutreffend einschätzt. Das methodische Vorgehen der FFH-Verträglichkeitsprüfung in Gestalt der SPA-Verträglichkeitsstudie und des Planergänzungsbeschlusses (1) ist nicht zu beanstanden (2) und war geeignet, das Anflugrisiko der einzelnen Vogelarten zu ermitteln (3). 25 1. Ob und in welchem Umfang das Vorhaben zu einer Erhöhung des Mortalitätsrisikos durch den Anflug der Leitung führt, prüft die Verträglichkeitsstudie für das EU-Vogelschutzgebiet (SPA) DE 2951-401 ""Unteres Odertal"" (PEB Anlage 11.2c; im Folgenden: SPA-VS) und ihr folgend der Planergänzungsbeschluss mit einem Vorgehen, das sich an Bernotat/Dierschke, Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen, 3. Fassung, Stand: 20.09.2016 (im Folgenden: Bernotat/Dierschke [2016]) und Bernotat/Rogahn/Rickert/Follner/Schönhofer, Arbeitshilfe Arten- und gebietsschutzrechtliche Prüfung bei Freileitungsvorhaben, BfN-Skripten 512, 2018 (im Folgenden: Bernotat et al. [2018]) orientiert. Diese Prüfung geht schrittweise vor. 26 Für alle Vogelarten wird eine vom konkreten Vorhaben unabhängige vorhabentypspezifische Mortalitätsgefährdung angenommen. Diese Einschätzung beruht auf der Verschneidung von zwei Werten: (1) Der populationsbiologische Sensitivitätsindex beschreibt, wie bedeutsam der Verlust von Individuen für die Population einer Art ist und wie schnell dieser Verlust wieder ausgeglichen werden kann. Der Wert wird auf einer neunstufigen Skala eingeschätzt. Je höher der Wert, desto robuster reagiert eine Population auf Individuenverluste. Warum der Verlust eingetreten ist, spielt keine Rolle. (2) Das vorhabentypspezifische Tötungsrisiko beschreibt die artspezifisch unterschiedliche Eintrittswahrscheinlichkeit eines Verlustes aufgrund der jeweiligen Merkmale eines Vorhabentyps, also etwa einer 380-kV-Freileitung (PEB S. 110 f.). Die Gefährdung wird auf einer Skala von 1 (""sehr hoch"") bis 5 (""sehr gering"") dargestellt. Das konkrete Vorhaben, etwa seine Situation im Raum, spielt keine Rolle. Die aus der Zusammenführung dieser Werte entstehende vorhabentypspezifische Mortalitätsgefährdung (vgl. PEB S. 113) wird auf einer fünfstufigen Skala (A bis E) ausgedrückt. Dieser Wert ist für die jeweilige Vogelart und den Vorhabentyp konstant. Bei einer vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdung auf den beiden niedrigsten Stufen (D oder E) wird eine erhebliche Beeinträchtigung eines Gebiets stets für ausgeschlossen gehalten; eine weitere Betrachtung unterbleibt. 27 Für Vogelarten mit einer sehr hohen (A), hohen (B) oder mittleren (C) vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdung betrachtet der Planergänzungsbeschluss das konkrete Vorhaben sowie Bestand und Verhalten der Vögel im jeweiligen Raum und ermittelt ein konstellationsspezifisches Risiko anhand von drei Kriterien: (1) der Zahl der Individuen im zentralen Aktionsraum der Art, (2) den funktionalen Beziehungen im weiteren Aktionsraum der Art und (3) der Konfliktträchtigkeit der Freileitung im Raum. Jedes Kriterium wird anhand einer dreistufigen Skala (hoch - mittel - gering) belegt, die drei Kriterien gleich gewichtet zusammengeführt, anhand einer Matrix ein konstellationsspezifisches Risiko ermittelt und in einer sechsstufigen Skala ausgedrückt (PEB S. 119, Tabelle B-3). Ob angesichts des so ermittelten konstellationsspezifischen Risikos erhebliche Beeinträchtigungen im Sinne von § 34 Abs. 2 BNatSchG in der Regel ausgeschlossen sind, hängt von der vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdung der Vogelart ab. Bei ""sehr hoch"" (A) gefährdeten Arten lässt nur ein ""sehr geringes"" konstellationsspezifisches Risiko diesen Schluss zu, bei ""hoch"" (B) gefährdeten Arten auch ein ""geringes"" Risiko, bei ""mittel"" (C) gefährdeten Arten jedes nicht höher als ""mittel"" eingeschätzte Risiko. 28 Kann eine erhebliche Beeinträchtigung durch Leitungsanflug nicht ausgeschlossen werden, prüft der Planergänzungsbeschluss, in welchem Umfang die planfestgestellte Anbringung von Vogelschutzmarkern (Maßnahme VASB7 des landschaftspflegerischen Begleitplans) das konstellationsspezifische Risiko für die Art mindert. Gestützt auf Liesenjohann/Blew/Fronczek/Reichenbach/Bernotat, Artspezifische Wirksamkeiten von Vogelschutzmarkern an Freileitungen, Methodische Grundlagen zur Einstufung der Minderungswirkung durch Vogelschutzmarker - ein Fachkonventionsvorschlag, BfN-Skripten 537, 2019 (Liesenjohann et al. [2019]) geht er davon aus, dass für alle Vogelarten das konstellationsspezifische Risiko um eine Stufe sinkt. Auf der Grundlage empirischer Studien und Abschätzungen zur Ähnlichkeit von Vogelarten nehmen Liesenjohann et al. (2019) und diesem Ansatz folgend der Planergänzungsbeschluss an, dass für bestimmte Vogelarten das Risiko in größerem Maße, höchstens jedoch um drei Stufen abnimmt. Abschließend betrachtet der Planergänzungsbeschluss, ob angesichts des abgesenkten konstellationsspezifischen Risikos eine erhebliche Beeinträchtigung der Art ausgeschlossen werden kann; welches Risiko noch hingenommen werden kann, hängt - wiederum - von der vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdung ab. 29 2. Der Beklagte durfte in dieser Weise vorgehen. 30 a) Die der Methode zugrunde liegenden Arbeiten von Bernotat/Dierschke (2016), Bernotat et al. (2018) und Liesenjohann et al. (2019) sind in ihrer Gesamtheit (noch) keine Fachkonvention (vgl. zu den Anforderungen BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2019 - 9 A 2.18 - BVerwGE 166, 1 Rn. 64; Bick/Wulfert, NVwZ 2017, 346 <353>). Bernotat et al. (2018) bezeichnen ihre Arbeit als ""Arbeitshilfe"", Liesenjohann et al. (2019) haben einen ""Vorschlag"" für eine Fachkonvention vorgelegt. Ein Vorgehen nach diesen Arbeiten lag dennoch für den Beklagten und die Beigeladene nahe: Den für unterschiedliche Arten von Vorhaben formulierten Ansatz von Bernotat/Dierschke (2016) hat die Rechtsprechung bereits gebilligt (BVerwG, Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 100 und Beschlüsse vom 8. März 2018 - 9 B 25.17 - Buchholz 406.403 § 44 BNatSchG Nr. 4 Rn. 28 und vom 15. Juli 2020 - 9 B 5.20 - NVwZ 2021, 254 Rn. 17; ablehnend für das Anflugrisiko bei einer Bahnoberleitung BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - juris Rn. 405 ). Die Arbeiten von Bernotat et al. (2018) und Liesenjohann et al. (2019) befassen sich gerade mit Freileitungen und sollen ein Vorgehen formulieren, das den Anforderungen des ersten Senatsurteils zur Uckermarkleitung vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - (BVerwGE 154, 73) genügt (vgl. Liesenjohann et al. [2019] S. 16). 31 Die Wahl der Methode ist rechtlich nicht zu beanstanden. Fehlen für die Ermittlung eines Risikos - hier: eines Leitungsanflugs von Vögeln an eine Freileitung – (noch) normative Vorgaben, Fachkonventionen oder anderweitige vorgegebene Standards, ist die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt, ob die Einschätzungen der Planfeststellungsbehörde im konkreten Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind, sie insbesondere nicht auf einem unzulänglichen oder gar ungeeigneten Bewertungsverfahren beruhen, und ob die Behörde zu einer plausiblen Einschätzung gelangt ist. Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle obliegt darüber hinaus die Prüfung, ob der Behörde bei der Ermittlung und Anwendung der von ihr gewählten - vertretbaren - Methode Verfahrensfehler unterlaufen, sie von einem unrichtigen oder nicht hinreichend tiefgehend aufgeklärten Sachverhalt ausgeht, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lässt (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 259 m. w. N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2018 - 1 BvR 2523/13 u. a. - BVerfGE 149, 407 Rn. 17 ff.). 32 b) Der Kläger hat die Methodenwahl nicht substantiiert beanstandet. 33 Seine gelegentlich angedeutete Annahme, eine sehr hohe oder hohe vorhabentypspezifische Mortalitätsgefährdung einer Vogelart lasse erhebliche Beeinträchtigungen nie ausgeschlossen erscheinen, ist rechtlich nicht geboten. Die Einschätzung, ob eine wesentliche Beeinträchtigung eines bestimmten Gebiets ausgeschlossen werden kann, muss die konkrete Lage des Vorhabens in diesem Gebiet ebenso betrachten wie die jeweils eben dort vorgefundene naturräumliche Ausstattung. Auf ein vom Kläger der Sache nach angestrebtes ""Nullrisiko"" ist die Prüfung nach § 34 Abs. 2 BNatSchG dagegen nicht auszurichten (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 364). Aus dem Senatsurteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - (BVerwGE 154, 73 Rn. 83 a. E.) folgt nichts Anderes. 34 Es trifft nicht zu, dass nach Bernotat et al. (2018), S. 44 bei Arten mit hoher vorhabentypspezifischer Mortalitätsgefährdung (B) schon bei einem ""geringen"" konstellationsspezifischen Risiko eine erhebliche Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden kann. In den weiteren Ausführungen (ebd. S. 39 ff.) unterscheiden die Autoren zwischen Arten mit hoher und mit sehr hoher vorhabentypspezifischer Mortalitätsgefährdung; nur für letztere halten sie bereits ein ""geringes"" konstellationsspezifisches Risiko für planungs- und verbotsrelevant. 35 Der Senat sieht keinen Anlass, an der gewählten Methode zu zweifeln. Sie beruht auf einem mehrjährigen Abstimmungsprozess und einer umfassenden Auswertung der naturschutzfachlichen Literatur und ist darauf gerichtet, Standards zu formulieren, um das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung im Sinne des § 34 Abs. 2 BNatSchG zu prüfen. Anhaltspunkte, dass es eine fachlich überlegene Methode geben könnte, hat der Kläger nicht aufgezeigt und sind für den Senat nicht ersichtlich. Das Ergebnis des Planergänzungsverfahrens zu den Vogelschutzgebieten Schorfheide-Chorin und Randow-Welse-Bruch belegt, dass die Methode nicht etwa stets erhebliche Beeinträchtigungen als ausgeschlossen erscheinen lässt. 36 c) Der Kläger hat unter Beweis gestellt, dass im Bereich des Landiner Haussees und des Felchowsees so viele Flugbewegungen im einzelnen benannter Vogelarten zu erwarten seien, dass ein für deren Erhaltungszustand relevantes Kollisionsrisiko mit den Erd- und den Leiterseilen bestehe, die Flüge fänden gerade zur Dämmerungs- und Nachtzeit statt. Dem ist nicht nachzugehen. Es fehlt schon an einer hinreichend konkreten Tatsachenbehauptung. Der Kläger kleidet allein die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 BNatSchG für ein bestimmtes Risiko in das Gewand einer Tatsachenbehauptung. Hiervon unabhängig ist der Antrag auf eine Ausforschung gerichtet. Die SPA-Verträglichkeitsstudie und der Planergänzungsbeschluss sind der Beeinträchtigung mit einer naturschutzfachlich vertretbaren Methode nachgegangen. Der Kläger hat nicht aufgezeigt, mit welcher anderen, dem gewählten Vorgehen überlegenen Methode eine weitere Aufklärung zu erwarten sein könnte. 37 Es ist kein Beweis über die Behauptung zu erheben, das konstellationsspezifische Risiko für bestimmte Vogelarten sei sehr hoch, jedenfalls aber hoch. Wie innerhalb der Methode des Beklagten aus den Einzelkriterien das konstellationsspezifische Risiko gebildet wird, lässt sich in Tabelle B-3 (PEB S. 119) ohne sachverständige Hilfe ablesen. Sollte die Behauptung auf einen anderen Begriff des konstellationsspezifischen Risikos zielen, käme es auf sie nicht an. Denn ein solcher Begriff wäre für die vom Beklagten gewählte Methode bedeutungslos. 38 3. Der Kläger beanstandet die Behandlung der Vogelarten Rohrdommel ( Botaurus stellaris ), Zwergdommel ( Ixobrychus minutus ) und Kleines Sumpfhuhn ( Porzana parva ; auch Zapornia parva ) sowie einiger Entenarten, der Löffelente ( Anas clypeata ), der Reiherente ( Aythya fuligula ), der Schnatterente ( Anas strepera ), der Tafelente ( Aythya ferina ) und der Schellente ( Bucephala clangula ). Die drei erstgenannten Vogelarten sind Arten des Anhangs I der Richtlinie 2009/147/EG vom 20. November 2009. Das Vogelschutzgebiet Unteres Odertal dient nach den Schutzgebietsfestsetzungen dem Schutz aller genannten Arten (vgl. PEB S. 275). Darüber sind sich die Beteiligten einig. 39 a) Der Planergänzungsbeschluss nimmt für jede dieser Vogelarten eine hohe vorhabentypspezifische Mortalitätsgefährdung (B) an. Diese Einschätzung beruht auf einer Verschneidung des populationsbiologischen Sensitivitätsindexes und des vorhabentypspezifischen Risikos (vgl. PEB S. 113). Sie ergibt sich - beispielhaft - für die Rohrdommel aus einem mit ""3"" (hoch) eingestuften populationsbiologischen Sensitivitätsindex (Bernotat/Dierschke [2016] S. 213 <219>) und einem mit ""2"" (hoch) eingestuften vorhabentypspezifischen Tötungsrisiko (Bernotat/Dierschke [2016] S. 332) (vgl. auch SPA-VS, Anhang 3). Der Kläger hat diese Einstufung der vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdung für einzelne Vogelarten auch seinen Ausführungen zugrunde gelegt. 40 Es ist daher dem Beweisantrag nicht nachzugehen, dass die Vögel der genannten Arten bei Dunkelheit und Dämmerung horizontale Linien (wie Erd- oder Leiterseile) nicht oder nur unzureichend wahrnehmen können. Das Sehvermögen der einzelnen Vogelarten ist beim vorhabentypspezifischen Tötungsrisiko berücksichtigt (vgl. Bernotat/Dierschke [2016] S. 8, 65). Die Beweisbehauptung wäre innerhalb der vom Beklagten gewählten Methode nur entscheidungserheblich, wenn sie - vom Vorhaben unabhängig - zu einer abweichenden Bewertung dieses Risikos und darauf aufbauend der vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdung Anlass gäbe. Dies hat der Kläger nicht aufgezeigt. Hiervon unabhängig ist der Beweisantrag unsubstantiiert. Der Kläger hat nicht dargelegt, auf welche wissenschaftlichen Erkenntnisse er seine Einschätzung zum Sehvermögen für acht unterschiedliche, in Deutschland teils seltene Vogelarten stützt. Es genügt insoweit nicht der Hinweis, dass Eulen besser sehen können als Rallen, Dommeln oder Enten. 41 Es ist nicht Beweis darüber zu erheben, dass bei den Vogelarten der Verlust eines Individuums den Erhaltungszustand einer Art regional, landes- oder bundesweit negativ beeinflussen könnte. Die Auswirkungen eines Individuenverlustes auf eine Gebietspopulation bildet der populationsbiologische Sensitivitätsindex ab. Fehler bei dessen Einschätzung und der darauf aufbauenden vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdung hat der Kläger nicht substantiiert geltend gemacht und auch nicht dargelegt, dass und warum eine Beweiserhebung Fehler bei dieser Einschätzung zu Tage fördern könnte. 42 b) Erhebliche Beeinträchtigungen lassen sich für die Vogelarten nach der Methode des Beklagten damit nicht von vornherein ausschließen, wenn das konstellationsspezifische Risiko als ""mittel"" oder höher eingeschätzt wird. Ein jedenfalls mittleres konstellationsspezifisches Risiko wird stets erreicht, wenn zwei (von drei) Einzelkriterien als ""mittel"" eingestuft sind oder eines von drei als ""hoch"". 43 II. Der Planergänzungsbeschluss hat für die Rohrdommel ein mittleres konstellationsspezifisches Risiko ermittelt, das durch Vogelschutzmarker auf ""gering"" gesenkt wird. Die Einwände gegen diese Bewertung bleiben erfolglos. Dies gilt für die Kartierung des Vorkommens (1), die Einschätzung zur Gefährdung im zentralen Aktionsraum als mittel (2) und im weiteren Aktionsraum als gering (3), die Bewertung der Konfliktträchtigkeit der Leitung als mittel (4) und die Annahme zur Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern (5). 44 1. Der Planergänzungsbeschluss geht für die Rohrdommel auf dem Landiner Haussee von zwei Brutpaaren im südlichen Bereich und drei Brutpaaren in einem weiteren Abstand von 500 bis 800 m zur Trasse aus (PEB S. 282). Weitere Rufer wurden im Jahr 2016 am Felchowsee kartiert. Diese Bestandserfassung ist nicht zu beanstanden. 45 a) Um die projektbedingten Einwirkungen zutreffend auf ihre Erheblichkeit hin beurteilen zu können, hat eine Verträglichkeitsprüfung in einem ersten Schritt eine sorgfältige Bestandserfassung und -bewertung der von dem Projekt betroffenen maßgeblichen Gebietsbestandteile und Arten zu leisten (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 68, vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 106 und vom 6. April 2017 - 4 A 16.16 - NVwZ-RR, 768 Rn. 28). Bei der Brutvogelkartierung wurden acht Begehungen zur punktgenauen Revierkartierung wertgebender Arten sowie die halbquantitative bzw. qualitative Erfassung aller übrigen Arten im Zeitraum von März bis Juli 2016 durchgeführt. Die Sachbeistände des Klägers haben in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass die Kartierungen ausreichend waren und weitere Ermittlungen einen unverhältnismäßigen Aufwand ausgelöst hätten. Soweit der Kläger seine Kritik, es fehle an einer ausreichenden Dokumentation der Kartierung (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 2017 - 3 A 4.15 - BVerwGE 160, 263 Rn. 46; vgl. Anlage 12.1b S. 7 zum PEB), auf die Kartierung der Brutvögel erstrecken wollte, zeigt er nicht auf, warum die Ergebnisse der Bestandsaufnahme nicht verwertbar sein könnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 58). 46 Das tatsächliche Brutgeschehen ist ausreichend erfasst. Dem Kläger ist zuzugeben, dass die Beobachtungen - wie stets - eine Momentaufnahme sind, weil sie zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen. Dennoch konnten sie den weiteren Überlegungen zugrunde gelegt werden. Es ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass Besonderheiten die Befunde im Jahr 2016 hätten verzerren können oder sich das Brutgeschehen in den Folgejahren substantiell geändert hätte. Auch die Abfrage auf einer ornithologischen Fachplattform im Juli 2020 ergab keine Anhaltspunkte in diese Richtung (vgl. PEB S. 278 Fn. 170). 47 b) Die Aktionsräume durften von den kartierten Brutplätzen aus bemessen werden. Dies entspricht der gewählten Methode (vgl. Bernotat et al. [2018] S. 63). 48 Es mögen Methoden denkbar sein, bei denen die Aktionsräume von allen Orten aus bestimmt werden, die als Brutplatz genutzt werden können. Würden die Aktionsräume in dieser Weise ausgeweitet, bedürften indes die weiteren Parameter für das konstellationsspezifische Risiko einer Anpassung. So wäre zu bestimmen, ab welcher Zahl möglicher Brutplätze in der näheren Umgebung von einem mittleren oder hohen konstellationsspezifischen Risiko im zentralen Aktionsbereich der Leitung auszugehen sein könnte. Diese Zahl müsste höher sein als die vom Beklagten betrachtete Zahl tatsächlicher Brutplätze, soll nicht die Vorhabenzulassung - entgegen der gesetzlichen Systematik - nahezu stets einer Ausnahme nach § 34 Abs. 3 BNatSchG bedürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 91). Dies gilt insbesondere für Vogelarten, die - anders als die Rohrdommel - eher geringe Anforderungen an ihre Brutplätze stellen. 49 Es kommt nicht entscheidungserheblich auf die Behauptung an, dass sich die Einzelbrutplätze innerhalb des Gebiets verändern können. Die Brutplätze liegen im Schilf versteckt, so dass ihre Lage nicht vollständig präzise zu bestimmen ist, zudem ist die Brutplatzwahl nach Einschätzung des Sachbeistandes der Beigeladenen ""hochdynamisch"". Trotz dieser Unsicherheiten und möglichen Veränderungen konnten die Aktionsräume von den kartierten Brutplätzen aus bemessen werden. Denn für die rechtliche Betrachtung maßgeblich ist, ob die absolute Zahl und die Verteilung der Brutplätze auf dem See hinreichend erfasst ist. Der Kläger hat indes weder aufgezeigt, dass in anderen Jahren, insbesondere nach 2016, mehr Rohrdommeln auf dem Landiner Haussee gebrütet hätten, noch, dass vermehrt Brutplätze im Süden des Sees und damit näher an der geplanten Leitung genutzt worden wären. 50 c) Zwischen den Beteiligten steht rechtskräftig fest, dass die Fläche zwischen dem Landiner Haussee und dem Felchowsee nicht Teil eines faktischen Vogelschutzgebiets ist (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 55 ff.; vgl. auch BVerwG, Urteile vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - BVerwGE 149, 31 Rn. 28 und vom 24. Mai 2018 - 4 C 4.17 - BVerwGE 162, 114 Rn. 45). Der Kläger verlangt dennoch, das Gebiet des Landiner Haussees und des Felchowsees als gemeinsames Brutgebiet oder Dichtezentrum zu betrachten. Ob die kartierte Zahl von Brutplätzen Anlass gibt, von einem oder mehreren Brutgebieten zu sprechen, mag als terminologische Frage offen bleiben. Jedenfalls führt die an den Begriff anknüpfende Kritik des Klägers nicht auf einen Rechtsfehler. 51 aa) Bernotat et al. (2018), S. 55 halten das Gebiet des Felchowsees, der Lanke und des Landiner Haussees für ein bedeutendes Wasservogelbrutgebiet; sie stützen sich auf eine Übersichtskarte in einer Veröffentlichung des - im Planergänzungsverfahren beteiligten - Landesamtes für Umwelt (Landesumweltamt Brandenburg, Ökologische Charakterisierung der wichtigsten Brutgebiete für Wasservögel in Brandenburg, 2008). Der Beklagte musste seiner Prüfung diese Charakterisierung nicht zugrunde legen. Denn aus der FFH-Verträglichkeitsprüfung ergaben sich neuere und detailliertere Daten zum Vogelbestand und zu möglichen Flugkorridoren (vgl. zur Aktualität der Daten BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 9.19 - BVerwGE 170, 210 Rn. 185). 52 bb) Die Annahme eines Brutgebiets zwänge nicht dazu, das methodische Vorgehen zu ändern. 53 Allerdings verzeichnet der FNN-Hinweis des Forum Netztechnik/Netzbetrieb im VDE (FNN), Vogelschutzmarkierung an Hoch- und Höchstspannungsfreileitungen, 2014, als für Freileitungen ""äußerst/maßgebend unverträgliche Gebiete/Funktionsräume"" u. a. ""Brutgebiete Große Rohrdommel >5 rufende Tiere im engeren räumlichen Zusammenhang inklusive 1 000 m Puffer"" (a. a. O. S. 26). Diese Einschätzung lässt sich dem Vorgehen des Beklagten nicht entgegenhalten. Das Papier befasst sich im Schwerpunkt mit Vogelschutzmarkierungen und ist von Bernotat et al. (2018) berücksichtigt worden (vgl. a. a. O. S. 62). Der FNN-Hinweis legt indes nicht dar, welche Überlegungen seine Forderung tragen, und ist daher nicht geeignet, das in seinen Einzelschritten methodisch begründete Vorgehen des Beklagten in Zweifel zu ziehen. 54 Die Bezeichnung als Brutgebiet gäbe keinen Anlass, die Aktionsräume anders als geschehen zu bemessen. Der Kläger fordert, dass für einzelne Brutplätze innerhalb eines Gebiets, etwa eines Wasservogelbrutgebiets, die Gebietsbewertung vorrangig sei (unter Berufung auf Bernotat et al. [2018] S. 59). Dies zwinge bei einem Wasservogelbrutgebiet zu einem zentralen Aktionsraum von 500 m und einem weiteren Aktionsraum von 1 000 m (vgl. Bernotat et al. [2018] S. 46 Tab. 14), die jeweils von den Grenzen des Gebiets zu bemessen seien. Eine solche Betrachtung mag für Planungen auf vorgelagerten Stufen vorgenommen werden. Ist - wie hier - ein Bestand artspezifisch kartiert worden, dürfen aber die bei dieser Kartierung gewonnenen Kenntnisse zugrunde gelegt werden. Dies gilt sowohl für die artspezifischen Aktionsräume der einzelnen Wasservögel als auch für den kartierten Brutplatz als Mittelpunkt des zentralen und des weiteren Aktionsraums. Ob bei einer Überlagerung der Aktionsräume, wie sie die Verträglichkeitsstudie für das EU-Vogelschutzgebiet (SPA) Unteres Odertal etwa für die Rohrdommel annimmt (vgl. SPA-VS S. 77 Abb. 5), von einem Gebiet gesprochen wird, spielt keine Rolle. 55 cc) Es bedarf keiner Beweiserhebung über die Behauptung, dass es sich beim Landiner Haussee und dem Felchowsee um ein gemeinsames Wasservogelbrutgebiet und/oder Dichtezentrum handelt. Ob angesichts der Zahl von Brutplätzen auf den Seen für alle oder jedenfalls für bestimmte Planungsstufen von einem Brutgebiet oder einem Dichtezentrum gesprochen werden sollte, mag auf sich beruhen. Es kommt allein darauf an, ob der von der SPA-Verträglichkeitsstudie und dem Planergänzungsbeschluss gewählte Ansatz - Bestimmung von Aktionsräumen ausgehend von den kartierten Brutplätzen - geeignet ist, die für § 34 Abs. 2 BNatSchG maßgebliche Frage zu beantworten, ob erhebliche Beeinträchtigungen ausgeschlossen sind. 56 2. Der Planergänzungsbeschluss geht von zwei Brutpaaren aus, deren zentraler Aktionsraum in den Leitungsbereich hineinragt. Für den zentralen Aktionsraum sei eine mittlere Konfliktintensität anzunehmen (PEB S. 282). Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden. 57 a) Zentraler Aktionsraum ist der Bereich um den Neststandort, in dem der überwiegende Teil der Aktivitäten zur Brutzeit stattfindet, also mehr als 50 % der Flugbewegungen (vgl. Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten [LAG VSW], Berichte zum Vogelschutz, 51 [2014], 15 <19>). In Übereinstimmung mit Bernotat et al. (2018) (S. 48 Tab. 15) nimmt die SPA-Verträglichkeitsstudie für die Rohrdommel einen zentralen Aktionsraum von 500 m an. 58 Der Kläger hat für den zentralen Aktionsraum unter Beweis gestellt, dass die im Fachinformationssystem des Bundesamtes für Naturschutz zur FFH-Verträglichkeitsprüfung (FFH-VP-Info ) genannten Raumansprüche das Verhalten der Rohrdommel und der weiteren Vogelarten am Wasser, aber nicht in der Luft abdecken. Darauf kommt es nicht an. Die SPA-Verträglichkeitsstudie hat diese Informationen zwar jeweils wiedergegeben, aber bereits für den zentralen Aktionsraum einen um ein Vielfaches größeren Raum angenommen. So entspricht der zentrale Aktionsraum der Rohrdommel - ein Kreis mit einem Radius von 500 m - einer Fläche von mehr als 78 Hektar und ist damit weit größer als die im FFH-VP-Info mitgeteilten Flächen von 2 bis 20, 10 bis 20 oder 2 bis 3 Hektar. 59 b) Die SPA-Verträglichkeitsstudie und der Planergänzungsbeschluss durften sich auf die Annahme bei Bernotat et al. (2018) zum zentralen Aktionsraum stützen. 60 Der Angabe bei Bernotat et al. (2018) kommt einiges Gewicht zu: Auch wenn das Bundesamt für Naturschutz keine Gewähr für ihre Richtigkeit übernimmt, handelt es sich doch um eine Einschätzung, die der einheitlichen Praxis einer von der Vorhabenträgerin und der Planfeststellungsbehörde unabhängigen Fachbehörde dient (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - juris Rn. 268 ) und die unter Auswertung der maßgeblichen Literatur in einem aufwändigen Prozess erarbeitet worden ist. Quellen, die sich in vergleichbarem Umfang und Tiefe mit der Frage befassen, hat der Kläger nicht benannt. Die Annahme berücksichtigt das zur Rohrdommel bekannte Verhalten: Die Tiere fliegen während der Brutzeit meist niedrig über das Rohr hin; fliegende Rohrdommeln werden außerhalb der Zugzeit wenig, am ehesten noch zur Zeit der Jungenaufzucht beobachtet. Regelmäßige Flüge finden nur in Gebieten statt, wo das Nahrungsrevier aus mehreren kleineren Schilfgebieten besteht. 61 Es fehlen hinreichende Anhaltspunkte, dass Verhaltensweisen, die einen größeren Raum in Anspruch nehmen können, einen wesentlichen Anteil an den Flugbewegungen zur Brutzeit ausmachen könnten. Die ornithologische Literatur berichtet von einem Herumstreichen und Kreisen der Rohrdommel im Spätsommer und Herbst (Bauer/Glutz von Blotzheim, Handbuch der Vögel Mitteleuropas, 2. Aufl. 1987, S. 383); dieses Verhalten ist aber auf das Ende der Brutzeit und den Beginn des Vogelzugs (""Zugunruhe"") beschränkt. Ein gemeinsames Kreisen soll ""gelegentlich"" stattfinden, auch wird von ""gelegentlichen"" Luftkämpfen der Männchen berichtet (Bauer/Glutz von Blotzheim ebd.), dieses Verhalten wird in einer vom Kläger auszugsweise vorgelegten Quelle als ""seldom observed"" mitgeteilt und dem Fortpflanzungsverhalten zugeordnet. Der Kläger selbst räumt ein, die Beobachtung dieser Verhaltensweisen hänge ""vom Zufall ab"", weil die Verfolgungsflüge ""natürlich nicht täglich"" stattfänden. 62 Gestützt auf die vom Kläger angeführte Literatur hat die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW, Berichte zum Vogelschutz 51 (2014), 15 <22 f.>) für Rohr- und Zwergdommeln einen Mindestabstand von 1 000 m und einen Prüfbereich von 3 000 m - vergleichbar dem weiteren Aktionsraum - um Windenergieanlagen gefordert. Diese, auch Bernotat et al. (2018) bekannte Einschätzung (vgl. ebd. S. 144) zieht die aktuellere Bemessung der Aktionsräume nicht in Zweifel. Denn sie wird mit der Empfindlichkeit gegenüber akustischen Beeinträchtigungen begründet, an denen es bei Freileitungen weitgehend fehlt, und mit der Seltenheit der Vogelarten. Der letztgenannte Umstand ist aber in dem Modell von Bernotat et al. (2018) in dem populationsbiologischen Sensitivitätsindex berücksichtigt und für die Aktionsräume ohne Belang. 63 Auch die vom Kläger geschilderten Beobachtungen seines Sachbeistandes geben keinen Anlass, den zentralen Aktionsraum größer als geschehen zu bemessen. Der Sachbeistand hat - nicht im Einzelnen dokumentierte - Beobachtungen in einem benachbarten Seengebiet mitgeteilt. Seine Angabe, Rohrdommeln wechselten ihre Positionen regelmäßig, ""teilweise"" komme es auch zu Wechseln zwischen den Seen, lässt sich für eine regelmäßige Flugtätigkeit außerhalb eines zentralen Aktionsraums von 500 m nicht anführen. Die Beobachtung, Überflüge von rufenden Rohrdommeln seien ""selten, aber in jedem Jahr"" zu hören, spricht gegen die für eine Zuordnung zum zentralen Aktionsraum notwendige Regelmäßigkeit. Schließlich erscheinen die Beobachtungen nicht geeignet, das Verhalten der Rohrdommel allgemein, also unabhängig von einem konkreten Naturraum und dessen Ausstattung zu beschreiben. 64 c) Einer Beweiserhebung zur Bemessung des zentralen Aktionsraums bedarf es nicht. Dass dieser für die Rohrdommel bis in den Trassenbereich ragt, steht nicht im Streit. Ebenso liegt auf der Hand, dass die von Bernotat et al. (2018) betrachteten Aktionsräume das Verhalten in der Luft abdecken sollen; dies ergibt sich aus der Definition des zentralen Aktionsbereichs (vgl. Bernotat et al. [2018] S. 62). Sollte der Kläger geltend machen, das Verhalten der Rohrdommel gebe Anlass, den zentralen Aktionsraum anders zu bemessen, ist der Beweisantrag auf eine Ausforschung gerichtet: Der Kläger selbst hat für keine bestimmte Verhaltensweise hinreichend konkret behauptet, dass sie mit einer für die Bemessung des zentralen Aktionsraums notwendigen Regelmäßigkeit stattfindet und mit welchen Mitteln insoweit weitere Erkenntnisse zu gewinnen sein könnten. Letzteres gilt auch für die unter Beweis gestellte Bemessung eines größeren zentralen Aktionsraums für weitere Vogelarten. 65 Es ist nicht Beweis zu erheben über die Behauptung, dass es durch artspezifische Verhaltensweisen der Rohrdommel, aber auch der anderen Vogelarten, zu weiteren Flügen in den Trassenbereich kommen werde. Der Beweisantrag ist nicht hinreichend substantiiert, weil er für acht Vogelarten ganz unterschiedliche Verhaltensweisen (Flugbalz, Verteidigungsflüge, Luftkämpfe, plötzliches nächtliches Auffliegen, Verfolgungsflüge) benennt, ohne im Einzelnen darzulegen, für welche der Vogelarten welche Verhaltensweise in Betracht kommen soll. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, diese Zuordnung zu leisten. Im Übrigen kommt es auf die unter Beweis gestellte Tatsache nicht an, dass solche Flüge stattfinden können. Innerhalb der gewählten Methode ist maßgeblich, ob diese Flüge mit einer Regelmäßigkeit stattfinden, dass in dem von ihnen in Anspruch genommenen Raum mehr als 50 % der Aktivität zur Brutzeit stattfindet und daher Anlass besteht, den zentralen Aktionsraum weiter zu bemessen. 66 3. Der Planergänzungsbeschluss hält die Gefährdung im weiteren Aktionsraum für gering. 67 Der weitere Aktionsraum ist ein Prüfbereich (Bernotat/Dierschke [2016] S. 153). In seinem Abstand sind Raumbereiche zu identifizieren, in denen die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Individuums erhöht sein kann, weil sich dort wichtige Nahrungshabitate, Schlafplätze oder bevorzugte Flugrouten befinden. Weil die Rohrdommeln sich überwiegend in den Schilfflächen aufhielten und der Landiner Haussee und der Felchowsee 1 700 m voneinander entfernt seien, stuft der Planergänzungsbeschluss die räumlich funktionale Beziehung über die Trasse hinweg als gering ein (PEB S. 282). Dies ist nicht zu beanstanden. 68 a) Der Planergänzungsbeschluss stützt sich vorrangig auf eine Sonderkartierung. Der Überflugbereich zwischen Landiner Haussee und Felchowsee wurde an ca. 20 Tagen in den Abendstunden beobachtet, um Wechselflüge der Zielarten, u. a. der Rohrdommeln, zwischen den Seen zu erfassen. Es sollte der Vermutung nachgegangen werden, dass während der Brutzeit gelegentliche Wechsel zwischen benachbarten Brutgewässern durchgeführt werden. Überflüge der Zielarten, namentlich der vom Kläger benannten Vogelarten, konnten indes nicht beobachtet werden. Hiervon ausgehend liegt nahe, dass regelmäßige Flugbewegungen zwischen den Seen nicht stattfinden (PEB Anlage 12.1c S. 3 f.). 69 Die in Anlage 12.1c ausreichend dokumentierten (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 2017 - 3 A 4.15 - BVerwGE 160, 263 Rn. 46) Beobachtungszeiten sind methodisch nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gerügt, die Beobachtungen hätten zu den falschen Zeiten, nämlich nach Sonnenaufgang zu spät und vor Sonnenuntergang zu früh stattgefunden. Er hat hierzu eigene Berechnungen vorgelegt, ohne indes aufzuzeigen, welche fachlichen Standards er insoweit für einschlägig und verletzt hält. Die Beobachtungszeiten erscheinen auch nachvollziehbar: Dass die Kartierungen am Felchowsee seltener waren als am Landiner Haussee, ist sachgerecht, weil der Landiner Haussee näher an der Leitung liegt. Dass die Kartierungen von Ende März bis Anfang August stattfanden, entspricht den Erkenntnissen zur Aufenthaltsdauer der Zugvögel in diesem Gebiet. Unzureichende Beobachtungen zur Zeit des Sonnenuntergangs und der Abenddämmerung macht der Kläger nicht substantiiert geltend. Am frühen Morgen ist zwar seltener kartiert worden. Eine vom Kläger angegebene Quelle aus dem Internet zum Zeitpunkt des Rufens der Rohrdommeln lässt aber nicht erkennen, dass mit einem Schwerpunkt der Kartierungen am Abend eine deutliche Unterschätzung der Flugbewegungen verbunden sein könnte. Das vorliegende Material gibt auch keinen Anhaltspunkt, dass bei dämmerungsaktiven Arten zwischen Morgen- und Abenddämmerung unterschieden werden müsste. 70 Allerdings räumt die Verträglichkeitsstudie für das EU-Vogelschutzgebiet (SPA) Unteres Odertal ein, dass der Erfassung der nachtaktiven Vogelarten sowohl nach der Zahl als auch der Art der Tiere methodische Grenzen gesetzt sind, die selbst mit Verwendung technisch aufwendiger Erfassungsmethoden nicht überwunden werden können (SPA-VS S. 55). Die Gutachterin der Beigeladenen hat diese Schwierigkeiten in der mündlichen Verhandlung erläutert, zugleich aber nachvollziehbar deutlich gemacht, dass Vögel nicht in vollständiger Dunkelheit fliegen, sondern Mond- oder Restlicht zur Orientierung nutzen; in dieser Situation könnten sie gegen den Nachthimmel beobachtet werden. Dies gilt besonders für die Rohrdommel, die eine Größe von 70 bis 80 cm erreicht. 71 Hiervon ausgehend bedarf keiner Beweiserhebung, dass Flüge der Rohrdommel, aber auch der weiter genannten Vogelarten in der Nacht oder der Dämmerung regelmäßig nicht wahrgenommen werden können. Zu den Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Beobachtung liegen dem Senat ausreichende sachverständige Äußerungen vor (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Mai 2008 - 9 B 34.07 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 65 Rn. 20 und vom 23. Mai 2013 - 9 B 10.13 - juris Rn. 8); ihre Bewertung ist eine Rechtsfrage. Auf die Frage, welche Erkenntnisse bei einem länger währenden Außenaufenthalt - etwa bei Übernachten in einem Bett unter freien Himmel - zu gewinnen sein könnten, kommt es nicht an. Ein solches Vorgehen ist naturschutzfachlich nicht gefordert; es ist nicht erkennbar, dass es den fachlichen Standards entsprechen könnte. 72 b) Eine qualitative Abschätzung bestätigt den Befund. 73 Der (einschließlich des Röhrichts) etwa 65 ha große Landiner Haussee und der etwa 150 ha große Felchowsee dienen Rohrdommeln als Brutplatz. Zwischen den Seen werden eine elektrifizierte Bahnlinie, eine Hochspannungsleitung und eine Bundesstraße geführt. Südlich davon liegt ein etwa 1 000 m breiter Nadelwaldforst, die Niederlandiner Heide, im Westen ein kleineres Gewerbegebiet. Die zwischen den Seen liegenden Flächen sind damit für die Rohrdommel unattraktiv, sie eignen sich weder zur Nahrungssuche noch als Brutplatz. Zugleich finden die Tiere in der unmittelbaren Umgebung ihrer Brutplätze vergleichsweise große, für sie geeignete Flächen vor; sie sind nicht darauf angewiesen, auf dem jeweils anderen See nach Futter zu suchen. 74 Der Kläger hat unter Beweis gestellt, dass der Wald und die anderen Strukturen zwischen den Seen und die Entfernung zwischen den Seen keine Hindernisse sind, welche die Rohrdommel und andere Vogelarten von einer Querung abhalten würden. Dies bedarf keines Beweises. Die Rohrdommeln und die anderen Vögel können das Gebiet zwischen den Seen überfliegen. Maßgeblich ist, ob sie dies mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit tun; zu dieser Frage liegen dem Senat bereits in hinreichendem Maße Äußerungen von Sachverständigen vor. Worauf das Verhalten der Tiere im Einzelnen beruht, spielt keine Rolle. 75 c) Der weitere Vortrag weckt keinen Zweifel an der Einschätzung des Beklagten. 76 Die Behauptung des Klägers, es komme zu einer starken (mitunter stündlichen) Flugaktivität der Männchen zwischen den benachbarten Seen (Klagebegründung vom 25. Oktober 2020, S. 45), ist nicht nachvollziehbar. Beobachtungen solcher Flugbewegungen sind nicht mitgeteilt; sie wären aber bei den recht großen Tieren zu erwarten. Auch der Hinweis auf polygyne Männchen legt keine häufigeren Wechsel während der Brutzeit nahe. Denn die Nahrungssuche obliegt bei Rohrdommeln den Weibchen (vgl. Gauckler/Kraus, Die Vogelwelt, Bd. 86 [1965], 129 <137>; Bauer/Glutz von Blotzheim, Handbuch der Vögel Mitteleuropas, 2. Aufl. 1987, S. 384: ""liegt nahe, daß das ♂ überhaupt kein Interesse für die Einzelbrut zeigt""). 77 Der Kläger hat für die Rohrdommel und die weiteren Vogelarten unter Beweis gestellt, dass es aus unterschiedlichen Gründen zu intensiven Austauschbeziehungen zwischen dem Landiner Haussee und dem Felchowsee insbesondere zur ""Dämmerungs- und Nachtzeit"" komme. Diese Behauptung ist nicht hinreichend substantiiert, weil sie - wiederum - nicht darlegt, hinsichtlich welcher von sieben Verhaltensweisen welcher von acht Vogelarten der Kläger weiteren Aufklärungsbedarf sieht. Der Kläger legt im Übrigen nicht dar, inwieweit über den bisherigen Vortrag einschließlich der Sachverständigengutachten weitere oder bessere Erkenntnisse gewonnen werden könnten; dabei geht er selbst davon aus, dass weitere Beobachtungen keinen Erkenntnisgewinn versprechen. 78 4. Der Planergänzungsbeschluss stuft die Konfliktträchtigkeit der Leitung ohne Rechtsfehler als ""mittel"" ein. 79 Zwischen Landiner Haussee und Felchowsee verläuft die planfestgestellte Leitung mit den Masten 116 bis 118 südlich der bestehenden 110-kV-Leitung mit den Masten 34 und 35. Wie die Bestandsleitung soll die neue Leitung über Donaumasten mit zwei Traversen verfügen. Die Masthöhen betragen 49,25 m (Mast 116), 55,20 m (Mast 117) und 50,20 m (Mast 118), bei der Bestandsleitung 42,25 m (Mast 34) und 36,25 m (Mast 35). Während die Masten 116 und 118 räumlich etwa im Gleichschritt mit Mast 34 und 35 errichtet werden, ist Mast 117 etwa mittig zwischen den Masten der Bestandsleitung platziert. 80 a) Ob und in welchem Umfang die Bündelung von Freileitungen das Vogelschlagrisiko reduziert, bedarf in der Regel einer Einzelfallprüfung (Bernotat et al. [2018] S. 86). 81 Zu einer Reduzierung des Vogelschlagrisikos trägt eine Synchronisierung der Leitungen und der Masten bei, an der es für Mast 117 und den Leiterseilen im Luftraum fehlt. Anders als bei Bernotat et al. (2018), S. 86 angenommen, kann der Arbeit von Bernshausen et al. (Bernshausen/Kreuziger/Richarz/Sudmann, NuL 46 <4>, 2014, 107) allerdings weder entnommen werden, dass eine Bündelung von Leitungen das Vogelschlagrisiko nur dann senken kann, wenn die Leitungen gebündelt werden, noch, welches Maß an Synchronisierung insoweit gefordert sein könnte. Die Arbeit gibt darüber nach ihrer Fragestellung, ihrem Umfang und ihrer Bearbeitungstiefe keine verlässliche Auskunft. Daher zwingt auch die schematische Zeichnung bei Bernotat et al. (2018), S. 84 Abb. 21 nicht zur Annahme einer hohen Konfliktträchtigkeit der planfestgestellten Leitung. 82 Trotz der Position von Mast 117 erweist sich die Einschätzung der Konfliktträchtigkeit als ""mittel"" als tragfähig: So sind die Masthöhen jedenfalls angenähert, wenn auch nicht identisch. Der Bau eines Mehrebenenmastes mit zwei Leiterseilebenen hat zwar eine beachtliche Konfliktintensität (Bernotat et al. [2018] S. 82), ein Mehrebenenmast mit zwei Traversen ist aber günstiger als ein Mast mit drei Traversen (a. a. O. S. 68). Die Führung der Leitung als 4er-Bündel erhöht die Sichtbarkeit im Luftraum und reduziert die Barrierewirkung; Verbesserungen wären insoweit nur durch Kompaktmasten denkbar (a. a. O. S. 71 f.). Zudem ist der Luftraum vergleichsweise übersichtlich, Opfer bei Anflügen an die Bestandsleitung hat der Kläger nicht mitgeteilt. So wird die in ost-westlicher Richtung verlaufende Leitung nicht gegen die tiefstehende Sonne überflogen. Ein panikartiges Auffliegen unterhalb der Leitung ist nicht zu befürchten, weil sich unter der Leitung keine Vögel, insbesondere keine Wasservögel aufhalten werden. 83 Bei der Würdigung der Konfliktträchtigkeit als ""mittel"" ist zu berücksichtigen, dass in der gewählten Methode die Annahme eines ""hohen"" Risikos auch bei den anderen Einzelkriterien Fällen vorbehalten ist, die gegenüber dem Regelfall deutlich risikoerhöhende Umstände erkennen lassen, wie etwa die Lage des Vorhabens im zentralen Aktionsraum eines großen Brutgebiets oder das Bestehen eines Hauptflugkorridors zwischen Brutplätzen und Nahrungsflächen im weiteren Aktionsraum. Zu einer Unterschätzung des Gesamtrisikos führt diese Sichtweise nicht (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 105). Denn bereits die mittlere Bewertung aller Einzelkriterien führt zu einem als hoch eingestuften konstellationsspezifischen Risiko, das für alle Vogelarten mit einer jedenfalls mittleren vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdung (C) zur Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung zwingt. 84 b) Der Kläger hat in diesem Zusammenhang ein bestimmtes, nach Flughöhe und Flugverlauf im Einzelnen beschriebenes Verhalten unter Beweis gestellt. Dieser Beweisantrag ist ins Blaue hinein gestellt. Der Kläger hat solche Beobachtungen nicht mitgeteilt. Er hat auch nicht dargelegt, welchen Quellen er Anhaltspunkte für das behauptete Verhalten welcher konkreten Vogelart entnehmen möchte. 85 5. Der Planergänzungsbeschluss durfte annehmen, dass Vogelschutzmarker das Risiko eines Leitungsanflugs für die Rohrdommel um eine Stufe auf ""gering"" senken, und damit eine erhebliche Beeinträchtigung dieser Vogelart für ausgeschlossen halten. 86 a) In welchem Maß Vogelschutzmarker einen Leitungsanflug verhindern, hängt von der Vogelart ab. Dies steht nach dem vorliegenden Material fest und ist zwischen den Beteiligten unstrittig. Einer Beweiserhebung bedarf es nicht. 87 Die artspezifische Wirkung von Vogelschutzmarkern zu bestimmen, ist schwierig. Empirische Studien, insbesondere Beobachtung und Totfundkontrollen, sind aufwändig und scheiden für seltene Arten ganz aus (Liesenjohann et al. [2019] S. 9). Liesenjohann et al. (2019) untersuchen die Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern, indem sie die bisher im In- und Ausland unter unterschiedlichen Bedingungen gewonnenen empirischen Erkenntnisse auswerten und qualitativ gewichten. Sie gehen aus von Referenzarten, für die (als Primärarten) ein artspezifischer Wert bekannt ist oder für die sie (als Sekundärarten) einen Wert aus gepoolten Werten ermitteln. Für die Referenzarten bestimmen sie eine artspezifische Kollisionsminderung, die je nach prozentualer Abnahme der Vogelschlagopfer in einem Stufenwert ausgedrückt wird (gering (1) 20 - 40 %, mittel bis hoch (2) 40 - 80 % und sehr hoch (3) > 80 %). Für Vogelarten, die keine Referenzarten sind, deren vorhabentypspezifische Mortalitätsgefährdung aber ""mittel"" (C) oder höher ist, prüfen Liesenjohann et al. (2019) die Ähnlichkeit mit Referenzarten. Sie untersuchen insgesamt zehn gleichrangige Kriterien (Taxonomie, Manövrierfähigkeit, Körpergröße, Fluggeschwindigkeit, Sehphysiologie, Lebensraum- bzw. Habitatnutzung, Verhaltensökologie bei Nahrungssuche, Aktivitätszeiten, Status und Wanderverhalten, Bildung von Schwärmen bzw. Ansammlungen), bewerten die Einzelkriterien mit einem Punktwert (0 bis 3) und ermitteln so einen Gesamtwert für die Ähnlichkeit (maximal: 30 Punkte). Je nach Grad der Ähnlichkeit (hoch ≥ 24 von 30 Punkten; mittel ≥ 17 und < 24 Punkte; gering ≥ 10 Punkte und < 17 Punkte) wird die gleiche oder eine um ein oder zwei Stufen geringere Wirksamkeit der Marker als bei der Referenzart angenommen. 88 Durchgreifende methodische Einwände gegen den Ansatz von Liesenjohann et al. (2019) hat der Kläger nicht erhoben. Er hat im Ausgangspunkt eingeräumt, dass Analogieschlüsse in der Fachwelt üblich seien. Sein Hinweis auf die Stellungnahme von Mercker (NuL 53 <2021>, 32) zeigt die Unbrauchbarkeit des Ansatzes von Liesenjohann et al. (2019) nicht auf. Mercker weist auf Schwierigkeiten hin, statistisch hinreichend valide Ergebnisse zu entwickeln. Angesichts der begrenzten Datenbasis bestehe die Sorge, dass bei der Methode von Liesenjohann et al. (2019) eine Genauigkeit der final ermittelten Reduktionsstufe angenommen werde, die unter Umständen nicht gegeben sei (a. a. O. S. 36). Mercker beschreibt damit das Design künftiger Forschungen, zu denen die FFH-Verträglichkeitsprüfung aber nicht verpflichtet ist (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - juris Rn. 213 und Rn. 397 ). Seine Kritik verliert wesentlich an Bedeutung, wenn - wie bei der Rohrdommel (s. u.) – die Ähnlichkeitsbetrachtung nur zu einer Reduktion um eine Stufe führt. Zudem schlägt Mercker im Ergebnis vor, vorbehaltlich valider statistischer Daten als konservative Schätzung von einem Reduktionsmittelwert von 50 % auszugehen (a. a. O. S. 36 f.). Auf dieser Grundlage wäre nach dem Modell von Liesenjohann et al. (2019) stets eine Reduktion um zwei Stufen und damit eine höhere Grundwirksamkeit der Marker anzunehmen. 89 b) Marker tragen zum Vogelschutz bei. Darüber sind die Beteiligten einig. Der Kläger hält in der konkreten Örtlichkeit aber einen Schutz für ausgeschlossen. Dieser Einwand bleibt erfolglos. 90 Die Konfliktträchtigkeit der Leitung in der konkreten Örtlichkeit geht als Einzelkriterium in das konstellationsspezifische Risiko ein. Diese Beurteilung berücksichtigt Überlegungen zur Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern bei der Bündelung von Freileitungen, wie der Hinweis bei Bernotat et al. (2018), S. 84 auf die Arbeit von Bernshausen et al. (NuL 46 <4>, 2014, 107) belegt. Die Frage, ob Vogelschutzmarker wirksam sind, folgt dieser Betrachtung nach; sie ist nicht Gegenstand der Untersuchung von Liesenjohann et al. (2019). Der Kläger hat nicht dargelegt, dass eine mehrfache Berücksichtigung der Konfliktträchtigkeit der Leitung der Methode des Beklagten überlegen sein könnte. Es bedarf daher keiner Beweiserhebung, dass die Lage der Freileitung zwischen dem Wald und dem Landiner Haussee und die fehlende Synchronisierung mit der Bestandsleitung die Wirksamkeit der Marker nachteilig beeinflussten. Hiervon unabhängig hat der Kläger kein taugliches Beweismittel benannt: Die Behauptung ist einem empirischen Beweis nicht zugänglich, weil die Leitung bisher nicht errichtet ist. Dass sich aus dem Forschungsstand bei Erlass des Planergänzungsbeschlusses weitere Erkenntnisse gewinnen ließen, hat der Kläger nicht aufgezeigt. Sein Beweisantrag ist vielmehr auf ein Forschungsvorhaben gerichtet, zu dessen Durchführung weder die Planfeststellungsbehörde noch das sie kontrollierende Gericht verpflichtet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 397). 91 c) Der Kläger bekämpft die Annahme, die Marker wirkten auch in der Dämmerung und zur Nachtzeit. Nach seiner Auffassung können sie zum Schutz der nachtaktiven Rohrdommel nicht beitragen. Dies bleibt ohne Erfolg. 92 aa) Liesenjohann et al. (2019), S. 45 f. erkennen noch Forschungsbedarf bei der Wirkung von Markern für nachtziehende Arten, auch für nachtaktive Wasservögel an. Sie nehmen dennoch für alle Vogelarten eine Grundwirksamkeit der Marker an, auch für dämmerungs- und nachtaktive Arten; das Risiko werde stets um eine Stufe gemindert. Zur Plausibilisierung hat ein Sachbeistand der Beigeladenen darauf hingewiesen, dass Vögel in der Nacht nicht blind oder orientierungslos fliegen, sondern unter Ausnutzung eines Restlichts in der Dämmerung oder des Mondlichts visuelle Wahrnehmungen machen könnten. Eine derartige Anpassung sei evolutionär notwendig. Hiermit übereinstimmend berichten Liesenjohann et al. (2019) von einem Workshop mit Experten, auf dem nach der Diskussion einer Nicht-Wirksamkeit für alle - und damit auch für die nachtziehenden und nachtaktiven - Arten eine Grundwirksamkeit der Marker angenommen worden sei (Liesenjohann et al. [2019] S. 46 f.). Liesenjohann/Blew haben auf verschiedene empirische Studien verwiesen, nach denen die Wirksamkeit der Marker bei dämmerungs- und nachtaktiven Arten gegeben ist. Eine weitere Studie habe an einer 110-kV-Leitung gezeigt, dass an Leitungsabschnitten ohne Vogelschutzmarker mit einer hohen Dichte an Strommarkern weder tag- noch nachtaktive Vögel kollidierten (Liesenjohann/Blew, Stellungnahme zur Grundwirksamkeit von Strommarkern für nachtaktive Vogelarten, 2021, S. 5). 93 Der Kläger hat diese Überlegungen nicht erschüttert. Mit den von Liesenjohann/Blew angeführten empirischen Erkenntnissen hat er sich nicht auseinandergesetzt. Seine - vielfach wiederholte - Einschätzung, Erdseilmarker seien für dämmerungs- und nachtaktive Vögel nutzlos, geht nicht auf die plausible Überlegung ein, dass dämmerungs- und nachtaktive Vögel über angepasste Wahrnehmungsmöglichkeiten verfügen und sich nicht orientierungslos im Luftraum bewegen; ob Rohrdommeln oder andere Wasservögel über ein ähnlich gut angepasstes Sehvermögen wie Eulen verfügen, spielt insoweit keine Rolle. Der Kläger hat sich zudem indiziell auf das Totfundarchiv der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg zum Stand 2015 (Stellungnahme des Sachbeistandes vom 14. September 2020, S. 7) berufen. Substantiierte Hinweise, dass die Methode von Liesenjohann aus der Sicht führender Fachexperten zu modifizieren sei, hat er aber nicht gegeben, und auch keine Veröffentlichungen in der Fachliteratur benannt, welche die Auffassung seiner Sachbeistände stützen. 94 bb) Die Beigeladene hat sich - indiziell - auf eine Auswertung von Kalz/Knerr berufen (Vergleich von Tag- und Nachtziehern an einer Freileitung mit und ohne Vogelschutzmarker im Nationalpark Unteres Odertal, 7. Februar 2022). Danach hat sich das prozentuale Verhältnis von Vogelschlagopfern bei tag- und nachtaktiven Arten durch Markierungen nicht verändert (ebd. S. 2); bei Unwirksamkeit der Marker für nachtaktive Arten hätte sich dieses Verhältnis zu Lasten der nachtaktiven Arten verschieben müssen. 95 Die Studie deutet darauf hin, dass Marker auch für dämmerungs- und nachtaktive Arten wirksam sind. Allerdings trifft die vom Kläger unter Beweis gestellte Behauptung zu, dass die Studie für die Rohrdommel und die weiteren vom Kläger genannten Vogelarten eine Wirksamkeit der Marker - schon aus statistischen Gründen - nicht belegen kann. Denn unter den ermittelten Kollisionsopfern befanden sich keine Tiere dieser Vogelarten. Dieser Einwand führt aber allein auf den - auch von Liesenjohann et al. (2019), S. 9 eingeräumten - Befund, dass statistisch signifikante Aussagen für das Anflugrisiko seltener Vogelarten nicht oder jedenfalls derzeit nicht möglich sind. Dessen ungeachtet legt die Studie die Annahme nahe, dass Vogelschutzmarkierungen auch bei nachtaktiven Arten wirksam sind. Warum die Datenbasis zu gering sein sollte, um die Studie heranzuziehen, ist nicht ersichtlich. Die Kritik des Klägers, zur Nachtzeit ziehende Vögel hätten nicht betrachtet werden dürfen, erschließt sich nicht; auch sein Sachbeistand hat in anderem Zusammenhang auf zur Nachtzeit ziehende Vögel verwiesen (Stellungnahme des Sachbeistandes vom 14. September 2020, S. 7 f.). Der weitere Hinweis auf Massenanflüge in ungewöhnlichen Situationen ist unbehelflich. Angesichts der Brutzahlen und der Lage der Leitung im Raum stehen Massenanflüge nicht in Rede. 96 cc) Der Kläger hat die Behauptung unter Beweis gestellt, dass Vogelschutzmarker für die Rohrdommel (und die weiteren Vogelarten) insbesondere in der örtlichen Situation jedenfalls zur Dämmerungs- oder Nachtzeit unwirksam seien. 97 Der Beweisantrag ist auf eine Ausforschung gerichtet und daher abzulehnen. Er ist nicht ausreichend substantiiert. Welche Anforderungen vom Tatsachengericht an die Substantiierung gestellt werden dürfen, bestimmt sich zum einen danach, ob die zu beweisende Tatsache in den eigenen Erkenntnisbereich des Beteiligten fällt, und zum anderen nach der konkreten prozessualen Situation (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. Mai 2014 - 10 B 34.14 - juris Rn. 9 und vom 14. Februar 2022 - 1 B 49.21 - juris Rn. 21). Einer Behauptung, die ohne Eingehen auf sie entkräftende Gegenbehauptungen aufrechterhalten wird, braucht das Gericht nicht weiter nachzugehen (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - juris Rn. 702 ). So liegt es hier. Der Kläger hat sich auf das zentrale Argument der Gegenseite, Vögel bewegten sich nicht blind im Luftraum, nicht substantiell eingelassen. 98 Hiervon unabhängig hat der Kläger keine Anhaltspunkte gegeben, in welcher Weise die Beweiserhebung vorgehen sollte. Eine empirische Untersuchung in der örtlichen Situation scheidet aus, weil die Leitung nicht errichtet ist. Dass es zur Wirksamkeit von Markern weiteres Material gebe, das über die schon bisher dem Senat vorliegenden Unterlagen hinausgehen könnte, hat der Kläger nicht aufgezeigt; ebenso wenig - auch auf gerichtliche Anfrage nicht –, dass es Sachverständige geben könnte, die über besseres Wissen verfügen könnten. Die ""führenden Fachexperten"", auf die er sich in seiner Klagebegründung beruft, hat er nicht benannt. 99 d) Referenzart für die Rohrdommel ist der Graureiher ( Ardea cinera ). Für diesen nehmen Liesenjohann et al. (2019), S. 60, 171, gestützt auf eine empirische Studie, eine sehr hohe Wirksamkeit (3) an. Der Vergleich mit der Rohrdommel ergibt eine nur geringe Ähnlichkeit (16 Ähnlichkeitspunkte). Rohrdommeln sind kleiner, fliegen langsamer, können schlechter manövrieren, bilden weder Trupps noch Kolonien und sind anders als der tag- und dämmerungsaktive und zur Nachtzeit ziehende Kranich dämmerungs- und nachtaktiv. Dagegen stimmen Sehphysiologie und Wanderverhalten überein, Nahrungssuche und Habitatnutzung sind ähnlich (Liesenjohann et al. [2019] S. 88). Der nur geringe Ähnlichkeitswert führt zu einem Abschlag um zwei Stufen bei der Wirksamkeit der Marker (a. a. O. S. 88), also zur Annahme einer Reduktion um eine Stufe. 100 Der Einwand des Klägers, Liesenjohann et al. (2019) hätten bei ihrem Vergleich die nächtlichen Flugaktivitäten der Rohrdommeln nicht in Rechnung gestellt, trifft nicht zu. Die Studie hat den Unterschied zum Graureiher erkannt und berücksichtigt. Der Kläger möchte diesen Unterschied anders gewichtet sehen, weil er die Marker für dämmerungs- und nachtaktive Tiere für wirkungslos hält. Damit ruft er lediglich in anderem Gewand erneut die Frage nach der Wirksamkeit der Marker für nachtaktive Vogelarten auf. 101 Ein Sachbeistand des Klägers hat eine stärkere Berücksichtigung des Fortpflanzungsverhaltens verlangt; mit dieser Forderung habe er sich bei den Beratungen zur Erarbeitung von Liesenjohann et al. (2019) nicht durchsetzen können. Ob diese Forderung berechtigt ist, bedarf keiner Entscheidung. Der Kläger hat nicht substantiiert dazu vorgetragen, wie sich das Fortpflanzungsverhalten des Graureihers vom Fortpflanzungsverhalten der Rohrdommel unterscheidet. Er hat auch nicht dargelegt, dass und warum das Fortpflanzungsverhalten eine Bedeutung haben könnte, die an dem Ergebnis des Ähnlichkeitsvergleichs substantiell etwas ändern könnte. 102 Unabhängig hiervon wäre auch bei einer völlig unzureichenden Ähnlichkeit mit dem Graureiher für die Rohrdommel eine Grundwirksamkeit der Marker anzunehmen. Liesenjohann et al. (2019) haben allen von ihnen ausgewerteten Studien Minderungseffekte entnommen, welche die Mortalität an einer Leitung reduziert haben; nur selten waren die Werte sehr gering (9,6 % - Felsentaube, ebd. S. 64). Liesenjohann et al. haben sich daher berechtigt gesehen, eine Grundwirksamkeit von Vogelschutzmarkern über alle Arten und Artgruppen hinweg anzunehmen. Abgesehen von der Frage nacht- und dämmerungsaktiver Arten ist der Kläger diesem Ansatz nicht entgegengetreten. Es wäre damit jedenfalls eine Reduktion des konstellationsspezifischen Risikos um eine Stufe anzunehmen. Dass es insoweit an einer Prüfung der Plausibilität im Einzelfall fehlt (vgl. PEB S. 312), ist unschädlich. 103 III. Der Planergänzungsbeschluss hält erhebliche Beeinträchtigungen der Zwergdommel ohne Rechtsfehler für ausgeschlossen (PEB S. 287 f.). Der Beklagte durfte ausgehend von der Kartierung (1) für den zentralen Aktionsraum (2) und den weiteren Aktionsraum (3) jeweils eine geringe Konfliktintensität annehmen. Wegen der mittleren Konfliktträchtigkeit der Freileitung ergibt sich ein geringes konstellationsspezifisches Risiko, so dass bei einer als ""hoch"" eingeschätzten vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdung eine erhebliche Beeinträchtigung nach § 34 Abs. 2 BNatSchG ausgeschlossen ist. Diese Einschätzung liegt auf der sicheren Seite (4). 104 1. Bei der Bestandserfassung wurden 2016 mindestens zwei Rufer in einer Entfernung von ca. 400 m und 900 m von der geplanten Trasse und ein weiteres Brutpaar im Großen Stebensee, etwa 1,5 km südlich der geplanten Leitung kartiert. 105 Der Vortrag des Klägers gibt zu Zweifeln keinen Anlass. Sein Hinweis auf einen Brutbestand von ""bis zu sieben Brutpaaren"" stützt sich auf Veröffentlichungen aus den Jahren 2002 und 2014 und lässt nicht erkennen, dass die Angabe das Brutverhalten im Zeitpunkt des Planergänzungsbeschlusses besser beschreiben könnte. Fehler bei der Bestandserfassung legt auch der Hinweis auf eine Neigung der Zwergdommel zu loser Koloniebildung nicht nahe (Bauer/Glutz von Blotzheim, Handbuch der Vögel Mitteleuropas, 2. Aufl. 1987, S. 369). Solche Kolonien sind selten; in Deutschland umfassen etwa 90 % der Nachweise Standorte mit bis zu drei Revieren (Atlas deutscher Brutvogelarten, 2014, S. 174). 106 2. Der Planergänzungsbeschluss geht entsprechend Bernotat et al. (2018), S. 48 Tab. 15 von einem zentralen Aktionsraum von 500 m aus. Die Konfliktintensität sei gering, weil nur der zentrale Aktionsraum eines Brutpaares in den Leitungsbereich hineinrage. Dies ist nicht zu beanstanden. 107 Der Planergänzungsbeschluss durfte einen zentralen Aktionsraum mit einem Radius von 500 m annehmen. Dies folgt im Kern aus den gleichen Gründen wie bei der Rohrdommel (s. o.). Der Kläger hat, ohne zwischen zentralem und weiterem Aktionsraum zu differenzieren, für die Zwergdommel geltend gemacht, die Annahme missachte Gefährdungen beim nachts stattfindenden Vogelzug sowie Ortswechsel noch unverpaarter Vögel zur Brutzeit. Der nächtliche Vogelzug findet indes außerhalb der Brutzeit statt. Zudem überqueren die Vögel auf dem Zug eine Vielzahl künstlicher Hindernisse, eine - immer denkbare - Kollision berührt aber nicht den Schutz der Vögel in einem, möglicherweise sehr weit entfernten Vogelschutzgebiet. Die Ortswechsel noch unverpaarter Vögel geben keinen Anlass, von der auf den jeweiligen Brutplatz bezogenen und damit für verpaarte Vögel maßgeblichen Betrachtung der Brutplätze abzuweichen. 108 3. Der Planergänzungsbeschluss nimmt einen weiteren Aktionsraum für die Zwergdommel von 1 000 m an (vgl. Bernotat et al. [2018] S. 48 Tab. 15), in dem die Konfliktintensität gering sei. Dagegen ist nichts zu erinnern. Die Einschätzung kann sich - wie bei der Rohrdommel - auf ausreichende Beobachtungen und Abschätzungen zur Qualität des Raums stützen. Dass die Zwergdommel wegen ihrer Größe schwieriger zu beobachten ist, ändert den Befund nicht. Zudem sind Zwergdommeln tag- und nachtaktiv, vor allem aber dämmerungsaktiv (Liesenjohann et al. [2019] S. 89), so dass die Beobachtungsmöglichkeiten insoweit günstiger als bei den dämmerungs- und nachtaktiven Rohrdommeln sind. 109 4. Die Einschätzung des Beklagten liegt auf der sicheren Seite. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach Liesenjohann et al. (2019), S. 136 durch die Vogelschutzmarker und eine als gerade noch ausreichend bewertete Ähnlichkeit mit dem Graureiher (13 von 30 Ähnlichkeitspunkten) eine Reduktion des konstellationsspezifischen Risikos um eine weitere Stufe und damit auf ""sehr gering"" angenommen werden kann. 110 IV. Der Planergänzungsbeschluss hält eine erhebliche Beeinträchtigung des Kleinen Sumpfhuhns ohne Rechtsfehler für ausgeschlossen. Dies folgt aus einem jeweils mit ""gering"" bewerteten Risiko im zentralen und weiteren Aktionsraum und einem damit insgesamt geringen konstellationsspezifischen Risiko für die Art, die ein hohes vorhabentypspezifisches Mortalitätsrisiko (B) trägt. 111 1. Kleine Sumpfhühner brüten auf dem Landiner Haussee und dem Felchowsee. Für den Landiner Haussee nimmt der Beklagte sechs bis zehn Rufer an, 2016 seien vier Rufer nachgewiesen (PEB S. 290). 112 Der Kläger hält die Bestandsgrößen im Jahr 2016 für zu niedrig angesetzt, weil die Kartiermethode nur rufende Tiere erfasse; nach einer sehr kurzen Balzphase und der Verpaarung riefen die Tiere nicht mehr. Dies führt nicht auf einen Rechtsfehler. Weder der Kläger noch seine Sachbeistände haben Standards benannt, die bei der Kartierung verletzt worden sein könnten. Sie haben vielmehr in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass weitere Ermittlungen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert hätten. Der Planergänzungsbeschluss hat darüber hinaus Erkenntnisse eines örtlichen Sachverständigen verwertet. Es ist damit nicht ausgeschlossen, dass die Bestände größer sind als die Zahl der Ortungen (vgl. auch PEB S. 290: ""mindestens sechs bis zehn Rufer""); auf einen entscheidungserheblichen Unterschied führen diese Unsicherheiten aber nicht. 113 2. Der Planergänzungsbeschluss stuft die Konfliktintensität im zentralen Aktionsbereich des Kleinen Sumpfhuhns als ""gering"" ein. Das ist nicht zu beanstanden. 114 a) Die Bemessung des zentralen Aktionsraums mit 250 m entspricht Bernotat et al. (2018), S. 49 Tab. 15. 115 Die Annahme eines solchen zentralen Aktionsraums liegt nach den Ergebnissen von Jedlikowski (2021) (Jedlikowski, Kleines Sumpfhuhn [ Zapornia parva ]), Habitatpräferenzen und Raumnutzung während der Brutzeit, 2021) auf der sicheren Seite. Danach beschränkt sich die Raumnutzung nach der Paarung hauptsächlich auf das eigentliche Territorium. Beide Partner beteiligen sich an Nestbau, Brut und Aufzucht der Küken. Die Vögel laufen in der Regel über die schwimmende Vegetation, klettern an Pflanzenstängeln oder schwimmen während der Nahrungssuche. Sie fliegen nur ausnahmsweise und dann niedrig über dem Wasser von einem Vegetationsbereich zum nächsten. Nach telemetrischen Untersuchungen entfernen sich die Tiere während der Brutzeit nicht mehr als 89,8 m von ihrem Nest (a. a. O. S. 11). Auch der Kläger hat bestätigt, dass die Tiere in ihrem Brutgebiet praktisch gar nicht fliegen und während der Bebrütungsphase nicht weiträumig zwischen den Seen wechseln. Balzflüge finden nach Jedlikowski (ebd.) nicht statt; jedenfalls ist nicht erkennbar, dass solche Flüge mit der für die Bemessung des zentralen oder weiteren Aktionsraums notwendigen Häufigkeit durchgeführt werden. 116 b) Der Kläger wendet ohne Erfolg ein, mögliche Brutplätze des Kleinen Sumpfhuhns im Süden des Landiner Haussees näherten sich der Trasse auf weniger als 250 m an, so dass die Konfliktintensität im zentralen Aktionsraum nicht mit ""gering"" bewertet werden dürfe. 117 Der Beklagte durfte die Aktionsräume um die kartierten Brutplätze bestimmen; auf die Entfernung des Uferbereichs von der Trasse kommt es schon deswegen nicht an. Hiervon unabhängig lässt sich ausschließen, dass sich der zentrale Aktionsraum von Brutplätzen im südlichen Bereich des Sees bis zur Leitung erstrecken würde, selbst wenn die Tiere entgegen den Kartierungen und abweichenden Einschätzungen (vgl. Glutz von Blotzheim/Bauer/Bezzel, Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Band 5, 193, S. 427: ""Grenzen zwischen dichtestem Röhricht und gut gedeckten Wasser- und Schlickflächen"") sehr nahe am Ufer brüteten. Denn die Annahme eines kreisförmigen zentralen Aktionsraums bildet die Realität nicht ab, wie telemetrische Untersuchungen zeigen (Jedlikowski [2021] S. 10); vielmehr bewegen sich die Tiere innerhalb der Schilfbereiche. Es erscheint ausgeschlossen, dass sie in beachtlicher Zahl nach Süden fliegen sollten, obwohl sich dort im näheren Umfeld nur ungeeignete Flächen befinden und sich in die anderen Himmelsrichtungen der Landiner Haussee erstreckt. 118 3. Der Planergänzungsbeschluss durfte für den weiteren Aktionsraum eine geringe Konfliktintensität (PEB S. 291) annehmen. 119 In Übereinstimmung mit Bernotat et al. (2018), S. 49 Tab. 15 nimmt der Beklagte einen weiteren Aktionsraum von 500 m an, in dem sich zwei Brutpaare auf dem Landiner Haussee befinden. Es lägen aber keine Hinweise auf regelmäßige Austauschbeziehungen zwischen Felchowsee und Landiner Haussee vor und seien wegen des 1 km breiten Nadelforstes nicht zu erwarten. Diese Einschätzung kann sich auf die Beobachtungen und die Erkenntnisse zum konkret betroffenen Naturraum stützen. Angesichts der kleinen Aktionsräume des Kleinen Sumpfhuhns und der Habitatausstattung der Seen ist hinreichend sicher, dass die Tiere nicht regelmäßig zwischen den Seen hin- und herfliegen und dabei eine Entfernung überwinden, die mehr als das Dreifache des weiteren Aktionsraums beträgt. 120 Der Kläger hat keine Beobachtungen geschildert, die auf solche regelmäßigen nächtlichen Flugbewegungen des Kleinen Sumpfhuhns schließen lassen. Dass sein Sachbeistand bei 170 Nächten pro Jahr in ""zwei von drei Jahren"" einzelne überfliegende Kleine Sumpfhühner beobachtet hat, spricht gegen eine ausreichende Regelmäßigkeit. Auch die weiteren Beobachtungen, etwa einer Zwergralle ( Porzana pusilla ) im Jahr 1983 oder nächtliches Rufen über einem Brutgebiet im Jahr 2014, bleiben anekdotisch. Sie bieten keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass das Kleine Sumpfhuhn regelmäßig sein Brutgebiet verlässt und ein anderes, ebenso geeignetes Habitat aufsucht. Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass Flugbewegungen über die Leitung nicht auszuschließen sind. Die damit ebenso nicht auszuschließende Möglichkeit eines Leitungsanflugs genügt aber nicht zur Annahme erheblicher Beeinträchtigungen nach § 34 Abs. 2 BNatSchG. 121 4. Auf die Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern für das Kleine Sumpfhuhn kommt es nicht an. Aufbauend auf Liesenjohann et al. (2019) kann jedoch davon ausgegangen werden, dass das konstellationsspezifische Risiko für das Kleine Sumpfhuhn um jedenfalls eine Stufe sinkt, so dass selbst die Annahme einer ""mittleren"" Konfliktintensität in entweder dem engeren oder dem weiteren Aktionsraum erhebliche Beeinträchtigungen ausschlösse. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob die Absenkung auf einer - vom Kläger bestrittenen - Ähnlichkeit mit dem Kiebitz ( Vanellus vanellus ) (Liesenjohann et al. [2019] S. 104) oder der Grundwirksamkeit der Marker beruht. Zwar verlangt der Planergänzungsbeschluss bei einer Grundwirksamkeit der Marker eine Prüfung der Plausibilität im Einzelfall (PEB S. 312). Es ist indes nicht ersichtlich, dass die Annahme einer Grundwirksamkeit der Marker unplausibel sein könnte. 122 V. Der Planergänzungsbeschluss verneint ohne Rechtsfehler eine erhebliche Beeinträchtigung von Löffelenten (PEB S. 292 f.), Schnatterenten (PEB S. 295 f.), Tafelenten (PEB S. 299 f.), Reiherenten (PEB S. 300 ff.) und Schellenten (PEB S. 302 f.). 123 1. Der Planergänzungsbeschluss nimmt für alle Arten als Zug- und Rastvögel ein mittleres konstellationsspezifisches Risiko an. Das Anflugrisiko werde aber durch die planfestgestellten Vogelschutzmarker ausreichend gemindert. 124 a) Die Tiere suchten den Landiner Haussee und den Felchowsee teils in erheblicher Zahl für die Mauser und die Rast auf, so dass im zentralen Aktionsraum eine mittlere Konfliktintensität bestehe. Im weiteren Aktionsraum sei die Konfliktintensität nur gering, weil nach den Beobachtungen kein Hauptflugkorridor zwischen den beiden Seen bestehe. Substantiierte Einwände hat der Kläger insoweit nicht erhoben. Weil der Beklagte die Konfliktträchtigkeit der Leitung zutreffend als ""mittel"" eingeschätzt hat, ist die Annahme eines mittleren konstellationsspezifischen Risikos nicht zu beanstanden. 125 b) Gestützt auf Liesenjohann et al. (2019) geht der Planergänzungsbeschluss überwiegend von einer ""sehr hohen"", jedenfalls aber einer ""mittleren bis hohen"" Wirksamkeit der Vogelschutzmarker aus. Das konstellationsspezifische Risiko werde für die Schellente um 2 Stufen (PEB S. 316), bei den weiteren Entenarten um 3 Stufen (PEB S. 314 ff.) auf jeweils ""sehr gering"" gesenkt. Diese Einschätzung liegt auf der sicheren Seite. Gestützt auf eine Studie mit einem artspezifischen Reduktionswert gehen Liesenjohann et al. (a. a. O. S. 62) für die Schnatterente von einer Senkung des Risikos um drei Stufen aus. Löffelenten, Reiherenten und Tafelenten ähneln Schnatterenten so sehr, dass dieser Reduktionswert übernommen wird (a. a. O. S. 140). Einen um eine Stufe geringeren Reduktionswert nehmen Liesenjohann et al. (ebd.) für die Schellente an, weil sie eine etwas geringere Ähnlichkeit mit der Stockente ( Anas platyrhynchos ) als Referenzart aufweist. Hiervon ausgehend wäre nach der Methode des Beklagten nur bei einem sehr hohen konstellationsspezifischen Risiko für die Schellente oder einem extrem hohen konstellationsspezifischen Risiko für die anderen Entenarten eine erhebliche Beeinträchtigung nicht auszuschließen. Selbst der Kläger fordert aber nur die Annahme eines hohen konstellationsspezifischen Risikos. 126 2. Der Planergänzungsbeschluss bestimmt das konstellationsspezifische Risiko für die Enten als Brutvögel ohne Rechtsfehler als gering. Ob die Enten als Brutvögel zu den geschützten Gebietsbestandteilen gehören, bedarf keiner Entscheidung. 127 a) Der Planergänzungsbeschluss nimmt jeweils nur ein geringes Risiko im zentralen Aktionsraum an, weil kartierte, vermutete oder jedenfalls vorsorglich angenommene Brutvorkommen hinreichend weit von der Trasse entfernt lägen. 128 In Übereinstimmung mit Bernotat et al. (2018), S. 187 geht der Planergänzungsbeschluss von einem zentralen Aktionsraum von 250 m um den jeweiligen Brutplatz aus. Der Kläger sieht bei dieser Bemessung Reihflüge als artspezifisches Fortpflanzungsverhalten nicht berücksichtigt, bei denen ein oder mehrere Erpel ein Weibchen verfolgen, bis es zur Paarung kommt. Solche Flüge brauchten indes bei der Bemessung des zentralen Aktionsraums nicht betrachtet zu werden, weil sie nur zu Beginn der Brutzeit vorkommen und damit nicht mit der für die Betrachtung des zentralen Aktionsraums notwendigen Regelmäßigkeit. Dem Hinweis des Klägers auf Suchflüge der Schellente nach geeigneten Brutplätzen in Baumhöhlen hat der Beklagte überzeugend mit dem Hinweis auf das Fehlen entsprechender Bäume im Umfeld des Landiner Haussees widersprochen. 129 Der Beklagte durfte davon ausgehen, dass sich mögliche Brutplätze von Enten stets in einer Entfernung von jedenfalls 250 m von der Trasse befinden. Für alle Entenarten nimmt auch der Kläger eine Fluchtdistanz von jedenfalls 50 m und damit einen entsprechenden Abstand der Brutplätze von der ""Neuen Straße"" an. Hiernach ist ein ausreichender Abstand zur Trasse gewahrt. 130 b) Für den weiteren Aktionsraum schätzt der Planergänzungsbeschluss die Konfliktträchtigkeit als gering ein, weil sich die Tiere während der Brutzeit vor allem auf dem Brutgewässer aufhielten und sich im näheren Umfeld der Trasse keine weiteren Gewässer befinden. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten. 131 Unter Berücksichtigung einer mittleren Konfliktintensität der Leitung erweist sich die Annahme eines nur geringen konstellationsspezifischen Risikos als fehlerfrei, so dass erhebliche Beeinträchtigungen für die Entenarten als Brutvögel ausgeschlossen sind. Auf die bei Enten sehr hohe, jedenfalls aber mittlere bis hohe Wirksamkeit der Marker kommt es insoweit nicht an. Sie senkt das Risiko weiter und damit sicher unter die Schwelle erheblicher Beeinträchtigungen. 132 D. Der Planergänzungsbeschluss hält eine Beeinträchtigung der Vogelschutzgebiete Randow-Welse-Bruch und Schorfheide-Chorin nicht für ausgeschlossen. Erhebliche Beeinträchtigungen befürchtet er im Randow-Welse-Bruch für den Schreiadler ( Vanellus vanellus ) und den Schwarzstorch ( Ciconia negra ) jeweils als Brutvogel, in Schorfheide-Chorin für den Weißstorch ( Ciconia ciconia ) als Brutvogel und in beiden Gebieten für den Kranich ( Grus grus ), den Goldregenpfeifer ( Pluvialis apricaria ) und den Kiebitz ( Vanellus vanellus ), jeweils als Zug- und Rastvogel. Der Planergänzungsbeschluss hat das Vorhaben aber insoweit ohne Rechtsfehler nach § 34 Abs. 3 BNatSchG zugelassen. 133 I. Nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG verlangt die Zulassung eines Projekts unter Abweichung von § 34 Abs. 2 BNatSchG, dass es aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist. Solche Gründe liegen vor (PEB S. 361 ff.). 134 Damit sich die für ein Projekt streitenden Gründe gegenüber den Belangen des Gebietsschutzes durchsetzen können, müssen keine Sachzwänge vorliegen, denen niemand ausweichen kann. § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG und Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-RL) (ABl. L 206 S. 7) setzen lediglich ein durch Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleitetes staatliches Handeln voraus. Erforderlich ist eine Abwägung. Das Gewicht der für das Vorhaben streitenden Gemeinwohlbelange muss auf der Grundlage der Gegebenheiten des Einzelfalls nachvollziehbar bewertet und mit den gegenläufigen Belangen des Habitatschutzes abgewogen werden (BVerwG, Urteil vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 104). Diesen Anforderungen ist genügt. 135 Das Vorhaben ist Teil des Bedarfsplans des EnLAG, seine Aufnahme in diesen Plan ist nicht zu beanstanden. Dies steht zwischen den Beteiligten rechtskräftig fest (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 52 ff.). Der Planergänzungsbeschluss hat auf die Bedeutung des Projekts für die Einbindung einer Leitung vom polnischen Krajnik über Vierraden in das deutsche Stromnetz verwiesen (PEB S. 366). Die Leitung werde die Transportkapazität für die im Norden der 50-Hertz-Regelzone eingespeiste Leistung aus erneuerbaren Energien schaffen, dies gelte für die Onshore-Windenergie und perspektivisch für die Offshore-Windenergie. Nach Netzberechnungen zur 220-kV-Leitung Pasewalk-Vierraden sei diese nicht mehr ausreichend (PEB S. 367). 136 Der Kläger macht im Kern geltend, die bestehenden Leitungen seien nicht ausgelastet. Dies gelte für die zu ersetzende 220-kV-Leitung und für die 40 km westlich gelegene 380-kV-Leitung von Lubmin über Altentreptow und Gransee nach Neuenhagen. Der Einwand bleibt erfolglos. Nach dem Netzentwicklungsplan 2019 soll für das Zieljahr 2030 eine Erhöhung der hergestellten Leistung aus erneuerbaren Energien um 40 bis 50 MW erfolgen (bisher: 17,4 MW). Es ist ein erhebliches öffentliches Interesse, sich für diesen Ausbau durch Schaffung ausreichender Transportkapazität zu rüsten. Die Beigeladene hat darauf hingewiesen, dass die bestehende 220-kV-Leitung im 1. Quartal 2020 an 3 242 Stunden mit (n-1) überlastet war; die Kosten des Engpassmanagements hat sie für 2019 mit knapp 6 Mio. € beziffert. Dem Verweis des Klägers auf die teils nur geringe Auslastung der Leitung ist sie mit dem Hinweis entgegengetreten, dass die wiedergegebenen Daten bereits redispatch-Maßnahmen berücksichtigten. 137 II. Nach § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG darf ein Projekt nur abweichend von § 34 Abs. 2 BNatSchG zugelassen werden, soweit zumutbare Alternativen nicht gegeben sind, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen. 138 1. Die Errichtung der Leitung oder jedenfalls einzelner Abschnitte als Erdkabel ist keine Alternative im Sinne des § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG. 139 a) Der Begriff der Alternative in § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG, Art. 6 Abs. 4 FFH-RL ist aus der Funktion des durch Art. 4 FFH-RL begründeten Schutzregimes zu verstehen. Er steht in engem Zusammenhang mit den Planungszielen, die mit einem Vorhaben verfolgt werden. Lassen sich die Planungsziele an einem nach dem Schutzkonzept der Habitatrichtlinie günstigeren Standort oder mit geringerer Eingriffsintensität verwirklichen, so muss der Projektträger von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Ein irgendwie gearteter Gestaltungsspielraum wird ihm nicht eingeräumt. Als Alternative sind aber nur solche Änderungen anzusehen, die nicht die Identität des Vorhabens berühren. Von einer Alternative kann deshalb dann nicht mehr die Rede sein, wenn eine planerische Variante auf ein anderes Projekt hinausläuft, weil die vom Vorhabenträger in zulässiger Weise verfolgten Ziele nicht verwirklicht werden könnten. Inwieweit Abstriche von einem Planungsziel hinzunehmen sind, hängt maßgebend von seinem Gewicht und dem Grad seiner Erreichbarkeit im jeweiligen Einzelfall ab. 140 Diese Auslegung wirft keinen unionsrechtlichen Klärungsbedarf auf. Art. 6 Abs. 4 FFH-RL liegt kein weiterer Alternativenbegriff zugrunde. Auch nach dem Unionsrecht darf und muss die Alternativenprüfung bei der Vorhabenzulassung am Plan- und Projektziel anknüpfen (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 410 f. m. w. N.). Ob eine Teilverkabelung an Stelle des Baus einer 380-kV-Höchstspannungsfreileitung für Drehstrom eine Alternative im Sinne von Art. 6 Abs. 4 Satz 1 FFH-Richtlinie ist, ist keine Frage der Auslegung von Handlungen der Organe der Europäischen Union im Sinne von Art. 267 Abs. 1 Buchst. b des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung von 2016 (ABl. 202 S. 164) - AEUV. Sie beschränkt sich vielmehr auf die rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts nach dem Unionsrecht, dessen Inhalt bereits geklärt ist. 141 b) Der nationale Gesetzgeber beschränkt den Einsatz von Erdkabeln im Anwendungsbereich des EnLAG auf bestimmte Pilotvorhaben. Diese Regelung verlangt bei der Bestimmung zumutbarer Alternativen im Sinne von § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG Beachtung (aa). Sie steht mit Verfassungsrecht (bb) und Unionsrecht in Einklang (cc). 142 aa) Nach § 2 Abs. 1 EnLAG können bestimmte Leitungen, sog. Pilotvorhaben, als Erdkabel errichtet und betrieben oder geändert werden, um den Einsatz von Erdkabeln auf der Höchstspannungsebene im Übertragungsnetz als Pilotvorhaben zu testen. Die Entscheidung des § 2 Abs. 1 EnLAG beschränkt im Interesse der Versorgungssicherheit den Einsatz von Erdkabeln im Bereich des Energieleitungsausbaugesetzes. Die Pilotvorhaben sollen dazu dienen, Erfahrungen mit der Erdkabeltechnologie zu sammeln und deren Einsatz in der Fläche zu ermöglichen (BT-Drs. 16/10491 S. 16). Der Gesetzgeber bewertet die Erdkabeltechnologie für Höchstspannungsleitungen im Drehstrombereich nicht als dem Stand der Technik entsprechend, erachtet sie nicht als gleichberechtigte Alternative zu Freileitungen und hat ihren Einsatz auf Pilotvorhaben beschränkt (BT-Drs. 18/4655 S. 1 f.). Dies dient auch dem Interesse der Netzstabilität und der Vermeidung von Störungen oder Ausfällen der Übertragungsnetze (BT-Drs. 18/4655 S. 20) (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 129 und vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 45 sowie Beschluss vom 27. Juli 2020 - 4 VR 7.19 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 11 Rn. 105). 143 Die Entscheidung des Gesetzgebers ist bei der Bestimmung der Alternativen im Sinne von § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG zu beachten. Das EnLAG stellt nicht nur den Bedarf für die in seine Anlage aufgenommenen Leitungen fest (§ 1 Abs. 2 EnLAG), sondern bestimmt zugleich, dass dieser Bedarf bei Vorhaben, die keine Pilotvorhaben sind, durch die Errichtung von Freileitungen befriedigt werden soll. Der Bau solcher Freileitungen dient dem vom Gesetzgeber hervorgehobenen Ziel eines zügigen Baus der Leitungen (vgl. BT-Drs. 16/10491 S. 1; BT-Drs. 18/4655 S. 1), weil die Übertragungsnetzbetreiber über umfassende Erfahrungen mit dieser Technologie verfügen. Dies gilt auch für die streitgegenständliche Leitung, deren Aufnahme in die Liste der Pilotvorhaben im parlamentarischen Verfahren vergeblich gefordert worden ist (vgl. BT-Drs. 16/12902). Ein Bau der Uckermarkleitung als Erdkabel erscheint damit nicht als Alternative, sondern berührte die Identität des Vorhabens. 144 § 49 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 EnWG führen auf kein abweichendes Ergebnis. Die Beteiligten streiten, ob die Errichtung eines Erdkabels für eine Drehstromleitung mit 380 kV den allgemein anerkannten Regeln der Technik im Sinne des § 49 Abs. 1 Satz 2 EnWG entspricht. Dies sind Regeln, die von den herrschenden Fachkreisen als richtig anerkannt sind und praktiziert werden; darüber hinaus müssen sie in der Praxis erprobt sein (BVerwG, Urteile vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 40 und vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 49). Der Kläger macht ferner unter Hinweis auf Erdkabelleitungen in der Europäischen Union geltend, es sei jedenfalls nach § 49 Abs. 3 EnWG davon auszugehen, dass die Anforderungen nach Absatz 1 an die Beschaffenheit der Anlagen erfüllt sind. Auf diese Fragen kommt es indes nicht an. Denn § 2 Abs. 1 und 2 EnLAG gehen als speziellere Regelungen dem § 49 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 EnWG vor. Die letztgenannten Vorschriften formulieren technische Anforderungen an die Ausführung einer Leitung, sei es eine Freileitung oder ein Erdkabel, regeln aber nicht, ob eine Leitung zulässigerweise als Erdkabel errichtet werden kann. Hiervon ausgehend bedarf es keiner Beweiserhebung darüber, ob und welche technischen Normen für die Errichtung eines Erdkabels gelten und ob die für Erdkabel notwendige Technik bekannt, sicher und erprobt ist. 145 bb) Die energiepolitische Entscheidung, den Ausbau des Höchstspannungsnetzes für die im EnLAG genannten Vorhaben grundsätzlich durch Freileitungen zu verwirklichen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie dient dem Ziel einer sicheren Energieversorgung, der eine überragende Bedeutung für das Gemeinwohl zukommt (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08 u. a. - BVerfGE 134, 242 Rn. 286 m. w. N.). 146 Wie bei einer Bedarfsfeststellung ist dem Gesetzgeber insoweit ein weiter Gestaltungs- und Prognosespielraum eröffnet (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 36). Die gerichtliche Kontrolle ist auf eine Evidenzkontrolle beschränkt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 25 f. und vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 52). Sie hat dabei - wie bei sonstigen energiepolitischen Grundentscheidungen - zu prüfen, ob die Entscheidung des Gesetzgebers offensichtlich und eindeutig unvereinbar ist mit verfassungsrechtlichen Wertungen, wie sie etwa auch in Art. 20a GG zum Ausdruck kommen (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08 u. a. - BVerfGE 134, 242 Rn. 289). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Beschränkung von Erdkabeln auf Pilotvorhaben seinen Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte. So geht aus dem Bericht der Bundesregierung nach § 3 EnLAG vom 27. September 2018 hervor, dass zu diesem Zeitpunkt noch keines der sechs Pilotvorhaben verwirklicht war. Nach wie vor gibt es also nur wenige praktische Erfahrungen mit 380-kV-Drehstromerdkabeln (BT-Drs. 19/4675). 147 Der Kläger zeigt verfassungsrechtlich beachtliche Bedenken nicht auf. Auf seine Behauptung, im europäischen Ausland würden bereits Erdkabel auf der Höchstspannungsebene für Drehstrom in einem gewissen Umfang von ""mind. 2000 km"" genutzt, kommt es nicht an. Der Gesetzgeber durfte ungeachtet dessen für den Stromleitungsausbau im Bereich des EnLAG grundsätzlich annehmen, dass Freileitungen unter verschiedenen Gesichtspunkten vorzugswürdig sind (vgl. jeweils zu Abwägungsentscheidungen etwa BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 63, vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 181 f. und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 75 ff. sowie Beschluss vom 28. Februar 2013 - 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 32 f.). Nur ergänzend sei darauf verwiesen, dass - selbst nach dem Vortrag des Klägers - nur ein geringer Teil des europäischen Höchstspannungsnetzes im hier betroffenen Spannungsbereich als Erdkabel geführt wird. 148 Ebenso bedarf keines Beweises, dass die Versorgungssicherheit durch einen Teilverkabelungsabschnitt in gleicher Weise wie durch eine Freileitung gesichert sei. Über die Behauptung ist kein Beweis zu erheben, weil sie ins Blaue hinein gestellt ist. Dem Kläger hätte es insoweit jedenfalls oblegen, sich zu naheliegenden Einwänden, etwa den Ausfallzeiten durch Reparaturmaßnahmen substantiiert zu äußern. Hiervon unabhängig ist die Behauptung nicht geeignet, die Verfassungswidrigkeit der gesetzgeberischen Entscheidung darzutun. 149 cc) Die Entscheidung des Gesetzgebers ist unionsrechtlich nicht zu beanstanden. 150 (1) Der Kläger meint, vor Änderung des Energieleitungsausbaugesetzes durch Art. 5 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsausbaus vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2490) habe es einer strategischen Umweltprüfung bedurft. Diesem Einwand steht zwar § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG nicht entgegen (BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - BVerwGE 166, 132 Rn. 56 und vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 62), er bleibt aber erfolglos. 151 Eine strategische Umweltprüfung war vom nationalen Recht nicht gefordert. Auch das Unionsrecht verlangte sie nicht. Pläne und Programme nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197/30) - SUP-RL - sind nur solche Pläne und Programme, die von einer Behörde ausgearbeitet und/oder angenommen werden oder die von einer Behörde für die Annahme durch das Parlament oder die Regierung im Wege eines Gesetzgebungsverfahrens ausgearbeitet werden. Dem Gesetzgebungsverfahren für das Energieleitungsausbaugesetz und seine Änderungen ist aber - anders als beim Bundesbedarfsplan nach § 12e Abs. 1 Satz 1 EnWG und Anlage 5 Nr. 1.10 zum UVPG - kein solches behördliches Verfahren vorausgegangen. Dass der Gesetzentwurf durch die Bundesregierung als zur Gesetzesinitiative berechtigtes Verfassungsorgan eingebracht worden ist (BT-Drs. 18/4655) führt auf kein anderes Ergebnis. 152 Hiervon unabhängig wird nach Art. 3 Abs. 2 SUP-RL vorbehaltlich des Absatzes 3 eine Umweltprüfung bei allen Plänen und Programmen vorgenommen, die (u. a.) in dem Bereich Energie ausgearbeitet werden und durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung der in den Anhängen I und II der Richtlinie 2011/92/EG (UVP-RL) aufgeführten Projekte gesetzt wird oder bei denen angesichts ihrer voraussichtlichen Auswirkungen auf Gebiete nach Art. 6 oder 7 der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-RL) eine Prüfung für erforderlich erachtet wird. Das Erfordernis, dass durch den betreffenden Plan oder das betreffende Programm der Rahmen für die künftige Genehmigung der in den Anhängen I und II der Richtlinie 2011/92/EG (UVP-RL) aufgeführten Projekten gesetzt werden muss, ist erfüllt, wenn der Plan oder das Programm eine signifikante Gesamtheit von Kriterien und Modalitäten für die Genehmigung und Durchführung eines oder mehrerer dieser Projekte aufstellt, insbesondere hinsichtlich ihres Standorts, der Art, der Größe und der Betriebsbedingungen solcher Projekte oder der mit ihnen verbundenen Inanspruchnahme von Ressourcen (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2022 - C-300/20 [ECLI:​EU:​C:​2022:​102] - Rn. 62). An einer solchen signifikanten Gesamtheit im Sinne eines Makroplanungsprozesses (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 65) fehlte es bei der Novelle des Energieleitungsausbaugesetzes. An den aufgeführten Vorhaben hat sich substantiell kaum etwas geändert; die veränderten Modalitäten beschränken sich auf die Ermöglichung von Erdkabelabschnitten auf wenigen weiteren Abschnitten und die Möglichkeit von Erdkabelprojekten aus naturschutzfachlichen Gründen. Dies reicht für eine signifikante Gesamtheit an Regelungen nicht aus. Unionsrechtlicher Klärungsbedarf besteht insoweit nicht. 153 (2) Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, warum der Gesetzgeber aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet gewesen sein könnte, im Regelungsbereich des EnLAG für die Übertragung von Drehstrom auf der Höchstspannungsebene stets Erdkabel als technische Alternative zu Freileitungen zuzulassen. Welchen unionsrechtlichen Klärungsbedarf der Kläger sieht, erschließt sich nicht. 154 2. Auf den Einsatz von Kompaktmasten, also Masten, die nicht auf einem Stahlgittergestell, sondern auf einem Vollwandmast errichtet werden, musste sich die Beigeladene nicht verweisen lassen. 155 Im Vogelschutzgebiet Randow-Welse-Bruch sind aus Gründen des Vogelschutzes die Masthöhen durch die Verwendung von Einebenenmasten reduziert (Maßnahme VASB7); das Gleiche gilt für die Masten im Vogelschutzgebiet Schorfheide-Chorin, soweit die Flächen für den Vogelschutz von Bedeutung sind (Mast 29 bis 72 und von Mast 157 bis 161). Damit sinkt die Zahl der Seilebenen und zugleich das Anflugrisiko (Bernotat et al. [2018] S. 68). Der Kläger zeigt nicht auf, warum Kompaktmasten gegenüber dieser Mastgestaltung Vorteile für den Vogelschutz bieten, weil er sich auf einen Vergleich mit Donaumasten beschränkt. Es kommt daher nicht auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage an, ob Kompaktmasten für die Anforderungen der hiesigen Leitung den allgemein anerkannten Regeln der Technik nach § 49 Abs. 1 Satz 2 EnWG entsprechen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 134 f.). 156 3. Der Planergänzungsbeschluss erkennt keine zumutbaren räumlichen Alternativen (PEB S. 391 ff.). Damit hat sich der Kläger nicht binnen der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG auseinandergesetzt. Die Klagebegründung beschränkt sich darauf, den Verlauf einer anderen, aus Sicht des Klägers vorzugswürdigen Variante zu beschreiben. Es fehlt aber an der von § 6 Satz 1 UmwRG geforderten Würdigung des Planergänzungsbeschlusses (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 4 A 16.16 - Buchholz 451.17 § 43e EnWG Nr. 2 Rn. 37 und vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 17). 157 III. Nach § 34 Abs. 5 BNatSchG sind die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes ""Natura 2000"" notwendigen Maßnahmen vorzusehen, wenn ein Projekt nach § 34 Abs. 3 BNatSchG zugelassen werden soll. Nebenbestimmung 5.2.1 Nr. 15 sieht vor, dass der Rückbau von Abschnitten der 220-kV-Freileitung in den Abschnitten innerhalb des Vogelschutzgebiets Schorfheide-Chorin zwischen Polßen und Peetzig (Mast-Nr. 200 bis Mast-Nr. 242 <13,85 km>) und innerhalb des Vogelschutzgebiets Randow-Welse-Bruch zwischen Wendemark und Blumenhagen (Mast-Nr. 24V bis Mast-Nr. 61V <12,85 km>) als Kohärenzsicherungsmaßnahme innerhalb eines Jahres nach Errichtung der 380-kV-Freileitung durchzuführen ist (PEB S. 9). 158 1. Der Rückbau ist funktional geeignet, die Kohärenz zu sichern. 159 Die Ausgestaltung von Kohärenzmaßnahmen hat sich funktionsbezogen an der jeweiligen Beeinträchtigung auszurichten, derentwegen sie ergriffen wird. Die Maßnahmen müssen die beeinträchtigten Lebensräume und Arten in vergleichbaren Dimensionen erfassen, sich auf dieselbe biogeographische Region in demselben Mitgliedstaat beziehen und Funktionen erfüllen, die mit den Funktionen, aufgrund deren die Auswahl des ursprünglichen Gebiets begründet war, vergleichbar sind. Zu den Maßnahmen gehören die Wiederherstellung oder die Verbesserung des verbleibenden Lebensraums oder die Neuanlage eines Lebensraums, der in das Netz ""Natura 2000"" einzugliedern ist (BVerwG, Urteile vom 6. November 2012 - 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 82 und vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 418). 160 Die Abweichungsprüfung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG (PEB Anlage 11.3) geht der Eignung der Maßnahmen zur Kohärenzsicherung schutzgebietsbezogen nach, insbesondere der Frage, welche Vorteile ein Rückbau der Leitung für die jeweils einzelnen, erheblich beeinträchtigten Vogelarten hat. Damit setzt sich der Kläger nicht auseinander. Seine Kritik, die rückzubauende Leitung liege zu einem erheblichen Teil im Wald und betreffe andere Lebensräume und Arten als die zu errichtende Leitung, geht am Planergänzungsbeschluss vorbei. Als Kohärenzsicherungsmaßnahme ist der Rückbau nur eingestellt, soweit die Leitungen im Offenland verlaufen (vgl. etwa PEB Anlage 11.3, S. 77 für das Vogelschutzgebiet Schorfheide-Chorin). 161 2. Dass der Rückbau erst nach Errichtung der neuen Leitung abgeschlossen sein wird, steht der Kohärenzsicherung nicht entgegen. 162 In zeitlicher Hinsicht muss sichergestellt sein, dass das Gebiet unter dem Aspekt des beeinträchtigten Erhaltungsziels nicht irreversibel geschädigt wird. Ist das gewährleistet, lässt sich die Beeinträchtigung aber - wie im Regelfall - nicht zeitnah ausgleichen, so ist es hinnehmbar, wenn die Kohärenzmaßnahme rechtzeitig bis zur Vollendung des Vorhabens ergriffen, die Funktionseinbußen hingegen erst auf längere Sicht wettgemacht werden (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 418). Diesen Anforderungen ist genügt. Der Planergänzungsbeschluss sieht den Rückbau der Leitung in den Teilen, die der Kohärenzsicherung dienen, binnen eines Jahres nach Errichtung des Vorhabens vor. Dass es in diesem begrenzten Zeitraum zu einer irreversiblen Schädigung des Gebiets kommt, weil zeitgleich zwei Hindernisse im Luftraum bestehen, verneint die Abweichungsprüfung. Nachteilige Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Populationen der betroffenen Arten könnten nur bei Berücksichtigung dauerhafter Mortalitätsrisiken nicht ausgeschlossen werden; eine einjährige potenzielle Mortalitätserhöhung habe keine nachhaltigen Auswirkungen (PEB Anlage 11.3 S. 69). Einwände gegen diese Einschätzung hat der Kläger nicht erhoben. 163 3. Der Kläger hält den Rückbau der Freileitung für eine ""Sowieso-Maßnahme"", die nicht über Standardmaßnahmen für die Erhaltung (Art. 6 Abs. 1 FFH-RL) und der Vermeidung von Verschlechterungen und Störungen (Art. 6 Abs. 2 FFH-RL) hinausgehe. Der Rückbau dürfe daher nicht als Kohärenzsicherungsmaßnahme berücksichtigt werden. Dies bleibt erfolglos. 164 a) Nach Art. 6 Abs. 1 FFH-RL legen die Mitgliedstaaten die nötigen Erhaltungsmaßnahmen fest, die gegebenenfalls geeignete, eigens für die Gebiete aufgestellte oder in andere Entwicklungspläne integrierte Bewirtschaftungspläne und geeignete Maßnahmen rechtlicher, administrativer und vertraglicher Art umfassen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen (Standardmaßnahmen für die Erhaltung). Nach Art. 6 Abs. 2 FFH-RL treffen die Mitgliedstaaten die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten (Standardmaßnahmen der Vermeidung von Verschlechterungen und Störungen). Solche Standardmaßnahmen sind vom Mitgliedstaat ohnehin – ""sowieso"" – zu ergreifen, so dass sie nicht als Kohärenzmaßnahmen berücksichtigt werden dürfen. Gibt es einen Bewirtschaftungsplan nach § 32 Abs. 5 BNatSchG, dürfen Vorhabenträger und Genehmigungsbehörde grundsätzlich darauf vertrauen, dass sie nach diesem Plan Standardmaßnahmen und Maßnahmen der Kohärenzsicherung abgrenzen dürfen (BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2019 - 9 A 2.18 - BVerwGE 166, 1 Rn. 96). Fehlt - wie hier für die betroffenen Vogelschutzgebiete - ein solcher Plan, bedarf es hiervon unabhängig einer Abgrenzung von Standardmaßnahmen und Kohärenzmaßnahmen, denen etwas Überschießendes eigen sein muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 425). 165 Der Planergänzungsbeschluss stützt sich bei seiner Abgrenzung insbesondere auf die Managementpläne für das FFH-Gebiet Randow-Welse-Bruch (DE 2750-301) sowie die Managementpläne für die innerhalb des Vogelschutzgebiets Schorfheide-Chorin liegenden FFH-Gebiete Grumsiner Forst/Redernswalde (DE 2949-302), Groß Ziethen (DE 3049-302) und Steinhöfel-Schmiedeberg-Friedrichsfelde (DE 2849-304); keiner dieser Pläne enthält den Rückbau der 220-kV-Leitung als Standardmaßnahme (PEB S. 407 f.; 409). Darüber hinaus könne der Rückbau der Leitung nicht als Standardmaßnahme festgesetzt werden, da die Leitung für die Stromversorgung benötigt werde, das privatrechtliche Eigentum einem Rückbau entgegen stehe und eine Vielzahl weiterer Maßnahmen als Standardmaßnahmen ergriffen werden könnten (etwa: Erhalt und Förderung von Altbäumen, Höhlenbäumen und Totholz, Förderung einer artgerechten Wald- und Grünlandnutzung, angepasste Grünlandnutzung, Anlage von Ackerrandstreifen und Umwandlung von Ackerland in Grünland). 166 Dies ist frei von Rechtsfehlern. Der Verweis des Klägers auf die Stellungnahme eines Sachbeistandes lässt die von § 6 Satz 1 UmwRG geforderte Auseinandersetzung mit dem Planergänzungsbeschluss vermissen. Seine Kritik, der Rückbau der Leitung sei extrem naheliegend, geht daran vorbei, dass die Mitgliedstaaten bei Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 1 FFH-RL Regelungs- und Entscheidungsspielräume besitzen und ihnen bei Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 2 FFH-RL Ermessen eröffnet ist (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 425). Diese Spielräume sind nicht auf Null reduziert. Insbesondere verfängt das Argument nicht, die am Ende ihrer Lebenszeit stehende Leitung habe ohnehin abgebaut werden müssen. Der Rückbau der 220-kV-Leitung erfolgt nicht ""sowieso"" aus Gründen des Gebietsschutzes, sondern weil sie nach Errichtung der Uckermarkleitung nicht mehr benötigt wird. Welches Schicksal die 220-kV-Leitung erfährt, wenn der Ersatzbau ausbleibt, ist spekulativ, jedenfalls nicht notwendig Gegenstand von Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 1 und 2 FFH-RL. 167 Erfolglos bleibt ferner der Einwand, der Rückbau der 220-kV-Leitung sei keine Kohärenzsicherungsmaßnahme, weil er als Ausgleichsmaßnahme nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG und damit als Kompensationsmaßnahme in Anschlag gebracht worden ist. Denn der PEB bringt in Nebenbestimmung 5.1 Nr. 5 als Kompensationsmaßnahme den Rückbau solcher Teile der 220-kV-Leitung in Ansatz, die nicht für die Kohärenzsicherungsmaßnahme abgebaut werden (PEB S. 7 ). Der Einwand ist im Übrigen rechtlich nicht tragfähig. Denn nach § 15 Abs. 2 Satz 4 BNatSchG steht die Festlegung von Maßnahmen nach § 34 Abs. 5 BNatSchG der Anerkennung solcher Maßnahmen als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht entgegen. 168 b) Es war kein Beweis über die Behauptungen zu erheben, dass der Rückbau einer durch Natura 2000-Gebiet führenden Freileitung, die das Ende ihrer Lebenszeit erreicht hat und ersetzt werden wird, immer Gegenstand eines Gebiets-Managementplans werden würde, oder dass dies jedenfalls in den in Rede stehenden Vogelschutzgebieten gelte. Damit ist keine dem Beweis zugängliche Tatsache bezeichnet. Ob die Regelungs- und Ermessensspielräume bei Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 1 und 2 FFH-RL eine bestimmte Maßnahme zwingend gebieten, ist eine Rechtsfrage. 169 E. Eine gerichtliche Prüfung darüber hinaus ist nicht veranlasst, weil der Kläger den Planergänzungsbeschluss binnen der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG im Übrigen nicht oder jedenfalls nicht ausreichend substantiiert angegriffen hat. 170 Der Kläger hat eine erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebiets Felchowseegebiet (DE 2950-302) im Sinne von § 34 Abs. 2 BNatSchG geltend gemacht. Seine Darlegung beschränkt sich aber im Kern auf eine auszugsweise Wiedergabe des Senatsurteils vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - (BVerwGE 154, 73), er hat sich jedoch nicht - wie geboten - mit den Ausführungen des Planergänzungsbeschlusses (PEB S. 332 ff.) auseinandergesetzt. Dies wäre schon deshalb notwendig gewesen, weil der Felchowsee von der Leitung weiter entfernt ist als der Landiner Haussee. 171 Ebenso fehlt eine substantiierte Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Planergänzungsbeschlusses zu dem FFH-Gebiet Fischteiche Blumberger Mühle (DE 2949-301) (PEB S. 348 ff.). Der bloße Verweis des Klägers auf das Ergebnis der FFH-Verträglichkeitsprüfung für das Vogelschutzgebiet Schorfheide-Chorin genügt nicht. Er berücksichtigt nicht, dass Beeinträchtigungen des Vogelschutzgebiets insbesondere im Bereich zwischen Mast 21 und 72 und damit in ganz erheblicher Entfernung zum FFH-Gebiet befürchtet werden. 172 Schließlich ist etwaigen Einwänden gegen die artenschutzrechtliche Prüfung nicht nachzugehen. Der Kläger hat sich binnen der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG mit den entsprechenden Ausführungen des Planergänzungsbeschlusses (PEB S. 484 ff.) nicht auseinandergesetzt. Auf Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteile vom 4. März 2021 - C-473/19 und C-474/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​166], Föreningen Skydda Skogen u. a. - und vom 28. Oktober 2021 - C-357/20 [ECLI:​EU:​C:​2021:​881], IE gegen Magistrat der Stadt Wien -) kommt es danach nicht an. 173 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2022-46,07.07.2022,"Pressemitteilung Nr. 46/2022 vom 07.07.2022 EN Keine Beteiligung des Integrationsamtes bei der Versetzung schwerbehinderter Lebenszeitbeamter in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit Die Zurruhesetzung eines schwerbehinderten Beamten auf Lebenszeit wegen Dienstunfähigkeit bedarf nicht der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes nach § 168 SGB IX. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist Regierungsobersekretär (Besoldungsgruppe A7 BBesO) im Bundesdienst und wird beim Bundesnachrichtendienst verwendet. Aufgrund eines Autounfalls mit anschließender durchgehender ""Arbeitsunfähigkeit"" veranlasste der Bundesnachrichtendienst die amts- sowie fachärztliche Untersuchung des Klägers. Bereits zum Zeitpunkt der Einleitung des Zurruhesetzungsverfahrens war er als Schwerbehinderter im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannt. Die Zurruhesetzung des Klägers wegen Dienstunfähigkeit erfolgte ohne vorangehende Beteiligung des Integrationsamtes. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat bezogen auf die Notwendigkeit der Beteiligung des Integrationsamtes zur Begründung insbesondere ausgeführt: Das innerstaatliche Recht schreibt die Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes vor der Versetzung eines Lebenszeitbeamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht vor. Nach den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 9. März 2017, C- 406/15, Milkova) zwingt aber auch das Unionsrecht nicht dazu, Arbeitnehmer und Lebenszeitbeamte im Hinblick auf das Erfordernis der Zustimmung des Integrationsamtes bei der Beendigung der aktiven Berufstätigkeit gleich zu behandeln. Das durch das Verfahren der Zurruhesetzung für Lebenszeitbeamte begründete Schutzniveau bleibt jedenfalls nicht hinter dem durch §§ 168 ff. SGB IX für Arbeitnehmer begründeten zurück. Bei Arbeitnehmern dient das Erfordernis der Zustimmung des Integrationsamtes dazu, die Ausübung des Kündigungsrechts durch den privaten Arbeitgeber einer vorherigen staatlichen Überprüfung zu unterziehen. Ziel ist der Ausgleich der regelmäßig geringeren Wettbewerbsfähigkeit schwerbehinderter Menschen auf dem privaten Arbeitsmarkt. Dieser Aspekt ist für die Zurruhesetzung eines Lebenszeitbeamten wegen Dienstunfähigkeit nicht von Bedeutung. Denn besteht ein Restleistungsvermögen, verbleibt der Beamte typischerweise im aktiven Beamtenverhältnis und wird nicht zur Ruhe gesetzt. Zudem wird durch die Zurruhesetzung ein Ruhestandsbeamtenverhältnis begründet, aufgrund dessen der Dienstherr dem Beamten in vielfältiger Hinsicht verpflichtet ist, insbesondere durch die Möglichkeit der Reaktivierung im Falle der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit. Fußnote: § 168 SGB IX Erfordernis der Zustimmung Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. BVerwG 2 A 4.21 - Urteil vom 07. Juli 2022","Urteil vom 07.07.2022 - BVerwG 2 A 4.21ECLI:DE:BVerwG:2022:070722U2A4.21.0 EN Leitsatz: Das Integrationsamt ist bei der Versetzung eines schwerbehinderten Lebenszeitbeamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht nach Maßgabe des § 168 SGB IX zu beteiligen. Gegenteiliges ergibt sich insbesondere nicht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 9. März 2017 - C-406/15, Milkova - NZA 2017, 439), weil das durch das Verfahren der Zurruhesetzung für Lebenszeitbeamte bewirkte Schutzniveau (§§ 44 ff. BBG) jedenfalls nicht hinter dem durch die §§ 168 ff. SGB IX für Arbeitnehmer begründeten zurückbleibt. Rechtsquellen BBG § 44 Abs. 1, § 47 Abs. 2 Satz 2 SGB IX § 168 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 07.07.2022 - 2 A 4.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:070722U2A4.21.0] Urteil BVerwG 2 A 4.21 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2022 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hartung, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Meister und Dr. Hissnauer für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen seine Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit. 2 Der ... geborene Kläger ist seit dem 1. November ... beim Bundesnachrichtendienst (BND) beschäftigt, derzeit im Statusamt eines Regierungsobersekretärs (Besoldungsgruppe A 7 BBesO). Er ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) in Höhe von 90 vom Hundert. Ihm sind die Merkzeichen ""RF"" und ""GL"" zuerkannt worden. 3 Der Kläger erlitt am 12. September 2015 einen Autounfall. Seitdem ist er durchgehend ""arbeitsunfähig"" erkrankt. Nach mehreren amtsärztlichen Untersuchungen und stationären Behandlungen sowie einer erfolglos durchgeführten Wiedereingliederung beauftragte der BND den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. mit der Erstellung eines psychiatrisch-neurologischen Fachgutachtens. Der Sachverständige diagnostizierte unter dem 26. September 2018 folgende gesundheitliche Beeinträchtigungen beim Kläger: gemischte dissoziative Störung (ICD-10: F44.7); posttraumatische Belastungsstörung, teilremittiert (ICD-10: F43.1); rezidivierende depressive Störung, derzeit mittel- bis schwergradige Episode (ICD-10: F33.1); somatoforme Schmerzstörung (ICD-10: F45.4). 4 Hierzu teilte er mit, der Kläger sei aufgrund einer gravierenden seelischen Erkrankung dienstunfähig. Die Wiederherstellung der tätigkeitsbezogenen Leistungsfähigkeit sei nicht wahrscheinlich, weil die Erkrankung mittlerweile chronifiziert sei und nur ein gering ausgeprägtes Krankheitsverständnis bestehe. 5 In ihrer auf den 30. Oktober 2018 datierenden Stellungnahme schloss sich die Amtsärztin Dr. S. dem Gutachten an. Sie führte aus, es bestehe keine verbliebene Leistungsfähigkeit, auch nicht für mindestens die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit, ebenso wenig für ein anderes Amt oder eine geringwertigere Tätigkeit. 6 Nachfolgend bat der BND mit an das Bundeskanzleramt gerichtetem Schreiben vom 7. Dezember 2018 um Zustimmung zur Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit. Das Bundeskanzleramt erteilte mit Schreiben vom 10. Dezember 2018 ""unter dem Vorbehalt, dass der Beamte keine Einwendungen (§ 47 Abs. 2 Satz 1 BBG) erhebt - gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 BBG zu der beabsichtigten Maßnahme"" sein Einverständnis. 7 Mit Schreiben vom 30. Januar 2019 hörte der BND den Kläger zur beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand an. Der Kläger nahm dazu mit anwaltlichem Schreiben Stellung. Die darin erhobenen Einwendungen führten zu einer ergänzenden Stellungnahme der Amtsärztin, die unter dem 11. April 2019 im Wesentlichen mitteilte, neben einer generell mit einer ungünstigen Prognose behafteten Diagnose bestünden sich gegenseitig verstärkende Komorbiditäten mit anderen psychiatrischen Krankheitsbildern. Die hochgradige Hörminderung des Klägers habe keine ausschlaggebende Bedeutung. 8 Gleichstellungsbeauftragte, Schwerbehindertenvertretung und der auf Antrag des Klägers hinzugezogene Personalrat erhoben keine Einwendungen gegen die beabsichtigte Versetzung des Klägers in den Ruhestand. Im Juni 2019 übersandte das Bundeskanzleramt unter anderem die Festsetzung der Versorgungsbezüge des Klägers sowie dessen Personalakte an den BND mit der Bitte um weitere Veranlassung. 9 Mit Bescheid vom 15. Juli 2019 verfügte der Präsident des BND die Versetzung des Klägers in den vorzeitigen Ruhestand mit Ablauf des 31. Juli 2019 wegen dauernder Dienstunfähigkeit. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der BND mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2021 zurück. Mit Schreiben vom 4. Juli 2022 erteilte das Bundeskanzleramt seine ausdrückliche Zustimmung zur Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit. 10 Der Kläger hat am 16. Februar 2021 (Untätigkeits-)Klage erhoben. 11 Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor: Der Bescheid vom 15. Juli 2019 genüge nicht den Anforderungen an die Schriftform, weil er nicht unterschrieben worden sei. Das Vorliegen eines Vertretungsfalls aufgrund von Abwesenheit oder Verhinderung des Präsidenten des BND sei nicht dargetan worden. Die Beklagte stütze die Dienstunfähigkeit auf amtsärztliche Beurteilungen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids nahezu zwei Jahre alt und daher nicht mehr aktuell gewesen seien. Es sei zu prüfen gewesen, ob sich in Bezug auf die fehlende Behandlungsbereitschaft eine Änderung ergeben habe. Weiter sei fraglich, ob im Hinblick auf seine Schwerbehinderung der zutreffende Maßstab bei der Feststellung der Dienstunfähigkeit zugrunde gelegt worden sei. 12 Der Kläger beantragt, den Bescheid des Bundesnachrichtendienstes vom 15. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2021 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. 13 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 14 Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid: Eine Verhinderung des Präsidenten des BND habe vorgelegen. Die fehlende Unterschrift im Bescheid vom 15. Juli 2019 sei rechtlich bedeutungslos. Die Dienstunfähigkeit des Klägers werde durch die ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten belegt. 15 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht an dem Verfahren. 16 Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2022 den Sachverständigen Dr. G. zu dem von ihm erstatteten Gutachten befragt. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen. 17 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. II 18 Die zulässige Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz entscheidet, ist unbegründet. Der Bescheid des BND vom 15. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 19 Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids ist § 44 Abs. 1 Satz 1 bzw. Satz 2 BBG in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheids (BVerwG, Urteile vom 5. Juni 2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1 Rn. 10, vom 19. März 2015 - 2 C 37.13 - Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 7 Rn. 9 und vom 16. November 2017 - 2 A 5.16 - Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 12 Rn. 16) gültigen und in der Folgezeit insoweit unveränderten Fassung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160 <170>). 20 Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG ist der Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Nach § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG kann als dienstunfähig auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Dienstunfähigkeit in diesem Sinne ist eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand. In den Ruhestand wird nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist (§ 44 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 bis 4 BBG). Kann der Beamte den Anforderungen seines Amtes und denjenigen einer anderweitigen Verwendung nicht mehr voll entsprechen, aber unter Beibehaltung des übertragenen Amtes seine Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen (vgl. § 45 Abs. 1 BBG), soll er für begrenzt dienstfähig erklärt werden (BVerwG, Urteil vom 16. November 2017 - 2 A 5.16 - Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 12 Rn. 17). 21 Gemessen an diesen gesetzlichen Voraussetzungen ist die angegriffene Verfügung rechtmäßig. Sie begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken (1.). Die für die Zurruhesetzung erforderliche Zustimmung des Bundeskanzleramts liegt vor (2.). Einer Beteiligung des Integrationsamtes aufgrund der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers bedurfte es nicht (3.). Zudem ist der Kläger dienstunfähig und auch nicht anderweitig verwendbar (4.). 22 1. Der angefochtene Bescheid vom 15. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2021 ist formell rechtmäßig. 23 Entgegen der Auffassung des Klägers genügt der ohne Unterschrift, aber mit Namenswiedergabe versehene Bescheid vom 15. Juli 2019 den sich aus § 37 Abs. 3 Satz 1 VwVfG ergebenden Anforderungen an die Schriftform. 24 Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 VwVfG muss ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Sinn von Unterschrift bzw. Namenswiedergabe ist, dem Empfänger zu verdeutlichen, dass kein bloßer Entwurf vorliegt. Wird auf eine eigenhändige Unterschrift verzichtet, genügt die bloße Namenswiedergabe, ohne dass es zusätzlicher Anforderungen wie z. B. einer Beglaubigung bedarf (BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 1997 - 1 B 129.96 - Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 11 S. 21 f.). 25 2. Das Bundeskanzleramt hat als oberste Dienstbehörde die für die Zurruhesetzung des Beamten erforderliche Zustimmung nach § 47 Abs. 2 Satz 2 BBG erteilt. 26 Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BBG kann der Beamte innerhalb eines Monats Einwendungen gegen die beabsichtigte Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit erheben. Danach entscheidet die für die Ernennung zuständige Behörde über die Versetzung in den Ruhestand mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (§ 47 Abs. 2 Satz 2 BBG). 27 Die Zustimmung, bei der es sich um ein Verwaltungsinternum ohne Verwaltungsaktqualität handelt, kann wegen des darin formulierten Vorbehalts zwar noch nicht im Schreiben des Bundeskanzleramts vom 10. Dezember 2018 erblickt werden. Dessen Mitwirkung ist jedoch spätestens durch die unter dem 4. Juli 2022 explizit erklärte Zustimmung zur Versetzung des Klägers in den Ruhestand und damit noch vor Abschluss der letzten Tatsacheninstanz mit heilender Wirkung nachgeholt worden (§ 45 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 VwVfG). 28 3. Der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung steht nicht entgegen, dass der BND vor ihrem Erlass nicht nach §§ 168 ff. SGB IX die Zustimmung des zuständigen Integrationsamtes eingeholt hat. 29 Der Beteiligung des Integrationsamtes bedurfte es nicht, obwohl beim Kläger bereits zu Beginn des Zurruhesetzungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 60 vom Hundert festgestellt und er als schwerbehinderter Mensch i. S. v. § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannt war. Denn § 168 SGB IX, wonach die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf, ist nicht auf das Verfahren der Zurruhesetzung eines Lebenszeitbeamten nach §§ 44 ff. BBG anzuwenden (a. A. von Roetteken, ZBR 2018, 73 <79 ff.>; ders. jurisPR-ArbR 50/2021 Anm. 8 zu OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Juli 2021 - 4 B 14.19 -; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen/Luik, SGB IX, 6. Aufl. 2022, Vorbem. § 168 Rn. 11; Rolfs, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl. 2022, § 168 SGB IX Rn. 3). Dies gilt selbst im Hinblick auf den Umstand, dass die Zurruhesetzung nach §§ 44 ff. BBG auch Fälle erfasst, in denen der zur Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft führende körperliche Zustand des Beamten zugleich die Dienstunfähigkeit i. S. v. § 44 Abs. 1 BBG begründet. 30 a) Innerstaatliches Recht sieht eine (entsprechende) Anwendung des § 168 SGB IX auf die Zurruhesetzung von Lebenszeitbeamten nach §§ 44 ff. BBG nicht vor. 31 Der Gesetzgeber hat bereits früh klargestellt, dass die Verwendung des einheitlichen Begriffs ""Arbeitgeber"" lediglich der Vereinfachung dient und aus der Verwendung dieses dem Arbeitsrecht entlehnten Begriffs nicht folgt, dass auch andere, ""im Gesetz verwendete arbeitsrechtliche Begriffe wie etwa Kündigung, Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung usw. auf das Beamten- oder Richterverhältnis anzuwenden sind"" (vgl. BT.-Drs. 7/656 S. 25). Sofern der Gesetzgeber in der Vergangenheit die Beteiligung des Integrationsamtes (früher: Hauptfürsorgestelle) im Zurruhesetzungsverfahren für erforderlich gehalten hat, hat er dies stets eindeutig zum Ausdruck gebracht. So sah § 35 Abs. 2 des Gesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter (Schwerbeschädigtengesetz - SchwbG - vom 16. Juni 1953 - BGBl. I S. 389 <400>) vor, dass in dem Fall, dass schwerbeschädigte Beamte auf Lebenszeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt oder schwerbeschädigte Beamte auf Widerruf oder auf Probe entlassen werden sollen, vorher der Vertrauensmann der Dienststelle, die den Beamten beschäftigt, und die Hauptfürsorgestelle zu hören sind. § 128 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der Fassung vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046 <1083>) beschränkte sich ebenfalls auf eine bloße Anhörung des Integrationsamtes und wurde, ohne dass der Begründung des Gesetzentwurfs die Motive für die Änderung des Gesetzes zu entnehmen sind (BT-Drs. 15/1783 S. 19), durch das Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606 <610>) gestrichen. Vor diesem Hintergrund ist eine (analoge) Anwendung des § 168 SGB IX oder seiner Vorgängernormen in der Rechtsprechung verneint worden (vgl. § 85 SGB IX a. F., OVG Münster, Beschlüsse vom 13. September 2012 - 1 A 644/12 - juris Rn. 7, vom 7. Januar 2013 - 6 A 2371/11 - DÖD 2013, 126 und vom 7. März 2013 - 6 B 11/13 - juris Rn. 6; VG Bayreuth, Urteil vom 18. August 2015 - B 5 K 14.25 5 - juris Rn. 30; BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 - 6 AZR 679/10 - BAGE 142, 1). 32 b) Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Folgenden: RL 2000/78/EG) führt nicht dazu, dass die Vorschriften der §§ 168 ff. SGB IX auf das Verfahren der Zurruhesetzung eines Lebenszeitbeamten nach Maßgabe der §§ 44 ff. BBG anzuwenden sind. 33 Nach Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG steht im Falle von Menschen mit Behinderung der Gleichbehandlungsgrundsatz weder dem Recht der Mitgliedstaaten entgegen, Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit am Arbeitsplatz beizubehalten oder zu erlassen, noch steht er Maßnahmen entgegen, mit denen Bestimmungen oder Vorkehrungen eingeführt oder beibehalten werden sollen, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese Eingliederung fördern. Diese Bestimmung hat der Europäische Gerichtshof dahingehend ausgelegt, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, Maßnahmen im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG beizubehalten oder zu erlassen, dies aber nicht den Schluss zulässt, dass von den Mitgliedstaaten erlassene Bestimmungen außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts liegen. Ist der Bereich des Unionsrechts eröffnet, haben die Mitgliedstaaten ihr Ermessen bei der Wahl zwischen den verschiedenen Durchführungsmodalitäten unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts auszuüben, zu denen insbesondere der Grundsatz der Gleichbehandlung gehört (EuGH, Urteil vom 9. März 2017 - C-406/15, Milkova - NZA 2017, 439 Rn. 52 f.). 34 Eine solche Maßnahme stellt auch § 168 SGB IX dar, dessen allgemeiner Zweck darin besteht, den schwerbehinderten Menschen vor Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt zu schützen, die mit seiner Behinderung in Zusammenhang stehen. Die Erreichung dieses Zwecks hängt nicht von der zugrundeliegenden rechtlichen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses ab. Obwohl der Gesetzgeber das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit von der Anwendung des § 168 SGB IX ausgenommen hat, hat er damit keine unmittelbar auf der Behinderung beruhende Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78/EG geschaffen. Denn es wird auf ein Kriterium abgestellt, das nicht untrennbar mit der Behinderung verbunden ist (ebenso bezogen auf den Sachverhalt des Vorabentscheidungsersuchens EuGH, Urteil vom 9. März 2017 - C-406/15, Milkova - NZA 2017, 439 Rn. 42). 35 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erlaubt es Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG den Mitgliedstaaten grundsätzlich, durch eine gesetzliche Regelung, wie §§ 168 ff. SGB IX, Arbeitnehmern mit bestimmten Behinderungen einen spezifischen vorherigen Schutz bei Entlassungen zu gewähren, ohne einen solchen Schutz auch Beamten mit den gleichen Behinderungen zuzubilligen. Allerdings darf diese unterschiedliche Behandlung von schwerbehinderten Menschen im Zusammenhang mit Beschäftigung und Beruf keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz begründen (EuGH, Urteil vom 9. März 2017 - C-406/15, Milkova - NZA 2017, 439 Rn. 64). Der Gerichtshof hat es dem nationalen Gericht überantwortet zu prüfen, ob ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung vorliegt. Der hierbei anzustellende Vergleich muss auf einer Prüfung des gesamten nationalen Rechts zur Regelung der Stellung einerseits der Arbeitnehmer mit einer bestimmten Behinderung und andererseits der Beamten mit der gleichen Behinderung beruhen, wobei das Ziel des Schutzes vor der Entlassung zu berücksichtigen ist. Maßgeblich ist, ob die anwendbaren Vorschriften des nationalen Rechts den Beamten mit Behinderungen insgesamt ein Schutzniveau gewähren, das demjenigen entspricht, das für Arbeitnehmer mit Behinderungen vorgesehen ist. Die Situationen müssen nicht identisch, sondern nur vergleichbar sein. Die Prüfung dieser Vergleichbarkeit darf nicht allgemein und abstrakt sein, sondern muss spezifisch und konkret unter Berücksichtigung von Gegenstand und Ziel der nationalen Regelung, mit der die fragliche Unterscheidung eingeführt wird, erfolgen (EuGH, Urteil vom 9. März 2017 - C-406/15, Milkova - NZA 2017, 439 Rn. 56 bis 64). 36 Nach diesen Vorgaben begründet der Umstand, dass zwar die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber, nicht aber die Zurruhesetzung eines Lebenszeitbeamten wegen Dienstunfähigkeit nach §§ 44 ff. BBG der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf, keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Die Prüfung des gesamten nationalen Rechts zur Regelung der Stellung einerseits der Arbeitnehmer mit einer bestimmten Behinderung im Bereich der beruflichen Beschäftigung und andererseits der Lebenszeitbeamten mit der gleichen Behinderung ergibt, dass die Situationen der beiden Gruppen auch ohne Erstreckung des Erfordernisses der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes nach § 168 SGB IX auf die Zurruhesetzung nach §§ 44 ff. BBG zumindest vergleichbar ist. Jedenfalls bleibt das durch das Verfahren der Zurruhesetzung für Lebenszeitbeamte bewirkte Schutzniveau nicht hinter dem durch §§ 168 ff. SGB IX für Arbeitnehmer begründeten zurück. 37 Die Zustimmung des Integrationsamtes ist ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt mit Doppelwirkung. Ihre Erteilung ist öffentlich-rechtliches Wirksamkeitserfordernis der vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung. Die Zustimmung beseitigt eine öffentlich-rechtliche Verbotsschranke, deren Anordnung dem Zweck dient, bereits im Vorfeld der Kündigung die spezifischen Schutzinteressen schwerbehinderter Arbeitnehmer zur Geltung zu bringen und eine mit den Schutzzwecken des Gesetzes unvereinbare Kündigung präventiv zu verhindern (BVerwG, Urteil vom 10. September 1992 - 5 C 39.88 - BVerwGE 91, 7 <9 f.> zu §§ 12 und 18 SchwbG). Dementsprechend ist eine ohne vorherige Zustimmung ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach § 134 BGB nichtig (BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1995 - 5 C 24.93 - BVerwGE 99, 336 <340>; BAG, Urteil vom 22. September 2016 - 2 AZR 700/15 - NZA 2017, 304 Rn. 18). §§ 168 ff. SGB IX bezwecken danach in erster Linie den Ausgleich der typischerweise geringeren Wettbewerbsfähigkeit schwerbehinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt. Sie sollen vor den besonderen Gefahren, denen sie wegen ihrer Behinderung auf dem Arbeitsmarkt infolge der beabsichtigten Kündigung ausgesetzt sein werden, bewahrt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass sie gegenüber den übrigen Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen geraten (BVerwG, Urteile vom 2. Juli 1992 - 5 C 51.90 - BVerwGE 90, 287 <293> zu § 15 SchwbG und vom 12. Juli 2012 - 5 C 16.11 - BVerwGE 143, 325 Rn. 24; VGH München, Beschluss vom 17. März 2010 - 12 ZB 08.28 46 - juris Rn. 6). Die Aufgabe des Integrationsamtes besteht folglich darin, einen Zusammenhang zwischen Behinderung und Kündigung zu prüfen und gegebenenfalls das Auflösungsinteresse des Arbeitgebers einerseits und den Schutz des Schwerbehinderten andererseits im Rahmen einer Interessenabwägung zu gewichten (BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1992 - 5 C 51.90 - BVerwGE 90, 287 <293>; OVG Saarlouis, Beschluss vom 15. Juli 2021 - 2 A 42/21 - NZA-RR 2021, 622). Der die Entscheidung nach § 168 SGB IX prägende Aspekt des Ausgleichs der typischerweise geringeren Wettbewerbsfähigkeit schwerbehinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt im Falle der Beendigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses ist für die Zurruhesetzung eines Lebenszeitbeamten wegen Dienstunfähigkeit nicht von Bedeutung. 38 § 44 BBG erfasst nur den Beamten auf Lebenszeit und damit einen Beschäftigten, der sich darauf eingerichtet hat, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze im Dienst seines Dienstherrn zu stehen. Die die Folgezeit betreffende Überlegung, ob und inwieweit der Beschäftigte voraussichtlich Schwierigkeiten haben wird, nach der Beendigung des bisherigen Beschäftigungsverhältnisses auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine anderweitige Beschäftigung zu finden, spielt für das Zurruhesetzungsverfahren gerade keine Rolle. Denn die rechtlichen Vorgaben für die anderweitige Verwendung eines Lebenszeitbeamten sind im Gesetz so eng gefasst, dass, sollte noch ein Restleistungsvermögen bestehen, dieses regelmäßig innerhalb des auf Lebenszeit begründeten Beamtenverhältnisses für den bisherigen Dienstherrn (§ 44 Abs. 2 bis 4 und § 45 BBG) und nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu nutzen ist. Der wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig zur Ruhe gesetzte Beamte ist nicht darauf verwiesen, sich im Anschluss an die Zurruhesetzung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt um eine anderweitige Beschäftigung zu bemühen. 39 Wie bereits dargelegt ist für die dem Integrationsamt obliegende Entscheidung von wesentlicher Bedeutung, ob die beabsichtigte Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf Gründe gestützt wird, die in der Behinderung selbst ihre Ursache haben. In diesem Fall sind an die im Rahmen der interessenabwägenden Entscheidung zu berücksichtigende Zumutbarkeitsgrenze für den Arbeitgeber besonders hohe Anforderungen zu stellen, um den im Schwerbehindertenrecht zum Ausdruck kommenden Schutzgedanken der Rehabilitation verwirklichen zu können. Diese Abwägung kann in Ausnahmefällen sogar zur Verpflichtung des Arbeitgebers führen, den schwerbehinderten Arbeitnehmer ""durchzuschleppen""; andererseits findet die im Interesse der Fürsorge für den schwerbehinderten Menschen gebotene Sicherung des Arbeitsplatzes auf jeden Fall dort ihre Grenze, wo eine Weiterbeschäftigung des schwerbehinderten Menschen allen Gesetzen wirtschaftlicher Vernunft widersprechen, insbesondere dem Arbeitgeber einseitig die Lohnzahlungspflicht auferlegt würde (BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1995 - 5 C 24.93 - BVerwGE 99, 336 <339> m. w. N.). Dagegen ist für die Zurruhesetzung eines Lebenszeitbeamten ohne Bedeutung, ob die hierfür maßgeblichen Gründe ihre Ursache in einer Behinderung haben. Für die Feststellung der Dienstunfähigkeit kommt es allein auf den kausalen Zusammenhang zwischen der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Beamten als Ursache und der dauernden Unfähigkeit zur Erfüllung der Dienstleistungspflicht als Wirkung an (BVerwG, Beschluss vom 16. April 2020 - 2 B 5.19 - Buchholz 232.01 § 26 BeamtStG Nr. 11 Rn. 9 f.). 40 Der Zweck des Erfordernisses der Zustimmung des Integrationsamtes wird auch darin gesehen, dass die besonderen gesetzgeberischen Anstrengungen, schwerbehinderten Menschen zu einer ihren Fähigkeiten und Kenntnissen angemessenen Beschäftigung zu verhelfen, nicht wieder dadurch zunichte gemacht werden, dass sich Arbeitgeber ihrer aus sozialpolitischen Gründen auferlegten Pflicht zur Eingliederung von schwerbehinderten Menschen in den Arbeitsprozess im Einzelfall durch Kündigung wieder entledigen (BAG, Urteil vom 16. März 1994 - 8 AZR 688/92 - BAGE 76, 142 Rn. 19). Auch dieser Aspekt ist für die Zurruhesetzung eines Lebenszeitbeamten irrelevant. Denn dem Dienstherrn ist die vorzeitige Beendigung des von ihm begründeten Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit nur unter ganz engen, im Gesetz genannten Voraussetzungen möglich. 41 Auch die Vorgaben für die Entscheidung des Integrationsamtes nach § 172 SGB IX belegen, dass das Schutzniveau der Vorschriften über die Zurruhesetzung nach §§ 44 ff. BBG über das der §§ 168 ff. SGB IX hinausgeht. § 172 SGB IX nennt einige Fälle, in denen das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen hat oder erteilen soll; im Übrigen handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Sie erfordert eine Abwägung des Interesses des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes (BVerwG, Urteil vom 5. Juni 1975 - 5 C 57.73 - BVerwGE 48, 264 <266 f.>). Ferner bestimmt sie die Grenzen dessen, was zur Verwirklichung der dem Schwerbehinderten gebührenden weitgehenden Fürsorge dem Arbeitgeber zugemutet werden darf (BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1992 - 5 C 51.90 - BVerwGE 90, 287 <292 f.>). Demgegenüber geht es bei §§ 44 ff. BBG nicht lediglich um eine Abwägungsentscheidung zwischen der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers und der persönlichen Situation des Arbeitnehmers, bei der die Behinderung angemessen zu berücksichtigen ist. Im Vordergrund steht hier das auf Lebenszeit begründete Beamtenverhältnis, das nur unter ganz engen, im Gesetz genau geregelten Voraussetzungen in ein Ruhestandsbeamtenverhältnis umgewandelt werden kann, insbesondere wenn kein Restleistungsvermögen mehr besteht, das im aktiven Beamtenverhältnis zu nutzen ist. 42 § 172 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nennt einen Fall der zwingenden Erteilung der Zustimmung des Integrationsamtes. Satz 2 beschreibt eine Konstellation, in der das Integrationsamt die Zustimmung erteilen soll. In vergleichbaren Konstellationen gelten die den Beamten schützenden Vorgaben des § 44 BBG dagegen uneingeschränkt. § 172 Abs. 1 Satz 3 SGB IX macht die Geltung der Sätze 1 und 2 vom Einverständnis des schwerbehinderten Menschen abhängig. Dagegen sind die Aspekte der anderweitigen Verwendung im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens nicht von der Zustimmung des betroffenen Beamten abhängig. Die Unvereinbarkeit des Verfahrens nach §§ 168 ff. SGB IX mit dem Zurruhesetzungsverfahren nach §§ 44 ff. BBG zeigt sich ferner an der Regelung des § 172 Abs. 2 SGB IX. Denn dessen Fallkonstellation ist für das Zurruhesetzungsverfahren nicht relevant. Sofern in der betreffenden Beschäftigungsbehörde ein dem Statusamt entsprechender Dienstposten gefunden wird, der gesundheitlich für den Beamten geeignet ist, ist dieser bereits nicht dienstunfähig. Wird ein geeigneter Arbeitsplatz außerhalb der Beschäftigungsbehörde im Geschäftsbereich des Dienstherrn gefunden, ist der Beamte unter dem Aspekt der anderweitigen Verwendung nach § 44 Abs. 1 Satz 3 BBG nicht in den Ruhestand zu versetzen. § 173 SGB IX führt Fälle auf, in denen die Vorgaben der §§ 168 ff. SGB IX nicht gelten (z. B. in Abhängigkeit vom Alter). Demgegenüber ist der Schutz der §§ 44 ff. BBG unabhängig vom Alter des Beamten oder der Dauer des Bestands des Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit. 43 Schließlich ist die Rechtslage nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses des schwerbehinderten Menschen zu berücksichtigen. Auch insoweit ist ein schwerbehinderter Beamter bessergestellt als ein vergleichbarer Arbeitnehmer. Während im Falle der Kündigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich keine rechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien mehr bestehen und der Arbeitnehmer nur unter ganz engen Voraussetzungen die erneute Begründung des Verhältnisses verlangen kann, wird durch die Zurruhesetzung ein Ruhestandsbeamtenverhältnis begründet, aufgrund dessen der Dienstherr dem Beamten in vielfältiger Hinsicht verpflichtet ist. Dazu zählt insbesondere die Reaktivierung im Falle der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Beamten (vgl. § 46 BBG), auf die er nach Maßgabe des § 46 Abs. 5 BBG einen Anspruch hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2009 - 2 C 68.08 - Buchholz 232.0 § 46 BBG 2009 Nr. 1). Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 BBG ist der Dienstherr grundsätzlich verpflichtet, in regelmäßigen Abständen das Vorliegen der Voraussetzungen für die Dienstunfähigkeit zu überprüfen. Wird der Beamte nach seiner Gesundung erneut in das Beamtenverhältnis berufen, gilt das frühere Beamtenverhältnis nach § 46 Abs. 8 BBG als fortgesetzt (vgl. für Beamte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbänden § 29 Abs. 1, 2, 5 und 6 BeamtStG). 44 4. Der Kläger ist dienstunfähig, weil er aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist (§ 44 Abs. 1 BBG). 45 a) Der Begriff der Dienstunfähigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten Nachprüfung der Verwaltungsgerichte unterliegt. Für die Feststellung der gesundheitsbedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit eines Beamten kommt dem Dienstherrn kein der Kontrollbefugnis der Gerichte entzogener Beurteilungsspielraum zu (BVerwG, Urteile vom 5. Juni 2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1 Rn. 17 und vom 16. November 2017 - 2 A 5.16 - Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 12 Rn. 20). 46 Zur Annahme einer Dienstunfähigkeit reicht es nicht aus, dass der Beamte die Aufgaben des von ihm wahrgenommenen Amtes im konkret-funktionellen Sinn (Dienstposten) nicht mehr erfüllen kann. Denn Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist das dem Beamten zuletzt übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinn. Es umfasst alle bei der Beschäftigungsbehörde dauerhaft eingerichteten Dienstposten, auf denen der Beamte amtsangemessen beschäftigt werden kann. Daher setzt Dienstunfähigkeit voraus, dass bei der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der dem statusrechtlichen Amt des Beamten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 26. März 2009 - 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 Rn. 14 und vom 16. November 2017 - 2 A 5.16 - Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 12 Rn. 21). 47 Zur Beurteilung der Dienstfähigkeit müssen die gesundheitlichen Leistungsbeeinträchtigungen festgestellt und deren prognostische Entwicklung bewertet werden. Dies setzt in der Regel medizinische Sachkunde voraus, über die nur ein Arzt verfügt. Dementsprechend sieht § 47 Abs. 1 Satz 1 BBG vor, dass der Dienstherr seine Einschätzung auf der Grundlage eines ärztlichen Gutachtens zu treffen hat (BVerwG, Urteil vom 16. November 2017 - 2 A 5.16 - Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 12 Rn. 22; Beschluss vom 5. September 2019 - 2 B 2.19 - juris Rn. 7). 48 Ein ärztliches Gutachten muss, um Grundlage für eine vorzeitige Zurruhesetzung zu sein, die medizinischen Befunde und Schlussfolgerungen so plausibel und nachvollziehbar darlegen, dass die zuständige Behörde auf dieser Grundlage entscheiden kann, ob der Beamte zur Erfüllung der Dienstpflichten seines (abstrakt-funktionellen) Amtes dauernd unfähig ist. Es muss nicht nur das Untersuchungsergebnis mitteilen, sondern auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe enthalten, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die zu treffende Entscheidung erforderlich ist. Es muss darüber hinaus auch in medizinischer Hinsicht die erforderlichen tatsächlichen Grundlagen dafür liefern, dass der Dienstherr darüber entscheiden kann, ob der Beamte anderweitig auf einem anderen (und ggf. wie beschaffenen) Dienstposten verwendbar ist (§ 44 Abs. 2 bis 4 BBG; vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 2017 - 2 A 5.16 - Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 12 Rn. 23 m. w. N. zur Rspr des Senats). 49 Die Einschaltung eines Arztes bedeutet nicht, dass diesem die Entscheidungsverantwortung für die Beurteilung der Dienstfähigkeit übertragen werden darf. Aufgabe des Arztes ist es (lediglich), den Gesundheitszustand des Beamten festzustellen und medizinisch zu bewerten; hieraus die Schlussfolgerungen für die Beurteilung der Dienstfähigkeit zu ziehen, ist dagegen Aufgabe der Behörde und ggf. des Gerichts. Der Arzt wird lediglich als sachverständiger Helfer tätig, um den zuständigen Stellen diejenige Fachkenntnis zu vermitteln, die für deren Entscheidung erforderlich ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 5. Juni 2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1 Rn. 18 und vom 16. November 2017 - 2 A 5.16 - Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 12 Rn. 25). Der Dienstherr muss die ärztlichen Befunde und Schlussfolgerungen nachvollziehen und sich auf ihrer Grundlage ein eigenes Urteil bilden (BVerwG, Urteile vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 - BVerwGE 147, 244 Rn. 11, vom 30. Oktober 2013 - 2 C 16.12 - BVerwGE 148, 204 Rn. 31 ff. und vom 16. November 2017 - 2 A 5.16 - Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 12 Rn. 25). 50 b) Ausgehend hiervon ist die Annahme der Beklagten, der Kläger sei aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig, mithin dienstunfähig i. S. v. § 44 Abs. 1 BBG, nicht zu beanstanden. 51 Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten fachärztlichen Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. vom 26. September 2018, das der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet (§ 98 VwGO in Verbindung mit § 415 ff. ZPO), sowie den ergänzenden Erläuterungen des Sachverständigen anlässlich der mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2022. Danach bestanden beim Kläger zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids folgende gesundheitliche Beeinträchtigungen: gemischte dissoziative Störung (ICD-10: F44.7); posttraumatische Belastungsstörung, teilremittiert (ICD-10: F43.1); rezidivierende depressive Störung, derzeit mittel- bis schwergradige Episode (ICD-10: F33.1); somatoforme Schmerzstörung (ICD-10: F45.4). 52 Die einzelnen Diagnosen, deren Ausprägung aber auch deren Wechselwirkung untereinander, die zu einer Verstärkung des Beschwerdebildes beim Kläger führen, hat der Sachverständige Dr. G. ausführlich und unter detaillierter Benennung der im Falle des Klägers bestehenden Belastungsfaktoren bei gleichzeitiger Abwesenheit von stützenden Faktoren plausibilisiert. Insbesondere hat der Sachverständige unter Offenlegung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes in sich stimmig begründet, warum er beim Kläger die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt hat, obwohl das ""A-Kriterium"" bei ihm in Anbetracht des Autounfalls lediglich subjektiv erfüllt war. Dass die posttraumatische Belastungsstörung zum hier maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr voll ausgebildet war, sondern es insoweit zu einer Teilremission gekommen ist, ergibt sich für den Senat nachvollziehbar aus den Erläuterungen des Sachverständigen und aus den dem Gutachten zugrundeliegenden Entlassberichten, denen sich eine geringer werdende Ausprägung plausibel entnehmen lässt. 53 Vorgenannte Diagnosen führen beim Kläger zu körperlichen, insbesondere aber auch schwerwiegenden seelischen Beeinträchtigungen, die seine Dienstunfähigkeit bezogen auf das von ihm zuletzt ausgeübte abstrakt-funktionelle Amt zur Folge haben. 54 Hierzu hat der Sachverständige erschöpfend sowie nachvollziehbar begründet ausgeführt, dass gerade bei der das Krankheitsbild des Klägers dominierenden und schwer behandelbaren dissoziativen Störung die Prognose ungünstig ist, weil es den Betroffenen an Krankheitseinsicht mangelt und deshalb therapeutische Angebote nicht wahrgenommen werden. Ein fehlendes Krankheitsverständnis bei fehlender Krankheitseinsicht hat der Sachverständige explizit auch bezogen auf den Kläger festgestellt, der gegenüber dem Sachverständigen zudem selbst angegeben hat, er habe ""sich bis heute nicht mit der psychischen Erklärung für seine Probleme anfreunden"" können. 55 Erschwerend kommt hinzu, dass nach den plausiblen Angaben des Sachverständigen zur Überzeugung des Senats beim Kläger von einer Chronifizierung des Krankheitsbildes auszugehen ist. Dieses Bild vervollständigend hat der Sachverständige überzeugend dargetan, dass sich der beim Kläger festzustellende hohe Leidensdruck gerade auch in der fehlenden Medikamenteneinnahme und der unterbliebenen Inanspruchnahme fachärztlicher Behandlungsangebote auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet manifestiert. In diesen Zusammenhang fügt sich zwanglos die Feststellung im Entlassungsbericht der ... Klinik, B. ... vom 5. September 2016 zum stationären Aufenthalt des Klägers vom 2. Juni bis 21. Juli 2016 ein, wonach der Kläger nicht von traumatherapeutischen Interventionen (im Bericht: ""Intentionen"") und nur teilweise von psychotherapeutisch orientierten Bewegungstherapien profitiert habe. 56 Hinzu kommen die weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die nicht isoliert voneinander betrachtet werden können. Vielmehr hat der Sachverständige in seinem Gutachten nachvollziehbar herausgearbeitet und zudem vor dem Senat betont, dass sich beim Kläger die psychiatrischen Komorbiditäten gegenseitig negativ verstärken und insgesamt in eine negative Wechselwirkung mit der dissoziativen Erkrankung treten. 57 Die beim Kläger vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen in ihrer konkreten Ausprägung zu Funktionsbeeinträchtigungen, die eine vollständige Aufhebung seines Leistungsvermögens zur Folge haben. 58 Der Sachverständige hat hierzu gestützt auf seine eigene Anamnese und die Auswertung des medizinischen Akteninhalts plausibel hervorgehoben, dass die Gesamtheit der psychischen Beeinträchtigungen in einem hohen Maße zu einer generellen Minderung des psychisch-physischen Restleistungsvermögens beim Kläger führt. Dies hat der Sachverständige nachvollziehbar mit den beim Kläger auftretenden kognitiven Beeinträchtigungen, seinen chronischen Schmerzen und einer sehr geringen bzw. stark eingeschränkten Belastungsfähigkeit begründet. Danach stehen dem Kläger nur sehr geringe Ressourcen zur Verfügung, um mit Belastungen umzugehen. Zudem ist von ""sehr"" insuffizienten Reaktionsformen bzw. Bewältigungsversuchen auszugehen. 59 Die mangelnde Belastungstoleranz hat sich nicht nur gegenüber dem Sachverständigen selbst gezeigt, sondern wird auch im Bericht der Fachklinik für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik B. ... vom 19. Februar 2018 zum stationären Aufenthalt des Klägers vom 9. Januar bis 20. Februar 2018 eindrücklich beschrieben. So konnte der Kläger im Rahmen der Arbeitstherapie unter anderem den Arbeitsplan zwar mit Einschränkungen erfassen und umsetzen, ging hierbei aber langsam und mit reduzierter Aufmerksamkeit vor. Auftretende Fehler wurden nur mit Unterstützung gefunden und widerstrebend korrigiert. Hierbei bedurfte es wiederholter Hilfestellungen, ohne dass der Kläger nach eigenen Lösungsmöglichkeiten suchte. Weiter wird von einer unterdurchschnittlich längerfristigen konzentrativen Belastbarkeit bzw. einer unterdurchschnittlichen Konzentrationsfähigkeit und einem unterdurchschnittlichen Leistungsniveau im Bereich des Arbeitstempos berichtet. 60 Dass von einer generellen Minderung des (Rest-)Leistungsvermögens in hohem Maße besonders im beruflichen Bereich auszugehen ist, diese hingegen im privaten und sozialen Bereich weniger eine Rolle spielt, hat der Sachverständige anschaulich damit begründet, dass im beruflichen Umfeld keine bzw. weniger Ausweichmöglichkeiten bestehen, während der private und soziale Bereich ein Vermeidungsverhalten (eher) zulassen. 61 Diese medizinisch begründete Einschätzung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass dem Sachverständigen eine Beschreibung der Tätigkeit des Klägers bezogen auf sein abstrakt-funktionelles Amt nicht vorlag. Denn Aufgabe des Arztes ist, wie bereits ausgeführt, (lediglich), den Gesundheitszustand des Beamten festzustellen und medizinisch zu bewerten; hieraus die Schlussfolgerungen für die Beurteilung der Dienstfähigkeit zu ziehen, ist dagegen Aufgabe der Behörde und ggf. des Gerichts. 62 Die Würdigung der vorliegenden (amts-)ärztlichen Stellungnahmen sowie des Gutachtens und der mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen führt zur Überzeugung des Senats zwingend zu der Schlussfolgerung, dass der Kläger dienstunfähig im Sinne des § 44 Abs. 1 BBG ist. 63 Dabei verkennt der Senat nicht, dass zwischen dem Zeitpunkt der Erstattung des Gutachtens und dem Erlass des Widerspruchsbescheids etwas mehr als 18 Monate liegen. Allein durch den damit verbundenen Zeitablauf wird die amts- bzw. fachärztliche Beurteilung jedoch nicht in Frage gestellt. Denn zum einen ist beim Kläger vom Vorliegen eines chronifizierten Krankheitsbildes auszugehen, zum anderen hat der Kläger trotz Aufforderung des Senats keine auf den Zeitpunkt nach der Begutachtung datierenden medizinischen Unterlagen vorgelegt. Vor diesem Hintergrund fehlt es an Anhaltspunkten für eine (wesentliche) Änderung des Gesundheitszustands des Klägers, die Anlass für eine medizinische Neubewertung bezogen auf den hier entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids geben könnten. 64 Da die Dienstunfähigkeit des Klägers ausgehend von den überzeugenden schriftlichen wie mündlichen Einlassungen des Sachverständigen sowie der weiteren medizinischen Unterlagen auf ein vollumfänglich aufgehobenes (Rest-)Leistungsvermögens des Klägers bei ausgeprägtem negativem Leistungsbild zurückzuführen ist, stellt sich die Frage einer anderweitigen Verwendbarkeit des Klägers (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 bis 4 BBG) nicht. 65 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2022-47,12.07.2022,"Pressemitteilung Nr. 47/2022 vom 12.07.2022 EN Klagen gegen eine Höchstspannungsleitung zwischen Frechen und Brühl erfolglos Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute zwei Klagen gegen eine Höchstspan­nungsfreileitung südwestlich von Köln abgewiesen. Die Leitung, ein Vorhaben nach dem Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG), soll unter anderem die Punkte Frechen und Brühl verbinden und dabei den Ortsteil Hürth-Efferen durch­queren. Für den Neubau werden die Trassenräume vorhandener Freileitungen genutzt, die demontiert und auf dem Gestänge der neuen Leitung mitgeführt werden sollen. Die Kläger sind Erbbauberechtigte an einem Wohngrundstück in unmittelbarer Nähe der geplanten Trasse. Auf ihre Klage hatte das Bundesverwaltungsgericht den ursprünglichen Planfeststellungs­beschluss vom 30. Dezember 2016 in diesem Abschnitt für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263), weil die Möglichkeit einer südlichen Umgehung der Ortslage Hürth nicht aus­reichend ermittelt worden war. In einem Planergänzungsverfahren wurden Varianten geprüft, bei denen die Leitung von Frechen aus zunächst nach Südosten geführt und nach Querung des Waldgebiets zwischen dem Hürther Waldsee und dem Otto-Maigler-See, in dem sich auch das Naturschutzgebiet ""Waldseenbereich Theresia"" be­findet, Richtung Brühl verschwenkt wird. Im Ergebnis verwarf der Planergänzungsbeschluss diese Varianten und hielt an der ursprünglichen Trasse fest. Die dagegen erhobenen Klagen blieben erfolglos. Die gerügten Ver­fahrensfehler liegen nicht vor, insbesondere konnte auf eine erneute vollständige Anhörung und einen Erörterungstermin verzichtet werden. Die Abwägung leidet nicht (mehr) an erheblichen Mängeln. Einige Varianten durften schon im Wege einer Grobprüfung ver­worfen werden. Auch die Möglichkeit, den Chemiepark Knapsack zu queren, musste nicht weiterverfolgt werden. Die für und gegen die näher betrachteten Trassenvarianten sprechenden Belange, darunter vor allem die Beeinträchtigungen der Anwohner und der Siedlungsstruktur sowie von Natur und Landschaft, wurden im Wesentlichen ausreichend ermittelt, bewertet und gewichtet. Das Festhalten an der An­tragstrasse war daher nicht zu beanstanden. BVerwG 4 A 10.20 - Urteil vom 12. Juli 2022","Urteil vom 12.07.2022 - BVerwG 4 A 10.20ECLI:DE:BVerwG:2022:120722U4A10.20.0 EN Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 12.07.2022 - 4 A 10.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:120722U4A10.20.0] Urteil BVerwG 4 A 10.20 In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2022 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Prof. Dr. Külpmann und Dr. Hammer und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger für Recht erkannt: Die Klagen werden abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte. Gründe I 1 Die Kläger wenden sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss in Gestalt eines Planergänzungsbeschlusses für eine Höchstspannungsfreileitung südwestlich von Köln. 2 Der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Köln vom 30. Dezember 2016 stellt den Plan für die Errichtung und den Betrieb der 110-/380-kV-Höchstspannungsfreileitung Rommerskirchen - Sechtem, Bauleitnummer (Bl.) 4215 fest. Die Leitung ist ein Teilstück des als Nr. 15 in den Bedarfsplan zum Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) aufgenommenen Vorhabens ""Neubau Höchstspannungsleitung Osterath - Weißenthurm, Nennspannung 380 kV"". 3 Zwischen Frechen und Brühl nutzt die planfestgestellte Trasse den Trassenraum der zu demontierenden Bl. 4501 (220-/380-kV-Freileitung) und der Bl. 0706 (110-kV-Freileitung ""Gleuel West"" und ""Gleuel Ost""), deren Stromkreise mitgeführt werden. Ab Mast 61 quert sie den Ortsteil Hürth-Efferen in einem Grünzug entlang der Straßen ""In den Höhnen"" und ""Kiebitzweg"". In diesem Bereich liegt das Grundstück, an dem die Kläger als Eigentümer unterschiedlicher Wohnungen zum Zeitpunkt der Klageerhebung miterbbauberechtigt waren und das für einen Schutzstreifen in Anspruch genommen werden soll. Im weiteren Verlauf werden die Stromkreise der Bl. 0706 in die Umspannanlage Kalscheuren eingeführt und sodann - erstmals - als Weiterleitung dieser Stromkreise zwei 110-kV-Stromkreise auf dem Gestänge mitgeführt. Die Trasse verschwenkt sodann in südliche Richtung, verläuft am Ostrand von Köln-Meschenich über landwirtschaftlich genutzte Flächen und erreicht den Punkt Brühl. 4 Auf eine Klage der Kläger erklärte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - (BVerwGE 161, 263) den Planfeststellungsbeschluss hinsichtlich des zwischen dem Punkt Frechen und dem Punkt Brühl liegenden Abschnitts für rechtswidrig und nicht vollziehbar. Die Entscheidung für die Trasse in diesem Bereich war fehlerhaft, weil die Möglichkeit einer Umgehung der Ortslage von Hürth (damals Variante 5a/b) nicht ausreichend ermittelt und abgewogen worden war (a. a. O. Rn. 78 ff.). 5 Der Beklagte führte ein ergänzendes Verfahren durch, ohne die Öffentlichkeit erneut zu beteiligen. Die Kläger konnten in den Räumen der Beigeladenen Einsicht in die Aufstellungsvorgänge nehmen und erhielten die Unterlagen mit Gelegenheit zur Stellungnahme vom 30. April 2020 bis zum 15. Mai 2020. 6 Im Planergänzungsverfahren wurde die ehemalige Variante 5a/b in vier technischen Varianten aufgegliedert und weiter untersucht. Die Varianten umgeben Hürth-Efferen südlich. Sie verlaufen vom Punkt Frechen aus in südöstlicher Richtung, queren das Gebiet zwischen dem Hürther Waldsee und dem Otto-Maigler-See, in dem auch das Naturschutzgebiet und Natura-2000-Gebiet ""Waldseenbereich Theresia"" liegt, verschwenken nach Osten und teilen sich östlich des Chemieparks Knapsack in die Untervarianten A und B auf. Die Untervarianten A verlaufen nordöstlich zwischen den Ortslagen Fischenich und Kendenich, die Untervarianten B südöstlich auf zum Teil neuer Trasse zum Punkt Brühl. Mit Planergänzungsbeschluss vom 25. Juni 2020 hielt die Planfeststellungsbehörde das ursprüngliche Abwägungsergebnis aufrecht. 7 Die Kläger machen geltend, der Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des Planergänzungsbeschlusses leide an Verfahrensmängeln, weil die Planfeststellungsbehörde nicht auf einen Erörterungstermin habe verzichten dürfen und die Einsichtnahme in die Unterlagen erschwert gewesen sei. Das Festhalten an der Antragstrasse erweise sich als abwägungsfehlerhaft. So seien Varianten zu Unrecht schon im Wege der Grobprüfung verworfen worden. Die Einbeziehung der 110-kV-Leitungen in die Planung sei inkonsistent, die Untersuchungsergebnisse zu den Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft seien nicht nachvollziehbar. Belastungen der Anwohner seien nicht ausreichend ermittelt und die von der Vorhabenträgerin vorgelegten Ergebnisse von der Planfeststellungsbehörde nicht geprüft worden. In der Gesamtabwägung seien die Auswirkungen des Vorhabens auf den Menschen zu gering gewichtet worden. 8 Die Kläger beantragen, den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Köln vom 30. Dezember 2016 für die Errichtung und den Betrieb der 110-/380-kV-Höchstspannungsfreileitung Rommerskirchen - Sechtem in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 25. Juni 2020 im Abschnitt Punkt Frechen - Punkt Brühl aufzuheben. 9 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils, die Klagen abzuweisen. 10 Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss. II 11 Die Klagen sind nicht begründet. Der Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des Planergänzungsbeschlusses verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 12 A. Der Planergänzungsbeschluss ist frei von Verfahrensfehlern ergangen. 13 I. Der Beklagte hat ohne Rechtsfehler von einem Erörterungstermin abgesehen. Für das ergänzende Verfahren im Sinne des § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG NRW gilt nach § 43d Satz 1 i. V. m. § 43 Abs. 4 und 5 EnWG der § 76 VwVfG NRW mit der Maßgabe, dass im Falle des § 76 Abs. 1 VwVfG NRW von einer Erörterung im Sinne des § 73 Abs. 6 VwVfG NRW und des § 18 Abs. 1 Satz 4 UVPG abgesehen werden kann. Der Verweis in § 43d Satz 1 EnWG ist nicht auf die Fälle wesentlicher Planänderungen nach § 76 Abs. 1 VwVfG NRW beschränkt. Nach § 43d Satz 1 EnWG i. V. m. § 76 Abs. 3 VwVfG NRW bedarf es auch dann keines Anhörungsverfahrens und damit keines Erörterungstermins, wenn ein ergänzendes Verfahren nicht auf eine Änderung des regelnden Teils des Plans gerichtet ist. In einem solchen Fall erweist sich § 43d Satz 1 EnWG als Rechtsfolgenverweisung (BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 35 f.). 14 Der Senat muss nicht entscheiden, ob und wie der Verzicht auf einen Erörterungstermin im Falle einer unwesentlichen Planänderung oder des Festhaltens am Plan begründet werden muss. Die in dem Planergänzungsbeschluss (PEB S. 5 und S. 83) sowie dem Aktenvermerk vom 19. Mai 2020 niedergelegte Begründung, wonach im Ergänzungsverfahren auf einen Erörterungstermin verzichtet werden konnte, weil keine neuen oder stärkeren Betroffenheiten ausgelöst worden sind und die maßgeblichen Punkte bereits Gegenstand des ursprünglichen Verfahrens waren, genügte jedenfalls. Wie der Wortlaut des § 76 Abs. 3 VwVfG zeigt, ist der Verzicht auf das Anhörungsverfahren und damit auch auf einen Erörterungstermin entgegen der klägerischen Ansicht nicht auf Ausnahmefälle beschränkt. 15 II. Die Kläger wurden ausreichend beteiligt. Nach § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG NRW genügt selbst für den Fall, dass nach der Änderung eines Plans Belange Dritter erstmals oder stärker als bisher berührt werden, eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen. Dies muss erst recht gelten, wenn der Plan im ergänzenden Verfahren aufrechterhalten bleibt. 16 B. Die Entscheidung, an der Antragstrasse festzuhalten, leidet nicht an erheblichen Abwägungsfehlern. 17 Gemäß § 43 Abs. 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsverbot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2021 - 4 A 10.19 - NVwZ 2021, 1615 Rn. 55 m. w. N.). 18 I. Die Auswahl der näher betrachteten Varianten ist nicht zu beanstanden. 19 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Auswahl unter verschiedenen Trassenvarianten ungeachtet rechtlich zwingender Vorgaben eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials müssen einerseits alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingestellt werden. Die Planfeststellungsbehörde handelt andererseits nicht schon dann abwägungsfehlerhaft, wenn eine verworfene Trassenführung ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit sind vielmehr erst dann überschritten, wenn entweder eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen, oder aber wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist. 20 Die Planfeststellungsbehörde ist dabei nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offenzuhalten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen oder von dritter Seite vorgeschlagenen Alternativen gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Sie braucht den Sachverhalt nur so weit zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist; Alternativen, die ihr aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheinen, darf sie schon in einem frühen Verfahrensstadium ausscheiden. Ergibt sich dagegen nicht bereits bei einer Grobanalyse des Abwägungsmaterials die Vorzugswürdigkeit einer Trasse, so muss die Behörde die noch ernsthaft in Betracht kommenden Trassenalternativen im weiteren Planungsverfahren detaillierter untersuchen und vergleichen; die Bevorzugung einer bestimmten Lösung darf nicht auf einer Bewertung beruhen, die zur objektiven Gewichtigkeit der von den möglichen Alternativen betroffenen Belangen außer Verhältnis steht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 32, vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 82 m. w. N. und vom 5. Oktober 2021 - 7 A 13.20 - NVwZ 2022, 726 Rn. 77). 21 1. Im Planergänzungsverfahren musste nicht geprüft werden, ob die Varianten B unter weiterer Parallelführung mit der Bl. 2381 erst am Punkt Brühl Ost an die geplante Trasse hätten anknüpfen können. Mit Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - (BVerwGE 161, 263) hat der Senat den Planfeststellungsbeschluss nur hinsichtlich des zwischen dem Punkt Frechen und dem Punkt Brühl liegenden Abschnitts für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt und die Klagen im Übrigen abgewiesen. Die Punkte Frechen und Brühl stellen daher Zwangspunkte für die Vervollständigung des Vorhabens dar. Varianten, die an Punkten außerhalb dieses Bereichs - etwa dem Punkt Brühl Ost - enden, kamen von vornherein nicht in Betracht. 22 2. Das Ausscheiden der technischen Varianten 2B und 4A im Wege der Grobanalyse ist nicht zu beanstanden. Der Planergänzungsbeschluss stützt diese Entscheidung auf zwei selbstständig tragende Gründe. Das Risiko betrieblicher Einschränkungen und Störungen im Netz sei zu hoch und wesentliche Planungsziele würden nicht erreicht, weil ein Mitführen der 110-kV-Stromkreisverbindungen der W.-GmbH bei diesen Varianten nicht möglich sei. Bereits der erstgenannte Grund ist tragfähig. 23 Unter betrieblichen Einschränkungen versteht der Planergänzungsbeschluss im Anschluss an den Erläuterungsbericht die Reduzierung der Verteil- und Übertragungskapazität durch eine im Einzelfall notwendig werdende Freischaltung einzelner Stromkreise. Das Risiko wird für jede Variante anhand der Zahl der Kreuzungen und Abzweigungen bestimmt, weil diese sowohl bei der Montage und Reparatur als auch in einem Störfall dazu führten, dass weitere Stromkreise freizuschalten seien. Die Risiken werden für einzelne Abzweigungen und Kreuzungen exemplarisch erläutert und quantifiziert. Das Kriterium leuchtet ein und musste nicht durch weitergehende Ermittlungen oder Erläuterungen untermauert werden. Insbesondere mussten die Risiken nicht für jede einzelne Kreuzung und Abzweigung geschildert werden. Nach § 1 Abs. 1 EnWG ist unter anderem eine möglichst sichere Energieversorgung zu gewährleisten. Da mehrere technische Alternativen zur Verfügung stehen, die die weiteren abzuwägenden Belange in ähnlicher Weise berühren, durften die Varianten mit der höchsten Zahl an Kreuzungen und Abzweigungen bereits in einem frühen Planungsstadium ausgeschieden werden. 24 Auf die Frage, ob die Varianten darüber hinaus nicht in Betracht kamen, weil die Verstärkung des 110-kV-Netzes als wesentliches Planungsziel unmittelbar über den gewählten Trassenverlauf erfolgen musste oder ob dieses Ziel auf anderem Wege hätte erreicht werden können, kommt es nicht an. 25 3. Ohne Abwägungsfehler wurde sowohl die Überspannung des Chemieparks als auch dessen Querung nicht näher betrachtet. 26 Die Planfeststellungsbehörde konnte sich in erster Linie auf Sicherheitserwägungen berufen; daneben waren auch die Notwendigkeit eines sehr hohen Mastes bei einer Überspannung und die Schwierigkeiten eines zusätzlichen Mastfundamentes zu berücksichtigen. Die in den Aufstellungsvorgängen enthaltene Liste der vorhandenen Gebäude und Anlagen zeigt, dass sich in dem Chemiepark zahlreiche nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftige Anlagen einschließlich solcher mit explosionsgefährdeten Bereichen befinden. Da mit der nördlichen Umgehung des Chemieparks (Variante 1) und mit dessen Querung am südlichen Rand auf vorhandener Trasse (Varianten 2 bis 4) kleinräumige Alternativen zur Verfügung stehen, die diese Sicherheitsrisiken vermeiden, durfte die Planfeststellungsbehörde insoweit von weiteren Aufklärungsmaßnahmen absehen. 27 4. Schließlich stellt es keinen Abwägungsfehler dar, dass die Vorhabenträgerin die Verstärkung des 110-kV-Netzes bei der Variante 3 durch eine Mitführung der Leitungen auf dem neu zu errichtenden Gestänge geplant und sich hierdurch - wie die Kläger vortragen - möglicherweise um eine günstigere Führung der Leitungen gebracht hat. Es trifft zwar zu, dass die Verstärkung bei den anderen Varianten nur als ""weitere erforderliche Maßnahme"" im Zuge der Erneuerung der Bl. 4501 aufgeführt wurde. Der aus dem Aufstellungsvorgang nachvollziehbare Umstand, dass die W. GmbH ihre - für die Variante 3 in Anspruch genommene - Bl. 2351 als Rückfalloption betrachtet, um die Verstärkung des 110-kV-Netzes in jedem Fall im eigenen Bestandstrassenraum realisieren zu können und einer Inanspruchnahme der Bl. 2351 für die 380-kV-Leitungen nur unter der Bedingung zustimmt, dass die 110-kV-Leitungen mitgeplant werden, rechtfertigt diese Differenzierung. 28 II. Die Ermittlung und Bewertung der betroffenen Belange bei den näher betrachteten Varianten ist nicht zu beanstanden. 29 1. Die Ermittlung der betrieblichen Einschränkungen weist keine Fehler auf. 30 Das Risiko betrieblicher Einschränkungen wird anhand der Zahl der Kreuzungen und Abzweigungen ermittelt und von der Vorhabenträgerin in drei Stufen eingeteilt. Die Rüge der Kläger, anstatt die Kriterien für diese Einteilung nur anzugeben, hätten die Schwierigkeiten für jeden Knotenpunkt dargestellt werden müssen, führt nicht auf einen Abwägungsfehler. Zum einen ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass die Kriterien falsch angewandt worden sind. Zum anderen hat die Planfeststellungsbehörde die Einteilung nicht unbesehen übernommen, sondern die Stufen 1 und 2 ergänzend zusammengefasst, ohne dass sich hierdurch an der Bewertung etwas ändert (PEB S. 96 ff.). Da das Kriterium für die Stufe 3 nicht zu beanstanden ist und ohne weitere Bewertung auskommt (Freischaltung von gleichzeitig mehr als zwei Transportnetzstromkreisen der A. GmbH [220-/380-kV]) waren nähere Ausführungen zu den einzelnen Knotenpunkten entbehrlich. 31 2. Die Ermittlung der Eingriffe in Natur und Landschaft hält der gerichtlichen Prüfung stand. 32 Für die Ermittlung von Eingriffen in Natur und Landschaft durch Höchstspannungsfreileitungen gibt es keine umfassenden normativen Vorgaben oder Fachkonventionen, die eine abschließende Beurteilung nach vorgegebenen Standards ermöglichen. Ist aber eine Prüfung auf außerrechtliche, insbesondere ökologische Bewertungen angewiesen, für die weder normkonkretisierende Maßstäbe noch in den einschlägigen Fachkreisen allgemein anerkannte Maßstäbe und Methoden bestehen, unterliegen diese keiner Richtigkeitsgewähr. Die gerichtliche Kontrolle ist vielmehr darauf beschränkt, ob die Einschätzungen der Planfeststellungsbehörde im konkreten Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind, insbesondere nicht auf einem unzulänglichen oder gar ungeeigneten Bewertungsverfahren beruhen, und ob die Behörde zu einer plausiblen Einschätzung gelangt ist. Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle obliegt darüber hinaus die Prüfung, ob der Behörde bei der Ermittlung und Anwendung der von ihr gewählten - vertretbaren - Methode Verfahrensfehler unterlaufen, sie von einem unrichtigen oder nicht hinreichend tiefgehend aufgeklärten Sachverhalt ausgeht, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lässt (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 259 m. w. N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 1 BvR 2523/13 u. a. - BVerfGE 149, 407 Rn. 17 ff.). 33 a) Gemessen daran weist die Ermittlung der Eingriffe in den Naturhaushalt keine Fehler auf. Der Planergänzungsbeschluss multipliziert im Anschluss an den Erläuterungsbericht bestimmte Flächenverluste (Versiegelung durch Mastfundamente, dauerhafte Rückschnitte, dauerhafte Vegetationseinschränkungen in den Schutzstreifen, temporäre Inanspruchnahme von schwer rekultivierbaren Vegetationsflächen) mit den Biotopwerten aus der ""Numerischen Bewertung von Biotoptypen für die Eingriffsregelung in NRW, September 2008 des LANUV"" – Numerische Bewertung - und erhält so ""ökologische Einheiten"". Dieses Vorgehen ist plausibel und nachvollziehbar. Die betroffenen Biotoptypen sind in den Anlagen 6.17 bis 6.21 zum Planergänzungsbeschluss kartiert. Die dort verwandten Bezeichnungen stimmen mit den Bezeichnungen in der Numerischen Bewertung überein oder lassen sich diesen zuordnen. 34 Sofern die Kläger darauf verweisen, dass von dem Bewertungsvorschlag der Biotoptypen je nach naturräumlicher Ausstattung, Bedeutung, Seltenheit und Naturnähe in Ausnahmefällen mit textlicher Begründung um bis zu zwei Wertstufen nach unten oder oben abgewichen werden kann (S. 6 der Numerischen Bewertung), ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht worden ist oder werden musste. Die Kläger wenden außerdem ein, für einige sehr unterschiedlich ausgebildete, überwiegend anthropogene Biotoptypen sei in der Numerischen Bewertung auf einen Vorschlag verzichtet worden. So lege der Erläuterungsbericht für ein Regenrückhaltebecken am Maststandort 3008 der Variante 1A den Wert ""4"" zugrunde, ohne dass dies nachvollzogen werden könne. Damit ist kein methodischer Fehler bezeichnet. Die Numerische Bewertung verzichtet zwar in Ausnahmefällen auf einen konkreten Vorschlag, gibt aber die Kriterien vor, anhand derer die Biotoptypen einzelfallbezogen zu bewerten sind (Natürlichkeit, Gefährdung/Seltenheit, Ersetzbarkeit/Wiederherstellbarkeit, Vollkommenheit; vgl. Numerische Bewertung S. 6). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass diese Bewertungskriterien nicht eingehalten worden sind, etwa weil die Bewertung des Maststandorts 3008 in einem augenscheinlichen Missverhältnis zu den weiteren 54 Maststandorten der Variante 1A stünde oder sich nicht in dem von der Numerischen Bewertung vorgegebenen Rahmen halte. 35 Schließlich durften Eingriffe, die durch eine provisorisch errichtete Leitung notwendig werden und besonders nachhaltig wirken (vgl. Erläuterungsbericht S. 134 f., BA 2 Anlage 1), in die Berechnung einbezogen werden. 36 b) Die Ermittlung und Bewertung der Beanspruchung von geschützten Teilen von Natur und Landschaft ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Als geschützte Teile von Natur und Landschaft betrachtet der Planergänzungsbeschluss Naturschutzgebiete gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1, § 23 BNatSchG, gesetzlich geschützte Biotope gemäß § 30 BNatSchG, geschützte Landschaftsbestandteile nach § 20 Abs. 2 Nr. 7, § 29 BNatSchG und Landschaftsschutzgebiete nach § 20 Abs. 2 Nr. 4, § 26 BNatSchG. Beeinträchtigungen werden anhand der Zahl der Masten, die innerhalb der Gebietsgrenzen zu montieren bzw. zu demontieren sind und ergänzend anhand der hinzukommenden oder entfallenden Schutzstreifenflächen bewertet. 37 Die Annahme, dass mit der Zahl zu errichtender Masten innerhalb von geschützten Teilen von Natur und Landschaft die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung eines Verbotstatbestandes steigt, ist plausibel. Dieser eher grobe Maßstab zur Abschätzung der Eingriffe ist auch ausreichend. Wie weitgehend die Beeinträchtigung eines bestimmten Belangs untersucht werden muss, hängt von dessen Bedeutung in der Abwägungsentscheidung ab. Die Beeinträchtigung geschützter Landschaftsbestandteile ist hier neben den Eingriffen in den Naturhaushalt und den Eingriffen in das Landschaftsbild einer von drei Unterpunkten der Beeinträchtigung von Natur und Landschaft. Diese bildet ihrerseits einen von insgesamt acht Untersuchungsgegenständen. Bei den Betrachtungen genügte es, die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung eines Verbotstatbestandes anhand der quantitativen Inanspruchnahme geschützter Landschaftsbestandteile abzuschätzen, ohne konkreter auf die Situation vor Ort oder die jeweiligen Verbotstatbestände einzugehen. 38 Ebenfalls nicht auf einen Abwägungsfehler führt der Umstand, dass Leitungsbestandteile, die nur vorübergehend in Landschaftsschutzgebieten errichtet werden müssen, berücksichtigt werden. Gemäß § 26 Abs. 2 BNatSchG sind in einem Landschaftsschutzgebiet nach Maßgabe näherer Bestimmungen alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen. Insofern erweist sich zwar bei Provisorien insbesondere die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes als vorübergehend. Der Planergänzungsbeschluss weist allerdings zutreffend darauf hin, dass auch ein Provisorium einen Verbotstatbestand verwirklichen kann. Zudem erfordert das Anlegen von Mastfundamenten, Schutzstreifen und Baustellenflächen Eingriffe in die Vegetation des Landschaftsschutzgebiets, die ihrerseits die Wahrscheinlichkeit für die Verwirklichung eines Verbotstatbestandes erhöhen. Das zeigen exemplarisch die vorliegend betroffenen Landschaftsschutzgebiete, in denen ganz überwiegend Baum- oder Gehölzbestände zum Schutzziel gehören; dort ist die Verlegung ober- und unterirdischer Versorgungsleitungen verboten und Unterhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten im Bereich der Hochspannungsleitungen, die in Vegetationsbestände oder in den Boden eingreifen, dürfen nur im Einvernehmen mit der unteren Naturschutzbehörde vorgenommen werden. 39 3. Freizeitflächen, insbesondere auch der Grünstreifen entlang des Kiebitzwegs, sind in der Abwägung hinreichend berücksichtigt. Der Senat hat dem Beklagten mit Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - (BVerwGE 161, 263 Rn. 85) aufgegeben, die Siedlungsstruktur in den Blick zu nehmen. Zu diesem Zweck bildet der Planergänzungsbeschluss einen Siedlungsstrukturindex, der besiedelten Flächen nach ihrer Schutzwürdigkeit einen bestimmten Faktor zuweist. Der von den Klägern angesprochene Grünstreifen ist dort als Freizeitfläche erfasst. Er ist mit dem Faktor 0,5 bewertet, während beispielsweise Wohnflächen oder Flächen für Kindergärten den Faktor 3,0 erhalten haben. Das ist nicht zu beanstanden. Grünflächen, die der Erholung dienen, sind weniger schutzbedürftig als Wohnflächen, weil sich dort regelmäßig eine geringere Zahl von Menschen über kürzere Zeiträume aufhält (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 60 zu Kleingärten). Dass dies bei dem Grünstreifen entlang des Kiebitzwegs grundlegend anders ist, haben die Kläger nicht substantiiert dargelegt. 40 4. Einer gesonderten Betrachtung des Artenschutzes in der Abwägung bedurfte es nicht. Es ist rechtskräftig festgestellt, dass die Antragstrasse nicht gegen Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG verstößt (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - Rn. 69 ff.). Die Auswirkungen der Trassen auf Natur und Landschaft wurden unter mehreren Gesichtspunkten erhoben und verglichen (PEB S. 107 ff.). Dass eine vertiefte artenschutzrechtliche Prüfung bei dieser Sachlage weitere abwägungserhebliche Unterschiede hätte zeitigen können, ist nicht dargelegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 - UPR 2022, 141 Rn. 80). 41 5. Die Kosten für die Errichtung der Trassen durften in der Abwägungsentscheidung berücksichtigt werden (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 101 m. w. N.). Der Beklagte hat in Rechnung gestellt, dass bei den Varianten die Bl. 4501 in absehbarer Zeit zusätzlich saniert werden müsste, während die Leitung von der Antragstrasse ohnehin mit auf das neu zu errichtende Gestänge genommen werde. Das ist nicht zu beanstanden. Zweck des Energiewirtschaftsgesetzes ist nach § 1 Abs. 1 EnWG unter anderem die preisgünstige leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität. Die Planfeststellungsbehörde entnimmt der Vorschrift zutreffend das Gebot, Freileitungen kostengünstig herzustellen und zu betreiben (PEB S. 55). Die Sanierung der 1929 errichteten Bl. 4501 steht - unabhängig von der Frage, ob die Verstärkung des 110-kV-Netzes über diese Trasse erfolgt - bis spätestens 2030 an. Lässt sich eine zusätzliche Sanierung bei dem Neubau einer Leitung vermeiden, darf dieser wirtschaftliche Vorteil bei der Auswahl unter verschiedenen Varianten mit dem ihm zukommenden Gewicht berücksichtigt werden. Auf die Frage, ob die Sanierungskosten der Beigeladenen oder anderen Vorhabenträgern erspart bleiben, kommt es dabei nicht an. § 1 Abs. 1 EnWG macht das Gebot der preisgünstigen und effizienten Stromversorgung nicht von dem jeweiligen Vorhabenträger oder Netzbetreiber abhängig. 42 6. Die Behandlung der Immissionen durch elektromagnetische Felder führt nicht auf einen rechtserheblichen Abwägungsfehler. 43 a) Der Planergänzungsbeschluss hält das Interesse an der Verschonung von elektromagnetischen Feldern auch unterhalb der Grenzwerte grundsätzlich für abwägungsrelevant (PEB S. 92) und nimmt an, dass die Varianten voraussichtlich zu geringeren Belastungen der Anwohner führen würden, weil sie in größerer Entfernung von den Siedlungen verlaufen (PEB S. 95). Er geht jedoch davon aus, dass unterschiedlich hohe Immissionsbelastungen unterhalb der Grenzwerte der 26. BImSchV ohnehin keinen Ausschlag für eine der Varianten geben könnten und hält weitere Ermittlungen, die eine Feinplanung der Varianten voraussetzen würde, deshalb für nicht notwendig (PEB S. 95). Diese Ausführungen sind erkennbar von der Entscheidung getragen, Immissionen unterhalb der Grenzwerte der 26. BImSchV keine ausschlaggebende Bedeutung in der Abwägung beizumessen. Dass die Antragstrasse die Grenzwerte einhält, ist durch das Urteil des Senats vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - (BVerwGE 161, 263 Rn. 41 ff.) rechtskräftig festgestellt. 44 Die Planfeststellungsbehörde durfte Immissionsbelastungen unterhalb der Grenzwerte der 26. BImSchV eine Bedeutung für den Variantenvergleich absprechen. Der Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder wird in erster Linie durch die Grenzwerte nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der 26. BImSchV i. V. m. deren Anlage 1a sowie durch das Minimierungsgebot des § 4 Abs. 2 Satz 1 der 26. BImSchV gewährleistet (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 45 ff. und vom 26. Juni 2019 - 4 A 5.18 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 10 Rn. 87 m. w. N.). Darüber hinaus gehört das Interesse an jeglicher Verschonung vor elektromagnetischen Feldern, auch wenn diese die Grenzwerte unterschreiten, zu den erheblichen Belangen in der Abwägung. 45 Das schließt nicht aus, Belastungsunterschieden unterhalb der Grenzwerte in einer konkreten Abwägungssituation ein so geringes Gewicht beizumessen, dass eine Ergebnisrelevanz auszuschließen ist. Die Planfeststellungsbehörde konnte sich für das Vorliegen eines solchen Falles zum einen auf die auf der Antragstrasse bestehende Vorbelastung stützen (PEB S. 95 unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2013 - 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 20 f.). Zum anderen wurde im Planergänzungsverfahren die Siedlungsstruktur ermittelt und bewertet, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Antragstrasse mitten durch die Ortslage verläuft und dadurch gegebenenfalls eine deutlich höhere Anzahl von Menschen dauerhaft beeinträchtigt (PEB S. 103). Nach nicht zu beanstandender Auffassung der Planfeststellungsbehörde trägt der Siedlungsstrukturindex auch den Immissionen durch elektromagnetische Feldern Rechnung (PEB S. 104), so dass diese mittelbar in die Abwägung eingestellt wurden. 46 b) Es kann dahinstehen, ob die bereits im Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - (BVerwGE 161, 263 Rn. 53) beanstandete und nunmehr wiederholte Wertung, die Grenzwerte nach § 3 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Anhang 1a der 26. BImSchV werden auf der Antragstrasse ""deutlich"" unterschritten (PEB S. 92, 95), angesichts elektrischer Feldstärken von bis zu 4,5 kV/m in jeder Hinsicht frei von Fehlern ist. Auch den von den Klägern erstmals in der mündlichen Verhandlung detailliert aufgeworfenen Fragen zur Ermittlung und Nachprüfbarkeit der Immissionswerte muss nicht nachgegangen werden. Sollten der Planfeststellungsbehörde insoweit Fehler unterlaufen sein, wären diese unerheblich. 47 Nach § 43 Abs. 4, § 43d Satz 2 EnWG i. V. m. § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG NRW sind Abwägungsmängel nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Dies ist nicht der Fall, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit fehlt, dass die Planungsentscheidung ohne den Fehler anders, also für den Kläger günstiger ausgefallen wäre. Zur Rechtfertigung dieser Annahme müssen konkrete Anhaltspunkte dafür nachweisbar sein, dass die Planfeststellungsbehörde gleichwohl dieselbe Entscheidung getroffen hätte (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 105; BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 1 BvR 685/12 - NVwZ 2016, 524 Rn. 23). Vorliegend kann ausgeschlossen werden, dass die Planfeststellungsbehörde aufgrund näherer Erkenntnisse zu den Immissionen unterhalb der Grenzwerte der 26. BImSchV zu einem anderen Abwägungsergebnis gekommen wäre. Denn Belastungen der Wohnbevölkerung hat der Planergänzungsbeschluss umfassend und vorrangig durch den Siedlungsindex berücksichtigt, sich aber dennoch für die Antragstrasse entschieden. Weiteren Ermittlungen zu den Immissionen durch elektromagnetische Felder hätten dieses Ergebnis nicht geändert. 48 III. Die Gesamtabwägung leidet nicht an Fehlern. 49 Sofern die Kläger das ""Score-System"" angreifen, mit dem die Vorhabenträgerin aus den jeweiligen Einzelergebnissen die Vorzugswürdigkeit einer Trasse berechnet, übersehen sie, dass der Planergänzungsbeschluss sich dieses System nicht unbesehen zu eigen macht. Das war auch geboten: Die Abwägung verlangt eine planerische Entscheidung, die durch Berechnungen vorbereitet, aber nicht ersetzt werden kann. Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist daher im Ausgangspunkt die in herkömmlich argumentativ-gewichtender Form vorgehende Abwägungsentscheidung des Planergänzungsbeschlusses. 50 In dieser Entscheidung werden weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Die Belange der Anwohner sind durch die Ermittlung und Bewertung der Wohnhausüberspannungen, der Siedlungsstruktur und der optisch bedrängenden Wirkung in die Gesamtabwägung eingeflossen. Sofern die Kläger insoweit ein Ungleichgewicht rügen, setzen sie ihre Wertungen an diejenige der Planfeststellungsbehörde, zeigen aber keinen Abwägungsfehler auf. 51 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2022-51,11.08.2022,"Pressemitteilung Nr. 51/2022 vom 11.08.2022 EN Regelung der Bremischen Beihilfeverordnung über die Beihilfefähigkeit der bei vollstationärer Pflege anfallenden Verpflegungs-, Unterkunfts- und Investitionskosten ist unwirksam Das Bremische Beamtengesetz ermächtigt nicht zum Erlass einer Rechtsverordnung, welche die Beihilfefähigkeit der im Rahmen einer vollstationären Betreuung und Pflege anfallenden Verpflegungs-, Unterkunfts- und Investitionskosten zu Lasten der Beihilfeberechtigten ändert. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Bremische Beihilfeverordnung (BremBVO) enthielt in ihrer bis Ende Juni 2019 maßgeblichen Fassung eine Regelung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Verpflegung und Unterkunft (einschließlich der Investitionskosten der Einrichtung) aus Anlass einer vollstationären Pflege, in der sie einen von den Beamten und Versorgungsempfängern bis zur Höhe eines bestimmten Prozentsatzes ihrer Dienst- und Versorgungsbezüge selbst zu tragenden Betrag festlegte. Für den darüber hinausgehenden Betrag bestand ein Anspruch auf Beihilfe. Mit Wirkung zum 1. Juli 2019 wurde die betreffende Vorschrift ersetzt. Nach der neuen Verordnungsregelung (in § 4j Abs. 2 Satz 1 und 2 BremBVO) sind unter anderem die genannten Pflegenebenkosten beihilfefähig, sofern nach Abzug aller maßgeblichen Kosten von den Bruttobezügen nach dem Bremischen Beamtenbesoldungs- und Versorgungsgesetz höchstens ein nach bestimmten Parametern zu berechnender Selbstbehalt verbleibt. Gegen diese Neuregelung wandte sich der Antragsteller mit seiner Normenkontrolle. Er trat 2003 in den Ruhestand und wurde 2018 zur Betreuung und Pflege vollstationär in einer Pflegeeinrichtung aufgenommen. Er erhielt insoweit von der Antragsgegnerin unter anderem auch für die Verpflegungs-, Unterkunfts- und Investitionskosten Beihilfeleistungen, die nach dem Inkrafttreten der vorgenannten Neuregelung um monatlich 236 € geringer ausfielen. Das Oberverwaltungsgericht hat die angegriffene Vorschrift wegen Verstoßes gegen die verfassungsrechtlich (Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz - GG) verankerte beamtenrechtliche Fürsorgepflicht für unwirksam erklärt. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus anderen Gründen bestätigt und die Revision der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Die Vorschrift des § 4j Abs. 2 Satz 1 und 2 BremBVO verletzt bereits den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, der wegen des Zusammenhangs der Beihilfe mit der den Beamten und Versorgungsempfängern lebenslang geschuldeten Alimentation auch im Beihilferecht gilt. Danach muss der parlamentarische Landesgesetzgeber die tragenden Strukturprinzipien und wesentlichen Einschränkungen des Beihilfesystems selbst festlegen. Dieser hat unter dem letztgenannten Gesichtspunkt grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, dass und in welchem Maße ein bestehender Beihilfestandard abgesenkt werden darf. Deshalb ist eine - wie hier für die Inanspruchnahme vollstationärer Pflege - vom Verordnungsgeber zu Lasten jedenfalls eines Teils der Beamten und Versorgungsempfänger vorgenommene Änderung des Umfangs der bislang als beihilfefähig anerkannten Aufwendungen nur wirksam, wenn sie auf einer hinreichend bestimmten Verordnungsermächtigung des parlamentarischen Landesgesetzgebers beruht. Schränkt der Verordnungsgeber die Beihilfefähigkeit - wie hier - unter Festlegung eines den Betroffenen verbleibenden Betrages ein, der zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts in der jeweiligen Belastungssituation dienen soll, müssen aus einer gesetzlichen Grundlage zumindest auch die Parameter für die Berechnung dieses Betrages hinreichend klar hervorgehen. Diesen Anforderungen wird die im Bremischen Beamtengesetz enthaltene Regelung (§ 80 Bremisches Beamtengesetz in der bis zum 31. Mai 2019 maßgeblichen Fassung) nicht gerecht. Ihr ist bereits nicht zu entnehmen, dass die Verwaltung befugt ist, die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Verpflegung und Unterkunft einschließlich der Investitionskosten bei vollstationärer Pflege zu beschränken. BVerwG 5 CN 1.21 - Urteil vom 11. August 2022 Vorinstanz: OVG Bremen, OVG 2 D 291/19 - Urteil vom 16. Dezember 2020 -","Urteil vom 11.08.2022 - BVerwG 5 CN 1.21ECLI:DE:BVerwG:2022:110822U5CN1.21.0 EN Änderungen der Voraussetzungen für die Beihilfefähigkeit der bei vollstationärer Pflege anfallenden Verpflegungs-, Unterkunfts- und Investitionskosten Leitsätze: 1. Die Änderung des Umfangs der nach dem Bremischen Beihilferecht bislang als beihilfefähig anerkannten Aufwendungen für Verpflegung und Unterkunft einschließlich der Investitionskosten der Pflegeeinrichtung im Rahmen einer vollstationären Pflege zu Lasten der Beihilfeberechtigten durch den Verordnungsgeber setzt eine hinreichend bestimmte Verordnungsermächtigung des parlamentarischen (Landes-)Gesetzgebers voraus. 2. Erfolgt der Ausschluss von der Beihilfefähigkeit unter Festlegung eines Betrages, der zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts in der besonderen Belastungssituation der vollstationären Pflege dienen soll, müssen aus einer gesetzlichen Regelung zumindest auch die Parameter für die Berechnung dieses Betrages hinreichend klar hervorgehen. Rechtsquellen BremBVO § 4j Abs. 2 Satz 1 und 2, Abs. 3 BremBVO a. F. § 4a Abs. 6 Satz 2, § 4d Abs. 2 Satz 1 und 2 BremBG a. F. § 80 Abs. 2 Satz 4 und 5, Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 BremBesG § 3 Abs. 1 BremBesG a. F. § 7 BremBeamtVG § 3 Abs. 1 GG Art. 20 Abs. 1 und 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1, Art. 33 Abs. 5, Art. 80 Abs. 1 Satz 2 Instanzenzug OVG Bremen - 16.12.2020 - AZ: 2 D 291/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 11.08.2022 - 5 CN 1.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:110822U5CN1.21.0] Urteil BVerwG 5 CN 1.21 OVG Bremen - 16.12.2020 - AZ: 2 D 291/19 In der Normenkontrollsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. August 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß, Dr. Harms sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner für Recht erkannt: Die Revision der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 16. Dezember 2020 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Gegenstand der Normenkontrolle ist die Vorschrift des § 4j der Bremischen Beihilfeverordnung (BremBVO) über die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Leistungen der vollstationären Pflege. 2 Die Vorschrift wurde durch die am 21. Mai 2019 beschlossene und am 18. Juni 2019 verkündete Änderungsverordnung (Brem. GBl. S. 442) in die Bremische Beihilfeverordnung eingefügt und ersetzt den mit Änderungsverordnung vom 26. November 2013 (Brem. GBl. S. 621) in die Bremische Beihilfeverordnung eingefügten § 4d Abs. 2 BremBVO a. F. Letzterer verhielt sich ausschließlich zu den Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung einschließlich der Investitionskosten bei vollstationärer Pflege. Er regelte, dass diese Aufwendungen nur beihilfefähig sind, wenn sie die in der Vorschrift festgelegten monatlichen Eigenanteile in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Dienst- und Versorgungsbezüge übersteigen. § 4j Abs. 2 Satz 1 und 2 BremBVO bestimmt demgegenüber, dass die Aufwendungen für Pflegeleistungen, die über die nach Absatz 1 beihilfefähigen Aufwendungen hinausgehen, sowie für Verpflegung und Unterkunft einschließlich der Investitionskosten beihilfefähig sind, sofern von den durchschnittlichen monatlichen nach Absatz 3 maßgeblichen Einnahmen höchstens ein Betrag in Höhe der Summe der in der Vorschrift angegebenen monatlichen Beträge verbleibt. 3 Gegen diese Neuregelung wandte sich der inzwischen verstorbene Ehemann der Antragstellerin im Wege der Normenkontrolle, welche die Antragstellerin als dessen Witwe und Erbin fortführt. Der ... geborene Ehemann der Antragstellerin war Beamter der Antragsgegnerin und trat 2003 in den Ruhestand. Er wurde Mitte 2018 zur Pflege und Betreuung vollstationär in einer Pflegeeinrichtung aufgenommen und erhielt von der Antragsgegnerin auch zu den Aufwendungen für Verpflegung, Unterkunft einschließlich der Investitionskosten der Einrichtung Beihilfeleistungen. Zur Begründung seines Normenkontrollantrages führte der Ehemann der Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass die ihm gewährten Beihilfeleistungen nach dem Inkrafttreten der vorgenannten Neuregelung um monatlich 236 € geringer ausfielen. Die Regelung sei ermessensfehlerhaft, weil die Antragsgegnerin nicht geprüft habe, ob sie geeignet sei, den mit ihr verfolgten Zweck zu erfüllen. Dieser bestehe darin, den amtsangemessenen Lebensunterhalt von Beihilfeberechtigten sicherzustellen, die sich in stationärer Pflege befänden. Dieses Ziel werde jedenfalls in seinem Fall nicht erreicht. Die ihm nach Abzug der Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherung verbleibenden Versorgungsbezüge seien nicht mehr amtsangemessen. Die Antragsgegnerin habe ihrer Fürsorgepflicht gegenüber Beihilfeberechtigten, die sich - wie er - bei Inkrafttreten der Änderung bereits in vollstationärer Pflege befunden hätten, nicht genügt. Sie hätte diese Beihilfeberechtigten von der Regelung ausnehmen oder für sie wenigstens eine langfristige Übergangsregelung schaffen müssen. Denn den Betreffenden sei für den Fall der Absenkung des Beihilfestandards eine Eigenvorsorge nicht mehr möglich gewesen. 4 Das Oberverwaltungsgericht hat die Regelung des § 4j BremBVO antragsgemäß insoweit für unwirksam erklärt, als diese Vorschrift die bisherige Beihilfe für vollstationäre Pflege gemäß § 4d Abs. 2 BremBVO a. F. ersetzt. Die Vorschrift bewege sich zwar innerhalb der dem Bremischen Senat durch die gesetzliche Verordnungsermächtigung eingeräumten Regelungsbefugnis. Sie verstoße aber gegen die in Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich verankerte beamtenrechtliche Fürsorgepflicht. Diese ergänze die ebenfalls durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Alimentationspflicht des Dienstherrn. Deshalb müssten die Regelungen über die Gewährung einer Beihilfe zu den Pflegeleistungen bei vollstationärer Unterbringung für Beamte bzw. Versorgungsempfänger, die nicht darauf verwiesen werden könnten, sie hätten für diesen Fall Eigenvorsorge betreiben müssen, sicherstellen, dass die Regelalimentation nach Abzug der pflegebedingten Aufwendungen noch ausreiche, um den amtsangemessenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dem genügten die Regelungen in § 4j Abs. 2 BremBVO nicht. Denn sie würden den in der Rechtsprechung zum amtsangemessenen Lebensunterhalt entwickelten Abstandsgeboten nicht gerecht. Der den genannten Beamten bzw. Versorgungsempfängern bei Anwendung des § 4j Abs. 2 BremBVO verbleibende Mindestbetrag gewährleiste weder den erforderlichen Abstand von 15 vom Hundert zum Sozialhilfeniveau noch einen hinreichenden Abstand zwischen den unterschiedlichen Besoldungsgruppen. 5 Die Antragsgegnerin hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Nach ihrer Auffassung steht die Neuregelung aus den im Einzelnen dargelegten Gründen mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Fürsorgegrundsatzes im Einklang. 6 Die Antragstellerin verteidigt das angefochtene Urteil. II 7 Die zulässige Revision der Antragsgegnerin ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat dem Normenkontrollbegehren im Ergebnis zu Recht stattgeben. Dabei bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die angegriffene Vorschrift mit dem Fürsorgegrundsatz im Einklang steht. Sie verletzt - entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts - bereits den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes. 8 1. Gegenstand der revisionsgerichtlichen Überprüfung ist - wie auch mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert - in Anknüpfung an den Streitgegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens allein die Frage der Gültigkeit des § 4j Abs. 2 Satz 1 und 2 der Bremischen Beihilfeverordnung (BremBVO) in der Fassung der Verordnung vom 21. Mai 2019 (Brem. GBl. S. 442), soweit diese Vorschrift die Beihilfefähigkeit der im Zusammenhang mit einer vollstationären Pflege als Pflegenebenkosten anfallenden Aufwendungen für Verpflegung und Unterkunft einschließlich der Investitionskosten bei monatlichen (Satz 1) und anderen Abrechnungszeiträumen (Satz 2) der Pflegeeinrichtung regelt. Danach sind diese Aufwendungen auf besonderen Antrag beihilfefähig, sofern von den durchschnittlichen monatlichen nach Absatz 3 maßgeblichen Einnahmen höchstens ein Betrag in Höhe der Summe der in der Vorschrift angegebenen monatlichen Beträge verbleibt. Allein hierüber hat das Oberverwaltungsgericht unter Zugrundelegung des Normenkontrollantrags zu Recht entschieden. Dieser Antrag ist darauf gerichtet, Artikel 1 der Verordnung zur Änderung der Bremischen Beihilfeverordnung vom 21. Mai 2019 insoweit für unwirksam zu erklären, als § 4j BremBVO die bisherige Beihilferegelung für vollstationäre Pflege des mit Änderungsverordnung vom 26. November 2013 (Brem. GBl. S. 621) in die Bremische Beihilfeverordnung eingefügten § 4d Abs. 2 BremBVO a. F. ersetzt. Eine ersetzende Wirkung kann nur soweit eintreten, wie der Regelungsgehalt dieser Vorschrift reicht, also nur hinsichtlich der von ihr ausschließlich geregelten Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Verpflegung, Unterkunft einschließlich der Investitionskosten bei vollstationärer Pflege. Diese waren nach Satz 1 der Vorschrift nicht beihilfefähig, es sei denn, dass sie bei Beihilfeberechtigten mit berücksichtigungsfähigen Angehörigen einen Eigenanteil in Höhe von 30 vom Hundert des Einkommens und bei Beihilfeberechtigten ohne Angehörige sowie bei gleichzeitiger vollstationärer Pflege des Beihilfeberechtigten und aller berücksichtigungsfähigen Angehörigen einen Eigenanteil in Höhe von 70 vom Hundert des Einkommens überstiegen. Zu dem Einkommen zählten nach Satz 2 die Dienst- und Versorgungsbezüge ohne den kindergeldbezogenen Anteil im Familienzuschlag, das Erwerbseinkommen sowie Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus einer Alters- oder Hinterbliebenenversorgung des Beihilfeberechtigten und des Ehegatten. Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass sich der Normenkontrollantrag nicht auf die von § 4j Abs. 2 Satz 1 BremBVO gleichfalls angesprochenen Pflegeleistungen bezieht, die über die nach Absatz 1 beihilfefähigen Aufwendungen hinausgehen. 9 2. Die Änderung der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Beihilfe für die bei einer vollstationären Pflege anfallenden Verpflegungs-, Unterkunfts- und Investitionskosten unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes (a). Sie findet in § 80 des Bremischen Beamtengesetzes (BremBG) vom 22. Dezember 2009 (Brem. GBl. 2010 S. 17), vor dem hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. März 2019 (Brem. GBl. S. 71), keine diesem Vorbehalt gerecht werdende Rechtsgrundlage (b), sodass § 4j Abs. 2 Satz 1 und 2 BremBVO unwirksam ist. Über Ansprüche auf Gewährung einer Beihilfe zu den genannten Aufwendungen ist weiterhin auf der Grundlage des § 4d Abs. 2 BremBVO a. F. zu entscheiden. Für das dabei im Rahmen des Satzes 1 in Ansatz zu bringende Einkommen gilt weiterhin die Definition in Satz 2. 10 a) Die grundlegende Entscheidung über die Änderung der Voraussetzungen für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen, die aus Anlass einer vollstationären Pflege und Betreuung für Verpflegung und Unterkunft einschließlich der Investitionskosten der Pflegeeinrichtung anfallen, ist unter dem Gesichtspunkt der wesentlichen Einschränkung des Beihilfestandards dem bremischen Gesetzgeber vorbehalten. 11 Der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, der sich aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) ergibt und jedenfalls aufgrund des Homogenitätsgebots (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) auch für die Landesgesetzgebung verbindlich ist, gilt auch für das Beihilferecht (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 28. März 2019 - 5 C 4.18 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 56 Rn. 9 m. w. N.). Grund hierfür ist der Zusammenhang der Beihilfe mit der den Beamten bzw. Versorgungsempfängern lebenslang geschuldeten Alimentation, für die das Gesetzlichkeitsprinzip gilt. Besoldung und Versorgung unterliegen einem durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich vorgegebenen Gesetzesvorbehalt (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 <299>; BVerwG, Beschluss vom 2. Dezember 2016 - 2 B 5.16 - Buchholz 240 § 53 BBesG Nr. 2 Rn. 13, jeweils m. w. N.). Ausdruck dessen ist, dass Ansprüche auf Besoldung und Versorgung nur nach Maßgabe der Gesetze bestehen (vgl. zur einfach-gesetzlichen Ausprägung des Grundsatzes in Bremen: § 3 Abs. 1 BremBesG bzw. § 3 Abs. 1 BremBeamtVG). Zur Absicherung des im Besoldungs- und Versorgungsrechts geltenden strikten Gesetzesvorbehalts muss sich auch das beihilferechtliche Regelungssystem an diesem Grundsatz messen lassen. Die Leistungen, die der Dienstherr im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit erbringt, sind für den Beamten bzw. Versorgungsempfänger und seine Familie nicht nur deshalb von herausragender Bedeutung, weil sie die Qualität der Versorgung bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit bestimmen, sondern auch, weil sie das Maß der von dem Beihilfeberechtigten erwarteten Beteiligung an den Kosten der medizinischen und pflegerischen Versorgung festlegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 <105 f.>). Damit kommt den Beihilfevorschriften eine besondere Bedeutung für die Wahrung eines verfassungsgemäßen Alimentationsniveaus zu (BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 B 92.09 - juris Rn. 7). Sowohl die Bestimmungen über die Besoldungs- und Versorgungsbezüge als auch die Vorschriften über den Schutz bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit haben Rücksicht zu nehmen auf die finanzielle Belastbarkeit des Beamten bzw. Versorgungsempfängers. Dieser darf bei dem gegenwärtig praktizierten Mischsystem aus privat finanzierter Vorsorge und ergänzenden Beihilfen nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleiben, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht absichern kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 <106 f.> m. w. N.). Dies gebietet zum einen, dass die tragenden Strukturprinzipien des Beihilfesystems gesetzlich festgelegt werden. Zum anderen muss der Gesetzgeber die Verantwortung für wesentliche Einschränkungen des Beihilfestandards übernehmen (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2010 - 2 B 92.09 - juris Rn. 7 m. w. N. und vom 30. März 2016 - 5 B 11.16 - juris Rn. 13). Unter dem letztgenannten Gesichtspunkt hat der parlamentarische (Landes-)Gesetzgeber, der einen bestimmten Beihilfestandard in seinen Willen aufgenommen hat, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob und in welchem Maße dieser Standard durch die Exekutive abgesenkt werden darf. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die mit Wirkung zum 1. Juli 2019 in Kraft getretene Vorschrift des § 4j Abs. 2 Satz 1 und 2 BremBVO schränkt den Umfang der bislang als beihilfefähig anerkannten Aufwendungen für die in Rede stehenden Nebenkosten einer vollstationären Pflege und Betreuung ein (aa). Diese Einschränkung ist wesentlich (bb). 12 aa) Die Anwendung des § 4j Abs. 2 Satz 1 und 2 BremBVO führt jedenfalls für einen Teil der Beihilfeberechtigten zu einer Kürzung der Beihilfeleistungen für die bei vollstationärer Pflege anfallenden Verpflegungs-, Unterkunfts- und Investitionskosten. Das ergibt sich aus dem Vergleich des Regelungsgehalts der Neuregelung mit der Vorgängerregelung des § 4d Abs. 2 BremBVO a. F. 13 § 4d Abs. 2 BremBVO a. F. spiegelt für die hier in Rede stehenden Aufwendungen für Pflegenebenkosten den Beihilfestandard wider, den der bremische Gesetzgeber im Zeitpunkt der Neufassung des § 7 des Bremischen Besoldungsgesetzes (BremBesG) durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Mai 2008 (Brem. GBl. S. 131) vorgefunden und in seinen Willen aufgenommen hat. Dieser Zeitpunkt ist maßgeblich, weil die Neufassung dieser gesetzlichen Regelung auf der Erkenntnis des bremischen Gesetzgebers basiert, dass die bis dahin geltende Rechtslage mit dem nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch im Beihilferecht geltenden Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes (vgl. insoweit grundlegend BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103) insoweit nicht vereinbar gewesen ist, als die gesetzliche Ermächtigung nicht den Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit von Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Verordnungsermächtigung genügt hat. Der neugefasste § 7 BremBesG sollte dieses Regelungsdefizit beheben und die Normsetzung des bremischen Verordnungsgebers durch eine hinreichend bestimmte Entscheidung des bremischen Gesetzgebers abdecken, ohne die materielle Rechtslage für die Beihilfeberechtigten und ihre Angehörigen zu verändern (Bremische Bürgerschaft, Drucksache 17/206 S. 1 und 8). Daraus ergibt sich, dass der bremische Gesetzgeber mit der Neufassung des § 7 BremBesG das bis zu diesem Zeitpunkt in der Bremischen Beihilfeverordnung angelegte normative Programm gebilligt und übernommen hat. Des Weiteren hat er zum Ausdruck gebracht, dass von dem bremischen Verordnungsgeber grundlegende oder im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn und den Gleichheitssatz bedeutsame neue Einschnitte in das bis dahin geltende Versorgungssystem nicht mehr vorgenommen werden können, ohne dass dies durch eine hinreichend bestimmte gesetzgeberische Entscheidung gedeckt ist. 14 Die wortgleiche Übernahme der Regelung des § 7 BremBesG durch das Gesetz zur Neuregelung des Beamtenrechts in der Freien Hansestadt Bremen - Beamtenrechtsneuregelungsgesetz (BremBNeuG) vom 22. Dezember 2009 (Brem. GBl. S. 17) in § 80 BremBG führt zu keinem anderen Ergebnis. Mit dieser Verschiebung in das Bremische Beamtengesetz sollte dem Fürsorgecharakter der Beihilfeleistungen gesetzessystematisch Rechnung getragen werden (vgl. Bremische Bürgerschaft, Drucksache 17/882 S. 47). Im Übrigen hat der bremische Gesetzgeber an dem bis zur Neufassung des § 7 BremBesG vom bremischen Verordnungsgeber normativ angelegten beihilferechtlichen Leistungsprogramm unverändert festgehalten und bekräftigt, dass künftige Änderungen dieses Programms, die sich als wesentliche Begrenzungen oder Entziehungen von Beihilfeleistungen darstellen, einer hinreichend bestimmten gesetzgeberischen Entscheidung bedürfen. 15 Zu dem damit vom bremischen Gesetzgeber im Mai 2008 in seinen Willen übernommenen Leistungsprogramm gehörte - soweit hier von Bedeutung – § 4a Abs. 6 Satz 2 BremBVO in der Fassung der Änderungsverordnung vom 19. August 1997 (Brem. GBl. S. 317), vor der vorgenannten Neufassung des § 7 BremBesG zuletzt geändert durch Artikel 1 der Änderungsverordnung vom 15. März 2005 (Brem. GBl. S. 99). Danach waren bei stationärer Pflege in einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 Abs. 1 Satz 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung einschließlich der Investitionskosten bis zum niedrigsten Satz einer für die Unterbringung in Betracht kommenden Einrichtung nur insoweit beihilfefähig, als sie bei Beihilfeberechtigten mit berücksichtigungsfähigen Angehörigen einen Eigenanteil in Höhe von 30 vom Hundert des Einkommens und bei Beihilfeberechtigten ohne Angehörige und bei gleichzeitiger stationärer Pflege des Beihilfeberechtigten und aller berücksichtigungsfähigen Angehörigen einen Eigenanteil in Höhe von 70 vom Hundert des Einkommens überstiegen. Die Vorschrift des § 4a Abs. 6 Satz 2 BremBVO wurde durch den mit der Änderungsverordnung vom 26. November 2013 in die Bremische Beihilfeverordnung eingefügten § 4d Abs. 2 abgelöst. Diese Vorschrift fand ihre Rechtsgrundlage in § 80 Abs. 4 BremBG in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Dezember 2009, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 27. März 2012 (Brem. GBl. S. 133). Sie enthielt - soweit hier von Interesse - eine Regelung, die dem (auf der Grundlage des 2008 neugefassten § 7 BremBesG erlassenen) § 4a Abs. 6 Satz 2 BremBVO inhaltlich entsprach (vgl. dazu die Ausführungen oben unter Ziffer II. 1.). Mit § 4j Abs. 2 Satz 1 und 2 BremBVO hat der Verordnungsgeber in den nach den vorgenannten Verordnungsregelungen vorgesehenen Beihilfestandard leistungsmindernd eingegriffen. 16 Das zeigt bereits der Fall des Ehemannes der Antragstellerin, der als Oberamtsrat a. D. der Besoldungsgruppe A 13 angehörte. Diesem wurden nach unbestrittenem Vortrag der Antragstellerin die zu den Aufwendungen für die Pflegenebenkosten gewährten Beihilfeleistungen in Anwendung des § 4j Abs. 2 Satz 1 BremBVO um monatlich 236 € gekürzt. 17 Abgesehen davon und allgemein werden zumindest Beihilfeberechtigte ab einer bestimmten höheren Besoldungsgruppe als A 13 aufgrund der Neuregelung bei vollstationärer Pflege durchgängig weniger Beihilfe zu den Verpflegungs-, Unterkunfts- und Investitionskosten als zuvor erhalten. Das folgt aus der in § 4j Abs. 2 Satz 1 BremBVO - abweichend von der bereits skizzierten Regelung des § 4d Abs. 2 BremBVO a. F. – vorgegebenen Berechnung des Betrages, der einem Beihilfeberechtigten aus den durchschnittlichen monatlichen nach Absatz 3 maßgeblichen Einnahmen höchstens verbleiben muss. Dieser die Beihilfefähigkeit bestimmende Selbstbehalt ist in mehreren Schritten zu berechnen. Ausgangspunkt bilden die gemäß § 4j Abs. 3 BremBVO bereinigten Bruttobezüge des laufenden Kalenderjahres der Antragstellung. Der Selbstbehalt ist die Summe von - stets anzuwendenden - bestimmten nach Fallgruppen differenzierten Prozentbeträgen des Grundgehalts der Stufe 8 der Besoldungsgruppe A 13 und eines bestimmten Prozentsatzes des Grundgehalts der letzten Besoldungsgruppe für die beihilfeberechtigte Person. Bezüglich des Grundgehalts der Stufe 8 der Besoldungsgruppe A 13 unterscheidet der Verordnungsgeber drei Fallgruppen, für die ein Prozentsatz von 8, 30 oder 3 Prozent festgesetzt ist (§ 4j Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BremBVO). Von dem Grundgehalt der letzten Besoldungsgruppe für die beihilfeberechtigte Person sind 3 Prozent in Ansatz zu bringen (§ 4j Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BremBVO). Damit fließen die individuellen Besoldungs- und Versorgungsbezüge des Beihilfeberechtigten zu einem deutlich geringeren Anteil in die Berechnung des Selbstbehalts ein. Das führt im Ergebnis dazu, dass die Beihilfeleistungen für die genannten Pflegenebenkosten mit der Höhe der Besoldungsgruppe kontinuierlich stärker sinken als zuvor. Denn gemäß § 4j Abs. 2 Satz 1 und 2 BremBVO ist eine Beihilfe nur zu gewähren, soweit der Differenzbetrag zwischen den bereinigten Bruttoeinnahmen und dem Selbstbehalt für die Deckung unter anderem der Aufwendungen für Verpflegung und Unterkunft einschließlich der Investitionskosten nicht ausreicht. 18 bb) Die mit § 4j Abs. 2 Satz 1 und 2 BremBVO einhergehende Leistungsbeschränkung überschreitet die Schwelle der Geringfügigkeit (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2012 - 5 C 1.12 - BVerwGE 143, 363 Rn. 13 und Beschluss vom 30. März 2016 - 5 B 11.16 - juris Rn. 13, jeweils m. w. N.) und stellt sich auch sonst als eine wesentliche Einschränkung dar. 19 Als Indiz für das Überschreiten der Geringfügigkeitsschwelle erweist sich bereits die Kürzung der dem Ehemann der Antragstellerin gewährten Beihilfe um monatlich 236 €. Dieser Betrag und erst recht der jährliche Gesamtbetrag von 2 832 € liegen über dem, was noch als geringfügig angesehen werden kann. Unabhängig davon und allgemein ergibt sich die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage aus dem Umstand, dass § 4j Abs. 2 Satz 1 und 2 BremBVO eine neue Berechnungsmethode und Bezugsgröße für die Ermittlung der Beihilfefähigkeit einführt. Diese wird nicht mehr wie bisher daran geknüpft, dass die Aufwendungen für Verpflegung und Unterkunft einschließlich der Investitionskosten einen bestimmten prozentualen Anteil des die individuellen Dienst- und Versorgungsbezüge berücksichtigenden Einkommens des Beihilfeberechtigten übersteigen. Sie ist - wie ausgeführt - vielmehr daran gebunden, dass dem Beihilfeberechtigten ein bestimmter Betrag verbleibt, für dessen Berechnung das Amt und die Besoldungsgruppe des betreffenden Beihilfeberechtigten nicht in gleicher Weise maßgebend sind wie sie es für den nach § 4d Abs. 2 BremBVO a. F. zu ermittelnden Eigenbehalt waren. Eine derart grundlegende Änderung der Voraussetzungen der Beihilfefähigkeit ist in der Regel und so auch hier in besonderem Maße mit Unsicherheiten behaftet und für Prognoseirrtümer anfällig (vgl. zur vergleichbaren Fragestellung bei Umgestaltung der Besoldungsstruktur auch BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 2018 - 2 BvL 2/17 - BVerfGE 149, 382 Rn. 22 m. w. N.) und auch deshalb als wesentlich anzusehen. 20 Maßgeblich für die Annahme einer wesentlichen Einschränkung ist hier überdies und vor allem die besondere Nähe zur Alimentation, die mit der Festlegung des den Betroffenen verbleibenden Betrages einhergeht. Denn dieser Betrag legt im Ergebnis die Untergrenze der Mittel fest, die dem Beamten bzw. Versorgungsempfänger aus seinen Besoldungs- bzw. Versorgungsbezügen zu belassen sind, damit er seinen amtsangemessenen Lebensunterhalt und denjenigen seiner Angehörigen in der besonderen Belastungssituation einer vollstationären Pflegebedürftigkeit bestreiten kann. Von dieser besonderen Nähe der in Rede stehenden Beihilferegelung zur Alimentation ist auch der bremische Verordnungsgeber ausgegangen. Das ergibt sich aus der Vorlage vom 7. Mai 2019 für die Bremer Senatssitzung am 21. Mai 2019. Danach soll § 4j BremBVO der Umsetzung der zum nordrhein-westfälischen Beihilferecht ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung dienen, dass ein Anspruch auf Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes (nach § 12 Abs. 5 Buchst. c BVO NRW a. F.) für die Erstattung der Aufwendungen für eine stationäre Pflege besteht, wenn unter anderem die Regelalimentation des Beamten bzw. Versorgungsempfängers nach Abzug der Pflegekosten nicht mehr ausreicht, um den amtsangemessenen Lebensunterhalt zu bestreiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2012 - 2 C 24.10 - Buchholz 238.927 § 12 BVO NRW Nr. 1 Rn. 19). Obgleich die in den Verlautbarungen des Bremer Senats statt der Bezeichnung als amtsangemessener Lebensunterhalt insoweit gewählte Formulierung des ""verbleibenden Existenzminimums"" bei dauernder Pflegebedürftigkeit (vgl. Vorlage vom 7. Mai 2019 für die Bremer Senatssitzung am 21. Mai 2019 S. 1, 2 und 3; Rundschreiben der Senatorin für Finanzen Nummer 09/2019 vom 28. Juni 2019 zur Änderung der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen, S. 1) missverständlich ist, tritt der vom Verordnungsgeber hergestellte Bezug der Regelung zum Alimentationsniveau der Sache nach deutlich hervor. Denn die Bindung der Beihilfefähigkeit an einen Selbstbehalt sollte dafür sorgen, dass Beamten bzw. Versorgungsempfängern der Freien Hansestadt Bremen nach Abzug der Pflege- und Pflegenebenkosten in jedem Fall die Mittel verbleiben, die ihnen und ihren Angehörigen über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus eine ihrem Amt angemessene Lebensführung ermöglichen. Ein derartiger Regelungsgehalt ist seiner Bedeutung nach im Hinblick auf den Vorbehalt des Gesetzes als wesentlich anzusehen. Könnte der Verordnungsgeber eigenmächtig darüber entscheiden, welcher Betrag einem Beamten bzw. Versorgungsempfänger in der in Rede stehenden Belastungssituation zur Deckung des amtsangemessenen Lebensunterhalts in jedem Fall zur Verfügung stehen soll, könnte damit der im Besoldungs- und Versorgungsrecht geltende strikte Gesetzesvorbehalt und die von ihm ausgehende Schutzfunktion, die auf das Beihilferecht ausstrahlt, partiell unterlaufen werden. Will der Verordnungsgeber die Beihilfefähigkeit - wie hier - unter Festlegung eines solchen Betrages normieren und damit eine Regelung über die Wahrung des Alimentationsniveaus in Fällen stationärer Pflege treffen, müssen daher aus einer gesetzlichen Grundlage zumindest auch die Parameter für die Berechnung dieses Betrages hinreichend klar hervorgehen. Der Gesetzgeber muss die Verantwortung dafür übernehmen und selbst eine Entscheidung darüber treffen, nach welchen Maßstäben und in welchem Umfang den Beamten bzw. Versorgungsempfängern in der genannten Belastungssituation einer Vollzeitpflege Mittel zur Deckung des amtsangemessenen Lebensunterhalts verbleiben sollen. 21 b) An einer solchen Entscheidung des Bremischen Gesetzgebers fehlt es hier. Die einschlägige Verordnungsermächtigung des § 80 BremBG in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Mai 2019 geltenden Fassung genügt diesen Anforderungen jedenfalls nicht. Die Vorschrift enthält keine gemessen an dem auch von dem Landesgesetzgeber zu beachtenden Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichend konkrete Verordnungsermächtigung, welche die durch § 4j Abs. 2 Satz 1 und 2 BremBVO vorgenommene Änderung der Voraussetzungen für die Beihilfefähigkeit der in Rede stehenden Pflegenebenkosten inhaltlich deckt (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Dezember 2017 - 5 C 17.16 - BVerwGE 161, 105 Rn. 17 und vom 28. März 2019 - 5 C 4.18 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 56 Rn. 10). Es fehlt für die streitige Verordnungsregelung hinsichtlich aller Bestimmungen des § 80 BremBG, die als Ermächtigung in Betracht kommen könnten, an jeglicher gesetzgeberischen Festlegung der Parameter für die Berechnung des Betrages, der einem Beamten bzw. Versorgungsempfänger in der in Rede stehenden Belastungssituation zur Deckung des amtsangemessenen Lebensunterhalts zur Verfügung stehen soll. 22 Das gilt zunächst für die Bestimmung des § 80 Abs. 4 BremBG, wonach der Senat durch Rechtsverordnung das Nähere regelt, insbesondere die Abgrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises, die Voraussetzungen und deren Höhe, die Höchstbeträge und das Verfahren für die Gewährung von Beihilfen sowie den völligen oder teilweisen Ausschluss von Behandlungsmethoden, Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln. 23 Eine im oben genannten Sinne hinreichend bestimmte Verordnungsermächtigung ist ferner auch § 80 Abs. 2 Satz 5 i. V. m. Abs. 4 BremBG nicht zu entnehmen. Die im Rahmen einer vollstationären Pflege und Betreuung anfallenden Verpflegungs-, Unterkunft- und Investitionskosten lassen sich zwar thematisch den in § 80 Abs. 2 Satz 5 BremBG behandelten Sach- und Dienstleistungen zuordnen. Die unspezifische und pauschale gesetzliche Regelung, dass Sach- und Dienstleistungen nicht beihilfefähig sind, stellt aber keine hinreichend bestimmte gesetzgeberische Entscheidung dar, das bislang anerkannte Niveau der Beihilfefähigkeit dieser Aufwendungen zu beschränken. 24 Eine entsprechende Beschränkungsbefugnis für die Verwaltung ergibt sich schließlich auch nicht aus § 80 Abs. 3 Satz 3 BremBG. Danach können die beihilfefähigen Aufwendungen durch den Abzug von Eigenbehalten gemindert werden. § 4j Abs. 2 Satz 1 und 2 BremBVO ist keine Regelung zum Eigenbehalt im Sinne dieser Vorschrift. Ein solcher setzt das Vorliegen beihilfefähiger Aufwendungen voraus. Die angegriffene Regelung legt hingegen gerade die Voraussetzungen fest, unter denen die Aufwendungen der Pflegenebenkosten einer vollstationären Pflege nur beihilfefähig sind. 25 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2022-52,11.08.2022,"Pressemitteilung Nr. 52/2022 vom 11.08.2022 EN Begrenzte Klagemöglichkeiten der Gleichstellungsbeauftragten im Organstreitverfahren gegen die Dienststellenleitung Die Gleichstellungsbeauftrage einer Behörde kann nicht uneingeschränkt alle Entscheidungen der Dienststellenleitung, die ihrer Auffassung nach gegen gleichstellungsrechtliche Vorschriften verstoßen, mit einer verwaltungsgerichtlichen Klage angreifen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin, die Gleichstellungsbeauftragte des Bundesnachrichtendienstes (BND), beanstandete die Änderung der verwaltungsinternen Förderungsrichtlinie des BND durch den beklagten Dienststellenleiter. Nach dieser setzte die Beförderung in eine A 16-Führungsposition ursprünglich die Absolvierung einer dreijährigen A 15-Sachgebietsleitung voraus. Mit der angegriffenen Änderung ist vorgesehen, dass die Bewährung für diese Führungsposition in mindestens zwei (jeweils zumindest zweijährigen) unterschiedlichen regelbeurteilten A 15-Sachgebietsleitungen zu erfolgen hat, von denen eine durch die entsprechende Verwendung in einer obersten Bundesbehörde oder als Residenturleitung ersetzt werden kann. Die Klägerin machte gegenüber der Dienststellenleitung geltend, die Änderung der Förderungsrichtlinie verletze gleichstellungsrechtliche Vorgaben des Gesetzes und stelle eine nicht gerechtfertigte mittelbare Diskriminierung der weiblichen Beschäftigten des BND dar, die mit verfassungsrechtlichen Gleichheitsrechten (Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes - GG) nicht vereinbar sei. Ihren darauf gestützten Einspruch hielt der Beklagte für unbegründet. Er blieb auch bei der nächsthöheren Dienststellenleitung ohne Erfolg. Nach gescheiterten Einigungsversuchen hat die Gleichstellungsbeauftragte Klage bei dem Bundesverwaltungsgericht erhoben, die auf die Feststellung gerichtet ist, dass die Zurückweisung ihres Einspruchs rechtwidrig gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht, das im ersten und letzten Rechtszug über Klagen zu entscheiden hat, denen Vorgänge im Geschäftsbereich des BND zugrunde liegen, hat die Klage mangels Klagebefugnis der Gleichstellungsbeauftragten abgewiesen. Zwar eröffnet das Gesetz (§ 34 Abs. 2 Bundesgleichstellungsgesetz - BGleiG) der Gleichstellungsbeauftragten die Möglichkeit, in bestimmten Fällen eine Kompetenzklage gegen die Dienststellenleitung zu erheben, unter anderem wenn diese - wie hier allein in Betracht kommend - ""Rechte der Gleichstellungsbeauftragten"" verletzt hat. Damit sind allein die Mitwirkungs-, Beteiligungs-, Informations- und Verfahrensrechte gemeint, die der Gleichstellungsbeauftragten als Organ der Dienststelle gesetzlich eingeräumt worden sind. Dementsprechend kann die Gleichstellungsbeauftragte auch nur die Beachtung dieser Organrechte gerichtlich überprüfen lassen. Die hier von der Gleichstellungsbeauftragten im konkreten Verfahren als verletzt gerügten Vorschriften über die Gleichstellung von Frauen und Männern (wie das Gleichheitsrecht aus Art. 3 Abs. 2 GG) begründen keine Organrechte der Gleichstellungsbeauftragten. BVerwG 5 A 2.21 - Urteil vom 11. August 2022","Urteil vom 11.08.2022 - BVerwG 5 A 2.21ECLI:DE:BVerwG:2022:110822U5A2.21.0 EN Begrenzte Klagemöglichkeit der Gleichstellungsbeauftragten im Organstreitverfahren gegen die Dienststellenleitung Leitsätze: 1. Die Regelung des § 34 Abs. 2 BGleiG, wonach die Anrufung des Gerichts im Organstreit der Gleichstellungsbeauftragten gegen die Dienststellenleitung nur darauf gestützt werden kann, dass die Dienststelle (Nr. 1) Rechte der Gleichstellungsbeauftragten verletzt hat oder (Nr. 2) einen Gleichstellungsplan erstellt hat, der nicht den Vorgaben der §§ 12 bis 14 BGleiG entspricht, enthält eine Konkretisierung der zulässigen Klagegründe, die sich gegenüber dem weitergefassten Katalog der Einspruchsgründe in § 33 Abs. 1 BGleiG als Beschränkung darstellt. 2. Das Einspruchsrecht des § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG und die damit in Bezug genommenen (materiell-rechtlichen) Vorschriften dieses Gesetzes und anderer Vorschriften über die Gleichstellung sind keine ein Klagerecht vermittelnden ""Rechte der Gleichstellungsbeauftragten"" im Sinne von § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG. 3. Als Angehörige der Personalverwaltung, die der Dienststellenleitung unmittelbar zugeordnet ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGleiG), kann sich die Gleichstellungsbeauftragte im Hinblick auf organschaftliche Innenrechtsstreitigkeiten nicht darauf berufen, aus Art. 19 Abs. 4 GG sei eine Verpflichtung des Gesetzgebers abzuleiten, etwaige organschaftliche (Kompetenz-)Rechte auch einer objektiven Rechtskontrolle durch die Gerichte zu unterstellen. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 und Abs. 3, Art. 19 Abs. 3 und 4, Art. 20 Abs. 3 VwGO § 42 Abs. 2, § 50 Abs. 1 Nr. 4 , § 92 Abs. 3 Satz 1, § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 BGleiG § 1 Abs. 1 und 2, § 4 Abs. 1, § 21 Abs. 1, § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 27 Abs. 1 Nr. 5, § 32 Abs. 2 Satz 1 und 4, § 33 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 4, 5 und 6, Abs. 4 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 und 2, § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGleiG a. F. §§ 18 - 20, § 21 Abs. 1, § 22 Abs. 3 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 11.08.2022 - 5 A 2.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:110822U5A2.21.0] Urteil BVerwG 5 A 2.21 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. August 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner für Recht erkannt: Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob die Änderung der Beförderungsvoraussetzungen für A 16-Stellen beim Bundesnachrichtendienst gegen gleichstellungsrechtliche Regelungen verstößt. 2 Die Klägerin, die Gleichstellungsbeauftragte des Bundesnachrichtendienstes, beanstandete die Änderung der Anlage 1 der ""Richtlinie zur Durchführung von Verfahren zur internen förderlichen Besetzung von Dienstposten und Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern im Bundesnachrichtendienst"", die der Beklagte zu 1, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, auf Weisung des Chefs des Bundeskanzleramtes (Beklagter zu 2) vornahm. Die Anlage zur Förderungsrichtlinie regelt unter anderem die konstitutiven Anforderungen für die Führungsfunktion A 16. Während dafür bisher die Absolvierung einer dreijährigen A 15-Sachgebietsleitung vorausgesetzt wurde, ist nunmehr vorgesehen, dass die Bewährung für diese Führungsposition in mindestens zwei (jeweils zumindest zweijährigen) unterschiedlichen regelbeurteilten A 15-Sachgebietsleitungen zu erfolgen hat, von denen eine durch die entsprechende Verwendung in einer obersten Bundesbehörde oder als Residenturleitung ersetzt werden kann. Die Klägerin machte gegenüber der Dienststellenleitung geltend, die Änderung der Förderungsrichtlinie verletze gleichstellungsrechtliche Vorgaben des Gesetzes und stelle eine nicht gerechtfertigte mittelbare Diskriminierung der weiblichen Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes dar, die mit verfassungsrechtlichen Gleichheitsrechten (Art. 3 Abs. 2 GG) nicht vereinbar sei. Ihren darauf gestützten Einspruch hielt der Beklagte zu 1 für unbegründet. Bei dem Chef des Bundeskanzleramtes (Beklagter zu 2) als nächsthöherer Dienststellenleitung blieb der Einspruch ebenfalls ohne Erfolg. 3 Nach gescheiterten Einigungsversuchen hat die Klägerin bei dem Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben. Sie trägt im Wesentlichen vor, sie sei klagebefugt, weil die Möglichkeit einer Verletzung in ihren organschaftlichen Rechten bestehe. Sie habe ein organschaftliches Recht im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG, aufgrund ihres Einspruchs eine den gleichstellungsrechtlichen Vorgaben entsprechende Sachentscheidung der Dienststelle zu erhalten. Das folge aus § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG, der einen organschaftlichen Anspruch gegenüber der Dienststellenleitung begründe, jedes Verhalten zu unterbinden, das gegen Gleichstellungsregelungen verstoße, sowie aus § 33 Abs. 3 Satz 2 BGleiG, wonach die Dienststellenleitung verpflichtet sei, die betreffenden Maßnahmen und ihre Folgen im Falle der Begründetheit des Einspruchs zu berichtigen. Es gehe dabei nicht um die Ausübung eines Verbandsklagerechts. Eine andere Auslegung liefe der Systematik der §§ 33 und 34 BGleiG sowie deren Zweck entgegen, das verfassungsrechtlich verbürgte Gleichstellungsgebot tatsächlich durchzusetzen, weil das Einspruchsrecht ohne gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit nicht mehr als ein ""zahnloser Tiger"" sei. Die Zurückweisung ihres Einspruchs durch den Beklagten zu 1 sei rechtswidrig gewesen, weil die Änderung der Anlage 1 der Förderungsrichtlinie gegen das verfassungsrechtliche Verbot mittelbarer Diskriminierung und die Pflicht zur aktiven Förderung der Gleichstellung nach § 4 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 und 2 BGleiG und Art. 3 Abs. 2 GG sowie die Zielvorgabe im Bundesgleichstellungsgesetz verstoße, die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen bis zum 31. Dezember 2025 zu erreichen. Wie die vorgelegten Zahlen und Prognosen zeigten, bewirke die Umstellung der Förderungsvoraussetzungen im Vergleich zur bisherigen Regelung, dass sich bis 2025 eine erheblich geringere Anzahl von Frauen für neu zu besetzende A 16-Führungspositionen qualifizieren könne. Diese massive Verschlechterung von Karrierechancen treffe insbesondere Frauen mit Familienpflichten. Rechtfertigungsgründe, die den strengen Rechtfertigungsanforderungen genügten, seien nicht ersichtlich. 4 Die Klägerin beantragt, festzustellen, dass die Zurückweisung des Einspruchs der Klägerin vom 13. Januar 2021 gegen die Anlage 1 zur Förderungsrichtlinie des Bundesnachrichtendienstes rechtswidrig war. 5 Der Beklagte zu 1 beantragt, die Klage abzuweisen. 6 Er hält die Klage schon für unzulässig. Der Klägerin fehle bereits die Klagebefugnis, weil § 34 Abs. 2 BGleiG die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit der Einspruchsgründe des § 33 Abs. 1 BGleiG einschränke und die erforderliche Verletzung von Rechten der Gleichstellungsbeauftragten nicht vorliege. 7 Die Klägerin hat die Klage, soweit diese gegen den Beklagten zu 2 gerichtet war, in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zurückgenommen. II 8 Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO). 9 Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht gem. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO im ersten und letzten Rechtszug zu entscheiden hat, hat keinen Erfolg. Insoweit bedarf es keiner Entscheidung, ob die gegen den Beklagten zu 1 gerichtete Feststellungsklage statthaft ist (1.), weil sie jedenfalls mangels Klagebefugnis der Klägerin unzulässig ist (2.). 10 1. Die Statthaftigkeit einer Feststellungsklage der Gleichstellungsbeauftragten gegen die Dienststellenleitung ergibt sich aus § 34 Abs. 2 BGleiG, wonach die Anrufung des Gerichts unter anderem (Nr. 1) darauf gestützt werden kann, dass die Dienststelle Rechte der Gleichstellungsbeauftragten verletzt hat. § 34 Abs. 2 BGleiG regelt die Kompetenzklage der Gleichstellungsbeauftragten nach erfolgloser Wahrnehmung ihres Einspruchs (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2007 - 6 A 1.06 - Buchholz 272 GleichstellungsR Nr. 3 Rn. 14 zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 22 BGleiG a. F.). Es handelt sich dabei um einen gesetzlich besonders ausgeformten Organstreit (BVerwG, Beschluss vom 30. März 2006 - 2 B 8.06 - juris Rn. 2; Urteil vom 8. April 2010 - 6 C 3.09 - BVerwGE 136, 263 Rn. 12 zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 22 BGleiG a. F.). Dessen Gegenstand ist - was sich unter anderem aus dem systematischen Zusammenhang mit den Regelungen des anlassbezogenen Einspruchsrechts (§ 33 BGleiG) ergibt - auf die Feststellung eines konkreten Rechtsverstoßes durch ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen der Dienststellenleitung beschränkt (BVerwG, Urteil vom 8. April 2010 - 6 C 3.09 - BVerwGE 136, 263 Rn. 12; Beschluss vom 29. April 2021 - 1 WRB 1.21 - juris Rn. 22). 11 Im Ausgangspunkt liegt das Handeln bzw. die von der Klägerin beanstandete Maßnahme des Dienststellenleiters hier darin, dass dieser die im Streit stehende Förderungsrichtlinie geändert hat. Diese Maßnahme war Gegenstand eines Einspruchsverfahrens (§ 33 BGleiG), dem wiederum ein Mitwirkungsverfahren (§ 32 BGleiG) vorgeschaltet ist, wobei die Mitwirkung regelmäßig durch Votum der Gleichstellungsbeauftragten erfolgt, das zu den Akten zu nehmen ist (§ 32 Abs. 2 Satz 1 BGleiG). Dieses Votum muss, wie sich aus § 32 Abs. 2 Satz 4 BGleiG ergibt, auf die beabsichtigte Maßnahme oder Entscheidung der Dienststelle bezogen sein. Dies legt es nahe, dass Gegenstand eines Klageverfahrens grundsätzlich ebenfalls die bereits im Mitwirkungs- wie auch im Einspruchsverfahren von der Gleichstellungsbeauftragten beanstandete Maßnahme oder Entscheidung der Dienststellenleitung zu sein hat, während eine (isolierte) Klage gegen die Einspruchsentscheidung grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Ob deshalb die Wahl des Gegenstandes der Feststellungsklage hier bereits durchgreifende Zweifel an der Statthaftigkeit des Klagegegenstandes begründet, bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn der Klägerin fehlt für den vorliegenden Organstreit unabhängig von der Wahl des Klagegegenstandes jedenfalls die Klagebefugnis. 12 2. Die Klägerin ist nicht entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 34 Abs. 2 BGleiG klagebefugt. 13 Für das verwaltungsgerichtliche Organstreitverfahren ist anerkannt, dass die Regelung des § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend heranzuziehen ist und dementsprechend die Zulässigkeit einer Klage nur gegeben ist, wenn das klagende Organ geltend machen kann, durch den Beklagten in eigenen (Organ-)Rechten verletzt zu sein (vgl. für die Feststellungsklage nach § 34 BGleiG BVerwG, Urteil vom 8. April 2010 - 6 C 3.09 - BVerwGE 136, 263 Rn. 13). Dementsprechend muss auf der Grundlage des Sachvortrags der Klägerin die Möglichkeit bestehen, dass diese durch das gerügte Verhalten der Dienststellenleitung in eigenen - im Innenrechtsstreit gerichtlich wehrfähigen - Rechten verletzt sein kann. Aus welchen Gründen bzw. im Hinblick auf welche Rechtsverletzungen das Gericht im Organstreitverfahren der Gleichstellungsbeauftragten angerufen werden kann, regelt § 34 Abs. 2 BGleiG, sodass die Vorschrift mit der Benennung der statthaften Klagegründe eine Konkretisierung der vorgenannten Anforderungen an die Klagebefugnis normiert (vgl. etwa v. Roetteken, GiP 4/2005, 26 ff.; ders., BGleiG, Stand Juli 2022, § 34 Rn. 43). Danach kann die Anrufung des Gerichts nur darauf gestützt werden, dass die Dienststelle entweder Rechte der Gleichstellungsbeauftragten verletzt hat (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG) oder einen Gleichstellungsplan erstellt hat, der nicht den Vorgaben der §§ 12 bis 14 BGleiG entspricht (§ 34 Abs. 2 Nr. 2 BGleiG). An der allein in Betracht kommenden Möglichkeit der Verletzung von Rechten der Gleichstellungsbeauftragten im Sinne von § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG fehlt es hier. 14 Die Klägerin macht geltend, der beklagte Dienststellenleiter habe mit der Zurückweisung ihres auf § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 und § 1 Abs. 1 und 2 BGleiG sowie Art. 3 Abs. 2 GG gestützten Einspruchs als unbegründet ihr Einspruchsrecht verletzt. Dieses umfasse auch das Recht, durch ihren Einspruch eine den gleichstellungsrechtlichen Vorgaben entsprechende Sachentscheidung der Dienststelle zu erhalten, sie habe mit anderen Worten ein ""Recht auf fehlerfreie Bescheidung ihres Einspruchs"". 15 Es unterliegt bereits Zweifeln, ob der Klägerin ein organschaftliches Recht auf eine fehlerfreie Einspruchsentscheidung zusteht (a). Jedenfalls fehlt es hier an der Klagebefugnis, weil es sich bei dem Einspruchsgrund des § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG, auf den sich die Klägerin stützt, nicht um ein gerichtlich durchsetzbares ""Recht der Gleichstellungsbeauftragten"" im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG handelt (b). 16 a) Die Klägerin hat zwar gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 5 BGleiG ein organschaftliches Recht darauf, dass die Dienststellenleitung über ihren Einspruch entscheidet. Es bestehen aber bereits ernsthafte Zweifel daran, ob dieses Recht auch einen Anspruch auf eine fehlerfreie Einspruchsentscheidung umfasst. 17 Die Dienststellenleitung ist gemäß Art. 20 Abs. 3 GG bei der Entscheidung über den Einspruch an Gesetz und Recht gebunden und daher verpflichtet, über die mit dem Einspruch gem. § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG als verletzt geltend gemachten Gleichstellungsrechte in rechtmäßiger Weise zu entscheiden. Insoweit besteht zwar eine objektivrechtliche Verpflichtung der Dienststelle zur rechtmäßigen Entscheidung über den Einspruch. Gegen ein damit korrespondierendes organschaftliches (im weiteren Sinne subjektives) Recht der Gleichstellungsbeauftragten spricht jedoch schon der Wortlaut des § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG. Wie auch die amtliche Überschrift ""Einspruchsrecht und Einspruchsverfahren"" deutlich macht, sieht diese Vorschrift lediglich ein Recht auf Einlegung eines Einspruchs und Durchführung des gesetzlich vorgesehenen Einspruchsverfahrens, aber kein Recht auf fehlerfreie Entscheidung über den Einspruch vor. Das wird durch den systematischen Zusammenhang mit § 33 Abs. 3 Satz 1 BGleiG bestätigt, der bestimmt, dass die Dienststellenleitung innerhalb eines Monats nach Zugang über den Einspruch entscheiden soll. Das Gesetz begründet damit zwar eine Verpflichtung der Dienststelle zur Bescheidung des Einspruchs, mit der ein formeller Bescheidungsanspruch korrespondiert, also ein organschaftliches Recht der Gleichstellungsbeauftragten darauf, dass überhaupt sowie vollständig und rechtzeitig über den Einspruch entschieden wird. Der Wortlaut der angeführten Vorschriften gibt aber nichts dafür her, dass damit auch ein subjektives Recht auf eine inhaltlich richtige Entscheidung begründet wird. Entgegen der Auffassung der Klägerin dürfte sich ein solches Recht auch nicht aus dem systematischen Zusammenhang mit § 33 Abs. 3 Satz 2 BGleiG herleiten, wonach die betreffenden Maßnahmen und ihre Folgen zu berichtigen sowie die Ergebnisse des Einspruchs bei weiteren vergleichbaren Fällen zu berücksichtigen sind, wenn die Dienststellenleitung den Einspruch für begründet hält. Die Bindung der Folgenberichtigung an die rechtliche Bewertung der Dienststellenleitung spricht im Gegenteil gegen ein organschaftliches Recht der Gleichstellungsbeauftragten auf eine fehlerfreie Einspruchsentscheidung. Denn danach kommt es nicht darauf an, dass der Einspruch nach objektiven Maßstäben (gegebenenfalls durch eine klärende gerichtliche Entscheidung) als begründet anzusehen ist. Maßgeblich ist vielmehr allein, dass ihn die Dienststellenleitung für begründet ""hält"". Hält sie ihn für unbegründet - auch wenn dies objektiv fehlerhaft sein sollte –, greift die Vorschrift nach ihrem klaren Wortlaut nicht ein. Für diesen Fall sieht das Gesetz lediglich vor, dass die Dienststellenleitung den Einspruch der nächsthöheren Dienststellenleitung unverzüglich vorlegt (§ 33 Abs. 4 Satz 1 BGleiG). Auch deren Pflicht zur Folgenberichtigung knüpft gemäß § 33 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 BGleiG) ausschließlich an deren rechtliche Bewertung und nicht an die objektive Richtigkeit der Entscheidung an. 18 Letztlich bedarf es hier keiner abschließenden Entscheidung, ob das Einspruchsrecht der Klägerin auch einen Anspruch auf eine fehlerfreie Einspruchsentscheidung der Dienststellenleitung umfasst. Denn das Bundesgleichstellungsgesetz räumt der Klägerin jedenfalls kein Klagerecht ein, das es ihr ermöglicht, jede von ihr für fehlerhaft gehaltene Entscheidung der Dienststellenleitung über einen gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG erhobenen Einspruch im gerichtlichen Organstreitverfahren überprüfen zu lassen. 19 b) Die in einem Einspruchsverfahren gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG von der Gleichstellungsbeauftragten als verletzt gerügten Gleichstellungsrechte, die allen Beschäftigten zustehen, sind keine ""Rechte der Gleichstellungsbeauftragten"" im Sinne von § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG, auf die diese die Anrufung des Verwaltungsgerichts stützen kann. Sie werden auch nicht dadurch zu gerichtlich wehrfähigen Organrechten der Gleichstellungsbeauftragten, dass diese die Rechtmäßigkeit einer Einspruchsentscheidung der Dienststellenleitung zum Gegenstand der gerichtlichen Prüfung macht. 20 aa) Dafür, dass die gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG im Einspruchsverfahren rügefähige Verletzung von Gleichstellungsrechten kein klagefähiges Recht der Gleichstellungsbeauftragten im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG darstellt, spricht bereits der Wortlaut des § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG. Die wortgleiche Übereinstimmung mit dem Einspruchsgrund des § 33 Abs. 1 Nr. 5 BGleiG legt die Annahme nahe, dass der Gesetzgeber beide in derselben Weise verstanden wissen will. ""Rechte der Gleichstellungsbeauftragten"" im Sinne von § 33 Abs. 1 Nr. 5 BGleiG sind aber nur diejenigen Rechte, die die normativ ausgestaltete Rechtsstellung der Gleichstellungsbeauftragten betreffen sowie ihre gesetzlich ausgeprägten Mitwirkungs-, Beteiligungs-, Informations- und Verfahrensrechte, nicht aber die in einem Einspruchsverfahren gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG rügefähigen ""weiteren Vorschriften dieses Gesetzes oder andere Vorschriften über die Gleichstellung von Frauen und Männern"". 21 Das folgt bereits aus dem unterschiedlichen Wortlaut der genannten Einspruchsgründe sowie daraus, dass der Einspruch gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG nur auf einen Verstoß ""gegen weitere Vorschriften dieses Gesetzes oder gegen andere Vorschriften über die Gleichstellung von Frauen und Männern gestützt"" werden kann. Das Wort ""weitere"" weist darauf hin, dass die übrigen Einspruchsgründe des § 33 Abs. 1 BGleiG mit denen der Nummer 6 nicht identisch sind, sondern durch diesen Einspruchstatbestand ergänzt werden. Systematisch wird dies durch die enumerative Struktur des § 33 Abs. 1 BGleiG und die Fassung des § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG in einem eigenen Tatbestand bestätigt, was nur dann Sinn macht, wenn sich die vorangehende Nummer 5 inhaltlich von der Nummer 6 unterscheidet. Dem steht nicht entgegen, dass § 33 Abs. 1 Nr. 3 BGleiG ein Beteiligungsrecht im Bereich des Gleichstellungsplans gesondert normiert, das nach Auffassung der Klägerin zugleich als ein die Rechtsstellung der Gleichstellungsbeauftragten betreffendes Recht im Sinne von § 33 Abs. 1 Nr. 5 BGleiG zu qualifizieren sei. Denn zum einen ist diese Auslegung nicht zwingend, weil sich § 33 Abs. 1 Nr. 3 BGleiG auch als ausgegliedertes und gegenüber § 33 Abs. 1 Nr. 5 BGleiG spezielleres Einspruchsrecht verstehen lässt, ebenso wie die ebenfalls auf den Gleichstellungsplan bezogenen Einspruchsrechte nach § 33 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 BGleiG als speziellere Einspruchsrechte im Verhältnis zu § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG angesehen werden können (vgl. v. Roetteken, BGleiG, Stand Juli 2022, § 33 Rn. 9). Zum anderen kann allein daraus jedenfalls nicht gefolgert werden, dass Rechte der Gleichstellungsbeauftragten im Sinne von § 33 Abs. 1 Nr. 5 BGleiG i. V. m. § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG zugleich auch solche im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG sind. 22 Für dieses Textverständnis spricht außerdem, dass das durch § 34 Abs. 2 BGleiG begründete Klagerecht nicht auf alle Einspruchsgründe des § 33 Abs. 1 BGleiG Bezug nimmt, sondern, wie das Wort ""nur"" zum Ausdruck bringt, die zulässigen Klagegründe gerade einschränkt. 23 bb) Diesem Auslegungsergebnis entspricht auch die systematische Stellung des § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG. 24 (1) Das gilt zunächst im Hinblick auf die Begrenzung der Klagegründe, die auch darin zum Ausdruck kommt, dass ihr Katalog in § 34 Abs. 2 BGleiG im Vergleich zu den Einspruchsgründen des § 33 Abs. 1 BGleiG deutlich reduziert ist. Diese Beschränkung wäre sinnlos, wenn der Gesetzgeber uneingeschränkt alle Einspruchsgründe des § 33 Abs. 1 BGleiG als wehrfähig hätte ausgestalten wollen. Denn in diesem Fall hätte er auf eine gesonderte Regelung zur Wehrfähigkeit im gerichtlichen Verfahren gänzlich verzichten können, weil dafür § 34 Abs. 1 BGleiG, der den ganz oder teilweise erfolglosen Abschluss eines Einspruchsverfahrens als Sachurteilsvoraussetzung normiert, genügt hätte. 25 (2) Dafür, dass § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG nur den Einspruchsgrund des § 33 Abs. 1 Nr. 5 BGleiG (und ggf. den des § 33 Abs. 1 Nr. 3 BGleiG) in Bezug nimmt, spricht auch die Binnensystematik des § 34 Abs. 2 BGleiG. Nach dessen Nummer 2 kann die Anrufung des Gerichts darauf gestützt werden, dass die Dienststelle einen Gleichstellungsplan erstellt hat, der nicht den Vorgaben der §§ 12 bis 14 BGleiG entspricht. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber, soweit er bestimmte materielle Beanstandungs- und Einspruchsrechte als klagbar ausweisen möchte, dies explizit regelt. Eine entsprechende Regelung hat er hier aber nur für die gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 BGleiG einspruchsbewehrten Beanstandungsrechte aus §§ 12 bis 14 BGleiG getroffen, während das allgemeine materielle Beanstandungsrecht, das über das Einspruchsrecht des § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG vermittelt wird, gerade nicht genannt wird. Soweit davon ausgegangen wird, dass sich § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG auch auf § 33 Abs. 1 Nr. 3 BGleiG beziehen dürfte, der mit dem Verweis auf § 27 Abs. 1 Nr. 5 BGleiG ein explizites Einspruchsrecht hinsichtlich eines verfahrensbezogenen Beteiligungsrechts im Bereich des Gleichstellungsplans gesondert normiert (so v. Roetteken, BGleiG, Stand Juli 2022, § 33 Rn. 89), kann daraus nicht hergeleitet werden, dass durch § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG zugleich das materielle Beanstandungsrecht in Bezug genommen werden soll, das Gegenstand des Einspruchsrechts gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG ist. 26 (3) Eine andere Auslegung des § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht im Hinblick auf den Zweck der damit in systematischem Zusammenhang stehenden Regelungen in § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG bzw. § 33 Abs. 3 Satz 2 BGleiG geboten. 27 Aus dem Umstand, dass § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG ein Einspruchsrecht bei Verstößen gegen Gleichstellungsregelungen gewährt, kann nicht gefolgert werden, dass die Regelung zugleich ein prozessual wehrfähiges Recht vermittelt. Das Einspruchsrecht gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG wird nicht wirkungslos, wenn der Gleichstellungsbeauftragten nicht die Möglichkeit eingeräumt wird, die Entscheidung der Dienststelle über einen darauf gestützten Einspruch auch gerichtlich kontrollieren zu lassen. Vielmehr misst der Gesetzgeber dem damit in Gang gesetzten internen Überprüfungsverfahren unabhängig von der Eröffnung einer Klagemöglichkeit zu Recht einen nicht unbedeutenden Eigenwert bei, wie die Gesetzesbegründung zu § 21 BGleiG a. F. verdeutlicht, dem § 33 BGleiG im Wesentlichen entspricht. Diese sieht die Einführung des Einspruchsverfahrens als verwaltungsinternem Kontrollverfahren mit seinem Devolutiv- und Suspensiveffekt als maßgebliche Änderung zur beabsichtigten Stärkung der Stellung der Gleichstellungsbeauftragten an (BT-Drs. 14/5679 S. 31 f.). Mit Rücksicht darauf hat der Gesetzgeber davon abgesehen, das Antragsrecht des § 22 Abs. 3 BGleiG a. F., das dem des § 34 Abs. 2 BGleiG inhaltlich entspricht, auf die Verletzung weiterer Vorschriften dieses Gesetzes oder anderer Vorschriften über die Gleichstellung von Frauen und Männern zu erstrecken und damit justiziabel zu machen (BT-Drs. 14/5679 S. 32 f.). 28 Ein Recht auf die Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes folgt entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus dem systematischen Zusammenhang mit § 33 Abs. 3 Satz 2 BGleiG. Denn das Antragsrecht nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG und die Folgenberichtigung nach § 33 Abs. 3 Satz 2 BGleiG knüpfen an unterschiedlichen Voraussetzungen an. Die Pflicht zur Folgenberichtigung wird - wie oben dargelegt - ausgelöst, wenn die Dienststellenleitung die von der Gleichstellungsbeauftragten gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG geltend gemachten materiell-rechtlichen Beanstandungen oder sonstige Einspruchsgründe für berechtigt hält und dem Einspruch stattgibt. Damit soll der Dienststellenleitung eine rasche und effektive verwaltungsinterne Streitbeilegung ermöglicht werden (vgl. zum Zweck der inhaltsgleichen Vorgängerregelung des § 22 Abs. 2 Satz 2 BGleiG a. F. BT-Drs. 14/5679 S. 32). Für die Folgenberichtigung ist nicht erforderlich, dass der Einspruch (objektiv) berechtigt bzw. begründet ist. Die Anrufung des Gerichts nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG hat demgegenüber die materielle Richtigkeit der Einspruchsentscheidung zum Gegenstand. Dementsprechend kann § 33 Abs. 3 Satz 2 BGleiG nicht ""leerlaufen"", wenn die Vorschrift nicht durch einen gerichtlichen Rechtsschutz des § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG flankiert wird. 29 cc) Der Zweck des § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG, wie er sich aus der in den Gesetzesmaterialien dokumentierten Entstehungsgeschichte der Regelung erschließt, bestätigt, dass die Beschränkung der danach eröffneten Klagemöglichkeit dem Willen des Gesetzgebers entspricht. 30 Für die Auffassung der Klägerin, dass mit dieser Vorschrift auch § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG in Bezug genommen werden sollte, könnte zwar sprechen, dass die Gesetzesbegründung zu der Gesetzesänderung im Jahre 2015, die zu der aktuellen Fassung des Bundesgleichstellungsgesetzes geführt hat, im Hinblick auf § 34 Abs. 2 BGleiG nicht durchweg konsistent ist und sich dort der Hinweis findet, dass das Klagerecht der Gleichstellungsbeauftragten durch diese Vorschrift gestärkt werden solle und sich ""im Wesentlichen"" aus den Einspruchsmöglichkeiten nach § 33 ergebe (BT-Drs. 18/3784 S. 113). Darauf wird aber nur ""im Wesentlichen"" Bezug genommen und überdies ausdrücklich erwähnt, dass mit der gegenwärtigen Fassung des § 34 Abs. 2 BGleiG die Fassung des früheren § 22 Abs. 3 BGleiG a. F. ""übernommen"" werden soll (BT-Drs. 18/3784 S. 114). Diese wortgleiche Vorläuferregelung des § 34 Abs. 2 BGleiG sollte nach der Gesetzesbegründung explizit das Antragsrecht im Klageverfahren im Verhältnis zum Einspruchsverfahren auf Verstöße gegen die Aufstellung des Gleichstellungsplans und dessen Inhalt sowie gegen die ""Rechte der Gleichstellungsbeauftragten (§§ 18 bis 20)"" ""beschränken"" (BT-Drs. 14/5679 S. 32 f.). Durch den Verweis auf die §§ 18 bis 20 BGleiG (a. F.) hat der Gesetzgeber zugleich präzisiert, dass er unter ""Rechten der Gleichstellungsbeauftragten"" nur deren gesetzlich eingeräumte Mitwirkungs-, Beteiligungs-, Informations- und Verfahrensrechte nach dem Bundesgleichstellungsgesetz verstanden wissen will. Als ""Beschränkung"" macht dies nur dann Sinn, wenn das umfassende materiell-rechtliche Beanstandungsrecht wegen Verstößen gegen Gleichstellungsrechte, das bereits nach § 21 Abs. 1 BGleiG a. F. zu den Einspruchsrechten gehörte, gerade kein Gegenstand des Klagerechts sein sollte. 31 Dafür spricht außerdem, dass in der Gesetzesbegründung zu § 34 Abs. 2 BGleiG ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass der Gleichstellungsbeauftragten wie nach früherer Rechtslage des § 22 Abs. 3 BGleiG a. F ""kein Verbandsklagerecht"" eingeräumt werde (BT-Drs. 18/3784 S. 114; vgl. auch BT-Drs. 14/5679 S. 32 f.). Dem würde es widersprechen, wenn man die in § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG genannten materiellen Gleichstellungsrechte als ""Rechte der Gleichstellungsbeauftragten"" auffassen würde. Soweit überhaupt aus den von der Klägerin als verletzt gerügten Vorschriften der §§ 1 und 4 BGleiG subjektive (Gleichstellungs-)Rechte abgeleitet werden können, stehen diese nämlich den Beschäftigten der Dienststelle zu und nicht der als (besonderer) Teil der Verwaltung handelnden Gleichstellungsbeauftragten. Gleiches gilt für die gerügten Grundrechte des Art. 3 Abs. 2 und 3 GG. Könnte sich die Gleichstellungsbeauftragte im Klageverfahren auf diese Rechte der Beschäftigten stützen und aus ihrer möglichen Verletzung durch die Dienststelle ihre Klagebefugnis herleiten, so liefe dies in der Sache auf eine verbandsklageartige Geltendmachung hinaus. Dies hat der Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollt. 32 dd) Die Auslegung des § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG ist auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen zu korrigieren, um - wie die Klägerin der Sache nach geltend macht - durch Eröffnung der Klagemöglichkeit einen effektiven Rechtsschutz bezüglich des der Gleichstellungsbeauftragten zustehenden Einspruchsrechts aus § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG zu gewährleisten. 33 (1) Eine andere Auslegung ist nicht mit Blick auf das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG geboten. Aus dieser Regelung folgt kein (im weiteren Sinne subjektives) Recht der Gleichstellungsbeauftragten auf die Einräumung von gerichtlichen Klagerechten. 34 Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG beinhaltet zwar (auch) eine objektive Verpflichtung des Gesetzgebers und zielt mit Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit auf die Durchsetzung der Gleichberechtigung für die Zukunft, die Angleichung der Lebensverhältnisse und die Gewährleistung, dass Frauen die gleichen Erwerbschancen haben wie Männer. Dies verpflichtet ihn auch grundsätzlich zur Schaffung geeigneter organisatorischer Vorkehrungen zur Erreichung dieses Ziels. Bei der Frage, wie der Gesetzgeber dem Gebot des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nachkommt, steht ihm jedoch ein Gestaltungsspielraum zu, weil bereits der Wortlaut nur ein ""Hinwirken"" fordert. Die Art und Weise, wie der Staat seine Verpflichtung erfüllt, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken, obliegt seiner Ausgestaltungsbefugnis. Er muss hingegen faktische Diskriminierungen, die sich als Folge seiner Regelungen ergeben, so weit wie möglich vermeiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. November 2003 - 1 BvR 302/96 - BVerfGE 109, 64 <89 f.> m. w. N.). 35 Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG begründet damit keine Verpflichtung, eine bestimmte, das Gleichberechtigungsgebot optimal zur Geltung bringende gesetzliche Lösung zu schaffen, die etwa ein organschaftliches Recht auf umfassenden gerichtlichen Rechtsschutz der Gleichstellungsbeauftragten umfassen würde. Seine objektiv-rechtliche Funktion, die eine ""verfassungsnähere"" Auslegung gebieten könnte, kann im vorliegenden Zusammenhang allenfalls dort zum Tragen kommen, wo das einfache Recht (Auslegungs-)Spielräume belässt. Dafür ist hier angesichts des klaren einfachrechtlichen Auslegungsergebnisses kein Raum. 36 (2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 19 Abs. 4 GG, wonach demjenigen, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen steht. 37 Art. 19 Abs. 4 GG begründet keinen Anspruch der Gleichstellungsbeauftragten, einfachgesetzlich eingeräumte organschaftliche (Kompetenz-)Rechte auch einer objektiven Rechtskontrolle durch die Gerichte unterziehen zu lassen. Als Angehörige der Personalverwaltung, die der Dienststellenleitung unmittelbar zugeordnet ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGleiG), kann sich die Gleichstellungsbeauftragte auf diese verfassungsrechtliche Gewährleistung nicht stützen. Ebenso wenig wie sich juristische Personen des öffentlichen Rechts - soweit sie nicht nach Art. 19 Abs. 3 GG grundrechtsfähig sind - auf Art. 19 Abs. 4 GG berufen können, steht dies ihren Organen oder Organteilen zu (vgl. etwa W. Schenke in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 216. Lieferung, Stand August 2022, Artikel 19 Abs. 4 GG Rn. 216 und Rn. 496 m. w. N.). Organkompetenzen mögen zwar als subjektive Rechte im weiteren Sinne bezeichnet werden, sind als Rechtspositionen im organschaftlichen Rechtskreis aber keine Rechte im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG (Schmidt-Aßmann/Schenk, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2022, Einleitung Rn. 19; Wahl/Schütz, in: Schoch/Schneider, a. a. O., § 42 Abs. 2 Rn. 92 f.; Schmidt-Aßmann, in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand Januar 2022, Art. 19 Abs. 4 Rn. 150). Dies gilt auch für die organschaftlichen Rechte der Gleichstellungsbeauftragten (vgl. allg. zur Personalvertretung BVerwG, Beschluss vom 29. April 2022 - 5 P 10.20 - juris Rn. 15 m. w. N.). Ist dementsprechend Art. 19 Abs. 4 GG auf deren Innenrechtsstreitigkeiten nicht anwendbar, so ist der Gesetzgeber mit Blick auf die Klagbarkeit von Innenrechtspositionen der Gleichstellungsbeauftragten weitgehend frei (vgl. zur Möglichkeit des Gesetzgebers, bei Innenrechtsstreitigkeiten eine Rechtswegsperre vorzusehen: BVerwG, Beschluss vom 8. Februar 2018 - 5 P 7.16 - BVerwGE 161, 164 Rn. 32). Es ist daher Sache des Gesetzgebers und liegt innerhalb seines Gestaltungsspielraums, ob und inwieweit er Organ- und Einspruchsrechte der Gleichstellungsbeauftragten mit gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten im Sinne prozessualer Wehrhaftigkeit versieht. Ohne eine ausdrückliche oder durch Auslegung ermittelbare gesetzliche Einräumung eines entsprechenden prozessual wehrfähigen organschaftlichen Rechts ist davon auszugehen, dass der Gleichstellungsbeauftragten die ihr innerhalb der Verwaltung eingeräumten Kompetenzen nur im Innenverhältnis zur Dienststellenleitung, nicht aber als gerichtlich einklagbares Recht zustehen (vgl. auch OVG Schleswig, Urteil vom 14. Februar 2019 - 2 LB 98/18 - juris Rn. 21 ff.). 38 3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO." bverwg_2022-54,01.09.2022,"Pressemitteilung Nr. 54/2022 vom 01.09.2022 EN Zugang zu Namen und Kontaktdaten aufgrund des Umweltinformationsgesetzes Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg muss erneut darüber entscheiden, ob das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) Zugang zu gewähren hat zu Namen und dienstlichen Kontaktdaten (E-Mail-Adressen und Telefonnummern) von Mitarbeitern von Behörden sowie von Verbänden und Bundestagsfraktionen, die am Verfahren zum Erlass einer Gebührenverordnung beteiligt waren. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin ist ein Unternehmen der Glasindustrie, das nach der Gebührenverordnung zu Gebühren für Amtshandlungen zur Begrenzung der EEG-Umlage für stromkostenintensive Unternehmen herangezogen wurde. Sie beabsichtigt eine Klärung der Rechtmäßigkeit dieser Verordnung. Auf Antrag gewährte ihr das Bundesministerium durch Übersendung von Aktenauszügen Zugang zu Sachinformationen zur Entstehung der Verordnung. In den Unterlagen enthaltene personenbezogene Daten wurden geschwärzt. Dagegen richtet sich die Klage, die zuletzt noch Namen und dienstliche Kontaktdaten von Behördenmitarbeitern unterhalb der Referatsleiterebene sowie von Mitarbeitern von Verbänden und Bundestagsfraktionen betraf. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin beim Oberverwaltungsgericht hatte keinen Erfolg. Wegen des Risikos einer Weiterverbreitung der Daten im Internet und mangels überwiegenden öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe stehe dem Informationszugang der Ablehnungsgrund des Schutzes personenbezogener Daten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG entgegen. Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Es bedarf zusätzlicher tatsächlicher Feststellungen zu der Frage, ob durch eine Offenbarung der Namen und Kontaktdaten Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt werden. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG setzt auf einer ersten, der einzelfallbezogenen Abwägung von Bekanntgabe- und Geheimhaltungsinteresse vorgelagerten Stufe eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung durch eine Offenbarung personenbezogener Daten voraus. Soweit es daran fehlt, räumt der Gesetzgeber dem Bekanntgabeinteresse generell Vorrang ein. In analoger Anwendung von § 5 Abs. 3 und 4 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) fehlt es bei einer Offenbarung der in diesen Bestimmungen genannten personenbezogenen Daten regelmäßig an einer erheblichen Interessenbeeinträchtigung. Das allgemeine Risiko, dass zugänglich gemachte Daten durch den Antragsteller oder Dritte Verbreitung im Internet finden könnten, genügt dafür allein nicht. Dieses Ergebnis steht sowohl mit der Umweltinformationsrichtlinie der Europäischen Union als auch mit Grundrechten der Betroffenen nach dem Grundgesetz sowie der Europäischen Grundrechtecharta in Einklang. Das Oberverwaltungsgericht muss deshalb aufklären, inwieweit die hier Betroffenen dem in § 5 Abs. 3 und 4 IFG genannten Personenkreis angehören, dem eine Offenbarung von Name und Kontaktdaten regelmäßig zumutbar ist. Fußnote: § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG: Soweit 1. durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden, 2. […] 3. […] ist der Antrag abzulehnen, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.   § 5 IFG: (1) […] (2) […] (3) Das Informationsinteresse des Antragstellers überwiegt das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs in der Regel dann, wenn sich die Angabe auf Name, Titel, akademischen Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung, Büroanschrift und -telekommunikationsnummer beschränkt und der Dritte als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise eine Stellungnahme in einem Verfahren abgegeben hat. BVerwG 10 C 5.21 - Urteil vom 01. September 2022 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 1.19 - Urteil vom 10. Juni 2020 - VG Berlin, VG 2 K 384.16 - Urteil vom 22. November 2018 -","Urteil vom 01.09.2022 - BVerwG 10 C 5.21ECLI:DE:BVerwG:2022:010922U10C5.21.0 EN Zugang zu Namen und Kontaktdaten aufgrund des Umweltinformationsgesetzes Leitsätze: 1. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG verstößt nicht gegen die Umweltinformationsrichtlinie oder Grundrechte, soweit er die Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Umweltinformationen im Fall der Offenbarung personenbezogener Daten auf einer ersten, der einzelfallbezogenen Abwägung von Bekanntgabe- und Geheimhaltungsinteresse vorgelagerten Stufe davon abhängig macht, dass durch die Offenbarung der Daten Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden. 2. Das allgemeine Risiko, dass nach dem Umweltinformationsgesetz zugänglich gemachte personenbezogene Daten durch den Antragsteller oder Dritte im Internet weiterverbreitet werden könnten, vermag eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG nicht zu begründen. 3. Die Erheblichkeitsschwelle des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG erfährt in entsprechender Anwendung von § 5 Abs. 3 und 4 IFG eine normative Konkretisierung dahin, dass durch eine Offenbarung der in diesen Bestimmungen genannten Arten personenbezogener Daten Interessen der Betroffenen regelmäßig nicht erheblich beeinträchtigt werden. 4. Ein Tätigwerden als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise im Sinne von § 5 Abs. 3 IFG ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Person, die eine auf Distanz zu den jeweils betroffenen Interessen beruhende Neutralität in Bezug auf Gegenstand und Ausgang des Verfahrens aufweist, als externer Fachexperte herangezogen wird, um ihre fachliche Expertise zu nutzen. 5. Zur ""Büroanschrift"" im Sinne von § 5 Abs. 3 und 4 IFG gehört auch die E-Mail-Adresse, unter der ein Bearbeiter oder Dritter, der als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise eine Stellungnahme in einem Verfahren abgegeben hat, in dieser Funktion erreichbar ist. Rechtsquellen GRC Art. 7 und 8 RL 2003/4/EG Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. f, Unterabs. 2 Satz 1 und 2 GG Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 UIG § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IFG § 5 Abs. 3 und 4 Instanzenzug VG Berlin - 22.11.2018 - AZ: 2 K 384.16 OVG Berlin-Brandenburg - 10.06.2020 - AZ: 12 B 1.19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 01.09.2022 - 10 C 5.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:010922U10C5.21.0] Urteil BVerwG 10 C 5.21 VG Berlin - 22.11.2018 - AZ: 2 K 384.16 OVG Berlin-Brandenburg - 10.06.2020 - AZ: 12 B 1.19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 1. September 2022 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Löffelbein, Dr. Wöckel und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juni 2020 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt den Zugang zu Namen und Kontaktdaten aufgrund des Umweltinformationsgesetzes. Sie ist ein Unternehmen der Glasindustrie, das zu Gebühren nach der Besondere-Ausgleichsregelung-Gebührenverordnung herangezogen wurde und beabsichtigt eine Klärung der Rechtmäßigkeit dieser Verordnung. Mit Schreiben vom 11. Mai 2016 beantragte sie bei dem damaligen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Zugang zu sämtlichen Informationen zur Kalkulation der Gebührensätze der Verordnung in der Fassung vom 1. August 2014, zum zugrunde gelegten Verwaltungsaufwand sowie zur Entstehung der Verordnung. Das Ministerium entschied mit Bescheid vom 9. Juni 2016, der Klägerin die gewünschten Aktenabschnitte in Kopie zuzusenden. Soweit die Unterlagen personenbezogene Daten enthielten, wurden sie geschwärzt. 2 Dagegen erhob die Klägerin am 14. Juni 2016 Widerspruch und am 26. September 2016 Klage. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2016 hob das Ministerium den Bescheid vom 9. Juni 2016 unter Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen teilweise auf, insbesondere soweit Namen von Abteilungs-, Unterabteilungs- und Referatsleitern geschwärzt worden waren. Gegenstand der Klage waren zuletzt noch die in einer von der Beklagten als Anlage B 6 eingereichten Übersicht als geschwärzte personenbezogene Daten bezeichneten Informationen. Dabei handelt es sich um Namen, Amtsbezeichnungen und dienstliche Kontaktdaten (E-Mail-Adressen und Telefonnummern) von Behördenbediensteten unterhalb der Referatsleiterebene sowie von Mitarbeitern von Verbänden und Bundestagsfraktionen. 3 Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Einem Anspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG stehe der Ablehnungsgrund gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG entgegen. Das von der Beklagten geltend gemachte Risiko einer Weiterverbreitung der streitigen Daten im Internet genüge zwar dann nicht für die Annahme einer erheblichen Interessenbeeinträchtigung, wenn man darin eine eigenständige Voraussetzung des Ablehnungsgrundes sähe. Denn dieses Risiko sei jeder Preisgabe von Umweltinformationen immanent. Das nationale Recht sei aber im Lichte der Umweltinformationsrichtlinie sowie der Art. 7 und 8 GRC auszulegen, die jeweils eine Abwägung von Informations- und Geheimhaltungsinteresse im Einzelfall verlangten. Diese Abwägung falle zu Lasten der Klägerin aus, weil das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Informationen nicht überwiege. 4 Im Berufungsverfahren hat die Beklagte der Klägerin Zugang zu den noch nicht offengelegten Amtsbezeichnungen zugesagt. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Der Ablehnungsgrund sei unabhängig davon erfüllt, ob eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung bei jeder Bekanntgabe personenbezogener Daten oder nur dann anzunehmen sei, wenn ein Geheimhaltungsinteresse von gewissem Gewicht betroffen sei. Denn auch das sei hier wegen des Risikos einer Internetveröffentlichung der noch streitigen Namen und Kontaktdaten niederrangiger Amtsträger sowie Behördenexterner der Fall. 5 Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision. Sie macht geltend: Das Erfordernis einer erheblichen Interessenbeeinträchtigung sei eine gegenüber dem Umstand der Offenbarung personenbezogener Daten eigenständige und der Interessenabwägung vorgelagerte Voraussetzung des Ablehnungsgrundes. Die abstrakte Möglichkeit einer Weiterverbreitung von Daten im Internet begründe keine erhebliche Interessenbeeinträchtigung, weil dieses Erfordernis ansonsten faktisch leerliefe und das Regel-Ausnahme-Verhältnis von Informationszugang und Zugangsversagung im Ergebnis umgekehrt werde. Grundrechte stünden der Zugangsgewährung nicht entgegen. Namen und dienstliche Kontaktdaten sagten über die persönlichen Verhältnisse der Betroffenen wenig aus. In § 5 Abs. 3 und 4 IFG gehe der Gesetzgeber davon aus, dass ihnen eine Offenbarung derartiger Daten regelmäßig zumutbar sei. Für das Umweltinformationsrecht könne nichts Anderes gelten. 6 Die Klägerin beantragt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juni 2020 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. November 2018 werden geändert. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheids vom 9. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2016 verpflichtet, der Klägerin Zugang zu den Informationen zu gewähren, die in der im erstinstanzlichen Verfahren am 31. Januar 2018 zu den Gerichtsakten gegebenen Anlage B 6 als geschwärzte personenbezogene Daten bezeichnet sind, mit Ausnahme der Daten, die Unterlagen aus dem Jahr 2017 betreffen. 7 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Sie verteidigt das angefochtene Urteil. In unionsrechtskonformer Auslegung und mit Rücksicht auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedürfe es schon für die Feststellung einer erheblichen Interessenbeeinträchtigung einer Abwägung im Einzelfall. Wegen der fehlenden Zweckbindung des Zugangsanspruchs seien auch nur potenzielle Verwendungen und somit die Möglichkeit einer Weiterverbreitung von Daten im Internet unabhängig von entsprechenden konkreten Absichten der Klägerin beachtlich. 9 Die Beteiligte trägt vor, der Ablehnungsgrund setze auf einer ersten, der Interessenabwägung vorgelagerten Stufe eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung als Folge einer Offenbarung personenbezogener Daten voraus. Damit trage der Gesetzgeber dem unionsrechtlichen Gebot einer engen Auslegung der Ablehnungsgründe Rechnung. Ausgehend davon sei hier die Annahme einer erheblichen Interessenbeeinträchtigung durch das Berufungsgericht nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Die theoretische Möglichkeit der Weitergabe von Umweltinformationen über das Internet genüge dafür wohl nicht, weil sie regelmäßig nicht auszuschließen sei. Unter Heranziehung der gesetzlichen Wertung in § 5 Abs. 4 IFG kommt eine Differenzierung zwischen Behördenmitarbeitern einerseits und Mitarbeitern von Verbänden andererseits in Betracht. Dies entspreche der Verwaltungspraxis des Bundesumweltministeriums bei der Bearbeitung von UIG-Anfragen. II 10 Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht, § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer nicht in jeder Hinsicht mit § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG in Einklang stehenden Begründung das Vorliegen der Voraussetzungen dieses Ablehnungsgrundes bejaht (1.). Das Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO (2.). 11 1. a) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG ist der Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen (§ 4 Abs. 1 UIG) abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. 12 Der Ablehnungsgrund ist zweistufig ausgestaltet und setzt auf einer ersten, der Prüfung des Vorliegens einer Zustimmung oder eines überwiegenden Bekanntgabeinteresses vorgelagerten Stufe eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung der Betroffenen als Folge einer Offenbarung ihrer personenbezogenen Daten voraus. Soweit diese Erheblichkeitsschwelle nicht überschritten wird, räumt der Gesetzgeber dem öffentlichen Bekanntgabeinteresse generell Vorrang vor dem Geheimhaltungsinteresse der Betroffenen ein (aa). Dies verstößt nicht gegen die Umweltinformationsrichtlinie oder Grundrechte (bb). Die Erheblichkeitsschwelle findet eine Konkretisierung in entsprechender Anwendung von § 5 Abs. 3 und 4 IFG (cc). 13 aa) Nach seinem eindeutigen Wortlaut unterscheidet § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG auf einer ersten Prüfungsstufe zwischen der Offenbarung personenbezogener Daten einerseits und, als Folge davon, einer erheblichen Beeinträchtigung der Interessen der Betroffenen andererseits. Danach begründet nicht jede Offenbarung von Daten zugleich auch schon eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung. Nur bestimmte, durch das Merkmal der Erheblichkeit anknüpfend an ihr Gewicht qualifizierte Vertraulichkeitsinteressen können zur Antragsablehnung führen (in diesem Sinne auch OVG Münster, Urteil vom 1. März 2011 - 8 A 2861/07 - ZD 2011, 89; VGH Mannheim, Beschluss vom 16. Oktober 2014 - 10 S 2043/14 - NVwZ-RR 2015, 169 <170>; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Februar 2015 - 12 B 13.12 - NVwZ-RR 2015, 801 <802>; vgl. auch VGH Kassel, Beschluss vom 31. Oktober 2013 - 6 A 1734/13.Z - NVwZ 2014, 533 Rn. 21; ebenso Engel, in: Götze/Engel, UIG, 2017, § 9 Rn. 18). Soweit es hieran fehlt, ist der Ablehnungsgrund nicht erfüllt, ohne dass es dafür auf ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe (zweite Prüfungsstufe) und die insoweit anzustellende Abwägung von Bekanntgabe- und Geheimhaltungsinteresse im Einzelfall ankommt. 14 In systematischer Hinsicht findet dies eine Bestätigung darin, dass der Gesetzgeber für die weiteren in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 UIG vorgesehenen Ablehnungsgründe allein schon den Bruch der Vertraulichkeit der jeweils in Rede stehenden Informationen genügen lässt, ohne - bereits an dieser Stelle, noch vor einer Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe - nach den konkreten Auswirkungen der Informationspreisgabe auf die Betroffenen und deren Interessen zu fragen. Die insoweit abweichende Ausgestaltung des Ablehnungsgrundes bei Offenbarung personenbezogener Daten (Nr. 1) zeigt sich auch im Vergleich mit § 3 VIG. Diese Vorschrift regelt den Ausschluss des Informationszugangsanspruchs nach dem Verbraucherinformationsgesetz unter anderem in Bezug auf personenbezogene Daten in einem dem § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG vergleichbaren zweistufigen Modell, lässt aber auf der ersten Prüfungsstufe allein schon den Umstand, dass personenbezogene Daten zugänglich gemacht würden, genügen (vgl. § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und Satz 2 VIG). 15 Die Annahme, durch jede Offenbarung personenbezogener Daten würden Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt, lässt sich nicht unter Hinweis auf die fehlende Zweckbindung der Verwendung nach dem Umweltinformationsgesetz zugänglicher Informationen begründen (so aber Karg, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand Februar 2021, § 9 UIG Rn. 11 ff.). Mit dem Verzicht auf eine Zweckbindung trifft das Umweltinformationsrecht eine von allgemeinen datenschutzrechtlichen Bestimmungen abweichende, spezielle Regelung. In diesem Kontext vollzieht sich der Schutz personenbezogener Daten nach Maßgabe der bereichsspezifischen Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG, deren differenzierte Vorgaben nicht unter Hinweis auf allgemeine datenschutzrechtliche Erwägungen überspielt werden dürfen (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 16. Oktober 2014 - 10 S 2043/14 - NVwZ-RR 2015, 169 <170>; Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 5 Rn. 10 f., zu § 5 IFG). 16 Die Gesetzesmaterialien zu § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG, auf die sich die Beklagte beruft, ergeben kein klares Bild und vermögen es schon deshalb nicht zu rechtfertigen, entgegen dem Gesetzeswortlaut in jeder Bekanntgabe personenbezogener Daten zugleich schon eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung zu sehen. Zwar klingt ein solches Verständnis in der Begründung des Regierungsentwurfs an (vgl. BT-Drs. 15/3406 S. 20, unter anderem mit Bezugnahme auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 UIG a. F. und die amtliche Begründung hierzu auf BT-Drs. 12/7138 S. 14). Zugleich aber wurde ein Änderungsvorschlag des Bundesrates abgelehnt, der sich für eine Streichung des Erfordernisses einer ""erheblichen"" Interessenbeeinträchtigung sowie die Aufnahme einer Formulierung ausgesprochen hatte, wonach in jedem Einzelfall eine Abwägung durch die zuständige Behörde erfolgen müsse (vgl. BT-Drs. 15/3680 S. 5). Die Bundesregierung verweigerte dem aus inhaltlichen Gründen die Zustimmung (vgl. BT-Drs. 15/3680 S. 8). Auch im weiteren Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens wurde der Änderungsvorschlag nicht mehr aufgegriffen. 17 Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG bestätigen das grammatikalische Auslegungsergebnis. Zwar kann aus dem Ziel der Regelung, den Konflikt zwischen dem Informationsinteresse auf der einen und dem Interesse an der Vertraulichkeit personenbezogener Daten auf der anderen Seite zu bewältigen, nicht unmittelbar auf eine bestimmte Art und Weise der Konfliktbewältigung geschlossen werden. Dies bedeutet aber auch, dass dafür nicht allein eine einzelfallbezogene Abwägung in Betracht kommt. Vielmehr kann der Gesetzgeber die Interessenabwägung - innerhalb des durch höherrangiges Recht abgesteckten Rahmens (dazu unten bb) – in genereller Weise vorwegnehmen oder die behördliche Entscheidung durch abwägungsleitende Maßgaben steuern. Dies ist in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG in der Weise geschehen, dass eine Abwägung im Einzelfall nur bei bestimmten, die Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigenden und in diesem Sinne gewichtigen Eingriffen in die vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasste Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu entscheiden (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09, 2 BvR 1857/10 - BVerfGE 130, 1 <35>), vorgesehen ist. Soweit es zu keiner erheblichen Interessenbeeinträchtigung kommt, räumt das Gesetz dem Informationsinteresse generellen Vorrang vor dem - insoweit als weniger gewichtig bewerteten - Interesse an der Vertraulichkeit der Daten ein. In vergleichbarer Weise hat der Gesetzgeber in § 9 Abs. 1 Satz 2 UIG, wonach der Zugang zu Umweltinformationen über Emissionen nicht unter Berufung auf die in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 UIG genannten Gründe abgelehnt werden kann, selbst abgewogen und dem öffentlichen Interesse an Information stets den Vorrang eingeräumt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 - 7 C 2.09 - BVerwGE 135, 34 Rn. 45). 18 bb) Die Erheblichkeitsschwelle des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG steht sowohl mit der Umweltinformationsrichtlinie als auch mit Grundrechten in Einklang. 19 (1) Nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. L 41 S. 26) Umweltinformationsrichtlinie - UIRL - können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen hätte auf die Vertraulichkeit personenbezogener Daten und/oder Akten über eine natürliche Person, sofern diese der Bekanntgabe dieser Informationen an die Öffentlichkeit nicht zugestimmt hat und sofern eine derartige Vertraulichkeit nach innerstaatlichem oder gemeinschaftlichem Recht vorgesehen ist. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 UIRL bestimmt, dass die in Absatz 1 und 2 des Artikels 4 genannten Ablehnungsgründe eng auszulegen sind, wobei im Einzelfall das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe zu berücksichtigen ist. Nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 UIRL wird in jedem Einzelfall das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe abgewogen. 20 Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierzu entschieden, Art. 4 UIRL sei dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung angeordnete Abwägung des öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe von Umweltinformationen gegen das besondere Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe in jedem den zuständigen Behörden vorgelegten Einzelfall erfolgen müsse, wobei der nationale Gesetzgeber in einer allgemeinen Vorschrift Kriterien festlegen könne, die diese vergleichende Prüfung der bestehenden Interessen erleichtern könnten (EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 - C-266/09 [ECLI:​EU:​C:​2010:​779] - Rn. 59; vgl. ferner EuGH, Urteil vom 28. Juli 2011 - C-71/10 [ECLI:​EU:​C:​2011:​525] - Rn. 29). 21 Entgegen der von der Beklagten und erstinstanzlich vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung ist der nationale Gesetzgeber durch diese Vorgaben nicht an einer Regelung wie § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG gehindert, nach der eine einzelfallbezogene behördliche Abwägung nur bei Beeinträchtigung erheblicher - gewichtiger - Geheimhaltungsinteressen stattfindet, während im Übrigen das Bekanntgabeinteresse generell Vorrang genießt. Das unionsrechtliche Gebot einer Interessenabwägung im Einzelfall dient dem Schutz des öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe. Den Mitgliedstaaten ist es verwehrt, dem jeweiligen Geheimhaltungsinteresse losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls generell Vorrang einzuräumen. Eine derartige Regelung des nationalen Rechts (dort: zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen) stand in dem Ausgangsverfahren inmitten, das dem zitierten Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-266/09 zugrunde lag (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 - C-266/09 [ECLI:​EU:​C:​2010:​546] - Rn. 12, 16 sowie Schlussanträge der Generalanwältin vom 23. September 2010 - C-266/09 [ECLI:​EU:​C:​2010:​546] - Rn. 14). Im Gegensatz dazu bleiben die Mitgliedstaaten zu generellen Vorrangentscheidungen zugunsten des Bekanntgabeinteresses grundsätzlich berechtigt. Ihnen ist bei der Entscheidung darüber, inwieweit sie von der in Art. 4 Abs. 1 und 2 UIRL eröffneten Möglichkeit zur Regelung von Ausnahmen vom Informationszugang Gebrauch machen wollen, ein Gestaltungsspielraum eröffnet (vgl. EuGH, Beschluss vom 8. Mai 2014 - C-329/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​815] - Rn. 34; BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2016 - 7 C 7.14 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 65 Rn. 21). In einer generellen gesetzlichen Vorrangentscheidung zugunsten des Bekanntgabeinteresses bei nur geringem Gewicht des gegenläufigen Geheimhaltungsinteresses liegt ein teilweiser Verzicht auf die Wahrnehmung der mitgliedstaatlichen Gestaltungsoption. Auch dem sind zwar bei den in Art. 4 Abs. 2 UIRL aufgeführten Versagungsgründen Grenzen gezogen, soweit es um den Schutz von Interessen geht, die wie insbesondere die Belange Dritter in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c Alt. 2, Buchst. d, e und f UIRL von der Unionsrechtsordnung auch anderweitig geschützt sind (vgl. EuGH und BVerwG, jeweils a. a. O.). Diese anderweitig, insbesondere durch Grundrechte Dritter gezogenen Grenzen stehen gesetzlichen Vorrangentscheidungen zugunsten des öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe aber nicht generell entgegen (vgl. sogleich unter <2>). Demgegenüber handelt es sich bei dem Gebot einer Einzelfallabwägung gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 und 2 UIRL um eine Grenze, die der mitgliedstaatlichen Befugnis zur Normierung von Ablehnungsgründen im Interesse der grundsätzlichen Zugänglichkeit von Umweltinformationen gezogen ist. Dieser Schutzzweck findet auch darin Ausdruck, dass nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 UIRL die Ablehnungsgründe eng auszulegen sind, wobei im Einzelfall das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe zu berücksichtigen ist. Dem 16. Erwägungsgrund der Umweltinformationsrichtlinie ist hierzu zu entnehmen, dass dabei das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung abgewogen werden sollte (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Juli 2011 - C-71/10 - Rn. 22). Soweit Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 UIRL darüber hinaus vorsieht, dass in jedem Einzelfall das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe abgewogen wird, besteht seine eigenständige Funktion gegenüber Satz 1 darin, dass er der zuständigen Behörde eine kumulierte Würdigung von Gründen für eine Verweigerung der Bekanntgabe erlaubt (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Juli 2011 - C-71/10 - Rn. 24 ff.; vgl. auch, Schlussanträge der Generalanwältin vom 10. März 2011 - C-71/10 [ECLI:​EU:​C:​2011:​140] - Rn. 26 ff.). 22 Die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 UIRL unterliegt mit Blick auf die zitierten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union keinem vernünftigen Zweifel. Der Senat ist deshalb nicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV gehalten, den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung zu ersuchen (vgl. EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1982 - C-283/81 [ECLI:​EU:​C:​1982:​335], CILFIT - Rn. 16, 21 und vom 6. Oktober 2021 - C-561/19[ECLI:​EU:​C:​2021:​799], Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi - Rn. 33, 39 f.). 23 (2) Das Erfordernis einer erheblichen Interessenbeeinträchtigung der von einer Bekanntgabe ihrer personenbezogenen Daten Betroffenen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG verletzt weder deren verfassungsrechtlich verbürgtes Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch Unionsgrundrechte. 24 (a) Da den Mitgliedstaaten bei der Bestimmung von Ablehnungsgründen nach Art. 4 Abs. 1 und 2 UIRL ein Gestaltungsspielraum eröffnet ist, das nationale Recht insoweit also unionsrechtlich nicht vollständig determiniert ist, sind die einschlägigen Regelungen des nationalen Rechts primär am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes zu prüfen, auch wenn das innerstaatliche Recht der Durchführung des Unionsrechts dient. Die primäre Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes im Bereich der Durchführung des Unionsrechts (vgl. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC) stützt sich darauf, dass das Unionsrecht dort, wo es den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume einräumt, regelmäßig nicht auf eine Einheitlichkeit des Grundrechtsschutzes zielt, sondern Grundrechtsvielfalt zulässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - BVerfGE 152, 152 Rn. 42 ff.). 25 Das danach einschlägige Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, dessen Schutzbereich sich auch auf dienstliche Kontaktdaten wie Telefonnummern oder E-Mail-Adressen von Behördenmitarbeitern erstreckt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 7 C 27.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 22 Rn. 21), ist nicht schrankenlos gewährleistet. Es ist Einschränkungen aus Gründen des Allgemeinwohls auf gesetzlicher Grundlage und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zugänglich. Dass der Gesetzgeber danach grundsätzlich nicht gehindert ist, zur Erreichung der mit dem Umweltinformationsgesetz in Einklang mit der Umweltinformationsrichtlinie verfolgten Ziele, das Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und letztendlich so den Umweltschutz zu verbessern (vgl. den 1. Erwägungsgrund der Umweltinformationsrichtlinie), Beschränkungen des informationellen Selbstbestimmungsrechts vorzusehen, wird von keinem der Beteiligten in Abrede gestellt und unterliegt auch sonst keinen Zweifeln. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt nicht, dass die Bewältigung des Konflikts zwischen öffentlichem Informations- und grundrechtlichem Geheimhaltungsinteresse stets einer behördlichen Abwägungsentscheidung im Einzelfall vorbehalten bleiben müsste. Der Gesetzgeber ist vielmehr, auch zur Erleichterung und Vereinheitlichung des Gesetzesvollzugs, grundsätzlich befugt, die Konfliktbewältigung durch typisierende und generalisierende Vorgaben in angemessener Weise selbst vorzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 33.17 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 21 Rn. 18). Von dieser Befugnis hat er in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG Gebrauch gemacht und in Fällen, in denen das Geheimhaltungsinteresse nur ein geringes Gewicht hat, dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe generell Vorrang eingeräumt. Zugleich ist der insoweit maßgebliche Begriff der ""erheblichen"" Interessenbeeinträchtigung offen dafür, den konkreten Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen um unverhältnismäßige Beschränkungen des informationellen Selbstbestimmungsrechts zu vermeiden. 26 (b) Aus Unionsgrundrechten ergibt sich nichts Gegenteiliges. 27 Dabei ist von der grundsätzlichen Vermutung auszugehen, dass das Schutzniveau der Charta der Grundrechte der Europäischen Union durch die Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes mitgewährleistet ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - BVerfGE 152, 152 Rn. 55). Eine Ausnahme von der diese Vermutung tragenden Annahme grundrechtlicher Vielfalt im gestaltungsoffenen Fachrecht oder eine Widerlegung der Vermutung der Mitgewährleistung des Schutzniveaus der Charta sind nur in Betracht zu ziehen, wenn hierfür konkrete und hinreichende Anhaltspunkte vorliegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - BVerfGE 152, 152 Rn. 68 f.). Es gibt hier, insbesondere unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber durch die Unionsgrundrechte in stärkerem Maße als durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG daran gehindert wäre, in der in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG vorgesehenen Weise den Konflikt zwischen öffentlichem Informations- und grundrechtlichem Geheimhaltungsinteresse in generalisierender Weise zu bewältigen. 28 cc) Die Erheblichkeitsschwelle des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG findet in entsprechender Anwendung von § 5 Abs. 3 und 4 IFG eine normative Konkretisierung dahin, dass durch eine Offenbarung der in diesen Bestimmungen genannten Arten personenbezogener Daten regelmäßig nicht im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt werden. 29 (1) Nach § 5 Abs. 3 IFG überwiegt das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs in der Regel dann, wenn sich die Angabe auf Name, Titel, akademischen Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung, Büroanschrift und -telekommunikationsnummer beschränkt und der Dritte als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise eine Stellungnahme in einem Verfahren abgegeben hat. Nach § 5 Abs. 4 IFG sind diese Angaben von Bearbeitern vom Informationszugang nicht ausgeschlossen, soweit sie Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit sind und kein Ausnahmetatbestand erfüllt ist. 30 In ihrem unmittelbaren, auf Zugangsbegehren nach dem Informationsfreiheitsgesetz beschränkten Anwendungsbereich enthalten diese Bestimmungen jeweils eine generelle Vorwegnahme bzw. einen generellen Ausschluss der insoweit in § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG im Grundsatz vorgesehenen Einzelfallabwägung zwischen dem Informationsinteresse des Antragstellers und dem gegenläufigen Interesse des Dritten an der Vertraulichkeit seiner personenbezogenen Daten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 7 C 19.17 - BVerwGE 164, 112 Rn. 41 m. w. N.). Eine vergleichbare Funktion erfüllt die Erheblichkeitsschwelle in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG, mit der die in § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG vorgesehene, eine Abwägung im Einzelfall erfordernde Bestimmung eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe generell vorweggenommen bzw. ausgeschlossen wird, soweit Interessen der Betroffenen durch die Bekanntgabe nur unerheblich beeinträchtigt werden. Diese funktionelle Vergleichbarkeit der Regelungen ist Ausdruck und Konsequenz vergleichbarer Interessenlagen. Informationsfreiheitsgesetz und Umweltinformationsgesetz normieren jeweils ""voraussetzungslose"" Informationszugangsansprüche, die unabhängig von materiellen Erfordernissen wie etwa einem berechtigten Interesse des Antragstellers und ohne Bindung an einen bestimmten Zweck bestehen. In beiden Fällen können das grundsätzliche Recht auf Informationszugang und die dahinterstehenden privaten und öffentlichen Interessen, soweit Zugang zu personenbezogenen Daten begehrt wird, in Konflikt geraten mit dem grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Interesse der Betroffenen an der Vertraulichkeit ihrer Daten. Der Bewältigung dieses Konflikts dienen § 5 IFG sowie § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (und Satz 2 und 3) UIG. Die jeweiligen Modelle der Konfliktbewältigung sind im Wesentlichen vergleichbar, wenn danach grundsätzlich eine einzelfallbezogene Interessenabwägung verlangt ist, die aber teilweise durch generelle gesetzliche Vorgaben vorweggenommen bzw. ausgeschlossen wird. Während sich dafür in Bezug auf personenbezogene Daten, wie sie hier in Streit stehen, im Informationsfreiheitsgesetz in § 5 Abs. 3 und 4 eine Regelung findet, die konkrete Kriterien - bestimmte Arten von Daten sowie die Funktion der Betroffenen als verfahrensbeteiligte Gutachter, Sachverständige oder dergleichen bzw. als amtlich tätig gewordene ""Bearbeiter"" – benennt, belässt es § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG dagegen generell bei dem unbestimmten Rechtsbegriff einer ""erheblichen"" Interessenbeeinträchtigung. 31 Es ist kein durchgreifender Grund erkennbar, weshalb die in § 5 Abs. 3 und 4 IFG getroffene gesetzgeberische Entscheidung, in Bezug auf die dort aufgeführten Informationen den Konflikt zwischen Informations- und Geheimhaltungsinteresse grundsätzlich zugunsten des Ersteren zu entscheiden, nicht auch für Informationszugangsbegehren nach dem Umweltinformationsgesetz gelten sollte. Die Regelungen in § 5 Abs. 3 und 4 IFG zielen auf die Herstellung von Transparenz behördlichen Handelns im Hinblick auf die Heranziehung externen Sachverstands sowie die mit einem Verwaltungsvorgang als Bearbeiter befasst gewesenen Personen (vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 5 Rn. 84, 99). Sie beziehen sich auf Daten aus der Sozialsphäre, die nur geringe Aussagekraft in Bezug auf die persönlichen Verhältnisse der regelmäßig lediglich in ihrer beruflichen oder amtlichen Funktion Betroffenen haben. In diesem Rahmen soll ein übermäßiger Anonymisierungsaufwand vermieden werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2020 - 10 C 25.19 - BVerwGE 171, 90 Rn. 42 m. w. N.). Zugleich dienen die generalisierenden Vorgaben in § 5 Abs. 3 und 4 IFG der Praktikabilität, Vorhersehbarkeit und Einheitlichkeit des Gesetzesvollzugs, weil eine einzelfallbezogene Abwägungsentscheidung insoweit regelmäßig entbehrlich ist. Im Anwendungsbereich des Umweltinformationsgesetzes stellt sich die Interessenlage nicht anders dar. Das Fehlen einer dem § 5 Abs. 3 und 4 IFG entsprechenden Regelung erweist sich vor diesem Hintergrund als planwidrige Gesetzeslücke. Dagegen spricht nicht der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Erlass des Informationsfreiheitsgesetzes im Jahr 2005 und der ihm vorausgegangenen Novellierung des ursprünglich aus dem Jahr 1994 stammenden Umweltinformationsgesetzes im Jahr 2004. Für einen gesetzgeberischen Differenzierungswillen, der einer Übertragung der in § 5 Abs. 3 und 4 IFG getroffenen grundsätzlichen Vorrangentscheidung zugunsten des Informationsinteresses auf das Umweltinformationsrecht entgegenstünde, ergeben sich aus den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte (vgl. BT-Drs. 15/3406, 15/3680 zum Umweltinformationsgesetz; BT-Drs. 15/4493, 15/5606 zum Informationsfreiheitsgesetz). Für eine planwidrige Unvollständigkeit des älteren Umweltinformationsgesetzes spricht auch, dass der Gesetzgeber in dem späteren, im Jahr 2007 erlassenen Verbraucherinformationsgesetz zur Lösung der im Wesentlichen gleichgelagerten Problematik ausdrücklich eine entsprechende Anwendung unter anderem von § 5 Abs. 3 und 4 IFG angeordnet hat (vgl. § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 und 4 VIG). 32 (2) Die analoge Anwendung von § 5 Abs. 3 und 4 IFG hat zur Konsequenz, dass durch eine Offenbarung der dort aufgeführten Arten personenbezogener Daten regelmäßig nicht im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt werden. Ein von dieser Regel abweichender Ausnahmetatbestand ist gegeben, wenn konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Offenbarung nachteilige Auswirkungen für den Betroffenen haben könnte, namentlich auf sein Privatleben. In diesem Fall ist, auch zur Vermeidung unverhältnismäßiger Beschränkungen des informationellen Selbstbestimmungsrechts, aufgrund einer einzelfallbezogenen Abwägung über das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG zu entscheiden. Insoweit sind auf Seiten der Betroffenen insbesondere Art, Ausmaß und Wahrscheinlichkeit der ihnen drohenden Nachteile zu berücksichtigen. Auf Seiten des öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe bedarf es - im Sinne einer notwendigen, aber noch nicht hinreichenden Bedingung für ein Überwiegen - eines gesteigerten Interesses gerade an der Offenlegung der personenbezogenen Daten. Denn ein überwiegendes Interesse an der Bekanntgabe kann nur dann angenommen werden, wenn mit dem Antrag ein Interesse verfolgt wird, das über das allgemeine Interesse hinausgeht, das bereits jeden Antrag rechtfertigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 - 7 C 1.18 - Buchholz 406.252 § 9 UIG Nr. 4 Rn. 46 m. w. N.). 33 b) Mit diesen Maßstäben steht das angefochtene Urteil nicht in Einklang, soweit das Oberverwaltungsgericht unterschiedslos und ohne zusätzliche tatsächliche Feststellungen für sämtliche der hier in Rede stehenden Betroffenen eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung durch eine Offenbarung ihrer Namen und Kontaktdaten bejaht hat. 34 aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts vermag das allgemeine Risiko, dass nach dem Umweltinformationsgesetz zugänglich gemachte personenbezogene Daten durch den Antragsteller oder Dritte im Internet weiterverbreitet werden könnten, eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG nicht zu begründen. Denn dieses Risiko besteht unter den heutigen Bedingungen der Informationstechnologie und der Individual- wie Massenkommunikation praktisch immer. Die Verwendung von Umweltinformationen durch den Antragsteller unterliegt keiner Zweckbindung. Er kann den Zugang zu jedem beliebigen Zweck nehmen und die ihm zugänglich gemachten Informationen beliebigen Zwecken zuführen (vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 5 Rn. 11, zum IFG). Ließe man für eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung das allgemeine Risiko der Internetveröffentlichung genügen, wäre diese Voraussetzung des Ablehnungsgrundes praktisch stets erfüllt und verlöre damit die eigenständige Bedeutung, die ihr nach Gesetzeswortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG gegenüber dem bloßen Umstand der Offenbarung personenbezogener Daten zukommt. Soweit das Oberverwaltungsgericht die Möglichkeit einer Internetveröffentlichung und daraus resultierende Persönlichkeitsgefährdungen ""jedenfalls vorliegend"" genügen lassen will und dafür auf die Eigenschaft der hier Betroffenen als Behördenexterne oder niederrangige Amts- und Funktionsträger verweist, ist dies lediglich insoweit zutreffend, als Funktion und Stellung betroffener Personen für die Annahme einer erheblichen Interessenbeeinträchtigung durchaus von Bedeutung sein können. Dies beurteilt sich allerdings nach Maßgabe von § 5 Abs. 3 und 4 IFG analog und regelmäßig - vorbehaltlich konkret drohender Nachteile - unabhängig von einer möglichen Weiterverbreitung von Daten im Internet. 35 bb) Zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 und 4 IFG hat das Oberverwaltungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. 36 (1) Es bedarf zusätzlicher Feststellungen dazu, inwieweit es sich bei den hier betroffenen Behördenbediensteten um ""Bearbeiter"" im Sinne von § 5 Abs. 4 IFG handelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterfallen diesem Begriff nicht alle Bediensteten einer informationspflichtigen Stelle, sondern nur diejenigen, die mit dem Verwaltungsvorgang befasst gewesen sind, zu dem Informationszugang begehrt wird. Eine Befassung in diesem Sinne ist bei einer sachbearbeitenden Tätigkeit im Rahmen eines konkreten Vorgangs zu bejahen. Ein bloß büromäßiger Umgang mit Unterlagen im Rahmen unterstützender Sekretariatstätigkeiten ohne eigene Entscheidungs- oder Gestaltungsmöglichkeiten genügt demgegenüber nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2020 - 10 C 25/19 -, BVerwGE 171, 90 Rn. 43). Eine sachliche Befassung mit eigenen Entscheidungs- oder Gestaltungsmöglichkeiten ist auch ausschlaggebend dafür, ob Personen, denen im Zuge des hier in Rede stehenden Verwaltungsvorgangs inhaltliche Stellungnahmen, Entwürfe und dergleichen per E-Mail zur Kenntnisnahme zugeleitet worden sind (""cc""), als ""Bearbeiter"" zu qualifizieren sind. 37 (2) Hinsichtlich der betroffenen Mitarbeiter von Verbänden und Bundestagsfraktionen fehlt es an tatsächlichen Feststellungen dazu, ob darunter Personen sind, die im Sinne von § 5 Abs. 3 IFG als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise eine Stellungnahme in einem Verfahren abgegeben haben. Das ist jedenfalls nicht schlechthin ausgeschlossen. Die streitigen Kontaktdaten sind in einem auf die Änderung der Besondere-Ausgleichsregelung-Gebührenverordnung gerichteten Verfahren angefallen, an dem die Betroffenen als behördenexterne Personen beteiligt worden sind. Für ein Tätigwerden als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise im Sinne von § 5 Abs. 3 IFG ist kennzeichnend, dass eine Person als externer Fachexperte herangezogen wird, um ihre fachliche Expertise zu nutzen (vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 5 Rn. 90). Hinzukommen muss eine auf Distanz zu den jeweils betroffenen Interessen beruhende Neutralität in Bezug auf Gegenstand und Ausgang des Verfahrens. Daran fehlt es bei Personen, die als vom Ergebnis eines Verfahrens tatsächlich oder potenziell Betroffene an dem Verfahren beteiligt werden, um ihre Interessen zu wahren, auch soweit sie in diesem Zusammenhang spezifisches Wissen einbringen, das der Behörde ansonsten nicht zur Verfügung stünde. Diese Beschränkung des Kreises behördenexterner Personen, die wegen ihrer Einbeziehung in ein behördliches Verfahren auf einen Informationszugangsantrag hin regelmäßig namentlich zu benennen sind, mag man mit der Klägerin unter Transparenzgesichtspunkten für nicht sachgerecht halten. Sie ist aber als vom Gesetzgeber in § 5 Abs. 3 IFG getroffene rechtspolitische Entscheidung ebenso hinzunehmen wie die Beschränkung des § 5 Abs. 4 IFG auf Daten von ""Bearbeitern"". Bei nicht von diesen Bestimmungen erfassten Personen bleibt es im Übrigen bei der Möglichkeit einer Preisgabe personenbezogener Daten aufgrund eines überwiegenden Informationsinteresses des Antragstellers (§ 5 Abs. 1 Satz 1 IFG) bzw. überwiegenden öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe (§ 9 Abs. 1 Satz 1 UIG). 38 2. Die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nötigen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 39 Die Entscheidung stellt sich nicht insoweit aus anderen Gründen als richtig dar, als sich das Zugangsbegehren der Klägerin über Namen und Telefonnummern hinaus auf E-Mail-Adressen bezieht. Diese gehören im Sinne von § 5 Abs. 3 und 4 IFG zur ""Büroanschrift"" (VG Braunschweig, Urteil vom 26. Juni 2013 - 5 A 239/10 - juris Rn. 26; VG Berlin, Urteil vom 23. Oktober 2013 - 2 K 294.12 - juris Rn. 59; Guckelberger, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand August 2022, § 5 IFG Rn. 27; a.A. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 5 Rn. 103). Der Gesetzeswortlaut ist für ein funktionales Begriffsverständnis offen, nach dem unter die Büroanschrift jede Adresse fällt, unter der ein Bearbeiter oder Dritter, der als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise eine Stellungnahme in einem Verfahren abgegeben hat, in dieser Funktion erreichbar ist, sei es persönlich, postalisch oder elektronisch (a. A. Schoch, a. a. O., unter Berufung auf den stationären Charakter eines ""Büros""). Ein im vorliegenden Zusammenhang relevanter Unterschied einer E-Mail-Adresse zu der vom Gesetzgeber im unmittelbaren Zusammenhang mit der Anschrift aufgezählten Telekommunikationsnummer ist unter den heutigen Kommunikationsbedingungen nicht zu erkennen. Das gilt insbesondere in Bezug auf das Gewicht der mit einer Bekanntgabe an Dritte verbundenen Beeinträchtigung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen sowie potenzielle Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Verwaltung." bverwg_2022-55,06.09.2022,"Pressemitteilung Nr. 55/2022 vom 06.09.2022 EN Anspruch auf Generalsdienstposten nach förderlicher Auswahlentscheidung Der 1. Wehrdienstsenat hat heute dem Antrag eines Generalleutnants a.D. auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner letzten dienstlichen Versetzung stattgegeben. Der Generalleutnant a.D. ist vom Mai 2019 bis März 2020 als Befehlshaber eines NATO-Kommandos in Europa auf einem Generalsdienstposten (B 10) eingesetzt worden und hat in dieser Verwendung vorübergehend den Dienstgrad General geführt (sog. ""temporary rank""). Seine Hoffnung, dort vom Generalleutnant (""Drei-Sterne-General"") zum General (""Vier-Sterne-General"") befördert zu werden, hat sich nicht erfüllt. Vielmehr ist er mit Verfügung vom 11. März 2020 vom Allied Joint Force Command in Brunssum (Niederlande) nach Berlin auf eine mit B 9 dotierte Position zurückversetzt und später als Generalleutnant in den Ruhestand verabschiedet worden. Diese Versetzung war rechtswidrig. Der 1. Wehrdienstsenat hat durch Vernehmung mehrerer hochrangiger Zeugen - insbesondere des früheren und gegenwärtigen Generalinspekteurs der Bundeswehr und des ehemaligen Staatssekretärs - die Umstände aufgeklärt, die zur Auswahl des Antragstellers zum Befehlshaber des NATO-Hauptquartiers in Brunssum geführt haben. Danach ist er im Frühjahr 2018 in einem Auswahlverfahren unter Berücksichtigung mehrerer Generalleutnante nach Eignung, Leistung und Befähigung im Sinne des § 3 Abs. 1 SG und des Art. 33 Abs. 2 GG mit dem Ziel der Beförderung ausgewählt worden. Eine hinreichend begründete Auswahlentscheidung, die den Dokumentationsanforderungen des Prinzips der Bestenauslese entsprochen hätte, liegt zwar nicht vor. Der Dienstherr kann sich aber auf diesen von ihm selbst verschuldeten Formmangel im Verhältnis zum ausgewählten Bewerber nicht berufen. Vielmehr muss er die Auswahlentscheidung gegen sich gelten lassen und kann den ausgewählten Bewerber, der eine Anwartschaft auf eine Beförderung erworben hat, nicht ohne Weiteres wieder auf einen Dienstposten mit geringerer Dotierungshöhe versetzen. Die Versetzung vom März 2020 war auch nicht ausnahmsweise deswegen zulässig, weil die ursprüngliche förderliche Auswahlentscheidung im April 2019 einvernehmlich in eine reine Querversetzung abgeändert worden wäre. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist damals zwar bei einem Gespräch mit der Verteidigungsministerin die Dauer der Verwendung im NATO-Hauptquartier einvernehmlich von drei Jahren auf elf Monate verkürzt worden. Hingegen ist ein Ausbleiben der Beförderung nicht besprochen worden. Eine Umwandlung der förderlichen Auswahlentscheidung in eine vorübergehende höherwertige Verwendung wurde auch nicht verfügt. Lediglich soweit der Antragsteller die Angabe der voraussichtlichen Verwendungsdauer in seiner Versetzung nach Brunssum angegriffen hat, blieb sein Antrag ohne Erfolg. Über die Frage, ob der Antragsteller einen Anspruch auf die von ihm beantragte Beförderung hatte, hatte der 1. Wehrdienstsenat nicht zu entscheiden. Diese Frage ist Gegenstand eines beim Verwaltungsgericht Berlin anhängigen Rechtsstreits. Die dem zugrundeliegende Aufteilung des Rechtswegs ergibt sich aus § 17 Abs. 1 WBO und § 82 Abs. 1 SG. BVerwG 1 WB 29.21 - Beschluss vom 06. September 2022","1. Ein Aufstiegsbewerber, der nach einen am Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG orientierten Auswahlverfahren für einen höherwertigen Dienstposten ausgewählt wurde, darf nicht treuwidrig allein zur Verhinderung der Beförderung auf einen niedriger bewerteten Dienstposten wegversetzt werden.2. Verletzt der Dienstherr die ihm in Bezug auf das Auswahlverfahren für den höherwertigen Dienstposten obliegende Dokumentationspflicht, kann er sich hierauf im Rechtsstreit um die Versetzung des ausgewählten Kandidaten auf einen niedriger bewerteten Dienstposten nicht berufen. Tenor Es wird festgestellt, dass die Versetzungsverfügung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 11. März 2020 (Nr. ...) rechtswidrig gewesen ist.Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden zu 3/4 dem Bund auferlegt. Tatbestand Der Antrag betrifft die Verwendung des Antragstellers als Befehlshaber ...Der am 20. Januar ... geborene Antragsteller war bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand Ende Mai 2020 Berufssoldat. ... wurde er zum Generalleutnant befördert und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 9 eingewiesen. Zum 1. Oktober ... wurde er auf den entsprechend dotierten Dienstposten des Abteilungsleiters ... nach ... versetzt. Seit Oktober ... war er auf einem ebenfalls mit B 9 bewerteten dienstpostenähnlichen Konstrukt beim ... in ... verwendet worden.Auf eine - vom damaligen Generalinspekteur der Bundeswehr General A. und von Staatssekretär B. mitgezeichnete - Vorlage vom 7. Februar 2018 entschied die damalige Bundesministerin der Verteidigung am 20. Februar 2018, den Dienstposten des ... in ... ab dem 1. Februar 2019 für drei Jahre mit dem Antragsteller zu besetzen. Am 15. Mai 2019 entschied sie auf einen - ebenfalls vom Generalinspekteur und vom Staatssekretär mitgezeichneten - Vorschlag vom 30. April 2019, dass der Antragsteller die in Rede stehende Verwendung bis zum Erreichen seiner allgemeinen Altersgrenze am 31. März 2020 im temporären Dienstgrad (""Temporary Rank"") General wahrnehmen und im Anschluss im Dienstgrad Generalleutnant in den Ruhestand versetzt werden solle. Sein Nachfolger in ... solle ab dem 1. April 2020 Generalleutnant C. werden.Durch am 30. April 2019 ausgehändigte Verfügung vom 11. April 2019 wurde der Antragsteller zum 6. Mai 2019 auf den mit B 10 dotierten Dienstposten des Befehlshabers ... versetzt. Die Versetzungsverfügung gibt die voraussichtliche Verwendungsdauer auf dem Dienstposten mit dem 31. März 2020 an. Die Ermächtigung, in dieser Verwendung den Dienstgrad General zu führen, war ihm unter dem 17. April 2019 erteilt worden.Schließlich entschied die Bundesministerin der Verteidigung am 17. Dezember 2019 - wieder nach Mitzeichnung des Generalinspekteurs und des Staatssekretärs -, dass der Antragsteller bis zum 31. Mai 2020 zum Zwecke des Expertiseerhalts für die Bundeswehr aus zwingenden dienstlichen Gründen im Dienst belassen werde und dann erst im Dienstgrad Generalleutnant in den Ruhestand treten solle. Seine als Befehlshaber ... gewonnene Expertise solle bis zu seiner Zurruhesetzung in die Erarbeitung des Themenkomplexes ""Landes- und Bündnisverteidigung"" einfließen und dem Generalinspekteur zur Verfügung stehen.Nach Verlängerung seiner Dienstzeit bis Ende Mai 2020 wurde der Antragsteller mit Verfügung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 11. März 2020 auf einen mit der Besoldungsgruppe B 9 dotierten Dienstposten eines Stabsoffiziers zur besonderen Verwendung zum Kommando ... nach ... versetzt.Mit Bescheid vom 16. März 2020 wurde ein Antrag des Antragstellers vom 3. Januar 2020 auf Beförderung in ein mit der Besoldungsgruppe B 10 dotiertes Statusamt abgelehnt. Ein verwaltungsgerichtliches Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in dieser Sache ist erfolglos geblieben. Über die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung seines Beförderungsantrages und einen Antrag, die Dienstgradbezeichnung General a.D. im Wege der Schadlosstellung führen zu dürfen, wurde noch nicht entschieden.Gegen seine Versetzung vom 11. März 2020 und die Bestimmung der Verwendungsdauer auf dem Dienstposten in ... in der Verfügung vom 11. April 2019 hat der Antragsteller unter dem 25. März 2020 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs hat der Senat mit Beschluss vom 24. April 2020 (1 WDS-VR 3.20) abgelehnt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit einer Stellungnahme vom 10. Juni 2021 dem Senat vorgelegt.Der Antragsteller setzt das Verfahren nach seinem Dienstzeitende mit einem Feststellungsantrag fort. Zur Begründung vertieft und ergänzt er sein Vorbringen aus dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.Sein Rechtsschutzinteresse folge aus der Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses. Wegen der treuwidrigen Vereitelung seines Bewerbungsverfahrensanspruches habe er Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als wäre er nach der Versetzung nach ... und der Zurruhesetzung seines Amtsvorgängers zum General befördert und daher berechtigt, die Dienstgradbezeichnung General a.D. zu führen. Die Festlegung des voraussichtlichen Enddatums seiner Versetzung nach ... in der Verfügung vom 11. April 2019 werde vorsorglich ebenfalls angegriffen.Seine Versetzung zum Kommando ... entziehe ihm einen höherwertigen Dienstposten als Voraussetzung seiner Beförderung. Damit vereitele sie treuwidrig seinen Beförderungsanspruch, den er durch die Auswahl für einen förderlichen Dienstposten in einem an den Maßstäben von Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 SG ausgerichteten Auswahlverfahren erlangt habe. Er habe sich in einer Personalkonferenz des Bundesministeriums der Verteidigung nach Eignung, Leistung und Befähigung gegen drei mitbetrachtete Generalleutnante durchgesetzt. Dies könne der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, General a.D. A., bezeugen, der an der entsprechenden Personalkonferenz teilgenommen und ihm deren Ergebnis Mitte März 2018 mitgeteilt habe. Der Generalinspekteur habe ihn nach seiner Bereitschaft zur Verlängerung seiner Dienstzeit befragt, da nur dann die Auswahl auf ihn fallen könne. Selbst wenn keine formelle Personalkonferenz stattgefunden habe, seien die Entscheidungen mit deren Mitgliedern nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG abgestimmt gewesen. Bezeugen könne seine Auswahl nach Leistungskriterien auch Staatssekretär a.D. B. Die Treuwidrigkeit seiner Wegversetzung von dem höherwertigen Dienstposten ergebe sich erst recht daraus, dass sein Nachfolger in ... entgegen § 49 BHO noch im März 2020 vor Besetzung des höherwertigen Dienstpostens in die entsprechende Planstelle eingewiesen und befördert worden sei. Auch hiergegen habe er sich beschwert. Wegen seiner Bewerbung um die Beförderung zum General habe er zudem in dem Verfahren, in dem sein Nachfolger für den Dienstposten ausgewählt worden sei, einen Bewerbungsverfahrensanspruch gehabt. Auch in dem Verfahren hätte er wegen seiner durch ein überragendes Dienstzeugnis des NATO-Oberbefehlshabers über seine Tätigkeit auf dem Dienstposten ausgewiesenen Eignung und Leistung ausgewählt werden müssen. Auch insoweit bestehe ein Schadensersatzanspruch.Der Antragsteller beantragt,festzustellen, dass die Versetzungsentscheidung vom 11. März 2020, mit welcher er vom ... zum Kommando ... nach ... versetzt wurde, sowie das in der Versetzungsverfügung vom 19. April 2019 enthaltene Ende seiner Verwendungsdauer rechtswidrig waren und dass er dadurch in seinen Rechten verletzt worden sei.Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,den Antrag zurückzuweisen.Der gegen die Angabe der Verwendungsdauer in der Versetzungsverfügung vom 11. April 2019 gerichtete Antrag sei unzulässig, da es sich um eine noch nicht anfechtbare Planungsabsicht handele.Ein Auswahlverfahren nach Maßgabe von Art. 33 Abs. 2 GG habe nicht stattgefunden. Der Antragsteller sei nach den Ministerialvorlagen zu der Besetzungsentscheidung als einziger Kandidat betrachtet worden. Der für die Vorlage vom 7. Februar 2018 zuständige Referatsleiter P II 2 könne bekunden, dass es sich um eine singuläre Entscheidung der damaligen Bundesministerin der Verteidigung gehandelt habe. Obwohl der damalige Generalleutnant C. aufgrund seiner Führungs- und Einsatzerfahrung bereits langfristig für den Dienstposten in ... vorgesehen gewesen sei, sei der Personalabteilung nach einer internen Leitungsabstimmung der Antragsteller als ""Wunschkandidat"" benannt und deshalb als einziger Kandidat vorgeschlagen worden.Zu Nr. 602 Satz 1 Zentralerlass B-1300/46 (nunmehr Allgemeine Regelung AR A-1420/37) und Nr. 201, Nr. 203 ZDv A-1350/66 werde folgende amtliche Auskunft erteilt: Diese Bestimmungen seien dem Grunde nach nicht auf einen bestimmten Personenkreis oder eine bestimmte Besoldungsgruppe begrenzt und fänden aktuell wie auch zum damaligen Zeitpunkt auch auf Versetzungen ab Ebene der Besoldungsgruppe B 6 Anwendung. Für die Einzelpersonalführung der Offiziere auf B 3 und höher werde in der Praxis ab der Besoldungsebene B 6 und insbesondere auf Dienstposten der höchsten militärischen Führungsebene B 9 und B 10 häufig nicht die Regel-, sondern die Ausnahmevorschrift zur Anwendung gebracht. Versetzungen auf Dienstposten der höchsten militärischen Führungsebene unterlägen besonderen Verfahrensabläufen der Leitungsebene des Ministeriums. Sie erforderten über das Normalmaß hinausgehende Einsatzbereitschaft, Mobilität und Flexibilität sowie ein Vertrauensverhältnis zur politischen Leitung. Dies sei den Betroffenen auch bekannt. Hier sei der Antragsteller frühzeitig über das beabsichtigte Ende der Verwendung informiert gewesen. Er sei anschließend auf einem dienstpostenähnlichen Konstrukt der Ebene B 9 an seinem damaligen Wohnsitz verwendet worden.Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen. Gründe Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.1. Der Feststellungsantrag ist nur zulässig, soweit er die Versetzung vom 11. März 2020 betrifft.a) Unzulässig ist der Feststellungsantrag, soweit er sich gegen die in der Versetzung vom 11. April 2019 enthaltene Angabe der voraussichtlichen Verwendungsdauer wendet. Insoweit handelt es sich nicht um eine anfechtbare dienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO, sondern um eine noch nicht in individuelle Rechte eingreifende Mitteilung einer Planungsabsicht (siehe Nr. 401 Zentralerlass B-1300/46). Dass eine Regelung noch nicht beabsichtigt war, ergibt sich bereits aus der Formulierung ""voraussichtliche Verwendungsdauer"". War aber bereits vor dem Dienstzeitende des Antragstellers die Information über das voraussichtliche Ende der Verwendung nicht anfechtbar, kann der Eintritt eines erledigenden Ereignisses einen unstatthaften Antrag nicht zulässig machen. Es fehlt jedenfalls an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis (§ 43 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO). Außerdem hat der Antragsteller nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme dem ""Kompromiss"" einer Verkürzung seiner Dienstzeit in ... zugestimmt.b) Im Übrigen ist der Feststellungsantrag zulässig.Hat sich eine truppendienstliche Maßnahme, die keinen Befehl im Sinne von § 2 Nr. 2 WStG darstellt, hier die Versetzung vom 11. März 2020, vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, so entscheidet das Wehrdienstgericht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO), ob die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO verlangt zwar nicht mehr die Stellung eines förmlichen Feststellungsantrags; der Antragsteller muss aber das Feststellungsinteresse substantiiert geltend machen (stRspr, z. B. BVerwG, Beschluss vom 25. März 2010 - 1 WB 42.09 - Buchholz 450.1 § 19 WBO Nr. 3 m. w. N.).Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann sich das berechtigte Interesse an der Feststellung aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint; ein Feststellungsinteresse kommt auch in Betracht, wenn die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - 1 WB 60.11 - NVwZ 2013, 1227 Rn. 26 und vom 11. Dezember 2014 - 1 WB 6.13 - Buchholz 449.7 § 51 SBG Nr. 1 Rn. 24). Wird das Feststellungsinteresse - wie hier - auf die Absicht, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, gestützt, so gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats einschränkend, dass die Erledigung erst nach Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten sein darf; nur in einem solchen Fall entspricht es dem Gedanken der Prozessökonomie, das ursprünglich anhängige Anfechtungs- oder Verpflichtungsbegehren mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme fortzusetzen, um die im Verfahren vor dem Wehrdienstgericht gewonnenen Erkenntnisse für das nachfolgende Schadensersatzverfahren zu erhalten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Juli 2011 - 1 WB 13.11 - Rn. 21 und vom 27. Mai 2014 - 1 WB 54.13 - juris Rn. 19, jeweils m. w. N.). Ist die Erledigung dagegen bereits vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten, so ist der Beschwerdeführer gehalten, seine Schadensersatzklage im Streitfall unmittelbar beim zuständigen (Verwaltungs- oder ordentlichen) Gericht zu erheben, das - neben den übrigen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs - inzident die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme überprüft.Hier ist die Erledigung durch das Dienstzeitende des Antragstellers mit dem 31. Mai 2020 eingetreten, mithin nach der Stellung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung vom 25. März 2020. Anträge auf Schadlosstellung sind gestellt, noch nicht beschieden und jedenfalls nicht offensichtlich aussichtslos.2. Der zulässige Antrag ist begründet.a) Ein Soldat hat keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung oder auf eine Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen über die Verwendung eines Soldaten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. September 2002 - 1 WB 30.02 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 30 S. 24 m. w. N. und vom 14. Dezember 2017 - 1 WB 42.16 - juris Rn. 32 m. w. N.). Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien festgelegten Maßgaben und Verfahrensvorschriften eingehalten sind, wie sie sich hier insbesondere aus dem bis zum 15. Juni 2020 geltenden Zentralerlass (ZE) B-1300/46 ""Versetzung, Dienstpostenwechsel, Kommandierung"" ergeben (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Februar 2003 - 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 <27> und vom 14. Dezember 2017 - 1 WB 42.16 - juris Rn. 32).b) Hiernach ist zunächst festzuhalten, dass nach der amtlichen Auskunft des Bundesministeriums der Verteidigung vom 23. März 2022 die Vorschriften des Zentralerlasses (ZE) B-1300/46 ""Versetzung, Dienstpostenwechsel, Kommandierung"" und der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-1350/66 ""Letzte Verwendung vor Zurruhesetzung"" nicht auf einen bestimmten Personenkreis oder eine bestimmte Besoldungsgruppe begrenzt sind und daher auch auf Versetzungen ab der Besoldungsgruppe B 6 - wie hier - in ständiger Verwaltungspraxis Anwendung finden. Für die höchste militärische Führungsebene finden in ständiger Praxis allerdings häufig nicht die Regel-, sondern die Ausnahmeverfahren der Vorschriften Anwendung.aa) Nach Nr. 201 ZE B-1300/46 können Soldaten versetzt werden, wenn ein dienstliches Bedürfnis (Nr. 202) besteht. Ein dienstliches Bedürfnis für eine Versetzung liegt regelmäßig vor, wenn ein Dienstposten zu besetzen ist (Nr. 202 Buchst. a ZE B-1300/46), der von dem Soldaten besetzte Dienstposten zur ausbildungs- und dienstgradgerechten Verwendung, zum Verwendungsaufbau und/oder zur Förderung eines anderen Soldaten benötigt wird (Nr. 202 Buchst. d ZE B-1300/46), der Soldat an einem anderen Standort unter vorübergehender Nutzung einer Planstelle zur besonderen Verwendung auf einem dienstpostenähnlichen Konstrukt (DPäK) verwendet werden soll (Nr. 202 Buchst. e ZE B-1300/46) oder wenn eine befristete Auslandsverwendung endet (Nr. 202 Buchst. f ZE B-1300/46).Vorliegend ergibt sich das dienstliche Bedürfnis für die angegriffene Versetzung aus einer Kombination dieser Gründe: Das vorgesehene Ende der befristeten Auslandsverwendung des Antragstellers war erreicht. Auf dem Dienstposten sollte der bereits zum General beförderte Nachfolger ausbildungs- und dienstgradgerecht verwendet werden. Aus den in der Ministerialvorlage vom 18. November 2019 erläuterten Gründen sollte der Antragsteller als Stabsoffizier zur besonderen Verwendung zum Expertiseerhalt zur Verfügung des Generalinspekteurs der Bundeswehr eingesetzt werden. Dass damit ein dienstliches Bedürfnis für die Verwendung besteht, bei dessen Annahme es ohnehin auf die Einschätzung des Dienstherrn ankommt (BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2017 - 1 WDS-VR 8.16 - Rn. 28 und vom 7. Juni 2018 - 1 WB 32.17 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 100 Rn. 28), hat der Antragsteller nicht in Abrede gestellt.bb) Die Versetzung war jedoch ermessensfehlerhaft. Dem Antragsteller ist zwar weder ein Verbleib auf dem Dienstposten in ... über den 31. März 2020 hinaus noch eine Beförderung zugesichert worden. Auch folgt aus seiner Bewerbung um den Dienstposten für einen nachfolgenden Zeitraum kein Anspruch auf Verlängerung der Verwendung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. April 2020 - 1 WDS-VR 3.20 - juris Rn. 21 f., 29). Die Versetzungsverfügung ist aber deshalb ermessensfehlerhaft, weil der Antragsteller durch seine Auswahl für den mit der Besoldungsgruppe B 10 bewerteten Generalsdienstposten in einem an Eignung, Leistung und Befähigung ausgerichteten und auf die Beförderung des ausgewählten Offiziers zielenden Verfahren nicht mehr ohne dies rechtfertigende sachliche Gründe auf einem nach der Besoldungsgruppe B 9 dotierten Dienstposten eingesetzt werden durfte. In die Ermessensentscheidung ist weder die Rechtsposition eingeflossen, die der Antragsteller durch seine Auswahl erlangt hat, noch sind sachliche Gründe festgestellt und erwogen worden, die in einer Abwägung mit der Rechtsposition des Antragstellers höheres Gewicht hätten.aaa) Der Dienstherr darf einen Aufstiegsbewerber, den er nach einen am Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG orientierten Auswahlverfahren für einen höherwertigen Dienstposten ausgewählt hat, nicht treuwidrig allein zur Verhinderung der Beförderung auf einen niedriger bewerteten Dienstposten wegversetzen. Mit einem Auswahlverfahren gemäß Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 SG für einen förderlichen Dienstposten ist eine Selbstbindung des Dienstherrn verbunden (BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 27). Der Dienstherr muss den ausgewählten Bewerber regelmäßig auf dem förderlichen Dienstposten verwenden und bereit sein, die mit der Auswahl in Aussicht gestellte Beförderung unter den im Einzelfall festgelegten oder allgemein üblichen Bedingungen durchzuführen. In der Folgezeit kann sich der Anspruch des ausgewählten Bewerbers auf fehlerfreie Ausübung des dem Dienstherrn bei Beförderungen zustehenden Ernennungsermessen im Einzelfall zu einem Anspruch auf Ernennung verdichten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. September 2007 - 2 C 21.06 u. a. - BVerwGE 129, 272 Rn. 45). Der Dienstherr muss jedenfalls im Falle einer weiteren Versetzung das durch die Auswahl begründete Anwartschaftsrecht berücksichtigen und kann den Soldaten nicht ohne gewichtige sachliche Gründe (z.B. mangelnde Bewährung) auf einen niedriger bewerteten Dienstposten wegversetzen. Denn er darf sich seinen Pflichten aus Art. 33 Abs. 2 GG nicht unter Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben entziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - 2 C 14.02 - BVerwGE 118, 370 <374 f.>).bbb) Im vorliegenden Fall liegen keine hinreichenden sachlichen Gründe für eine Versetzung auf einen geringer bewerteten Dienstposten vor.(1) Der Antragsteller ist in einem an Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG orientierten Verfahren mit dem Ziel der Beförderung ausgewählt worden. Ein Anhaltspunkt für eine entsprechende Organisationsgrundentscheidung liegt zwar nicht schon in dem Umstand, dass der Antragsteller auf einen mit der Besoldungsstufe B 10 bewerteten Dienstposten versetzt worden ist. Denn der Dienstherr kann - wie § 45 Abs. 1 BBesG zeigt - einen Soldaten auch durch Querversetzung zeitweise mit der Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes betrauen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. April 2020 - 1 WDS-VR 3.20 - juris Rn. 27 f.)Auch aus den aktenkundigen Ministerialvorlagen ergeben sich nicht bereits Nachweise dafür, dass der Antragsteller aufgrund eines an Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG orientierten und auf eine Beförderung des ausgewählten Kandidaten gerichteten Auswahlverfahrens auf den Dienstposten des Befehlshabers ... versetzt worden wäre. Die Vorlagen vom 30. April 2019 und vom 18. November 2019 schließen eine Beförderung des Antragstellers auf dem Dienstposten ausdrücklich aus und dokumentieren die Absicht, ihm den Dienstgrad General nur temporär führen zu lassen, ihn aber im Anschluss im Dienstgrad Generalleutnant in den Ruhestand zu versetzen. Auch die von der damaligen Bundesministerin der Verteidigung am 20. Februar 2018 gezeichnete Vorlage vom 7. Februar 2018 beweist ein an den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG ausgerichtetes Auswahlverfahren noch nicht. Sie enthält zwar die Anordnung, den Antragsteller ab Februar 2019 für drei Jahre auf dem nach der Besoldungsgruppe B 10 bewerteten Dienstposten zu verwenden, äußert sich aber nicht zum vorausgegangenen Verfahren und weist nicht auf einen Leistungsvergleich mit anderen Kandidaten hin. Sie steht allerdings auch der Annahme eines entsprechenden Auswahlverfahrens nicht entgegen, da sie von einer Besetzung eines B 10 Dienstpostens für die im Rahmen der Rotation regelmäßigen dreijährigen Besetzungsdauer spricht, die üblicherweise mit einer Beförderung des Dienstposteninhabers bei Vorliegen der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen einhergeht.(2) Dass der Entscheidung der Bundesministerin der Verteidigung vom 20. Februar 2018 eine Organisationsgrundentscheidung für einen Aufstiegswettbewerb zugrunde lag (vgl. Beschluss vom 24. April 2020 - 1 WDS-VR 3.20 - Rn. 25), in der sich der Antragsteller nach einem Vergleich von Eignung und Leistung mit anderen Offizieren durchgesetzt hatte, steht zur Überzeugung des Senats jedoch als Ergebnis der Beweisaufnahme vom 14. Juli 2022 und vom 6. September 2022 fest.Diese Überzeugung gründet maßgeblich auf den Aussagen der Zeugen General a.D. A. und General D., an deren Glaubwürdigkeit keine Zweifel bestehen. Beide Zeugen haben ausgeführt, dass im Rahmen der Vorbereitung einer Personalkonferenz 2018 für die Besetzung des Dienstpostens in ... ein aus mehreren Offizieren bestehendes Kandidatenfeld nach Eignung, Leistung und Befähigung vergleichend betrachtet worden ist. Hiernach hat sich bereits bei der Vorbereitung der Entscheidung in Einzelgesprächen des damaligen Abteilungsleiters Personal - des Zeugen General D. - mit den Mitgliedern der Personalkonferenz (Nr. 624 ZDv A-1340/23) - darunter die Zeugen General a.D. A. und Staatssekretär a.D. B. - eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers abgezeichnet, die dann der Ministerin vorgeschlagen und von dieser am 20. Februar 2018 gebilligt worden ist.Der Zeuge General a.D. A. hat bekundet, dass für den Dienstposten in ... drei oder vier Kandidaten vergleichend betrachtet worden seien. Der Antragsteller sei bereits zuvor durch die Bundesrepublik Deutschland für den Posten eines Viersternegenerals als Chairman im EU-Militärausschuss vorgeschlagen worden, dort aber nicht zum Zuge gekommen. In dem europäischen Gremium habe sich letztlich Italien durchsetzen können. Ausschlaggebend für ihn seien sein Eignungs- und Leistungsprofil, seine besonderen Verdienste als Befehlshaber der KFOR-Truppen (bei der diplomatischen Krisenbewältigung im Kosovo 2010/2011), seine internationalen Erfahrungen und die vorangegangene erfolglose Bewerbung für den EU-Dienstposten gewesen. Der Zeuge General D. hat damit übereinstimmend erläutert, dass in Vorbereitung der Auswahlentscheidung insbesondere alle damaligen Inspekteure betrachtet worden seien. Für NATO-Spitzenpositionen komme es entscheidend auf Führungserfahrungen auf internationaler Ebene an. Der Antragsteller sei als der hiernach bestgeeignete Kandidat ins Auge gefasst worden. Zwei Gründe hätten ausschlaggebend für ihn gesprochen. Zum einen habe er sich im Ausbildungszentrum der NATO in ... bewährt und zum anderen sei seine Eignung für die B-10-Ebene bereits zuvor bei seiner Betrachtung für einen entsprechenden EU-Dienstposten festgestellt worden. Gegen die Auswahl des Antragstellers habe zwar zunächst dessen bevorstehendes Dienstzeitende gesprochen. Dieses Problem sei aber durch die Zustimmung des Antragstellers zu einer Dienstzeitverlängerung gelöst worden. Im Vergleich mit General C. habe der Antragsteller über eine breitere und längere ministerielle Erfahrung verfügt. Dies sei bedeutsam, weil der in Rede stehende Dienstposten besondere Anforderungen im strategisch-politischen Bereich stelle. Nachdem hierüber Einvernehmen unter den an den Gesprächen beteiligten Mitgliedern der Personalkonferenz erzielt worden sei, sei die Einzelvorlage vom 7. Februar 2018 auf Anweisung wohl des Staatssekretärs B. erstellt worden. Der Ministerin sei das abgestimmte Ergebnis vorgelegt worden. Es habe sich 2018 um eine förderliche Auswahlentscheidung gehandelt und keine Überlegungen gegeben, den Antragsteller nicht zu befördern.Die Aussagen der Zeugen Brigadegeneral E. und Staatssekretär a.D. B. widersprechen diesem Ergebnis nicht. Sie bestätigen es jedenfalls partiell. Der Zeuge Brigadegeneral E. war an den Einzelgesprächen, deren Ergebnis die Erstellung der Einzelvorlage vom 7. Februar 2018 war, nicht beteiligt. Er hat aber bestätigt, dass die Anweisung zur Erstellung dieser Vorlage als Ergebnis entsprechender Gespräche über den damaligen Abteilungsleiter Personal, den Zeugen General D., übermittelt wurde. Der Zeuge hat auch bestätigt, dass zumindest ein Vergleich mit General C. der Entscheidung für den Antragsteller vorausgegangen war. Denn nach seinen Angaben war auf der vom Zeugen vertretenen Arbeitsebene zunächst General C. für den Dienstposten präferiert, dies aber im Ergebnis der Einzelgespräche geändert worden. Trotz erheblicher Erinnerungslücken konnte der Zeuge Staatssekretär a.D. B. jedenfalls bestätigen, dass in Vorbereitung der Entscheidung vom Februar 2018 neben dem Antragsteller mehrere Kandidaten, darunter auch General C., betrachtet worden waren. Dass er sich im Einzelnen nicht mehr genau an die für den Vergleich maßgeblichen Aspekte und die mit der Auswahl verbundenen Beförderungsabsichten erinnern konnte, widerlegt die präzisen Angaben der Zeugen General a.D. A. und General D. zum Ablauf des Verfahrens nicht.Die Angaben der Zeugen A. und D. finden eine Bestätigung auch in einem, vom Bundesministerium der Verteidigung mit Schriftsatz vom 25. August 2022 vorgelegten für die Personalkonferenz I-2018 erstellten Dokument zum ""Ring 7 NATO-COM ...****"". Denn dort wird für die Nachfolge des italienischen Generals F. der Antragsteller dem damaligen Inspekteur des Heeres, damals Generalleutnant C., gegenübergestellt. Der Antragsteller ist in dieser Darstellung durch einen Umkreis hervorgehoben und nur für ihn ist mit dem damaligen Generalmajor G. ein Nachfolger in seiner damaligen Funktion vorgeschlagen. Auch dieses Schaubild weist aus, dass jedenfalls ein Vergleich zwischen dem Antragsteller und General C. stattgefunden hat, in dem sich der Antragsteller durchsetzen konnte.Entgegen der Einschätzung des Bundesministeriums der Verteidigung ergibt sich aus dem Umstand, dass der Vergleich nach Eignung und Leistung mit anderen Kandidaten nicht in der Einzelvorlage vom 7. Februar 2018 aufgeführt ist, nicht, dass die Entscheidung der Ministerin ohne einen solchen Vergleich erfolgt wäre. Die Einzelvorlage ist das Ergebnis eines Auswahlprozesses, dessen Gründe mit der Ministerin erörtert worden sind und den sich die Ministerin durch ihre Zustimmung zu dem so erarbeiteten Vorschlag zu eigen gemacht hat.(3) Zwar sind weder die Organisationsgrundentscheidung noch die Aspekte hinreichend dokumentiert, die in der vergleichenden Betrachtung rechtfertigten, dem Antragsteller den Vorzug vor anderen Kandidaten zu geben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 2022 - 1 WB 40.21 - NVwZ 2022, 889 Rn. 27 ff.). Die sich hieraus ergebende formelle Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung mag zwar in einem Konkurrentenstreitverfahren um die Verwendung auf dem höherwertigen Dienstposten zu einem Erfolg des unterlegenen Kandidaten führen. Sie kann aber nicht vom Dienstherrn den sich aus der Auswahlentscheidung ergebenden Ansprüchen des ausgewählten Bewerbers entgegengehalten werden. Denn das Dokumentationserfordernis dient dem Schutz der Rechte unterlegener Mitbewerber, die auf der Grundlage einer vollständigen Dokumentation der Gründe der für sie nachteiligen Entscheidung, deren Rechtmäßigkeit überprüfen und zur Überprüfung eines Wehrdienstgerichts stellen können müssen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 - 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 Rn. 35 f. und vom 24. Februar 2022 - 1 WB 40.21 - NVwZ 2022, 889 Rn. 34). Verletzt der Dienstherr die ihm obliegende Dokumentationspflicht, kann er diesen von ihm selbst verschuldeten Mangel nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht gegenüber dem ausgewählten Bewerber geltend machen, um sich seinen Pflichten aus dem Auswahlverfahren zu entziehen. Folglich darf er sich hierauf im Rechtsstreit um die Versetzung des ausgewählten Kandidaten auf einen niedriger bewerteten Dienstposten nicht berufen.(4) Die Beweisaufnahme hat des Weiteren ergeben, dass sich der Antragsteller weder ausdrücklich noch konkludent vor seinem Dienstantritt in ... mit einer Abänderung der Auswahlentscheidung und einer Querversetzung mit vorübergehend höherwertiger Verwendung einverstanden erklärt hatte. Insbesondere hat er nicht auf seine Rechtsposition aus der Auswahlentscheidung verzichtet. Zwar wurde durch die Ministerialvorlage vom 30. April 2019 von der damaligen Verteidigungsministerin entschieden, den Antragsteller nur noch bis zu seiner allgemeinen Altersgrenze für weniger als ein Jahr auf dem NATO-Befehlshaber-Dienstposten zu verwenden und nicht zu befördern. Daran wurde auch in der Ministerialvorlage vom 18. November 2019 festgehalten.Diese Entscheidung erfolgte jedoch nicht einvernehmlich. Sie wurde vor dem Hintergrund getroffen, dass der Antragsteller als Leiter der ... in die sogenannte Berater-Affäre verwickelt war. In seiner Abteilung war es zu einer umfangreichen Inanspruchnahme von externen Beratungsdienstleistungen ohne korrekte Prüfung der dafür gesetzlich vorgeschriebenen Vergabeverfahren gekommen (vgl. BT-Drs. 19/22400 S. 580-584). Nach den vom Bundesministerium der Verteidigung durchgeführten internen Ermittlungen war der Antragsteller an der Vergabeentscheidung jedoch nicht maßgeblich beteiligt, sodass ihm kein disziplinarrechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden konnte. Seiner bereits 2018 beschlossenen förderlichen Verwendung auf dem Generalsdienstposten stand folglich keine disziplinarrechtliche Vorbelastung entgegen (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2021 - 1 WB 20.21 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 112). Da der Antragsteller aber mit dem Inhaber des Beratungsunternehmens persönlich befreundet und Taufpate von dessen Kindern war (BT-Drs. 19/22400 S. 281 f., 577), bestanden erhebliche politische Bedenken gegen seine Verwendung und Beförderung auf dem Generalsdienstposten. Zudem war ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zusammengetreten, von dem der Antragsteller vernommen wurde und dessen Bewertung der Vorgänge offen war.Vor diesem Hintergrund wurde nach den übereinstimmenden Zeugenaussagen der Dienstantritt des Antragstellers in ... um mehrere Monate hinausgezögert. Die Bundesministerin der Verteidigung stand vor der Alternative, den Antragsteller aus politischen Gründen in den Ruhestand zu verabschieden (vgl. dazu § 50 Abs. 1 SG) oder ihn wie geplant zu verwenden. Nach Angaben des Antragstellers fanden dazu drei Krisengespräche zwischen ihm, der Ministerin und dem damaligen Personalabteilungsleiter General D. statt. Der Zeuge General D., an dessen Glaubwürdigkeit keine vernünftigen Zweifel bestehen, konnte sich nur an das aus seiner Sicht entscheidende Krisengespräch vom 4. April 2019 erinnern, das kooperativ geführt worden sei und in dem man sich auf den Kompromiss geeinigt habe, den Antragsteller jetzt nicht in den Ruhestand zu verabschieden, aber auch nur bis zu seinem regulären Dienstzeitende auf dem Generalsdienstposten in ... zu verwenden.Dabei sei allen Beteiligten klar gewesen, dass der Antragsteller schon aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht sofort befördert werden konnte. Denn es gab nur eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 10 für Generalsverwendungen auf internationaler Ebene, die bis zum September 2019 noch durch Admiral H. besetzt war. Ebenso bestand nach Angaben von General D. Einvernehmen darüber, dass der Antragsteller - wie international üblich - ab seinem Dienstantritt vorübergehend die Befugnis erhalten sollte, den Dienstgrad eines Generals zu führen (Temporary Rank). Dass die Beförderung nicht nur bis zum Freiwerden der Planstelle verzögert, sondern ganz unterbleiben sollte, war hingegen nicht Gegenstand des am 4. April 2019 erzielten Kompromisses. Insofern stimmen die Angaben des Antragstellers und die Aussagen des neutralen und glaubwürdigen Zeugen General D. überein. Der Zeuge konnte sich auch daran erinnern, nach dem Gespräch mit der Ministerin den Antragsteller darauf hingewiesen zu haben, dass die Beförderung zum General aufgrund der Verkürzung der Dienstzeit nicht mehr pensionswirksam werden würde.Die einvernehmliche Einigung bestand somit nach der Überzeugung des Gerichts in einer Verkürzung der ""Stehzeit"" des Antragstellers in ..., deren Folge die fehlende Pensionswirksamkeit einer nach Freiwerden der Haushaltsstelle möglichen Beförderung des Antragstellers gewesen wäre. Hierauf hatte sich der Antragsteller zumindest konkludent eingelassen. Dass er vor dem Antritt seines Dienstes in ... auch ausdrücklich oder konkludent seiner Rückführung in die Ebene B 9 vor der Versetzung in den Ruhestand zugestimmt hätte, ist hingegen nicht feststellbar.(5) Dementsprechend bestand die aufgrund des Auswahlverfahrens erworbene Anwartschaft des Antragstellers auf eine Beförderung fort. Ob sich diese Rechtsposition auf ermessensfehlerfreie Ausübung des Ernennungsermessens zu einem Anspruch auf Beförderung verdichten konnte, ist nicht Gegenstand des wehrdienstgerichtlichen Verfahrens. Die Frage ist voraussichtlich in dem bereits anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf Schadlosstellung zu klären. Die fortbestehende Anwartschaft auf eine Beförderung stand jedenfalls der hier streitgegenständlichen Versetzungsverfügung vom 11. März 2020 auf einen Dienstposten zur besonderen Verwendung der Besoldungsgruppe B 9 entgegen. Diese Versetzung auf einen niedriger bewerteten Dienstposten war ermessensfehlerhaft, weil sie die vom Antragsteller erworbene Rechtsposition nicht berücksichtigt. Sachliche Gründe, die dies rechtfertigen könnten, sind nicht angeführt worden und nicht ersichtlich.3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO." bverwg_2022-56,07.09.2022,"Pressemitteilung Nr. 56/2022 vom 07.09.2022 EN EuGH soll Folgen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch einen anderen EU-Mitgliedstaat für das deutsche Asylverfahren klären Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) soll die Frage beantworten, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem Mitgliedstaat (hier: Griechenland) einen anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) daran hindert, den bei ihm gestellten weiteren Antrag auf internationalen Schutz in einem Fall ergebnisoffen zu prüfen, in dem einer Rückkehr des Antragstellers in den ersten Mitgliedstaat die Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 4 der EU-Grundrechtecharta entgegensteht und der Asylantrag in Deutschland deshalb nicht als unzulässig abgelehnt werden darf. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin ist syrische Staatsangehörige, der 2018 in Griechenland die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde. Sie kann nicht nach Griechenland zurückkehren, weil ihr dort nach der rechtskräftigen Entscheidung eines Verwaltungsgerichts unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechtecharta drohen würde. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gewährte ihr subsidiären Schutz und lehnte ihren Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab. Dieses Begehren verfolgt sie mit ihrer Klage weiter, die das Verwaltungsgericht abgewiesen hat. Die Gewährung von Flüchtlingsschutz durch Griechenland binde Deutschland in der vorliegenden Fallkonstellation nicht. Dies zugrunde gelegt sei der Antrag der Klägerin unbegründet, weil ihr in Syrien keine Verfolgung drohe. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat das Verfahren bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die nachstehende Vorlagefrage ausgesetzt: Sind in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat von der durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU eingeräumten Befugnis, einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat als unzulässig abzulehnen, keinen Gebrauch machen darf, weil die Lebensverhältnisse in diesem Mitgliedstaat den Antragsteller der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union aussetzen würden, Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EU) 604/2013, Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und Art. 13 der Richtlinie 2011/95/EU sowie Art. 10 Abs. 2 und 3, Art. 33 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU dahin auszulegen, dass die bereits erfolgte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft den Mitgliedstaat daran hindert, den bei ihm gestellten Antrag auf internationalen Schutz ergebnisoffen zu prüfen, und ihn dazu verpflichtet, ohne Untersuchung der materiellen Voraussetzungen dieses Schutzes dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen? BVerwG 1 C 26.21 - Beschluss vom 07. September 2022 Vorinstanz: VG Aachen, VG 1 K 2968/19.A - Urteil vom 19. August 2021 -","Tenor Das Verfahren wird ausgesetzt.Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgender Frage eingeholt:Sind in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat von der durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU eingeräumten Befugnis, einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat als unzulässig abzulehnen, keinen Gebrauch machen darf, weil die Lebensverhältnisse in diesem Mitgliedstaat den Antragsteller der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC aussetzen würden, Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) 604/2013, Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und Art. 13 RL 2011/95/EU sowie Art. 10 Abs. 2 und 3, Art. 33 Abs. 1 und 2 Buchst. a RL 2013/32/EU dahin auszulegen, dass die bereits erfolgte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft den Mitgliedstaat daran hindert, den bei ihm gestellten Antrag auf internationalen Schutz ergebnisoffen zu prüfen, und ihn dazu verpflichtet, ohne Untersuchung der materiellen Voraussetzungen dieses Schutzes dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen? Gründe IDie Klägerin, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) als subsidiär schutzberechtigt anerkannt worden ist, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.Die 1999 geborene Klägerin ist syrische Staatsangehörige, der bereits 2018 in Griechenland die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde. Sie kann nicht nach Griechenland zurückkehren, weil ihr dort nach der rechtskräftigen Entscheidung eines Verwaltungsgerichts die ernsthafte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC drohen würde. Das Bundesamt gewährte ihr mit Bescheid vom 1. Oktober 2019 subsidiären Schutz und lehnte ihren Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab.Die hierauf gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgewiesen, der geltend gemachte Anspruch folge nicht bereits daraus, dass der Klägerin in Griechenland die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei. In der Sache sei der Antrag der Klägerin unbegründet, weil ihr in Syrien keine Verfolgung drohe.Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision macht die Klägerin in erster Linie geltend, dass die Beklagte an die bereits erfolgte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gebunden sei.IIDer Rechtsstreit ist auszusetzen, weil sein Ausgang von einer vorab einzuholenden Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die Auslegung der Verträge abhängt (Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV -). Die Frage betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31, ber. 2017 L 49 S. 50; nachfolgend VO (EU) 604/2013), Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und Art. 13 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9, ber. ABl. 2017 L 167 S. 58; nachfolgend RL 2011/95/EU) sowie Art. 10 Abs. 2 und 3, Art. 33 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60; nachfolgend RL 2013/32/EU).1. Die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Entscheidung des Bundesamtes richtet sich im nationalen Recht nach dem Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 9. Juli 2021 zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters (BGBl. I S. 2467, 2504) sowie nach dem Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 4a des Gesetzes zur Regelung eines Sofortzuschlages und einer Einmalzahlung in den sozialen Mindestsicherungssystemen sowie zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und weiterer Gesetze vom 23. Mai 2022 (BGBl. I S. 760).Der danach maßgebliche rechtliche Rahmen des Rechtsstreits ergibt sich aus den folgenden Vorschriften:§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG - Geltungsbereich(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen:(...)2. internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9); der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie; der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) gewährte internationale Schutz steht dem internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU gleich; § 104 Absatz 9 des Aufenthaltsgesetzes bleibt unberührt.§ 3 Abs. 1, 3 und 4 AsylG - Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe2. außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oderb) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.(...)(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG - Unzulässige Anträge(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn (...)2. ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat (...).§ 60 Abs. 1 AufenthG - Verbot der Abschiebung(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.2. Am innerstaatlichen Recht gemessen steht der Klägerin nach § 3 Abs. 4 Halbs. 1 i. V. m. Abs. 1 AsylG kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu (a). Der Senat kann jedoch ohne eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) nicht feststellen, ob dieses Verständnis des § 3 Abs. 4 Halbs. 1 i. V. m. Abs. 1 AsylG mit Unionsrecht - nämlich mit Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) 604/2013, Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und Art. 13 RL 2011/95/EU sowie Art. 10 Abs. 2 und 3, Art. 33 Abs. 1 und 2 Buchst. a RL 2013/32/EU - vereinbar ist. Danach bedarf die im Beschlusstenor formulierte Frage einer Klärung durch den Gerichtshof, weil sie weder durch seine Rechtsprechung geklärt noch ihre Beantwortung offenkundig ist (b).a) Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich, weil der Klägerin gemäß nationalem Recht nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zusteht.Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht im Hinblick auf die individuelle Situation der Klägerin aus § 3 Abs. 4 Halbs. 1 i. V. m. Abs. 1 AsylG. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts hat das Vorbringen der unverfolgt ausgereisten Klägerin und die tatsächlichen Verhältnisse in Syrien in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahin beurteilt, dass ihr bei - einer hypothetischen - Rückkehr dorthin nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrelevante Verfolgung droht. Zu einer Sachentscheidung über den Asylantrag ist das Verwaltungsgericht verpflichtet gewesen, obwohl § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG bestimmt, dass ein Asylantrag unzulässig ist, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. November 2020 - 1 C 8.19 [ECLI:DE:BVerwG:2020:171120U1C8.19.0] - BVerwGE 170, 326 Rn. 14 f. und vom 30. März 2021 - 1 C 41.20 [ECLI:DE:BVerwG:2021:300321U1C41.20.0] - BVerwGE 172, 125 Rn. 31).Denn diese Vorschrift ist in den Fällen anderweitiger Flüchtlingsanerkennung innerhalb der Europäischen Union unangewendet zu lassen, in denen der betreffende Ausländer wegen einer nach Art. 4 GRC drohenden ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nicht durch Erlass einer Unzulässigkeitsentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU auf den (formal gewährten) Schutz des anderen Mitgliedstaates verwiesen werden darf (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u. a. [ECLI:EU:C:2019:219], Ibrahim u. a. - Rn. 81 ff. und 101 und Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 u. a. [ECLI:EU:C:2019:964], Hamed u. a. - Rn. 34 und 43).Nach dem nationalen Recht steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auch nicht bereits wegen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Griechenland zu. Die hiervon ausgehenden Rechtswirkungen sind nationalrechtlich in § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG abschließend geregelt. Danach schließt die für einen bestimmten Staat ausgesprochene ausländische Anerkennung als Flüchtling die Abschiebung in diesen Staat auch für Deutschland aus. Durch diese nationale Regelung hat der deutsche Gesetzgeber eine auf den Abschiebungsschutz begrenzte Bindungswirkung der ausländischen Flüchtlingsanerkennung angeordnet, aus der aber kein Anspruch auf neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft folgt (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 29 und vom 30. März 2021 - 1 C 41.20 - NVwZ 2022, 66 Rn. 32).Eine weitergehende Bindung des Bundesamtes lässt sich nationalrechtlich auch nicht aus § 3 Abs. 3 AsylG herleiten. Danach ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausgeschlossen, wenn der Ausländer den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Art. 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, sind § 3 Abs. 1 und 2 AsylG anwendbar (§ 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) fällt derzeit als einzige Organisation in den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen, die Art. 1 Abschn. D GFK sowie Art. 12 Abs. 1 Buchst. a RL 2011/95/EU umsetzen und gerade im Hinblick auf die besondere Lage der - regelmäßig staatenlosen - Palästinaflüchtlinge geschaffen worden sind, die den Beistand oder Schutz des UNRWA genießen. Liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift vor, ist einem Antragsteller daher auf seinen Antrag ipso facto die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ohne dass er in Bezug auf das Gebiet, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, eine begründete Furcht vor Verfolgung nachweisen muss (EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 [ECLI:EU:C:2021:3] - Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 25. April 2019 - 1 C 28.18 [ECLI:DE:BVerwG:2019:250419U1C28.18.0] - Buchholz 402.251 § 29 AsylG Nr. 7 Rn. 18, unter Hinweis auf EuGH, Urteile vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 [ECLI:EU:C:2012:826] - Rn. 67, 70 ff., 76 und vom 25. Juli 2018 - C-585/16 [ECLI:EU:C:2018:584] - Rn. 86).Die genannten Voraussetzungen sind jedoch hier nicht gegeben. Zudem ist die Lage der Klägerin, der in Griechenland die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und in Deutschland subsidiärer Schutz gewährt wurde, nicht mit der in § 3 Abs. 3 AsylG geregelten Situation vergleichbar, so dass auch eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift nicht in Betracht kommt.Eine andere Rechtslage ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. September 2020 - 2 BvR 2082/18 [ECLI:DE:BVerfG:2020:rk20200913.2bvr208218] - (BeckRS 2020, 25171 Rn. 28), nach dem eine Abschiebung in den Herkunftsstaat im Falle einer bereits erfolgten Schutzgewährung durch einen anderen Mitgliedstaat untersagt ist. Es kann dahinstehen, ob eine ausländische Flüchtlingsanerkennung auch dann ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG oder unionsrechtlichen Normen begründet, wenn eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG - wie hier - ausgeschlossen ist (a. A. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 4. August 2021 - 16 K 1148/21.A [ECLI:DE:VGD:2021:0804.16K1148.21A.00] - juris Rn. 102; VG Stuttgart, Urteil vom 18. Februar 2022 - A 7 K 3174/21 [ECLI:DE:VGSTUTT:2022:0218.A7K3174.21.00] - juris Rn. 44; VG Aachen, Urteil vom 3. Juni 2022 - 10 K 2844/20.A [ECLI:DE:VGAC:2022:0603.10K2844.20A.00] - juris Rn. 99 ff.). Denn auch wenn dies der Fall sein sollte, bestätigte das lediglich die im Gesetz angeordnete, auf den Abschiebungsschutz beschränkte Rechtswirkung ausländischer Zuerkennungen (jedenfalls) des Flüchtlingsstatus. Eine umfassende Bindung an durch andere Mitgliedstaaten ausgesprochene Statusentscheidungen dergestalt, dass ein ausnahmsweise zur erneuten Durchführung eines Asylverfahrens verpflichteter Mitgliedstaat das im ersten Mitgliedstaat gefundene Ergebnis ungeprüft übernehmen müsste, lässt sich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hingegen nicht entnehmen.b) Der vorlegende Senat hält für klärungsbedürftig, ob die im Tenor des Beschlusses genannten Vorschriften des Unionsrechts in Fällen wie dem vorliegenden einer ergebnisoffenen Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz durch die Beklagte entgegenstehen.Eine solche Bindungswirkung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union für einen anderen Mitgliedstaat aufgrund primären Unionsrechts dürfte zur Überzeugung des Senats ausgeschlossen sein (aa). Ob sie sich aus sekundärem Unionsrecht ergeben könnte (bb), erscheint dem Senat demgegenüber durch den Gerichtshof klärungsbedürftig (cc).(aa) Nach Art. 78 Abs. 1 Satz 1 AEUV entwickelt die Union eine gemeinsame Politik im Bereich Asyl, subsidiärer Schutz und vorübergehender Schutz. Hierfür erlassen das Europäische Parlament und der Rat nach Art. 78 Abs. 2 AEUV gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen in Bezug auf ein gemeinsames europäisches Asylsystem (GEAS). Dieses umfasst unter anderem einen in der ganzen Union gültigen einheitlichen Asylstatus für Drittstaatsangehörige und einen einheitlichen subsidiären Schutzstatus für Drittstaatsangehörige, die keinen europäischen Asylstatus erhalten, aber internationalen Schutz benötigen (Art. 78 Abs. 2 Buchst. a und b AEUV). Weder diesen Regelungen noch sonstigen Vorschriften der Art. 77 ff. AEUV lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem Mitgliedstaat der ergebnisoffenen Prüfung eines in einem weiteren Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz entgegenstünde. Vielmehr gibt es bislang gerade keine gegenseitige Anerkennung positiver Asylentscheidungen. Dies entspricht im Übrigen auch der verschiedentlich zum Ausdruck gekommenen Auffassung der Europäischen Kommission (vgl. ""Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Ein offenes und sicheres Europa: Praktische Umsetzung"" vom 11. März 2014 - COM <2014> 154 final, Nr. 3.1 sowie Factsheet ""Fragen und Antworten zur Europäischen Migrationsagenda vom 13. Mai 2015, zur Frage der langfristigen Strategie im Bereich Asyl) und des Europäischen Parlaments (""Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. April 2016 zur Lage im Mittelmeerraum und zur Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes der EU für Migration"" - 2015/2095 Rn. 39).Der Gerichtshof hat aus Art. 2 und 3 EUV und Art. 67 und 82 Abs. 1 AEUV darüber hinaus den ""Grundsatz gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten"" entwickelt. Er verlangt namentlich in Bezug auf den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts von jedem Mitgliedstaat, dass dieser, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, davon ausgeht, dass die anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten (EuGH, Urteile vom 19. März 2019 - C-297/17 u. a. - Rn. 83 f. und vom 22. Februar 2022 - C-483/20 [ECLI:EU:C:2022:103] - Rn. 28).Daraus folgt aber keine Bindung an die in einem anderen Mitgliedstaat getroffene Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Dem Eintritt einer derart weitreichenden Rechtsfolge steht entgegen, dass die Union bislang gerade keinen einheitlichen Schutzstatus im Sinne des Art. 78 Abs. 2 Buchst. a und b AEUV geschaffen hat. Die inhaltliche Prüfung der Voraussetzungen des Antrags auf internationalen Schutz bleibt daher Sache des Mitgliedstaates, bei dem dieser Antrag gestellt wurde.Unabhängig vom Vorstehenden könnte der unionsrechtliche Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zur Überzeugung des Senats in Fällen wie dem vorliegenden deshalb nicht greifen, weil der erstanerkennende Mitgliedstaat dieses Vertrauen und damit zugleich einen Grundwert im Sinne von Art. 2 EUV dadurch beeinträchtigt hat, dass der andere Mitgliedstaat von der Möglichkeit, eine Unzulässigkeitsentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU zu treffen, keinen Gebrauch machen darf, weil die Lebensverhältnisse im Staat der Erstanerkennung den Antragsteller der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC aussetzen. Ist das gegenseitige Vertrauen in dieser Weise bereits erschüttert, kann es nicht zugleich Grundlage einer Bindungswirkung von Entscheidungen des erstaufnehmenden Mitgliedstaates sein.(bb) Auch das Sekundärrecht der Union kennt keine Regelung des verfahrensrechtlichen oder des materiellen Flüchtlingsrechts, die ausdrücklich eine Bindung an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch einen Mitgliedstaat für das Asylverfahren eines anderen Mitgliedstaates vorschreibt. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteile vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 29 und vom 30. März 2021 - 1 C 41.20 - BVerwGE 172, 125 Rn. 32).Vom Gerichtshof bisher nicht entschieden und auch sonst nicht offenkundig ist indes, ob sich eine Bindungswirkung mitgliedstaatlicher Anerkennungsentscheidungen im Asylverfahren gleichwohl aus dem in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) 604/2013 (Dublin III-VO) zum Ausdruck kommenden allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz herleiten lässt, dass der Asylantrag eines Antragstellers (allein) von einem einzigen Mitgliedstaat inhaltlich geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Verordnung als zuständiger Mitgliedstaat bestimmt wird. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das ein zentraler Grundsatz der Dublin III-Verordnung, der dem GEAS generell zugrunde liegt (EuGH, Urteil vom 2. April 2019 - C-582/17 u. a. [ECLI:EU:C:2019:280] - Rn. 78) und der deshalb auch in Fällen zum Tragen kommen könnte, die - wie derjenige der Klägerin - nicht nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zu beurteilen sind. Danach könnte eine inhaltliche Prüfung in einem einzigen Mitgliedstaat - unabhängig vom Prüfungsergebnis - in allen anderen Mitgliedstaaten Geltung beanspruchen.Auch der Wortlaut der Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und Art. 13 RL 2011/95/EU steht einer Auslegung nicht entgegen, dass es für die Anerkennung in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union allein auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem Mitgliedstaat ankommen könnte. Während Art. 4 Abs. 1 Satz 2 RL 2011/95/EU bestimmt, dass es die Pflicht des Mitgliedstaates ist, unter Mitwirkung des Antragstellers die für den Antrag maßgeblichen Anhaltspunkte zu prüfen, regelt Art. 13 RL 2011/95/EU, dass die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen, der die Voraussetzungen der Kapitel II - Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz - und Kapitel III - Anerkennung als Flüchtling - erfüllt, die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen. In der Zusammenschau könnten diese beiden verfahrensrechtlichen Vorgaben dahin auszulegen sein, dass allein die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union maßgeblich ist, der damit in allen Mitgliedstaaten ohne weitere Überprüfung anzuerkennen ist.Für die Beantwortung der Frage nach einer unionsweiten Anerkennung des von einem Mitgliedstaat zuerkannten Flüchtlingsschutzes sind des Weiteren die einschlägigen Vorgaben der Richtlinie 2013/32/EU zu berücksichtigen. Dabei ist zunächst auf Erwägungsgrund 43 Satz 2 zu dieser Richtlinie hinzuweisen, der festlegt, dass Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sein sollen, einen Antrag auf internationalen Schutz in der Sache zu prüfen, wenn ein anderer Mitgliedstaat dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat oder ihm anderweitig ausreichenden Schutz gewährt und die Rückübernahme des Antragstellers in diesen Staat gewährleistet ist. Des Weiteren sind Art. 10 Abs. 2 und 3 sowie Art. 33 Abs. 1 und 2 Buchst. a RL 2013/32/EU in den Blick zu nehmen. Art. 10 RL 2013/32/EU bestimmt die Anforderungen an die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz. Auf einen solchen Antrag stellt die Asylbehörde nach Art. 10 Abs. 2 RL 2013/32/EU zuerst fest, ob der Antragsteller die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling erfüllt. Art. 10 Abs. 3 RL 2013/32/EU legt die dazu notwendigen verfahrensrechtlichen Standards fest. Des Weiteren regelt Art. 33 Abs. 1 RL 2013/32/EU, dass zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ein Antrag nicht geprüft wird, die Mitgliedstaaten nicht prüfen müssen, ob dem Antragsteller der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zuzuerkennen ist, wenn ein Antrag auf der Grundlage des vorliegenden Artikels als unzulässig betrachtet wird. Gemäß Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU kommt das in Betracht, wenn ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat.Die in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU den Mitgliedstaaten eröffnete Möglichkeit, auf eine Sachentscheidung für den Fall zu verzichten, dass ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat - für die Bundesrepublik Deutschland in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG geregelt -, könnte als Ausdruck des Grundsatzes einer einzigen inhaltlichen Prüfung eines Asylantrags in einem einzigen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu verstehen sein. Es stellt sich indes die weitere Frage, ob in den Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Gebrauchmachen von der in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU geregelten Befugnis aufgrund einer andernfalls drohenden Verletzung von Art. 4 GRC ausgeschlossen ist, eine Bindungswirkung einer mitgliedstaatlichen Anerkennungsentscheidung für alle Mitgliedstaaten eintreten kann. Zwar kann es bei konsequenter Anwendung der in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU eröffneten Möglichkeit schon gar nicht zu einer Sachentscheidung in einem anderen Mitgliedstaat kommen, doch ist dieser Weg in Fällen wie dem vorliegenden von vornherein verschlossen.Vor diesem Hintergrund ist nach den Rechtsfolgen zu fragen, die der Wegfall der Befugnis zum Erlass einer Unzulässigkeitsentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU auslöst. Generalanwalt Pikamäe hat dazu wörtlich ausgeführt (EuGH, Schlussantrag des Generalanwalts vom 30. September 2021 - C-483/20 [ECLI:EU:C:2021:780] - Rn. 64):""Für den Fall, dass sich ein Mitgliedstaat mit einer Situation konfrontiert sieht, die ihn daran hindert, von der ihm in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32 verliehenen Befugnis Gebrauch zu machen, hätte er den bei ihm gestellten Antrag auf internationalen Schutz folglich zu prüfen und zu untersuchen, ob die internationalen Schutz beantragende Person die oben beschriebenen materiellen Voraussetzungen für die Gewährung dieses Schutzes erfüllt. Der Mitgliedstaat muss den betreffenden Drittstaatsangehörigen daher wie eine Person behandeln, die erstmals internationalen Schutz beantragt, unabhängig von dem Schutz, der ihm von einem anderen Mitgliedstaat bereits gewährt worden ist. Die Folgen einer solchen Situation hat der Unionsgesetzgeber im Rahmen des in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32 vorgesehenen Unzulässigkeitsmechanismus zweifellos bedacht [...]; soll dieser Vorschrift nicht ihre gesamte praktische Wirksamkeit genommen werden, darf der Umstand im Zusammenhang mit der vorherigen Zuerkennung des internationalen Schutzes durch einen ersten Mitgliedstaat - darauf sei abermals hingewiesen - im Rahmen der Sachprüfung des Antrags in keiner Weise berücksichtigt werden [...].""Der Senat hält diese Auffassung, zu der sich der Gerichtshof bislang nicht geäußert hat, für überzeugend.Gewisse Anhaltspunkte für eine Bindungswirkung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ergeben sich möglicherweise allerdings auch daraus, dass die Verneinung dieser Rechtsfolge zu einer Umgehung der speziellen Regeln für das Erlöschen, den Ausschluss und die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (Art. 11, 12 und 14 RL 2011/95/EU) führen könnte. Dies hat das Bundesverfassungsgericht (Kammerbeschluss vom 30. März 2022 - 2 BvR 2069/21 [ECLI:DE:BVerfG:2022:rk20220330.2bvr206921] - juris Rn. 48 ff.) bezogen auf das Auslieferungsverfahren und die Auslegung von Art. 9 Abs. 2 und 3 RL 2013/32/EU erwogen und die genannte Frage als bislang ungeklärt bezeichnet (vgl. nunmehr das beim Gerichtshof unter dem Az: C-352/22 anhängige Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Hamm). Auch in Fällen wie dem vorliegenden könnte angenommen werden, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat durch eine erneute Sachprüfung, die mit der Möglichkeit der Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz verbunden ist, faktisch entwertet wird, ohne dass die Voraussetzungen der Art. 11, 12 oder 14 RL 2011/95/EU vorliegen.Gegen eine solche Umgehungsgefahr spricht, dass es in dem hier in Rede stehenden Asylverfahren nicht um das Erlöschen oder um die Aberkennung des in dem ersten Mitgliedstaat zuerkannten Flüchtlingsstatus, sondern darum geht, ob ein Asylantragsteller zusätzlich zu dem ihm bereits in dem ersten Mitgliedstaat zuerkannten Flüchtlingsstatus eine weitere Schutzberechtigung mit den darin verbundenen Rechten in dem zweitprüfenden Mitgliedstaat erlangen kann. Anders als im Auslieferungsverfahren droht hingegen keine Verschlechterung der Rechtsposition des Asylantragstellers, der jedenfalls mit Blick auf den ihm zuerkannten subsidiären Schutz in seinem Herkunftsstaat nicht abgeschoben werden kann. Gleichwohl bestärkt die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts den Senat darin, die vorgelegte Rechtsfrage für unionsrechtlich nicht geklärt zu halten.(cc) Die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs kann zur Überzeugung des Senats weder in die eine noch in die andere Richtung mit Gewissheit zur Beantwortung der aufgeworfenen Bindungsfrage herangezogen werden. Namentlich der Beschluss des Gerichtshofs in der Rechtssache ""Hamed u. a."" (EuGH, Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 u. a. -) verhält sich zur Art und Weise der Durchführung eines neuen Asylverfahrens nicht hinreichend eindeutig.In dem Beschluss führt der Gerichtshof (EuGH, Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 u. a. - Rn. 42) wörtlich aus:""Wie sich außerdem aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt, bietet das deutsche Recht zwar einen gewissen Schutz für einen Antragsteller, der aufgrund der ernsthaften Gefahr, in dem Mitgliedstaat, der ihm bereits die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, eine gegen Art. 4 der Charta verstoßende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren, nicht dorthin zurückgeführt werden kann; es sieht jedoch ohne ein neues Asylverfahren nicht die Anerkennung dieser Eigenschaft und die Gewährung der damit verbundenen Rechte auch in Deutschland vor.""Sofern der Gerichtshof einerseits von einem ""neuen"" Asylverfahren spricht, spricht dies für eine in jeder Hinsicht ergebnisoffene Prüfung. Andererseits stellt der Gerichtshof im weiteren Verlauf des wiedergegebenen Satzes die an die Flüchtlingseigenschaft geknüpften Rechte, das heißt die statusrechtlichen Folgen der Anerkennung, in den Vordergrund. Diese Feststellung des Gerichtshofs könnte auch im Sinne einer Bindungswirkung der Flüchtlingserstanerkennung eines Mitgliedstaates durch andere Mitgliedstaaten zu verstehen sein." bverwg_2022-59,21.09.2022,"Pressemitteilung Nr. 59/2022 vom 21.09.2022 EN Bekanntgabefiktion: Anforderungen an die Darlegung von Zweifeln am Zugang eines an eine Behörde mit Posteingangsdokumentation gerichteten Bescheides Ein Gericht darf Zweifel am Zugang eines mit einfacher Post an eine Behörde gesandten Bescheides verneinen, wenn diese den Zugang zwar bestreitet, ihre lückenlose Dokumentation des Posteingangs für den fraglichen Zeitraum aber nicht offenlegt und die zu Beginn des Verwaltungsprozesses noch verfügbare Dokumentation nicht aufbewahrt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin, eine amtsangehörige Gemeinde, klagte gegen einen subventionsrechtlichen Zinsbescheid des beklagten Ministeriums. Der Bescheid wurde mit einfacher Post an sie und nicht an den Bevollmächtigten gesandt, der sich im Verwaltungsverfahren - ohne Vorlage einer Vollmacht - für sie bestellt hatte. Nach der Bekanntgabefiktion des § 41 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz gilt ein als einfacher Brief versandter Bescheid als am dritten Tag nach Aufgabe zur Post bekanntgegeben. Erst mehr als einen Monat später hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht, sie habe keinen Bescheid erhalten. Im Berufungsverfahren hat sie auf Nachfrage vorgetragen, sie habe im fraglichen Zeitraum ein Posteingangsbuch geführt; es sei heute nicht mehr vorhanden. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Vortrag der Klägerin angesichts dieser Umstände keine Zweifel am Zugang des Bescheides begründen könne. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision zurückgewiesen. Nach den Vorschriften über die Bekanntgabe von Verwaltungsakten durfte das Ministerium den Bescheid unmittelbar an die Klägerin senden. Das Berufungsgericht musste aufgrund ihres Vortrags nicht am Zugang des Bescheides zweifeln. Zwar genügt regelmäßig einfaches Bestreiten des Zugangs, Zweifel zu begründen, weil der Adressat typischerweise keine genaueren Umstände darlegen kann, die gegen einen Zugang sprechen. Bei behördlichen Adressaten, die eine Posteingangsdokumentation führen, ist dies anders. Sie können beispielsweise darlegen, dass dort für den möglichen Zugangszeitraum kein entsprechender Eingang verzeichnet ist. Solche Adressaten trifft außerdem ab Prozessbeginn eine verfahrensrechtliche Obliegenheit, die Dokumentation bis zum Abschluss des Verfahrens zu Beweiszwecken aufzubewahren. Geht die Dokumentation in dieser Zeit aus Gründen verloren, die sie zu vertreten haben, führt dies nicht dazu, dass nun wieder schlichtes Bestreiten des Zugangs genügte. Von einem solchen von der Klägerin zu vertretenden Verlust ist das Oberverwaltungsgericht hier revisionsrechtlich fehlerfrei ausgegangen. Fußnote: § 41 Verwaltungsverfahrensgesetz: (1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, so kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden. (2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder in das Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. BVerwG 8 C 12.21 - Urteil vom 21. September 2022 Vorinstanzen: OVG Greifswald, OVG 2 LB 108/17 - Urteil vom 28. Oktober 2020 - VG Greifswald, VG 4 A 401/13 - Urteil vom 06. Dezember 2016 -","Urteil vom 21.09.2022 - BVerwG 8 C 12.21ECLI:DE:BVerwG:2022:210922U8C12.21.0 EN Bekanntgabefiktion für an Behörde mit Posteingangsdokumentation adressierten Bescheid Leitsatz: Bestreitet eine Behörde den Zugang des an sie adressierten, von ihr angefochtenen Bescheides und verfügte sie bei Prozessbeginn noch über eine Dokumentation ihres Posteingangs im fraglichen Zugangszeitraum, darf das Gericht Zweifel am Zugang im Sinne des § 41 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 VwVfG verneinen, wenn die Behörde die Vorlage der Dokumentation unter Berufung auf deren Verlust verweigert, ohne darzutun, dass sie diesen nicht zu vertreten hat. Rechtsquellen VwGO § 60 Abs. 1 und 2, § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwVfG § 14 Abs. 3, § 41 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 und 3 VwZG § 7 Abs. 1 Satz 2 Instanzenzug VG Greifswald - 06.12.2016 - AZ: 4 A 401/13 OVG Greifswald - 28.10.2020 - AZ: 2 LB 108/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 21.09.2022 - 8 C 12.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:210922U8C12.21.0] Urteil BVerwG 8 C 12.21 VG Greifswald - 06.12.2016 - AZ: 4 A 401/13 OVG Greifswald - 28.10.2020 - AZ: 2 LB 108/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2022 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Hoock und Dr. Rublack sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller und Dr. Meister für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin, eine amtsangehörige Stadt in Mecklenburg-Vorpommern, wendet sich gegen einen subventionsrechtlichen Zinsbescheid. 2 Der Beklagte gewährte ihr eine Zuwendung für ihre Schmutzwasserkanalisation. Die Klägerin verbrauchte den von ihr abgeforderten Zuwendungsbetrag nur zum Teil. Mit Änderungsbescheid vom 12. Oktober 2011 verringerte der Beklagte seine Zuwendung entsprechend und hörte die Klägerin zur beabsichtigten Erhebung von Erstattungsbegleitzinsen und Vorgriffszinsen in Höhe von insgesamt 15 630,43 € an. Daraufhin meldete sich für die Klägerin ein anwaltlicher Bevollmächtigter, kündigte die Nachreichung einer Vollmacht an und beantragte unter anderem Akteneinsicht sowie die Verlängerung der Anhörungsfrist. Der Beklagte gewährte ihm Akteneinsicht und verlängerte die Anhörungsfrist ihm gegenüber bis zum 22. Dezember 2011. 3 Einen Antrag des Bevollmächtigten vom 22. Dezember 2011 auf weitere Verlängerung der Anhörungsfrist lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 28. Dezember 2011 ab und teilte ihm mit, der Zinsbescheid ergehe mit Datum vom heutigen Tage. Seinen am 28. Dezember 2011 erlassenen Zinsbescheid adressierte der Beklagte unmittelbar an die Klägerin über das für sie zuständige Amt und gab ihn zum Versand mit einfacher Post an seine Poststelle, die auf der Aktenverfügung einen Absendestempel anbrachte. 4 Auf die Nachfrage des Bevollmächtigten vom 3. Februar 2012, wann mit einem Zinsbescheid gerechnet werden könne, übermittelte der Beklagte ihm den an die Klägerin adressierten Bescheid vom 28. Dezember 2011. Die Klägerin hat am 8. Februar 2012 Klage gegen den Bescheid erhoben und vorsorglich Wiedereinsetzung in die Klagefrist beantragt. Der Bescheid sei ihr nicht zugegangen. Deshalb greife die gesetzliche Fiktion des Zugangs drei Tage nach seiner Absendung in ihrem Fall nicht ein. Zudem sei die Bekanntgabe unmittelbar an sie und nicht an ihren Bevollmächtigten ermessensfehlerhaft gewesen. 5 Das Verwaltungsgericht hat durch Zwischenurteil entschieden, die Klage sei zulässig. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin auf gerichtliche Verfügung mitgeteilt, der Posteingang sei beim Amt im fraglichen Zeitraum über ein Postbuch erfasst worden. Auf die anschließende gerichtliche Anforderung der Postbücher von 2011 und 2012 hat sie erklärt, diese seien nicht vorhanden. Das Oberverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Der Zinsbescheid sei gemäß § 41 Abs. 2 Satz 2 VwVfG als am 31. Dezember 2011 zugegangen anzusehen. Die Ausnahme des § 41 Abs. 2 Satz 3 VwVfG von der gesetzlichen Bekanntgabefiktion greife nicht ein, denn der klägerische Vortrag begründe noch keine Zweifel am Zugang des Verwaltungsakts. Da der Zugang von Anfang an umstritten gewesen sei, hätte die Klägerin das Postbuch aufbewahren müssen. Sie trage deshalb die Verantwortung für die fehlende Möglichkeit der Aufklärung. Der Bescheid sei ihr ermessensfehlerfrei bekanntgegeben worden. Eine Wiedereinsetzung in die Klagefrist scheide aus, weil diese nicht unverschuldet versäumt worden sei. 6 Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das Berufungsurteil kehre die Beweislast rechtsfehlerhaft zu ihren Lasten um. Sie sei weder zur Führung noch zur Aufbewahrung des - nach ihren Angaben in der Revisionsverhandlung bei Prozessbeginn noch vorhandenen - Postbuches verpflichtet gewesen. Überdies sei die für solche Bücher geltende fünfjährige Aufbewahrungsfrist im Zeitpunkt der gerichtlichen Aufklärungsverfügung abgelaufen gewesen. Das Risiko der Nichterweislichkeit des Zugangs des mit einfacher Post versandten Bescheides trage nach § 41 Abs. 2 VwVfG der Beklagte. 7 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. Oktober 2020 zu ändern und die Berufung zurückzuweisen. 8 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 9 Er verteidigt das Berufungsurteil. II 10 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil hat die Zulässigkeit der Klage in Übereinstimmung mit revisiblem Recht wegen Überschreitens der Klagefrist verneint. Diese ist ab der Bekanntgabe des Bescheides (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO) und damit ab dem Zugang des Zinsbescheides bei der Klägerin zu berechnen. Der Beklagte hat der Klägerin den Bescheid wirksam bekanntgegeben (1.). Dessen Zugang drei Tage nach seiner Absendung wird gesetzlich fingiert, weil das Berufungsgericht Zweifel an ihm ohne Verletzung revisiblen Rechts verneint hat (2.). Eine Wiedereinsetzung in die Klagefrist scheidet wegen verschuldeter Fristversäumnis aus (3.). 11 1. Die Klagefrist begann mit der Bekanntgabe des Bescheides an die Klägerin über das für sie zuständige Amt zu laufen. Diese Bekanntgabe war wirksam. 12 Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, so kann die Bekanntgabe nach Satz 2 der Norm ihm gegenüber vorgenommen werden. Diese Regelung räumt der Behörde pflichtgemäß auszuübendes Ermessen bei der Auswahl des Bekanntgabeadressaten ein, ohne einer Bekanntgabe gegenüber dem Bevollmächtigten den Vorrang einzuräumen. Sie verdrängt als Sonderregelung für verfahrensbeendende Entscheidungen die Regelung des § 14 Abs. 3 VwVfG, wonach sich die Behörde im Verwaltungsverfahren an einen bestellten Bevollmächtigten wenden soll. § 41 Abs. 1 Satz 2 VwVfG schränkt daher die Wirksamkeit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts unmittelbar an den Betroffenen nicht ein, sondern erweitert die Handlungsmöglichkeiten der Behörde um diejenige, den Verwaltungsakt dem Bevollmächtigten bekanntzugeben (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1997 - 3 C 35.96 - BVerwGE 105, 288 <292 ff.>). Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass eine Bekanntgabe an den Bevollmächtigten zulässig ist (vgl. den Bericht des Innenausschusses vom 18. Dezember 1975, BT-Drs. 7/4494 S. 8). Dass damit keine Pflicht zur vorrangigen Bekanntgabe an den Bevollmächtigten eingeführt werden sollte, bestätigt neben dem Wortlaut des § 41 Abs. 1 Satz 2 VwVfG auch das Scheitern einer Regelungsinitiative, eine solche Pflicht in der Parallelregelung des § 37 Abs. 1 SGB X zu verankern (vgl. BT-Drs. 8/4022 S. 24; BT-Drs. 8/4330 S. 2; Mutschler, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand Dezember 2021, § 37 SGB X Rn. 13 m. w. N.). 13 Der Beklagte hat sein Ermessen gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 VwVfG fehlerfrei zugunsten einer Bekanntgabe des Zinsbescheides unmittelbar an die Klägerin ausgeübt. Da ihm keine schriftliche Vollmacht vorgelegt worden war, bedarf keiner Erwägung, ob und gegebenenfalls inwieweit sein Ermessen in diesem Fall bei Übertragbarkeit des Rechtsgedankens aus der § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG entsprechenden Zustellungsregelung des § 101 Abs. 1 Satz 2 VwVfG MV zugunsten einer Bekanntgabe an den Bevollmächtigten beschränkt gewesen sein könnte. Dass der Beklagte zuvor mit dem Bevollmächtigten der Klägerin korrespondiert und ihm Akteneinsicht gewährt hatte, reduzierte sein Ermessen nicht auf eine Bekanntgabe an ihn. Die Ermessensgrenze des Willkürverbots wäre überschritten, wenn der Beklagte Verwaltungsakte bislang stets dem Bevollmächtigten gegenüber bekanntgegeben hätte und während des Verfahrens ohne sachlichen Grund zu einer Bekanntgabe unmittelbar an die Klägerin übergegangen wäre (vgl. für Zustellungen BFH, Urteil vom 3. Februar 2004 - VII R 30/03 - BFHE 204, 403 Rn. 22 f.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. November 2007 - 11 LA 172/07 - InfAuslR 2008, 78 f.). Das war hier jedoch nicht der Fall. Die Bescheide in dem subventionsrechtlichen Verwaltungsverfahren wurden zuvor ebenfalls der Klägerin - teilweise über das für sie zuständige Amt - bekanntgegeben. Die Klägerin musste als eine mit den verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen besonders vertraute Behörde daher mit einer Bekanntgabe unmittelbar an sich selbst rechnen. 14 2. Das Oberverwaltungsgericht ist in tatrichterlicher Würdigung des von ihm festgestellten Sachverhaltes und des Vortrages der Klägerin von einer Bekanntgabe des Zinsbescheides am dritten Tage nach seiner Absendung durch den Beklagten ausgegangen. Diese Annahme steht in Einklang mit revisiblem Recht. 15 Gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt am dritten Tag nach seiner Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Nach Satz 3 der Norm gilt dies jedoch nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Als Datum der Aufgabe zur Post hat das Berufungsgericht den 28. Dezember 2011 festgestellt. Dagegen hat die Klägerin keine wirksamen Verfahrensrügen erhoben. Ausgehend hiervon ist nach der Fiktionsregelung des § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG eine Bekanntgabe des Bescheides an sie am 31. Dezember 2011 anzunehmen. Zweifel am Zugang, derentwegen dem Beklagten davon abweichend nach Satz 3 der Regelung der Nachweis des Zugangs obläge, hat das Berufungsgericht verneint. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. 16 Ob Zweifel im Sinne von § 41 Abs. 2 Satz 3 VwVfG am Zugang eines Verwaltungsakts bestehen, unterliegt der gerichtlichen Überprüfung. Zweifel im Sinne der Regelung sind schon dann gegeben, wenn das Tatsachengericht den Zugang des Verwaltungsakts für ungewiss hält. Bestreitet der Kläger den Zugang, hat das Gericht die Glaubhaftigkeit seines Vortrages und seine Glaubwürdigkeit zu bewerten. Zur Darlegung von Zweifeln im Sinne von § 41 Abs. 2 Satz 3 VwVfG genügt regelmäßig das einfache Bestreiten des Zugangs, weil einem Adressaten, der den Zugang überhaupt bestreitet, anders als bei verspätetem Zugang eine weitere Substantiierung typischerweise nicht möglich ist (zu § 122 Abs. 2 AO vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2016 - 9 C 19.15 - BVerwGE 155, 241 Rn. 18; BFH, Urteil vom 14. März 1989 - VII R 75/85 - BFHE 156, 66 <71> und Beschluss vom 14. Februar 2008 - X B 11/08 - BFH/NV 2008, 743; zu § 37 Abs. 2 SGB X vgl. BSG, Urteil vom 26. Juli 2007 - B 13 R 4/06 R - SozR 4-2600 § 115 SGB VI Nr. 2 Rn. 20). In aller Regel liegen die Umstände der Postbeförderung und -zustellung, aus denen sich Schlüsse auf den Zugang oder Nichtzugang eines mit einfacher Post versandten Bescheides ziehen ließen, außerhalb der Sphäre des Klägers, so dass er aufgrund eigener Wahrnehmung nicht mehr vortragen kann als die Tatsache, den Bescheid nicht erhalten zu haben. 17 Anders liegt der Fall jedoch bei einem behördlichen Adressaten, der - wie hier - im fraglichen Zugangszeitpunkt eine Posteingangsdokumentation geführt hat. Sie ermöglicht es, den behaupteten Nichtzugang des Bescheides mit dem Fehlen eines Eintrags der Sendung in die Eingangsdokumentation zu substantiieren und diese - gegebenenfalls auszugsweise - vorzulegen. Diese Möglichkeit, konkrete Indizien für das Fehlen eines Zugangs vorzutragen, begründet für den Adressaten eine Darlegungsobliegenheit, deren Nichterfüllung das Tatsachengericht je nach Lage der Umstände im Einzelfall zu seinen Lasten würdigen darf. Das gilt auch, wenn der behördliche Adressat die Vorlage der Eingangsdokumentation mit der Begründung verweigert, sie sei während des Verwaltungsprozesses in Verlust geraten, und keine Umstände vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er diesen Verlust nicht zu vertreten hat. Mit Beginn des Verwaltungsstreitverfahrens entsteht ein Prozessrechtsverhältnis, in dem die Beteiligten zur Mitwirkung an der Sachaufklärung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO verpflichtet sind. Daher obliegt es einer Behörde, die den Zugang des von ihr beklagten, an sie adressierten Bescheides bestreitet, ihre bei Prozessbeginn noch vorhandene Eingangsdokumentation als Beweismittel für das Gericht vorzuhalten und vor einer Vernichtung oder einem Verlust zu sichern, sofern sie für die Aufklärung des bestrittenen Zugangs des Bescheides erkennbar entscheidungsrelevant ist. Diese Pflicht läuft entgegen dem Revisionsvorbringen der Klägerin nicht auf eine § 41 Abs. 2 Satz 3 VwVfG zuwiderlaufende Beweislastumkehr zum Nachteil des Adressaten hinaus, der den Zugang bestreitet. Die Beweislast für den Zugang trifft die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, wenn Zweifel am Zugang bestehen. Dem Adressaten obliegt es nur, diese Zweifel darzutun, und nicht etwa, die negative Tatsache des fehlenden Zugangs zu beweisen. 18 Kann vom Adressaten über das regelmäßig ausreichende einfache Bestreiten des Zugangs hinaus - wie hier - auch die Vorlage in seiner Sphäre angefallener Indizien gegen einen Zugang verlangt werden, entsprechen die Darlegungsobliegenheit und die Aufbewahrungspflicht hinsichtlich solcher Umstände, die ausschließlich in seiner Sphäre liegen und deren Aufklärung notwendigerweise seine Mitwirkung voraussetzt, der Mitwirkungspflicht der Beteiligten aus § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO bei der Sachverhaltsermittlung. Ihre Verletzung kann die Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht des Gerichts herabsetzen, die dort endet, wo das Vorbringen des Klägers keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Sachaufklärung bietet. Zugleich kann sie bei der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung zum Nachteil des Betroffenen berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Juni 1999 - 9 C 36.98 - BVerwGE 109, 174 <177> und vom 30. Januar 2013 - 9 C 11.11 - BVerwGE 145, 354 Rn. 28; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 45). 19 Im Einklang mit diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren, im fraglichen Zugangszeitraum ein Postbuch geführt zu haben, und den Umstand, dass es auf gerichtliche Aufforderung wegen zwischenzeitlichen Verlusts nicht vorgelegt wurde, ohne dass Entschuldigungsgründe vorgetragen oder erkennbar wurden, der Sache nach als Verletzung ihrer prozessualen Pflicht zur Mitwirkung an der Sachaufklärung gewertet und bei seiner tatrichterlichen Beweiswürdigung zu ihren Lasten berücksichtigt. Gegen seine Bewertung, der Vortrag der Klägerin begründe noch keine Zweifel am Zugang des Zinsbescheides, ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Damit greift im Falle der Klägerin die Fiktion des § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG ein. Ist deshalb von einer Bekanntgabe des Bescheides am 31. Dezember 2011 auszugehen, lief die Klagefrist gegen ihn gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO am 31. Januar 2012 ab. Die erst am 8. Februar 2012 erhobene Klage ist verspätet erhoben worden. 20 3. Das Berufungsgericht hat eine Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist ohne Verstoß gegen Bundesrecht abgelehnt. Zwar hat die Klägerin eine Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis ihres Bevollmächtigten vom Erlass des angegriffenen Bescheides beantragt (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Sie war jedoch nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Klagefrist gehindert (§ 60 Abs. 1 VwGO). Ein Verschulden im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO liegt vor, wenn der Betroffene diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falls zuzumuten war. Nach diesen Grundsätzen war die Versäumung der Klagefrist hier verschuldet, weil der Bevollmächtigte der Klägerin es unterlassen hat, sich angesichts der Ankündigung des Beklagten, am 28. Dezember 2011 einen Zinsbescheid zu erlassen, rechtzeitig vor dem bei dessen Versendung am selben Tag frühestmöglichen Ablauf der Klagefrist vorsorglich bei seiner Mandantin oder dem Beklagten nach einem solchen Bescheid zu erkundigen. Die Klägerin muss sich das Verschulden ihres Bevollmächtigten nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2022 - 2 C 12.21 - juris Rn. 24 m. w. N.). 21 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2022-6,20.01.2022,"Pressemitteilung Nr. 6/2022 vom 20.01.2022 EN Themenbezogene Widmungsbeschränkung verletzt Meinungsfreiheit Die Beschränkung des Widmungsumfangs einer kommunalen öffentlichen Einrichtung, die deren Nutzung allein aufgrund der Befassung mit einem bestimmten Thema ausschließt, verletzt das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger beantragte die Überlassung eines städtischen Veranstaltungssaales um dort eine Podiumsdiskussion zum Thema ""Wie sehr schränkt München die Meinungsfreiheit ein? - Der Stadtratsbeschluss vom 13. Dezember 2017 und seine Folgen"" durchzuführen. Nach diesem Beschluss dürfen für Veranstaltungen, die sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der sogenannten BDS-Kampagne (""Boycott, Divestment and Sanctions"") befassen, diese unterstützen, diese verfolgen oder für diese werben, keine städtischen Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Der Begründung zufolge sollen städtische Räume nicht für eine Unterstützung der Kampagne genutzt werden; schon die Befassung mit ihr wird ausgeschlossen um Umgehungen zu verhindern. Der Antrag des Klägers wurde unter Bezugnahme hierauf abgelehnt. Seine daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagte verpflichtet, dem Antrag des Klägers zu entsprechen. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der kommunalrechtliche Anspruch der Gemeindeangehörigen, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen, besteht nur im Rahmen der von der Gemeinde für die jeweilige öffentliche Einrichtung festgelegten Widmung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schloss die Widmung des Saals kommunalpolitische Diskussionsveranstaltungen ein. Den Stadtratsbeschluss der Beklagten hat das Berufungsgericht revisionsrechtlich fehlerfrei als nachträgliche Beschränkung des Widmungsumfangs eingeordnet. Diese ist rechtswidrig und unwirksam, weil sie das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) verletzt. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Der Stadtratsbeschluss greift in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit ein, weil er eine nachteilige Rechtsfolge - den Ausschluss von der Benutzung öffentlicher Einrichtungen - an die zu erwartende Kundgabe von Meinungen zur BDS-Kampagne oder zu deren Inhalten, Zielen und Themen knüpft. Die darin liegende Beschränkung der Meinungsfreiheit ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit unterliegt den Grenzen der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG). Der Stadtratsbeschluss ist schon kein Rechtssatz. Er trifft auch keine in diesem Sinne allgemeine Regelung. Der Beschluss ist nicht meinungsneutral. Er ist auch nicht mit dem Schutz von Rechtsgütern zu rechtfertigen, die schlechthin ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützen sind. Das ist der Fall, wenn Meinungsäußerungen die geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen und in Rechtsgutverletzungen oder erkennbar in Gefährdungslagen umschlagen, weil sie die Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung gefährden und so den Übergang zu Aggression und Rechtsbruch markieren. Nach den Tatsachenfeststellungen des Berufungsurteils ist dies bei der vom Kläger geplanten Veranstaltung nicht zu erwarten. BVerwG 8 C 35.20 - Urteil vom 20. Januar 2022 Vorinstanzen: VGH München, VGH 4 B 19.1358 - Urteil vom 17. November 2020 - VG München, VG M 7 K 18.3672 - Urteil vom 12. Dezember 2018 -","Urteil vom 20.01.2022 - BVerwG 8 C 35.20ECLI:DE:BVerwG:2022:200122U8C35.20.0 EN Themenbezogene Widmungsbeschränkung einer kommunalen öffentlichen Einrichtung Leitsatz: Die Beschränkung des Widmungsumfangs einer kommunalen öffentlichen Einrichtung, die deren Nutzung allein aufgrund der Befassung mit einem bestimmten Thema ausschließt, verletzt das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Rechtsquellen GG Art. 1 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 und 2, Art. 8 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 StGB §§ 130, 185 VwGO § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 Instanzenzug VG München - 12.12.2018 - AZ: M 7 K 18.3672 VGH München - 17.11.2020 - AZ: 4 B 19.1358 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 20.01.2022 - 8 C 35.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:200122U8C35.20.0] Urteil BVerwG 8 C 35.20 VG München - 12.12.2018 - AZ: M 7 K 18.3672 VGH München - 17.11.2020 - AZ: 4 B 19.1358 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2022 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger begehrt die Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung der Beklagten für eine Diskussionsveranstaltung, die einen von deren Stadtrat am 13. Dezember 2017 gefassten Beschluss zum Gegenstand haben soll. Dieser Beschluss hat u.a. folgenden Inhalt: ""3. Für Raumvergaben bzw. Vermietung oder Zuschüsse wird Folgendes festgelegt a) Organisationen und Personen, die Veranstaltungen in städtischen Einrichtungen durchführen wollen, welche sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne befassen, diese unterstützen, diese verfolgen oder für diese werben, werden von der Raumüberlassung bzw. Vermietung von Räumlichkeiten ausgeschlossen. Dies gilt entsprechend auch für die Zuschussvergabe. b) Organisationen und Personen (Rednerinnen und Redner, Künstlerinnen und Künstler, Veranstalterinnen und Veranstalter), die sich in der Vergangenheit positiv zur BDS-Kampagne geäußert haben oder diese unterstützen, können nur dann durch die Überlassung bzw. Vermietung von Räumlichkeiten für Veranstaltungen unterstützt werden, sofern diese sich nicht mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne befassen, diese unterstützen, diese verfolgen oder für diese werben. Dies gilt entsprechend auch für die Zuschussvergabe."" 2 Im April 2018 bat der Kläger das Stadtmuseum der Beklagten um Überlassung eines Saales für eine Diskussionsveranstaltung zum Thema ""Wie sehr schränkt M. die Meinungsfreiheit ein? - Der Stadtratsbeschluss vom 13.12.2017 und seine Folgen"". Das Stadtmuseum lehnte die Vermietung seiner Räumlichkeiten für die geplante Veranstaltung unter Hinweis auf den Beschluss des Stadtrats ab. 3 Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger im M. Stadtmuseum, hilfsweise in einem anderen städtischen Raum, einen Saal für die geplante Diskussionsveranstaltung zu vermieten, abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger seinen Hilfsantrag präzisiert und neben dem Stadtmuseum sieben weitere städtische Veranstaltungsorte konkret benannt, darunter den Bürgersaal F. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für die geplante Diskussionsveranstaltung den Zugang zum Bürgersaal F. im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten durch Einwirkung auf den Trägerverein Bürgersaal F. e.V. zu verschaffen; im Übrigen hat er die Berufung zurückgewiesen. Allein der Hilfsantrag auf Verpflichtung der Beklagten zum Abschluss eines Mietvertrages für den Bürgersaal F. sei zulässig und begründet. Bei der genannten Veranstaltungsstätte handele es sich um eine öffentliche Einrichtung im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung - BayGO). Deren Widmungszweck umfasse auch privat organisierte Veranstaltungen zu kommunalpolitischen Themen. Da die Beklagte den laufenden Betrieb der Einrichtung und die Entscheidung über die Nutzungsvergabe dem Trägerverein Bürgersaal F. e.V. überlassen habe, wandele sich der kommunalrechtliche Zulassungsanspruch in einen Verschaffungsanspruch, den die beklagte Kommune durch Einwirkung auf den Trägerverein zu erfüllen habe. 4 Der Verschaffungsanspruch scheitere nicht an dem Beschluss des Stadtrats der Beklagten. Dieser verletze das Grundrecht der Meinungsfreiheit und den Gleichbehandlungsgrundsatz und sei daher unwirksam. Der Stadtratsbeschluss schränke den Widmungsumfang städtischer Räumlichkeiten ein, indem er Veranstaltungen, die sich mit der gegen den Staat Israel gerichteten BDS-Kampagne befassten, von der Nutzung generell ausschließe. Der damit verbundene Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit sei nicht gerechtfertigt. Der widmungsbeschränkende Stadtratsbeschluss stelle kein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG dar, weil er keine Rechtsnormqualität besitze. Darüber hinaus lasse sich auch nicht feststellen, dass der generelle Ausschluss von Veranstaltungen zur BDS-Kampagne dem Schutz eines unabhängig von bestimmten Meinungsinhalten zu schützenden Rechtsguts diene. Dass die Durchführung von Diskussionsveranstaltungen zu diesem Thema regelmäßig mit der Gefahr der Begehung strafbarer Handlungen verbunden wäre, sei nicht erkennbar. Auch könne im Zusammenhang mit der BDS-Kampagne von einer sich abzeichnenden konkreten Rechtsgutgefährdung, die eine staatliche Schutzpflicht auslösen würde, nach den gegenwärtig erkennbaren Umständen nicht gesprochen werden. Unabhängig davon verstoße der Stadtratsbeschluss gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. 5 Die Beklagte trägt zur Begründung der Revision vor, das Berufungsurteil verletze § 86 VwGO und dehne den Schutzbereich der Meinungsfreiheit unzulässig zu Lasten des kommunalen Selbstverwaltungsrechts aus. Es ordne den Stadtratsbeschluss unzutreffend als zielgerichteten regulativen Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit ein. Die Beklagte entnehme Art. 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 i.V.m. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG eine sie treffende Schutzpflicht, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nicht zu fördern. Sie wolle Veranstaltungen zu der von ihr für antisemitisch gehaltenen BDS-Kampagne keine Bühne durch Überlassung städtischer Räume geben. Der Stadtratsbeschluss verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, denn die darin getroffene Regelung der Widmung sei nicht willkürlich. 6 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. November 2020 zu ändern und die Berufung insgesamt zurückzuweisen. 7 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Er verteidigt das Berufungsurteil und macht darüber hinaus geltend, der Stadtratsbeschluss verstoße auch gegen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit und verletze das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot. II 9 Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt kein Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). 10 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht den vom Kläger im Laufe des Berufungsverfahrens nachträglich präzisierten Hilfsantrag auf Verpflichtung der Beklagten zum Abschluss eines Mietvertrages für den Bürgersaal F. als Klageänderung eingeordnet, die sich gemäß § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO als sachdienlich erweist. Das Rechtsschutzbedürfnis für die geänderte Klage ist nicht dadurch entfallen, dass bereits im Juni 2019 von anderen Organisatoren eine thematisch vergleichbare Veranstaltung in einer privat betriebenen Räumlichkeit durchgeführt worden ist. Die Klage erweist sich für den Kläger nicht als nutzlos, weil sein Klagebegehren erkennbar darauf gerichtet ist, eine von ihm veranstaltete Diskussion über den Stadtratsbeschluss in städtischen Räumen stattfinden zu lassen. 11 2. Das Berufungsurteil leidet nicht unter dem gerügten Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO. Mit dem Vortrag, das Berufungsgericht habe ohne entsprechende Sachaufklärung das Ergebnis seines Urteils, die Beklagte wolle die Meinungsfreiheit des Klägers zielgerichtet beschränken, als Sachverhalt unterstellt, hat die Beklagte einen solchen Verstoß nicht prozessordnungsgemäß dargetan. Dazu wäre die Darlegung erforderlich gewesen, welche Aufklärungsmaßnahmen sich dem Berufungsgericht auch ohne förmlichen Beweisantrag hätten aufdrängen müssen, welches Ergebnis sie gehabt hätten und inwieweit dies zu einer für die Beklagte günstigeren Entscheidung hätte führen können (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Daran fehlt es hier. Die sinngemäße Rüge, das angegriffene Urteil verletze den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO), weil es der Beklagten die Absicht zur gezielten Beschränkung der Meinungsfreiheit unterstelle, ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat keine unzulässige Tatsachenfeststellung ""ins Blaue hinein"" getroffen, sondern das Regelungsziel durch eine Auslegung des Stadtratsbeschlusses entsprechend §§ 133 und 157 BGB ermittelt. Sie ist dem materiellen Recht zuzuordnen und kann nicht mit Verfahrensrügen angegriffen werden. 12 3. Das Berufungsurteil verletzt kein materielles revisibles Recht. Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Kläger revisionsrechtlich fehlerfrei einen Anspruch auf Zugang zum Bürgersaal F. zugesprochen. Seine Annahme, der Stadtratsbeschluss stehe diesem Anspruch nicht entgegen, weil die darin vorgenommene Widmungsbeschränkung das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) verletze, ist nicht zu beanstanden. 13 a) Gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung - BayGO) sind alle Gemeindeangehörigen nach den bestehenden allgemeinen Vorschriften berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen. Da die Vorschrift zum irrevisiblen Recht gehört, hat das Revisionsgericht nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO von der vorinstanzlichen Auslegung und Anwendung der Vorschrift auszugehen und nur deren Vereinbarkeit mit revisiblem Recht zu beurteilen. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung und Anwendung des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayGO steht mit diesem Recht im Einklang. 14 Danach begründet die Bestimmung einen Anspruch auf die Nutzung öffentlicher Einrichtungen im Rahmen des Widmungszwecks und der Kapazität der Einrichtung. Wird die öffentliche Einrichtung - wie hier - von einem privaten Trägerverein betrieben, der über die Nutzungsvergabe entscheidet, wandelt sich der kommunalrechtliche Zulassungsanspruch in einen Verschaffungsanspruch, den die Kommune durch Einwirken auf den Trägerverein zu erfüllen hat (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1989 - 7 B 184.88 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 91 S. 47 f.). Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht einen Verschaffungsanspruch des Klägers nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayGO revisionsrechtlich fehlerfrei bejaht. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsurteils handelt es sich bei dem Bürgersaal F. um eine öffentliche Einrichtung im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayGO, deren Widmungszweck auch privat organisierte Veranstaltungen zu kommunalpolitischen Themen umfasst. 15 b) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Verschaffungsanspruch des Klägers scheitere nicht an dem Stadtratsbeschluss, weil die dadurch vorgenommene Einschränkung des Nutzungsrechts öffentlicher Einrichtungen das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) verletze, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. 16 aa) Das Berufungsgericht hat den Stadtratsbeschluss als eine nachträgliche Beschränkung des Widmungsumfangs öffentlicher Einrichtungen der Beklagten verstanden. Es ist davon ausgegangen, dass der Beschluss die Zulassung zu solchen Einrichtungen für Veranstaltungen ausschließt, die sich mit der BDS-Kampagne oder deren Themen befassen. Dieses Verständnis des Stadtratsbeschlusses verletzt keine revisiblen Auslegungsgrundsätze (§§ 133 und 157 BGB). 17 bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die durch den Stadtratsbeschluss vorgenommene Widmungsbeschränkung kommunaler öffentlicher Einrichtungen das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) verletzt. 18 (1) Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Meinungen sind durch die subjektive Beziehung des Einzelnen zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Für sie ist das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens kennzeichnend. Insofern lassen sie sich auch nicht als wahr oder unwahr erweisen. Sie genießen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird. Die Bürger sind dabei rechtlich auch nicht gehalten, die der Verfassung zugrunde liegenden Wertsetzungen persönlich zu teilen. Das Grundgesetz baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen, erzwingt die Werteloyalität aber nicht. Es vertraut auf die Kraft der freien Auseinandersetzung als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien (BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009 - 1 BvR 2150/08 - BVerfGE 124, 300 <320>). Die Meinungsfreiheit ist nicht erst dann berührt, wenn das grundrechtlich geschützte Verhalten selbst eingeschränkt oder untersagt wird. Es genügt, dass nachteilige Rechtsfolgen daran geknüpft werden (BVerfG, Beschlüsse vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 126/85 - BVerfGE 86, 122 Rn. 20 und vom 27. August 2019 - 1 BvR 811/17 - juris Rn. 18). 19 Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit ist von der Widmungseinschränkung des Stadtratsbeschlusses betroffen, weil der Ausschluss von der Nutzung öffentlicher Einrichtungen der Beklagten an absehbare Meinungsäußerungen zur BDS-Kampagne gleich welcher Richtung anknüpft. Der Stadtratsbeschluss unterbindet Meinungsäußerungen zur BDS-Kampagne zwar nicht unmittelbar. Er greift jedoch mittelbar in die Meinungsfreiheit ein, weil er mit dem Ausschluss von der Benutzung öffentlicher Einrichtungen eine nachteilige Rechtsfolge an die zu erwartende Kundgabe von Meinungen zur BDS-Kampagne oder zu deren Inhalten, Zielen oder Themen knüpft und damit eine meinungsbildende Auseinandersetzung zu diesem Thema behindert. 20 (2) Dieser Grundrechtseingriff ist nicht gerechtfertigt. Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet die Meinungsfreiheit ihre Grenzen in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Darunter sind Gesetze zu verstehen, die nicht eine Meinung als solche verbieten und sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, sondern dem Schutz eines schlechthin ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen. Dieses Rechtsgut muss in der Rechtsordnung allgemein und damit unabhängig davon geschützt sein, ob es durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise verletzt werden kann. Ausgangspunkt für die Prüfung, ob ein Gesetz ein allgemeines ist, ist zunächst die Frage, ob eine Norm an Meinungsinhalte anknüpft. Erfasst sie das fragliche Verhalten völlig unabhängig von dem Inhalt einer Meinungsäußerung, bestehen hinsichtlich der Allgemeinheit keine Zweifel. Knüpft sie demgegenüber an den Inhalt einer Meinungsäußerung an, kommt es darauf an, ob die Norm dem Schutz eines auch sonst in der Rechtsordnung geschützten Rechtsguts dient. Ist dies der Fall, ist in der Regel zu vermuten, dass das Gesetz nicht gegen eine bestimmte Meinung gerichtet ist, sondern meinungsneutral allgemein auf die Abwehr von Rechtsgutverletzungen zielt. Insoweit nimmt nicht schon jede Anknüpfung an den Inhalt von Meinungen als solche einem Gesetz den Charakter als allgemeines Gesetz. Vielmehr sind auch inhaltsanknüpfende Normen dann als allgemeine Gesetze zu beurteilen, wenn sie erkennbar auf den Schutz bestimmter Rechtsgüter und nicht gegen eine bestimmte Meinung gerichtet sind (BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009 - 1 BvR 2150/08 - BVerfGE 124, 300 <321 f.>). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 5 Abs. 1 und 2 GG die Freiheit der Meinung als Geistesfreiheit unabhängig von der inhaltlichen Bewertung ihrer Richtigkeit oder Gefährlichkeit gewährleistet. Er erlaubt nicht den staatlichen Zugriff auf die Gesinnung, sondern ermächtigt erst dann zum Eingriff, wenn Meinungsäußerungen die rein geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen und in Rechtsgutverletzungen oder erkennbar in Gefährdungslagen umschlagen. Dies ist der Fall, wenn sie den öffentlichen Frieden als Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung gefährden und so den Übergang zu Aggression oder Rechtsbruch markieren (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. November 2009 - 1 BvR 2150/08 - BVerfGE 124, 300 <335>, vom 22. Juni 2018 - 1 BvR 673/18 - juris Rn. 24 und vom 7. Juli 2020 - 1 BvR 479/20 - juris Rn. 14). 21 Danach stellt der Stadtratsbeschluss kein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG dar. Ihm fehlt schon die hierfür erforderliche Rechtssatzqualität. Zudem trifft er keine allgemeine Regelung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG. Er ist nicht meinungsneutral, sondern richtet sich gegen jedwede Meinung zum Thema BDS-Kampagne und schließt damit alle Meinungsäußerungen zu einem bestimmten Thema aus. Der Grundrechtseingriff ist auch nicht gerechtfertigt, weil er dem Schutz eines auch sonst in der Rechtsordnung geschützten Rechtsguts diente. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Durchführung von Diskussionsveranstaltungen, die sich mit der BDS-Kampagne befassen, regelmäßig mit der Gefahr strafbarer Handlungen, etwa von Äußerungsdelikten nach § 130 oder § 185 StGB, verbunden wäre. Solches hat auch die Beklagte nicht geltend gemacht. Ebenso wenig liegen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gegenwärtig Anhaltspunkte vor, dass die im Bundesgebiet entfalteten Aktivitäten der auf den Staat Israel zielenden Boykottbewegung eine die Friedlichkeitsgrenze überschreitende gezielte Stimmungsmache gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland oder gar ein Aufstacheln zum Hass gegen diese Personengruppe umfassen könnten. An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil sie von der Revisionsführerin nicht mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffen wurden. 22 cc) Soweit der Kläger einen Verstoß gegen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) geltend macht, tritt dieses Grundrecht hinter das speziellere Grundrecht der Meinungsfreiheit zurück. Der Stadtratsbeschluss unterbindet die Nutzung öffentlicher Einrichtungen nicht für die Veranstaltungsform der Versammlung, sondern nur für solche Veranstaltungen, bei denen Meinungsäußerungen zum Thema der BDS-Kampagne zu erwarten sind. Damit richtet sich der Eingriff zuvörderst gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit. 23 Eine etwaige Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) tritt ebenfalls hinter Art. 5 Abs. 1 GG zurück, weil sich die unterschiedliche Behandlung von Veranstaltungen, die sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne befassen, und sonstigen Veranstaltungen zu kommunalpolitischen Themen in der Differenzierung wegen zu erwartender Meinungsäußerungen erschöpft. 24 Schließlich kommt eine Verletzung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht in Betracht. Das Grundgesetz garantiert das kommunale Selbstverwaltungsrecht nur im Rahmen der Gesetze und entlässt die Kommunen nicht aus der Bindung an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG). 25 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2022-61,11.10.2022,"Pressemitteilung Nr. 61/2022 vom 11.10.2022 EN Kein eigenständiges befristetes Aufenthaltsrecht des Elternteils eines minderjährigen ledigen Deutschen nach Aufhebung der familiären Lebensgemeinschaft Dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen steht nach Aufhebung der familiären Lebensgemeinschaft kein von deren Führung unabhängiges und damit eigenständiges befristetes Aufenthaltsrecht zu. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, ein algerischer Staatsangehöriger, war zuletzt mehr als drei Jahre lang im Besitz einer ihm zur Ausübung der Personensorge für seinen seinerzeit noch minderjährigen Sohn erteilten Aufenthaltserlaubnis. Er begehrt die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht. Seinen Antrag lehnte die Ausländerbehörde ab. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, dem Kläger nachträglich eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 AufenthG zu erteilen. Der Verwaltungsgerichtshof hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Begünstigter der Verweisung in § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG auf § 31 AufenthG ist nicht der ausländische Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen. Nach diesen Normen wird die Aufenthaltserlaubnis des ausländischen Ehegatten eines Deutschen im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht zunächst um ein Jahr verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und der Deutsche bis dahin seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte; die weitere Verlängerung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde. § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist eine Rechtsgrundverweisung. Verwiesen wird nicht nur auf die Rechtsfolge des § 31 AufenthG, den Erwerb eines eigenständigen befristeten Aufenthaltsrechts, sondern auch auf dessen tatbestandliche Voraussetzungen. Diese sind indes nur auf Ehegatten, nicht jedoch auch auf Elternteile minderjähriger lediger Kinder bezogen. Von der Begründung eines eigenständigen befristeten Aufenthaltsrechts für ausländische Elternteile minderjähriger lediger Deutscher hat der Gesetzgeber bewusst abgesehen. Mit § 28 Abs. 3 Satz 2 AufenthG wird das Aufenthaltsrecht dieser Eltern lediglich dahingehend verlängert, dass es die Volljährigkeit des Kindes überdauert, solange sich das Kind in einer Ausbildung befindet und die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht. Etwaige Wertungswidersprüche zu anderen Verweisungsvorschriften des Aufenthaltsgesetzes sind von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt. BVerwG 1 C 49.21 - Urteil vom 11. Oktober 2022 Vorinstanzen: VGH Kassel, VGH 6 A 1527/19 - Beschluss vom 19. Oktober 2021 - VG Frankfurt/Main, VG 10 K 1997/18.F - Beschluss vom 06. Juni 2019 -","Urteil vom 11.10.2022 - BVerwG 1 C 49.21ECLI:DE:BVerwG:2022:111022U1C49.21.0 EN Kein eigenständiges befristetes Aufenthaltsrecht des Elternteils eines minderjährigen ledigen Deutschen nach Aufhebung der familiären Lebensgemeinschaft Leitsatz: § 28 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 31 Abs. 1 und 4 AufenthG vermittelt dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen nach Aufhebung der familiären Lebensgemeinschaft kein von deren Führung unabhängiges und damit eigenständiges befristetes Aufenthaltsrecht. Rechtsquellen AufenthG § 11 Abs. 1, § 25 Abs. 4 Satz 2, § 25b Abs. 4 Satz 3, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 4, § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 4 Satz 2, § 36 Abs. 2 Satz 2, § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 59 AufenthV § 56 Abs. 1 Nr. 8 AuslG § 19, § 23 Abs. 3 Halbs. 1 GG Art. 3 Abs. 1 RL 2003/86/EG Art. 1, 2 Buchst. b, c, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2 Buchst. a, Art. 15 Abs. 1, 2 und 3 Satz 2 Instanzenzug VG Frankfurt am Main - 06.06.2019 - AZ: VG 10 K 1997/18.F VGH Kassel - 19.10.2021 - AZ: VGH 6 A 1527/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 11.10.2022 - 1 C 49.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:111022U1C49.21.0] Urteil BVerwG 1 C 49.21 VG Frankfurt am Main - 06.06.2019 - AZ: VG 10 K 1997/18.F VGH Kassel - 19.10.2021 - AZ: VGH 6 A 1527/19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß, Dollinger und Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der im Mai 1969 geborene Kläger, ein algerischer Staatsangehöriger, ist Vater eines im Jahr 2001 geborenen deutschen Staatsangehörigen. Die Personensorge für das Kind wurde allein dessen Mutter übertragen. Der Kläger übte sein Umgangsrecht zeitweise aus. Im August 2009 wurde ihm infolge der Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft erteilt. Nach deren Aufhebung verkürzte die seinerzeit zuständige Ausländerbehörde im März 2010 die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis; zugleich erteilte sie dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausübung der ""Personensorge"" für seinen Sohn, die zuletzt im Oktober 2014 bis zum März 2017 verlängert wurde. 2 Im April 2018 versagte die Ausländerbehörde der Beklagten die neuerliche Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, forderte den Kläger zum Verlassen des Bundesgebiets innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Verfügung auf, drohte ihm für den Fall, dass er seiner Ausreisepflicht nicht fristgerecht nachkomme, die Abschiebung primär nach Algerien an, befristete das seinerzeitige gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf die Dauer von zwei Jahren und verpflichtete den Kläger zur Vorlage seines Nationalpasses innerhalb von 14 Tagen zum Zwecke der Eintragung der Ausreisefrist. Eine weitere Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis scheide aus. Der Kläger habe für die Betreuung und Erziehung seines Sohnes keine Verantwortung mehr übernommen und auch sein Umgangsrecht nicht mehr ausgeübt. Dem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erwachse nach Aufhebung der familiären Lebensgemeinschaft kein eigenständiges befristetes Aufenthaltsrecht. 3 Das Verwaltungsgericht hat der in der mündlichen Verhandlung auf die Aufhebung der angegriffenen Verfügung und die Verpflichtung der Beklagten zur ""Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 3 i. V. m. § 31 AufenthG"" beschränkten Klage stattgegeben. 4 Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. § 31 AufenthG werde in § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG anders als in § 36 Abs. 2 Satz 2 AufenthG und § 25b Abs. 4 Satz 3 AufenthG nicht für ""entsprechend"", sondern mit der bezeichneten Maßgabe für anwendbar erklärt. Dies stelle eine Rechtsgrundverweisung dar, die, soweit sie § 31 AufenthG betreffe, allein die Fälle des Ehegattennachzugs nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erfasse, nicht jedoch auch für ausländische Elternteile minderjähriger lediger Deutscher gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG gelte. Ein Wertungswiderspruch zu § 36 Abs. 2 Satz 2 AufenthG oder zu § 25b Abs. 4 Satz 3 AufenthG oder gar eine willkürliche Ungleichbehandlung lägen mangels vergleichbarer Sachverhalte nicht vor. Ein solcher rechtfertigte im Übrigen weder eine der erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung zuwiderlaufende Auslegung des § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG noch eine entsprechende Anwendung des § 31 AufenthG in sämtlichen von § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfassten Konstellationen noch eine verfassungskonforme Auslegung des § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. 5 Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend, der eindeutige Wortlaut des § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG lasse eine Differenzierung zwischen den in § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfassten Nachzugskonstellationen zu Deutschen nicht zu. Der Zuwanderungsgesetzgeber habe keine Verschlechterung der Rechtsstellung des ausländischen Elternteils eines minderjährigen ledigen Deutschen, sondern die unveränderte Übernahme der durch § 22 Satz 2 und § 23 Abs. 3 AuslG 1990 geprägten Rechtslage beabsichtigt. Mit § 28 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sei in der Folge lediglich der bis dahin ungeregelte Lebenssachverhalt reguliert worden, dass dem ausländischen Elternteil eines volljährig gewordenen deutschen Kindes, der noch nicht drei Jahre mit dem Kind im Bundesgebiet verbracht habe und somit auch keine Gelegenheit zum Erwerb eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gehabt habe, ein fortwährendes Aufenthaltsrecht zu gewähren sei. Die Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs begründe einen Wertungswiderspruch zu § 36 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. 6 Die Beklagte und die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht verteidigen das Berufungsurteil. II 7 Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht entschieden, dass der Kläger kein von dem Zweck des Familiennachzugs unabhängiges befristetes Aufenthaltsrecht beanspruchen kann (1.) und die angegriffene Verfügung auch im Übrigen rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (2.). 8 1. Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass § 28 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 31 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 4a des Gesetzes zur Regelung eines Sofortzuschlages und einer Einmalzahlung in den sozialen Mindestsicherungssystemen sowie zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und weiterer Gesetze vom 23. Mai 2022, dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen keinen Anspruch auf Verlängerung eines Aufenthaltsrechts vermittelt. 9 Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei auf die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels gerichteten Verpflichtungsklagen grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 1 C 31.14 - BVerwGE 153, 353 Rn. 9). Rechtsänderungen, die nach der angefochtenen Entscheidung eintreten, sind vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, falls sie das Gericht der Vorinstanz, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 27.14 - NVwZ 2016, 71 Rn. 10). Abweichendes gilt, wenn besondere Gründe des anzuwendenden materiellen Rechts es gebieten, auf einen früheren Zeitpunkt abzustellen. Dies ist hier insoweit der Fall, als das Begehren des Klägers auf ein eigenständiges befristetes Aufenthaltsrecht gerichtet ist, welches sich an die ihm zur Wahrnehmung der Personensorge bis zum März 2017 verlängerte Aufenthaltserlaubnis anschließen soll. Sofern ein solches eigenständiges befristetes Aufenthaltsrecht für einen Zeitraum in der Vergangenheit begehrt wird, ist hinsichtlich der Sach- und Rechtslage auf den jeweils von der Antragstellung umfassten Erteilungszeitraum abzustellen (BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2009 - 1 C 11.08 - BVerwGE 134, 124 Rn. 19). Die infolge der Beschränkung des Klagebegehrens allein streitgegenständliche Anspruchsgrundlage des § 28 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 31 AufenthG hat seit dem Ablauf der Geltungsdauer der dem Kläger zuletzt verlängerten Aufenthaltserlaubnis keine hier beachtliche Änderung erfahren. 10 Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG finden die §§ 31 und 34 AufenthG mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Fall der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn u. a. die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat. Der Anspruch nach § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bezieht sich auf den Aufenthalt nur in dem Jahr unmittelbar nach Ablauf der Gültigkeit der ehegattenbezogenen Aufenthaltserlaubnis. Dieser Anspruch ist Voraussetzung für eine darauf aufbauende Verlängerung im Ermessenswege nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG. Danach kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt - EU nicht vorliegen. 11 § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist dahingehend auszulegen, dass er den ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen nicht begünstigt (a). Dieses Ergebnis steht mit Verfassungs- und Unionsrecht im Einklang (b). 12 a) Dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen steht nach Aufhebung der familiären Lebensgemeinschaft kein von deren Führung unabhängiges und damit eigenständiges befristetes Aufenthaltsrecht zu. Für dieses Ergebnis streiten die grammatische (aa), die systematische (bb) und die historisch-genetische (cc) Auslegung. Die teleologische Auslegung steht diesem Verständnis nicht entgegen (dd). 13 aa) Bereits dem Wortlaut von § 28 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist zu entnehmen, dass eine Anwendung der Normen auf den Elternteil eines deutschen Kindes ausscheidet. 14 Die Formulierung ""mit der Maßgabe"" weist § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG als Rechtsgrundverweisung aus. Verwiesen wird nicht nur auf die Rechtsfolge von § 31 Abs. 1 AufenthG, sondern auch auf dessen tatbestandliche Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit die Rechtsfolge der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis eintritt. Danach ist § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bei wortlautgemäßer Umsetzung des Normbefehls des § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dahingehend zu lesen, dass die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert wird, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und der Deutsche bis dahin seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte. Der Tatbestand des § 31 AufenthG liefert keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Norm darüber hinaus auch Elternteilen minderjähriger lediger Deutscher ein Aufenthaltsrecht vermittelt (in diesem Sinne auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. September 2017 - 12 N 46.17 - juris Rn. 5; OVG Münster, Beschluss vom 19. November 2018 - 18 B 1520/18 u. a. - juris Rn. 6 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 2. April 2019 - 1 Bs 58/19 - juris Rn. 16). 15 Diesem Verständnis steht auch die nicht nähere Spezifizierung des Begriffs ""des Deutschen"" in § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht entgegen. Die betreffenden Wörter sind zwar für sich betrachtet nicht eindeutig und könnten auch einen minderjährigen ledigen Deutschen als Bezugsperson einbeziehen. Die Wortwahl erklärt sich indes unschwer aus dem Umstand, dass sich die Verweisung in § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG auf §§ 31 und 34 AufenthG bezieht. Während § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ein eigenständiges befristetes Aufenthaltsrecht allein für Ehegatten begründet, normiert § 34 Abs. 1 und 2 AufenthG ein solches für Kinder beziehungsweise volljährig gewordene Kinder. 16 bb) Die systematische Auslegung bestätigt den vorstehenden Befund. 17 Während die Verweisungsnorm des § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nur die in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten Ausländer einbezieht, erfasst § 28 Abs. 3 Satz 2 AufenthG die in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bezeichnete Personengruppe. Nach § 28 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ist die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt. In der Begründung zur Einfügung der Norm führte der seinerzeit federführende Innenausschuss des Deutschen Bundestages aus, durch die Änderung werde eine Lücke geschlossen, die darin bestehe, dass bislang für Aufenthaltserlaubnisse für Elternteile minderjähriger lediger Deutscher bei Eintritt der Volljährigkeit des deutschen Kindes eine § 34 Abs. 2 AufenthG entsprechende Vorschrift fehle und ein eigenständiges, vom Familiennachzug unabhängiges Aufenthaltsrecht gesetzlich nicht vorgesehen sei (BT-Drs. 17/13536 S. 15). Der Gesetzgeber zog damit die Konsequenz aus der Erkenntnis, dass es bis zu diesem Zeitpunkt an einer gesetzlichen Grundlage sowohl für ein an die Zeit nach Erreichen der Volljährigkeit eines ledigen Deutschen anknüpfendes abgeleitetes befristetes Anschlussaufenthaltsrecht des bis dahin mit diesem in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Elternteils als auch für ein denselben Zeitraum erfassendes eigenständiges befristetes Aufenthaltsrecht dieses Elternteils fehlte. Da § 28 Abs. 3 AufenthG in der bis zum 31. Mai 2013 geltenden Fassung bereits auf § 31 und § 34 AufenthG und damit auf eigenständige befristete Aufenthaltsrechte ausländischer Ehegatten eines Deutschen und minderjähriger lediger ausländischer Kinder eines Deutschen nach Erreichen der Volljährigkeit verwies - die in der bis zum 31. Mai 2013 geltenden Fassung des § 28 Abs. 3 AufenthG enthaltene redaktionell fehlerhafte Verweisung auf § 35 AufenthG hat der Gesetzgeber zeitgleich mit der Einfügung des § 28 Abs. 3 Satz 2 AufenthG berichtigt (BT-Drs. 17/13536 S. 5) –, ist mit der Einfügung des § 28 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nur eine sehr begrenzte Lückenschließung erfolgt: Der Gesetzgeber hat damit nicht ein von der Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft unabhängiges und damit eigenständiges befristetes Aufenthaltsrecht begründet, sondern nur einen an das Erreichen der Volljährigkeit des vormals minderjährigen ledigen deutschen Kindes anknüpfenden und von diesem abgeleiteten Rechtsanspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für die Dauer des Fortbestehens der familiären Lebensgemeinschaft und einer schulischen oder beruflichen Ausbildung des jungen Erwachsenen (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. September 2017 - 12 N 46.17 - und OVG Münster, Beschluss vom 19. November 2018 - 18 B 1520/18 u. a. - juris Rn. 10). Die Verweisungsnorm des § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bezieht nach alledem nur die in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten Ausländer ein, während die in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bezeichnete Personengruppe ausschließlich durch § 28 Abs. 3 Satz 2 AufenthG begünstigt wird. 18 Die von dem Gesetzgeber in § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gewählte Regelungstechnik weicht von derjenigen ab, die § 36 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zugrunde liegt. Nach dieser Vorschrift sind auf volljährige sonstige Familienangehörige § 30 Abs. 3 und § 31 AufenthG entsprechend und ist auf minderjährige sonstige Familienangehörige § 34 AufenthG entsprechend anzuwenden. Folge der entsprechenden Anwendung des § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist die Verselbständigung der dem volljährigen sonstigen Familienangehörigen aufgrund des Vorliegens einer außergewöhnlichen Härte erteilten Aufenthaltserlaubnis nach Aufhebung der familiären Lebensgemeinschaft zu einem eigenständigen befristeten Aufenthaltsrecht für den Fall, dass die in § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG genannten Voraussetzungen entsprechend vorliegen, mithin wenn die familiäre Lebensgemeinschaft regelmäßig drei Jahre bestanden hat oder der Stammberechtigte gestorben ist, während die familiäre Lebensgemeinschaft bestand. Eine solche entsprechende Anwendung von § 31 AufenthG hat der Gesetzgeber in § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gerade nicht angeordnet. 19 Zu einem abweichenden Verständnis von § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gibt auch § 25b Abs. 4 Satz 3 AufenthG keine Veranlassung. Ausweislich der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung ordnet § 25b Abs. 4 Satz 3 AufenthG die entsprechende Anwendung des § 31 AufenthG für Ehegatten und Lebenspartner an (BT-Drs. 18/4097 S. 45). Diesen erwächst gemäß § 25b Abs. 4 Satz 3 i. V. m. § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ein eigenständiges befristetes Aufenthaltsrecht, wenn die eheliche oder lebenspartnerschaftliche Lebensgemeinschaft nach regelmäßig dreijährigem rechtmäßigem Bestehen im Bundesgebiet aufgehoben wird. Auch insoweit bedient sich der Gesetzgeber der Regelungstechnik nicht der unmittelbaren, sondern der entsprechenden Anwendung des § 31 AufenthG auf den im Aufenthaltsgesetz nicht geregelten Fall der Aufhebung der familiären oder lebenspartnerschaftlichen Lebensgemeinschaft mit einem nachhaltig integrierten Ausländer. Im Übrigen gilt diese Regelung schon nach ihrem Wortlaut nicht für Eltern. 20 cc) Die historisch-genetische Auslegung bestätigt das Ergebnis insbesondere der grammatischen und systematischen Betrachtung. 21 Zwar hatte die früher in § 23 Abs. 3 Halbs. 1 AuslG 1990 getroffene Regelung nach verbreiteter Auffassung einen weiteren Anwendungsbereich, der ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nachgezogener Elternteile von minderjährigen Deutschen einschloss. Gemäß § 23 Abs. 3 Halbs. 1 AuslG fanden § 17 Abs. 5 und die §§ 19 und 21 AuslG 1990 entsprechende Anwendung; an die Stelle der Aufenthaltsgenehmigung des Ausländers trat der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet. § 19 und § 21 Abs. 2 AuslG 1990 sahen eigenständige befristete Aufenthaltsrechte für Ehegatten und volljährig gewordene Kinder vor. Diese Regelung wurde dahin verstanden, dass für ausländische Elternteile minderjähriger Deutscher § 19 AuslG 1990 entsprechend galt (vgl. etwa Nr. 24.1.1.1 AuslG-VwV - Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz vom 28. Juni 2000, GMBl S. 618; OVG Lüneburg, Beschluss vom 24. April 2003 - 7 ME 23/03 - juris Rn. 6). Eine Übertragung dieser Auslegung auf die Normen des Aufenthaltsgesetzes scheidet indes aus, da § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG anders als die Vorgängervorschrift des § 23 Abs. 3 AuslG gerade keine entsprechende Anwendung der in Bezug genommenen Norm ermöglicht, sondern eine Rechtsgrundverweisung auf § 31 AufenthG darstellt. Dieser abweichende Regelungsgehalt entspricht - wie bereits dargelegt - dem bei der Einfügung des § 28 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers (BT-Drs. 17/13536 S. 15). Seine klare Entscheidung steht der Annahme entgegen, § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG verweise auch in Bezug auf die von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erfasste Personengruppe auf § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG und § 28 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sei dazu zu dienen bestimmt, die Zeitspanne bis zu dem Erwachsen eines eigenständigen Aufenthaltsrechts gleichsam zu überbrücken. Im Einklang mit dem vorstehenden Verständnis geht auch Nr. 28.3.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 davon aus, dass ein eigenständiges Aufenthaltsrecht von Elternteilen minderjähriger lediger Deutscher bei Auflösung der familiären Lebensgemeinschaft - unbeschadet der ggf. nach den allgemeinen Regeln gegebenen Möglichkeit der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis - nicht entstehe, bei Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte vielmehr allein die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG in Betracht komme. 22 dd) Die teleologische Auslegung widerstreitet dem vorstehenden Normverständnis nicht. 23 Der Zweck des Elternnachzugs nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG fordert nicht die Gewährung eines eigenständigen befristeten Aufenthaltsrechts. Dem besonderen verfassungsrechtlichen Gewicht der Führung einer familiären Lebensgemeinschaft mit einem deutschen Kind, Jugendlichen und jungen Erwachsenen trägt § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Satz 2 AufenthG Rechnung. Durch die privilegierte Genehmigung des Aufenthalts des ausländischen Elternteils soll dem minderjährigen oder volljährig gewordenen deutschen Kind der Schutz und die Fürsorge zuteilwerden, die für sein Wohlergehen notwendig sind. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Satz 2 AufenthG zielt allein auf den Schutz des deutschen Kindes, nicht hingegen auf die Begünstigung des ausländischen Elternteils. Beide Regelungen sind dem Interesse des minderjährigen ledigen Deutschen an der Familieneinheit mit seinem Elternteil, nicht jedoch einem eigenständigen Interesse des Elternteils an einem Zusammenleben mit dem Kind zu dienen bestimmt (Welte, Aufenthaltsgesetz, Stand Juli 2022, § 28 AufenthG Rn. 338; vgl. in anderem Kontext auch BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9.12 - BVerwGE 146, 189 Rn. 20). 24 Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass auch der auf dem Nachzug zu einem minderjährigen ledigen Deutschen basierende Aufenthalt verfestigungsfähig ist und unter den - erleichterten - Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 AufenthG in ein unbefristetes, fortan eigenständiges Aufenthaltsrecht münden kann (siehe ferner § 9a AufenthG). Dies zeigt zwar, dass der Integrationsgedanke auch für den Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen Geltung beansprucht. Daraus ergibt sich aber mangels jeglichen normativen Anhaltspunkts nicht, dass der Gesetzgeber diesem Elternteil auch die in einem eigenständigen befristeten Aufenthaltsrecht liegende Überbrückung zu der erst bei voller Integration möglichen Erteilung der Niederlassungserlaubnis gewährt. 25 b) Das Ergebnis der Auslegung des § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bedarf weder im Lichte des Verfassungs- (aa) noch des Unionsrechts (bb) einer Korrektur. 26 aa) Die Nichteinbeziehung des Elternteils eines minderjährigen ledigen Deutschen in die Verweisungsvorschrift des § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG steht im Einklang mit Verfassungsrecht und verstößt insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. 27 Eine Norm verletzt Art. 3 Abs. 1 GG, wenn durch sie eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06 und 2 BvR 288/07 - BVerfGE 133, 377 Rn. 76 m. w. N.). Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet den Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerwG, Urteil vom 27. April 2021 - 1 C 45.20 - Buchholz 402.242 § 36a AufenthG Nr. 2 Rn. 22 m. w. N.). 28 Eine Verletzung des Gleichheitssatzes ist hier weder in Bezug auf § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ((1)) noch § 36 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ((2)) noch § 28 Abs. 4 AufenthG ((3)) noch § 25b Abs. 4 Satz 3 AufenthG ((4)) festzustellen. 29 (1) Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, einerseits sämtlichen von § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfassten Familienangehörigen Deutscher bei Fortbestehen der familiären Lebensgemeinschaft gemäß § 28 Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltsverfestigung nach drei Jahren zu ermöglichen, andererseits Elternteilen deutscher Kinder nach dreijährigem Zusammenleben im Falle der Aufhebung der familiären Lebensgemeinschaft ein eigenständiges befristetes Aufenthaltsrecht vorzuenthalten. Die privilegierte Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, mit der das Aufenthaltsrecht des nachgezogenen Elternteils vom Zweck des Familiennachzugs unabhängig wird, setzt voraus, dass jedenfalls bei Erteilung die familiäre Lebensgemeinschaft noch fortbesteht und der Elternteil im Einzelnen aufgeführte Integrationsanforderungen erfüllt. Dies zwingt den Gesetzgeber nicht, dem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen für den Fall einer Aufhebung der familiären Lebensgemeinschaft ein eigenständiges befristetes Aufenthaltsrecht zu gewähren und damit gegebenenfalls eine Aufenthaltsverfestigung zu ermöglichen. Außergewöhnlichen Härten kann im Rahmen von § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG hinreichend Rechnung getragen werden. 30 (2) Zu einem anderweitigen Verständnis bietet auch § 36 Abs. 2 Satz 2 AufenthG keine Veranlassung. Die rechtliche Ausgestaltung der Nachzugsregelungen des § 28 AufenthG einerseits und des § 36 Abs. 2 AufenthG andererseits ist so verschieden, dass es schon an der direkten Vergleichbarkeit der beiden Normen zugrunde liegenden Konstellationen fehlt. Der zur Typisierung grundsätzlich befugte Gesetzgeber ist nicht gehalten, die Frage der Verselbständigung des Aufenthaltsrechts für beide Fallgruppen identisch zu regeln. Dass der sonstige volljährige Familienangehörige eines Ausländers und damit auch der ausländische Elternteil eines minderjährigen ledigen Ausländers nach § 36 Abs. 2 Satz 2 AufenthG i. V. m. § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nach dreijährigem Bestehen und anschließender Aufhebung der familiären Lebensgemeinschaft mit dem Kind ein eigenständiges befristetes Aufenthaltsrecht erwirbt, während ein solches für den ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen nicht vorgesehen ist, ist dem Umstand geschuldet, dass die Entscheidung über den Nachzug des ausländischen Elternteils eines minderjährigen ledigen Ausländers das Bestehen insbesondere einer außergewöhnlichen Härte voraussetzt. § 36 Abs. 2 Satz 2 AufenthG liegt die typisierende Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass diejenigen Umstände, auf denen diese außergewöhnliche Härte gründet, regelmäßig auch nach der Auflösung der familiären Lebensgemeinschaft fortbestehen (so Czerny, ZAR 2021, 145 <150>). Ebenso wenig wie der allgemeine Gleichheitssatz den Gesetzgeber zwingt, den Familiennachzug zu beiden Personengruppen gleich zu regeln, steht er einer die unterschiedlichen Voraussetzungen des Elternnachzugs berücksichtigenden Regelung des Erwerbs eines eigenständigen befristeten Aufenthaltsrechts entgegen. Wird dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Ausländers ausnahmsweise der Zuzug zu diesem wegen einer außergewöhnlichen Härte gestattet, weil der schutzbedürftige minderjährige ledige Ausländer ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe dringend angewiesen ist, diese Hilfe in zumutbarer Weise nur im Bundesgebiet erbracht werden kann und daher das Gewicht der grundrechtlich geschützten Bindungen zwischen dem Kind und einem Elternteil das einwanderungspolitische Interesse an der Begrenzung der Einwanderung zurückdrängt (BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 15.12 - BVerwGE 147, 278 Rn. 12; Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Juni 2022, § 36 AufenthG Rn. 21), so ist der Gesetzgeber zwar nicht verpflichtet, aber auch nicht gehindert, in der Folge eines solchermaßen gestatteten Elternnachzuges ein eigenständiges befristetes Aufenthaltsrecht vorzusehen, ohne dass sich dies über Art. 3 Abs. 1 GG auf den regulären Nachzugsanspruch zu einem deutschen Kind nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erstreckt (im Ergebnis ebenso OVG Hamburg, Beschluss vom 2. April 2019 - 1 Bs 58/19 - juris Rn. 19). 31 (3) Aus vergleichbaren Gründen liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG auch insoweit nicht vor, als nach § 28 Abs. 4 AufenthG sonstige Familienangehörige eines Deutschen, denen der Nachzug wegen des Bestehens einer außergewöhnlichen Härte genehmigt wurde, über § 36 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erwerben. Auch diese an das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte anknüpfende Regelung ist von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt. Letztere erlaubt es dem Gesetzgeber im Übrigen, differenzierte Vorgaben für unterschiedliche Gruppen nachzugswilliger Ausländer zu treffen, die in einem Gesamtabgleich untereinander teilweise vorteilhafte und teilweise nachteilige Regelungen enthalten (vgl. in anderem Zusammenhang BVerwG, Urteil vom 4. September 2012 - 10 C 12.12 - BVerwGE 144, 141 Rn. 34). 32 (4) Ein befristetes eigenständiges Aufenthaltsrecht des Elternteils eines minderjährigen ledigen Deutschen erscheint auch nicht im Lichte des § 25b Abs. 4 Satz 3 AufenthG verfassungsrechtlich geboten. § 25b Abs. 4 AufenthG trägt dem Umstand Rechnung, dass dem nachhaltig integrierten Ausländer eine Rückkehr in sein Heimatland nicht zugemutet werden soll. Zu der hieran anknüpfenden Privilegierung bestimmter Familienangehöriger auch in Bezug auf den Erwerb eines eigenständigen befristeten Aufenthaltsrechts wäre der Gesetzgeber nicht verpflichtet gewesen. Dass er sich im Kontext der Schaffung einer stichtagsunabhängigen Bleiberechtsregelung innerhalb des dem Aufenthalt aus humanitären Gründen gewidmeten Abschnitts 5 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes für die Einräumung eines eigenständigen befristeten Aufenthaltsrechts (jedenfalls) des Ehegatten und Lebenspartners auch nach Aufhebung der entsprechenden Lebensgemeinschaft entschieden hat, verpflichtet ihn nicht, ein entsprechendes Recht auch im Rahmen der Regelung des Familiennachzuges von Elternteilen minderjähriger lediger Deutscher vorzusehen, da es insoweit an der Vergleichbarkeit der Regelungsgegenstände fehlt. 33 bb) Das vorstehende Verständnis von § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bedarf auch im Lichte des Unionsrechts keiner Korrektur. Insbesondere gebietet die Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (im Folgenden: RL 2003/86/EG) die Einräumung eines eigenständigen befristeten Aufenthaltsrechts des Elternteils eines minderjährigen ledigen Deutschen nicht. 34 Die Richtlinie 2003/86/EG findet gemäß Art. 3 Abs. 3 i. V. m. Art. 1 und Art. 2 Buchst. c und d auf den Familiennachzug zu Deutschen schon keine Anwendung, da diese Unionsbürger und nicht Drittstaatsangehörige im Sinne des Art. 2 Buchst. a RL 2003/86/EG sind (BVerwG, Urteil vom 4. September 2012 - 10 C 12.12 - BVerwGE 144, 141 Rn. 36). 35 Die Richtlinie verpflichtet den Gesetzgeber auch nicht mittelbar zur Schaffung eines befristeten eigenständigen Aufenthaltsrechts des Elternteils eines minderjährigen ledigen Deutschen. Ein solches muss schon im unmittelbaren Anwendungsbereich der Richtlinie nicht zwingend gewährt werden. Art. 15 Abs. 1 UAbs. 1 RL 2003/86/EG sieht ein Recht auf einen eigenen Aufenthaltstitel, der unabhängig von jenem des Zusammenführenden ist, spätestens nach fünfjährigem Aufenthalt und unter der Voraussetzung, dass dem Familienangehörigen kein Aufenthaltstitel aus anderen Gründen als denen der Familienzusammenführung erteilt wurde, nur für den Ehegatten und den nichtehelichen Lebenspartner und das volljährig gewordene Kind vor. Die Richtlinie erstreckt dieses Recht aber nicht zugleich auf Elternteile, deren Kind Zusammenführender im Sinne ihres Art. 2 Buchst. c ist. Vielmehr ermächtigt Art. 15 Abs. 2 RL 2003/86/EG die Mitgliedstaaten lediglich, Verwandten in gerader aufsteigender Linie, auf die Art. 4 Abs. 2 RL 2003/86/EG Anwendung findet, einen eigenen Aufenthaltstitel zu gewähren. Von dieser Ermächtigung hat der deutsche Gesetzgeber für den Personenkreis der Eltern im Sinne von § 36 Abs. 1 AufenthG keinen Gebrauch gemacht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9.12 - BVerwGE 146, 189 Rn. 20). Die weitergehende Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Erlass von Bestimmungen, nach denen die Ausstellung eines eigenen Aufenthaltstitels gewährleistet ist, wenn besonders schwierige Umstände vorliegen, kann - soweit § 36 Abs. 2 Satz 2 AufenthG wie hier keine Anwendung findet - über § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG bewältigt werden. 36 2. Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs steht auch im Übrigen mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) im Einklang. 37 Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit sowohl der auf § 59 AufenthG gründenden Abschiebungsandrohung als auch der Befristung des in § 11 Abs. 1 AufenthG in der bis zum 20. August 2019 geltenden Fassung noch vorgesehenen gesetzlichen Einreiseverbots für den Fall der Abschiebung, das regelmäßig, so auch hier, unionsrechtskonform als konstitutiver Erlass eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer auszulegen ist (BVerwG, Urteil vom 7. September 2021 - 1 C 47.20 - BVerwGE 173, 201 Rn. 10 m. w. N.) sind weder ersichtlich noch geltend gemacht. Entsprechendes gilt auch für die auf § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG i. V. m. § 56 Abs. 1 Nr. 8 der Aufenthaltsverordnung vom 25. November 2004 (BGBl. I S. 2945), zuletzt geändert durch Art. 4 der Verordnung zu automatisierten Datenabrufen aus den Pass- und Personalausweisregistern sowie zur Änderung der Passverordnung, der Personalausweisverordnung und der Aufenthaltsverordnung vom 20. August 2021 (BGBl. I S. 3682), gestützte Verpflichtung des Ausländers, innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung der angefochtenen Verfügung den Nationalpass der Ausländerbehörde vorzulegen, damit die gewährte Ausreisefrist in diesen eingetragen werden kann. 38 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2022-62,11.10.2022,"Pressemitteilung Nr. 62/2022 vom 11.10.2022 EN Unzumutbarkeit der Passbeschaffung bei Erfordernis einer ""Reueerklärung"" Einem subsidiär schutzberechtigten Ausländer darf die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer nicht mit der Begründung verweigert werden, er könne einen Pass seines Herkunftsstaates auf zumutbare Weise erlangen, wenn der Herkunftsstaat die Ausstellung eines Passes an die Unterzeichnung einer ""Reueerklärung"" knüpft, die mit der Selbstbezichtigung einer Straftat verbunden ist, und der Ausländer plausibel darlegt, dass er die Erklärung nicht abgeben will. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gewährte ihm subsidiären Schutz, weil ihm aufgrund seiner illegalen Ausreise aus Eritrea bei einer Rückkehr eine Inhaftierung drohe, die mit Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verbunden sei. Die Ausländerbehörde lehnte seinen Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer ab, weil es dem Kläger zuzumuten sei, bei der Botschaft Eritreas einen Passantrag zu stellen. Die darauf erhobene Verpflichtungsklage hatte in erster Instanz Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Reiseausweises seien nicht erfüllt. Anders als Flüchtlingen sei es subsidiär Schutzberechtigten grundsätzlich zumutbar, sich bei der Auslandsvertretung ihres Herkunftsstaates um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen. Eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 der Aufenthaltsverordnung bestehe daher auch dann, wenn dem Betroffenen ernsthafter Schaden durch staatliche Behörden drohe, nur bei Hinzutreten weiterer, hier nicht vorliegender Umstände, wie etwa der begründeten Furcht vor einer Gefährdung der im Heimatland lebenden Verwandten. Bemühungen um die Ausstellung eines eritreischen Nationalpasses seien dem Kläger nicht deshalb unzumutbar, weil in diesem Zusammenhang eine ""Aufbau-"" oder ""Diasporasteuer"" von 2% seines Einkommens zu entrichten sei. Zumutbar sei auch die vom eritreischen Konsulat verlangte Abgabe einer ""Reueerklärung"", in der der Erklärende bedauere, seiner ""nationalen Pflicht"" nicht nachgekommen zu sein, und erkläre, auch eine eventuell dafür verhängte Strafe zu akzeptieren. Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts geändert und das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt. Der Kläger kann die Ausstellung eines Reiseausweises beanspruchen, weil er einen eritreischen Pass nicht zumutbar erlangen kann und auch die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Zwar ist es einem subsidiär Schutzberechtigten anders als einem Flüchtling grundsätzlich zumutbar, einen Passantrag bei den Behörden des Herkunftsstaates zu stellen. Ob etwas Anderes schon dann gilt, wenn der subsidiäre Schutz dem Ausländer wegen eines von staatlichen Stellen gezielt drohenden ernsthaften Schadens zuerkannt worden ist, bedurfte keiner Entscheidung. Denn jedenfalls ist dem Kläger nicht zuzumuten, die beschriebene Reueerklärung abzugeben. Die insoweit vorzunehmende Abwägung zwischen seinen Grundrechten und den staatlichen Interessen, die auf die Personalhoheit des Herkunftsstaates Rücksicht zu nehmen haben, geht hier zu seinen Gunsten aus. Die in der Reueerklärung enthaltene Selbstbezichtigung einer Straftat darf ihm gegen seinen plausibel bekundeten Willen auch dann nicht abverlangt werden, wenn sich – wie vom Berufungsgericht festgestellt – die Wahrscheinlichkeit einer Bestrafung dadurch nicht erhöht und das Strafmaß gegebenenfalls sogar verringert. BVerwG 1 C 9.21 - Urteil vom 11. Oktober 2022 Vorinstanzen: OVG Lüneburg, OVG 8 LB 97/20 - Urteil vom 18. März 2021 - VG Hannover, VG 12 A 2452/19 - Urteil vom 20. Mai 2020 -","Urteil vom 11.10.2022 - BVerwG 1 C 9.21ECLI:DE:BVerwG:2022:111022U1C9.21.0 EN Unzumutbarkeit der Passbeschaffung bei Erfordernis einer ""Reueerklärung"" Leitsatz: Einem subsidiär schutzberechtigten Ausländer darf die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer nicht mit der Begründung verweigert werden, er könne einen Pass seines Herkunftsstaates auf zumutbare Weise erlangen, wenn der Herkunftsstaat für die Ausstellung eines Passes an die Unterzeichnung einer ""Reueerklärung"" knüpft, die mit der Selbstbezichtigung einer Straftat verbunden ist, und der Ausländer plausibel darlegt, dass er die Erklärung nicht abgeben will. Rechtsquellen AufenthV §§ 5, 6, 9 AufenthG § 48 Abs. 3 und 4, § 95 Abs. 1 Nr. 1 AsylG §§ 4, 72 Abs. 1 Nr. 1, § 73b RL 2011/95/EU Art. 3, 25 Abs. 1 und 2 GG Art. 2 Abs. 1 EMRK Art. 3 Zusatzprotokoll Nr. 4 zur EMRK Art. 2 GFK Art. 28 Instanzenzug VG Hannover - 20.05.2020 - AZ: 12 A 2452/19 OVG Lüneburg - 18.03.2021 - AZ: 8 LB 97/20 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 11.10.2022 - 1 C 9.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:111022U1C9.21.0] Urteil BVerwG 1 C 9.21 VG Hannover - 20.05.2020 - AZ: 12 A 2452/19 OVG Lüneburg - 18.03.2021 - AZ: 8 LB 97/20 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß, Dollinger und Böhmann sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. März 2021 wird geändert. Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 20. Mai 2020 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der 1985 geborene Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger und begehrt die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) hatte ihm im September 2015 den subsidiären Schutzstatus zuerkannt und den weitergehenden Asylantrag abgelehnt. Der Schutzgewährung lag die Annahme zugrunde, dass dem Kläger wegen seiner illegalen Ausreise bei einer Rückkehr nach Eritrea ein ernsthafter Schaden drohe, insbesondere eine Inhaftierung auf unbestimmte Zeit unter unmenschlichen oder erniedrigenden Bedingungen. 2 Die beklagte Ausländerbehörde lehnte es mit Bescheid vom 9. April 2019 ab, dem Kläger auf seinen Antrag einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen, weil es ihm zuzumuten sei, bei der eritreischen Botschaft einen Passantrag zu stellen. 3 Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, dem Kläger einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es dem Kläger jedenfalls unzumutbar sei, die vom eritreischen Staat an die Passausstellung geknüpfte Bedingung der Unterzeichnung einer Reueerklärung zu erfüllen. Er habe glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass er sich hierzu nicht imstande sehe, weil er dieses Konstrukt zur Bereinigung seines Verhältnisses zum eritreischen Staat und zur Wiedererlangung seiner staatsbürgerlichen Rechte ablehne. 4 Das Oberverwaltungsgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Reiseausweises seien nicht erfüllt, weil der Kläger einen eritreischen Pass auf zumutbare Weise erlangen könne. Subsidiär Schutzberechtigten sei es grundsätzlich zumutbar, sich bei den Auslandsvertretungen des Herkunftsstaates um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen. Während Flüchtlinge einen Reiseausweis für Flüchtlinge beanspruchen könnten, stellten die Mitgliedstaaten nach Art. 25 Abs. 2 RL 2011/95/EU subsidiär Schutzberechtigten Reisedokumente nur dann aus, wenn diese keinen nationalen Pass erlangen könnten. Schutzgrund des Flüchtlingsstatus sei der Ausschluss aus der staatlichen Friedensordnung aufgrund eines bestimmten Merkmals. Dem sei die Gefahr eines ernsthaften Schadens selbst dann nicht vergleichbar, wenn sie vom Staat ausgehe. Aus der in § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG enthaltenen Wertung folge hier keine Unzumutbarkeit der Passbeantragung. Diese Regelung über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft für den Fall, dass der Ausländer sich freiwillig unter anderem durch Annahme oder Erneuerung eines Nationalpasses erneut dem Schutz seines Herkunftsstaates unterstellt, sei auf den subsidiären Schutz weder unmittelbar noch analog anwendbar. Eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 AufenthV bestehe daher auch dann, wenn der drohende ernsthafte Schaden von staatlichen Behörden ausgehe, nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, wie etwa der begründeten Furcht vor einer Gefährdung der im Heimatland lebenden Verwandten. Diese Befürchtung des Klägers sei indes nach der aktuellen Erkenntnislage unbegründet. Bemühungen um die Ausstellung eines eritreischen Nationalpasses seien dem Kläger auch nicht deshalb unzumutbar, weil in diesem Zusammenhang eine ""Aufbau-"" oder ""Diasporasteuer"" von 2 % zu entrichten sei. Der Umstand, dass der Kläger gegenüber dem Konsulat eine sogenannte Reueerklärung abzugeben hätte, führe ebenfalls nicht zur Unzumutbarkeit der Erlangung eines Nationalpasses. Zwar stehe fest, dass alle illegal ausgereisten eritreischen Staatsangehörigen im dienstfähigen Alter konsularische Dienstleistungen wie die Ausstellung eines Reisepasses nur gegen Abgabe einer Reueerklärung in Anspruch nehmen könnten. Diese sei indes zumutbar. Der entgegenstehende Wille sei auch unter Beachtung des grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts unbeachtlich. Abgabe und Entgegennahme der Erklärung gingen nach den Umständen mit einer geringen Ernsthaftigkeitserwartung einher. Die Erklärung sei nur eine Formalie im Passantragsverfahren, mit der der Unterzeichnende zu erkennen geben solle, dass er den eritreischen Staat akzeptiere. Bei der Erklärung handele es sich auch nicht um eine Selbstbezichtigung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Eine imperative Pflicht zur Unterzeichnung der Reueerklärung bestehe gerade nicht. Mit dem Eingeständnis, den nationalen Pflichten nicht nachgekommen zu sein, gebe der Kläger zudem weder eine unwahre Erklärung ab, noch schaffe er die Grundlage für eine Bestrafung. Die strafbarkeitsbegründende illegale Ausreise des Klägers sei dem eritreischen Staat ohnehin bekannt. Die Reueerklärung erhöhe deshalb das bestehende Risiko einer Strafverfolgung nicht. Sie ermögliche unter Umständen die Erlangung des Diaspora-Status und damit sogar eine Verbesserung der Rechtsposition. Die Abgabe der Reueerklärung und eine anschließende Erlangung eines eritreischen Passes hätten schließlich nicht den Widerruf des dem Kläger zuerkannten Schutzstatus zur Folge. 5 Mit der Revision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung von § 5 Abs. 1 und 2 AufenthV. Die für die Erlangung eines Nationalpasses erforderliche Abgabe einer Reueerklärung sei ihm nicht zuzumuten. Es sei nicht absehbar, welcher Bestrafung er sich damit aussetze. Da der Widerruf des Schutzstatus und damit eine mögliche Abschiebung nach Eritrea drohe, sei die Gefahr persönlicher Konsequenzen durchaus real. Auch im Falle einer Auslandsreise in ein Drittland könne es zu einer Abschiebung nach Eritrea kommen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers werde verletzt, wenn ihm die Abgabe der - unwahren - Reueerklärung angesonnen würde. Denn er bereue seine Flucht aus Eritrea und die damit verbundenen Gesetzesbrüche gerade nicht. Ihm würde ein Schuldeingeständnis abverlangt, das auf einer gesetzlichen Drucksituation beruhe. 6 Der Beklagte und die Vertreterin des Bundesinteresses verteidigen das angegriffene Urteil. II 7 Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger könne einen eritreischen Nationalpass auf zumutbare Weise erlangen, verletzt § 5 AufenthV (§ 137 Abs. 1 VwGO). Dem Kläger ist es entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts jedenfalls nicht zuzumuten, die für die Erlangung eines Nationalpasses erforderliche Reueerklärung abzugeben (1.). Der Senat kann den Rechtsstreit auf der Grundlage der vorhandenen tatrichterlichen Feststellungen gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO abschließend zugunsten des Klägers entscheiden. Die weiteren Voraussetzungen für die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer sind ebenfalls erfüllt; Ausschlussgründe liegen nicht vor. Das damit nach § 5 Abs. 1 AufenthV eröffnete Ermessen ist infolge vorrangigen Unionsrechts auf Null reduziert (2.). 8 1. Nach § 5 Abs. 1 der Aufenthaltsverordnung (AufenthV) in der Fassung der Vierten Verordnung zur Änderung der Aufenthaltsverordnung vom 15. Juni 2009 (BGBl. I S. 1287) kann einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden. Im Inland darf ein Reiseausweis für Ausländer nach Maßgabe des § 5 AufenthV unter anderem dann ausgestellt werden, wenn der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt (§ 6 Satz 1 Nr. 1 AufenthV). Diese Voraussetzungen liegen in der Person des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts vor. Nach den für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts besitzt er weder einen Pass noch einen Passersatz und ist er im Besitz einer derzeit bis zum 8. November 2022 gültigen Aufenthaltserlaubnis. Der Kläger kann einen Pass oder (nichtdeutschen) Passersatz auch nicht auf zumutbare Weise erlangen; die gegenteilige Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. 9 Nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 AufenthV gilt es insbesondere als zumutbar, in der den Bestimmungen des deutschen Passrechts, insbesondere den §§ 6 und 15 des Passgesetzes in der jeweils geltenden Fassung, entsprechenden Weise an der Ausstellung oder Verlängerung mitzuwirken und die Behandlung eines Antrages durch die Behörden des Herkunftsstaates zu dulden, sofern dies nicht zu einer unzumutbaren Härte führt. Zumutbar ist außerdem die Erfüllung zumutbarer staatsbürgerlicher Pflichten (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 AufenthV). 10 Die Entscheidung über die Zumutbarkeit erfordert eine Abwägung der Interessen des Ausländers unter Beachtung seiner Grundrechte und der Werteordnung des Grundgesetzes einerseits mit den staatlichen Interessen, insbesondere der dadurch geforderten Rücksichtnahme auf die Personalhoheit des Herkunftsstaates, andererseits. Dabei muss auch auf den Nachdruck, mit dem der andere Staat seine Personalhoheit geltend macht, sowie auf die zu diesem Staat bestehenden Beziehungen Bedacht genommen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. September 1988 - 1 B 106.88 - Buchholz 402.24 § 4 AuslG 1965 Nr. 4 S. 2). Aufseiten des Ausländers ist die von Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfG, Urteil vom 16. Januar 1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32 <34>), sowie von Art. 2 Nr. 2 des Protokolls Nr. 4 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16. September 1963 (Zusatzprotokoll Nr. 4 zur EMRK), durch das gewisse Rechte und Freiheiten gewährleistet werden, die nicht bereits in der Konvention oder im ersten Zusatzprotokoll enthalten sind, geschützte Ausreisefreiheit zu berücksichtigen. Nach Art. 2 Nr. 2 Zusatzprotokoll Nr. 4 zur EMRK steht es jeder Person frei, jedes Land, einschließlich des eigenen, zu verlassen. Die Ausübung dieses Rechts darf gemäß Art. 2 Nr. 3 des genannten Protokolls nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Die Weigerung eines Aufnahmestaates, einem subsidiär schutzberechtigten Ausländer ein Reisedokument auszustellen, weil dieser bei den Behörden seines Herkunftsstaates einen Pass beantragen könne, stellt einen Eingriff in die so geschützte Ausreisefreiheit dar (EGMR, Urteil vom 14. Juni 2022 - Nr. 38121/20 [ECLI:​CE:​ECHR:​2022:​0614JUD003812120], L.B. v. Lithuania - Rn. 81). Dieser ist gerechtfertigt, wenn die Ablehnung der Ausstellung eines Reisedokuments in einer demokratischen Gesellschaft zur Erreichung eines der abschließend aufgeführten legitimen Ziele, hier etwa der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, notwendig und verhältnismäßig ist. 11 Im Hinblick auf den mit der Ausstellung eines Reiseausweises verbundenen Eingriff in die Personalhoheit eines anderen Staates und die zu berücksichtigenden zwischenstaatlichen Belange, die als Bestandteil der öffentlichen Ordnung in dem vorgenannten Sinne anzusehen sind, ist der Ausländer grundsätzlich gehalten, sich bei den Behörden seines Herkunftsstaates um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen. Die Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer kommt nur in Betracht, wenn solche Bemühungen nachweislich ohne Erfolg geblieben sind. Erfolglose Bemühungen um die Ausstellung eines Nationalpasses sind nur im Ausnahmefall entbehrlich, wobei der Ausländer die einen Ausnahmefall begründenden Umstände darzulegen hat. 12 1.1 Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass ein Ausnahmefall nicht allein deshalb vorliegt, weil es sich bei dem Antragsteller um einen subsidiär Schutzberechtigten handelt. Auch subsidiär Schutzberechtigten ist es nicht schon allein wegen des ihnen zuerkannten Schutzstatus unzumutbar, bei der Auslandsvertretung ihres Herkunftsstaates einen nationalen Pass zu beantragen. Dies ergibt sich aus den Unterschieden der Rechtsstellung anerkannter Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigter nach den einschlägigen Rechtsvorschriften vor allem des Unionsrechts. 13 Anerkannte Flüchtlinge haben nach Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9, ber. ABl. 2017 L 167 S. 58) (RL 2011/95/EU) i. V. m. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK einen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge für Reisen außerhalb ihres Gebiets, soweit nicht zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Demgegenüber müssen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wurde, ein entsprechendes Reisedokument nur bei Vorliegen der einschränkenden zusätzlichen Voraussetzung ausstellen, dass sie keinen nationalen Pass erhalten können (so ausdrücklich Art. 25 Abs. 2 RL 2011/95/EU). Das im 39. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/95/EU erwähnte Ziel, subsidiär Schutzberechtigten dieselben Rechte und Leistungen zu denselben Bedingungen zu gewähren wie Flüchtlingen, ist damit in Bezug auf Reisedokumente nicht vollständig verwirklicht; insoweit hat der Unionsgesetzgeber mit der Differenzierung in Art. 25 Abs. 1 und 2 RL 2011/95/EU zu erkennen gegeben, dass er hier eine Ausnahme für - im Sinne des 39. Erwägungsgrundes - notwendig und sachlich gerechtfertigt hält. 14 Die Entstehungsgeschichte der Regelung bestätigt dies: Vor Einführung der Vorgängerregelung (Art. 25 Abs. 2 RL 2004/83/EG) hatte das Europäische Parlament der Kommission vorgeschlagen, die beabsichtigte Regelung in Art. 25 Abs. 2 (dem damaligen Art. 23 Abs. 2 des Entwurfs der Kommission) dahin zu ändern, dass die Mitgliedstaaten Personen mit subsidiärem Schutzstatus Reisedokumente ""unter den gleichen wie den in Absatz 1 erwähnten Bedingungen"" ausstellen (Bericht des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten vom 8. Oktober 2002, KOM<2001> 510 - C5-0573/2001 - 2001/0207 , Änderungsantrag 67, S. 40). Der Änderungsantrag des Parlaments wurde durch die Kommission indes abgelehnt und nicht in die Regelung des Art. 25 Abs. 2 RL 2004/83/EU aufgenommen. Die erwähnte Einschränkung ist auch im derzeit geltenden Art. 25 Abs. 2 RL 2011/95/EU weiterhin enthalten. Lediglich die in der Vorgängernorm noch enthaltene weitere Einschränkung, wonach subsidiär Schutzberechtigten, die keinen Nationalpass erhalten konnten, nur ""zumindest"" dann Reisedokumente durch die Mitgliedstaaten ausgestellt werden sollten, wenn schwerwiegende humanitäre Gründe die Anwesenheit des Betroffenen in einem anderen Staat erforderten, ist weggefallen. Damit ist zwar eine gewisse Angleichung an die für die Flüchtlinge geltende Regelung dahingehend erfolgt, dass die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer bei subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr an einen konkreten Reiseanlass geknüpft werden darf. Am Fortbestehen der - im Vergleich zu Art. 25 Abs. 1 RL 2011/95/EU - zusätzlichen Voraussetzung der Unmöglichkeit der Erlangung eines Nationalpasses hat sich hingegen nichts geändert. Hieran wird auch in Art. 25 des Kommissionsvorschlags für eine Anerkennungsverordnung vom 13. Juli 2016 (KOM<2016> 466 endg.) festgehalten. 15 Es spricht im Übrigen viel dafür, dass es sich bei Art. 25 Abs. 2 RL 2011/95/EU nicht lediglich um eine Mindestregelung dergestalt handelt, dass es den Mitgliedstaaten unbenommen wäre, subsidiär Schutzberechtigten einen Anspruch auf Reisedokumente unter denselben Voraussetzungen zu gewähren wie Flüchtlingen (vgl. Art. 3 RL 2011/95/EU). Denn ausweislich der Entwurfsbegründung der Richtlinie 2004/83/EG sollte mit der einschränkenden Formulierung ""sichergestellt werden, dass den Begünstigten des subsidiären Schutzstatus nur dann Reisedokumente ausgestellt werden, wenn sie keinen Nationalpass erhalten können, weil es beispielsweise keine funktionierenden Konsularbehörden mehr gibt"" (KOM<2001> 510 endg.; Ratsdok. 13620/01, BR-Drs. 1017/01 S. 34). 16 1.2 Der Senat kann offenlassen, ob es einem subsidiär Schutzberechtigten generell schon dann unzumutbar ist, sich bei der Auslandsvertretung seines Herkunftsstaates um die Erteilung eines nationalen Passes zu bemühen, wenn ihm der subsidiäre Schutzstatus aufgrund einer gezielten Bedrohung durch staatliche Behörden (im Unterschied zu drohender willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts oder einer Bedrohung durch private Akteure, gegen die der Staat keinen wirksamen Schutz gewährt) zuerkannt worden ist (vgl. etwa Marx, AsylG, 11. Aufl. 2022, § 4 AsylG Rn. 90; ders., Handbuch zum Flüchtlingsschutz: Erläuterungen zur Qualifikationsrichtlinie, 2. Aufl. 2012, § 57 Rn. 12; VG Aachen, Urteil vom 10. Juni 2020 - 4 K 2580/18 [ECLI:​DE:​VGAC:​2020:​0610.4K2580.18.00] - juris Rn. 40; in anderem Zusammenhang auch BT-Drs. 19/10047 S. 38) oder ob auch in dieser Fallgruppe für eine Unzumutbarkeit weitere Umstände hinzutreten müssen (so etwa Berufungsgericht UA S. 9 f.; OVG Münster, Beschluss vom 25. November 2021 - 18 E 660/21 [ECLI:​DE:​OVGNRW:​2021:​1125.18E660.21.00] - juris Rn. 14 ff.; wohl auch VGH München, Urteil vom 25. November 2021 - 19 B 21.17 89 - juris Rn. 67 ff.). Denn dem Kläger ist die Passbeschaffung jedenfalls deshalb nicht zuzumuten, weil sein Herkunftsstaat die Ausstellung an eine Bedingung knüpfen wird, deren Erfüllung ihm nicht abverlangt werden kann (siehe unter 1.3). 17 1.3 Es ist dem Kläger nicht zumutbar, die sogenannte Reueerklärung abzugeben, von deren Unterzeichnung die eritreische Auslandsvertretung die Ausstellung eines Passes abhängig machen würde. Dabei handelt es sich nach den für den Senat bindenden tatrichterlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) um einen aus zwei Sätzen bestehenden, zu unterschreibenden Passus am Ende des Formulars ""4/4.2"" mit dem Titel ""Immigration and Citizenship Services Request Form"", in dem der Erklärende bedauert, seiner nationalen Pflicht nicht nachgekommen zu sein und erklärt, eine eventuell dafür verhängte Strafe zu akzeptieren (UA S. 14 f.). Das Berufungsgericht hat ebenso bindend festgestellt, dass der Kläger als eritreischer Staatsangehöriger im dienstfähigen Alter, der illegal ausgereist ist, ohne den Nationaldienst (vollständig) erfüllt zu haben, konsularische Dienstleistungen wie die Ausstellung eines Reisepasses nur gegen Unterzeichnung einer solchen Reueerklärung wird in Anspruch nehmen können. Nachvollziehbar und ohne Verstoß gegen allgemein anerkannte Auslegungsregeln hat das Berufungsgericht in dieser Erklärung neben einem Ausdruck des Bedauerns oder Bereuens als solchem auch die Selbstbezichtigung einer Straftat - nämlich der nach eritreischem Recht strafbaren illegalen Ausreise - gesehen. 18 Jedenfalls im Hinblick auf diese Selbstbezichtigung ist dem Kläger die Abgabe der Erklärung gegen seinen ausdrücklich und plausibel bekundeten Willen entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht zumutbar. 19 a) Bei der erforderlichen Interessenabwägung zwischen dem staatlichen Interesse einerseits, das auf die Pass- und Personalhoheit des Herkunftsstaates Rücksicht zu nehmen hat, und den Grundrechten des Ausländers andererseits ist neben dessen Ausreisefreiheit hier auch dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht zu berücksichtigen. Das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Schutz vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung. Es schützt davor, dass in einem deutschen Strafverfahren Aussagen verwendet werden, die aufgrund eines Zwangs zur Selbstbezichtigung getätigt worden sind. Der Einzelne soll vom Staat grundsätzlich nicht in eine Konfliktlage gebracht werden, in der er sich selbst strafbarer Handlungen oder ähnlicher Verfehlungen bezichtigen muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1997 - 1 BvR 2172/96 - BVerfGE 95, 220 <241>). 20 Der vom Bundesverfassungsgericht so umschriebene Schutz ist auf das Strafverfahren ausgerichtet und bezeichnet ergebnishaft diejenigen Fälle, in denen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt ist, also ein verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Eingriff in dessen Schutzbereich vorliegt. Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist indessen nach Auffassung des Senats weiter gefasst. Er ist auch dann eröffnet, wenn zwar kein mit Beugemitteln durchsetzbarer oder strafrechtlich sanktionierter Zwang zur Selbstbelastung vorliegt, aber der Einzelne zur Erlangung einer staatlichen Leistung, auf die er grundsätzlich einen Anspruch hat, auf die Abgabe einer Selbstbezichtigung verwiesen wird. 21 So liegt der Fall hier: Zwar dürfte das Berufungsgericht zutreffend festgestellt haben, dass eine imperative Verpflichtung zur Unterzeichnung der Reueerklärung nicht existiert. Denn der Kläger macht sich durch den Nichtbesitz eines Passes und Passersatzes nach aktueller strafgerichtlicher Rechtsprechung nicht wegen Verstoßes gegen die Ausweispflicht nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG strafbar (vgl. BayObLG, Urteil vom 12. Juli 2021 - 203 StRR 171/21 [ECLI:​DE:​BAYOBLG:​2021:​0712.203STRR171.21.00] - juris). Er kann zur Abgabe der Reueerklärung allein auf der Grundlage der gesetzlichen Mitwirkungspflicht an Passbeschaffungsbemühungen der Behörde (§ 48 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 AufenthG) auch nicht mit Beugemitteln gezwungen werden (zur mangelnden Durchsetzbarkeit der sogenannten Freiwilligkeitserklärung vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 19.08 - BVerwGE 135, 219 Rn. 17 f.). Aus dem Umstand, dass der Kläger daher selbst über die Abgabe der Reueerklärung entscheidet und diese auch unterlassen kann, folgt aber noch nicht, dass die Versagung des Reiseausweises durch den Beklagten mit den Grundrechten des Klägers von vornherein nicht in Konflikt geraten kann. Denn dann müsste er auf die Erlangung eines zur Durchführung von Auslandsreisen berechtigenden Dokuments insgesamt verzichten. Einen solchen Verzicht mutet ihm Art. 25 Abs. 2 RL 2011/95/EU gerade nicht zu. Diese Regelung gewährt subsidiär Schutzberechtigten ein nicht (mehr) auf dringliche humanitäre Anlässe beschränktes Recht zur Durchführung von Auslandsreisen. Damit trägt sie auch dem Recht auf Freizügigkeit nach Art. 2 Nr. 2 Zusatzprotokoll Nr. 4 zur EMRK Rechnung (vgl. dazu EGMR, Urteil vom 14. Juni 2022 - Nr. 38121/20 - Rn. 81). Vorbehaltlich entgegenstehender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung soll jeder subsidiär Schutzberechtigte entweder mit einem nationalen Pass, oder, wenn er einen solchen (auf zumutbare Weise) nicht erhalten kann, mit einem mitgliedstaatlichen Reisedokument Auslandsreisen unternehmen können. 22 Der Begriff der Zumutbarkeit muss deshalb zum einen so ausgelegt und angewendet werden, dass die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit keinen unverhältnismäßigen, in einem demokratischen Staat nicht notwendigen Einschränkungen unterworfen wird. Zum anderen liegt in dem positiven Verweis auf die die Abgabe einer Selbstbezichtigung erfordernde Beschaffung eines Nationalpasses und der damit einhergehenden Versagung eines Reiseausweises für Ausländer durch die Ausländerbehörde auch ein mittelbarer Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (ebenso VG Hannover, Urteil vom 20. Mai 2020 - 12 A 5005/18 [ECLI:​DE:​VGHANNO:​2020:​0520.12A5005.18.00] - juris Rn. 40; VG Schleswig, Urteil vom 25. Juni 2021 - 11 A 270/20 [ECLI:​DE:​VGSH:​2021:​0625.11A270.20.00] - juris Rn. 42 f.; Ujkašević, ZAR 2022, 263 <269>). Das gilt jedenfalls dann, wenn der Betroffene plausibel darlegt, dass er zu der Selbstbezichtigung freiwillig nicht bereit ist. Die Grundrechte verpflichten den Staat nach Maßgabe des faktisch und rechtlich Möglichen auch dazu, den Einzelnen vor Verletzungen der Menschenwürde oder elementarer rechtsstaatlicher Grundsätze von Seiten ausländischer Staatsgewalt zu schützen (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2016:​rs20160420.1bvr096609] - BVerfGE 141, 220 Rn. 326 - 328; Kunig/Kotzur, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 7. Aufl. 2021, Art. 1 Rn. 49). 23 b) Die hiernach vorzunehmende Abwägung zwischen der grundrechtlich geschützten Ausreisefreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 2 Nr. 2 Zusatzprotokoll Nr. 4 zur EMRK) und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) des Klägers einerseits und den staatlichen Interessen, namentlich dem Interesse an gebührender Rücksichtnahme auf die Pass- und Personalhoheit Eritreas, andererseits, geht vorliegend zugunsten des Klägers aus. 24 aa) Die für die Passerteilung geforderte Erklärung, unter Verletzung der nationalen Pflichten illegal ausgereist zu sein und eine eventuell dafür verhängte Strafe zu akzeptieren, ist unter Berücksichtigung der widerstreitenden Belange für einen eritreischen Staatsangehörigen, der plausibel bekundet, die Erklärung nicht abgeben zu wollen, weder eine nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 AufenthV zumutbare Mitwirkungshandlung noch eine ""zumutbare staatsbürgerliche Pflicht"" im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 AufenthV. 25 Unter zumutbaren staatsbürgerlichen Pflichten versteht der Verordnungsgeber insbesondere ""jeweils auch im Einzelfall zumutbare Anforderungen der Registrierung bei Auslandsvertretungen auswärtiger Staaten einschließlich der Erteilung zumutbarer Auskünfte, der Beantragung einer Befreiung von Präsenzpflichten im Herkunftsstaat, der Zahlung von Steuern und Abgaben, der Erfüllung von Zivilschutzaufgaben nach dem Recht des Herkunftsstaates oder zur Ableistung eines Zivildienstes"" (vgl. BR-Drs. 731/04 S. 152 f.). 26 Vom Herkunftsstaat geforderte Mitwirkungshandlungen, die in den Bestimmungen des deutschen Passrechts keine Entsprechung haben, sind dem Ausländer unter Berücksichtigung dieser Vorgaben gegen seinen Willen nur zuzumuten, soweit sie mit grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen vereinbar sind. Das ist bei der Reueerklärung nicht der Fall. Die Verknüpfung einer Selbstbezichtigung mit der Ausstellung eines Reisepasses entfernt sich so weit von einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung, dass der Ausländer sich darauf gegen seinen Willen von der Ausländerbehörde nicht verweisen lassen muss. Dabei fällt ins Gewicht, dass es sich nicht um eine - grundsätzlich zumutbare - Auskunftspflicht handelt, der ein legitimes Interesse staatlicher Aufgabenerfüllung zugrunde liegt. Ein legitimes Auskunftsinteresse des eritreischen Staates ist vielmehr auch und gerade auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht erkennbar. Zudem ist nach den tatrichterlichen Feststellungen nichts dafür ersichtlich, dass diese von den eritreischen Auslandsvertretungen praktizierte Voraussetzung im ""Recht des Herkunftsstaates"" (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 2 AufenthV) irgendeine formelle Grundlage hätte. 27 Mit der Erklärung, die bei illegal ausgereisten Eritreern der Legalisierung des ""Status gegenüber ihrem Herkunftsstaat"" (UA S. 18) dient, soll der Unterzeichner nach der Auslegung des Berufungsgerichts zu erkennen geben, ""dass er den eritreischen Staat akzeptiert"" (UA S. 21). Damit verbunden ist nicht nur eine ""Anerkennung der staatlichen Souveränität und Vorherrschaft Eritreas"" (UA S. 21), sondern dem Wortlaut nach auch eine rechtsstaatliche Grenzen nicht einfordernde Unterwerfung unter die eritreische Strafgewalt. Im Unterschied zu der ""Freiwilligkeitserklärung"", an die der iranische Staat die Passausstellung an ausreisepflichtige Staatsbürger knüpft und die der Senat für zumutbar erachtet hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 19.08 - BVerwGE 135, 219 Rn. 15), wird eritreischen Staatsangehörigen mit der Reueerklärung somit auch ein Loyalitätsbekenntnis zu ihrem Herkunftsstaat abgefordert. Eine solche Selbstbezichtigung ist dem Kläger gegen seinen ausdrücklichen Willen nicht zuzumuten. Dies gilt umso mehr, als es in Eritrea nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kein rechtsstaatliches Verfahren gibt (UA S. 18) und dem Kläger gerade deshalb subsidiärer Schutz gewährt worden ist, weil ihm wegen der Straftat, die er mit der Reueerklärung schriftlich eingestehen soll, in Eritrea ein mit Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Behandlung verbundenes Strafverfahren oder eine ebensolche Bestrafung droht (so auch VG Sigmaringen, Urteil vom 16. Februar 2022 - 5 K 4651/20 [ECLI:​DE:​VGSIGMA:​2022:​0216.5K4651.20.00] - juris Rn. 45). 28 Angesichts der gravierenden Menschenrechtsverletzungen und der willkürlichen Strafverfolgungspraxis, die das Berufungsgericht selbst dem eritreischen Staat attestiert hat (UA S. 20, 22, 24), kann ein Eritreer gegen seinen Willen auf die Unterzeichnung einer derartigen Selbstbezichtigung mit bedingungsloser Akzeptanz einer wie auch immer gearteten Strafmaßnahme auch dann nicht zumutbar verwiesen werden, wenn die Abgabe der Erklärung - wie das Berufungsgericht für den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellt hat - die Wahrscheinlichkeit einer Strafverfolgung und einer Bestrafung wegen der illegalen Ausreise nicht erhöht, sondern unter Umständen sogar verringert. Vielmehr muss der Ausländer unter den beschriebenen Umständen kein auch noch so geringes Restrisiko eingehen und ist allein der - nachvollziehbar bekundete - Unwille, die Erklärung zu unterzeichnen, schutzwürdig. Die willkürliche und menschenrechtswidrige Strafverfolgungspraxis mindert auf der anderen Seite zugleich die Schutzwürdigkeit der Personalhoheit des eritreischen Staates, die in der Abwägung hier zurücktreten muss. 29 Aus diesen Gründen kommt es auch nicht darauf an, dass der Kläger infolge des ihm zuerkannten subsidiären Schutzes derzeit nicht nach Eritrea zurückkehren muss. Deshalb bedarf die asylrechtliche Frage, ob die durch Abgabe der Reueerklärung und Zahlung der sogenannten Aufbausteuer (unter Umständen) bewirkte Erlangung des ""Diaspora-Status"" hier zu einem Widerruf des subsidiären Schutzes gemäß § 73b Abs. 1 Satz 1 AsylG führen kann, keiner Vertiefung. 30 Zu keiner anderen Entscheidung führt die Feststellung des Berufungsgerichts, dass sich eritreische Staatsangehörige nach Abwägung der Vor- und Nachteile nicht selten freiwillig zu einer Unterzeichnung der Reueerklärung bereitfinden. Dies ändert nichts daran, dass einem Eritreer, der die Erklärung gerade nicht abgeben will und dafür konsequenterweise die Unmöglichkeit von Reisen in sein Herkunftsland in Kauf nimmt (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthV), die Unterzeichnung individuell nicht zuzumuten ist. 31 bb) Der Kläger erfüllt die subjektive Voraussetzung für eine Unzumutbarkeit der Reueerklärung. Er hat plausibel bekundet, die Erklärung nicht abgeben zu wollen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich aus seinem Vortrag, dass die Abgabe der Reueerklärung im Widerspruch zu seiner inneren Einstellung steht und dass sie seiner Auffassung von guter politischer Ordnung und sozialer Gerechtigkeit zuwiderliefe; er lehne den eritreischen Staat und die Möglichkeit einer ""Bereinigung der Verhältnisse"" durch die Beantragung des Diaspora-Status ab (UA S. 19 f.). Weitergehende Anforderungen sind an die Plausibilisierung der Weigerung nicht zu stellen; insbesondere bedarf es nicht der Glaubhaftmachung einer Gewissensentscheidung oder einer unauflöslichen inneren Konfliktlage. 32 1.4 Ob weitere Gründe vorliegen, aus denen dem Kläger die Erlangung eines Nationalpasses unzumutbar ist, ist nicht mehr entscheidungserheblich. Das gilt insbesondere auch für die vom Oberverwaltungsgericht bejahte Frage, ob es sich bei dem Erfordernis der Zahlung einer sogenannten Aufbausteuer in Höhe von 2 % des in Deutschland seit dem Zeitpunkt der Einreise erzielten (Brutto- oder Netto-)Einkommens um eine zumutbare staatsbürgerliche Pflicht handelt. 33 2. Der Senat kann den Rechtsstreit abschließend zugunsten des Klägers entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). 34 Die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer sind erfüllt (s. o.). Tatbestände, die der Ausstellung entgegenstehen, liegen nicht vor. Nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanz hat der Kläger weder bereits einen Reiseausweis für Ausländer missbräuchlich verwendet, noch bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Reiseausweis für Ausländer missbräuchlich verwendet werden soll (§ 5 Abs. 4 AufenthV). 35 Sind mithin alle - positiven wie negativen - Voraussetzungen für die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer gegeben, ist der Beklagte verpflichtet, dem Kläger einen solchen zu erteilen. Nach § 5 Abs. 1 AufenthV steht die Erteilung des Ausweises zwar grundsätzlich im Ermessen der Ausländerbehörde. Bei subsidiär Schutzberechtigten ist dieses Ermessen jedoch in richtlinienkonformer Anwendung des § 5 Abs. 1 AufenthV auf Null reduziert, wenn auch die in Art. 25 Abs. 2 letzter Halbs. RL 2011/95/EU erwähnte Ausnahme nicht eingreift. Denn die Regelung verpflichtet die Mitgliedstaaten, Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist und die keinen nationalen Pass erhalten können, Dokumente für Reisen außerhalb ihres Hoheitsgebiets auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegenstehen (ebenso etwa VG Hannover, Urteil vom 20. Mai 2020 - 12 A 2452/19 [ECLI:​DE:​VGHANNO:​2020:​0520.12A2452.19.00] - juris Rn. 48 f.; VG Saarland, Urteil vom 29. September 2021 - 6 K 283/19 [ECLI:​DE:​VGSL:​2021:​0929.6K283.19.00] - juris Rn. 63; siehe auch BVwG Österreich, Erkenntnis vom 16. April 2021 - W211 2229796-1/12E [ECLI:​AT:​BVWG:​2021:​W211.2229796.1.00] - S. 7). Für das Vorliegen des im letzten Halbsatz dieser Regelung enthaltenen, im nationalen Recht nicht ausdrücklich umgesetzten Ausschlussgrundes ergeben sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts keinerlei Anhaltspunkte. 36 Die inhaltlichen Einzelheiten des dem Kläger auszustellenden Reiseausweises für Ausländer (insbesondere Gültigkeitsdauer und Geltungsbereich) wird der Beklagte unter Berücksichtigung der §§ 8 bis 10 AufenthV festzulegen haben. 37 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2022-63,13.10.2022,"Pressemitteilung Nr. 63/2022 vom 13.10.2022 EN Beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch wegen Zuvielarbeit bei als Arbeitszeit zu qualifizierenden Pausenzeiten (""Pausen in Bereithaltung"") Ein Beamter hat Anspruch auf Freizeitausgleich, soweit die ihm gewährten Pausenzeiten in ""Bereithaltung"" als Arbeitszeit zu qualifizieren sind und hieraus eine dienstliche Inanspruchnahme über die durchschnittlich zu erbringende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus resultiert. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, ein Bundespolizist, beansprucht die Anrechnung von ihm im Jahr 2013 gewährten Pausenzeiten in ""Bereithaltung"" auf die Arbeitszeit im Umfang von (ursprünglich) 1020 Minuten. Die einzelne Pause belief sich auf jeweils 30 bis 45 Minuten. Die Vorinstanzen verurteilten die Beklagte, dem Kläger bezogen auf verschiedene Arbeitstage ab August 2013 Pausenzeiten im Umfang von insgesamt 510 Minuten auf die Arbeitszeit anzurechnen, weil in diesen Zeitenabschnitten der Charakter von Arbeitszeit überwogen habe. Im Übrigen sind Klage und Berufung ohne Erfolg geblieben. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger weiteren Freizeitausgleich im Umfang von 105 Minuten zu gewähren. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Der Kläger kann sein Begehren auf den beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch wegen Zuvielarbeit stützen. Dessen Voraussetzungen sind bezogen auf die im Streit stehenden und dem Kläger ab August 2013 gewährten Pausenzeiten gegeben. Denn hierbei handelte es sich um Arbeitszeit und nicht um Ruhezeit. Für die insoweit vorzunehmende Abgrenzung ist maßgeblich, ob die im Rahmen einer Pausenzeit auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie die Möglichkeiten, sich zu entspannen und sich Tätigkeiten nach Wahl zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beschränken. Solche objektiv ganz erheblichen Beschränkungen liegen vor, wenn ein Bundespolizeibeamter anlässlich von Maßnahmen der präventiven oder repressiven Gefahrenabwehr (im vorliegenden Fall Durchsuchungsmaßnahmen und die Vollstreckung eines Haftbefehls) seine ständige Erreichbarkeit verbunden mit der Pflicht zur sofortigen Dienstaufnahme während der ihm gewährten Pausenzeiten sicherstellen muss. In diesem Fall sind die Pausenzeiten als Arbeitszeit zu qualifizieren. Auf den Umfang der tatsächlichen dienstlichen Inanspruchnahme kommt es nicht an. Die Verpflichtung zum Tragen von Einsatzkleidung sowie zum Mitführen von Dienstwaffe und Dienstfahrzeug genügen für sich betrachtet jedoch nicht. Allerdings gilt bei Ansprüchen, die sich - wie der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch wegen Zuvielarbeit - nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, der Grundsatz der zeitnahen vorherigen Geltendmachung. Ausgehend hiervon hat das Bundesverwaltungsgericht einen Anspruch des Klägers in Bezug auf vor August 2013 gewährte Pausenzeiten verneint, weil sich der Kläger mit seinem Begehren erstmals Ende Juli 2013 schriftlich an die Beklagte gewandt hat. BVerwG 2 C 24.21 - Urteil vom 13. Oktober 2022 Vorinstanzen: OVG Bautzen, OVG 2 A 960/19 - Urteil vom 27. Dezember 2021 - VG Chemnitz, VG 3 K 2020/15 - Urteil vom 03. Juli 2019 -","Urteil vom 13.10.2022 - BVerwG 2 C 24.21ECLI:DE:BVerwG:2022:131022U2C24.21.0 EN Leitsatz: Ruhepausen, in denen der Beamte Einsatzkleidung tragen, die Dienstwaffe mit sich führen und seine ständige Erreichbarkeit sicherstellen muss, sind als Arbeitszeit zu bewerten. Rechtsquellen AZV Fassung vom 23. Februar 2006 § 5 RL 2003/88/EG Art. 2 Nr. 1 und Nr. 2, Art. 4 Instanzenzug VG Chemnitz - 03.07.2019 - AZ: 3 K 2020/15 OVG Bautzen - 17.11.2020 - AZ: 2 A 960/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 13.10.2022 - 2 C 24.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:131022U2C24.21.0] Urteil BVerwG 2 C 24.21 VG Chemnitz - 03.07.2019 - AZ: 3 K 2020/15 OVG Bautzen - 17.11.2020 - AZ: 2 A 960/19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hartung, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel sowie den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hissnauer für Recht erkannt: Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weiteren Freizeitausgleich im Umfang von 105 Minuten zu gewähren. Die Urteile des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. November 2020 und des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 3. Juli 2019 sowie der Bescheid der Bundespolizeidirektion P. vom 5. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. November 2015 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen der Kläger zu zwei Fünftel und die Beklagte zu drei Fünftel, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu einem Viertel und die Beklagte zu drei Viertel, die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu vier Fünftel und die Beklagte zu einem Fünftel. Gründe I 1 Der Kläger begehrt Freizeitausgleich für Ruhepausen mit Bereithaltungspflicht. 2 Der Kläger steht als Bundespolizeibeamter im Dienst der Beklagten und wurde im Jahr 2013 bei einer Mobilen Kontroll- und Überwachungseinheit verwendet. Er beantragte unter dem 28. Juli 2013 rückwirkend zum 1. Januar 2013 die Anrechnung von Pausenzeiten in ""Bereithaltung"". Der zeitliche Umfang der Pausen, deren Dauer sich auf jeweils 30 bis 45 Minuten erstreckte, beläuft sich auf insgesamt 1 020 Minuten. 3 Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Anordnung einer Bereithaltungspflicht der Einordnung als Ruhepause nicht entgegenstehe. Auch der Widerspruch blieb ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Pausenzeiten im Umfang von 195 Minuten als Arbeitszeit gutzuschreiben, und die Klage im Übrigen abgewiesen. 4 Das Berufungsgericht hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger weitere Pausenzeiten im Umfang von 315 Minuten auf die Arbeitszeit anzurechnen. Für die vor dem 28. Juli 2013 liegenden Pausenzeiten hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen, weil es bereits an einer zeitnahen Geltendmachung des Anspruchs fehle. Ein solcher stehe dem Kläger aber für den Zeitraum ab August 2013 zu. Insoweit habe der Charakter von Arbeitszeit überwogen. Sämtliche Pausen seien dadurch gekennzeichnet gewesen, dass der Kläger Einsatzkleidung, teilweise besondere Schutzbekleidung und Helm getragen sowie Dienstwaffe und Dienstfahrzeug mitgeführt habe und seine ständige Erreichbarkeit habe sicherstellen müssen. Dies habe die freie Gestaltung der Pause eingeschränkt. Dies gelte nicht für die am 20. August, 22. Oktober und 28. November 2013 gewährten Pausenzeiten im Umfang von insgesamt 105 Minuten, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme während der Pause eher gering gewesen sei. 5 Hiergegen richtet sich die vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt, das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. November 2020, soweit es die Berufung des Klägers zurückgewiesen hat, und das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 3. Juli 2019, soweit es die Klage abgewiesen hat, zu ändern, den Bescheid der Bundespolizeidirektion P. vom 5. September 2014 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 11. November 2015 aufzuheben, und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger weiteren Freizeitausgleich im Umfang von 510 Minuten zu gewähren. 6 Die Beklagte verteidigt das angegriffene Berufungsurteil und beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 7 Die Revision hat nur zum Teil Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), weil es seine Prüfung auf eine unzutreffende Anspruchsgrundlage und ein fehlerhaftes Verständnis von Ruhezeit gestützt hat (1.). Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung von weiterem Freizeitausgleich für die im Revisionsverfahren noch streitigen Pausenzeiten nach Geltendmachung (2.). Die Annahme, für den Zeitraum bis Ende Juli 2013 stehe dem Anspruch des Klägers die fehlende vorherige Geltendmachung entgegen, erweist sich dagegen als im Ergebnis (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO) richtig (3.). 8 1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers sei § 5 Abs. 1 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung vom 23. Februar 2006 (BGBl. I S. 427 - AZV a. F. -), verletzt revisibles Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). 9 a) Nach § 5 Abs. 1 AZV a. F. werden Ruhepausen außer bei Wechselschichtdienst (den der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht geleistet hat) nicht auf die Arbeitszeit angerechnet. Schon ihrem Wortlaut nach enthält die Vorschrift keine Rechtsfolge, die das Begehren des Klägers erfasst. Aus der Zielrichtung der Verordnung ergibt sich nichts anderes. Denn der Verordnungsgeber wollte mit der Neuordnung der Arbeitszeit der Beamten des Bundes (lediglich) ein einheitliches Regelwerk zur Arbeitszeit schaffen, ohne dass sich Anhaltspunkte dafür ergeben, er habe § 5 Abs. 1 AZV a. F. eine anspruchsbegründende Wirkung geben wollen (vgl. Entwurf einer Verordnung zur Neuordnung der Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes und zur Änderung anderer Verordnungen, Begründung S. 1, 7). 10 Darüber hinaus erfasst die in § 5 Abs. 1 AZV a. F. geregelte ""Anrechnung"" das Begehren des Klägers nicht. Denn nach Ablauf der Bezugszeiträume ist die Anrechnung von Ruhepausen auf die Arbeitszeit des Klägers nicht mehr möglich. Die Vorschrift regelt indes nicht, wie im Fall der fehlerhaften Nichtanrechnung zu verfahren ist. Der vom Kläger begehrte Ausgleich für geleistete Arbeitszeit im Umfang der benannten Ruhepausen kann daher nur auf einen Sekundäranspruch gestützt sein. Mögliche Rechtsgrundlage hierfür ist der in der Senatsrechtsprechung für Pflichtverletzungen des Dienstherrn anerkannte beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 Rn. 19). 11 b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Abgrenzung zwischen Arbeits- und Ruhezeit hält auch einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, weil sie auf einem nicht richtlinienkonformen Verständnis der Art. 2 Nr. 1 und 2 sowie Art. 4 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG, ABl. L 299 S. 9) beruht. 12 Danach ist eine ""Ruhepause"" als Arbeitszeit einzustufen, wenn sich aus einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände ergibt, dass die dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich seine Möglichkeiten beschränken, die Zeit frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen (EuGH, Urteil vom 9. September 2021 - C-107/19, Dopravní podnik hl. m. Prahy - NZA 2021, 1395 sowie das Urteil des erkennenden Senats vom heutigen Tage - 2 C 7.21 -). 13 Der vom Berufungsgericht zur Ablehnung der Pausenzeiten vom 20. August, 22. Oktober und 28. November 2013 maßgeblich herangezogene Umstand, dass die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme während dieser Pausen eher gering gewesen sei, entspricht diesen Vorgaben nicht. Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Umstand, dass eine Inanspruchnahme während der Bereitschaftszeit im Durchschnitt nur selten vorkommt, nicht zur Einstufung als Ruhezeit führen, wenn die Wiederaufnahmefrist die private Gestaltungsmöglichkeit der Ruhepause objektiv gesehen ganz erheblich einzuschränken vermag (EuGH, Urteile vom 9. September 2021 - C-107/19, Dopravní podnik hl. m. Prahy - NZA 2021, 1395 Rn. 40 und vom 9. März 2021 - C-344/19 - Rn. 54). 14 2. Das bezogen auf die am 20. August, 22. Oktober sowie 28. November 2013 gewährten Pausenzeiten abweisende Urteil des Oberverwaltungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Dem Kläger ist auf der Grundlage des beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs weiterer Freizeitausgleich im Umfang von 105 Minuten zu gewähren. 15 Der auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gestützte beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch setzt als Billigkeitsanspruch eine rechtswidrige Inanspruchnahme des Beamten über die höchstens zulässige Arbeitszeit hinaus voraus (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38, vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 8, vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. Februar 2022 - 2 C 5.21 - juris Rn. 23). Dies ist der Fall, wenn der Dienstherr einen Beamten auf der Grundlage einer rechtswidrig zu hoch festgesetzten regelmäßigen Arbeitszeit zum Dienst heranzieht oder ihn über die rechtmäßig festgesetzte regelmäßige Arbeitszeit hinaus in Anspruch nimmt, ohne dass die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit erfüllt sind. 16 Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Pausenzeiten am 20. August, 22. Oktober sowie 28. November 2013 erfüllt. 17 a) Entgegen der Auffassung der Beklagten sind diese Pausenzeiten als Arbeitszeit zu bewerten. 18 Die einem Beamten während seiner täglichen Arbeitszeit gewährte Ruhepause ist als ""Arbeitszeit"" im Sinne dieser Bestimmung einzustufen, wenn sich aus einer Würdigung der Umstände ergibt, dass die dem Arbeitnehmer während dieser Ruhepause auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich seine Möglichkeit beschränken, die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2021 - C-107/19, Dopravní podnik hl. m. Prahy - NZA 2021, 1395 Rn. 43). 19 Der Kläger unterlag im Rahmen der ihm am 20. August, 22. Oktober und 28. November 2013 gewährten Pausenzeiten objektiv gesehen ganz erheblichen Beschränkungen. Aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass sämtliche Pausen dadurch gekennzeichnet waren, dass der Kläger Einsatzkleidung (teilweise besondere Schutzbekleidung sowie Helm) trug, Dienstwaffe und Dienstfahrzeug mitführte und seine ständige Erreichbarkeit sicherstellen musste. 20 Zwar ist in der Verpflichtung zum Tragen von Einsatzkleidung sowie zum Mitführen von Dienstwaffe und Dienstfahrzeug für sich genommen keine Einschränkung von solcher Art zu sehen, die objektiv gesehen ganz erheblich die Möglichkeit des Klägers beschränkt hat, die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen wurden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen. Denn mit einer Ruhepause von 30 bis 45 Minuten - zudem an einem Einsatzort außerhalb der Dienststelle - geht unvermeidlich einher, dass sich die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung vor dem Hintergrund der absehbaren Wiederaufnahme des Dienstes anders darstellen als bei Ruhezeiten nach Beendigung der Arbeit. 21 Hingegen unterwarf die den Kläger zusätzlich treffende Verpflichtung, während der gewährten Pausenzeiten seine ständige Erreichbarkeit sicherzustellen, seine freie Pausengestaltung objektiv gesehen ganz erheblichen Einschränkungen, die dem mit der Gewährung einer Ruhepause verfolgten Erholungszweck zuwiderläuft und den Betroffenen aufgrund der Unvorhersehbarkeit möglicher Unterbrechungen in eine ""Daueralarmbereitschaft"" versetzt. Dies gilt jedenfalls bei Maßnahmen der unmittelbaren präventiven oder repressiven Gefahrenabwehr, bei denen es in der Sachgesetzlichkeit der übertragenen Aufgabe liegt, dass die dienstliche Tätigkeit alsbald bzw. unverzüglich wieder aufzunehmen ist und ihr folglich ein Gepräge des ""Sich-Bereit-Haltens"" innewohnt. 22 Die den Kläger treffenden ganz erheblichen Einschränkungen sind auch nicht dadurch aufgewogen worden, dass er sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht an einem vom Dienstherrn (explizit) bestimmten Ort bereitzuhalten hatte. Denn dieser war durch die Festlegung des Einsatzortes seitens des Dienstherrn, die Verpflichtung zur Sicherstellung der ständigen Erreichbarkeit sowie aufgrund der kurzen Dauer der Ruhezeit in tatsächlicher Hinsicht räumlich eng umrissen und somit nicht frei wählbar. 23 b) Bei Berücksichtigung dieser Zeiten ist der Kläger über die festgesetzte regelmäßige Arbeitszeit hinaus in Anspruch genommen worden. 24 Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AZV a. F. betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit, die der Kläger innerhalb von zwölf Monaten durchschnittlich zu erbringen hatte (vgl. § 2 Nr. 1 AZV a. F.), 41 Stunden. 25 Die dienstliche Inanspruchnahme des Klägers ging im Jahr 2013 über diese Arbeitszeit hinaus. Dies kann ohne Weiteres den in der Verwaltungsakte befindlichen monatsweisen Stundenabrechnungen entnommen werden und ist in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten auch nicht bestritten worden. Der Senat ist daher nicht gehindert, die dahingehenden tatsächlichen Feststellungen im Revisionsverfahren zu treffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 - 3 C 2.19 - VRS 139, 94 Rn. 68). 26 c) Der Kläger hat seine Ansprüche auch zeitnah, nämlich durch Schreiben vom 28. Juli 2013, geltend gemacht. 27 Zwar hat der Kläger darin ausdrücklich nur ""rückwirkend"" um eine Neubewertung der Pausenzeiten gebeten. Die Vorinstanzen haben dem Schreiben aber nicht nur einen auf die Vergangenheit bezogenen Erklärungsinhalt beigemessen und es - im Hinblick auf das zum Ausdruck kommende generelle Begehren, Pausen unter Bereithaltung als Arbeitszeit anerkannt zu bekommen - auch als Geltendmachung für die Zukunft gewertet. Diese Würdigung entspricht den auch im öffentlichen Recht heranzuziehenden Auslegungsgrundsätzen des § 133 BGB und lässt Rechtsfehler nicht erkennen. 28 3. Soweit das Berufungsurteil einen Anspruch des Klägers für den Zeitraum bis Ende Juli 2013 wegen der fehlenden vorherigen Geltendmachung verneint hat, erweist sich die Entscheidung als im Ergebnis (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO) richtig. Zwar wäre der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung auf den vom Berufungsgericht herangezogenen gesetzlichen Anspruch aus § 5 Abs. 1 AZV a. F. nicht anwendbar; für die allein in Betracht kommenden Ansprüche aus dem beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch indes ist er anwendbar (a). Unionsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht (b). 29 a) Besoldungsansprüche von Beamten und Soldaten ergeben sich unmittelbar aus Gesetz (§ 2 Abs. 1 BBesG), eines Antrags bedarf es daher nicht (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 26). Dies gälte auch, wenn die vom Berufungsgericht herangezogene Regelung aus § 5 Abs. 1 AZV a. F. als gesetzliche Anspruchsgrundlage dienen würde. 30 Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen dagegen einer vorherigen Geltendmachung (BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <384 f.>; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19 und vom 17. Februar 2022 - 2 C 5.21 - juris Rn. 24). Denn hier ist eine vorgängige Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich. Für Ansprüche wegen rechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Für den Beamten folgt aus der beamtenrechtlichen Treuepflicht die Obliegenheit, seinen Dienstherrn mit einem auf eine solche Behauptung gestützten Anspruch alsbald zu konfrontieren, um ihm die Möglichkeit zu geben zu reagieren (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. November 2008 - 2 C 16.07 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 101 Rn. 21 und vom 17. Februar 2022 - 2 C 5.21 - juris Rn. 24). Dadurch ist zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, Urteile vom 21. September 2006 - 2 C 5.06 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 38 Rn. 15 und vom 17. Februar 2022 - 2 C 5.21 - juris Rn. 24). 31 Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der schriftlichen Äußerung ergibt, dass der Beamte mit der jeweiligen Situation - hier dem Umfang der Arbeitszeit - nicht einverstanden ist. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden. Der Beamte kann dem Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung in jeder beliebigen Textform gerecht werden, etwa auch per E-Mail (BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15, vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27, vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 29, vom 19. April 2018 - 2 C 40.17 - BVerwGE 161, 377 Rn. 29 und vom 17. Februar 2022 - 2 C 5.21 - juris Rn. 25). 32 b) Unionsrechtlich begründete Zweifel hieran bestehen nicht. 33 Dies folgt bereits daraus, dass der streitgegenständliche Anspruch nicht auf eine Überschreitung der unionsrechtlich geregelten Höchstarbeitszeit aus Art. 6 Buchst. b der RL 2003/88/EG von durchschnittlich 48 Stunden pro Siebentageszeitraum zurückgeht, sondern seinen Rechtsgrund allein in einer Überschreitung der national angeordneten durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit - von hier 41 Stunden - findet. 34 Unabhängig hiervon begegnet der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung auch keinen unionsrechtlichen Bedenken. 35 Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Union für die Verpflichtung auf Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit aus Art. 6 Buchst. b der RL 2003/88/EG im Urteil vom 25. November 2010 (- C-429/09, Fuß - Rn. 86) ausgeführt, dass einem Arbeitnehmer, dem - wie demjenigen des dortigen Ausgangsverfahrens - durch den Verstoß seines Arbeitgebers ein Schaden entstanden ist, nicht zugemutet werden kann, zuvor einen Antrag bei diesem Arbeitgeber zu stellen, um einen Anspruch auf Ersatz dieses Schadens geltend zu machen. Denn die Verpflichtung des Arbeitgebers besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer zuvor die Einhaltung dieser Bestimmungen beantragt hat. Diese Ausführungen waren indes auf den dortigen Fall bezogen, in dem bereits die Einforderung der Rechte unmittelbar Nachteile auf das Arbeitsverhältnis bewirkt hat. Denn der Arbeitgeber des dortigen Ausgangsverfahrens hatte vorab angekündigt und nachfolgend auch ins Werk gesetzt, jeden Arbeitnehmer, der die Einhaltung seiner Rechte geltend mache, in eine andere Dienststelle umzusetzen. In einer derartigen Situation, in der mit der Geltendmachung der bestehenden Rechte eine Sanktion des Arbeitgebers verbunden ist, verstößt es gegen den Effektivitätsgrundsatz, nachträgliche Schadensersatzforderungen von einem vorherigen Antrag abhängig zu machen. 36 Abgesehen von dieser Sondersituation ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, dass der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung für Ansprüche von Beamten auf Geldleistungen, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, weder gegen den Äquivalenzgrundsatz noch gegen den Effektivitätsgrundsatz verstößt (EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u. a., Specht - Rn. 115 und vom 9. September 2015 - C-20/13, Unland - Rn. 72). Es ist vielmehr Sache der Mitgliedstaaten, für nationale Regelungen, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, Fristen festzulegen, die insbesondere der Bedeutung der zu treffenden Entscheidungen für die Betroffenen, der Komplexität der Verfahren und der anzuwendenden Rechtsvorschriften, der Zahl der potenziell Betroffenen und den anderen zu berücksichtigenden öffentlichen oder privaten Belangen entsprechen (EuGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - C-246/09, Bulicke - Rn. 36 m. w. N.). 37 Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO." bverwg_2022-65,27.10.2022,"Pressemitteilung Nr. 65/2022 vom 27.10.2022 EN Kosten der Kindertagesförderung für ein Pflegekind Für ein Kind in Vollzeitpflege umfasst der vom Jugendhilfeträger sicherzustellende Unterhalt über die gewährten Unterhaltspauschalen hinaus auch die den Pflegeeltern entstehenden Kosten für die Förderung in einer Kindertagesstätte, wenn diese Kosten - wie in Nordrhein-Westfalen - von der Pauschalierung ausgenommen worden sind. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Kläger ist das Jugendamt einer Stadt in seiner Eigenschaft als Vormund eines Kindes, für das der Mutter die Personensorge kurz nach der Geburt im Jahre 2013 entzogen und auf das Jugendamt übertragen worden war. Die beklagte Stadt bewilligte dem Kläger für das Kind Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege bei Pflegeeltern in einer sonderpädagogischen Pflegestelle für Kinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen und trug hierfür die Kosten. Das Kind besuchte ab August 2015 eine Kindertagesstätte, wofür die Pflegeeltern monatlich Elternbeiträge in Höhe von 44 € zu entrichten hatten. Die Beklagte lehnte die Übernahme dieser Aufwendungen mit der Begründung ab, bei den Kosten für die Kindertagesstätte handele es sich um einen üblichen Aufwand, der bereits von den dem Kläger bewilligten und an die Pflegeeltern ausgezahlten Pauschalbeträgen für den Unterhalt des Kindes abgedeckt sei. Die dagegen erhobene Klage hatte sowohl vor dem Verwaltungsgericht als auch vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung der Vorinstanzen im Ergebnis bestätigt. Der Anspruch auf Sicherung des Unterhalts eines in Vollzeitpflege zu betreuenden Kindes umfasst über den für den Sachaufwand festgesetzten Pauschalbetrag hinaus die Kosten der Kindertagesbetreuung, wenn diese Kosten bei der Festsetzung des Pauschalbetrags nicht berücksichtigt wurden. Wird Kinder- und Jugendhilfe in Form der Vollzeitpflege gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des zu betreuenden Kindes sicherzustellen (§ 39 des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs - SGB VIII). Dieser beinhaltet die Kosten für dessen Pflege und Erziehung und die Kosten des Sachaufwandes, die bei einer Unterbringung in Pflegestellen, soweit es sich um laufende Aufwendungen handelt, in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden sollen. Die von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festzusetzenden Pauschalbeträge müssen jedoch, auch wenn es sich um typische Bedarfsbestandteile (wie hier die Kita-Beiträge) handelt, nicht solche Kostenpositionen abdecken, die sich einer sinnvollen Pauschalierung entziehen. Die pauschalierte Gewährung schließt zwar grundsätzlich die gesonderte Geltendmachung einzelner Kostenpositionen aus. Das gilt nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes jedoch nur, wenn es sich um Positionen handelt, die einer realitätsgerechten Pauschalierung zugänglich sind und jedenfalls bei der Bemessung der Pauschalsätze berücksichtigt worden sind. Beides ist hier nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, an die der Senat als Revisionsgericht gebunden ist, nicht der Fall. Dieses hat sowohl festgestellt, dass sich die Kosten für die Kindertagesbetreuung in Nordrhein-Westfalen wegen der erheblichen Unterschiede in ihrer Höhe nicht sinnvollerweise realitätsgerecht pauschalieren lassen, als auch, dass das zuständige Landesministerium die Pauschalbeträge für Sachkosten tatsächlich auch ohne Berücksichtigung der Elternbeiträge ermittelt und festgesetzt hat. BVerwG 5 C 4.21 - Urteil vom 27. Oktober 2022 Vorinstanzen: OVG Münster, OVG 12 A 1908/18 - Beschluss vom 23. März 2021 - VG Aachen, VG 2 K 1883/16 - Beschluss vom 17. April 2018 -","Urteil vom 27.10.2022 - BVerwG 5 C 4.21ECLI:DE:BVerwG:2022:271022U5C4.21.0 EN Erstattung der Kosten für die Förderung in einer Kindertagesstätte über die vom Jugendhilfeträger gewährten Unterhaltspauschalen hinaus Leitsätze: 1. Der Anspruch des Personensorgeberechtigten auf Sicherung des Unterhalts eines in Vollzeitpflege zu betreuenden Kindes durch Gewährung laufender Leistungen umfasst gemäß § 39 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB VIII über den nach § 39 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. § 39 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII für den Sachaufwand festgesetzten Pauschalbetrag hinaus auch die Kosten der Kindertagesbetreuung, wenn diese Kosten bei der Festsetzung des Pauschalbetrags nicht berücksichtigt wurden. 2. Die gemäß § 39 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festzusetzenden Pauschalbeträge für die Sachkosten müssen typische Bedarfsbestandteile wie die Beiträge für die Kindertagesbetreuung des Pflegekindes nicht abdecken, wenn diese sich einer sinnvollen Pauschalierung entziehen. Rechtsquellen VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4, § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbs. 1 SGB VIII §§ 27, 33 Satz 2, § 39 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2, Abs. 4 Satz 1 und 3 Halbs. 2 und Abs. 5 Satz 1 und 2, § 86 Abs. 1 und 6 Satz 1, § 86c Abs. 1 Satz 1 BGB §§ 133 und 157 Instanzenzug VG Aachen - 17.04.2018 - AZ: 2 K 1883/16 OVG Münster - 23.03.2021 - AZ: 12 A 1908/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.10.2022 - 5 C 4.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:271022U5C4.21.0] Urteil BVerwG 5 C 4.21 VG Aachen - 17.04.2018 - AZ: 2 K 1883/16 OVG Münster - 23.03.2021 - AZ: 12 A 1908/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß, Dr. Harms sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. März 2021 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über die Zahlung der Kosten für die Kindertagesförderung eines Pflegekindes über die Pflegegeldpauschalen hinaus. 2 Der Kläger, das Jugendamt der Stadt E., war von September 2014 bis Februar 2020 Amtsvormund für das am 12. Januar 2013 geborene Kind L. N. T. Bereits kurz nach der Geburt des Kindes war der im Bereich der beklagten Stadt A. lebenden Kindesmutter die elterliche Sorge entzogen und dem zunächst eingesetzten Vormund (erstmals) Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege durch die Beklagte gewährt worden. Nachdem es zunächst in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht worden war, wurde das Kind seit dem 28. März 2013 in Vollzeitpflege in der Sonderpädagogischen Pflegestelle der Diakonie D. I. W. und H. Y. in E. betreut, die seit Februar 2020 auch Vormünder des Kindes sind. Die Diakonie D. schloss mit der Beklagten unter dem 22. März 2013 einen Vertrag über die Leistungen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe in einer Sonderpädagogischen Pflegestelle für Kinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen gemäß § 33 Satz 2 SGB VIII. Darin verpflichtete sie sich unter anderem zur Betreuung des Kindes in der Pflegestelle in E., während die Beklagte die Zahlung von Pflegegeld nach § 39 SGB VIII in Höhe von insgesamt 1 812,20 € unmittelbar an die Pflegestelle zusagte. Darin enthalten waren der Betrag zum notwendigen Unterhalt des Pflegekindes (467,00 €), ein Erziehungsbeitrag (730,61 €), ein Beitrag für die Alterssicherung der Pflegeperson (62,59 €) sowie ein zusätzlicher Betreuungsbetrag für wöchentlich 15 Stunden (598,00 €), um eine entsprechende Entlastung der Pflegeeltern sicherzustellen. Das Kindergeld (46,00 €) wurde abgezogen. 3 Nachdem der Kläger als Vormund eingesetzt worden war, bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 2014 für sein Mündel L. N. T. Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege durch den Leistungsträger Diakonie D. ab dem 28. März 2013, befristet bis zum 11. Januar 2031. 4 Mit Schreiben vom 15. Mai 2015 bat die Beklagte die Stadt E. um Übernahme des Jugendhilfefalles in deren örtliche Zuständigkeit gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII und sicherte Kostenerstattung nach § 89a SGB VIII zu. Eine Übernahme des Falles erfolgte jedoch nicht. 5 Ab dem 1. August 2015 besuchte das Kind eine Kindertagesstätte in E. Zu den Beiträgen für die Kindertagesbetreuung in Höhe von monatlich 44,00 €, die längstens bis zum 31. Juli 2018 anfielen, wurden die Pflegeeltern herangezogen. Die Beklagte leistete während dieses Zeitraums weiter Hilfe zur Erziehung einschließlich der Kosten für den notwendigen Unterhalt des Kindes gemäß § 39 SGB VIII, lehnte aber den Antrag der Diakonie auf Übernahme der Beiträge für die Kindertagesbetreuung ab. Der vorsorglich eingelegte Widerspruch der Pflegeeltern hatte keinen Erfolg. 6 Die auf Aufhebung des ablehnenden Bescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids und die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Kosten der Kindertagesförderung für das Kind L. N. T. gerichtete Klage hat in beiden Vorinstanzen Erfolg gehabt. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Zahlung der Kosten im Rahmen der Leistungen nach § 39 SGB VIII über die festgelegten Pauschalen hinaus. Die Beiträge, die Pflegeeltern für die Betreuung ihres Pflegekindes in einer Kindertageseinrichtung aufzubringen hätten, gehörten zum notwendigen Sachaufwand, den der Jugendhilfeträger sicherzustellen habe. Diese Aufwendungen hätten bei der Ermittlung des in N. W. gewährten monatlichen Pauschalbetrags, an dem sich auch die zwischen der Beklagten und der Diakonie D. vereinbarten Zahlungen orientierten, keine Berücksichtigung gefunden, weil sie sich einer typisierenden Betrachtung entzögen. Dem Anspruch stehe nicht entgegen, dass § 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII für den Regelfall (""sollen"") Pauschalbeträge vorsehe, also den gesamten wiederkehrenden Bedarf damit als abgedeckt ansehe. Der Besuch einer Kindertageseinrichtung sei zwar ein typischer Aufwand, § 39 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2 SGB VIII erlaube aber Abweichungen, wenn diese nach den Besonderheiten des Einzelfalles geboten seien. Das sei auch in Sachverhaltskonstellationen der Fall, die sich wie hier einer Typisierung entzögen. 7 Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Der Besuch einer Kindertagesstätte sei kein atypischer Sonderbedarf, sondern der Regelbedarf eines Kindes. Die vom Oberverwaltungsgericht in Bezug genommenen ""Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Bemessung des monatlichen Pauschalbetrags bei Vollzeitpflege"" seien weder bindend noch sei nachvollziehbar, dass danach Elternbeiträge für Kindertagesstätten bei der Bemessung der Pauschalbeträge nicht berücksichtigt worden seien. Diese seien nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes und dem in § 39 SGB VIII geregelten Wortlaut in den Pauschalbeträgen enthalten. Unerheblich sei die unterschiedliche Höhe und Berechnung der Elternbeiträge in den verschiedenen Kommunen und es sei ohnehin nicht nachvollziehbar, auf welcher Rechtsgrundlage Pflegepersonen zu Elternbeiträgen herangezogen würden. 8 Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung. II 9 Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil steht zwar mit Bundesrecht nicht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht davon ausgeht, dass sich der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Kosten der Kindertagesförderung für sein Mündel über die bereits gewährte Unterhaltspauschale hinaus aus § 39 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022) - SGB VIII -, für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618) ergibt. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). 10 Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass dem Kläger für den Zeitraum vom 1. August 2015 bis 31. Juli 2018 gegen die Beklagte ein über die ihm bereits gewährten Unterhaltspauschalen hinausgehender Anspruch auf Zahlung der Kosten für die Kindertagesförderung seines Mündels L. N. T. zusteht. Der Anspruch kann allerdings entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts weder allein und unmittelbar auf § 39 SGB VIII noch namentlich auf § 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII gestützt werden, wonach die laufenden Leistungen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden sollen, soweit nicht nach den Besonderheiten des Einzelfalles abweichende Leistungen geboten sind. Anspruchsgrundlage ist wegen des Übergangs der örtlichen Zuständigkeit auf die Stadt E. vielmehr § 86c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i. V. m. den §§ 27, 33 Satz 2 und § 39 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB VIII sowie dem Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2014 (1.). Danach hat der Kläger als personensorgeberechtigter Amtsvormund des Kindes Anspruch auf die geltend gemachten Kosten für die Kindertagespflege über die bereits von der Beklagten geleisteten Unterhaltspauschalen hinaus (2.). 11 1. Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung der Kosten für die Kindertagesförderung über die gewährte Unterhaltspauschale hinaus folgt aus § 86c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i. V. m. den §§ 27, 33 Satz 2 und § 39 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB VIII sowie dem Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2014. 12 Nach § 86c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII bleibt im Fall des Wechsels der örtlichen Zuständigkeit für eine Leistung der bisher zuständige örtliche Träger so lange zur Gewährung der Leistung verpflichtet, bis der nunmehr zuständige örtliche Träger die Leistung fortsetzt. Die Vorschrift enthält keine Zuständigkeitsregelung, sondern eine eigenständige materielle Leistungsverpflichtung im Fall einer nicht mehr bestehenden örtlichen Zuständigkeit (vgl. Loss, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 86c Rn. 4; Lange, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, Stand 27. Oktober 2022, § 86c Rn. 18 m. w. N.). Deren Voraussetzungen sind erfüllt. Denn obwohl die örtliche Zuständigkeit gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII noch vor Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums auf die Stadt E. übergegangen ist (a), war die Beklagte gemäß § 86c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII weiterhin zur Erbringung der hier in Rede stehenden Leistung verpflichtet (b). 13 a) Die Beklagte war ursprünglich gemäß § 86 Abs. 1 SGB VIII für die Gewährung der Hilfe zur Erziehung örtlich zuständig, weil der Vater des Pflegekindes unbekannt war und dessen Mutter als maßgeblicher Elternteil ihren gewöhnlichen Aufenthalt in A. hatte. Die örtliche Zuständigkeit hierfür ist aber bereits am 28. März 2015 - also noch vor Beginn des Besuchs der Kindertagesstätte - gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII auf die Stadt E. übergegangen. Nach dieser Vorschrift wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn ein Kind oder Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson lebt und sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten ist. 14 Bei I. W. und H. Y. in E., in deren Sonderpädagogischer Pflegestelle das Kind L. N. T. nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) am 28. März 2013 untergebracht wurde, handelt es sich um Pflegepersonen im Sinne des § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII. Der Verbleib des Kindes dort war bereits nach dem Ablauf von zwei Jahren Ende März 2015 zu erwarten, was zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht streitig und auch in dem Ersuchen der Beklagten an die Stadt E. vom 15. Mai 2015 zum Ausdruck gekommen ist, den Jugendhilfefall gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII in deren örtliche Zuständigkeit zu übernehmen. 15 b) Die Beklagte war aber trotz des kraft Gesetzes eingetretenen Zuständigkeitsübergangs weiterhin zur Leistung verpflichtet. 16 aa) Die nunmehr als örtlicher Träger der Jugendhilfe zuständig gewordene Stadt E. hat den Hilfefall nach dem Übernahmeersuchen der Beklagten nicht zur Bearbeitung übernommen und die Leistung der Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege nicht selbst fortgesetzt. Im streitgegenständlichen Zeitraum hat - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - ausschließlich die Beklagte Jugendhilfeleistungen erbracht, nicht aber die Stadt E. 17 bb) Der Verpflichtung der Beklagten zur Weitergewährung der Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege steht nicht entgegen, dass es sich hier wegen der Behinderung des Pflegekindes auch um einen Fall der Eingliederungshilfe handeln dürfte. Die Zuständigkeit ist deshalb nicht auf die Städteregion A. als dem für Eingliederungshilfeleistungen sachlich zuständigen überörtlichen Träger der Sozialhilfe übergegangen. Der Vorrang der Eingliederungshilfe gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII begründet keine Freistellung des nachrangig verpflichteten Trägers, sondern bewirkt gegebenenfalls nur, dass diesem ein Erstattungsanspruch zusteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 - 5 C 26.98 - BVerwGE 109, 325 <330> und Beschluss vom 22. Mai 2008 - 5 B 203.07 - juris). Auch aus § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX in der Fassung von Art. 1 des Bundesteilhabegesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) ergibt sich nichts Anderes. Die Regelung, die bereits ihrem Wortlaut nach nur für die Neubeantragung von Leistungen gilt, findet auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Denn sie ist gemäß Art. 26 Abs. 1 des Bundesteilhabegesetzes erst am 1. Januar 2018 und damit zu einem Zeitpunkt in Kraft getreten, zu dem die Beklagte bereits seit Langem die streitgegenständliche Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeit- und Familienpflege für das Kind L. N. T. erbrachte. 18 cc) Die weiteren Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Weiterleistung gemäß § 86c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, dass schon vor dem Zuständigkeitswechsel eine entsprechende Leistungspflicht des bisher zuständigen örtlichen Jugendhilfeträgers bestanden hat (""verpflichtet bleibt"") und auch spezifiziert und individualisiert von dem bisherigen Träger durch die Bewilligung einer Leistung erbracht worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2002 - 5 C 57.01 - BVerwGE 117, 184 <188, 192>; Lange, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, Stand 27. Oktober 2022, § 86c Rn. 21, 24), liegen ebenfalls vor. 19 Die Leistungspflicht und deren Konkretisierung im vorstehenden Sinne ergeben sich hier aus dem Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2014. Darin hatte diese dem Kläger rückwirkend ab dem 28. März 2013 Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege durch den Leistungsträger Diakonie D. gewährt und die Leistung bis zum 11. Januar 2031 befristet. Aufgrund dessen war die Beklagte nicht nur verpflichtet, dem Kläger Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege in der Sonderpädagogischen Pflegestelle I. W. und H. Y. nach Maßgabe des mit der Diakonie abgeschlossenen Vertrages vom 22. März 2013 und der gesetzlichen Regelungen zu leisten, sondern auch, diejenigen Unterhaltsleistungen für das Pflegekind zu gewährleisten, die den Personensorgeberechtigten gegebenenfalls darüber hinaus nach den gesetzlichen Regelungen - hier §§ 27, 33 i. V. m. § 39 SGB VIII - zustehen. 20 Das ergibt die dem Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in Ermangelung einer entsprechenden Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht zustehende Auslegung des Bewilligungsbescheids vom 15. Dezember 2014, die sich entsprechend den zu den §§ 133 und 157 BGB entwickelten Maßstäben bestimmt, wonach der in der Erklärung zum Ausdruck kommende erklärte Wille maßgeblich ist, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. März 2013 - 5 C 16.12 - Buchholz 436.511 § 93 SGB VIII Nr. 4 Rn. 10 und vom 28. November 2019 - 5 A 4.18 - BVerwGE 167, 163 Rn. 22, jeweils m. w. N.). In dem Bescheid wird dem Kläger ausdrücklich Hilfe zur Erziehung ""gemäß § 27 SGB VIII in Verbindung mit § 33 SGB VIII (Vollzeitpflege) gewährt"". Die Hilfegewährung wird außerdem dahin konkretisiert, dass die Hilfe von der Diakonie D. ""durchgeführt"" wird, der die Beklagte ""als Leistungsanbieter"" eine Durchschrift des Bescheids zusammen mit der folgenden Zusage übersandt hat: ""Die Kosten werden von mir gemäß den gültigen Entgeltvereinbarungen / getroffenen Vereinbarungen übernommen."" Damit wird ebenso wie mit der Nennung der ungefähren Kosten der Hilfe in Höhe von 2 790,95 € zugleich auf den am 22. März 2013 zwischen der Diakonie und der Beklagten geschlossenen Vertrag über die Leistungen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe in einer Sonderpädagogischen Pflegestelle für Kinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen gemäß § 33 Satz 2 SGB VIII Bezug genommen. Sowohl der Bescheid als auch der in Bezug genommene Vertrag sind nach Maßgabe des objektiven Empfängerhorizonts dahin zu verstehen, dass die dort ausdrücklich aufgeführten Unterhaltsleistungen nicht abschließend geregelt sind, sondern das Pflegekind dasjenige erhält, was ihm nach § 39 SGB VIII zukommen soll. Dafür spricht bereits die ausdrückliche Nennung der §§ 27 und 33 SGB VIII, was die gesetzliche Verpflichtung zur Sicherstellung des Unterhalts des Kindes außerhalb des Elternhauses gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII mit einschließt. Diese Rechtsgrundlage für die Gewährung der Vollzeitpflege in Form der Familienpflege in einer sozialpädagogischen Pflegestelle nennt auch § 2 des Vertrages vom 22. März 2013, der außerdem ausdrücklich den ursprünglichen Bewilligungsbescheid der Beklagten in Bezug nimmt. Soweit der Vertrag, den der Senat insoweit mangels entsprechender Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht ebenfalls selbst auslegen kann, die nach § 39 SGB VIII zu gewährenden Leistungen konkretisiert, schließt er deshalb darüber hinausgehende Unterhaltsansprüche für das Pflegekind nach § 39 SGB VIII ebenfalls nicht aus. Zwischen den Beteiligten ist dementsprechend auch nicht streitig, dass die Beklagte zur Sicherstellung des Unterhalts des Mündels des Klägers außerhalb des Elternhauses gemäß § 39 SGB VIII verpflichtet ist, sondern nur, ob der entsprechende Anspruch des Personensorgeberechtigten auch die - gegebenenfalls gesonderte - Erstattung der Kosten für die Kindertagesbetreuung des Pflegekindes umfasst. 21 2. Der Kläger hat als personensorgeberechtigter Amtsvormund Anspruch auf die geltend gemachten Kosten der Kindertagesbetreuung für sein Mündel L. N. T. Der Anspruch des Personensorgeberechtigten auf Sicherung des Unterhalts eines in Vollzeitpflege zu betreuenden Kindes umfasst gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII über den für den Sachaufwand festgesetzten Pauschalbetrag hinaus auch die Kosten der Kindertagesbetreuung, wenn diese Kosten - wie hier - bei der Festsetzung des Pauschalbetrags nicht berücksichtigt wurden. 22 Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses unter anderem dann sicherzustellen, wenn - wie hier - gemäß § 33 SGB VIII Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege gewährt wird. Dieser umfasst gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII die Kosten für den Sachaufwand sowie die Kosten für Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen. Dabei soll der gesamte wiederkehrende Bedarf durch laufende Leistungen gedeckt werden (§ 39 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII), die unter anderem im Rahmen der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII nach § 39 Abs. 4 bis 6 SGB VIII zu bemessen sind (§ 39 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII) (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 24. November 2017 - 5 C 15.16 - Buchholz 436.511 § 39 SGB VIII Nr. 6 Rn. 10). Die Kosten der Kindertagesbetreuung gehören als Sachaufwand zum notwendigen Unterhalt des Kindes im Sinne des § 39 Abs. 1 SGB VIII, der gemäß § 39 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII als wiederkehrender Bedarf durch laufende Leistungen zu decken ist (a). Diesen Anspruch hat die Beklagte noch nicht durch die dem Kläger für den Unterhalt des Pflegekindes gewährten Pauschalleistungen erfüllt (b). 23 a) Das Oberverwaltungsgericht geht zutreffend davon aus, dass es sich bei den Kosten für die Kindertagesbetreuung des Pflegekindes um Sachaufwand im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII und nicht um Kosten für die Pflege und Erziehung handelt. Diese betreffen die Abgeltung des Pflege- und Erziehungsaufwands durch die Pflegeperson in der Pflegefamilie, nicht aber die Beschaffung von Pflege- und Erziehungsleistungen Dritter (vgl. BT-Drs. 16/9299 S. 16; Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand Juni 2021, § 39 Rn. 10, 14; Tammen, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 39 Rn. 7). Dies ist ebenso wie der Umstand, dass nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts die Kosten für die Kindertagesbetreuung als wiederkehrende Bedarfe im Sinne des § 39 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ohne Besonderheiten des Einzelfalles bei vielen Hilfeempfängern gleichermaßen bestehen und nicht einmalig sind, zwischen den Beteiligten nicht (mehr) streitig. 24 b) Die Beklagte hat den danach grundsätzlich bestehenden Anspruch des Klägers auf Gewährung der Kosten für die Kindertagesbetreuung noch nicht erfüllt. Sie hat zwar im streitgegenständlichen Zeitraum gemäß § 39 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. § 39 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII Pauschalleistungen für den Unterhalt des Kindes erbracht (aa), die grundsätzlich die gesonderte Geltendmachung einzelner Kostenpositionen ausschließen (bb). Das gilt nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes jedoch nur, wenn es sich um Positionen handelt, die einer realitätsgerechten Pauschalierung zugänglich sind und jedenfalls bei der Bemessung der Pauschalsätze berücksichtigt worden sind (cc). 25 aa) Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Zeitraum gemäß § 39 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. § 39 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII Pauschalleistungen für den Unterhalt des Kindes erbracht. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat sie dem Kläger auf der Grundlage des ursprünglichen Bewilligungsbescheids vom 15. Dezember 2014 monatliche Pauschalbeträge nach Maßgabe des mit ihr geschlossenen Vertrages vom 22. März 2013 gewährt, der die Leistungen zur Sicherstellung des notwendigen Unterhalts gemäß § 39 SGB VIII für das Mündel des Klägers konkretisiert und sich dabei an den erstmals mit Runderlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 15. Januar 1991 (- IV B 2 - 6122.1 ) festgesetzten Pauschalbeträgen orientiert, die jährlich fortentwickelt werden. Insbesondere hat die Beklagte in dem Vertrag genau die Sachkostenpauschale in Höhe von 467,00 € zugrunde gelegt, die in dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Runderlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 11. April 2012 (MBl. NRW. 2012 S. 164) vorgesehen war. 26 bb) Wird der notwendige Unterhalt des Kindes gemäß § 39 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. § 39 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII - wie hier - durch die Festsetzung und Gewährung von Pauschalbeträgen sichergestellt, die auf einer den (durchschnittlichen) Bedarf und Aufwand angemessen erfassenden Pauschalierung beruhen, ist die gesonderte Geltendmachung einzelner Unterhaltsleistungen oder Kostenbestandteile grundsätzlich ausgeschlossen. Die Regelung in § 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII, wonach die laufenden Leistungen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden sollen, bezieht sich auf § 39 Abs. 5 Satz 1 und 2 SGB VIII. Danach werden die Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Unterhalt von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt, die dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf von Kindern und Jugendlichen durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen haben. Sind dementsprechend auf der Grundlage der angemessenen tatsächlichen Kosten Pauschalbeträge in der beschriebenen Weise festgesetzt worden und werden diese monatlich gewährt, so schließt dies nach Sinn und Zweck der vorgenannten Regelungen grundsätzlich einen Anspruch darauf aus, die gesonderte Erstattung einzelner Kostenpositionen als Teil der laufenden Leistungen vom Jugendhilfeträger zu erlangen. Denn das im Wortlaut beider Regelungen deutlich zum Ausdruck kommende Gebot (""sollen""), Pauschalbeträge festzusetzen und zu gewähren, dient nach dem Willen des Gesetzgebers sowohl der Verwaltungsvereinfachung als auch dazu, einer gleichheitswidrigen Bemessung entgegenzutreten (vgl. BT-Drs. 11/5948 S. 76 f.). Damit stünde eine Geltendmachung einzelner Kostenbestandteile trotz geltender angemessener Pauschalbeträge nicht im Einklang. Das gilt nicht nur für die Kosten der Pflege und Erziehung des Kindes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. März 1999 - 5 B 129.98 - Buchholz 436.511 § 39 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 1), sondern auch für die angemessen pauschalierten Sachkosten. 27 cc) Die gemäß § 39 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. § 39 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII festgesetzten und gewährten Pauschalsätze haben eine den Anspruch auf Sachkostenerstattung erfüllende Wirkung, soweit die Kosten als Faktor bei der Bemessung der Pauschalsätze tatsächlich berücksichtigt worden sind. 28 (1) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann aus der gesetzlichen Regelung nicht der Schluss gezogen werden, der Pauschalbetrag sei stets in einem abschließenden Sinne als umfassende Deckung des Regelbedarfs anzusehen, weil alle typischen Bedarfe der gesetzlichen Wertung nach im Pauschalbetrag enthalten sein müssten. Vielmehr müssen die gemäß § 39 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festzusetzenden Pauschalbeträge auch dann, wenn es sich - wie hier bei den Beiträgen für die Kindertagesbetreuung des Pflegekindes - um typische Bedarfsbestandteile handelt, nicht solche Kostenpositionen abdecken, die sich einer sinnvollen Pauschalierung entziehen. Das folgt aus Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung. Bereits das Wort ""sollen"" bringt zum Ausdruck, dass die Pauschalierungsverpflichtung nicht uneingeschränkt besteht und der Pauschalierungsbehörde hinsichtlich des ""Ob"" der Pauschalierung ein, wenn auch stark eingeschränktes Ermessen eingeräumt wird. Der Gesetzgeber wollte damit zum Ausdruck bringen, dass aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und der Gewährleistung des Gleichbehandlungsgrundsatzes die am (gesamten) tatsächlichen Lebensbedarf orientierte Hilfe im Regelfall zu pauschalieren ist, also nicht notwendig alle Kostenpositionen von der Pauschalierung erfasst sein müssen (vgl. BT-Drs. 11/5948 S. 76). Das Absehen von der Pauschalierung kann mit Blick darauf etwa dann gerechtfertigt sein, wenn bestimmte Teile des Bedarfs dem Grunde oder der Höhe nach nicht typisierbar sind. Das Pauschalierungsgebot setzt voraus, dass sich die wiederkehrenden Bedarfe realitätsgerecht in den Pauschalen abbilden lassen. Denn für das Pauschalierungsgebot gilt der Wirklichkeitsmaßstab, wie sich aus dem binnensystematischen Zusammenhang mit § 39 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII erschließt, wonach die laufenden Leistungen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden. Ist dies nicht möglich, weil sich einzelne Bedarfsbestandteile zwar dem Grunde nach als typische Bedarfe darstellen, die entsprechenden Kostenbestandteile sich aber der Höhe nach nicht ""typisch"" bestimmen lassen, kann es gerechtfertigt sein, sie aus dem Pauschalansatz herauszunehmen. 29 Eine Erfüllungswirkung durch die Leistung von Pauschalbeträgen für den notwendigen Unterhalt des Kindes kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn der gesondert beanspruchte Kostenbestandteil bei der Bemessung und Festsetzung des Pauschalbetrags auch berücksichtigt worden ist. Das folgt sowohl aus dem systematischen Zusammenhang des § 39 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. § 39 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII mit § 39 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII als auch aus dem Sinn und Zweck des § 39 SGB VIII. Nach § 39 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII sollen die laufenden Leistungen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, wenn sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen. Mit dieser Orientierung an den tatsächlichen Kosten wäre es nicht vereinbar, Kostenbestandteile als abgegolten zu betrachten, die in die Bemessung der Pauschalbeträge tatsächlich nicht eingeflossen sind. Das Gleiche gilt im Hinblick auf den Zweck des § 39 SGB VIII, den notwendigen Unterhalt des Pflegekindes außerhalb des Elternhauses sicherzustellen (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2002 - 5 C 48.01 - BVerwGE 117, 261 <271>). Das trifft im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz jedenfalls dann zu, wenn eine Pauschalierung wegen der unterschiedlichen Höhe der zu berücksichtigenden Kosten gar nicht möglich ist, etwa weil die Kosten in einem großen Flächenland wie Nordrhein-Westfalen in besonderem Maße von den jeweiligen örtlichen Verhältnissen beeinflusst werden. So liegt es hier. 30 Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts entziehen sich die durch den Besuch der Tageseinrichtung bedingten regelmäßig wiederkehrenden Aufwendungen einer typisierenden Betrachtung, weil sich die von den Pflegeeltern zu leistenden Beiträge sowohl mit Blick auf das Alter bzw. Kindergartenjahr des Kindes als auch im Vergleich zwischen den Kommunen erheblich unterscheiden. Denn die Elternbeitragspflicht für die - nicht bereits von Gesetzes wegen beitragsfreie - Förderung in Kindertageseinrichtungen wird durch kommunale Satzungen geregelt, die weitgehend der Gestaltungsfreiheit der Kommunen unterliegen und zwischen mehreren Hundert Euro monatlich und der Beitragsfreiheit des Besuchs von Kindertageseinrichtungen durch Pflegekinder ebenso variieren wie hinsichtlich des Anknüpfungspunktes für die Berechnung der Beiträge. 31 (2) Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte mit ihren Pauschalleistungen den Anspruch des Klägers gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auf Zahlung der Kosten für die Kindertagesbetreuung des Pflegekindes noch nicht erfüllt, weil diese bei der Bemessung der Pauschalsätze nicht berücksichtigt wurden. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind die Elternbeiträge für Kindertagesstätten bei der Bemessung der Pauschalbeträge, die in den maßgeblichen Erlassen des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales festgesetzt waren, nicht berücksichtigt worden, sodass die Sperrwirkung des § 39 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. § 39 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII hier nicht eingreift. Auf die von der Beklagten angegriffenen Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts, dass hier die in § 39 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2 SGB VIII genannten ""Besonderheiten des Einzelfalles"" vorlägen, die eine Ausnahme von der grundsätzlichen Pauschalierungspflicht begründeten, kommt es insoweit nicht an. Die Ausnahme in § 39 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2 SGB VIII setzt wie dargelegt voraus, dass - auch hinsichtlich des geltend gemachten Bedarfs - tatsächlich pauschaliert worden ist. 32 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO." bverwg_2022-66,09.11.2022,"Pressemitteilung Nr. 66/2022 vom 09.11.2022 EN Unangekündigte Kontrolle eines Sonderabfalllagers zulässig Die immissionsschutzrechtliche Vor-Ort-Kontrolle eines Sonderabfalllagers durch Mitarbeiter der Überwachungsbehörde ist ohne vorherige Ankündigung zulässig. Hierbei dürfen auch Fotografien auf dem Anlagengelände angefertigt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Betreiberin eines Sonderabfall-Zwischenlagers macht geltend, dass es sowohl für das Betreten des Anlagengeländes ohne vorherige Ankündigung als auch für das Fotografieren auf dem Gelände an einer Rechtsgrundlage fehle. Vor dem Verwaltungsgericht hatte die Klage Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Die Entscheidung der Überwachungsbehörde, eine im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen regelmäßigen Anlagenüberwachung durchgeführte Kontrolle nicht vorher anzukündigen, sei vom Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) gedeckt und im Regelfall - wie auch hier - verhältnismäßig. Aus dem Gesetz ergebe sich auch die Befugnis, bei der Vor-Ort-Besichtigung zu fotografieren. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zurückgewiesen. Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG sind Betreiber von Anlagen verpflichtet, den Angehörigen der zuständigen Behörde den Zutritt zu Grundstücken und die Vornahme von Prüfungen zu gestatten. Die auf dieser Grundlage bestehende Duldungspflicht setzt tatbestandlich keine Ankündigung voraus. Unangekündigte Vor-Ort-Kontrollen sind regelmäßig auch verhältnismäßig. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass mit einer unangekündigten Besichtigung die größtmögliche Effektivität einer Überwachungsmaßnahme zu erreichen ist. Im Einzelfall anzuerkennende überwiegende schutzwürdige Interessen des Anlagenbetreibers sind hier nicht ersichtlich. Auch das Anfertigen von Fotos bei Vor-Ort-Besichtigungen ist regelmäßig nicht zu beanstanden. Das Fotografieren hat keine grundlegend andere Qualität als das Fertigen handschriftlicher Notizen oder Skizzen. BVerwG 7 C 1.22 - Urteil vom 09. November 2022 Vorinstanzen: OVG Münster, OVG 8 A 513/19 - Urteil vom 30. November 2021 - VG Düsseldorf, VG 3 K 8507/18 - Urteil vom 17. Januar 2019 -","Urteil vom 09.11.2022 - BVerwG 7 C 1.22ECLI:DE:BVerwG:2022:091122U7C1.22.0 EN Unangekündigte Kontrolle eines Sonderabfall-Zwischenlagers Leitsätze: 1. Die nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG bestehende Verpflichtung des Betreibers einer Anlage, den Zutritt zu Grundstücken und die Vornahme von Prüfungen durch Angehörige der zuständigen Behörde zu dulden, setzt keine Ankündigung voraus. Unangekündigte Kontrollen sind regelmäßig auch verhältnismäßig. 2. § 52 Abs. 2 Satz 1 BImschG umfasst in der Regel die Befugnis, bei der Kontrolle von Anlagen zu fotografieren. Rechtsquellen BImSchG § 52 Abs. 2 Satz 1 VwGO § 43 Abs. 1, § 113 Abs. 1 Satz 4 Instanzenzug VG Düsseldorf - 17.01.2019 - AZ: 3 K 8507/18 OVG Münster - 30.11.2021 - AZ: 8 A 513/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 09.11.2022 - 7 C 1.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:091122U7C1.22.0] Urteil BVerwG 7 C 1.22 VG Düsseldorf - 17.01.2019 - AZ: 3 K 8507/18 OVG Münster - 30.11.2021 - AZ: 8 A 513/19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2022 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. November 2021 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass das unangekündigte Betreten ihres Anlagengrundstücks, eines Sonderabfall-Zwischenlagers, durch Mitarbeiter der Bezirksregierung Düsseldorf sowie das Fotografieren während der Begehung der Anlage rechtswidrig gewesen sind. Sie betreibt ein Unternehmen zur Schadstoffentsorgung und für das Recycling für Industrie- und Gewerbekunden. 2 Grundlage des Anlagenbetriebs ist eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 15. Dezember 2004, die in Teil 3 ""Nebenbestimmungen und Hinweise"" unter Nr. 1.7 Folgendes regelt: ""Die Betreiberin hat den Bediensteten der Bezirksregierung Düsseldorf und den für die Überwachung der Anlage zuständigen Behörden jederzeit Zutritt zur Anlage sowie Einsicht in die Betriebsbücher zu gestatten und sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen."" 3 Am 10. Juli 2018 suchten zwei Mitarbeiter der Bezirksregierung Düsseldorf das Anlagengrundstück der Klägerin ohne vorherige Ankündigung auf. In einem Vermerk führte ein Mitarbeiter aus, auf eine vorherige Ankündigung sei verzichtet worden, da nach einem Erlass des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2018 auch unangekündigte Überwachungen durchgeführt werden sollten und die letzten drei Überwachungen der Klägerin vorher bekannt gegeben worden seien. Zu Beginn der Inspektion hätten sich die Behördenmitarbeiter bei dem Niederlassungsleiter angemeldet. Dieser habe auf die ""üblichen Regelungen"" bei der Klägerin verwiesen, womit nach Ansicht des Vermerkverfassers die vorherige Anmeldung gemeint gewesen sei. Er habe daraufhin auf den genannten Erlass verwiesen und auf die Durchführung der Inspektion bestanden. Der Niederlassungsleiter habe wegen eines anderen Termins seinen Vertreter gebeten, die Anlage mit den Behördenmitarbeitern zu begehen. Zum Schluss der Anlagenbegehung habe der Geschäftsführer der Klägerin angerufen und mitteilen lassen, dass dem Vermerkverfasser Hausverbot erteilt werde. Während der Inspektion wurden auch Fotografien gefertigt. 4 Mit Schreiben vom 18. Juli 2018 rügte die Klägerin die durchgeführte Inspektion, insbesondere den Umstand der unterbliebenen vorherigen Ankündigung. Der Niederlassungsleiter habe den Behördenmitarbeitern mitgeteilt, dass er weder mit der beabsichtigten Anlagenbegehung noch mit der Anfertigung von Lichtbildern einverstanden gewesen sei. 5 Der von der Klägerin am 22. Oktober 2018 erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Die Vor-Ort-Besichtigung finde ihre Rechtsgrundlage in § 52 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1b und 2 Satz 1 Alt. 1 BImSchG. Das der Behörde vom Gesetzgeber eingeräumte Betretungs- und Besichtigungsrecht hänge nicht von einem positiven Willensakt des Anlagenbetreibers im Sinne einer Entscheidung ab, die Kontrolle zu billigen oder mit ihr einverstanden zu sein. Die Entscheidung der Überwachungsbehörde, die Durchführung einer Kontrolle dem Betreiber nicht vorher anzukündigen, sei im Regelfall - wie auch hier - verhältnismäßig. Das Anfertigen von Lichtbildern sei ohne ausdrückliche Erwähnung von der Besichtigungsermächtigung gedeckt, wenn und soweit die Lichtbilder der Dokumentation der Kontrolle sowie der Plausibilisierung von Beanstandungen dienten. 6 Zur Begründung ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, dass es sowohl für das Betreten des Anlagengeländes ohne Gestattung durch die Klägerin und ohne vorherige Ankündigung als auch für das Fotografieren an einer Rechtsgrundlage fehle. Jedenfalls sei eine unangekündigte Kontrolle unverhältnismäßig. 7 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. November 2021 zu ändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 17. Januar 2019 zurückzuweisen. 8 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 9 Er verteidigt das angefochtene Urteil. II 10 Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Urteil des Berufungsgerichts steht mit Bundesrecht in Einklang. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Das Berufungsgericht hat das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts deshalb zu Recht geändert und die Klage abgewiesen. 11 1. Die Klage ist zulässig. Hierbei kann offenbleiben, ob sie - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - als allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO oder entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft ist. Letztere Klageart wäre einschlägig, wenn das Zutrittsverlangen zu der Anlage der Klägerin und die Inanspruchnahme des Rechts, auf dem Gelände Fotografien anzufertigen, als mündlich oder konkludent erlassene Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG NRW zu qualifizieren wären, die sich mit dem Verlassen der Anlage erledigt hätten. In diesem Fall wäre auch die Jahresfrist zur Klageerhebung gewahrt (§ 74 Abs. 1, § 58 Abs. 2 VwGO). Das berechtigte Interesse der Klägerin an der Feststellung ergibt sich aus der bestehenden Wiederholungsgefahr. 12 2. Die Klage ist unbegründet. Sowohl das Betreten des Anlagengrundstücks der Klägerin als auch die Fertigung von Fotografien auf dem Anlagengelände waren rechtmäßig. 13 a) Die aus § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG folgende Befugnis der Mitarbeiter der zuständigen Überwachungsbehörde, ein Anlagengrundstück zu betreten, setzt weder die Einwilligung des Betroffenen noch eine vorherige Ankündigung voraus. Eine unangekündigte Inanspruchnahme der Befugnis aus § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG ist regelmäßig verhältnismäßig. Dies ist auch vorliegend der Fall. 14 aa) Nach der Befugnisnorm des § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG sind Eigentümer und Betreiber von Anlagen sowie Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, auf denen Anlagen betrieben werden, verpflichtet, den Angehörigen der zuständigen Behörde und deren Beauftragten den Zutritt zu den Grundstücken und die Vornahme von Prüfungen einschließlich der Ermittlung von Emissionen und Immissionen zu gestatten. Aus dieser Vorschrift folgt ein behördliches Zutritts- und Prüfungsrecht, dem auf Seiten der Eigentümer und Betreiber von Anlagen eine entsprechende Duldungspflicht sowie die Verpflichtung zur Ermöglichung von Zutritt und Prüfung durch erforderliche Mitwirkungshandlungen - etwa durch das Aufschließen von Türen, Beleuchten von Räumen etc. – gegenübersteht. 15 Eines über die Duldung und erforderliche Mitwirkungshandlungen hinausgehenden positiven Willensakts des Pflichtigen im Sinne einer Einwilligung bedarf es demgegenüber nicht. Ein derartiger Vorbehalt der Einwilligung entspräche nicht dem Verständnis des Gesetzgebers. Der Begründung des Gesetzentwurfs lässt sich entnehmen, dass Eigentümer und Betreiber die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz erforderlichen Überwachungsmaßnahmen zu dulden und gegebenenfalls zu fördern haben (BT-Drs. 7/179 S. 47). Zudem widerspräche es dem auf eine effektive Wahrnehmung der Überwachungsaufgabe zielenden Sinn und Zweck der Regelung, wenn die behördliche Überwachungstätigkeit auf dem Betriebsgrundstück von einer Einwilligung des Betroffenen abhinge. Im Weigerungsfall könnte eine Einwilligung, die eine unvertretbare Handlung darstellt, nicht im Wege der Ersatzvornahme, sondern grundsätzlich nur mittels Zwangsgeld durchgesetzt werden. Nicht zuletzt die mit der Festsetzung und Einziehung von Zwangsgeldern verbundenen zeitlichen Verzögerungen könnten den Zweck der Überwachungsmaßnahmen nach § 52 Abs. 2 BImSchG, zur Sicherstellung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften ein möglichst realistisches Bild von Anlage und Betriebsgrundstück zu gewinnen, vereiteln. 16 bb) Die Inanspruchnahme des Zutritts- und Prüfungsrechts nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG setzt keine vorherige Ankündigung voraus. § 52 BImSchG enthält weder eine positive Aussage zur Notwendigkeit einer vorherigen Ankündigung, noch hängen Zutritt und Prüfung begrifflich oder sachlogisch hiervon ab. Auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 7/179 S. 47) enthält hierfür keinerlei Anhaltspunkte. Die der Sache nach von der Klägerin geforderte Annahme eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals ist nicht geboten. Derartiges ergibt sich insbesondere nicht aus den von der Klägerin in Bezug genommenen Vorschriften anderer Rechtsbereiche, die unangekündigte Kontrollen ausdrücklich ansprechen. 17 § 72a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3519), regelt schon keine Zutrittsbefugnis, sondern macht die Erlaubnis zum Einführen von Arzneimitteln oder Wirkstoffen unter anderem davon abhängig, dass die zuständige Behörde des Herstellungslandes bestätigt hat, dass die Herstellungsstätte auch durch wiederholte und unangekündigte Inspektionen regelmäßig überwacht wird. § 72a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG veranschaulicht damit lediglich, dass der arzneimittelrechtliche Gesetzgeber unangekündigte Inspektionen als im Rahmen regelmäßiger Überwachung von Herstellungsstätten unabdingbar ansieht. Demgegenüber enthält die für das Betretungsrecht der mit der Überwachung beauftragten Personen maßgebliche Befugnisnorm des § 64 Abs. 4 Nr. 1 AMG - insoweit nicht anders als § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG - keine Regelung zur Frage der vorherigen Ankündigung. Entsprechendes gilt für die von der Klägerin in Bezug genommene tierschutzrechtliche Bestimmung des § 16 Abs. 1 Satz 7 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), zuletzt geändert durch Art. 105 des Gesetzes vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3436), wonach ein angemessener Teil der Kontrollen bestimmter Einrichtungen unangekündigt erfolgt. Auch hier regelt die Vorschrift des § 16 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 TierSchG, die den beauftragten Personen eine Betretungsbefugnis verleiht, die Frage der vorherigen Ankündigung nicht. 18 § 143 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Seearbeitsgesetzes (SeeArbG) vom 20. April 2013 (BGBl. I S. 868), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 20. Mai 2021 (BGBl. I S. 1144), den die Klägerin ebenfalls nennt, führt auf keine tatbestandserweiternde Auslegung des § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG. § 143 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SeeArbG ermächtigt die Berufsgenossenschaft dazu, während der üblichen Geschäfts- und Betriebszeiten unangekündigt an Bord eines Schiffes oder eines Schiffes unter ausländischer Flagge zu gehen sowie Geschäfts-, Dienst- und Behandlungsräume von Reedern, Vermittlern, zugelassenen Ärzten und anerkannten Organisationen zu betreten. Die hiernach vom Fachgesetzgeber ausdrücklich verliehene Befugnis, bestimmte Maßnahmen unangekündigt vorzunehmen, lässt keine Rückschlüsse auf den Tatbestand des § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG zu. Namentlich ist eine einheitliche gesetzgeberische Praxis hinsichtlich des Detaillierungsgrades von Normen, zumal solchen unterschiedlichen Alters (§ 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG war seinem hier maßgeblichen Inhalt und Wortlaut nach bereits in der Ursprungsfassung des Bundesimmissionsschutzgesetzes aus dem Jahr 1974 enthalten; vgl. hierzu § 44 Abs. 2 Satz 1 BImSchG-E, BT-Drs. 7/179 S. 13) und verschiedener Rechtsgebiete, oder gar eine Praxis, Systematik und Regelungstiefe im gesamten (öffentlich-rechtlichen) Normenbestand einheitlich zu gestalten, nicht erkennbar. 19 Abweichendes ergibt sich auch nicht im Lichte des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (ABl. L S. 334), deren Anwendungsbereich das Sonderabfall-Zwischenlager der Klägerin unterfällt. Nach dieser Vorschrift stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Betreiber den zuständigen Behörden jede notwendige Unterstützung dabei gewähren, etwaige Vor-Ort-Besichtigungen und Probenahmen durchzuführen und die zur Erfüllung ihrer Pflichten im Rahmen dieser Richtlinie erforderlichen Informationen zu sammeln. Diese Bestimmung schließt es in keiner Weise aus, dass die zuständigen nationalen Behörden sowohl angekündigte als auch unangekündigte Umweltinspektionstermine durchführen, bei denen jeweils unterschiedliche Unterstützungshandlungen inmitten stehen können. So bedarf es auch bei unangekündigten Inspektionen der Unterstützung durch den Betreiber, etwa indem er Türen öffnet oder eine ausreichende Beleuchtung sicherstellt (vgl. Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, Stand April 2022, § 52 BImSchG Rn. 63; Jarass, BImSchG, 14. Aufl. 2022, § 52 Rn. 47). 20 cc) Die Wahrnehmung des Zutrittsrechts aus § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG ohne vorherige Ankündigung verstößt regelmäßig weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, noch ist sie mit sonstigen grundrechtlichen Positionen unvereinbar. Das Oberverwaltungsgericht nimmt zu Recht an, dass unangekündigte Kontrollen zur Erreichung ihres Zwecks geeignet, erforderlich und in aller Regel auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind. 21 Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, dass der behördlichen Vor-Ort-Besichtigung im Rahmen der Anlagenüberwachung nach §§ 52, 52a BImSchG eine zentrale Bedeutung zukommt, weil Feststellungen, ob die Anforderungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes und der hierauf gestützten Rechtsverordnungen eingehalten werden, vielfach nur durch eine Inaugenscheinnahme der Anlage oder des Anlagenbetriebs möglich sind. Hierbei ist es unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Überwachung von maßgeblicher Bedeutung, dass die Überwachungsbehörde eine Situation vorfindet, die den Anlagenzustand und die Betriebsverhältnisse möglichst realitätsnah abbilden. Hierfür sind unangekündigte Kontrollen nicht nur geeignet, sondern eine wesentliche Voraussetzung. 22 Angekündigte Kontrollen stellen sich demgegenüber nicht als in gleicher Weise wirksam dar wie unangekündigte Kontrollen. Unabhängig von der seitens des Beklagten im Berufungsverfahren hierzu vorgelegten und vom Oberverwaltungsgericht mit für den Senat bindender Wirkung (§ 137 Abs. 2 VwGO) als repräsentativ erachteten Auswertung, wonach bei unangekündigten Umweltinspektionen verhältnismäßig mehr Mängel und zudem eine verhältnismäßig höhere Mängelschwere festgestellt wurden als bei angekündigten Umweltinspektionen, entspricht es auch allgemeiner Lebenserfahrung, dass mit einer unangekündigten Besichtigung die größtmögliche Effektivität einer Überwachungsmaßnahme zu erreichen ist (in diesem Sinne BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 1998 - 1 B 5.98 - Buchholz 451.41 § 22 GastG Nr. 1 S. 2 f.; VGH Mannheim, Beschluss vom 27. Januar 2004 - 9 S 1343/03 - NVwZ-RR 2004, 416 <417> m. w. N.). 23 Nicht näher begründete Auffassungen in der Literatur (Dederer, in: Kotulla, BImSchG, Stand September 2019, § 52 Rn. 128; Jarass, BImSchG, 14. Aufl. 2022, § 52 Rn. 46; Kenyeressy, in: Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, § 52 Rn. 58; Spindler, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 2. Aufl., § 52 BImSchG Rn. 34), die mit Blick auf die nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebotene Wahl des mildesten Mittels zumindest für den Regelfall die Ankündigung von Überwachungsmaßnahmen fordern, vermögen demgegenüber nicht zu überzeugen, zumal vergleichende Überlegungen zur Effektivität einerseits angekündigter und andererseits unangekündigter Überwachungsmaßnahmen fehlen. 24 Unangekündigte Kontrollen sind regelmäßig auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Entgegenstehende, von atypischen Einzelfällen unabhängige allgemein schutzwürdige Interessen der Eigentümer und Betreiber von Anlagen, die für eine mindestens regelmäßige vorherige Ankündigung des Zutrittsbegehrens streiten können, haben gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer möglichst effektiven Anlagenüberwachung kein höheres Gewicht. Eine unzumutbare Belastung der Eigentümer und Betreiber durch (auch) nicht angekündigte Vor-Ort-Kontrollen ist nicht ersichtlich (in diesem Sinne auch BVerwG, Urteil vom 7. April 2022 - 3 C 8.21 - NVwZ-RR 2022, 670 Rn. 17). 25 Eine übermäßige, durch den Kontrollzweck nicht gerechtfertigte Störung der Betriebsabläufe kann und muss regelmäßig durch die konkrete Gestaltung der Kontrolle vermieden werden. Dazu gehört, worauf bereits das Oberverwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat, dass sich die die Kontrolle durchführenden Behördenmitarbeiter zu Beginn der Inspektion bei der an dem betreffenden Tag vor Ort anwesenden, für den Betrieb der Anlage verantwortlichen, das Hausrecht ausübenden Person anmelden und die für den kontrollierten Betrieb maßgeblichen Sicherheitsvorschriften, z. B. das Anlegen von Schutzausrüstung, beachten. Erscheinen Kontrolleure unangekündigt auf einem Betriebsgelände, müssen sie zudem gegebenenfalls damit rechnen, weder den Betriebsinhaber selbst noch eine verantwortliche Person anzutreffen, weil sich diese naturgemäß nicht vorab auf die Kontrolle einstellen können. Die Kontrolleure müssen auch damit rechnen, dass eine unangekündigte Kontrolle mit anderen, sachlich gerechtfertigten und nicht bloß vorgeschobenen Terminen der verantwortlichen Person kollidiert (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 2022 - 3 C 8.21 - NVwZ-RR 2022, 670 Rn. 18). 26 Der Hinweis der Klägerin darauf, dass eine angekündigte Kontrolle effizienter sei als eine unangekündigte, weil im ersteren Fall eine umfassendere Unterstützung der Behörde seitens des Eigentümers oder Betreibers ermöglicht werde, führt nicht weiter. Diese Annahme geht davon aus, dass jeder Anlagenbetreiber bereits von sich aus pflichtgemäß und im öffentlichen Interesse handelt, ein Umstand, den der Gesetzgeber gerade kontrolliert wissen will. 27 Auch mit Blick auf Grundrechte der Eigentümer und Betreiber oder sonstiges Verfassungsrecht ergibt sich nichts Anderes. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterliegen Betretungs- und Besichtigungsrechte für Geschäfts- und Betriebsräume aufgrund besonderer gesetzlicher Ermächtigung, die den Zweck des Betretens sowie den Gegenstand und den Umfang der zugelassenen Besichtigung und Prüfung deutlich erkennen lassen, einem erlaubten Zweck dienen und für dessen Erreichung erforderlich sind und sich auf das Betreten zu normalen Betriebszeiten beziehen, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie dienen berechtigten Interessen der Verwaltung und belasten den Betriebsinhaber nicht in unzumutbarer Weise (BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 1971 - 1 BvR 280/66 - BVerfGE 32, 54 <76 f.>). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Weiterreichende Rechtspositionen, namentlich auf der Grundlage der EU-Grundrechtecharta, vermag auch die Klägerin nicht aufzuzeigen. 28 Der Verweis der Klägerin auf die verwaltungsprozessuale Vorschrift des § 97 VwGO, wonach die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens von allen Beweisterminen benachrichtigt werden und der Beweisaufnahme beiwohnen können, ist ebenfalls unergiebig. § 97 VwGO dient der Gewährung rechtlichen Gehörs im Rahmen gerichtlicher Überprüfung des Verwaltungshandelns (vgl. hierzu nur Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 97 Rn. 1 m. w. N.) und ist auf behördliche Maßnahmen nicht übertragbar. 29 dd) Die Verhältnismäßigkeit wurde auch bei der von Mitarbeitern der Bezirksregierung Düsseldorf am 10. Juli 2018 auf dem Anlagengelände der Klägerin unangekündigt durchgeführten Vor-Ort-Kontrolle gewahrt. Vom Oberverwaltungsgericht wurden keine besonderen Umstände festgestellt, wegen derer es ausnahmsweise einer vorherigen Ankündigung bedurft hätte. Eine Atypik ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Klägerin in einem zwischen den Beteiligten geführten Verwaltungsrechtsstreit um eine frühere unangekündigte Regelinspektion zum Ausdruck gebracht habe, wie wichtig für sie die vorherige Ankündigung einer Inspektion sei, damit ein Mitarbeiter der Genehmigungsabteilung anwesend sein könne. Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, dass es zwar hilfreich gewesen wäre, wenn die Bezirksregierung die Klägerin nach deren Klagerücknahme darauf hingewiesen hätte, dass sie ihre Rechtsauffassung und ihre Verwaltungspraxis nicht geändert hatte. Die erneute Durchführung einer unangekündigten Kontrolle habe sich aber nicht als treuwidrig erwiesen, weil die Überwachungsbehörde der Klägerin keinen Anlass zu der Annahme gegeben habe, dass die Verwaltungspraxis generell oder gar bezogen auf die Anlagen der Klägerin geändert worden sei. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Möglichkeit zur Teilnahme nicht ortsanwesender Personen verweist das Berufungsgericht zutreffend darauf, dass ein solcher Anspruch weder aus dem Hausrecht noch der betrieblichen Organisationshoheit folgt. Erhebliche Beeinträchtigungen im Betriebsablauf im Zuge der etwa 45-minütigen Inspektion in der Anlage der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. 30 Hinzu kommt, dass die Klägerin nach Teil 3 Nr. 1.7 der bestandskräftigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ihrer Anlage vom 15. Dezember 2004 dazu verpflichtet ist, Bediensteten der Bezirksregierung Düsseldorf jederzeit Zutritt zur Anlage zu gestatten. Unbeschadet der Frage, ob Teil 3 Nr. 1.7 der Genehmigung eigenständigen Regelungs- oder bloßen Hinweischarakter hat, musste die Klägerin hiernach jedenfalls mit einem jederzeitigen - und mithin auch einem unangekündigten - Zutrittsverlangen durch Mitarbeiter des Beklagten rechnen. 31 b) Die Fertigung von Fotografien anlässlich der Begehung des Anlagengeländes der Klägerin kann sich ebenfalls auf § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG stützen und begegnet auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auch sonst keinen revisionsrechtlichen Bedenken. 32 aa) Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG sind - wie bereits ausgeführt - Eigentümer und Betreiber von Anlagen verpflichtet, den Angehörigen der zuständigen Behörde den Zutritt zu den Grundstücken und die Vornahme von Prüfungen einschließlich der Ermittlung von Emissionen und Immissionen zu gestatten. Nach verbreiteter Auffassung ist der Begriff der Prüfung weit auszulegen und umfasst - neben der im Gesetz ausdrücklich genannten Ermittlung von Emissionen und Immissionen - jede sonstige Untersuchung, soweit sie zur Erfüllung der Aufgaben nach § 52 Abs. 1 Satz 1 BImSchG notwendig ist (vgl. Jarass, BImSchG, 14. Aufl. 2022, § 52 Rn. 44 m. w. N.; Kenyeressy, in: Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, § 52 Rn. 61; Lechelt, in: Führ, GK-BImSchG, Stand 2019, § 52 Rn. 50 m. w. N.). Mit anderen Worten verleiht die Norm eine Befugnis für Handlungen des Feststellens von Zuständen (Mösbauer, NVwZ 1985, 457 <460>). Auch der Begriff des Zutritts bedarf nach seinem Sinn und Zweck einer weiten Auslegung. Insbesondere umfasst das Betretungsrecht - soll es nicht bloß um seiner selbst willen gelten - auch die Möglichkeit der Wahrnehmung von Sachverhalten im Sinne der Augenscheinseinnahme bzw. eines informativen Betretens (vgl. Lechelt, in: Führ, GK-BImSchG, Stand 2019, § 52 Rn. 45 unter Bezugnahme auf Mösbauer, NVwZ 1985, 457 <459>). In diesem Sinne spricht das Bundesverwaltungsgericht auch von einer allgemeinen Betretungs- und Besichtigungsbefugnis (BVerwG, Urteil vom 25. August 1999 - 8 C 12.98 - BVerwGE 109, 272 <283>). 33 Hiernach ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch das Fotografieren vom Tatbestand des § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG sowohl als Element des informativen Betretens als auch der Untersuchung im Sinne des Feststellens von Zuständen umfasst. Dies gilt für den Akt des Fotografierens selbst, aber auch für die mit der Speicherung gefertigter Aufnahmen verbundene Dokumentation von Wahrnehmungen und Untersuchungen. Insofern hat das Fotografieren keine rechtserheblich andere Qualität als etwa das Anfertigen handschriftlicher Notizen oder Skizzen, ein Diktat oder die sonstige Dokumentation von Messergebnissen (so im Ergebnis auch Kenyeressy, in: Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, § 52 Rn. 62). 34 Aus dem Verweis der Klägerin auf Normen, die das Anfertigen von Bildaufnahmen anlässlich von Inspektionen ausdrücklich regeln – § 64 Abs. 4 Nr. 1 AMG, § 16 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 TierSchG, § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 des Gesetzes über den Verkehr mit Tierarzneimitteln und zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Tierarzneimittel (Tierarzneimittelgesetz - TAMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. September 2021 (BGBl. I S. 4530) und § 42 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. September 2021 (BGBl. I S. 4253, ber. 2022 S. 28) – folgt nicht im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber eine diesbezügliche Befugnis vom Regelungsumfang des § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG ausnehmen wollte. Wie bereits im Zusammenhang mit der Frage der Notwendigkeit der Ankündigung einer Vor-Ort-Besichtigung dargelegt, lässt sich eine einheitliche gesetzgeberische Praxis hinsichtlich des Detaillierungsgrades von Normen, zumal unterschiedlichen Alters und verschiedener Rechtsgebiete, oder eine Praxis des Gesetzgebers, Systematik und Regelungstiefe einheitlich zu gestalten, nicht erkennen. 35 bb) Einwände gegen die konkreten Umstände des Fotografierens auf ihrem Anlagengelände hat die Klägerin nicht erhoben. Fragen nach in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls bestehenden rechtlichen Grenzen für Fotoaufnahmen - etwa mit Rücksicht auf den Schutz personenbezogener Daten oder die Vertraulichkeit von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen - sind nicht aufgeworfen. 36 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2022-68,15.11.2022,"Pressemitteilung Nr. 68/2022 vom 15.11.2022 EN Schadensersatz wegen verzögerter Reaktivierung eines vorzeitig pensionierten Beamten Wird ein wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig zur Ruhe gesetzter Beamter wieder dienstfähig und beantragt er seine Reaktivierung (erneute Berufung in das aktive Beamtenverhältnis), hat der Dienstherr dem Antrag zu entsprechen, sofern dem nicht ausnahmsweise zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen. In diesem Rahmen hat der Dienstherr nur zu prüfen, ob es an jeglicher zumutbaren Verwendungsmöglichkeit fehlt. Dagegen darf er die Reaktivierung nicht solange hinausschieben, bis er tatsächlich einen dem Statusamt des Beamten entsprechenden Dienstposten gefunden hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, ein Studiendirektor, wurde wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Im darauffolgenden Jahr stellte der Dienstherr im Anschluss an eine amtsärztliche Untersuchung die volle Wiederherstellung der Dienstfähigkeit fest. Knapp sieben Monate später – nachdem für ihn eine Einsatzschule gefunden war – wurde der Kläger reaktiviert. Der Kläger begehrt Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen den Ruhestandsbezügen und der Besoldung für den Zeitraum zwischen der Feststellung der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit und der Reaktivierung. Sein Begehren ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Zwar verletzt das Berufungsurteil revisibles Recht, die Ablehnung des Anspruchs auf Schadensersatz erweist sich aber aus anderen als den vom Berufungsgericht angenommenen Gründen als im Ergebnis richtig. Die Reaktivierung eines Ruhestandsbeamten nach § 29 Abs. 1 BeamtStG setzt einen - nicht notwendig schriftlichen - Antrag des Beamten sowie die auf einem ärztlichen Gutachten basierende Feststellung voraus, dass die Dienstfähigkeit des Beamten wiederhergestellt ist. In diesem Verfahren ist ferner nur noch zu prüfen, ob es den Dienstherrn vor nicht mehr hinnehmbare Schwierigkeiten stellen wird, für den zu reaktivierenden Beamten durch organisatorische Änderungen einen geeigneten Dienstposten zu schaffen. Dagegen hängt die Reaktivierung nicht davon ab, dass für den Beamten auch ein seinem Statusamt entsprechender Dienstposten gefunden wird. Dass im vorliegenden Fall das beklagte Land hiervon nicht ausgegangen ist, kann ihm im Rahmen eines beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs nicht als schuldhaft angelastet werden. Soweit in der Rechtsprechung und in der Literatur überhaupt Ausführungen zum Prüfprogramm in derartigen Fällen gemacht worden waren, ergaben sich hieraus keine eindeutigen und zugleich dem dargestellten Maßstab entsprechende Anforderungen. Fußnote: § 29 Beamtenstatusgesetz Wiederherstellung der Dienstfähigkeit   (1) Wird nach der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit die Dienstfähigkeit wiederhergestellt und beantragt die Ruhestandsbeamtin oder der Ruhestandsbeamte vor Ablauf einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, spätestens zehn Jahre nach der Versetzung in den Ruhestand, eine erneute Berufung in das Beamtenverhältnis, ist diesem Antrag zu entsprechen, falls nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen. (2) Beamtinnen und Beamte, die wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sind, können erneut in das Beamtenverhältnis berufen werden, wenn im Dienstbereich des früheren Dienstherrn ein Amt mit mindestens demselben Grundgehalt übertragen werden soll und wenn zu erwarten ist, dass die gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes erfüllt werden. Beamtinnen und Beamte, die nicht die Befähigung für die andere Laufbahn besitzen, haben an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen. Den wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Beamtinnen und Beamten kann unter Übertragung eines Amtes ihrer früheren Laufbahn nach Satz 1 auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung ihrer früheren Tätigkeit zumutbar ist. (3) Die erneute Berufung in ein Beamtenverhältnis ist auch in den Fällen der begrenzten Dienstfähigkeit möglich. (4) Beamtinnen und Beamte, die wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sind, sind verpflichtet, sich geeigneten und zumutbaren Maßnahmen zur Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit zu unterziehen; die zuständige Behörde kann ihnen entsprechende Weisungen erteilen. (5) Die Dienstfähigkeit der Ruhestandsbeamtin oder des Ruhestandsbeamten kann nach Maßgabe des Landesrechts untersucht werden; sie oder er ist verpflichtet, sich nach Weisung der zuständigen Behörde ärztlich untersuchen zu lassen. Die Ruhestandsbeamtin oder der Ruhestandsbeamte kann eine solche Untersuchung verlangen, wenn sie oder er einen Antrag nach Absatz 1 zu stellen beabsichtigt. (6) Bei einer erneuten Berufung gilt das frühere Beamtenverhältnis als fortgesetzt. BVerwG 2 C 4.21 - Urteil vom 15. November 2022 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, OVG 4 B 10.19 - Urteil vom 15. April 2021 - VG Berlin, VG 26 K 306.16 - Urteil vom 14. Juni 2019 -","Urteil vom 15.11.2022 - BVerwG 2 C 4.21ECLI:DE:BVerwG:2022:151122U2C4.21.0 EN Schadensersatz wegen verzögerter Reaktivierung eines wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzten Beamten Leitsätze: 1. Der Antrag eines Ruhestandsbeamten auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis nach § 29 Abs. 1 BeamtStG bedarf nicht der Schriftform. 2. Der Dienstherr darf die erneute Berufung in das aktive Beamtenverhältnis nicht solange hinauszögern, bis ein passender Dienstposten zugewiesen werden kann. Zwingende dienstliche Gründe stehen dem Reaktivierungsantrag nur entgegen, wenn der Dienstherr für den Ruhestandsbeamten keinen zumutbaren Aufgabenbereich einrichten kann. 3. Für die Bestimmung der angemessenen Bearbeitungsdauer eines Reaktivierungsantrags kann nicht auf die in § 75 VwGO enthaltenen Fristen zurückgegriffen werden. Rechtsquellen BeamtStG § 29, § 54 Abs. 1 LBG BE § 44 Abs. 2 BGB § 839 Abs. 3 VwGO § 40 Abs. 2 Satz 2, § 75 Satz 2 Instanzenzug VG Berlin - 14.06.2019 - AZ: 26 K 306.16 OVG Berlin-Brandenburg - 15.04.2021 - AZ: 4 B 10.19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 15.11.2022 - 2 C 4.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:151122U2C4.21.0] Urteil BVerwG 2 C 4.21 VG Berlin - 14.06.2019 - AZ: 26 K 306.16 OVG Berlin-Brandenburg - 15.04.2021 - AZ: 4 B 10.19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hartung, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel sowie den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hissnauer für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. April 2021 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen verspäteter Reaktivierung in das aktive Beamtenverhältnis. 2 Der 1956 geborene Kläger stand - seit 2001 als Studiendirektor (Besoldungsgruppe A 15 LBesG BE mit Amtszulage) – im Dienst des beklagten Landes. Er ist Lehrer für Fachkunde, Fachrechnen, Fachzeichnen und Sozialkunde und war zuletzt als stellvertretender Schulleiter an einer Berufsschule eingesetzt. Seit 2011 ist der Kläger als schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Im Jahr 2014 versetzte ihn der Beklagte wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Nach einer vom Dienstherrn veranlassten amtsärztlichen Untersuchung stellte der Beklagte am 17. Juli 2015 die volle Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Klägers fest. Der Kläger bat wiederholt um Abstimmung etwaiger Einsatzmöglichkeiten und bekundete mit Schreiben vom 5. August 2015 sein Interesse an einer ausgeschriebenen Stelle als Oberschulrat. Mit Schreiben vom 5. Januar 2016 teilte der Beklagte mit, eine passende Einsatzschule sei nun gefunden, und wies den Kläger darauf hin, dass die für eine Ernennung erforderlichen Beteiligungsverfahren noch etwa drei bis vier Wochen in Anspruch nehmen werden. Zum 5. Februar 2016 berief der Beklagte den Kläger erneut in das aktive Beamtenverhältnis. 3 Im März 2016 forderte der Kläger Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen seinen Ruhestandsbezügen und der im aktiven Dienst gewährten Besoldung für den Zeitraum zwischen amtsärztlicher Feststellung und erneuter Berufung in das aktive Beamtenverhältnis. Der Beklagte lehnte den Antrag ab; Widerspruch, Klage und Berufung hiergegen sind erfolglos geblieben. 4 Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Bearbeitungsfrist für das Reaktivierungsverfahren habe erst mit Zugang des Schreibens vom 5. August 2015 begonnen, weil nur ein schriftlicher Antrag das Reaktivierungsbegehren in Lauf setze. Für die Bestimmung der zulässigen Bearbeitungszeit könne - sofern wie hier keine Besonderheiten vorlägen - die Dreimonatsfrist aus § 75 VwGO als Orientierung herangezogen werden. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers sei gleichwohl ausgeschlossen, weil er es versäumt habe, den Schaden durch die Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes abzuwenden. 5 Mit der bereits vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und beantragt, die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. April 2021 und des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. Juni 2019 sowie den Bescheid der Senatsverwaltung für Jugend, Bildung und Wissenschaft vom 27. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 18 796,87 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. März 2016 zu zahlen. 6 Der Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 7 Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt zwar revisibles Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), stellt sich im Ergebnis aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). 8 Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch (1.), dessen Voraussetzungen das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend verneint hat. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedarf der Antrag auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis nach § 29 Abs. 1 BeamtStG i. V. m. § 44 Abs. 2 LBG BE zwar keiner Schriftform. Die für die Bearbeitung angemessene Zeitdauer kann auch nicht anhand der Vorgaben aus § 75 VwGO bemessen werden. Die für die Annahme eines beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs erforderliche Pflichtverletzung hat das Berufungsgericht im Ergebnis aber gleichwohl zu Recht bejaht (2.). Dem Kläger kann auch nicht vorgehalten werden, gerichtlichen Eilrechtsschutz zur Durchsetzung seines Primäranspruchs nicht in Anspruch genommen zu haben (3). Ein Schadensersatzanspruch besteht im Ergebnis aber nicht, weil es an einem Verschulden der den Antrag bearbeitenden Bediensteten des Beklagten fehlt (4.). 9 1. Das Rechtsinstitut des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt (BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 - BVerwGE 162, 253 Rn. 9 m. w. N.). Es findet seinen Rechtsgrund im Beamtenverhältnis und begründet einen unmittelbar gegen den Dienstherrn gerichteten Ersatzanspruch für Schäden, die aus einer Verletzung der aus dem Beamtenverhältnis folgenden Pflichten entstehen. Als im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis wurzelndes und insofern ""quasi-vertragliches"" Institut gewährleistet der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch Sekundärrechtsschutz für Pflichtverletzungen aus dem Beamtenverhältnis, wie dies § 280 Abs. 1 BGB für vertragliche Schuldverhältnisse vorsieht (vgl. zur Bezugnahme auf die Grundsätze der positiven Vertragsverletzung auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Januar 2010 - 2 BvR 811/09 - BayVBl 2010, 303 Rn. 9). Voraussetzung hierfür ist, dass der Dienstherr eine dem Beamten gegenüber bestehende Pflicht schuldhaft verletzt hat, die Rechtsverletzung adäquat kausal für den Schadenseintritt war und der Beamte es nicht unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines ihm zumutbaren Rechtsmittels abzuwenden (vgl. für die Verletzung des Anspruchs aus Art. 33 Abs. 2 GG zuletzt etwa BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2019 - 2 C 1.18 - BVerwGE 165, 305 Rn. 18 m. w. N.). 10 Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat (vgl. im Übrigen § 17a Abs. 5 GVG), ist auch für diese Klage aus dem Beamtenverhältnis der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (§ 40 Abs. 2 Satz 2 VwGO i. V. m. § 54 Abs. 1 BeamtStG). Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger sein Begehren ursprünglich nicht ausdrücklich auf beamtenrechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt hat. Für das gegen den Dienstherrn gerichtete Begehren auf Zahlung von Schadensersatz wegen verspäteter Reaktivierung ist eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit gegeben, sodass eine Verweisung des Rechtsstreits nicht in Betracht kommt (§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG). Ob das Begehren auch auf Ansprüche aus Amtshaftung gestützt werden könnte (zweifelnd bereits BVerwG, Urteil vom 24. August 1961 - 2 C 165.59 - BVerwGE 13, 17 <25>), auf die sich die Prüfung der Verwaltungsgerichte nicht erstreckt (§ 17a Abs. 2 Satz 2 GVG), ist hierfür ohne Belang. 11 2. Die für die Annahme eines beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs erforderliche Pflichtverletzung hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht bejaht. Der Kläger hat einen Anspruch auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis (a), dem der Beklagte nicht in angemessener Zeit nachgekommen ist (b). 12 a) Nach § 29 Abs. 1 BeamtStG hat der Dienstherr dem Antrag eines wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzten Beamten auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis zu entsprechen, wenn die Dienstfähigkeit wiederhergestellt ist und der Reaktivierung keine zwingenden dienstlichen Gründe entgegenstehen. 13 aa) Bereits der Wortlaut der Vorschrift macht deutlich, dass mit der Reaktivierung - ebenso wie durch die vorangegangene Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit (vgl. zum wechselseitigen Bezug der Regelungen BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 - 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 Rn. 20) –, das Statusverhältnis des Beamten betroffen ist. Durch die Berufung in das aktive Beamtenverhältnis wird die außenwirksame Rechtsstellung des Ruhestandsbeamten gestaltet und seine Rechts- und Pflichtenstellung verändert. 14 Aufgrund des gesetzlichen Anspruchs obliegt die Entscheidung darüber, ob ein Amt vergeben werden soll, nicht der Organisationsgewalt des Dienstherrn (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 2 C 27.15 - BVerwGE 156, 272 Rn. 35). Dementsprechend hat der Dienstherr auch die haushaltsrechtlichen Grundlagen der Ernennung - die Zurverfügungstellung einer besetzbaren Planstelle (vgl. hierzu § 49 Abs. 1 Satz 3 LHO BE) – nötigenfalls zu schaffen (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2009 - 2 C 68.08 - Buchholz 232.0 § 46 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18 m. w. N.). Der Dienstherr kann dem Anspruch des zu reaktivierenden Beamten auch keine Erwägungen des Auswahlermessens entgegensetzen (BVerwG, Urteil vom 13. August 2008 - 2 C 41.07 - Buchholz 237.7 § 48 NWLBG Nr. 2 Rn. 11). 15 Aus dem Umstand, dass der Antrag - unter den gesetzlich normierten Voraussetzungen - auch versagt werden kann, folgt aber auch, dass nicht bereits die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit unmittelbar und automatisch zum Bestehen eines Reaktivierungsanspruchs führt. Vielmehr begründet der Antrag des Beamten ein Verwaltungsverfahren, an dessen Abschluss die Entscheidung über die begehrte erneute Berufung in das aktive Beamtenverhältnis steht. Mit dem Antrag des Ruhestandsbeamten wandelt sich das gemäß § 29 Abs. 2 BeamtStG ins Ermessen des Dienstherrn gestellte Reaktivierungsverfahren in ein gebundenes Entscheidungsverfahren (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2009 - 2 C 68.08 - Buchholz 232.0 § 46 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 9). Bezugspunkt hierfür ist die begehrte Berufung in das Beamtenverhältnis und damit das außenwirksame Statusverhältnis des vorzeitig zur Ruhe gesetzten Beamten (BVerwG, Urteil vom 13. August 2008 - 2 C 41.07 - Buchholz 237.7 § 48 NWLBG Nr. 2 Rn. 11). Maßgeblich ist deshalb nicht, ob ein für den Beamten ""passender"" Dienstposten zur Verfügung steht, die Zuweisung einer Dienststelle und die konkrete Aufgabenzuweisung sind vielmehr der Statusentscheidung nachfolgende Organisationsentscheidungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. August 2008 - 2 C 41.07 - Buchholz 237.7 § 48 NWLBG Nr. 2 Rn. 12). 16 Die zuständige Behörde hat nur festzustellen, ob und ggf. in welchem Umfang die Dienstfähigkeit des Ruhestandsbeamten wiederhergestellt ist und ob seiner erneuten Berufung in das aktive Beamtenverhältnis zwingende dienstliche Gründe i. S. v. § 29 Abs. 1 BeamtStG entgegenstehen. 17 bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann § 29 Abs. 1 BeamtStG i. V. m. § 44 Abs. 2 LBG BE ein Schriftformerfordernis für den Antrag auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis nicht entnommen werden. 18 Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, sprächen Aspekte der Klarheit und Beweisbarkeit zwar für das Erfordernis einer Schriftform für den Antrag auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis; entsprechendes mag für Gesichtspunkte der Warnfunktion - also die die vom Berufungsgericht geforderte Dokumentation der Ernsthaftigkeit des Reaktivierungswillens - gelten (vgl. hierzu Spitzlei, in: Fürst, GKÖD Bd. I, Dezember 2021, BBG § 46 Rn. 13; Hebeler, in: Battis, BBG, 6. Aufl. 2022, § 46 Rn. 9; Loebel, RiA 1999, 19 <30> oder Nokiel/Jasper, ZTR 2001, 193 <195>). Anders als etwa in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BeamtStG für den Entlassungsantrag sieht das Gesetz eine entsprechende Beschränkung indes nicht vor. Die Vorgabe kann daher auch nicht durch die Rechtsprechung etabliert werden. 19 Dem Vortrag des Klägers, er habe bereits am 21. Mai 2015 im Rahmen eines Gesprächs mit der Schulrätin V. und der Vertreterin des Personalrats B. einen entsprechenden Antrag gestellt, hätte daher nachgegangen werden müssen. Einer Zurückverweisung der Sache zur Beweiserhebung bedarf es gleichwohl nicht, weil der Anspruch des Klägers aus anderen Gründen scheitert und die Entscheidung des Berufungsgerichts daher im Ergebnis richtig ist (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). 20 cc) Nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil hat der Beklagte die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Klägers durch den mit Eingang des amtsärztlichen Gutachtens am 17. Juli 2015 auf diesem angebrachten Vermerk ""Reaktivierung! Bitte Stellungnahme Schulaufsicht einholen! Einsatz!"" festgestellt. Verfahrensrügen hiergegen sind nicht erhoben worden. 21 Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, oblag es dem Beklagten, die ärztlichen Feststellungen aus dem Gutachten des Amtsarztes vom 15. Juli 2015 in rechtlicher Hinsicht zu bewerten und die Feststellung zu treffen, ob und inwieweit die Dienstfähigkeit des Klägers wiederhergestellt ist. Denn die Verantwortung zur Feststellung der Dienstfähigkeit liegt bei der Behörde (BVerwG, Beschluss vom 6. März 2012 - 2 A 5.10 - juris Rn. 2). 22 Zur Beurteilung der Dienstfähigkeit müssen die gesundheitsbedingten Leistungsbeeinträchtigungen festgestellt und deren prognostische Entwicklung bewertet werden. Diese Beurteilungsvorgänge erfordern in aller Regel besondere medizinische Sachkunde, über die nur ein Arzt verfügt. Dementsprechend sieht § 29 Abs. 5 Satz 1 BeamtStG die Verpflichtung des Beamten vor, sich nach Weisung der zuständigen Behörde ärztlich untersuchen zu lassen. Die Notwendigkeit, einen Arzt hinzuzuziehen, bedeutet aber nicht, dass diesem die Entscheidungsverantwortung für die Beurteilung der Dienstfähigkeit übertragen werden darf. Vielmehr wird der Arzt als Sachverständiger tätig, auf dessen Hilfe der Dienstherr angewiesen ist, um die notwendigen Feststellungen treffen zu können. Der Dienstherr muss die ärztlichen Befunde und Schlussfolgerungen nachvollziehen und sich auf ihrer Grundlage ein eigenes Urteil bilden. Dies gilt insbesondere für die Feststellung, welche Folgen sich aus den ärztlich festgestellten Leistungseinschränkungen für die amtsbezogenen Dienstpflichten ergeben (BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1 Rn. 18 m. w. N.). Welche Anforderungen an die Erfüllung der jeweiligen Dienstpflichten zu stellen sind, legt der Dienstherr in Ausübung seiner Organisationsgewalt fest. Diese Vorgaben bilden den Maßstab, an dem die Leistungsfähigkeit zu messen ist (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 - BVerwGE 147, 244 Rn. 12 m. w. N.). Auf dieser Grundlage muss festgestellt werden, ob und ggf. für welche Verwendungen der Beamte wiedereingesetzt werden kann. 23 Diesen Maßgaben dürfte die Feststellung der Wiederherstellung einer uneingeschränkten Dienstfähigkeit durch den Beklagten nicht entsprochen haben; dieser ging vielmehr offenbar von einer Entscheidungsbefugnis des Amtsarztes aus. Aus dem ärztlichen Gutachten vom 15. Juli 2015 konnte der Beklagte die für eine eigenständige Beurteilung erforderlichen Anknüpfungstatsachen jedenfalls nicht entnehmen. Er war damit auch nicht in der Lage, eine der Gesundheit des Klägers möglicherweise abträgliche Reaktivierung zu vermeiden (vgl. VGH München, Beschluss vom 20. Oktober 2014 - 3 ZB 12.529 - juris Rn. 16). Demgemäß war der Kläger bereits im Jahr 2016 wieder für längere Zeit krankgeschrieben und wurde anschließend erneut wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, weil das Oberverwaltungsgericht für den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend die Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit des Klägers am 17. Juli 2015 festgestellt hat. 24 dd) Auf entgegenstehende zwingende dienstliche Gründe hat sich der Beklagte nicht berufen. Sie liegen auch nicht vor. 25 Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats müssen zwingende dienstliche Gründe im Sinne des § 29 Abs. 1 BeamtStG von solchem Gewicht sein, dass die Ablehnung der vom Beamten begehrten Wiederberufung in das aktive Beamtenverhältnis unerlässlich ist, um die sachgerechte Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben sicherzustellen; hierfür müssen mit großer Wahrscheinlichkeit schwerwiegende Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit drohen. Die mit einer Reaktivierung typischerweise verbundenen Gründe, wie etwa die Erhöhung der dadurch verursachten Personalkosten oder die hierdurch bedingten Erfordernisse einer personalwirtschaftlichen Anpassung, reichen nicht (BVerwG, Urteil vom 13. August 2008 - 2 C 41.07 - Buchholz 237.7 § 48 NWLBG Nr. 2 Rn. 10 und 12). 26 Wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, setzt die erneute Berufung eines Ruhestandsbeamten in das aktive Beamtenverhältnis auch nicht voraus, dass ein ""passender"", der Wertigkeit des Statusamts entsprechender Dienstposten für den künftigen Einsatz zur Verfügung steht. Maßgeblich ist vielmehr, ob es den Dienstherrn vor nicht mehr hinnehmbare Schwierigkeiten stellt, durch organisatorische Änderungen einen geeigneten Dienstposten zu schaffen (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2009 - 2 C 68.08 - Buchholz 232.0 § 46 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 21). 27 Nach § 29 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG kann dem erneut ins Beamtenverhältnis berufenen Beamten auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der früheren Tätigkeit zumutbar ist. Die statusrechtliche Frage der erneuten Berufung in das aktive Beamtenverhältnis ist von der Zuweisung eines amtsangemessenen Dienstpostens damit entkoppelt. 28 b) Dem damit bestehenden Anspruch des Klägers auf erneute Berufung in das aktive Beamtenverhältnis ist der Beklagte nicht in angemessener Frist nachgekommen. 29 aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann zur Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer eines Reaktivierungsverfahrens allerdings nicht auf die in § 75 VwGO enthaltenen Wertungen zurückgegriffen werden. 30 Die nach § 75 Satz 2 VwGO für die Erhebung einer Untätigkeitsklage grundsätzlich erforderliche Dreimonatsfrist stellt eine Regelung des Prozessrechts dar, nach der - abweichend von der generellen Anordnung aus § 68 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO und damit ""vorzeitig"" – unter den dort genannten Voraussetzungen Klage erhoben werden darf. Aus dieser Regelung spezieller Sachurteilsvoraussetzungen lässt sich keine Vorgabe für die angemessene Frist der Bearbeitung eines Reaktivierungsbegehrens nach § 29 Abs. 1 BeamtStG entnehmen. Insbesondere schließt die Vorschrift nicht die Möglichkeit aus, dass auch ein kürzerer Verzögerungszeitraum zu einem Schadensersatzanspruch des Ruhestandsbeamten führen kann, sofern die sonstigen Voraussetzungen eines entsprechenden Haftungstatbestands erfüllt sind (vgl. für Amtshaftungsansprüche BGH, Beschluss vom 23. Januar 1992 - III ZR 191/90 - NVwZ 1993, 299 Rn. 6). 31 bb) Im Rechtsstaat hat aber jede Behörde die Amtspflicht, Anträge mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten und, sobald ihre Prüfung abgeschlossen ist, ungesäumt zu bescheiden (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 - III ZR 302/05 - BGHZ 170, 260 <266>). Dem entspricht, dass Verwaltungsverfahren nach § 1 Abs. 1 VwVfG BE i. V. m. § 10 Satz 2 VwVfG zügig durchzuführen sind. Welche zeitlichen Vorgaben hierfür gelten, ist anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu bestimmen. 32 Nach den hier vom Berufungsgericht festgestellten tatsächlichen Umständen hat der Beklagte weder weiteren Prüfungsbedarf im Hinblick auf die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit gesehen noch der Reaktivierung entgegenstehende zwingende dienstliche Gründe geltend gemacht; auch eine besetzbare Planstelle war offenbar vorhanden. Erforderliche Verfahrensschritte zur erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis nach Antragstellung waren damit nur noch etwaige Beteiligungsverfahren sowie organisatorische Fragen der Urkundenerstellung. Der Beklagte selbst hat im Schreiben vom 5. Januar 2016 hierfür eine Frist von drei bis vier Wochen benannt. Die Ernennung erst zum 5. Februar 2016, die auf die Suche nach einem Dienstposten zurückzuführen ist, war damit verspätet. 33 3. Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist auch nicht entsprechend § 839 Abs. 3 BGB wegen der Nichtinanspruchnahme gerichtlicher Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeschlossen. 34 Nach § 839 Abs. 3 BGB tritt eine Ersatzpflicht nach den Grundsätzen der Amtshaftung nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Die Regelung ist als Ausprägung des Mitverschuldensprinzips auch für den beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch anwendbar (BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 - BVerwGE 162, 253 Rn. 23). In ihr kommt zugleich der Grundsatz vom Vorrang des Primärrechtsschutzes zum Ausdruck. Bei rechtswidrigem Handeln des Staates ist der Betroffene gehalten, zunächst die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Abhilfe in Anspruch zu nehmen (kein ""dulde und liquidiere""). Ein Anspruchsverlust tritt jedoch nur durch den Nichtgebrauch von zumutbaren und erfolgversprechenden Rechtsmitteln ein (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2019 - III ZR 141/18 - NJW 2020, 1592 Rn. 25). 35 Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts standen dem Kläger zur Durchsetzung seines Begehrens keine effektiven und zumutbaren Rechtsbehelfe zur Verfügung. Soweit das Berufungsgericht auf die Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes verwiesen hat, wird bereits nicht deutlich, auf welches Rechtsschutzziel entsprechende Anträge hätten gerichtet sein sollen. Ein Verfahren ""zur Beschleunigung der Reaktivierung"" jedenfalls gibt es nicht. Ebenso wenig ist es Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, ""umstrittene Teilfragen gerichtlich zu klären"". 36 Der vom Berufungsgericht offenbar angedachte Antrag, im Wege vorläufiger Anordnung nach § 123 VwGO zum Beamten berufen zu werden, kommt nicht in Betracht. Eine derartig ""vorläufige"" Beamtenernennung kennt das geltende Recht nicht; aufgrund ihrer rechtsgestaltenden Wirkung ist die Ernennung bedingungsfeindlich (BVerwG, Urteil vom 23. April 2015 - 2 C 35.13 - BVerwGE 152, 68 Rn. 10 m. w. N.). Sie wäre jedenfalls für die hier in Rede stehende Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit auch nicht mehr reversibel, weil nach dem Grundsatz der Ämterstabilität eine Ernennung nur unter den gesetzlich geregelten Fällen wieder aufgehoben werden kann (BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 27). Mit einem entsprechenden Ausspruch wäre daher auch eine Vorwegnahme der Hauptsache verbunden, ohne dass die hierfür erforderlichen Voraussetzungen vorgelegen hätten (vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 <261 f.>). Die vom Berufungsgericht schließlich aufgeführten Entscheidungen, in denen es im Wege der einstweiligen Anordnung zur Neubescheidung verpflichtet hat, betrafen andere Fallkonstellationen; sie hätten den vom Kläger geltend gemachten Verzögerungsschaden im Übrigen nicht abwenden können. 37 Die vom Berufungsgericht geforderten Rechtsmittel des vorläufigen Rechtsschutzes wären für den Kläger daher weder effektiv noch zumutbar gewesen. Die Untätigkeitsklage in der Hauptsache hat der Kläger indes - nach mehrfacher vorgerichtlicher Androhung - erhoben. 38 4. Der Beklagte hat die Pflichtverletzung jedoch nicht zu vertreten, sodass sich die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis als richtig erweist. 39 Zwar muss von den für die Verfahrensbearbeitung zuständigen Bediensteten verlangt werden, dass sie die Sach- und Rechtslage gewissenhaft prüfen, wozu auch die Auswertung der bestehenden Rechtsprechung und Literatur gehört (BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 - BVerwGE 162, 253 Rn. 19). 40 Im Zeitpunkt der Bearbeitung des vorliegenden Antrags war die Rechtslage im Hinblick auf die im Rahmen eines Reaktivierungsantrags nach § 29 Abs. 1 BeamtStG anzustellenden Prüfschritte und die hierfür angemessene Bearbeitungsdauer indes noch nicht geklärt. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung war zwar entschieden, welche Gesichtspunkte bei der Prüfung ""zwingender dienstlicher Gründe"" heranzuziehen sind. Da in den damaligen Fallgestaltungen die grundsätzliche Möglichkeit der Zurverfügungstellung eines amtsangemessenen Aufgabenbereichs nicht in Zweifel stand (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. August 2008 - 2 C 41.07 - Buchholz 237.7 § 48 NWLBG Nr. 2 Rn. 13 und vom 25. Juni 2009 - 2 C 68.08 - Buchholz 232.0 § 46 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 21 f.), waren zu der Frage, ob der Dienstherr zur erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis erst dann verpflichtet ist, wenn er einen für die künftige Verwendung passenden Dienstposten gefunden hat, keine Ausführungen enthalten. Die Entkoppelung der statusrechtlichen Berufung in das Beamtenverhältnis von der nachfolgenden Aufgabenzuweisung war damit nicht in eindeutiger Weise markiert. In der einschlägigen Kommentarliteratur wurde - und wird - aber ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass die Reaktivierung mit der Zuweisung eines Dienstpostens verknüpft werden darf (vgl. etwa Knoke, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, § 29 Rn. 22 und 61 in den inhaltlich seit Mai 2014 unveränderten Fassungen). 41 Die Praxis des Beklagten, zunächst einen geeigneten Dienstposten zu suchen und die Reaktivierung erst zeitgleich mit der Zuweisung des neuen Aufgabengebiets ins Werk zu setzen - und die sich hieraus ergebende Verzögerung –, konnte im Zeitpunkt der Antragsbearbeitung daher auch bei gewissenhafter Prüfung vertreten werden, sodass den Beklagten ein Fahrlässigkeitsvorwurf nicht trifft. 42 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2022-7,25.01.2022,"Pressemitteilung Nr. 7/2022 vom 25.01.2022 EN Zwischenlager für radioaktive Abfälle im Gewerbegebiet unzulässig Ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle aus kerntechnischen Anlagen ist in einem Gewerbegebiet bauplanungsrechtlich unzulässig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin begehrt eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Lagergebäudes in ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle aus kerntechnischen Anlagen, die für eine spätere Verbringung in ein Endlager konditioniert sind. Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der ein Gewerbegebiet festsetzt. Der Bauantrag wurde abgelehnt. Das Verwaltungsgericht verpflichtete die Beklagte zur Erteilung der Genehmigung. Der Verwaltungsgerichtshof hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Das Vorhaben sei im Gewerbegebiet bauplanungsrechtlich unzulässig.  Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle aus kerntechnischen Anlagen ist im Gewerbegebiet unzulässig. Es überschreitet bei typisierender Betrachtung wegen des Gefahrenpotentials der radioaktiven Abfälle den im Gewerbegebiet zulässigen Störgrad der nicht erheblichen Belästigung. Die radioaktiven Abfälle unterliegen speziellen Vorschriften des Atom- und Strahlenschutzrechts, mit denen den Gefahren durch ionisierende Strahlung begegnet werden soll. Das Gefahrenpotential der radioaktiven Abfälle hat auch Bedeutung für die Standortentscheidung. Dies kann der Wertung des § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB entnommen werden, der auch dem Strahlenminimierungsgebot Rechnung trägt. Dieser zentrale Grundsatz des Strahlenschutzes steht der Ansiedlung eines Zwischenlagers für radioaktive Abfälle in einem Gewerbegebiet entgegen. BVerwG 4 C 2.20 - Urteil vom 25. Januar 2022 Vorinstanzen: VGH Kassel, 3 A 505/18 - Urteil vom 12. Februar 2020 - VG Frankfurt/Main, 8 K 767/14.F - Urteil vom 30. Januar 2018 -","Urteil vom 25.01.2022 - BVerwG 4 C 2.20ECLI:DE:BVerwG:2022:250122U4C2.20.0 EN Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Zwischenlagers für radioaktive Abfälle im Gewerbegebiet Leitsatz: Ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle aus kerntechnischen Anlagen ist in einem Gewerbegebiet (§ 8 BauNVO) bauplanungsrechtlich unzulässig. Rechtsquellen BauGB §§ 30, 35 Abs. 1 Nr. 7 BauNVO § 1 Abs. 3 Satz 2, § 8 Abs. 1 und 2 Nr. 1 AtEV §§ 5, 7 StrlSchG § 12 Abs. 1 Nr. 3 Instanzenzug VG Frankfurt am Main - 30.01.2018 - AZ: 8 K 767/14.F VGH Kassel - 12.02.2020 - AZ: 3 A 505/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 25.01.2022 - 4 C 2.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:250122U4C2.20.0] Urteil BVerwG 4 C 2.20 VG Frankfurt am Main - 30.01.2018 - AZ: 8 K 767/14.F VGH Kassel - 12.02.2020 - AZ: 3 A 505/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2022 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Decker, Prof. Dr. Külpmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Februar 2020 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Zwischenlagers für radioaktive Abfälle in einem Gewerbegebiet. 2 Die Klägerin begehrt eine Baugenehmigung für den Umbau und die Nutzungsänderung eines Lagergebäudes (Halle 15) in ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle aus kerntechnischen Anlagen. Die Abfälle sind auf der Basis der ""Endlagerungsbedingungen Konrad"" konditioniert. Für die Lagerung sowie Transport- und Umschlagvorgänge hat die Klägerin eine strahlenschutzrechtliche Genehmigung beantragt. Über den Antrag ist noch nicht entschieden. 3 Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 1102.01 ""Nord-Ost/Technologiepark"" vom 7. Dezember 2009, der in der Fassung nach dem ersten ergänzenden Verfahren vom 25. September 2017 dem Urteil des Berufungsgerichts zugrunde liegt. Nach einem zweiten ergänzenden Verfahren wurde der Bebauungsplan am 14. Dezember 2020 erneut beschlossen und mit Rückwirkung zum 13. Januar 2010 bekannt gemacht. Er setzt in allen Fassungen für das Vorhabengrundstück ein Gewerbegebiet fest. 4 Die Beklagte lehnte den Bauantrag ab. Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt; das Vorhaben sei im Gewerbegebiet als Lagerhaus zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Das Vorhaben widerspreche dem Bebauungsplan, der ein Gewerbegebiet festsetze. Es handle sich weder um ein Lagerhaus noch um einen nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieb. Bei der bauplanungsrechtlichen Beurteilung müssten die von dem Zwischenlager ausgehenden Emissionen und Gefahren einschließlich strahlenschutzrechtlicher Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle könne - wie sich unter anderem aus § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB sowie den atom- und strahlenschutzrechtlichen Vorschriften ergebe - aufgrund der davon ausgehenden besonderen Gefährdungen nicht in einem Gewerbegebiet angesiedelt werden. 5 Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Annahme, ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle sei erheblich belästigend, könne nicht auf atom- oder strahlenschutzrechtliche Normen gestützt werden. Diese dürften im Baugenehmigungsverfahren nicht geprüft werden. Der Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB sei nicht einschlägig. Ein baurechtlich relevantes Störpotenzial radioaktiver Abfälle könne auch nicht aus einem allgemeinen Erfahrungssatz hergeleitet werden. 6 Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. II 7 Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). 8 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht angenommen, dass das Zwischenlager im Gewerbegebiet bauplanungsrechtlich unzulässig und nicht genehmigungsfähig ist. 9 1. Maßgeblich für die Revisionsentscheidung ist der Bebauungsplan Nr. 1102.01 in der Fassung vom 14. Dezember 2020. Das Revisionsgericht hat Rechtsänderungen, die während des Revisionsverfahrens eintreten, in gleichem Umfang zu berücksichtigen wie die Vorinstanz, wenn sie jetzt entschiede. Weil eine Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung nur begründet ist, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Genehmigungsanspruch besteht, müsste auch der Verwaltungsgerichtshof die Änderungen des Bebauungsplans Nr. 1102.01 berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 19. April 2012 - 4 C 10.11 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 386 Rn. 8 m.w.N.). An der Festsetzung eines Gewerbegebietes (§ 1 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 8 BauNVO) hat indessen auch das zweite ergänzende Verfahren nichts geändert. Einwände gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans in der aktuellen Fassung, insbesondere gegen die Festsetzung ""Gewerbegebiet"", wurden nicht erhoben. 10 2. Nach § 8 Abs. 1 BauNVO dienen Gewerbegebiete vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Allgemein zulässig sind gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO u.a. Gewerbebetriebe aller Art und Lagerhäuser. 11 a) Die Revision wendet sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts, das Vorhaben sei kein Lagerhaus. Ob dies zutrifft, kann dahinstehen. Lagerhäuser können zugleich Gewerbebetriebe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2001 - 4 C 18.00 - Buchholz 406.12 § 5 BauNVO Nr. 8 S. 6). Auch sie dürfen aber - wie die Gewerbebetriebe aller Art - den in § 8 Abs. 1 BauNVO normierten Störgrad (""nicht erheblich belästigend"") nicht überschreiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2021 - 4 CN 8.19 - ZfBR 2021, 874 Rn. 12). 12 b) Das Zwischenlager für radioaktive Abfälle ist kein ""nicht erheblich belästigender"" Betrieb. 13 Ob ein Gewerbebetrieb erheblich belästigend ist, beurteilt sich im Ausgangspunkt nach einer - eingeschränkten - typisierenden Betrachtungsweise (grundlegend BVerwG, Urteil vom 3. Februar 1984 - 4 C 54.80 - BVerwGE 68, 342 <346 f.>; ferner BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 - 7 C 7.92 - Buchholz 406.12 § 15 BauNVO Nr. 22 S. 11). Der konkrete Betrieb ist als unzulässig einzustufen, wenn Betriebe seines Typs üblicherweise für die Umgebung in diesem Sinne erheblich belästigend wirken; auf das Maß der konkret hervorgerufenen oder in Aussicht genommenen Störungen kommt es grundsätzlich nicht an (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 2021 - 4 C 5.20 - juris Rn. 10 m.w.N.). 14 Für die typisierende Betrachtung des Störpotentials kann die Normanwendung Erfahrungssätze heranziehen. Sie kann sich aber auch auf normative Wertungen stützen, denen ihrerseits Tatsachenannahmen oder Gefahreneinschätzungen zugrunde liegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 - 7 C 7.92 - Buchholz 406.12 § 15 BauNVO Nr. 22 S. 13 f. sowie Beschlüsse vom 2. Februar 2000 - 4 B 87.99 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 163 S. 12 und vom 27. Juni 2018 - 4 B 10.17 - Buchholz 406.12 § 6 BauNVO Nr. 19 Rn. 12). 15 Ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle aus kerntechnischen Anlagen weist ein Gefahrenpotential auf, das den im Gewerbegebiet zulässigen Störgrad typischerweise überschreitet. Diese Gefahreneinschätzung kann den einschlägigen atom- und strahlenschutzrechtlichen Vorschriften entnommen werden (aa) und kommt auch in § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB zum Ausdruck (bb). 16 aa) Nach den auf die Betriebsbeschreibungen der Klägerin gestützten Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts sollen in Halle 15 für ca. zehn Jahre radioaktive Abfälle aus kerntechnischen Anlagen gelagert werden, die auf der Basis der ""Endlagerungsbedingungen Konrad"" konditioniert sind (UA juris Rn. 50). An diese nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen ist der Senat gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). 17 Für den Umgang mit solchen Stoffen und ihre Entsorgung haben der Gesetz- und Verordnungsgeber im Atom- und Strahlenschutzrecht spezielle Regelungen getroffen (vgl. Verordnung über Anforderungen und Verfahren zur Entsorgung radioaktiver Abfälle vom 29. November 2018, BGBl. I S. 2071; Gesetz zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung vom 27. Juni 2017, BGBl. I S. 1966). Die Atomrechtliche Entsorgungsverordnung enthält u.a. Regelungen zu Anfall, Verbleib, Erfassung, Behandlung, Verpackung, Abgabe und Empfang radioaktiver Abfälle sowie sicherheitstechnischen Anforderungen (§§ 1 ff. AtEV). Nach § 5 Abs. 1 AtEV sind die Abfälle an eine Anlage des Bundes zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle abzuliefern. Bis zu ihrem Abruf durch die Bundesgesellschaft für Endlagerung müssen sie zwischengelagert werden (§ 7 AtEV). Hierfür bedarf es einer Genehmigung nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 StrlSchG. Die Klägerin hat eine strahlenschutzrechtliche Genehmigung im Jahr 2005 - damals noch nach § 7 Strahlenschutzverordnung a.F. – beantragt, der Antrag ist noch nicht beschieden (UA juris Rn. 12, 27). Zu den Genehmigungsvoraussetzungen gehören u.a. die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz, das notwendige Wissen und die notwendigen Fertigkeiten im Hinblick auf die mögliche Strahlengefährdung und die anzuwendenden Schutzmaßnahmen sowie Anforderungen an die Ausrüstungen und den Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter (vgl. § 13 StrlSchG). 18 Diese Vorschriften können zur sachgerechten Konkretisierung des Begriffs ""nicht erheblich belästigender Gewerbebetrieb"" herangezogen werden. Ihnen liegt die Annahme zugrunde, dass beim Umgang mit radioaktiven Abfällen aus kerntechnischen Anlagen und ihrer Zwischenlagerung typischerweise die Gefahr schädlicher Umwelteinwirkungen durch ionisierende Strahlung für die Umgebung besteht. Sie kennzeichnen ein anlagentypisches Gefahrenpotential, das auch bauplanungsrechtlich unterstellt werden darf und muss; insoweit gilt nichts anderes als im Immissionsschutzrecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 - 7 C 7.92 - Buchholz 406.12 § 15 BauNVO Nr. 22 S. 13 f. und Beschluss vom 2. Februar 2000 - 4 B 87.99 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 163 S. 12). 19 bb) Von einem anlagentypischen Gefahrenpotential, das die Schwelle zur erheblichen Belästigung überschreitet, geht auch der Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB aus. 20 Nach dieser Vorschrift ist ein Vorhaben im Außenbereich privilegiert, wenn es der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität. Sie findet auch auf Zwischenlager für radioaktive Abfälle Anwendung, denn die Zwischenlagerung dient deren Entsorgung (vgl. VGH München, Urteil vom 24. Mai 1984 - 2 B 83 A. 850 - NVwZ 1984, 740; OVG Münster, Urteil vom 22. Oktober 1987 - 21 A 330/87 - NVwZ 1988, 554 <559>; VGH Mannheim, Urteil vom 22. Oktober 2002 - 3 S 1689/01 - juris Rn. 25 ff.; Dürr, in: Brügelmann, BauGB, Bd. 3, Stand Oktober 2021, § 35 Rn. 132 f.; Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 35 Rn. 56; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2021, § 35 Rn. 59 h). 21 § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB geht zurück auf das sog. Wyhl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 1985 - 7 C 65.82 - (BVerwGE 72, 300) zu § 35 Abs. 1 Nr. 5 BBauG (in der Fassung vom 18. August 1976, BGBl. I S. 2221; vgl. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB). Danach sollten Kernkraftwerke wegen des ihnen eigenen Gefahrenpotentials und im Hinblick auf die mit ihrem Betrieb verbundenen Emissionen radioaktiver Stoffe grundsätzlich im Außenbereich ausgeführt werden; dafür spreche auch das schon bei der atomrechtlichen Standortprüfung zu beachtende Strahlenminimierungsgebot (a.a.O. S. 326). Der Gesetzgeber hat das Urteil zum Anlass genommen, im Baugesetzbuch 1986 für Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dienen, einen eigenständigen Privilegierungstatbestand im Außenbereich zu schaffen (vgl. BT-Drs. 10/5027 S. 9, BT-Drs. 10/6166 S. 132). An der Privilegierung von Anlagen zur Entsorgung von Abfällen aus kerntechnischen Anlagen hat er auch nach dem sog. Atomausstieg bei der Neufassung im Rahmen der Klimaschutz-Novelle 2011 festgehalten (vgl. BT-Drs. 17/6357 S. 3). 22 Der Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB trägt damit auch in der geltenden Fassung dem Strahlenminimierungsgebot Rechnung, das zu den zentralen objektiv-rechtlichen Grundsätzen des Strahlenschutzrechts gehört. Es gebietet, Strahlenexpositionen oder Kontaminationen auch unterhalb der Grenzwerte so gering wie vernünftigerweise erreichbar zu halten (vgl. etwa § 8 Abs. 2 StrlSchG). Die Ansiedlung der von § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB erfassten Anlagen im Außenbereich trägt dazu bei, die Expositionsrisiken der wohnenden und arbeitenden Bevölkerung so gering wie möglich zu halten. Aus der Privilegierung eines Vorhabens im Außenbereich folgt zwar nicht, dass es nicht durch förmliche Planung ermöglicht werden könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2018 - 4 C 5.17 - BVerwGE 163, 313 Rn. 11). Auch bei einer Planung käme aber für ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle aus kerntechnischen Anlagen nur ein Baugebiet in Betracht, in dem vorwiegend Betriebe mit erheblichem Belästigungspotential zulässig sind. 23 2. Selbstständige Ausführungen zu einem (ungeschriebenen) Tatbestandsmerkmal der Gebietsverträglichkeit sind danach nicht veranlasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2019 - 4 C 5.18 - Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 21 Rn. 19). Denn die Beschränkung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO auf nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe ergibt sich bereits aus der vom Verordnungsgeber festgelegten Zweckbestimmung für das Gewerbegebiet in § 8 Abs. 1 BauNVO. 24 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2022-72,24.11.2022,"Pressemitteilung Nr. 72/2022 vom 24.11.2022 EN Bundesstadt Bonn muss erneut über die Sachkostenerstattung in der Kindertagespflege entscheiden Die Bundesstadt Bonn muss erneut über die Sachkostenerstattung in der Kindertagespflege entscheiden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin, eine Kindertagespflegeperson aus Bonn, hatte die Höhe der ihr zugebilligten laufenden Geldleistung (nach § 23 des Achten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB VIII -) beanstandet. Diese Geldleistung setzt sich hauptsächlich aus einem Anerkennungsbetrag für die Förderleistung und einem Erstattungsbetrag für die entstehenden Sachkosten zusammen. Sie wird in Bonn als Pauschalbetrag gezahlt, der in einer vom Stadtrat beschlossenen Satzung festgesetzt ist. Bei der Berechnung des Pauschalsatzes für Sachkosten hat die Stadt die Kosten für die Verpflegung der Tageskinder nicht miteinbezogen. Die insbesondere aus diesem Grund gegen die Höhe des Betrages gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg. Die Berufung hiergegen hat das Oberverwaltungsgericht nur hinsichtlich der Sachkostenerstattung zugelassen und die Beklagte zu einer erneuten Entscheidung über das Klagebegehren verpflichtet, weil deren Satzung auch dann keine Erstattung der Verpflegungskosten vorsehe, wenn diese tatsächlich bei der einzelnen Tagespflegeperson anfielen. Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass diese zwar zur erneuten Entscheidung verpflichtet bleibt, hierbei aber - anstelle der vom Oberverwaltungsgericht formulierten - andere rechtliche Maßgaben zu beachten hat. Wie der Senat mit Urteilen vom heutigen Tag (vgl. Pressemitteilung in den Verfahren 5 C 1.21 und 5 C 3.21) entschieden hat, steht den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bei der Festlegung der Erstattung der (im Sinne von § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII) angemessenen Sachkosten, die einer Kindertagespflegeperson entstehen, kein gerichtlich nicht vollständig überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Mit Bundesrecht nicht in Einklang steht auch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, für die Bemessung der Sachkostenpauschale komme es maßgeblich auf die steuerrechtlich anerkannte Betriebskostenpauschale in Höhe von 300 € pro Kind und Monat an. Das Oberverwaltungsgericht ist zwar im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass einzelne Sachmittel - wie die Verpflegungsaufwendungen - bei der Berechnung des Erstattungsbetrages grundsätzlich nicht ausgenommen werden dürfen. Dabei hat es aber zu Unrecht den Einwand der Beklagten für unerheblich gehalten, dass den Kindertagespflegepersonen im Bereich der Stadt Bonn im maßgeblichen Zeitraum üblicherweise keine Verpflegungskosten entstanden sind, weil sie typischerweise von den Eltern übernommen wurden. Ein Bundesrechtsverstoß der Vorinstanz ergibt sich entgegen der Einschätzung der Beklagten allerdings nicht daraus, dass das Oberverwaltungsgericht einen Landesrechtsvorbehalt hinsichtlich der Ausgestaltung der angemessenen Kosten missachtet habe. Ein solcher Landesrechtsvorbehalt lässt sich dem Bundesrecht in Bezug auf die Ansprüche der Tagespflegepersonen (nach § 23 SGB VIII) nicht entnehmen. BVerwG 5 C 9.21 - Urteil vom 24. November 2022 Vorinstanzen: OVG Münster, OVG 12 A 4179/18 - Beschluss vom 29. September 2021 - VG Köln, VG 19 K 7743/16 - Beschluss vom 21. September 2018 -","Urteil vom 24.11.2022 - BVerwG 5 C 9.21ECLI:DE:BVerwG:2022:241122U5C9.21.0 EN Höhe der laufenden Geldleistungen in der Kindertagespflege Leitsätze: 1. Der nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII relevante Sachaufwand ist den Tagespflegepersonen grundsätzlich einschränkungslos zu erstatten. 2. Der Landesgesetzgeber ist weder durch § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII noch durch § 26 Satz 1 SGB VIII ermächtigt, Inhalt und Umfang der Sachkostenerstattung abweichend vom Bundesrecht zum Nachteil der Tagespflegepersonen zu regeln. Rechtsquellen VwGO § 113 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII § 22 Abs. 3, § 23 Abs. 1 und 2 Nr. 1, Abs. 2a, § 24 Abs. 1 und 2, § 26 Satz 1 Instanzenzug VG Köln - 21.09.2018 - AZ: 19 K 7743/16 OVG Münster - 29.09.2021 - AZ: 12 A 4179/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 24.11.2022 - 5 C 9.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:241122U5C9.21.0] Urteil BVerwG 5 C 9.21 VG Köln - 21.09.2018 - AZ: 19 K 7743/16 OVG Münster - 29.09.2021 - AZ: 12 A 4179/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. September 2021 mit Ausnahme der Kostenentscheidung geändert. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 8. Juni 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2016 verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Bewilligung einer laufenden Geldleistung für die Betreuung des Kindes T. in der Zeit vom 1. August 2016 bis zum 31. August 2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, soweit er die Erstattung angemessener Kosten für den Sachaufwand betrifft. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen. Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über die Höhe der Sachaufwandskosten als Teil der laufenden Geldleistung im Rahmen einer Kindertagespflege nach § 23 SGB VIII. 2 Die Klägerin ist als Tagespflegeperson im Stadtgebiet der Beklagten tätig. Sie betreute seit November 2014 ein Kind in der Kindertagespflege. Die Förderung der Kindertagespflege durch die Beklagte erfolgt auf der Grundlage der Satzung der Bundesstadt Bonn über die Förderung der Kindertagespflege vom 1. März 2016 (Fördersatzung). Diese sieht eine Sachkostenerstattung in Höhe von 1,16 € je Stunde und Kind für die Tagespflege in eigenen Räumen der Tagespflegeperson vor, der analog zur steuerrechtlichen Betriebskostenpauschale ermittelt wurde, aber ausdrücklich einen Abzug von 0,57 € je Stunde für Verpflegungskosten enthält. Private Zuzahlungen der Eltern sind ausgeschlossen, mit Ausnahme unter anderem der Verpflegungskosten (§ 3 Abs. 2 Fördersatzung). Die Sachkostenpauschale und der Anerkennungsbetrag werden in nach wöchentlichen Betreuungsstunden gestaffelten Festbeträgen gewährt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Fördersatzung). Auf entsprechenden Antrag der Klägerin bewilligte die Beklagte für die Betreuung des Kindes T. einen monatlichen Förderbetrag in Höhe von 487 € für den Bewilligungszeitraum vom 1. Dezember 2014 bis zum 31. Juli 2016. Im Jahr 2016 teilte die Klägerin mit, dass die Betreuung des Kindes erst zum 31. August 2016 enden werde. Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin für die Zeit vom 1. bis zum 31. August 2016 eine monatliche Förderung ebenfalls in Höhe von 487 €. Nachdem die Beklagte den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen hatte, erhob die Klägerin Klage mit der Begründung, der Sachkostenanteil sei wie die laufende Geldleistung insgesamt zu niedrig bemessen. 3 Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung hiergegen teilweise zugelassen und die Beklagte entsprechend dem im Berufungsverfahren gestellten Klageantrag unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Bescheides verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Bewilligung einer laufenden Geldleistung vom 2. Juni 2016 für die Betreuung des Kindes T. im August 2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, soweit er die Erstattung angemessener Kosten für den Sachaufwand betrifft. Der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig, weil er sich zur Berechnung der laufenden Geldleistung auf die Fördersatzung stütze, die hinsichtlich der Bemessung des Sachkostenausgleichs rechtsfehlerhaft und damit unwirksam sei. Bei der Festlegung der Geldleistung stehe dem Jugendhilfeträger nicht nur in Bezug auf den leistungsgerechten Anerkennungsbetrag, sondern auch hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Festlegung des Betrags zur Erstattung angemessener Kosten für den Sachaufwand ein Beurteilungsspielraum zu. Als Ausgangspunkt für eine Pauschalierung könne ein Betrag in Höhe von 300 € je vollumfänglich betreutem Kind und Monat genommen werden, wie er in Anknüpfung an die von der Finanzverwaltung ohne weitere Prüfung zuerkannte Betriebskostenpauschale in der Begründung des Gesetzesentwurfs zum Kinderförderungsgesetz veranschlagt werde. Eine Überschreitung des der Beklagten zustehenden Beurteilungsspielraums liege dagegen in dem in einem weiteren Kalkulationsschritt vorgenommenen pauschalen Abzug von 0,57 € je Stunde für Verpflegungskosten und der darauf beruhenden Festlegung des Sachkostenanteils auf 1,16 € je Stunde und Kind. Das gelte jedenfalls, soweit der Satzungsgeber keine weitere Differenzierung der Höhe der Sachkostenerstattung danach vornehme, ob die Kindertagespflegeperson mit den Eltern des betreuten Kindes die Zahlung eines (angemessenen) Entgelts für die Mahlzeiten privatrechtlich vereinbare oder nicht. Dem danach zu erstattenden Sachaufwand seien zweifellos auch die Verpflegungskosten zuzurechnen. Eine Nichtberücksichtigung von Verpflegungskosten durch den Jugendhilfeträger sei allenfalls dann in rechtmäßiger Weise denkbar, wenn Verpflegungsaufwendungen tatsächlich gar nicht entstünden. Dies rechtfertige gleichwohl keine Satzungsbestimmung, die pauschal und ausnahmslos einen Abzug der Aufwendungen für Verpflegungskosten vorsehe. Dass nach Angaben der Beklagten im Satzungsgebiet in der Praxis zwischen den Tagespflegepersonen und Eltern offenbar überwiegend Vereinbarungen über die Übernahme der Verpflegungskosten durch die Eltern getroffen würden, sei unerheblich. Eine ausnahmslose Verlagerung bestimmter Sachkosten auf das privatrechtliche Verhältnis zwischen Tagespflegepersonen und Eltern sei unzulässig, auch wenn sich eine solche Verfahrensweise im Zuständigkeitsbereich der Beklagten in der Praxis weitgehend etabliert habe. Soweit § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII vorsehe, dass die Höhe der laufenden Geldleistung von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe festgelegt werde, sei damit keine Ermächtigung verbunden, entgegen dem in § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII formulierten Anspruch der Tagespflegeperson gegen den Jugendhilfeträger entstandene Aufwendungen nicht zu erstatten. Eine solche sei ebenso wenig in § 23 Abs. 1 Satz 3 und 4 KiBiz a. F. (bzw. § 51 Abs. 1 Satz 3 bis 5 KiBiz) enthalten. Mit dieser landesrechtlichen Regelung werde lediglich die Möglichkeit einer Zuzahlung geschaffen, also die generelle Zulässigkeit der Zahlung eines Verpflegungsentgelts durch die Eltern festgeschrieben, die sich als Ausnahme von dem in Satz 3 geregelten generellen Ausschluss von weiteren (über die Elternbeiträge nach § 90 Abs. 1 SGB VIII hinausgehenden) Kostenbeiträgen der Eltern darstelle. 4 Die Beklagte wendet sich mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision gegen diesen Beschluss. Zur Begründung ihrer Revision trägt sie im Wesentlichen vor, dass die Auffassung des Gerichts, der Träger der örtlichen Jugendhilfe dürfe nicht unterschiedslos Verpflegungskosten aus den Sachaufwendungen herausnehmen, dem Wortlaut, der historischen Entwicklung sowie Sinn und Zweck des Landesrechtsvorbehaltes gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2a Satz 1 SGB VIII widerspreche. Die Auslegung ergebe vielmehr, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe aus ihrer Sachnähe heraus entscheiden sollten, ob die Verpflegungskosten bei der Berücksichtigung der Höhe des Sachaufwands nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII zu berücksichtigen seien oder ob sie in Angleichung an die Regelungen zu Kindertageseinrichtungen von den Eltern zu tragen seien. Eine Überschreitung des Gestaltungsspielraums sei durch den pauschalen Abzug von 0,57 € je Stunde für Verpflegungskosten daher nicht anzunehmen. 5 Die Klägerin verteidigt den angegriffenen Beschluss. 6 Die Vertreterin des Bundesinteresses beteiligt sich an dem Verfahren und unterstützt im Wesentlichen die Rechtsauffassung der Klägerin. II 7 Die zulässige Revision der Beklagten ist teilweise begründet. Der angefochtene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit dieses angenommen hat, dass dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe hinsichtlich der Festlegung des Betrags zur Erstattung angemessener Kosten, die der Tagespflegeperson für den Sachaufwand entstehen, ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum zusteht. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts erweist sich zwar im Ergebnis insoweit als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO), als der Klägerin ein Neubescheidungsanspruch gegen die Beklagte zusteht, weil der streitgegenständliche Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten diesbezüglich rechtswidrig ist und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 5 VwGO). Hierfür sind aber andere Gründe maßgeblich, als vom Oberverwaltungsgericht angenommen, sodass dessen Entscheidung gleichwohl keinen Bestand haben kann. Die Revision bleibt aber erfolglos, soweit sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt hat. 8 Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides, in welchem der Klägerin eine laufende Geldleistung für die Betreuung des Kindes T. in der Zeit vom 1. August 2016 bis zum 31. August 2016 bewilligt wurde. Mit diesem Bescheid sind die laufenden Geldleistungen in einem Gesamtbetrag festgesetzt worden, der sowohl die Sachkostenerstattung nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe i. d. F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022) - SGB VIII - als auch den Anerkennungsbetrag nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII umfasst. Die Klägerin hat ihr diesbezügliches Überprüfungsbegehren jedenfalls in der Berufungsinstanz ausdrücklich auf die Frage der Sachaufwandskosten beschränkt; im Übrigen ist der hier in Rede stehende Bescheid bestandskräftig geworden. Sie macht insoweit allein einen Neubescheidungsanspruch (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) gegenüber der Beklagten geltend, was auch dann prozessual zulässig ist, wenn kein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum in Rede steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 5 C 8.12 - BVerwGE 147, 216 Rn. 13 m. w. N.). 9 Dieses Neubescheidungsbegehren findet seine Rechtsgrundlage in § 23 Abs. 1 und 2 Nr. 1 i. V. m. § 24 Abs. 1 und 2 SGB VIII. Danach umfasst die Förderung in Kindertagespflege nach Maßgabe von § 24 SGB VIII - soweit hier von Interesse - die Gewährung einer laufenden Geldleistung an die Tagespflegeperson (§ 23 Abs. 1 SGB VIII), welche die Erstattung angemessener Kosten, die der Tagespflegeperson für den Sachaufwand entstehen (§ 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII), einschließt. 10 Die Anspruchsberechtigung der Klägerin und das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach sind zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig. Ihr Streit konzentriert sich allein auf die Höhe der zu erstattenden Sachaufwandskosten und die Frage, ob Verpflegungskosten, die für das Kind im Zusammenhang mit der Kindertagespflege anfallen, ein notwendiger Teil dieser Kosten sind. Deren Festlegung obliegt gemäß § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe, soweit das Landesrecht nicht etwas anderes bestimmt. Eine solche Festlegung hat die mangels abweichenden Landesrechts zuständige Beklagte in abstrakt-genereller Weise mit der von ihr erlassenen Fördersatzung getroffen. Dabei unterliegt - was auch die Beteiligten zu Recht nicht in Zweifel ziehen - weder die abstrakt-generelle Festlegung als solche noch die Wahl der Satzungsform bundesrechtlichen Bedenken. Die Verwendung des Begriffs ""wird ... festgelegt"" in § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII erlaubt das Verständnis, dass der Bundesgesetzgeber grundsätzlich, auch was die Art und Weise der Gewährung der laufenden Geldleistungen angeht, eine vom einzelnen Bewilligungsfall losgelöste abstrakt-generelle Regelung gerade hinsichtlich deren ""Höhe"" zulässt (vgl. im Ergebnis ebenso Beckmann, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 23 Rn. 39; Grube, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 1. Ergänzungslieferung 2023, § 23 Rn. 24). Das Bundesrecht schreibt dabei mit dieser Wortwahl (""wird ... festgelegt"") in § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII ebenfalls nicht vor, in welcher Rechtsform die Festlegung der laufenden Geldleistung zu erfolgen hat und lässt daher auch die Wahl der Satzungsform zu. 11 Der angefochtene Beschluss verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), indem er davon ausgeht, der Beklagten stehe auch bei der Festlegung der Sachkostenerstattung nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII ein Beurteilungsspielraum zu (1.). Er erweist sich im Ergebnis auch nicht als vollständig richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil zwar eine Neubescheidungsverpflichtung der Beklagten besteht, hierfür aber andere Gründe maßgeblich sind als vom Oberverwaltungsgericht angenommen (2.). Dies führt nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO zum Erfolg der Revision insoweit, als die vom Oberverwaltungsgericht benannten Maßgaben für eine Neubescheidung keinen Bestand haben können (3.). 12 1. Nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII umfasst die laufende Geldleistung nach § 23 Abs. 1 SGB VIII die Erstattung angemessener Kosten, die der Tagespflegeperson für den Sachaufwand entstehen. Die der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Annahme, der danach anzusetzende Sachaufwand könne in Form von Pauschalen in die Geldleistung einfließen, ist nicht zu beanstanden (a). Demgegenüber verstößt die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, bei der Festsetzung der Erstattung für den Sachaufwand stehe der zuständigen Stelle ein Beurteilungsspielraum zu, gegen Bundesrecht (b). 13 a) Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht nicht beanstandet, dass die Beklagte die Sachkostenerstattung in Form eines Pauschalbetrages festgelegt hat. Zwar lässt der Wortlaut des § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII insbesondere mit der Verwendung des Singulars (""der Tagespflegeperson"") auch eine Auslegung zu, die eine individuelle Abrechnung auf der Grundlage der bei der konkreten Tagespflegeperson tatsächlich angefallenen (Einzel-)Kosten verlangt. Er zwingt aber nicht zu einer solchen Interpretation, gegen die gesetzessystematische Gesichtspunkte sowie der Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen. 14 In systematischer Hinsicht weist zunächst der Vergleich mit § 23 Abs. 2 Nr. 3 und 4 SGB VIII in diese Richtung. Nach diesen Vorschriften hängt die Erstattung von Aufwendungen für Versicherungen und die Alterssicherung von einem Nachweis ab, also von ihrem einzelfallbezogenen Entstehen und seiner Belegbarkeit durch die Tagespflegeperson, was insoweit eine Pauschalierung ausschließt. Wenn § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII demgegenüber eine solche Einschränkung nicht enthält, erlaubt dies den Schluss, dass die Erstattung der Sachkosten zumindest auch in Form eines Pauschalbetrages unabhängig von einer tatsächlichen Kostenbelastung im Einzelfall erfolgen kann (vgl. zur Pauschalierung beim Anerkennungsbetrag auch BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 5 C 18.16 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr. 3 Rn. 34). Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, dass nach § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII die Höhe der laufenden Geldleistungen ""festgelegt"" wird. Indem das Gesetz keine Wortwahl verwendet, die typischerweise auf eine einzelfallbezogene Entscheidung (etwa ""bewilligt"" oder ""gewährt"") hindeutet, weist es zugleich auf die Möglichkeit einer Pauschalierung und Typisierung von Kostenbestandteilen der laufenden Geldleistung hin. Dem steht bei übergreifender Betrachtung nicht entgegen, dass § 23 SGB VIII - anders als § 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII für die laufenden Leistungen zum Kindesunterhalt nach § 39 Abs. 2 SGB VIII - nicht ausdrücklich von einer Leistungsgewährung in pauschalierter Form spricht. Denn daraus folgt nur, dass eine solche im Fall des § 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII normativ als Regelfall angeordnet ist, während sie im Fall des § 23 SGB VIII nur nicht ausgeschlossen wird. 15 Der allgemeine Sinn und Zweck des § 23 SGB VIII besteht darin, die Tagesbetreuung auch hinsichtlich deren Attraktivität für Tagespflegepersonen zu steigern (vgl. BT-Drs. 15/3676 S. 33). Diesem Ziel würde eine Verpflichtung zu einer nachweisgebundenen Individualabrechnung sämtlicher Sachkosten nicht gerecht, weil sie alle Tagespflegepersonen zu einer diesbezüglichen umfangreichen Nachweisführung zwingen würde. Der sich anschließende Verwaltungsaufwand bei der Prüfung würde zudem eine zeitnahe Auszahlung der Erstattungsbeträge erschweren. 16 b) Bundesrecht verletzt demgegenüber die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass den zuständigen Stellen bei der Festlegung der den Tagespflegepersonen nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII zu erstattenden Sachkosten ein Beurteilungsspielraum zustehe. Die Vorschrift verwendet zwar, indem sie als Bestandteil der laufenden Geldleistungen lediglich die ""angemessenen"" Kosten des Sachaufwands ansieht, einen unbestimmten Rechtsbegriff. Bei dessen Anwendung haben die zuständigen Stellen aber auch bei der Festlegung der Höhe der zu erstattenden Sachkosten in Form eines Pauschalbetrages - anders als grundsätzlich im Fall des Anerkennungsbetrages - keine der gerichtlichen Überprüfung unzugängliche Letztentscheidungskompetenz, wie sie die Sachkosten berechnen und in welcher Höhe diese zu erstatten sind. Dies erschließt sich aus Folgendem: 17 Aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgt grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG schließt zwar die ausnahmsweise Einräumung eines kontrollfreien Beurteilungsspielraums durch den Gesetzgeber nicht aus. Ein solcher Ausnahmefall setzt aber voraus, dass der jeweiligen Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gesetzgebers zu entnehmen ist, der Verwaltung das abschließende Urteil über das Vorliegen der durch einen unbestimmten Gesetzesbegriff gekennzeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen zu übertragen. Dementsprechend muss sich ein Beurteilungsspielraum ausdrücklich aus dem Gesetz ablesen lassen oder durch Auslegung - insbesondere entsprechend dem Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift und unter Berücksichtigung der Eigenart der einschlägigen Verwaltungsmaterie - hinreichend deutlich zu ermitteln sein. Die damit verbundene Freistellung von gerichtlicher Kontrolle bedarf stets eines hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Sachgrundes (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 5 C 18.16 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr. 3 Rn. 11 m. w. N.). Das Vorliegen eines derartigen Ausnahmefalls, der vor Art. 19 Abs. 4 GG Bestand hätte, lässt sich für die Festlegung der Sachkostenerstattung nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII nicht bejahen (im Ergebnis ebenso Struck/Schweigler, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 23 Rn. 45). 18 aa) Dem Wortlaut des § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII lassen sich keine Anhaltspunkte für die Annahme eines der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Beurteilungsspielraums der Verwaltung entnehmen. Ein solcher ergibt sich namentlich nicht daraus, dass der Gesetzgeber den unbestimmten Rechtsbegriff der ""angemessenen Kosten"" verwendet hat. Vielmehr ist die Anwendung des Kriteriums der ""Angemessenheit"" in Rechtsnormen in aller Regel in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 26. Oktober 1989 - 5 C 30.86 - Buchholz 436.0 § 84 BSHG Nr. 1, vom 2. September 1993 - 5 C 18.90 - BVerwGE 94, 122, vom 21. Dezember 2001 - 5 C 27.00 - BVerwGE 115, 331 und vom 28. Mai 2003 - 5 C 8.02 - BVerwGE 118, 211). Weil davon auszugehen ist, dass dem Gesetzgeber diese langjährige gefestigte Entscheidungspraxis bekannt gewesen ist, kann nicht angenommen werden, dass er allein die Verwendung dieses Begriffs als hinreichend für die Einräumung eines Beurteilungsspielraums angesehen hat. Gegen eine solche Annahme spricht außerdem, dass der Gesetzeswortlaut die Erstattung von Sachkosten daran knüpft, dass sie der Tagespflegeperson ""entstehen"". Ob ein solches Entstehen angenommen werden kann, ist aber anders als im Fall der in § 23 Abs. 2a Satz 2 und 3 SGB VIII verwendeten Begriffe ""ausgestalten"" und ""berücksichtigen"" (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 5 C 18.16 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr. 3 Rn. 14 f.) eine Frage - auch im gerichtlichen Verfahren - feststellbarer Tatsachen und nicht Ausdruck der Einräumung einer Gestaltungsfreiheit zugunsten der festlegenden Stelle. 19 bb) Auch der Sinn und Zweck des § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII spricht gegen die Annahme eines Beurteilungsspielraums. Dieser besteht ausgehend vom allgemeinen Zweck des § 23 SGB VIII, die Tagesbetreuung hinsichtlich deren Attraktivität für Tagespflegepersonen zu steigern, erkennbar darin zu verhindern, dass die Tagespflegeperson die entstandenen maßgeblichen Sachkosten aus eigenen Mitteln bzw. eigenem Vermögen oder zulasten des Anerkennungsbetrages nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII decken muss. Diesem Ziel entspricht es, wenn die Sachkostenermittlung nicht nur realitätsbezogen erfolgt, sondern dies auch im gerichtlichen Verfahren überprüft werden kann. 20 cc) Anhaltspunkte für einen Beurteilungsspielraum lassen sich zudem nicht, wie auch von anderen Obergerichten (so u. a. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. April 2016 - OVG 6 A 4.15 - juris Rn. 23; OVG Schleswig, Urteil vom 16. Januar 2020 - 3 KN 2/17 - juris Rn. 73) angenommen wird, aus einem systematischen Umkehrschluss zu § 23 Abs. 2 Nr. 3 und 4 SGB VIII mit der Begründung herleiten, dass dort jeweils die Erstattung ""nachgewiesener Aufwendungen"" in bestimmter Höhe vorgesehen ist, während § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII nicht die Erstattung eines ""nachgewiesenen"" Sachaufwands, sondern lediglich ""angemessener"" Kosten anordnet. Damit lässt sich zwar - wie bereits dargelegt - eine Pauschalierungsbefugnis der zuständigen Stelle bei der Festlegung der Sachkostenerstattung begründen. Eine solche Pauschalierungsbefugnis ist aber als solche nicht gleichzusetzen mit der Einräumung eines Beurteilungsspielraums (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. April 1995 - 5 B 36.94 - Buchholz 436.0 § 85 BSHG Nr. 13 S. 2; Seer, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK-GG, Stand Dezember 2022, Art. 108 Rn. 189 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1988 - 1 BvR 520/83 - BVerfGE 78, 214 = juris Rn. 43). Ermächtigt das Gesetz die Verwaltung zu eigenständigen Typisierungen und Pauschalierungen, bleiben die normativen Maßgaben, nach denen eine solche erfolgen soll, vielmehr auch dann grundsätzlich uneingeschränkt im gerichtlichen Verfahren überprüfbar, wenn es sich dabei - wie hier - um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt (vgl. Wernsmann, DStR-Beih 2011, 72 <74>). 21 Ebenfalls nicht weiterführend ist das Argument des Oberverwaltungsgerichts, für die Ausfüllung des Begriffs der ""angemessenen Kosten"" sei zu berücksichtigen, dass dem Träger der Jugendhilfe auch hinsichtlich der Festsetzung der Sachkostenerstattung durch § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII ein Beurteilungsspielraum eingeräumt sei, weil es sich dabei um eine normative Ermächtigung an den Träger der Jugendhilfe handele, die für die Bestimmung der Höhe der laufenden Geldleistung erforderlichen Beurteilungen letztverbindlich aus eigener - durch die Nähe zum Fall geprägte - Sachkunde zu treffen. Eine ausdrückliche gesetzliche Normsetzungsbefugnis, aus der ein gerichtlich gegebenenfalls nur eingeschränkt überprüfbares normatives Ermessen resultieren würde (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 21. September 2022 - 5 P 4.21 - Rn. 17), enthält § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII ersichtlich nicht. Auch soweit der Norm über die in ihr erkennbar normierte Zuständigkeitszuweisung sowie ihre Bedeutung für die Begründung einer Pauschalierungsbefugnis hinaus zu entnehmen ist, dass - wie oben dargelegt - nach Maßgabe des Landesrechts dabei auch ein Handeln in abstrakt-generellen Rechtsformen bis hin zum Erlass von Rechtsnormen (wie hier Satzungen) gestattet ist, verschieben sich dadurch - wie unten noch weiter darzulegen ist - die sich aus dem Bundesrecht ergebenden materiell-rechtlichen Maßstäbe der Festlegung nicht. 22 dd) Schließlich lassen sich auch den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte für eine Absicht des Gesetzgebers entnehmen, der Verwaltung einen eigenverantwortlichen Spielraum bei der Festlegung der Sachkostenerstattung zuzubilligen. Zwar soll nach dem Willen des Gesetzgebers der Verwaltung bei der Festsetzung des Betrages, mit dem die Förderleistung der Tagespflegeperson entgolten wird, ein eigener Gestaltungsspielraum belassen werden beziehungsweise die Gestaltungsfreiheit der Länder und Jugendhilfeträger erhalten bleiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 5 C 18.16 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr. 3 Rn. 17 unter Verweis auf BT-Drs. 16/9299 S. 14 f.). Diese Erwägungen beziehen sich allerdings ausdrücklich nur auf die Festlegung des Anerkennungsbetrages und lassen sich auf diejenige der Sachkostenerstattung nicht übertragen. Der Gesetzgeber nimmt insoweit zwar zur Begründung der Notwendigkeit der normativen Ausgestaltung des Anerkennungsbetrags auch auf die geänderte einkommensteuerrechtliche Behandlung der Einkünfte aus der Kindertagespflege durch die Finanzverwaltung Bezug und verweist in diesem Zusammenhang ebenfalls auf den Betriebskostenabzug im Rahmen der Steuererhebung (BT-Drs. 16/9299 S. 14). Diese Passagen, die die Praxis der Finanzverwaltung auch zum Sachaufwand lediglich referieren, lassen jedoch nicht ansatzweise den Schluss zu, der Gesetzgeber habe den für die Festlegung der laufenden Geldleistungen zuständigen Stellen hinsichtlich der Sachkostenerstattung einen Gestaltungsspielraum zubilligen wollen. 23 2. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts erweist sich nicht in vollem Umfang als im Ergebnis richtig (im Sinne von § 144 Abs. 4 VwGO). § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII lassen sich normative Vorgaben für die pauschalierende Ermittlung der zu erstattenden Sachkosten entnehmen (a). Diesen Vorgaben genügt die Beurteilung der Festlegung der Sachkosten durch die Beklagte im angefochtenen Beschluss nicht (b). Dies führt aber nur zum Teilerfolg der Revision (c). 24 a) § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII bestimmt, dass die laufenden Geldleistungen die Erstattung angemessener Kosten umfassen, die der Tagespflegeperson für den Sachaufwand entstehen. Die Erstattungsfähigkeit setzt also einerseits voraus, dass es sich dem normativen Begriff nach um relevante Sachkosten handelt, die als Aufwand der Tagespflegepersonen anzusehen sind. Diese müssen zudem inhaltlich als angemessen anzusehen sein. 25 aa) Die den Tagespflegepersonen zu erstattenden Kosten des Sachaufwands teilen als Bestandteil der laufenden Geldleistungen deren in § 23 Abs. 1 SGB VIII normierten funktionalen Bezug zu der Förderung der Kindertagespflege und beziehen sich daher auf den hierdurch entstehenden Aufwand. Dieser wird inhaltlich bestimmt durch den in § 22 Abs. 3 SGB VIII normierten Förderauftrag der Kindertagespflege, der Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes umfasst und sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes bezieht. Erstattungsfähige Sachkosten sind demzufolge Kosten derjenigen Sachmittel, die einen Bezug zur Erfüllung des Förderauftrags nach § 22 SGB VIII haben, weil sie hierfür geeignet sind und der Tagespflegeperson im Sinne von § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII entstehen. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Tagespflegeperson anderenfalls die wirtschaftliche Last für die aufgewendeten und angemessenen Sachmittel zu tragen hätte; sie soll diese weder aus eigenen Mitteln bzw. eigenem Vermögen noch zulasten des Anerkennungsbetrages nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII decken müssen. 26 bb) Inhaltlich angemessen sind Kosten des Sachaufwands zunächst, wenn sie gemessen an den örtlichen Verhältnissen üblicherweise für einen in der Kindertagespflege typischen Standard anfallen und auch - was hier vom Senat nicht zu prüfen ist - deren Höhe nach marktüblich sind. Dies ergibt eine Auslegung des § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII nach Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck der Norm. 27 Mit Blick auf den Aufbau der Vorschrift lässt sich bereits aus der Wortstellung entnehmen, dass sich das Angemessenheitserfordernis als gewissermaßen vor die Klammer gezogener Begriff sowohl auf die jeweilige Sachaufwendung als auch auf die Angemessenheit der betragsmäßigen Erstattungshöhe bezieht. Voraussetzung der Erstattungsfähigkeit des Sachaufwands für die Kindertagespflege ist also seine Angemessenheit dem Grunde wie auch der Kostenhöhe nach. Den Gesetzesmotiven lässt sich zudem entnehmen, dass das Angemessenheitserfordernis eine ortsbezogene, d. h. auf den Zuständigkeitsbereich der die Geldleistungen festlegenden Stelle orientierte Betrachtung beinhaltet. Dies ergibt sich namentlich daraus, dass der Gesetzgeber deshalb von einer eigenen (bundeseinheitlichen) Festsetzung der laufenden Geldleistungen in pauschalierter Form - auch hinsichtlich ihres Sachkostenanteils - abgesehen hat, weil er es für erforderlich gehalten hat, dass die Geldleistungen unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten Rechnung tragen (vgl. BT-Drs. 15/3676, S. 33). 28 Hinsichtlich der Anforderungen an die Ermittlung des dem Grunde nach angemessenen Sachaufwands ist der systematische Zusammenhang zu dem in § 22 Abs. 3 SGB VIII formulierten Förderauftrag in den Blick zu nehmen. Zu fragen ist, welcher Sachaufwand hinsichtlich Umfang und Qualität zur Erfüllung dieser gesetzlich geforderten Aufgaben erforderlich und insofern im Sinne eines Bedarfs üblich ist. Abzustellen ist demgemäß auf den Bedarf an Sachmitteln, welcher eine sachgerechte Erfüllung des gesetzlichen Standards ermöglicht. 29 b) Diesen Anforderungen genügt die Beurteilung des Oberverwaltungsgerichts in Bezug auf die zwischen den Beteiligten allein streitige Frage der Berücksichtigung der Verpflegungskosten in der von der Beklagten gewährten Sachkostenpauschale nur teilweise. Es ist zwar im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin ein Neubescheidungsanspruch zusteht (aa). Nicht berücksichtigt worden ist aber, dass die Beklagte diesem Anspruch möglicherweise Einwendungen entgegenhalten kann (bb). 30 aa) Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Klägerin ein Neubescheidungsanspruch zusteht, weil der Träger der öffentlichen Jugendhilfe grundsätzlich nicht berechtigt ist, einzelne Aufwandsbestandteile einschließlich der Verpflegungskosten aus der Sachkostenerstattung herauszunehmen (1). Es hat zudem zutreffend erkannt, dass auch Landesrecht hierzu nicht ermächtigt (2). 31 (1) Die Kosten der Verpflegung der in der Tagespflege geförderten Kinder gehören als Kosten der Betreuung zu den Sachkosten im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII. Es handelt sich um Sachaufwendungen, die einen Bezug zur Erfüllung des Förderauftrags nach § 22 SGB VIII aufweisen, weil sie hierfür geeignet sind soweit sie der Tagespflegeperson tatsächlich entstehen (i. S. v. § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII). Der danach relevante Sachaufwand ist den Tagespflegepersonen prinzipiell einschränkungslos zu erstatten. Insbesondere besteht keine Befugnis des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, die Tagespflegeperson hinsichtlich einzelner Bestandteile zu erstattenden Sachaufwendungen auf das zwischen ihr und den Erziehungsberechtigten bestehende privatrechtliche Betreuungsverhältnis zu verweisen (vgl. ebenso OVG Lüneburg, Urteil vom 20. November 2012 - 4 KN 319.09 - OVGE MüLü 55, 442 = juris Rn. 67; OVG Münster, Urteil vom 22. August 2014 - 12 A 591.14 - juris Rn. 153 ff. m. w. N.). Dies gilt auch dann, wenn die Sachkostenerstattung in Form eines Pauschalbetrages erfolgt. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn einzelne Kostenbestandteile ausdrücklich aus der pauschalen Festlegung ausgeklammert werden, müsste dann aber einer Erstattung durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Einzelfallprüfung vorbehalten bleiben. 32 (2) Nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Beklagte könne sich hinsichtlich der von ihr vorgenommenen Satzungsregelung nicht auf eine landesrechtliche Ermächtigung zur Ausgestaltung des Sachkostenerstattungsanspruchs berufen. 33 (a) Eine solche Ermächtigung des Inhalts, der Landesgesetzgeber könne den Inhalt und Umfang der zu erstattenden Sachkosten bestimmen und dabei zum Nachteil der Tagespflegepersonen vom Bundesrecht abweichen, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. 34 Sie ist zunächst entgegen der Ansicht der Beklagten nicht in § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII enthalten. Soweit danach Landesrecht ""etwas anderes"" bestimmen kann, bezieht sich diese Aussage der systematischen Stellung nach allein auf die Frage der für die Bestimmung der Höhe der laufenden Geldleistungen zuständigen Behörde und darüber hinaus auf die Rechtsform, in der eine solche Festlegung vorgenommen wird. Schon mit Blick auf den Wortlaut fehlt es demgemäß an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, die Regelungsbefugnis des Landesgesetzgebers solle sich auch auf die materiellen Vorgaben für die Höhe der Geldleistungen nach § 23 Abs. 2 SGB VIII beziehen. Auch im Übrigen besteht - wie bereits ausgeführt - entgegen der Ansicht der Beklagten hinsichtlich der Bestimmung der Sachkostenerstattung kein Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum, der durch Landesrecht ausgefüllt werden könnte. 35 Ein entsprechender Landesrechtsvorbehalt ergibt sich auch nicht aus § 26 Satz 1 SGB VIII. Die Vorschrift besagt, dass das Nähere über Inhalt und Umfang der im Vierten Abschnitt des Gesetzes geregelten Aufgaben und Leistungen das Landesrecht regelt. Die danach auch für den Leistungsinhalt bestehende Ausgestaltungsbefugnis bezieht sich zwar systematisch ebenfalls auf die in § 23 SGB VIII vorgesehenen Leistungen. Sie ermächtigt aber jedenfalls nicht zum Unterschreiten einer bundesrechtlichen Vollregelung, wenn und soweit der Bundesgesetzgeber bereits eine solche getroffen hat. Hiervon ist jedoch auch bezüglich § 23 SGB VIII auszugehen. Zwar hat sich der Bundesgesetzgeber ursprünglich im Bereich des Jugendhilferechts auf ""Rahmenregelungen"" beschränken und die Einzelheiten dem Landesrecht überlassen wollen (vgl. BT-Drs. 11/5948 S. 66). Später hat er allerdings deutlich gemacht, dass er auch die Vorschriften über die Regelung der Kindertagespflege nunmehr als ""einheitliche Basisnormen"" verstehen will, die einer nicht hinzunehmenden Rechtszersplitterung entgegenwirken und eine verlässliche Rechtsgrundlage schaffen sollen (vgl. BT-Drs. 15/3676 S. 22 f.). Dieses Verständnis des Bundesgesetzgebers steht der Annahme entgegen, durch Landesrecht könne zum Nachteil der Tagespflegepersonen von den Bestimmungen in § 23 Abs. 2, 2a Satz 2 SGB VIII abgewichen werden. 36 (b) Unbeschadet dessen ist das Oberverwaltungsgericht auch unabhängig von der Anwendung des Bundesrechts zu der Überzeugung gekommen, dass - anders als von der Beklagten angenommen - eine solche Abweichung hinsichtlich der Erstattung der Verpflegungskosten dem Landesrecht nicht entnommen werden kann, weil sie in § 23 Abs. 1 Satz 3 und 4 KiBiz a. F. (nunmehr § 51 Abs. 1 Satz 3 bis 5 KiBiz) nicht enthalten ist. Ebenso wenig liegt darin eine Ermächtigung an den Träger der öffentlichen Jugendhilfe, Teile der Sachkostenerstattung zwingend in das Rechtsverhältnis zwischen Tagespflegeperson und Eltern zu verlagern. An diese Auslegung des irrevisiblen Landesrechts ist der Senat gebunden (§ 173 Satz 1 VwGO, § 560 ZPO). 37 bb) Nicht berücksichtigt worden ist in dem angefochtenen Beschluss jedoch, dass die Beklagte diesem Anspruch im Rahmen der Neubescheidung auf der Grundlage der oben genannten Maßstäbe möglicherweise die Ergebnisrichtigkeit des von ihr zugrunde gelegten Sachkostensatzes entgegenhalten kann. Das Oberverwaltungsgericht hat zunächst den Einwand der Beklagten zu Unrecht für unerheblich gehalten, dass den Kindertagespflegepersonen im Bereich der Beklagten im maßgeblichen Zeitraum üblicherweise keine Verpflegungskosten entstanden sind, weil sie typischerweise von den Eltern übernommen wurden. Es hat auch nicht berücksichtigt, dass die von der Beklagten in Anlehnung an die steuerrechtlich anerkannte Betriebskostenpauschale in Höhe von 300 € pro Kind und Monat angesetzte pauschalierte Sachkostenerstattung möglicherweise so hoch ist, dass die von der Klägerin geltend gemachten zusätzlichen Verpflegungskosten darin bereits enthalten sind. 38 (1) Die Erstattung der Sachkosten hängt nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII davon ab, dass diese der Tagespflegeperson entstehen. Eine Nichtberücksichtigung eines Aufwandsbestandteils in einem pauschalierten Sachkostensatz ist mit Blick darauf nicht, wie das Oberverwaltungsgericht gemeint hat, erst dann zulässig, wenn ein bestimmter Aufwand bei sämtlichen Tagespflegepersonen im Bereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe nicht anfällt. 39 Von einem Entstehen der Aufwendungen ist auszugehen, wenn die Tagespflegeperson ohne die Sachkostenerstattung die wirtschaftliche Last für die aufgewendeten und angemessenen Sachmittel zu tragen hätte; sie soll diese weder aus eigenen Mitteln bzw. eigenem Vermögen noch zulasten des Anerkennungsbetrages nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII decken müssen. Vor diesem Hintergrund ist entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts die Behauptung der Beklagten nicht unerheblich, nach der Praxis in ihrem Zuständigkeitsbereich würden überwiegend Vereinbarungen zwischen den Tagespflegepersonen und den Eltern über die Übernahme der Verpflegungskosten getroffen. Sie führt vielmehr auf den Einwand, bei den Verpflegungskosten handele es sich schon dem Grunde nach um Kosten, die üblicherweise in ihrem örtlichen Einzugsbereich überhaupt nicht bei den Tagespflegepersonen anfielen, weil sie nämlich tatsächlich wirtschaftlich nicht von ihnen getragen, sondern auf Dritte abgewälzt werden. Beachtlich wäre der Einwand bezogen auf den Zeitpunkt der Festlegungsentscheidung dann, wenn im Gebiet der Beklagten von dem ganz überwiegenden Teil der Tagespflegepersonen tatsächlich keine Verpflegungskosten zu tragen wären, weil sie von den Eltern übernommen werden. Soweit dies im Übrigen dazu führt, dass bei einzelnen Tagespflegepersonen die ihnen tatsächlich entstandenen Sachkosten nicht durch die Pauschale abgedeckt werden, ist dies nicht zu beanstanden, weil Kosten für einen nach den örtlichen Verhältnissen typischerweise nicht entstehenden Aufwand gerade nicht zu den ""angemessenen Kosten"" im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII gehören. 40 Feststellungen zu der - von der Beklagten bisher auch nicht näher untermauerten - Behauptung, Verpflegungskosten würden üblicherweise von den Eltern übernommen, hat das Oberverwaltungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - allerdings nicht getroffen. Die Beklagte könnte auf dieser Grundlage bei der Neubescheidung den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auch nur verweigern, wenn sie das Bestehen einer solchen Praxis schon im Zeitpunkt der Festlegungsentscheidung zweifelsfrei belegen könnte. 41 (2) Das Oberverwaltungsgericht hat auch nicht berücksichtigt, dass der von der Beklagten festgelegte Sachkostensatz möglicherweise eine Höhe erreicht, durch die er auch die von der Klägerin noch geltend gemachten Verpflegungskosten bereits abdeckt. 42 Die Beklagte hat nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts den pauschalen Sachkostensatz aus dem von der Finanzverwaltung ohne weitere Prüfung als Betriebskostenpauschale anerkannten Betrag in Höhe von 300 € pro Kind und Monat (Rundschreiben des BMF vom 11. November 2016 - BStBl. I 2016, S. 1236 - bzw. vom 17. Dezember 2007 - BStBl. I 2008, S. 17 -) abgeleitet. Diesem Pauschalbetrag kann aber im Rahmen der Ermittlung der Angemessenheit nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII keine verbindliche Wirkung zukommen, weil dies die vom Gesetzgeber gewollte Ausrichtung der Obergrenze an den örtlichen Verhältnissen unterläuft. Wegen des notwendigen Ortsbezugs der Höhe der Geldleistungen darf der Träger der öffentlichen Jugendhilfe diese Betriebskostenpauschale nicht unbesehen seiner Festlegungsentscheidung hinsichtlich der Sachkostenerstattung zugrunde legen. Zum einen kann deshalb nicht darauf geschlossen werden, eine Festlegung der zu erstattenden Sachkosten, welche die Höhe der steuerlichen Betriebskostenpauschale erreicht oder überschreitet, sei stets unbedenklich. Zum anderen verbietet sich die Annahme, allein die Unterschreitung dieser Pauschale führe von Rechts wegen zur Unzulänglichkeit einer Sachkostenpauschale i. S. v. § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2022 - 5 C 1.21 - Rn. 40). Allerdings erscheint es in tatsächlicher Hinsicht auch nicht unmöglich, dass die von der Finanzverwaltung angewendete Betriebskostenpauschale ihrer Höhe nach die im Bereich eines Jugendhilfeträgers tatsächlich anzuerkennenden angemessenen Sachkosten nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII decken bzw. überschreiten kann. Dafür spricht, dass diese bundesweit geltende Pauschale ausgehend von den Erfahrungen der Finanzverwaltung so hoch gewählt worden sein dürfte, dass sie in den meisten Fällen ihrem Zweck genügen kann, Einzelfallprüfungen der Betriebskosten von Tagespflegepersonen zu vermeiden und zwar auch dort, wo aufgrund der örtlichen Bedingungen mit einem vergleichsweise hohen Sachaufwand zu rechnen ist. Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass auch der von der Beklagten in ihrer Satzung vorgesehene pauschale Sachkostensatz die tatsächlich angemessene Sachkostenerstattung einschließlich etwaig zu berücksichtigender Verpflegungskosten bereits abdecken könnte. Will die Beklagte sich hierauf bei der Neubescheidung berufen, müsste sie eine solche Abdeckung allerdings in hinreichender Weise kalkulatorisch belegen (allgemein zu den diesbezüglichen Maßstäben vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2022 - 5 C 1.21 - Rn. 34). 43 c) Demgemäß ist das Neubescheidungsbegehren der Klägerin zwar gerechtfertigt, sodass die Revision der Beklagten insoweit unbegründet ist und nicht zur begehrten Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils führt. Die angefochtene Berufungsentscheidung kann aber gleichwohl nicht vollständig bestehen bleiben. Denn aufgrund der in § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO angeordneten Bindung an die einem Bescheidungsausspruch zugrundeliegende Rechtsauffassung führt ein Rechtsmittel gegen eine solche Entscheidung auch dann zu einem anderen Ergebnis, wenn sich die Rechtsauffassung, die bei der Neubescheidung maßgebend sein soll, als unzutreffend erweist. In diesem Fall - und so liegt es hier - hat das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung aufzuheben und gegebenenfalls selbst ein Bescheidungsurteil zu erlassen, in dem es seine eigene bei der Neubescheidung zu beachtende Rechtsauffassung zum Ausdruck bringt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1995 - 8 C 8.93 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 70 S. 7 f. m. w. N.). 44 3. Die Kostenentscheidung in dem angefochtenen Beschluss kann vor diesem Hintergrund Bestand haben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Nichterhebung von Gerichtskosten folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO." bverwg_2022-73,29.11.2022,"Pressemitteilung Nr. 73/2022 vom 29.11.2022 EN Wählbarkeit von Personen mit Migrationshintergrund zu einem Integrationbeirat darf nicht von gesichertem Aufenthaltsrecht abhängen Das Ziel, eine kontinuierliche Mitwirkung im Integrationsbeirat zu gewährleisten, rechtfertigt es nicht, die Wählbarkeit von Personen mit Migrationshintergrund von einem gesicherten Aufenthaltsrecht abhängig zu machen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Im Oktober 2015 bildete der Landkreis Leipzig einen Integrationsbeirat. Nach der dazu erlassenen Vorschrift gehörten zu den zu wählenden Mitgliedern unter anderem zwei im Landkreis lebende Personen mit Migrationshintergrund. Im September 2018 wurde die Vorschrift dahin geändert, dass zum Integrationsbeirat drei Einwohner mit Migrationshintergrund zu wählen sind, die über die deutsche Staatsangehörigkeit oder ein gesichertes Aufenthaltsrecht verfügen, nämlich eine Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis oder eine unionsrechtliche Freizügigkeitsberechtigung. Der Aufenthalt der im Landkreis wohnenden Antragsteller wird seit vielen Jahren geduldet. Das Oberverwaltungsgericht hat ihren Normenkontrollantrag gegen die Einschränkung der Wählbarkeit zum Integrationsbeirat abgelehnt. Die Benachteiligung von Personen ohne gesichertes Aufenthaltsrecht sei am Willkürverbot zu messen. Sie sei nicht zu beanstanden, weil bei Ausländern ohne gesichertes Aufenthaltsrecht grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie mittel- oder längerfristige Vorhaben der Integrationsarbeit begleiten könnten. Die Revision der Antragsteller hatte Erfolg. Die Beschränkung der Wählbarkeit zum Integrationsbeirat verletzt das Grundrecht auf Gleichbehandlung und ist deshalb unwirksam. Sie ist nicht nur am Willkürverbot, sondern am strengeren Maßstab des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu messen, weil sie an ein für die Betroffenen kaum zu beeinflussendes Merkmal - den rechtlichen Aufenthaltsstatus - anknüpft. Die angegriffene Regelung benachteiligt Personen mit Migrationshintergrund, die über kein gesichertes Aufenthaltsrecht verfügen. Sie dient zwar einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck, weil sie darauf zielt, eine kontinuierliche Mitwirkung der Gewählten im Beirat zu sichern. Das Unterscheidungskriterium des gesicherten Aufenthaltsrechts ist aber nicht geeignet, dieses Ziel zu verwirklichen, weil es keine Rückschlüsse auf die voraussichtliche Dauer des Aufenthalts im Landkreis erlaubt. Für die Aufenthaltsdauer wesentliche rechtliche Möglichkeiten zur Verlängerung und Verfestigung des Aufenthalts werden ausgeblendet. Gleiches gilt für die tatsächlichen Umstände des Aufenthalts. So kann sich bei einer Duldung zu Ausbildungszwecken oder wegen eines langjährigen Kriegs oder Bürgerkriegs im Herkunftsstaat ebenfalls eine voraussichtlich längere Aufenthaltsdauer ergeben. BVerwG 8 CN 1.22 - Urteil vom 29. November 2022 Vorinstanz: OVG Bautzen, OVG 4 C 20/19 - Urteil vom 13. Oktober 2020 -","Urteil vom 29.11.2022 - BVerwG 8 CN 1.22ECLI:DE:BVerwG:2022:291122U8CN1.22.0 EN Kein Ausschluss der Wählbarkeit zu einem Integrationsbeirat bei Fehlen eines gesicherten Aufenthaltsrechts Leitsätze: 1. Eine Satzungsregelung, die die Wählbarkeit zu einem kommunalen Integrationsbeirat auf Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit oder einem gesicherten Aufenthaltsrecht im Sinne unionsrechtlicher Freizügigkeitsberechtigung oder einer Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz beschränkt, verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG. 2. Eine satzungsrechtliche Ungleichbehandlung nach der voraussichtlichen Bleibedauer im Inland darf – unabhängig von der Frage ihrer Zulässigkeit im Übrigen – nicht an den Aufenthaltsstatus als Differenzierungskriterium anknüpfen; dieser eignet sich nicht als Grundlage einer Prognose der tatsächlichen Dauer des Aufenthalts in Deutschland. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1 und 3 SächsVerf Art. 18 Abs. 1 AufenthG § 25 Abs. 5 ZPO § 264 Nr. 3, § 560 VwGO § 42 Abs. 2, § 47 Abs. 2 Satz 1, § 142 Abs. 1 Satz 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SächsLKrO § 43 Abs. 1 Satz 1 Ordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirates im Landkreis Leipzig § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Buchst. c Hauptsatzung Landkreis Leipzig § 16c Abs. 4 Buchst. c Instanzenzug OVG Bautzen - 13.10.2020 - AZ: 4 C 20/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.11.2022 - 8 CN 1.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:291122U8CN1.22.0] Urteil BVerwG 8 CN 1.22 OVG Bautzen - 13.10.2020 - AZ: 4 C 20/19 In der Normenkontrollsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2022 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Hoock und Dr. Rublack sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller und Dr. Meister für Recht erkannt: Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 2020 wird geändert. Es wird festgestellt, dass § 16c Abs. 4 Buchst. c der Hauptsatzung des Antragsgegners vom 21. Juli 2021 insoweit unwirksam ist, als über die darin genannte Voraussetzung eines Migrationshintergrundes hinaus die deutsche Staatsangehörigkeit oder ein gesichertes Aufenthaltsrecht gefordert wird. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gründe I 1 Die Antragsteller wenden sich gegen eine Satzungsregelung des Antragsgegners, nach der Personen mit Migrationshintergrund zum Integrationsbeirat des Antragsgegners nur wählbar sind, wenn sie über die deutsche Staatsangehörigkeit oder ein - näher definiertes - gesichertes Aufenthaltsrecht verfügen. 2 Im Oktober 2015 richtete der Antragsgegner gestützt auf § 43 Abs. 1 Satz 1 der Sächsischen Landkreisordnung - SächsLKrO - einen Integrationsbeirat ein. Aufgaben und Ziele, Zusammensetzung und Geschäftsgang wurden in der Ordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirates im Landkreis Leipzig - IBO - vom 9. Dezember 2015 (ABl. Nr. 12/2015 S. 17) geregelt. § 1 Abs. 1 IBO sah vor, dass der Integrationsbeirat den Kreistag in Fragen berät, die die Menschen mit Migrationshintergrund in seinem Gebiet berühren, die Integration im Landkreis lebender Personen mit Migrationshintergrund aktiv fördert und sie ermuntert, Integrationsangebote zu nutzen. § 2 Abs. 1 Buchst. c IBO bestimmte, dass dem Integrationsbeirat auch zwei im Landkreis lebende Personen mit Migrationshintergrund angehören sollten. 3 Im September 2018 fasste der Antragsgegner § 2 Abs. 1 Buchst. c IBO neu. Dem Integrationsbeirat sollten zukünftig drei seiner Einwohner ""mit Migrationshintergrund und deutscher Staatsangehörigkeit oder gesichertem Aufenthaltsrecht, d. h. ausländische Personen mit Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis, freizügigkeitsberechtigte EU-Bürger/innen und freizügigkeitsberechtigte ausländische Angehörige von EU-Bürger/innen"" angehören. 4 Die Antragsteller sind pakistanische Staatsangehörige, die im Gebiet des Antragsgegners wohnen. Nach rechtskräftiger Ablehnung ihrer Asylanträge erhielten sie regelmäßig verlängerte Duldungen. 5 Am 11. Oktober 2019 haben sie beim Oberverwaltungsgericht einen Normenkontrollantrag gegen § 2 Abs. 1 Buchst. c IBO in der Neufassung von 2018 gestellt. Zur Begründung haben sie ausgeführt, es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 18 SächsVerf, Personen mit Migrationshintergrund ohne deutsche Staatsangehörigkeit oder gesichertes Aufenthaltsrecht von der Wählbarkeit zum Integrationsbeirat auszuschließen. 6 Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag mit Urteil vom 13. Oktober 2020 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsgegner habe das ihm durch § 43 Abs. 1 SächsLKrO eingeräumte Ermessen bei der Ausgestaltung des Integrationsbeirates in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Insbesondere verstoße die Ermessensausübung nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 18 Abs. 1 SächsVerf. Dessen Anforderungen gingen vorliegend nicht über das bloße Willkürverbot hinaus. Freiheitsrechte der Antragsteller seien nicht betroffen. Das Differenzierungskriterium des gesicherten Aufenthaltsrechts knüpfe weder an ein persönliches Merkmal an, das für die Antragsteller nur schwer verfügbar sei, noch weise es eine Nähe zu Art. 3 Abs. 3 GG auf. Die Wählbarkeit von Einwohnern mit Migrationshintergrund auf solche zu beschränken, die deutsche Staatsangehörige seien oder über ein gesichertes Aufenthaltsrecht verfügten, sei gerechtfertigt, weil bei Ausländern ohne gesichertes Aufenthaltsrecht grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie mittel- oder längerfristige Vorhaben der Integrationsarbeit begleiten könnten. 7 Im Juli 2021 hat der Antragsgegner die Wählbarkeit zum Integrationsbeirat in seiner Hauptsatzung geregelt. § 16c Abs. 4 Buchst. c der Hauptsatzung bestimmt seitdem, dass dem Integrationsbeirat drei Einwohner des Antragsgegners mit Migrationshintergrund und deutscher Staatsangehörigkeit oder gesichertem Aufenthaltsrecht, ""d. h. ausländische Personen mit Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis, freizügigkeitsberechtigte EU-Bürger und freizügigkeitsberechtigte ausländische Angehörige von EU-Bürgern"" angehören. Im Oktober 2021 hat der Antragsgegner die Ordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirates im Landkreis Leipzig aufgehoben. 8 Die Antragsteller haben ihren Normenkontrollantrag daraufhin auf § 16c Abs. 4 Buchst. c der Hauptsatzung des Antragsgegners umgestellt und tragen zur Begründung ihrer Revision vor, die Vorschrift verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit sie Personen mit Migrationshintergrund ohne deutsche Staatsangehörigkeit oder gesichertes Aufenthaltsrecht von der Wählbarkeit zum Integrationsbeirat ausschließe. Die durch die Vorschrift bewirkte Ungleichbehandlung sei einer strengen Verhältnismäßigkeitskontrolle zu unterwerfen und nicht lediglich am Willkürverbot zu messen. Sie sei unverhältnismäßig und willkürlich, weil sie schon nicht geeignet sei, das mit ihr verfolgte Ziel der Sicherung der Arbeit des Integrationsbeirates zu erreichen. Der Aufenthaltsstatus lasse keine Rückschlüsse auf die typische Aufenthaltsdauer zu. 9 Am 10. Oktober 2022 hat der Antragsgegner dem bis dahin geduldeten Antragsteller zu 2 eine bis zum 9. Oktober 2023 befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt. 10 Die Antragsteller beantragen, das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 2020 zu ändern und festzustellen, dass § 16c Abs. 4 Buchst. c der Hauptsatzung des Antragsgegners vom 21. Juli 2021 insoweit unwirksam ist, als über die darin genannte Voraussetzung eines Migrationshintergrundes hinaus die deutsche Staatsangehörigkeit oder ein gesichertes Aufenthaltsrecht gefordert wird. 11 Der Antragsteller zu 2 beantragt hilfsweise, das genannte Urteil zu ändern und festzustellen, dass § 16c Abs. 4 Buchst. c der Hauptsatzung insoweit unwirksam war. 12 Der Antragsgegner beantragt, die Revision zurückzuweisen. 13 Er hält die Umstellung des Antrags für unzulässig und verteidigt das angefochtene Urteil im Übrigen in der Sache. 14 Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht am Verfahren. II 15 Die zulässige Revision ist begründet. Die angegriffene Regelung ist unwirksam. 16 1. Der Hauptantrag der Antragsteller ist zulässig. 17 a) In der Umstellung des Antrags liegt keine gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässige Antragsänderung. Insoweit kann offenbleiben, ob eine Änderung des Antragsbegehrens vorliegt, obwohl die angegriffene Regelung lediglich - unverändert - in die Hauptsatzung verschoben wurde. Selbst bei Annahme einer Antragsänderung wäre diese jedenfalls nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 3 ZPO zulässig. Die Aufnahme der verfahrensgegenständlichen Wählbarkeitsvoraussetzungen zum Integrationsbeirat in § 16c Abs. 4 Buchst. c der Hauptsatzung des Antragsgegners und die sich daran anschließende Aufhebung der Ordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirates im Landkreis Leipzig ist eine später, nach Antragstellung eingetretene Veränderung im Sinne der Vorschrift. Die von dieser vorausgesetzte Identität des Klagegrundes ist ebenfalls gegeben. Bei ihrer Beurteilung bleiben die Veränderung selbst und die Umstände, die sie herbeigeführt haben, außer Betracht (vgl. Becker-Eberhard, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Auflage 2020, § 264 Rn. 25 m. w. N.). Im Übrigen hat sich der zur Begründung des Antrags vorgetragene Lebenssachverhalt nicht geändert. 18 b) In der Präzisierung des Begehrens durch den Revisionsantrag liegt keine teilweise Antragsrücknahme entsprechend § 92 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Sie lässt das Antragsziel und den ihm zugrundeliegenden Sach- und Streitstoff unverändert. Nach wie vor wenden die Antragsteller sich dagegen, dass die angegriffene Regelung die Wählbarkeit von Personen mit Migrationshintergrund zum Integrationsbeirat davon abhängig macht, dass diese über die deutsche Staatsangehörigkeit oder ein gesichertes Aufenthaltsrecht im Sinne der Vorschrift verfügen. 19 c) Der Antrag wahrt die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch hinsichtlich der Umstellung des Antrages auf die Regelung in § 16c Abs. 4 Buchst. c der Hauptsatzung. Nachdem der Antragsgegner die angegriffenen Satzungsbestimmungen am 6. September 2021 in seinem Amtsblatt bekanntgemacht hatte, haben die Antragsteller am 1. Dezember 2021 ihren Antrag rechtzeitig umgestellt. 20 d) Beide Antragsteller sind antragsbefugt. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann jede natürliche oder juristische Person einen Normenkontrollantrag stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 Abs. 2 VwGO. Deshalb genügt es, wenn ein Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem eigenen subjektiven Recht verletzt wird. Die Antragsbefugnis fehlt nur, wenn unter Zugrundelegung des Antragsvorbringens Rechte des Antragstellers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18. März 2021 - 7 CN 1.20 - BVerwGE 172, 37 Rn. 10 m. w. N.). 21 Danach ist der Antragsteller zu 1 als Inhaber einer Duldung antragsbefugt, weil § 16c Abs. 4 Buchst. c der Hauptsatzung des Antragsgegners ihn von der Wählbarkeit zum Integrationsbeirat ausschließt und er dadurch in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sein kann. 22 Der Antragsteller zu 2 ist antragsbefugt schon, weil er durch die angegriffene, seinerzeit in der Integrationsbeiratsordnung 2018 enthaltene Regelung bei den letzten Wahlen zum Integrationsbeirat von der Wählbarkeit ausgeschlossen war und die deshalb mögliche Verletzung in Art. 3 Abs. 1 GG nicht mit der späteren Änderung seines Aufenthaltsstatus entfallen ist. Darüber hinaus kann er sich darauf berufen, durch § 16c Abs. 4 Buchst. c der Hauptsatzung des Antragsgegners in absehbarer Zeit in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt zu werden. Absehbar im Sinne von § 47 Abs. 2 VwGO ist eine behauptete künftige Rechtsverletzung, wenn sie sich der angegriffenen Norm schon tatsächlich und rechtlich zuordnen lässt, weil die Entwicklung von der angegriffenen Norm zu der geltend gemachten Betroffenheit eine konkrete Wahrscheinlichkeit für sich hat (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1998 - 1 CN 1.98 - BVerwGE 108, 182 <184>). Davon ist hier in Bezug auf den Antragsteller zu 2 auszugehen. Denn seine Wählbarkeit zum Integrationsbeirat aufgrund der ihm erteilten Aufenthaltserlaubnis endet nach dem derzeitigen Stand mit Ablauf des 9. Oktober 2023 vor den nächsten Wahlen zum Integrationsbeirat. Ob die ihm erteilte Aufenthaltserlaubnis verlängert wird, ist derzeit nicht absehbar. 23 2. Das angegriffene Urteil beruht auf der Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Das Oberverwaltungsgericht hätte die Beschränkung der Wählbarkeit von Einwohnern des Antragsgegners mit Migrationshintergrund ohne deutsche Staatsangehörigkeit oder gesichertes Aufenthaltsrecht am Verhältnismäßigkeitsprinzip und nicht lediglich am Maßstab des Willkürverbots messen müssen. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Daraus ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen (BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240 <254>). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht nur, dass die Ungleichbehandlung an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium anknüpft, sondern verlangt auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerwG, Urteil vom 6. April 2022 - 8 C 9.21 - NVwZ 2022, 1644 Rn. 24). 24 Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (BVerwG, Urteil vom 6. April 2022 - 8 C 9.21 - NVwZ 2022, 1644 Rn. 25). Die verfassungsrechtlichen Anforderungen verschärfen sich zudem, je weniger die Merkmale, an die die Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (stRspr, vgl. BVerfG, Urteile vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 - BVerfGE 138, 136 Rn. 121 f. und vom 26. Mai 2020 - 1 BvL 5/18 - BVerfGE 153, 358 Rn. 94 f.). Eine strenge Bindung an die Erfordernisse des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gilt schließlich auch dann, wenn eine Differenzierung unmittelbar oder mittelbar zu einer Ungleichbehandlung von Personengruppen führt (BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2013 - 2 BvR 909, 1981/06 u. a. - BVerfGE 133, 377 Rn. 75). 25 Das angegriffene Urteil geht davon aus, eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung wegen eines für den Einzelnen nicht oder kaum verfügbaren Differenzierungsmerkmals könne nur bei einer Ungleichbehandlung wegen persönlicher Merkmale vorliegen. Diese Annahme trifft nicht zu. Sie lässt unberücksichtigt, dass auch andere Differenzierungskriterien dem Einfluss des Betroffenen ganz oder weitgehend entzogen sein können (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 26. März 2019 - 1 BvR 673/17 - BVerfGE 151, 101 Rn. 64 f. zur Stiefkindadoption). Zu den nicht oder kaum verfügbaren Differenzierungsmerkmalen gehört nach der neueren bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auch der aufenthaltsrechtliche Status nicht freizügigkeitsberechtigter Personen, also solcher, die weder über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen noch nach unionsrechtlichen Vorschriften Freizügigkeit genießen (BVerfG, Beschlüsse vom 6. Juli 2004 - 1 BvL 4/97 u. a. - BVerfGE 111, 160 <169 f.> und vom 28. Juni 2022 - 2 BvL 9/14 u. a. - NVwZ 2022, 1452 Rn. 87). Dies gilt besonders für Inhaber humanitärer Aufenthaltstitel, weil etwa das Bestehen zielstaatsabhängiger Abschiebungshindernisse oder die Fortdauer kriegerischer Auseinandersetzungen im Heimatstaat durch sie offensichtlich nicht beeinflusst werden können. Auch die Integration in den Arbeitsmarkt ist nicht zwangsläufig durch eigenes Verhalten zu beeinflussen, weil sie auch von der jeweiligen Arbeitsmarktsituation und der familiären Lage der Betroffenen abhängen kann (BVerfG, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 2 BvL 9/14 u. a. - NVwZ 2022, 1452 Rn. 87). 26 Danach hätte das angegriffene Urteil sich nicht auf eine Willkürkontrolle beschränken dürfen. Vielmehr hätte es die Ungleichbehandlung am Maßstab der Verhältnismäßigkeit prüfen müssen. Das Bestehen eines gesicherten Aufenthaltsrechts im Sinne des § 16c Abs. 4 der Hauptsatzung des Antragsgegners ist für die Betroffenen nicht verfügbar. Die von diesem Begriff umfasste unionsrechtliche Freizügigkeitsberechtigung ist regelmäßig aus der Unionsbürgerschaft und den daran anknüpfenden Rechten von Unionsbürgern und deren Angehörigen abgeleitet; damit ist sie - abgesehen von ihrer Nähe zu den Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 GG - vom Einzelnen ebenso wenig zu beeinflussen wie nach der eben dargestellten Rechtsprechung der Aufenthaltsstatus nicht freizügigkeitsberechtigter Personen. 27 3. Das angegriffene Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). § 16c Abs. 4 Buchst. c der Hauptsatzung des Antragsgegners verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit er die Wählbarkeit von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit vom Bestehen eines gesicherten Aufenthaltsrechts im dort definierten Sinne abhängig macht. Diese Differenzierung nach dem Aufenthaltsstatus ist unverhältnismäßig. 28 Allerdings verfolgt sie ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel. Das Oberverwaltungsgericht hat die inhaltsgleiche Vorläuferregelung des § 16c Abs. 4 Buchst. c der Hauptsatzung des Antragsgegners dahingehend verstanden, dass sie die Begleitung mittel- oder langfristiger Vorhaben der Integrationsarbeit sicherstellen soll. An diese teleologische Auslegung der irrevisiblen Vorschrift ist der Senat nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO gebunden. Die vom Satzungsgeber bezweckte Sicherung der kontinuierlichen Mitwirkung im Interesse der Funktionsfähigkeit seines Integrationsbeirates stellt ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel dar. 29 Das Unterscheidungskriterium des gesicherten Aufenthaltsrechts ist aber nicht geeignet, dieses Ziel zu verwirklichen. Der Aufenthaltsstatus eignet sich für sich genommen nicht als Grundlage einer Prognose der voraussichtlichen Dauer des Aufenthalts im Landkreis und der damit verbundenen Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum kontinuierlich an der Arbeit des Integrationsbeirates mitzuwirken. Die Gründe, die zur Erteilung eines lediglich befristeten Aufenthaltstitels führen, sind nicht typischerweise vorübergehender Natur. Ihr Wegfall und der Zeitpunkt des Wegfalls des Aufenthaltszwecks sind ungewiss. Außerdem bestehen jeweils gesetzliche Verlängerungs- und Verfestigungsmöglichkeiten (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 6. Juli 2004 - 1 BvL 4/97 u. a. - BVerfGE 111, 160 <174 f.>, vom 10. Juli 2012 - 1 BvL 2/10 u. a. - BVerfGE 132, 72 Rn. 27 f. und vom 28. Juni 2022 - 2 BvL 9/14 u. a. - NVwZ 2022, 1452 Rn. 90 ff.). Auch der Wegfall der häufigsten (vgl. BT-Drs. 19/28234 S. 33) Duldungsgründe der tatsächlichen oder rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung ist ungewiss. Das gilt etwa für Fälle einer alters- oder gesundheitsbedingt fehlenden Reise- oder Transportfähigkeit und für Fälle der ungeklärten Identität oder fortdauernden Passlosigkeit. Darüber hinaus bestehen für die Inhaber von Duldungen wesentliche rechtliche Möglichkeiten zur Verlängerung- und Verfestigung ihres Aufenthaltes. Hierzu zählt unter anderem die Duldung zur Fortsetzung einer qualifizierten Berufsausbildung nach § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Schließlich ist bei der Prognose der Aufenthaltsdauer neben der rechtlichen Ausgestaltung des jeweiligen Aufenthaltsstatus auch dessen Einbindung in die tatsächlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Auch diese können für eine positive Aufenthaltsprognose sprechen (BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2012 - 1 BvL 4/12 - BVerfGE 132, 360 Rn. 27). 30 4. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), weil weiterer Aufklärungsbedarf nicht besteht. Der dargelegte Gleichheitsverstoß führt zur Feststellung, dass § 16c Abs. 4 Buchst. c der Hauptsatzung des Antragsgegners vom 21. Juli 2021 insoweit unwirksam ist, als über die darin genannte Voraussetzung eines Migrationshintergrundes hinaus die deutsche Staatsangehörigkeit oder ein gesichertes Aufenthaltsrecht gefordert wird. 31 Die Unwirksamkeit beschränkt sich auf die von den Antragstellern angegriffene Teilregelung. Diese ist nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB vom Rest der Norm abtrennbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 1989 - 4 N 3.87 - NVwZ 1990, 157 <158>). Außerdem ist anzunehmen, dass der verbleibende Teil der Norm auch ohne den für unwirksam erklärten Teil erlassen worden wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 1991 - 4 NB 3.91 - NVwZ 1992, 567). 32 a) Der angegriffene Teil von § 16c Abs. 4 Buchst. c der Hauptsatzung des Antragsgegners ist vom Rest der Vorschrift abtrennbar. Er ist mit diesem nicht so verflochten, dass die Restbestimmung ohne den nichtigen Teil nicht sinnvoll bestehen bleiben könnte (vgl. zu diesem Kriterium BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 CN 1.11 - Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 1 Rn. 28). § 16c Abs. 4 Buchst. c der Hauptsatzung des Antragsgegners trifft auch ohne die gleichheitswidrige Beschränkung der Wählbarkeit von Einwohnern des Antragsgegners mit Migrationshintergrund eine vollständige Regelung, die die vom Satzungsgeber bezweckte Mitwirkung sachkundiger Einwohner mit eigener Migrationserfahrung an den Aufgaben des Integrationsbeirates gewährleistet. 33 b) Es ist anzunehmen, dass der Antragsgegner den verbleibenden Teil von § 16c Abs. 4 Buchst. c seiner Hauptsatzung auch ohne den für unwirksam erklärten Teil erlassen hätte. Insoweit ist auf den nach objektiven Anhaltspunkten zu bestimmenden mutmaßlichen Willen des Normgebers abzustellen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2015 - 9 B 17.15 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 114 Rn. 9). Dieser ist vorliegend auf den Erlass der Vorschrift ohne den für unwirksam erklärten Teil gerichtet. Darauf deutet der Erlass der ursprünglichen Regelung über die Wählbarkeit zum Integrationsbeirat, welche die hier verfahrensgegenständlichen Einschränkungen der Wählbarkeit nicht enthielt (§ 2 Abs. 1 Buchst. c IBO). Er spricht dafür, dass der Satzungsgeber eher auf die rechtswidrige Einschränkung der Wählbarkeit als auf die Beteiligung der Personen mit Migrationshintergrund als sachkundigen Betroffenen verzichtet hätte. 34 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2022-74,30.11.2022,"Pressemitteilung Nr. 74/2022 vom 30.11.2022 EN Anforderungen an die Heranziehung zur Kreisumlage bei rückwirkender Heilung der Haushaltssatzung Erlaubt das Landesrecht eine rückwirkende Heilung fehlerhafter Haushaltssatzungen zur Erhebung der Kreisumlage auch nach Ablauf des betreffenden Haushaltsjahres, muss der Kreistag die bei Erlass der Heilungssatzung verfügbaren Informationen über den Finanzbedarf des Kreises und der kreisangehörigen Gemeinden in jenem Haushaltsjahr ermitteln und berücksichtigen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Die klagende Gemeinde wurde für das Haushaltsjahr 2013 zur Kreisumlage herangezogen. Das Oberverwaltungsgericht hielt die 2013 beschlossene Haushaltssatzung mangels förmlicher Anhörung der Gemeinden und eine 2018 erlassene Heilungssatzung wegen Ablaufs des Haushaltsjahrs 2013 für unwirksam. Mit Urteil vom 29. Mai 2019 - BVerwG 10 C 6.18 - verneinte das Bundesverwaltungsgericht eine bundesrechtliche Pflicht zur förmlichen Anhörung der umlagepflichtigen Gemeinden und verwies die Sache zur Klärung, ob die Umlageerhebung zu einer verfassungswidrigen Unterfinanzierung der Klägerin führte, an das Oberverwaltungsgericht zurück. Der Kreistag hat 2020 aufgrund einer neuen landesgesetzlichen Ermächtigung den Haushalt für 2013 durch eine rückwirkende - zweite - Heilungssatzung erneut beschlossen. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Satzung für rechtmäßig gehalten und die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Das angegriffene Urteil hat die Grenzen, die das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG) der rückwirkenden Umlageerhebung zieht, unzutreffend konkretisiert. Es verbietet dem Landkreis, bei der Umlagefestsetzung seine finanziellen Interessen einseitig und rücksichtslos zu bevorzugen. Erhebt er die Umlage rückwirkend, muss er die bei Satzungserlass verfügbaren Informationen über den damaligen Finanzbedarf ermitteln und berücksichtigen. Das danach entscheidungserhebliche Vorbringen, der Landkreis habe 2013 Überschüsse in Millionenhöhe erwirtschaftet, hat das Oberverwaltungsgericht jedoch übergangen. Auch den Einwand der Klägerin, ihre Steuerhoheit werde durch die ihr abverlangten Umlagen entwertet, hat es nicht geprüft. Darüber hinaus hätte es nicht offenlassen dürfen, ob die Heranziehung zur Kreisumlage für das Jahr 2013 für sich genommen oder im Zusammenwirken mit anderen Umlagen zu einer verfassungswidrigen strukturellen und dauerhaften Unterfinanzierung der Klägerin führte. In solchen Fällen ist die Umlageerhebung nur wirksam, wenn die Gemeinde eine erfolgversprechende Möglichkeit hat, zusätzliche Finanzmittel oder eine Umlagebefreiung zu erlangen. Dagegen lässt das angegriffene Urteil genügen, dass eine Rechtsgrundlage für Befreiungen bestand, und übergeht, dass der Landkreis eine Befreiung der Klägerin abgelehnt hat. Das Bundesverwaltungsgericht konnte nicht in der Sache selbst entscheiden, weil das Oberverwaltungsgericht entscheidungserhebliche Tatsachen nicht aufgeklärt hat und das Revisionsgericht keine eigenen Tatsachenfeststellungen treffen darf. Deshalb musste die Sache nochmals zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen werden. Fußnote: Art. 28 Abs. 2 GG: (...) 1 Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.3 Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle. (...) BVerwG 8 C 13.21 - Urteil vom 29. November 2022 Vorinstanzen: OVG Greifswald, OVG 2 L 463/16 - Urteil vom 28. Oktober 2020 - VG Schwerin, VG 1 A 387/14 SN - Urteil vom 20. Juli 2016 -","Urteil vom 29.11.2022 - BVerwG 8 C 13.21ECLI:DE:BVerwG:2022:291122U8C13.21.0 EN Heranziehung zur Kreisumlage auf der Grundlage einer rückwirkenden Haushaltssatzung Leitsatz: Art. 28 Abs. 2 GG verpflichtet den Landkreis, bei der Festsetzung des Kreisumlagesatzes in einer nach Ablauf des Haushaltsjahres erlassenen rückwirkenden Haushaltssatzung die im Zeitpunkt ihres Erlasses vorhandenen Informationen über den Finanzbedarf des Kreises und der kreisangehörigen Gemeinden im betreffenden abgelaufenen Haushaltsjahr zu ermitteln und zu berücksichtigen. Rechtsquellen GG Art. 19 Abs. 4, Art. 28 Abs. 1 und 2, Art. 103 Abs. 1, Art. 110 Abs. 2 KV M-V § 5 Abs. 4 Satz 3, § 45 Abs. 5 und 7 VwGO § 144 Abs. 6 Instanzenzug VG Schwerin - 20.07.2016 - AZ: 1 A 387/14 SN OVG Greifswald - 28.10.2020 - AZ: 2 L 463/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.11.2022 - 8 C 13.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:291122U8C13.21.0] Urteil BVerwG 8 C 13.21 VG Schwerin - 20.07.2016 - AZ: 1 A 387/14 SN OVG Greifswald - 28.10.2020 - AZ: 2 L 463/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2022 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Hoock und Dr. Rublack sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller und Dr. Meister für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. Oktober 2020 wird aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Kreisumlage für das Jahr 2013. 2 Der vom Beklagten vertretene Landkreis setzte den Kreisumlagesatz für das Jahr 2013 in seiner Haushaltssatzung vom 21. Februar 2013 auf 43,67 % der Umlagegrundlagen fest. Mit Bescheid vom 9. September 2013 zog der Beklagte die Klägerin für das Jahr 2013 zu einer Kreisumlage in Höhe von 95 594,02 € heran und behielt den Betrag durch Verrechnung mit den Schlüsselzuweisungen ein. 3 Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den Bescheid aufgehoben. Die Festsetzung des Umlagesatzes in der Haushaltssatzung sei nichtig, weil sie den Grundsatz des Gleichrangs der finanziellen Interessen des Kreises und der kreisangehörigen Gemeinden sowie die Gewährleistung einer finanziellen Mindestausstattung der Klägerin aus Art. 28 Abs. 2 GG verletze. Die Mitglieder des Kreistages seien nicht hinreichend über den Finanzbedarf der Gemeinden informiert gewesen. 4 Während des Berufungsverfahrens hat der Kreistag am 22. Februar 2018 den Kreisumlagesatz für das Jahr 2013 rückwirkend erneut in gleicher Höhe beschlossen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die 2013 erlassene Satzungsnorm über den Kreisumlagesatz sei nichtig, weil der Beklagte die verfassungsrechtliche Pflicht zur vorherigen förmlichen Anhörung der umlagepflichtigen Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 72 LVerf M-V) verletzt habe. Die 2018 erlassene Satzung verstoße gegen § 48 Abs. 1 i. V. m. § 120 KV M-V, die eine Änderung der Haushaltssatzung nur innerhalb des laufenden Haushaltsjahres durch Nachtragshaushaltssatzung zuließen. 5 Das Bundesverwaltungsgericht hat dieses Berufungsurteil mit Urteil vom 29. Mai 2019 aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Art. 28 Abs. 2 GG verpflichte zwar den Landkreis, vor der Festlegung der Höhe des Kreisumlagesatzes auch den Finanzbedarf der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und seine Entscheidungen offenzulegen. Ihm sei jedoch keine Verpflichtung zur förmlichen Anhörung der Gemeinden zu entnehmen. 6 Nachdem der Landesgesetzgeber mit § 45 Abs. 7 KV M-V eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Satzung zur Behebung von Satzungsfehlern auch nach Ablauf des Haushaltsjahres geschaffen hatte, beschloss der Kreistag am 20. Februar 2020 nach Anhörung der kreisangehörigen Gemeinden die gesamte Haushaltssatzung für das Jahr 2013 erneut mit gleichem Kreisumlagesatz. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2020 lehnte der Beklagte es ab, von Amts wegen eine Billigkeitsmaßnahme zu der Heranziehung der Klägerin zur Kreisumlage für das Jahr 2013 zu erlassen. 7 Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid finde seine Rechtsgrundlage in § 5 der 2020 verfahrensfehlerfrei beschlossenen und wirksamen rückwirkenden Haushaltssatzung für das Jahr 2013. Die Satzung wahre den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes und sei mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kreistag sich einseitig und rücksichtslos über die Belange der Gemeinden hinweggesetzt habe, da er die ursprünglich angedachte Erhöhung des Umlagesatzes trotz der Verschuldung des Kreises halbiert habe. Dass die Klägerin möglicherweise durch die finanzielle Belastung infolge der Umlage nicht mehr über die durch Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 72 LVerf M-V gebotenen Finanzmittel verfüge, führe nicht schon zur Rechtswidrigkeit des Umlagesatzes. Dafür komme es auf die finanzielle Gesamtsituation der Gemeinde an, bei der auch anderweitig zu erlangende Zuschüsse sowie Möglichkeiten einer Befreiung von der Umlage zu berücksichtigen seien. Für die Rechtmäßigkeit des Kreisumlagesatzes reiche es aus, dass § 22 GemHVO Doppik M-V als Ermächtigung zur Befreiung von der Umlage anwendbar sei. Ob ein Teil der kreisangehörigen Gemeinden tatsächlich strukturell unterfinanziert sei, könne ebenso offenbleiben wie die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Befreiung habe. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin noch in der letzten mündlichen Verhandlung eine Billigkeitsentscheidung abgelehnt habe, sei der Beklagte nicht verpflichtet gewesen, darüber in dem Verfahren zur Festsetzung der Kreisumlage zu entscheiden. 8 Die Klägerin macht mit ihrer Revision geltend, das Berufungsurteil übergehe ihren Vortrag zu den beim Erlass der rückwirkenden Haushaltssatzung bekannten Haushaltsüberschüssen des Kreises im Jahr 2013, zur Unterschreitung ihrer finanziellen Mindestausstattung und zur Entwertung ihrer Steuerhoheit durch die 2013 auf sie entfallenden Umlagen. Es missachte die Bindungswirkung des zurückverweisenden Revisionsurteils, weil es keine Feststellungen zur Unterschreitung ihrer Mindestausstattung treffe. Die berufungsgerichtliche Annahme einer Rückwirkung der 2020 beschlossenen Satzung sei rechtsstaatswidrig und stehe in Widerspruch zu dem in der Satzung und in § 5 Abs. 4 KV M-V bestimmten Zeitpunkt des Inkrafttretens. Das Urteil verletze Art. 28 Abs. 2 GG, weil es weder eine strukturelle Unterfinanzierung noch erfolgversprechende Möglichkeiten der Klägerin prüfe, anderweitige Finanzmittel oder eine Befreiung zu erlangen. Die Ablehnung einer Billigkeitsentscheidung durch den Beklagten blende es aus und unterstelle fehlerhaft einen endgültigen Verzicht der Klägerin auf eine Befreiung. 9 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. Oktober 2020 zu ändern und die Berufung zurückzuweisen. 10 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 11 Er verteidigt das Berufungsurteil. Es gehe in Übereinstimmung mit dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip und mit Art. 110 Abs. 2 GG konkludent davon aus, dass für die rechtliche Bewertung der rückwirkenden Heilungssatzung nur die im Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Satzung bekannten Daten zur finanziellen Situation des Kreises und der Gemeinden zu berücksichtigen seien. Art. 28 Abs. 2 GG erfordere nicht, aktualisierte Informationen nach Ende des Haushaltsjahres zu berücksichtigen. Die praktische Konkordanz des haushaltsrechtlichen Grundsatzes materieller ex ante-Periodizität und des Gebots der Heilbarkeit formeller Fehler spreche dafür, die nachträgliche Heilung von Verfahrens- und Formfehlern zuzulassen, ohne den Kreis bei Erlass der Heilungssatzung zur Berücksichtigung nachträglicher Erkenntnisse über die Haushaltslage zu verpflichten. Eine Betrachtung der Finanzsituation ex post müsste auch die Folgejahre des streitgegenständlichen Haushaltsjahres einbeziehen und führte kaskadenartig zur Aufhebung von Kreisumlagebescheiden sowie zu einer Doppelbelastung der kreisangehörigen Gemeinden für ein und denselben Bedarf des Kreises. 12 Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält eine rückwirkende Heilung von Haushaltssatzungen auf der Grundlage einer entsprechenden landesrechtlichen Ermächtigung für verfassungsrechtlich zulässig. Nachträgliche Erkenntnisse über die Haushaltslage in dem betreffenden Haushaltsjahr seien dabei nicht zu berücksichtigen. II 13 Die zulässige Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Ob es sich aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend beurteilen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 VwGO). Daher war das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 14 1. Das Berufungsurteil leidet an von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensfehlern und beruht auf ihnen. 15 a) Die Rüge der Klägerin, das Urteil verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), greift durch, soweit sie das Übergehen ihres Vorbringens zu Überschüssen des Kreises und zur Entwertung ihrer Steuerhoheit beanstandet. 16 aa) Das Oberverwaltungsgericht hat den Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 8. Juni 2020 übergangen, dem Kreistag sei im Zeitpunkt des Erlasses der Satzung vom 20. Februar 2020 zur Behebung von Fehlern der Haushaltssatzung für das Jahr 2013 (im Folgenden: Satzung 2020) bekannt gewesen, dass der Kreis seinem Jahresabschluss für 2013 zufolge ein positives Ergebnis in Millionenhöhe erzielt habe. Es erwähnt ihn weder im Tatbestand seines Urteils noch geht es in den Entscheidungsgründen auf ihn ein, obwohl er nach seiner materiellen Rechtsauffassung entscheidungserheblich war. Das Urteil zieht die Satzung 2020 als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid heran und misst den darin festgesetzten Kreisumlagesatz an dem aus Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 72 LVerf M-V abgeleiteten Verbot, sich einseitig und rücksichtslos über die Belange der Gemeinden hinwegzusetzen. Anhaltspunkte dafür, dass das Berufungsgericht dennoch nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses der Satzung 2020, sondern auf denjenigen des Erlasses der ursprünglichen Haushaltssatzung für 2013 am 21. Februar 2013 abgestellt hätte, liegen nicht vor. Sie lassen sich entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht aus den Ausführungen zur fehlenden Schutzwürdigkeit eines Vertrauens der Klägerin darauf ableiten, bei Unwirksamkeit der Haushaltssatzung von einer Heranziehung zur Umlage verschont zu bleiben (UA S. 13). Der Hinweis des Berufungsgerichts, ein durch die Unwirksamkeit einer Satzung verursachtes Defizit des Kreises werde in die Berechnung der Umlage für künftige Haushaltsjahre einfließen, gibt für ein solches Verständnis nichts her. 17 bb) Auch die Rüge der Klägerin, das Oberverwaltungsgericht habe ihren Einwand übergangen, die Heranziehung zur Kreisumlage führe zusammen mit anderen Umlagen zur vollständigen Entwertung ihrer Steuerhoheit, trifft zu. Dieses Vorbringen der Klägerin findet im angegriffenen Urteil weder Erwähnung noch inhaltliche Berücksichtigung. Dass es nach der materiellen Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts entscheidungserheblich war, zeigt dessen Bezugnahme auf die im ersten Revisionsurteil aus Art. 28 Abs. 2 GG entwickelten Maßstäbe, die ihrerseits die Grundsätze aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - (BVerwGE 145, 378 Rn. 16 f.) übernehmen. Danach darf die Erhebung der Kreisumlage auch die eigenverantwortliche Ausübung der gemeindlichen Steuerhoheit nicht entwerten. 18 cc) Der Einwand der Klägerin, das Berufungsurteil übergehe ihren Vortrag zur strukturellen und dauerhaften Unterfinanzierung, legt dagegen keine Gehörsverletzung dar. Ob der Kreisumlagesatz zu einer Verletzung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung einer finanziellen Mindestausstattung der Klägerin führt, war für das Oberverwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Nach seiner für das Vorliegen eines Verfahrensfehlers maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung konnte es offenlassen, ob eine Unterfinanzierung vorlag, weil es eine Verletzung des Rechts auf Mindestausstattung bereits wegen der Anwendbarkeit einer Ermächtigungsgrundlage für eine Befreiung von der Kreisumlage für ausgeschlossen hielt. Soweit dem Revisionsvorbringen der Klägerin auch die Rüge zu entnehmen sein sollte, das Berufungsgericht habe ihre Unterfinanzierung nicht aufgeklärt, wäre diese deshalb ebenfalls unbegründet. 19 b) Das angegriffene Urteil verletzt weder den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) noch die Bindungswirkung des zurückverweisenden Revisionsurteils (§ 144 Abs. 6 VwGO). Seine Erwägung, die Klägerin habe ersichtlich eine Billigkeitsentscheidung abgelehnt, lässt nicht erkennen, dass es aktenwidrig von ihrem endgültigen Verzicht auf eine solche Entscheidung ausgegangen wäre. Sie lässt sich ohne Weiteres mit dem Vorbringen der Klägerin vereinbaren, vor einem Antrag auf Befreiung zunächst die Rechtmäßigkeit des Heranziehungsbescheides klären lassen zu wollen. Dass es nicht geprüft hat, ob die Klägerin unterfinanziert ist, verletzt nicht die Bindung des Berufungsgerichts an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts in dem zurückverweisenden Revisionsurteil vom 29. Mai 2019. Dieses stellt nicht entscheidungstragend auf das Verbot einer Unterschreitung der Mindestausstattung der Klägerin ab, sondern erwähnt es lediglich in seinen rechtlichen Hinweisen für das erneute Berufungsverfahren, welche an der Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO nicht teilnehmen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 2020 - 6 B 33.20 - juris Rn. 7 m. w. N.; Urteil vom 27. April 2016 - 6 C 5.15 - BVerwGE 155, 58 Rn. 16). 20 2. Das Berufungsurteil steht auch mit materiellem revisiblem Recht nicht in jeder Hinsicht in Einklang. 21 a) Soweit es den angefochtenen Heranziehungsbescheid auf die Ermächtigungsgrundlage der Satzung 2020 gestützt, deren Rückwirkung auf das Haushaltsjahr 2013 angenommen und diese für rechtlich unbedenklich gehalten hat, ist dagegen revisionsrechtlich nichts zu erinnern. 22 aa) Weder die berufungsgerichtliche Auslegung der Satzung als rückwirkend noch die Auslegung von § 45 Abs. 7 KV M-V als Ermächtigungsgrundlage hierfür verletzen das rechtsstaatliche Willkürverbot. Die Auslegung von Landesrecht einschließlich landesrechtlicher untergesetzlicher Vorschriften durch das Oberverwaltungsgericht ist für das Revisionsgericht bindend (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO). Dieses hat nur zu prüfen, ob sie sich so weit vom zugrunde liegenden Gesetz entfernt hat, dass der Zusammenhang mit ihm nicht mehr hinreichend erkennbar und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt - auch nicht als richterliche Rechtsfortbildung - verständlich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 2008 - 9 B 81.07 - Buchholz 401.0 § 171 AO Nr. 1 Rn. 8). Das ist hier nicht der Fall. Die Satzung 2020 konnte ihren Zweck einer Behebung von Fehlern der ursprünglichen Haushaltssatzung für 2013 nur durch Rückwirkung auf jenes Haushaltsjahr erfüllen. Die Annahme des Berufungsgerichts, sie messe sich trotz Fehlens einer ausdrücklichen Regelung Rückwirkung bei, war deshalb naheliegend und nicht willkürlich. Aus § 5 Abs. 4 Satz 3 KV M-V, wonach Satzungen am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft treten, wenn kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist, ergibt sich nichts anderes. Diese allgemeine Regelung wird durch die speziellere in § 45 Abs. 5 KV M-V verdrängt, die auch auf Satzungen nach § 45 Abs. 7 KV M-V zur Fehlerbehebung nach Ablauf des Haushaltsjahres Anwendung findet. Nach ihr tritt die Haushaltssatzung mit Beginn des Haushaltsjahres in Kraft und gilt für das Haushaltsjahr, hier also für das Jahr 2013. 23 bb) Die berufungsgerichtliche Annahme der Rückwirkung der Satzung 2020 für das Haushaltsjahr 2013 verstößt nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende Verbot der Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08 - BVerfGE 135, 1 Rn. 38). Dieses findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Seine Anwendung setzt einen belastenden Eingriff in eine vom Berechtigten auf der Grundlage der Rechtsordnung erworbene individuelle Rechtsposition voraus. Es gilt nicht, soweit sich ausnahmsweise kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage nicht schutzwürdig war (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08 - BVerfGE 135, 1 Rn. 61; Beschluss vom 7. April 2022 - 2 BvR 2194/21 - DVBl. 2022, 1030 Rn. 81 m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 25. November 2020 - 8 C 21.19 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 236 Rn. 16). 24 Hier durfte die Klägerin zu keinem Zeitpunkt darauf vertrauen, von der Heranziehung zur Kreisumlage für das Haushaltsjahr 2013 verschont zu bleiben. Art. 28 Abs. 2 GG verleiht einer Gemeinde keine individuelle Rechtsposition gegenüber einer solchen Heranziehung (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 25. November 2020 - 8 C 21.19 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 236 Rn. 14). Anderes mag allenfalls gelten, wenn das Verfahren zur Erhebung der Kreisumlage gegenüber einer Gemeinde mit für sie günstigem Ergebnis rechtskräftig abgeschlossen ist. Das ist hier nicht der Fall. Ein etwaiges Vertrauen der Klägerin auf den Fortbestand der Rechtslage bis zum Erlass von § 45 Abs. 7 KV M-V, nach der keine landesrechtliche Grundlage für die Behebung von Fehlern einer Haushaltssatzung nach Ablauf des Haushaltsjahres bestand, wäre ebenfalls nicht schutzwürdig (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 25. November 2020 - 8 C 21.19 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 236 Rn. 13). 25 cc) Ein über den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes hinausgehender Schutz vor einer rückwirkenden Änderung der Haushaltssatzung nach Ablauf des Haushaltsjahres folgt auch nicht aus dem haushaltsrechtlichen Jährlichkeitsprinzip. Nach der für das Revisionsgericht bindenden Auslegung von Landesrecht durch das Oberverwaltungsgericht (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO) ermächtigt § 45 Abs. 7 KV M-V auch nach Ablauf eines Haushaltsjahres zu einer rückwirkenden Änderung einer Haushaltssatzung zur Behebung von Fehlern. Dem Bundesrecht sind keine Regelungen zu entnehmen, die dem entgegenstünden. Art. 110 Abs. 2 GG enthält zur Jährlichkeit und ihren möglichen Durchbrechungen lediglich Vorgaben für den Haushaltsplan des Bundes, die nicht vom Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst werden. Auch aus Art. 28 Abs. 2 GG ist kein absolutes Verbot von der Fehlerbehebung dienenden rückwirkenden Haushaltsbeschlüssen nach Ablauf des betreffenden Haushaltsjahres herzuleiten. 26 b) Das Urteil verletzt nicht die Gewährleistung wirksamen Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt (Art. 19 Abs. 4 GG). Es unterzieht den angefochtenen Heranziehungsbescheid der danach gebotenen (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. Februar 2001 - 2 BvR 1444/00 - BVerfGE 103, 142 <156 f.> m. w. N.) vollständigen rechtlichen Überprüfung. Seine Erwägung, die Klägerin habe bei Unwirksamkeit des Umlagesatzes nicht von einer dauerhaften und vollständigen Ersparnis ausgehen dürfen (UA S. 13), schränkt nicht die Reichweite seiner gerichtlichen Überprüfung ein, sondern begründet das Verneinen schutzwürdigen Vertrauens. 27 c) Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der auf die Satzung 2020 gestützte Heranziehungsbescheid stehe in Einklang mit den Gewährleistungen des Rechts der Klägerin auf finanzielle Eigenverantwortung, verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen Art. 28 Abs. 2 GG. 28 aa) Das Berufungsurteil hält die Anforderungen des Grundsatzes des finanziellen Gleichrangs der Belange des Kreises und der kreisangehörigen Gemeinden auf eine aufgabenangemessene Finanzausstattung aus Art. 28 Abs. 2 GG aufgrund von Erwägungen für gewahrt, die einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten. 29 Der Grundsatz des finanziellen Gleichrangs aus Art. 28 Abs. 2 GG verpflichtet den Kreis, die grundsätzlich gleichrangigen finanziellen Interessen der Gemeinden in Rechnung zu stellen, und verbietet ihm, seine eigenen Aufgaben und Interessen einseitig und rücksichtslos gegenüber deren Interessen und Aufgaben zu bevorzugen. Er verpflichtet den Kreis dazu, sowohl den eigenen als auch den Finanzbedarf der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und seine Entscheidungen in geeigneter Form offenzulegen, um den Gemeinden und gegebenenfalls den Gerichten eine Überprüfung zu ermöglichen (BVerwG, Urteile vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 Rn. 13 f., vom 29. Mai 2019 - 10 C 6.18 - BVerwGE 165, 381 Rn. 13 und vom 27. September 2021 - 8 C 30.20 - BVerwGE 173, 274 Rn. 19). Das Berufungsurteil wendet diese Maßstäbe fehlerhaft an, weil es ihre Beachtung schon wegen der Halbierung der ursprünglich angedachten Erhöhung des Kreisumlagesatzes bejaht, ohne die von der Klägerin vorgetragenen Millionenüberschüsse des Kreises für das betreffende Haushaltsjahr 2013 zu berücksichtigen. 30 Art. 28 Abs. 2 GG gebietet einen Ausgleich konkurrierender finanzieller Interessen im kreiskommunalen Raum (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2019 - 10 C 6.18 - BVerwGE 165, 381 Rn. 17). Dafür hat der Kreis die jeweiligen Finanzbedarfe zu ermitteln und zueinander ins Verhältnis zu setzen. Danach sind namhafte Überschüsse im Haushaltsergebnis des Kreises für das betreffende Haushaltsjahr bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Heranziehung zur Kreisumlage zu berücksichtigen, wenn sie im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Kreistages über die den Bescheid tragende Haushaltssatzung bekannt waren. Die von der Klägerin in Bezug genommenen Überschüsse in Millionenhöhe waren den Mitgliedern des Kreistages vor ihrer Beschlussfassung über die Satzung 2020 von einer kreisangehörigen Gemeinde vorgetragen worden. Solche Überschüsse waren in die Ermittlungen des Kreises und in die Abwägung des beschlussfassenden Kreistages einzubeziehen, weil sie den Finanzbedarf des Kreises im Verhältnis zu demjenigen der Gemeinden mindern konnten. Sie sind auch bei der inzidenten gerichtlichen Überprüfung der satzungsrechtlichen Umlage als Rechtsgrundlage der Heranziehung der Klägerin durch den angefochtenen Bescheid zu berücksichtigen. 31 Dagegen spricht nicht, dass die Überschüsse aus der ex ante-Sicht der Beschlussfassung über die ursprüngliche Haushaltssatzung im Februar 2013 noch nicht absehbar gewesen sein mögen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Rechtmäßigkeit der Haushaltssatzung ist der Zeitpunkt ihres Erlasses. Nichts anderes gilt für eine Satzung, die nach Ablauf des betreffenden Haushaltsjahres rückwirkend zur Behebung von Fehlern der ursprünglichen Haushaltssatzung erlassen wird. Die landesrechtliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer solchen Satzung in § 45 Abs. 7 KV M-V bietet keine Grundlage dafür, den für ihre rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt auf denjenigen des Erlasses einer vorherigen Haushaltssatzung zurück zu verlagern. Die auch vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegte Pflicht des Kreises, die im Vorfeld des Satzungsbeschlusses vom 20. Februar 2020 ermittelten finanziellen Bedarfe zu berücksichtigen, trägt dem Gebot des Art. 28 Abs. 2 GG Rechnung, beim Erlass der Haushaltssatzung sicherzustellen, dass das Recht der Gemeinden auf aufgabenadäquate Finanzausstattung gewahrt wird. Erlaubt das Landesrecht zur Fehlerbehebung den erneuten Beschluss einer Haushaltssatzung auch nach Ablauf des Haushaltsjahres, hat die Ermittlung, Berücksichtigung und Gewichtung der finanziellen Belange des Kreises und der kreisangehörigen Gemeinden ergebnisoffen zu erfolgen; sie darf nicht von vornherein auf eine Bestätigung des zuvor gefassten Beschlusses beschränkt sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 2021 - 8 C 30.20 - BVerwGE 173, 274 Rn. 23). Diese Ergebnisoffenheit setzt voraus, dass alle im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegenden Informationen über die finanzielle Situation des Kreises und der Gemeinden im betreffenden Haushaltsjahr betrachtet und in die Gewichtung einbezogen werden, auch wenn sie über die bei Erlass der ursprünglichen Haushaltssatzung aus der damaligen prognostischen ex ante-Sicht bekannten Informationen hinausgehen. Dass bei regulärem Erlass einer Haushaltssatzung nur prognostisch eingeschätzt werden kann, welcher Umlagesatz dem finanziellen Gleichrang von Kreis und Gemeinden und dem Recht der Gemeinden auf finanzielle Mindestausstattung und Wahrung ihrer Steuerhoheit Rechnung trägt, reduziert diese materiell-rechtlichen Gewährleistungen nicht auf ein Erfordernis fehlerfreier Prognose. Vielmehr hat der Kreis bei der Festlegung des Umlagesatzes die im Zeitpunkt der jeweiligen Beschlussfassung zur Verfügung stehenden, für die Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erheblichen Informationen zu berücksichtigen. Bei rückwirkenden Haushaltssatzungen zur Fehlerbehebung schließt dies eine Berücksichtigung der zwischenzeitlich angefallenen, bei Erlass dieser Satzungen verfügbaren Daten mit ein. 32 Die Berücksichtigung von nach Ablauf des betreffenden Haushaltsjahres bekannt gewordenen Informationen begegnet keinen Bedenken im Hinblick auf ein haushaltsrechtliches Periodizitätsprinzip. Unabhängig von der Frage, ob Bundesrecht der kommunalverfassungsrechtlichen Haushaltsaufstellung ein solches Prinzip vorgibt, wäre dieses bei rückwirkendem Satzungserlass durch die Einbeziehung zwischenzeitlicher Erkenntnisse über die damalige Finanzlage nicht berührt. § 45 Abs. 7 KV M-V begrenzt den Regelungsgegenstand von Satzungen zur Fehlerbehebung auf das betreffende Haushaltsjahr und hält damit die für die ursprüngliche Haushaltssatzung maßgebliche Periode ein. 33 Die vom Beklagten vorgetragenen Praktikabilitätserwägungen stellen die Pflicht zur Berücksichtigung zwischenzeitlich gewonnener Erkenntnisse nicht in Frage. Eine Korrektur des Umlagesatzes für das betreffende Haushaltsjahr führt nicht dazu, dass die Haushaltssatzungen und Heranziehungsbescheide für die nachfolgenden Haushaltsjahre aufzuheben und an veränderte Bedarfszahlen anzupassen wären. Die materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit von Haushaltssatzungen bestimmt sich nach dem Zeitpunkt ihres Erlasses; diejenige der auf ihrer Grundlage ergangenen Heranziehungsbescheide richtet sich nach dem Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Satzungen, denen eine ex ante-Prognose des Finanzbedarfs des Kreises und der kreisangehörigen Gemeinden zugrunde lag, und die auf ihrer Grundlage ergangenen Bescheide werden deshalb nicht nachträglich fehlerhaft, wenn der Umlagesatz für ein vorangehendes Haushaltsjahr durch eine rückwirkende Satzung zur Fehlerbehebung gemäß § 45 Abs. 7 KV M-V verändert wird. Dadurch geminderte Einnahmen des Kreises und etwaige Verpflichtungen zur Rückerstattung überzahlter Umlagen an die Gemeinden schlagen erst in der nächsten zu erlassenden Haushaltssatzung zu Buche. 34 bb) Darüber hinaus versäumt das Berufungsurteil, die Vereinbarkeit der Satzung 2020 mit dem Verbot einer Entwertung der gemeindlichen Steuerhoheit zu prüfen. Soweit das Grundgesetz den Gemeinden selbst Steuerkraft zuerkennt, darf der Landesgesetzgeber - oder der Kreis auf landesgesetzlicher Grundlage - ihnen diese nicht wieder zur Gänze entziehen. Neben dem Schutz der gemeindlichen Ertragshoheit darf die Erhebung von Umlagen auch nicht dazu führen, dass die gemeindliche Regelungsbefugnis als Grundlage einer örtlichen Wirtschafts- und Steuerpolitik im Sinne einer ""finanziellen Eigenverantwortung"" (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG) entwertet wird (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 Rn. 16 f.). Anlass zu einer solchen Prüfung bot der Vortrag der Klägerin, ihre Belastung durch Umlagen habe im Haushaltsjahr 2013 ihre Steuereinnahmen überstiegen. 35 cc) Schließlich durfte das Oberverwaltungsgericht nicht offenlassen, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß die durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete finanzielle Mindestausstattung der Klägerin durch die Heranziehung zur Kreisumlage unterschritten wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 Rn. 18 ff.). Im Ansatz zutreffend geht es davon aus, dass die aufgabenadäquate Finanzausstattung der jeweiligen Gemeinde zu prüfen ist. Es stellt auch zu Recht auf die finanzielle Gesamtsituation der Klägerin ab und nimmt an, dass dabei Möglichkeiten der Kompensation einer strukturellen und dauerhaften Unterfinanzierung durch Zuschüsse oder eine Befreiung von der Umlageerhebung zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2019 - 10 C 6.18 - BVerwGE 165, 381 Rn. 21). Das Urteil schließt einen Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 GG jedoch rechtsfehlerhaft trotz für möglich gehaltener struktureller und dauerhafter Unterfinanzierung schon aus, wenn eine Ermächtigung zur Befreiung kreisangehöriger Gemeinden von der Umlageerhebung besteht, ohne auf die Erfolgsaussichten eines Befreiungsantrags abzustellen. Dabei übersieht es, dass nur für die betroffene, unterfinanzierte Gemeinde erfolgversprechende Möglichkeiten zusätzliche Finanzmittel oder eine Befreiung von der Umlage zu erlangen, eine Verletzung von Art. 28 Abs. 2 GG ausschließen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2019 - 10 C 6.18 - BVerwGE 165, 381 Rn. 21). 36 Um einen solchen Verfassungsverstoß abzuwenden, muss sich der Satzungsgeber vergewissern, dass eine notleidende Gemeinde im konkreten Fall anderweitige Finanzierungsmöglichkeiten erlangen kann. Dies setzt voraus, dass sie im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungserlasses einen verfahrensrechtlich noch zu verwirklichenden Anspruch auf ausreichende zusätzliche Finanzmittel oder auf eine Befreiung von der Umlage hat. Dessen Voraussetzungen müssen bereits bei der Heranziehung zur Kreisumlage geprüft werden. Nur so ist zu verhindern, dass der angegriffene Heranziehungsbescheid in Bestandskraft erwächst, obwohl die unterfinanzierte Gemeinde - bei Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen - in ihren verfassungsrechtlich garantierten Rechten verletzt wird. 37 Von tatsächlichen Feststellungen zum Vorliegen und zum Ausmaß einer strukturellen und dauerhaften Unterfinanzierung hätte das Oberverwaltungsgericht nur bei einem Anspruch der Klägerin auf eine vollständige Befreiung von der streitgegenständlichen Kreisumlage absehen dürfen. Einen solchen Anspruch hat das Oberverwaltungsgericht jedoch gerade nicht angenommen, sondern - ohne nähere Erläuterung - im Grundsatz lediglich einen Teilerlass der Umlage für möglich gehalten. 38 3. Das Urteil beruht auf den dargestellten Verstößen gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Ob es sich aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden. Die vom Oberverwaltungsgericht bislang festgestellten Tatsachen erlauben nicht zu beurteilen, ob der Grundsatz des Gleichrangs der finanziellen Belange des Kreises und der kreisangehörigen Gemeinden aus Art. 28 Abs. 2 GG wegen eines erheblichen Überschusses des Kreises für das Haushaltsjahr 2013 verletzt ist und ob der Umlagesatz die Steuerhoheit der Klägerin entwertet. Ebenso wenig kann bislang entschieden werden, ob die Umlageerhebung zu einer strukturellen und dauerhaften Unterschreitung ihrer finanziellen Mindestausstattung führt und ob diese gegebenenfalls durch einen Anspruch auf anderweitige Finanzmittel oder eine Umlagebefreiung abgewendet werden kann. Die Sache ist daher nochmals zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen im Rahmen der ihm obliegenden Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) treffen kann." bverwg_2022-75,30.11.2022,"Pressemitteilung Nr. 75/2022 vom 30.11.2022 EN MDR darf Kommentare ohne Sendungsbezug auf seiner Facebook-Seite löschen Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind berechtigt, nicht-sendungsbezogene Kommentare der Nutzer in Foren auf ihren Unternehmensseiten in den sozialen Medien zu löschen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) veröffentlicht auf seiner Facebook-Seite Beiträge zu ausgewählten Sendungen, die Nutzer kommentieren können. Für die Erstellung von Kommentaren verweist der MDR auf Vorgaben in Form einer sog. Netiquette, die u.a. einen Bezug zu dem Thema der jeweiligen Sendung verlangt. Der MDR hat 14 vom Kläger auf der Facebook-Seite des MDR gepostete Kommentare gelöscht. Das Verwaltungsgericht hat der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Löschung gerichteten Klage hinsichtlich eines Kommentars stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die gegen die Klageabweisung gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Revision des Klägers hatte beim Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich eines weiteren Kommentars Erfolg. Auf der Grundlage des im Zeitpunkt der Löschung noch geltenden Rundfunkstaatsvertrags bestimmte sich die Zulässigkeit des Telemedienangebots des MDR nach § 11d RStV. Danach unterlagen sendungsbezogene und eigenständige Telemedienangebote unterschiedlich strengen Anforderungen. Foren und Chats ohne Sendungsbezug waren unzulässig. Mit diesen zum Teil in den nunmehr geltenden Medienstaatsvertrag übernommenen Regelungen haben die Landesgesetzgeber den sog. Beihilfekompromiss zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Kommission umgesetzt. Die Kommission hatte im April 2007 ein auf Betreiben privater Medienanbieter eingeleitetes Beihilfeverfahren eingestellt, nachdem sich die Bundesrepublik Deutschland zum Schutz privater Medien sowie der Presse verpflichtet hatte, den gesetzlichen Auftrag des beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Internetauftritte näher zu präzisieren. Zwar liegt in der Löschung der Kommentare des Klägers ein Eingriff in dessen durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Meinungsäußerungsfreiheit. Dieser Eingriff ist jedoch gerechtfertigt. Denn zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG zählen u.a. die das Telemedienangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betreffenden Regelungen des § 11d RStV. Die Beschränkung des Angebots dieser Rundfunkanstalten auf sendungsbezogene Telemedien sowie das Verbot von Foren und Chats ohne Sendungsbezug und redaktionelle Begleitung erstreckt sich auch auf die Kommentare der Nutzer. Die das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip wahrenden Vorschriften verleihen dem MDR zudem die Berechtigung zur Löschung von Posts ohne Sendungsbezug. Hierbei bedarf es weder einer vorherigen Anhörung noch einer nachträglichen Benachrichtigung. Die noch im Streit stehenden Kommentare des Klägers hatten überwiegend **keinen Bezug zu den Themen der jeweiligen Sendungen des MDR. Insbesondere der vom Kläger in dem Forum wiederholt geäußerten Kritik an der Löschungspraxis des MDR fehlte der notwendige Sendungsbezug. Zu eng haben die Vorinstanzen dieses Erfordernis jedoch hinsichtlich eines Kommentars gehandhabt, in dem der Kläger auf einen Beitrag mit dem Titel ""Bundesweite Razzia gegen Neonazis"" auch den islamistischen Terrorismus in den Blick genommen hatte. BVerwG 6 C 12.20 - Urteil vom 30. November 2022 Vorinstanzen: OVG Bautzen, OVG 5 A 35/20 - Urteil vom 16. September 2020 - VG Leipzig, VG 1 K 1642/18 - Urteil vom 11. September 2019 -","Urteil vom 30.11.2022 - BVerwG 6 C 12.20ECLI:DE:BVerwG:2022:301122U6C12.20.0 EN Löschung nicht-sendungsbezogener Kommentare auf der Facebook-Seite einer Rundfunkanstalt Leitsätze: 1. Das für Telemedien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. in Verbindung mit Nr. 17 Satz 1 der Anlage (Negativliste) enthaltene Verbot von Foren ohne Sendungsbezug erfasst auch die von Nutzern auf der Facebook-Seite einer Rundfunkanstalt geposteten Kommentare. 2. Die Löschung von Kommentaren ohne konkreten Sendungsbezug ist als Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit durch die genannten Vorschriften als allgemeine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG gerechtfertigt. 3. Ein von einem Nutzer geposteter Kommentar wahrt den Sendungsbezug nur, wenn er nach seinem Sinngehalt noch einen hinreichenden Anknüpfungspunkt zu dem Thema der Sendung erkennen lässt. Rechtsquellen BGB § 133 GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 RStV § 2 Nr. 19, § 11a Abs. 1, § 11d Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5 Satz 4, Anlage Nr. 17 Satz 1 VwGO § 43, § 137 Abs. 2 Instanzenzug VG Leipzig - 11.09.2019 - AZ: 1 K 1642/18 OVG Bautzen - 16.09.2020 - AZ: 5 A 35/20 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 30.11.2022 - 6 C 12.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:301122U6C12.20.0] Urteil BVerwG 6 C 12.20 VG Leipzig - 11.09.2019 - AZ: 1 K 1642/18 OVG Bautzen - 16.09.2020 - AZ: 5 A 35/20 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. September 2020 wie folgt gefasst: ""Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 11. September 2019 dahingehend geändert, dass die Rechtswidrigkeit der Löschung des Kommentars Nr. 13 'Ob man dabei den Attentäter von Straßburg finden wird??' festgestellt wird. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu 12/14 und die Kosten des Berufungsverfahrens zu 12/13; die Beklagte trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu 2/14 sowie die Kosten des Berufungsverfahrens zu 1/13."" Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens zu 12/13 und die Beklagte zu 1/13. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen die Löschung von ihm verfasster Kommentare auf der Facebook-Seite des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR). 2 Die beklagte Rundfunkanstalt unterhält einen Internetauftritt auf dem sozialen Netzwerk Facebook. Dort veröffentlicht sie sendungsbezogene Beiträge, die angemeldete Facebook-Nutzer kommentieren können. Für die Erstellung von Kommentaren verweist der MDR auf Vorgaben in Form einer sog. Netiquette, die u. a. einen Bezug zu dem Thema der jeweiligen Sendung verlangt. 3 Folgende der vom Kläger auf der Facebook-Seite des MDR geposteten Kommentare wurden durch den Beklagten mangels Sendungsbezugs zu dem Beitrag ""Aufarbeitung der Treuhand"" gelöscht: <1> ""Hallo Frau G., bei mir hat der MDR - Mitteldeutscher Rundfunk auch Kommentare gelöscht die gegen nichts verstoßen haben. Allerdings habe ich mir diese Zensur nicht gefallen lassen und umgehend meinen Anwalt Herrn S. von der Kanzlei R. informiert. Der MDR - Mitteldeutscher Rundfunk wollte mir auch mit seiner hauseigenen Netiquette kommen ... die jedoch hinfällig sein dürfte als öffentlich-rechtliche Körperschaft!"" <2> ""Sehr geehrte Damen und Herren des MDR - Mitteldeutscher Rundfunk, Sie löschen hier permanent meine Kommentare und wie ich Ihnen mitgeteilt habe, habe ich meinen Anwalt, Herrn S. von der Kanzlei R. darüber bereits in Kenntnis gesetzt. Gestern Abend habe ich einen Kommentar von Frau G. kommentiert, doch dieser Kommentar wurde erneut von Ihnen gelöscht, obwohl kein Verstoß vorliegt. Warum? Nennen Sie mir Gründe!! Was Sie hier machen ist Zensur und diese werde ich mir nicht gefallen lassen."" <4> ""Z. Meine Kommentare löscht der MDR seit Tagen ohne anständige Begründung, allerdings lasse ich mir das nicht gefallen. Mein Anwalt S. von der Kanzlei R. wurde darüber bereits informiert (auch mit Screenshots der gelöschten Kommentare als Beweis das kein verstoß vorliegt) Der MDR darf allerhöchstens Kommentare löschen, die rechtswidrig sind, alles andere ist nämlich Zensur!!"" <6> ""M. Das sieht der MDR jedoch anders und betreibt Zensur, aber mein Anwalt wird sich darum kümmern. Denn auch mein Kommentar von gestern Abend wurde wieder gelöscht von diesen Zensoren!!"" 4 Den Beitrag ""Hasskommentare im Netz"", der eine Umfrage zur Betroffenheit von Nutzern sozialer Medien von Hasskommentaren thematisiert hatte, kommentierte der Kläger wie folgt: <3> ""Erklären Sie mir doch erneut, was hier gegen die Netiquette von MDR - Mitteldeutscher Rundfunk verstößt? Was genau ist denn Hassrede??? Mittlerweile wurde ja sogar die Unabhängigkeitserklärung von Amerika als Hassrede eingestuft. Merkt da noch jemand etwas???"" 5 Zu dem Beitrag ""Fast jeder zweite Rentner erhält unter 800 € Rente"" verfasste der Kläger den Kommentar: <5> ""Niedrige Renten aber die Diäten für die Politik-Darsteller werden automatisch erhöht!! Da sieht man genau wo das Land steht."" 6 Den Beitrag ""Viele Ost-Rentner von Armut bedroht"" kommentierte der Kläger wie folgt: <7> ""MDR - Mitteldeutscher Rundfunk warum bevormunden Sie die Menschen so?? Was stimmt nicht bei Ihnen im Haus??"" 7 Zu dem Beitrag ""Massensterben bei Amseln durch Usutu-Virus"", der eine Infektion durch ein auf Amseln übertragenes Virus thematisiert hatte, verfasste der Kläger folgende Kommentare: <8> ""Schon erstaunlich, was mittlerweile durch Zugvögel alles so eingeschleppt werden soll. Bis vor 3 Jahren, wurde da noch nix durch Zugvögel eingeschleppt!!"" <9> ""Warum löschen Sie erneut Kommentare von mir MDR - Mitteldeutscher Rundfunk?? Ich habe gegen nichts verstoßen, allerdings verstößt hier der MDR gegen die Meinungsfreiheit."" <10> ""Unterlassen Sie das penetrante löschen meiner Kommentare MDR - Mitteldeutscher Rundfunk. Mein Anwalt hat Sie bereits darüber informiert, das meine Kommentare gegen nichts verstoßen. Sie betreiben hier Zensur!! Sie müssen die Meinungsfreiheit ertragen, ob ihnen das passt oder nicht!! Sie können ja nicht mal begründen, warum Sie meine Kommentare löschen. Schämen Sie sich!!"" 8 Zu einem Kommentar, der sich mit der Diskussionskultur insbesondere in sozialen Netzwerken unter Bezugnahme auf die Buchveröffentlichung ""Hass im Netz"" auseinandersetzte, schrieb der Kläger: <11> ""MDR - Mitteldeutscher Rundfunk, ihr zensiert!! Nicht umsonst habe ich deswegen einen Anwalt eingeschaltet. Anständige Kommentare, die gegen nichts verstoßen, auch nicht gegen Eure sogenannte Netiquette, werden von Euch gelöscht. Jeder der sich vom MDR zensiert fühlt, sollte sich damit an einen Anwalt wenden. Der MDR darf nur Kommentare löschen, die gegen deutsches Recht verstoßen oder strafbaren Inhalt haben alles andere ist ein Verstoß vom MDR gegen die Meinungsfreiheit!!"" 9 Ein Beitrag des Beklagten, der ein Video von der Pressekonferenz nach dem Todesfall eines 22-Jährigen im September 2018 mit dem Innenminister und der Justizministerin von Sachsen-Anhalt zum Gegenstand hatte, wurde vom Kläger wie folgt kommentiert: <12> ""MDR - Mitteldeutscher Rundfunk, Ihr zensiert!! Ihr greift radikal in jede anständige Unterhaltung ein und zersetzt so den Zusammenhang und die Meinungsfreiheit. Wenn Kommentare gelöscht werden, die weder gegen deutsches Recht verstoßen noch sonstige Strafbarkeiten beinhalten, dann ist das Zensur!!"" 10 Zu dem Beitrag des Beklagten ""Bundesweite Razzia gegen Neonazis"" verfasste der Kläger die folgenden Kommentare: <13> ""Ob man dabei den Attentäter von Straßburg finden wird??"" <14> ""Sie betreiben wieder Zensur??"" 11 Der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Löschung gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Kommentars Nr. 5 stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. 12 Es hat ausgeführt, die Löschung der Kommentare sei als Eingriff in das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit durch die Netiquette sowie das virtuelle Hausrecht des Beklagten gerechtfertigt. Zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG zählten u. a. die das Telemedienangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betreffenden Regelungen des damals noch geltenden Rundfunkstaatsvertrags (§ 11d RStV i. V. m. Nr. 17 der Anlage zu § 11d Abs. 5 Satz 4 RStV - Negativliste i. d. F. des 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrags). Danach seien Foren und Chats ohne Sendungsbezug unzulässig. Diese Vorgaben habe der Beklagte in den als Netiquette bezeichneten Benutzungsregelungen gesetzeskonform ausgestaltet. Bei der Auslegung der gesetzlichen Vorgaben sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte Träger des Grundrechts der Rundfunkfreiheit in der Ausprägung der Programmfreiheit sei. Bei der Abwägung zwischen den betroffenen Grundrechtspositionen seien die dem Beklagten gesetzlich obliegenden Aufgaben und Beschränkungen sowie der journalistisch-redaktionelle Charakter des Eingriffs angemessen zu berücksichtigen. Die noch im Streit stehenden Kommentare des Klägers hätten keinen Bezug zu den Themen der jeweiligen Beiträge des MDR aufgewiesen. Der Sendungsbezug fehle auch bei der in der Netiquette ausgeschlossenen Diskussion über gelöschte Kommentare. 13 Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision. Er rügt, § 11d RStV i. V. m. Nr. 17 der Anlage erfasse nur die Auswahl der Inhalte, die von dem Beklagten auf seiner Unternehmensseite eingestellt werden sollten. Weder die Unternehmensseite des Beklagten als solche noch die einzelnen darauf veröffentlichten Beiträge oder die Kommentierungsfunktion stellten Foren oder Chats i. S. d. Negativliste dar. Deshalb sei für die Kommentierungsmöglichkeit kein Sachbezug erforderlich und die Netiquette insoweit unbeachtlich. Dem Beklagten fehle die Befugnis zur Löschung als Moderationsmaßnahme; keinesfalls sei er zur Löschung sachfremder, nicht strafrechtlich relevanter Inhalte berechtigt. Denn die Schlussfolgerung von der in § 11d Abs. 1 RStV geregelten Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf eine gesetzliche Befugnis zur Löschung sei nicht gerechtfertigt. 14 Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. II 15 Die zulässige Revision des Klägers hat nur hinsichtlich der Löschung des Kommentars Nr. 13 Erfolg; insoweit ist die zulässige Feststellungsklage (1.) begründet. Mit Blick auf die übrigen Löschungsmaßnahmen des Beklagten steht das angefochtene Urteil in Einklang mit revisiblem Recht. Maßgebliche Rechtsgrundlage für die im zweiten Halbjahr 2018 durchgeführten Löschungen sind die in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Anlage ""Negativliste öffentlich-rechtlicher Telemedien"" des Rundfunkstaatsvertrags i. d. F. des 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 18. Dezember 2017 enthaltenen Regelungen (2.). Das in Nr. 17 Satz 1 der Negativliste enthaltene Verbot von Foren ohne Sendungsbezug und redaktionelle Begleitung erfasst nicht nur die von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eröffneten Telemedien, sondern auch die von Nutzern geposteten Inhalte (3.). Die genannten Vorschriften verleihen den Rundfunkanstalten zudem die Befugnis zur Löschung von Kommentaren ohne konkreten Sendungsbezug (4.). Als allgemeine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG rechtfertigen sie eine Löschung als Eingriff in die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Meinungsäußerungsfreiheit der Nutzer auch ohne vorherige Anhörung bzw. nachträgliche Benachrichtigung oder Begründung (5.). An diesen Vorgaben gemessen wahrt nur der Kommentar Nr. 13 den erforderlichen Sendungsbezug (6.). Eines Rückgriffs auf ein virtuelles Hausrecht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt bedarf es dafür nicht (7.). 16 1. Gemäß § 43 VwGO kann durch Klage die Feststellung des (Nicht-)Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (§ 43 Abs. 1 VwGO) und soweit er seine Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. 17 Zwischen den Beteiligten waren dadurch, dass der Kläger die von der beklagten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt auf ihrer Facebook-Unternehmensseite eröffnete Kommentarfunktion genutzt hatte und einige seiner Kommentare von dem Beklagten gelöscht worden waren, Rechtsbeziehungen in Gestalt eines konkreten, streitigen und aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm beruhenden Benutzungsverhältnisses als Rechtsverhältnis entstanden (vgl. zum Begriff des Rechtsverhältnisses: BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017 - 6 C 46.16 - BVerwGE 160, 169 Rn. 12 m. w. N.). Dem Kläger als eifrigem Nutzer der Telemedien des Beklagten kann auch das erforderliche berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung wegen der Gefahr der Wiederholung eines vergleichbaren Vorgehens des Beklagten unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen nicht abgesprochen werden (vgl. zur Wiederholungsgefahr: BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 2017 - 6 C 46.16 - BVerwGE 160, 169 Rn. 20 und vom 24. Mai 2022 - 6 C 9.20 - NVwZ 2022, 1197 Rn. 12). Schließlich scheitert die Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht an der Subsidiarität (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Denn der Kläger kann mangels technischer Wiederherstellbarkeit der gelöschten Kommentare und des verloren gegangenen zeitlichen Kontexts nicht auf eine Leistungsklage verwiesen werden. 18 2. a) In Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht (UA Rn. 22) beurteilt sich der Realakt der Löschung eines Kommentars, den ein Nutzer auf der Unternehmensseite einer Rundfunkanstalt gepostet hat, in intertemporaler Hinsicht nach der Rechtslage, die in dem Zeitpunkt der Löschung galt. Die Kommentare des Klägers sind von dem Beklagten nach den das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (§ 137 Abs. 2 VwGO) im 2. Halbjahr 2018 gelöscht worden. Prüfungsmaßstab für das Telemedienangebot öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten waren zu diesem Zeitpunkt die in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Anlage ""Negativliste öffentlich-rechtlicher Telemedien"" des Rundfunkstaatsvertrags i. d. F. des 21. Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (21. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 18. Dezember 2017 (SächsGVBl. 2018 S. 159) - RStV a. F. - enthaltenen, gemäß § 48 RStV a. F. zum revisiblen Recht gehörenden Regelungen. 19 b) Danach bestand das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowohl aus Rundfunkprogrammen (Hörfunk- und Fernsehprogramme) als auch aus Telemedien nach Maßgabe dieses Staatsvertrags und der jeweiligen landesrechtlichen Regelungen (§ 11a Abs. 1 Satz 1 RStV a. F.). Gemäß § 11d Abs. 1 RStV a. F. boten die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio Telemedien an, die journalistisch-redaktionell veranlasst und journalistisch-redaktionell gestaltet waren. 20 Der Auftrag nach § 11d Abs. 1 RStV a. F. umfasste gemäß Absatz 2 Satz 1 der Vorschrift das Angebot u. a. von inhaltlich und zeitlich bis zu sieben Tage danach auf eine konkrete Sendung bezogenen Telemedien, soweit auf für die jeweilige Sendung genutzte Materialien und Quellen zurückgegriffen wurde und diese Telemedien thematisch und inhaltlich die Sendung unterstützend vertieften und begleiteten, ohne jedoch bereits ein eigenständiges Telemedienangebot nach § 11f Abs. 3 RStV a. F. darzustellen. Diese sendungsbezogenen Telemedien - wortgleich definiert in § 2 Nr. 19 RStV a. F. – waren in Telemedienkonzepten entsprechend § 11f Abs. 1 zu beschreiben (Nr. 2). Davon zu unterscheiden waren sendungsbezogene Telemedien nach Ablauf der 7-Tages-Frist sowie nichtsendungsbezogene Telemedien nach Maßgabe eines nach § 11f RStV a. F. durchgeführten Verfahrens; in den Telemedienkonzepten war angebotsabhängig eine Befristung für die Verweildauer vorzunehmen; nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote waren nicht zulässig (Nr. 3). § 11d Abs. 5 RStV a. F. beschrieb in Telemedien unzulässige Inhalte. Satz 4 der Vorschrift enthielt einen Verweis auf die in der Anlage zu diesem Staatsvertrag aufgeführten, in Telemedien nicht zulässigen Angebotsformen. Von der mit ""Negativliste öffentlich-rechtlicher Telemedien"" überschriebenen Aufzählung wurden in Nr. 17 Satz 1 Foren, Chats ohne Sendungsbezug und redaktionelle Begleitung erfasst; Foren, Chats unter Programm- oder Sendermarken waren zulässig. 21 Nach der in § 11d Abs. 3 Satz 1 RStV a. F. zum Ausdruck kommenden Vorstellung des Gesetzgebers sollte durch die Telemedienangebote allen Bevölkerungsgruppen die Teilhabe an der Informationsgesellschaft ermöglicht, Orientierungshilfe geboten sowie die technische und inhaltliche Medienkompetenz aller Generationen und von Minderheiten gefördert werden. 22 c) Dieses bereits durch den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 18. Dezember 2008 (SächsGVBl. 2009 S. 131) ausgestaltete Regelungsgerüst für das Telemedienangebot öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten hat die zuvor geltenden gesetzlichen Vorgaben präzisiert und verfeinert (vgl. zur Genese des Normprogramms: Held, in: Binder/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, § 11d RStV Rn. 4 ff.). Mit der in den Gesetzesmaterialien als Kernelement des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags bezeichneten Konkretisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrags für Programme und Telemedienangebote sowie den Verfahrensvorschriften für neue oder veränderte Telemedien wollten die Landesgesetzgeber die von der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Europäischen Kommission gemachten Zusagen im Beihilfeverfahren E 3/2005 über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland umsetzen (Sächsischer Landtag, Drs. 4/14412 vom 15. Januar 2009, Vorblatt und Anlage ""Begründung zum Zwölften Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge "", S. 1 f., 20). 23 Diesen Zusagen lag der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Kommission vereinbarte sogenannte Beihilfe-Kompromiss zugrunde. Aufgrund von Beschwerden u. a. des Verbands Privater Rundfunk- und Telemedien e. V. aus den Jahren 2002 - 2004 hatte die Kommission eine erste beihilferechtliche Prüfung durchgeführt. In einem an die Bundesregierung gerichteten ""Schreiben nach Art. 17"" vom 3. März 2005 unterstrich sie ihre Auffassung, der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk unterfalle dem Europäischen Beihilferecht. Deshalb bestand sie auf einer Präzisierung der ihr insbesondere hinsichtlich der neuen Mediendienste und digitalen Zusatzkanäle unzureichend erscheinenden Regelungen des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unter Ausschluss insbesondere kommerzieller Tätigkeiten. 24 Daraufhin sagte die Bundesregierung der Kommission zu, den Auftrag für Telemedien und digitale Zusatzangebote unter Bezugnahme auf verbindliche Kriterien gesetzlich zu präzisieren. Das Telemedienangebot solle staatsvertraglich auf journalistisch-redaktionelle Angebote begrenzt werden; das umfasse auch journalistisch-redaktionell veranlasste Angebote wie Internet-Chats. Zudem kündigte die Bundesregierung die Erstellung einer Liste von Telemedien an, die illustrativen Charakter habe und auch Angebote bezeichne, die als nicht vom Auftrag erfasst anzusehen seien. Aufgrund dieser Zusagen der Bundesregierung stellte die Kommission das Beihilfeverfahren ein (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 24. April 2007 - K<2007> 1761 endg., Staatliche Beihilfe E 3/2005 – Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland, Rn. 141 ff., 216, 318, 322 ff.). 25 Die Genese der gesetzlichen Regelungen belegt, dass die beihilferechtlich motivierten Einschränkungen für Telemedienangebote des öffentlichen Rundfunks und insbesondere die Sendungsakzessorietät dem Schutz privater kommerzieller Anbieter dienen. Das entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 letzter Hs. RStV a. F., derzufolge es sich bei dem Verbot nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote zumindest auch um eine von Wettbewerbern zivilrechtlich durchsetzbare Marktverhaltensregelung handelt (BGH, Urteil vom 30. April 2015 - I ZR 13/14 - NJW-RR 2016, 557 Rn. 59). Mit den Vorgaben in § 11d RStV einschließlich der Negativliste verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, die Betätigung der abgabefinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf dem Telemedienmarkt zum Schutz von privaten Medienanbietern und Presseverlagen zu begrenzen. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es für die Analyse der die Landesgesetzgeber leitenden Motive als einer Tatfrage nicht darauf an, ob die getroffenen Regelungen auch unionsrechtlich notwendig gewesen wären. 26 3. Stellt eine Rundfunkanstalt für sendungsbezogene Telemedien nach § 11d Abs. 2 Satz 1 RStV a. F. Foren mit Kommentarfunktionen für die Nutzer zur Verfügung, erfasst das in § 11d Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste für öffentlich-rechtliche Telemedien enthaltene Verbot von Foren und Chats ohne Sendungsbezug und redaktionelle Begleitung auch die von den Nutzern geposteten Inhalte. 27 a) Die von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu ihren sendungsbezogenen Telemedien eröffneten Foren mit Kommentarfunktion unterfallen begrifflich der Regelung in Nr. 17 Satz 1 der Anlage zu § 11d Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. (Negativliste). Die sachliche Anwendbarkeit der Vorschrift wird im Gegensatz zur Auffassung der Revision nicht dadurch infrage gestellt, dass die Initiative zur aktiven Teilnahme am öffentlichen Diskurs nicht bei den Nutzern, sondern bei der Rundfunkanstalt liegt. Dafür spricht bereits, dass auch bei einer Vielzahl anderer Internetforen der Anstoß zum kommunikativen Austausch von Seiten des Betreibers ausgeht, der unterschiedliche Themen vorgibt. Erst recht gilt dies im Kontext des Rundfunkstaatsvertrags, der den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in § 11d Abs. 1 RStV a. F. keine der Öffentlichkeit zur freien Verfügung gestellte Plattformen, sondern nur journalistisch-redaktionell veranlasste und gestaltete Telemedien gestattet. Für Foren und Chats hat der Gesetzgeber zudem in Nr. 17 Satz 1 der Negativliste explizit geregelt, dass diese nur sendungsbezogen und unter redaktioneller Begleitung zulässig sind. Diese Voraussetzungen vermag nur ein Forum zu erfüllen, das vom Betreiber veranlasst und überwacht wird. 28 b) Die Unzulässigkeit von Foren ohne redaktionelle Begleitung belegt die gesetzgeberische Forderung nach normativer Perpetuierung des Sendungsbezugs und die Erstreckung auf die geposteten Kommentare der Nutzer. Denn die vom Gesetzgeber vorgesehene redaktionelle Begleitung geht über die bloße Eröffnung eines Forums hinaus und verdeutlicht die Verantwortung der Rundfunkanstalt für den fortbestehenden Sendungsbezug eines von ihr eröffneten Forums. 29 Vor dem Hintergrund des Beihilfe-Kompromisses spricht auch die teleologische Auslegung für die Annahme einer fortdauernden Verantwortung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten für die Wahrung des Sendungsbezugs, wenn sie auf ihren Internetseiten Foren mit Kommentierungsfunktion bereitstellen. Denn nach den Gesetzesmaterialien erfasst die Negativliste insbesondere solche Angebote, die für Erwerbszwecke kommerzieller Anbieter relevant sind (Sächsischer Landtag, Drs. 4/14412 vom 15. Januar 2009, Anlage ""Begründung zum Zwölften Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge "", S. 19). Folgte man der Revision, wäre der damit beabsichtigte Schutz privater Wirtschaftsakteure nicht erreichbar. Denn bräuchten die von Nutzern geposteten Kommentare den Sendungsbezug nicht zu wahren, könnte die von den Beschränkungen in Nr. 17 Satz 1 der Negativliste verlangte Akzessorietät der Telemedien zum jeweiligen Rundfunkangebot verloren gehen. Dies zu verhindern gehört jedoch zu der aus der redaktionellen Begleitung erwachsenden Pflicht der Rundfunkanstalt (Held, in: Binder/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, § 11d RStV Rn. 139 a. E.). Konsequenterweise erstreckt sich die Verpflichtung zur Wahrung des Sendungsbezugs in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Anlage nicht nur auf die von einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt selbst eingestellten Beiträge, sondern darüber hinaus auch auf die geposteten Kommentare der Nutzer in einem von ihr eröffneten Forum. 30 4. Die Vorschriften der § 11d Abs. 2, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Anlage enthalten nicht nur materiellrechtliche Vorgaben für die Telemedienangebote sowohl der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als auch der Nutzer von Foren, sondern verleihen den Anstalten zudem die Befugnis zur Löschung von Kommentaren ohne konkreten Sendungsbezug. 31 a) Der rechtsstaatliche Grundsatz des Gesetzesvorbehalts verlangt für Eingriffe der Verwaltung unabhängig von der Handlungsform als Rechts- oder Realakt eine gesetzliche Ermächtigung (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2012 - 6 C 9.11 - BVerwGE 141, 329 Rn. 27). Diesem Erfordernis werden die genannten Vorschriften gerecht. Denn der Gesetzgeber hat, wie die Formulierung des § 11d Abs. 2 RStV a. F. verdeutlicht, die Regelungen zum Telemedienangebot öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten nicht nur als reine Kompetenznorm, sondern als materiellen Auftrag ausgestaltet. Deshalb lassen die in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste kodifizierten materiellen Vorgaben den Schluss zu, dass der Gesetzgeber den Rundfunkanstalten damit auch die Befugnis zu Eingriffen in Grundrechte der Nutzer verliehen hat. 32 b) Dieser Auslegungsbefund wird durch teleologische Überlegungen unterstrichen. Denn Anlass für das mit § 11d RStV a. F. geschaffene Regelungsgerüst war - wie oben ausgeführt - der zwischen der Europäischen Kommission und der Bundesrepublik Deutschland vereinbarte Beihilfe-Kompromiss. Die Zusage der Bundesrepublik Deutschland, für eine effektive Umsetzung der Beschränkungen des Telemedienangebots der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu sorgen, war für die Europäische Kommission mitentscheidend, das Beihilfeverfahren einzustellen (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 24. April 2007 - K<2007> 1761 endg., Staatliche Beihilfe E 3/2005 – Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland, Rn. 332 ff.). Der beabsichtigte Schutz privater Akteure mittels eines präzise gestalteten gesetzlichen Telemedienauftrags für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten lässt sich aber nur erreichen, wenn das gesetzliche Erfordernis der redaktionellen Begleitung durch die Rundfunkanstalt zugleich die Befugnis zur Durchsetzung der materiellrechtlichen Vorgaben enthält. Angesichts dessen, dass die Landesgesetzgeber in einigen Punkten sogar über die Forderungen der Europäischen Kommission hinausgegangen sind (Gersdorf, in: Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, 1. Aufl. 2014, § 11d RStV Rn. 1, 5), sind keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass sie bei der Umsetzung des Beihilfe-Kompromisses Abstriche hätte machen wollen. Das stützt die Annahme, dass § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Anlage die Rundfunkanstalten auch zur Löschung nicht-sendungsbezogener Kommentare ermächtigt, die Nutzer auf einem von der Anstalt eröffneten Forum gepostet haben. 33 5. In diesen einfachgesetzlichen Vorgaben für den Telemedienauftrag öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten liegen insbesondere mit Blick auf die Löschungsbefugnis für Kommentare ohne Sendungsbezug Eingriffsermächtigungen in die Meinungsäußerungsfreiheit betroffener Nutzer (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG). Diese genügen als allgemeine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG, die die Rundfunkordnung ausgestalten, den verfassungsrechtlichen Anforderungen. 34 a) Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sich einerseits im Rechtsverhältnis zum Staat als grundrechtsberechtigte juristische Personen des Öffentlichen Rechts gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auf die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen können (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 1971 - 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68 - BVerfGE 31, 314 <322>; Beschluss vom 20. Juli 2021 - 1 BvR 2756/20 u. a. - BVerfGE 158, 389 Rn. 64), andererseits aber als rechtsfähige Subjekte der mittelbaren Staatsverwaltung gemäß Art. 1 Abs. 3 GG gegenüber ihren Nutzern grundrechtsverpflichtet sind (BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2003 - 1 BvR 2378/03 - NVwZ 2004, 472). 35 b) Wenn öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sendungsbezogene Foren im Internet eröffnen, genießen gepostete Kommentare von Nutzern den Schutz der Meinungsfreiheit. Zwar verschafft Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG dem Individuum keinen Anspruch auf Zutritt zu ihm sonst unzugänglichen Orten, sondern die Meinungsäußerungsfreiheit ist nur dort gewährleistet, wo der Betroffene tatsächlich Zugang findet (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476, 1980/91 u. a. - BVerfGE 93, 266 <289>; Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - BVerfGE 128, 226 <264 f.>). Zu Recht hat die Vorinstanz jedoch die Beschränkungen des Telemedienangebots in § 11d Abs. 2, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 der Negativliste nicht als schutzbereichsausschließend angesehen. Vielmehr sind normative Zugangsbeschränkungen, die an einer Meinungsäußerung anknüpfen, auf der Ebene der Eingriffsrechtfertigung zu prüfen (BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - BVerfGE 128, 226 <264 f.>). 36 c) Die Befugnis zur Löschung geposteter Kommentare ohne Sendungsbezug ermächtigt die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu einem Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit der betroffenen Nutzer. Denn im Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegt in jeder Verwaltungsmaßnahme, die die Meinungsäußerung und -verbreitung verbietet, behindert oder gebietet, ein relevanter Eingriffsakt (Schemmer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand November 2022, Art. 5 Rn. 18). Zudem ist die Löschung eines Kommentars ohne Sendungsbezug final darauf gerichtet, die Verbreitung der betroffenen Meinungsäußerung im Telemedienangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt zu verhindern. Damit sind solche Realakte als Ersatz für imperative hoheitliche Maßnahmen anzusehen, die als Grundrechtseingriffe im herkömmlichen Sinne zu qualifizieren wären (dazu allgemein: BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558, 1428/91 - BVerfGE 105, 252 <273> und vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <303>; BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2015 - 1 C 13.14 - BVerwGE 151, 228 Rn. 40; vom 13. September 2017 - 10 C 6.16 - BVerwGE 159, 327 Rn. 22 und vom 25. Oktober 2017 - 6 C 46.16 - BVerwGE 160, 169 Rn. 32). 37 d) Die hier maßgeblichen Rechtsgrundlagen in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste, die sich weder gegen die Meinungsfreiheit an sich noch gegen die Äußerung einer bestimmten Meinung richten, zählen zu den die Meinungsfreiheit beschränkenden allgemeinen Gesetzen i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG. Sie dienen dem Schutz der Tätigkeitsbereiche von Presse und privaten Medien i. S. d. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und gestalten gleichzeitig die Rundfunkordnung aus, indem sie die gegenläufigen, durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interessen auf verhältnismäßige Weise zu einem Ausgleich im Sinne praktischer Konkordanz bringen. 38 aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind allgemeine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG ihrerseits im Lichte des von ihnen eingeschränkten Grundrechts der Meinungsfreiheit auszulegen. Dabei muss der besondere Wertgehalt dieses Grundrechts, der in der freiheitlichen Demokratie zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede in allen Bereichen führt, auf jeden Fall gewahrt bleiben. Es findet eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, dass die ""allgemeinen Gesetze"" zwar ihrem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen (BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51 - BVerfGE 7, 198 <208 f.>; Beschlüsse vom 4. November 2009 - 1 BvR 2150/08 - BVerfGE 124, 300 <332, 342> und vom 9. November 2011 - 1 BvR 461/08 - NJW 2012, 1498 Rn. 20). 39 bb) Die an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten adressierten Regelungen zur Ausgestaltung ihres Telemedienangebots berühren die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Rundfunkfreiheit. 40 Für die Abgrenzung der Schutzbereiche von Rundfunk- und Pressefreiheit ist auf das gewählte Verbreitungsmedium und dessen Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft abzustellen (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Oktober 2005 - 1 BvR 396/98 - BVerfGE 114, 371 <387> und vom 20. Juli 2021 - 1 BvR 2756/20 u. a. - BVerfGE 158, 389 Rn. 77). Damit ist aber noch keine finale Zuordnung getroffen. Denn die Nutzung eines bestimmten Mediums kann in den Schutzbereich mehrerer der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Garantien fallen und die Zuordnung dieses Mediums zu einem bestimmten Grundrechtstatbestand schließt die Zuordnung eines anderen Mediums zu demselben Grundrechtstatbestand nicht ein für allemal aus (BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 - BVerfGE 83, 238 <313>). So unterfällt die Verbreitung von Informationen in einem Onlinearchiv eines Presseverlags nicht allein deshalb der Rundfunkfreiheit, weil der Verlag sich dafür elektronischer Informations- und Kommunikationssysteme bedient (BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - BVerfGE 152, 152 Rn. 95). 41 Hinsichtlich der Veröffentlichung von Druckwerken mit vorwiegend programmbezogenem Inhalt hat das Bundesverfassungsgericht darauf abgestellt, ob und in welchem Umfang diese einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt eingeräumte Befugnis dazu beitragen kann, die Erfüllung der in der dienenden Funktion der Rundfunkfreiheit wurzelnden Aufgaben der Anstalt sicherzustellen. Wenn und soweit die Veröffentlichung derartiger Druckwerke diesem Aufgabenkreis als eine lediglich unterstützende Randbetätigung zugeordnet werden könne, sei sie von der Rundfunkfreiheit gedeckt (BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 - BVerfGE 83, 238 <313>; vgl. auch Beschlüsse vom 13. Januar 1988 - 1 BvR 1548/82 - BVerfGE 77, 346 <354> und vom 23. März 1988 - 1 BvR 686/86 - BVerfGE 78, 101 <102 f.> zu den vom Grundrechtsschutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfassten Hilfstätigkeiten). 42 Dieser Maßstab lässt sich auf das Telemedienangebot öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten übertragen: Mit Blick auf den dynamisch zu verstehenden Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dessen auch neue Verbreitungsformen erfassende Entwicklungsgarantie (BVerfG, Urteile vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 - BVerfGE 83, 238 <298, 302 f.>; vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05 u. a. - BVerfGE 119, 181 <218> und vom 25. März 2014 - 1 BvF 1, 4/11 - BVerfGE 136, 9 Rn. 29; Beschluss vom 20. Juli 2021 - 1 BvR 2756/20 u. a. - BVerfGE 158, 389 Rn. 83) fallen jedenfalls die in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Anlage genannten, journalistisch-redaktionell veranlassten und gestalteten sowie sendungsbezogenen Telemedienangebote in den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (so im Ergebnis auch: Held, Online-Angebote öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, 2008, S. 53 ff.; Gersdorf, Legitimation und Legitimierung von Onlineangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2009, S. 103 ff.; weitergehend: Hain, Die zeitlichen und inhaltlichen Einschränkungen der Telemedienangebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio nach dem 12. RÄndStV, 2009, S. 72 ff.). 43 cc) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf die Rundfunkfreiheit der gesetzlichen Ausgestaltung, denn der Rundfunk ist Medium und Faktor des verfassungsrechtlich geschützten Prozesses freier Meinungsbildung. Die Rundfunkfreiheit dient der Freiheit der Meinungsbildung; sie bildet unter den Bedingungen moderner Massenkommunikation eine notwendige Ergänzung und Verstärkung dieser Freiheit und soll freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk gewährleisten. Die Notwendigkeit ausgestaltender gesetzlicher Regelung besteht auch nach Entfall der durch die analoge Technik vorgegebenen Sondersituation und dem Übergang in die digitale Welt des Internets. Denn auch unter diesen Bedingungen ist nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten, dass das Programmangebot in seiner Gesamtheit kraft der Eigengesetzlichkeit des Wettbewerbs den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Rundfunkfreiheit entsprechen wird, die einer anderen Entscheidungsrationalität als der ökonomischer Anreize gehorcht (BVerfG, Urteile vom 16. Juni 1981 - 1 BvL 89/78 - BVerfGE 57, 295 <319 f., 322 f.>; vom 12. März 2008 - 2 BvF 4/03 - BVerfGE 121, 30 <51> und vom 25. März 2014 - 1 BvF 1, 4/11 - BVerfGE 136, 9 Rn. 29 ff.; Beschluss vom 20. Juli 2021 - 1 BvR 2756/20 u. a. - BVerfGE 158, 389 Rn. 78). 44 Freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung durch den Rundfunk verlangt über die negatorische Freiheit von staatlicher Beherrschung und Einflussnahme hinaus die Schaffung einer positiven Ordnung durch den Gesetzgeber. Dieser muss durch materielle und prozedurale Regelungen sicherstellen, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet und dass auf diese Weise umfassende Information geboten wird (BVerfG, Urteile vom 16. Juni 1981 - 1 BvL 89/78 - BVerfGE 57, 295 <319 f.>; vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 - BVerfGE 83, 238 <296> und vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 - BVerfGE 90, 60 <88>). Bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung besitzt der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfG, Urteile vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05 u. a. - BVerfGE 119, 181 <214> und vom 25. März 2014 - 1 BvF 1, 4/11 - BVerfGE 136, 9 Rn. 29). Wie er die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit angesichts der Besonderheiten des jeweiligen Bereichs im Einzelnen erfüllt, obliegt seiner politischen Entscheidung (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - 1 BvR 396/98 - BVerfGE 114, 371 <387>). Dabei hat er in dem mehrpoligen Grundrechtsgeflecht des Art. 5 Abs. 1 GG zwischen Individuum, Rundfunkanstalt und Presseverlegern bzw. privaten Medienanbietern die schutzwürdigen gegenläufigen Interessen auf verhältnismäßige Weise zu einem Ausgleich im Sinne praktischer Konkordanz zu bringen. Diesen Vorgaben genügen die in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste getroffenen Regelungen. 45 dd) Die § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Anlage stellen eine verhältnismäßige Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit der Nutzer dar. 46 (1) Mit den genannten Vorschriften verfolgt der Gesetzgeber legitime Ziele. Denn durch die Begrenzung der Telemedienangebote des abgabefinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf sendungsbezogene Foren will er in Umsetzung des Beihilfe-Kompromisses die Programmautonomie der Rundfunkanstalten hinsichtlich der zulässigen Angebotsformen beschränken und hat mittels dieser Grenzziehung zugleich die Rundfunkordnung ausgestaltet. Die Regelung des Telemedienmarktes dient den legitimen, von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Interessen der Presse sowie der privaten, kommerziellen Medienanbieter. Beide stehen im Wettbewerb zum sonderfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk und müssen sich diesem gegenüber am Markt behaupten, da sie auf die Erzielung von Einnahmen angewiesen sind. Ihnen wird durch die genannten Regelungen - gleichsam spiegelbildlich zur Beschränkung der Telemedienangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - ein Marktsegment ohne unmittelbare Konkurrenz seitens der Rundfunkanstalten erhalten. Auf diese Weise will der Gesetzgeber mittelbar die Meinungsvielfalt sichern, indem er möglichst vielen privaten Akteuren Marktchancen erhält. 47 (2) Die die Meinungsäußerungsfreiheit der Nutzer beschränkenden Regelungen in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste genügen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. An ihrer Eignung und Erforderlichkeit mit Blick auf das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel, die Meinungsvielfalt durch eine Marktregelung zum Schutz privater Medienanbieter und Presseverlage zu sichern, hat der Senat keine Zweifel. 48 Mit Blick auf die Angemessenheit erscheint das Eingriffsgewicht für Nutzer, die in den Foren der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf das Posten konkret sendungsbezogener Kommentare beschränkt werden, eher gering. Denn ihnen wird eine den Sendungsbezug sprengende Meinungsäußerung nur dort, nicht aber an anderer Stelle verwehrt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Nutzer, der in einem Forum einer Sendeanstalt einen Kommentar postet, an der zumeist größeren Reichweite dieser Internetseite partizipieren will. Art. 5 Abs. 1 GG vermittelt dem Individuum jedoch keinen Anspruch gegenüber der öffentlichen Hand auf Eröffnung themenungebundener Foren. 49 Demgegenüber steht die Sorge der Presseverleger sowie privater Medienanbieter vor einer Dominanz des Telemedienmarktes durch den sonderfinanzierten öffentlichen Rundfunk. Zur Förderung der Meinungsvielfalt darf der demokratisch legitimierte Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit auch im Vorfeld der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gezogenen Grenze, dass u. a. der private Rundfunk Bedingungen unterworfen wäre, die ihn erheblich erschwerten oder gar unmöglich machten (BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 - BVerfGE 83, 238 <311>), Vorsorge zum Schutz kommerzieller Medien sowie der Presse betreiben. 50 Schließlich sind keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch die Begrenzung ihres Telemedienangebots auf thematisch sendungsbezogene Foren an der Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgabe der Grundversorgung gehindert würden (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 - BVerfGE 83, 238 <311>). Auch wenn die Rundfunkanstalten in der Art und Weise der Funktionserfüllung grundsätzlich frei sind und ihnen die Bestimmung dessen zusteht, was im Hinblick auf Inhalt und Form der Programme publizistisch erforderlich ist (Programmautonomie), schließt das selbst gesetzliche Beschränkungen des Umfangs des linearen Programmangebots nicht von vornherein aus (BVerfG, Urteile vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 - BVerfGE 90, 60 <91 f.> und vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05 u. a. - BVerfGE 119, 181 <218 f.>). Denn öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten haben - wie jede Institution - ein Selbstbehauptungs- und Ausweitungsinteresse, das sich gegenüber der ihnen auferlegten Funktion verselbständigen kann. Das gilt erst recht unter den Bedingungen des Wettbewerbs mit privaten Veranstaltern, die sowohl in ihrer Finanzierung als auch der Programmgestaltung freier sind (BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 1992 - 1 BvR 1586/89 und 487/92 - BVerfGE 87, 181 <202>). Demzufolge erscheinen die durch § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste getroffenen Regelungen zur Begrenzung des Telemedienangebots öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten einschließlich der Löschungsbefugnis für Kommentare ohne Sendungsbezug als ein angemessener Ausgleich zwischen den durch Art. 5 Abs. 1 GG berührten legitimen Interessen der Rundfunkanstalten, deren Nutzern sowie der privaten Medienanbieter bzw. der Presse. 51 e) Der Senat hat erwogen, ob sich für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfahrensrechtliche Anforderungen bei der Löschung von nicht sendungsbezogenen Kommentaren auch ohne einfachgesetzliche Regelung - etwa in Form einer Pflicht zur vorherigen Anhörung, nachträglichen Benachrichtigung oder Begründung - unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ergeben. Derartige prozedurale Schritte erscheinen jedoch als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Löschung von Kommentaren ohne konkreten Sendungsbezug verfassungsrechtlich nicht geboten. 52 Zwar verlangt der Bundesgerichtshof von den Anbietern sozialer Netzwerke die Aufnahme der Verpflichtung in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Nutzer über die Entfernung von deren Beiträgen zumindest nachträglich zu informieren. Damit soll den Betroffenen der Grund für die Löschung mitgeteilt und eine Möglichkeit zur Gegendarstellung eingeräumt werden, an die sich eine Neubescheidung anschließt, mit der die Möglichkeit der Wiederzugänglichmachung des entfernten Beitrags einhergeht (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - III ZR 179/20 - NJW 2021, 3179 Rn. 83 ff.). Diese Rechtsprechung ist aber auf das öffentlich-rechtliche Nutzungsverhältnis der Rundfunkanstalten zu ihren Nutzern nicht übertragbar. 53 Den zivilrechtlichen Fällen liegt ein Eingriff in den eigenen Account eines Kunden durch ein Unternehmen zugrunde, das sich in seinem durch Verarbeitung der Nutzerdaten finanzierten Geschäftsmodell zu der Dienstleistung verpflichtet hat, eine thematisch unbegrenzte Kommunikation auf seiner Internetplattform zu eröffnen (BGH a. a. O. Rn. 73). Wegen der strukturellen Überlegenheit des Betreibers eines sozialen Netzwerks verlangt die zivilgerichtliche Rechtsprechung für die Entfernung von Inhalten einen sachlichen Grund und eine auf einen solchen gestützte nachvollziehbare, an objektive überprüfbare Tatbestände anknüpfende Entscheidung des Unternehmens (BGH a. a. O. Rn. 81 f.). Demgegenüber wird der Beitrag eines Betroffenen in Fällen der hier vorliegenden Art nicht auf seinem eigenen, von dem sozialen Netzwerk zur freien Gestaltung bereitgestellten Account, sondern in einem von vornherein thematisch begrenzten Forum gelöscht, das eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt eröffnet hat und redaktionell begleitet. Mit dem Tatbestandsmerkmal des Sendungsbezugs, das voller gerichtlicher Überprüfung unterliegt, hat der Gesetzgeber den sachlichen Löschungsgrund zudem bereits konkretisiert und eingegrenzt. 54 Des Weiteren erachtet der Senat das Gewicht eines Eingriffs durch Löschungen auf der eigenen Seite eines sozialen Netzwerks grundsätzlich höher als in einem thematisch gebundenen Forum einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt. Denn solche Foren haben für die Teilhabe des Individuums am gesellschaftlichen Leben nicht die gleiche Bedeutung wie soziale Netzwerke, die mittlerweile für Teile der Bevölkerung in erheblichem Umfang den Zugang zu Kommunikation vermitteln (BGH a. a. O. Rn. 66). 55 Angesichts der typischerweise zeitlich nur sehr begrenzten Aktualität und Resonanz von in Internetforen geposteten Kommentaren kann zudem der Effizienzverlust, der mit einer Anhörung vor der Löschung einherginge, nicht unberücksichtigt bleiben. Schließlich ist nicht zu erkennen, welchen Mehrwert ein vorgeschaltetes Gegenvorstellungsverfahren für den Betroffenen gegenüber einem Verwaltungsprozess besäße, der sich unmittelbar an eine Löschung anschließt. Deshalb gebietet Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht zwingend Grundrechtsschutz durch ein Verwaltungsverfahren mit der Fehlerfolge der Rechtswidrigkeit einer Löschung bei Nichtdurchführung. 56 6. An diesen Vorgaben gemessen wahrt nur der Kommentar Nr. 13 das gesetzliche Erfordernis des konkreten Sendungsbezugs in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste; die ""Netiquette"" des Beklagten besitzt für die gerichtliche Beurteilung keine Bedeutung. Die Löschung der übrigen Kommentare des Klägers ist nicht zu beanstanden. 57 a) Die Vorinstanz hat offengelassen, ob sich die Löschung der auf der Facebook-Seite des Beklagten geposteten Kommentare des Klägers nach § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 Alt. 1 RStV a. F. beurteilt. Sie hat weder zu der Verweildauer der von dem Beklagten eröffneten sendungsbezogenen Telemedien und den mit einer Kommentarfunktion versehenen Foren noch zu der Durchführung eines Verfahrens nach § 11f RStV a. F. tatsächliche Feststellungen getroffen. Darin liegt jedoch kein revisibler Rechtsverstoß, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht nötigt. Denn der Senat vermag als allgemeinkundige Tatsache selbst festzustellen (vgl. dazu Neumann/Korbmacher, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 137 Rn. 150 ff.; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 137 Rn. 60 ff. m. w. N.), dass der Beklagte das Telemedienkonzept ""MDR Telemedien"" veröffentlicht und dort auch die Verweildauer von bis zu 12 Monaten geregelt hat (Sächsisches Amtsblatt, Sonderdruck 8/2016 vom 12. November 2016, S. 726 ff.). Damit erweist sich die Dauer der Zugriffsmöglichkeit der Öffentlichkeit auf die entsprechenden Telemedien und Foren des Beklagten, die gemäß § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste jedenfalls dem gesetzlichen Erfordernis des Sendungsbezugs unterliegen, als nicht entscheidungserheblich. 58 b) Die von dem Beklagten erstellte ""Netiquette"", mit der er die Anforderungen an die Kommentare der Nutzer auf seiner Facebook-Seite konkretisiert, hat die Vorinstanz nicht als Rechtsnorm angesehen (UA Rn. 26; missverständlich demgegenüber Rn. 33 und 46). Sie hat die darin enthaltenen behördlichen Erklärungen dahingehend ausgelegt, dass sie mangels normativen Charakters keine Geltung i. S. einer unmittelbaren Verbindlichkeit für den Bürger beanspruchten. 59 Diese Auslegung ist revisionsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar: Der Senat ist an die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte tatrichterliche Würdigung des Auslegungsmaterials i. S. der tatsächlich festgestellten Umstände gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Das Auslegungsergebnis der Vorinstanz, die ""Netiquette"" scheide mangels Rechtssatzqualität als gerichtlicher Prüfungsmaßstab für die Nutzerkommentare aus, ist allerdings vom Revisionsgericht an der revisiblen Regel des § 133 BGB für die Auslegung behördlicher Erklärungen zu messen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2017 - 6 C 3.16 - BVerwGE 159, 148 Rn. 14.). Danach ist der objektive Gehalt einer Erklärung zu bestimmen; es kommt darauf an, wie der Adressat sie bei objektiver Betrachtung verstehen kann und muss (BVerwG, Urteile vom 21. Juni 2006 - 6 C 19.06 - BVerwGE 126, 149 Rn. 52 und vom 5. November 2009 - 4 C 3.09 - BVerwGE 135, 209 Rn. 21). Mit Blick darauf begegnet das Auslegungsergebnis des Oberverwaltungsgerichts keinen Bedenken, dass es sich bei der ""Netiquette"" nur um zur Information der Nutzer geschaffene, gleichsam norminterpretierende Hinweise auf die Rechtslage handelt. 60 c) Der Gesetzgeber hat den Maßstab des Sendungsbezugs in § 2 Nr. 19 RStV a. F. vorgegeben. Demnach sind sendungsbezogene Telemedien Angebote, die der Aufbereitung von Inhalten aus einer konkreten Sendung einschließlich Hintergrundinformationen dienen, soweit auf für die jeweilige Sendung genutzte Materialien und Quellen zurückgegriffen wird und diese Angebote thematisch und inhaltlich die Sendung unterstützend vertiefen und begleiten, ohne jedoch bereits ein eigenständiges neues oder verändertes Angebot nach § 11f Abs. 3 RStV a. F. darzustellen. Nach dieser in § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 RStV a. F. wieder aufgegriffenen Legaldefinition ist an der konkreten Sendung anzusetzen; den Rundfunkanstalten ist jedoch der Rückgriff auf Recherchematerial (Materialien und Quellen) gestattet, ohne dass der Sendungsbezug dadurch verloren geht. Der Halbsatz ""soweit auf für die jeweilige Sendung genutzte Materialien und Quellen zurückgegriffen wird und diese Angebote thematisch und inhaltlich die Sendung unterstützend vertiefen und begleiten"" ist nicht im Sinne notwendiger kumulativer Voraussetzungen (so aber Dörr, in: Hartstein/Ring, HK-RStV, B5 § 11d RStV, Stand: April 2016, Rn. 23 f.), sondern erweiternd als Klarstellung zu lesen. 61 Ein von einem Nutzer in einem Forum einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt geposteter Kommentar wahrt den nach § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste erforderlichen Sendungsbezug nur, wenn er nach seinem Sinngehalt noch einen hinreichenden Anknüpfungspunkt zu dem Thema der Sendung erkennen lässt. Dazu ist er aus der Sicht des objektivierten Empfängerhorizonts auszulegen; im Falle der Mehrdeutigkeit ist die Variante zugrunde zu legen, die den Sendungsbezug noch wahrt. Sowohl bei der tatrichterlichen Auslegung von Äußerungen der Nutzer als auch der Beurteilung eines Kommentars am gesetzlichen Maßstab des Sendungsbezugs ist mit Blick auf das Gewicht des Grundrechts der Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und die grundsätzliche Vermutung für die Freiheit der Rede in der liberalen Demokratie nicht engherzig zu verfahren (in dubio pro opinione). Denn die für die Auslegung allgemeiner Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG geltende Wechselwirkungslehre erstreckt sich auch auf die Rechtsanwendung im Einzelfall (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 18. Februar 1991 - 1 BvR 547/89 - NJW 1991, 3023; vom 8. September 2010 - 1 BvR 1890/08 - NJW 2010, 3501 und vom 28. November 2011 - 1 BvR 917/09 - NJW 2012, 1273). 62 aa) Das Berufungsgericht hat die Kommentare Nr. 1 - 4, 6 und 7, 9 - 12 und 14 dahingehend ausgelegt, dass der Kläger damit ausschließlich seine Kritik an der Löschungspraxis des Beklagten zum Ausdruck bringen wollte. Dieses Verständnis seiner Äußerungen und die Beurteilung als nicht sendungsbezogen ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Denn der Auswahlmaßstab der beklagten Rundfunkanstalt bei der Löschung von Nutzerkommentaren stellt ein eigenes Thema dar, das von den jeweiligen Sendungen nicht umfasst war. Das Erfordernis des konkreten Sendungsbezugs deckt nicht die Eröffnung des Meta-Themas ab, das sich mit der Löschung nicht sendungsbezogener Kommentare befasst. 63 bb) Den Kommentar Nr. 8 hat das Oberverwaltungsgericht dahingehend interpretiert, dass der Kläger damit die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung im Jahr 2015 kritisieren wollte (UA Rn. 47 ff.). Seine dahingehende Absicht hat der Kläger in der Berufungsverhandlung selbst eingeräumt (UA Rn. 49). Damit sprengt auch diese Äußerung das gesetzliche Erfordernis des Bezugs zu der konkreten Sendung (Massensterben von Amseln durch das Usutu-Virus). 64 cc) Mit der rhetorischen Frage Nr. 13 (""Ob man dabei den Attentäter von Straßburg finden wird??"") hat der Kläger nach der - revisionsgerichtlich nicht zu beanstandenden - Auslegung des Oberverwaltungsgerichts versucht, auf den Beitrag ""Bundesweite Razzia gegen Neonazis"" einen Bezug zum islamistischen Terrorismus herzustellen. Im Rahmen der Subsumtion unter § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste hat das Berufungsgericht den mittelbaren Bezug zu den Oberthemen des politischen Extremismus sowie der Schwerpunktsetzung polizeilicher Tätigkeit wegen der nach seiner Auffassung gebotenen engen Auslegung des Sendungsbezugs nicht ausreichen lassen, um ein Umlenken der Diskussion auf andere Themen zu verhindern (UA Rn. 50 f.). Diese Annahme verletzt revisibles Recht. 65 Angesichts des Gewichts der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit und der deshalb nach der Wechselwirkungslehre gebotenen Großzügigkeit bei der Subsumtion unter ein allgemeines Gesetz i. S. des Art. 5 Abs. 2 GG kann dieser rhetorischen Frage der Sendungsbezug nicht abgesprochen werden. Denn die Fragestellung als solche knüpft an dem Thema der Sendung ""Bundesweite Razzia gegen Neonazis"" an (""... dabei ...""). Die von dem Kläger mit seiner Äußerung offensichtlich als einseitig kritisierte Schwerpunktsetzung der Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung des politischen Extremismus hat demzufolge das Sendungsthema noch nicht verlassen; in der rhetorischen Fragestellung selbst liegt noch kein Übergang der Diskussion auf ein anderes Thema. Damit ist der konkrete Sendungsbezug gewahrt. 66 Entgegen den Befürchtungen des Beklagten verwässert ein großzügiger Beurteilungsmaßstab nicht die praktische Handhabbarkeit des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals. Denn der konkrete Sendungsbezug beurteilt sich immer nach der Themenstellung der Sendung als solcher und nicht etwa nach dem bisherigen Diskussionsverlauf in dem jeweiligen Forum. Auch das Anliegen des Gesetzgebers, private Medienanbieter und Presseverlage vor einer Dominanz des Telemedienangebots sonderfinanzierter öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten zu schützen, um auf diese Weise die Meinungsvielfalt durch Außenpluralität zu wahren, wird nicht konterkariert. Schließlich liegt es im wohlverstandenen Eigeninteresse öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, bei der Löschung nicht engherzig zu verfahren. Denn die Diskussion in den Foren eröffnet ihnen eine Möglichkeit, im Wege der Rückkoppelung an die Interessen ihrer Zuschauer potentielle thematische Schwerpunkte von öffentlichem Interesse zu erkennen und bei der Themenauswahl zukünftiger Sendungen zu berücksichtigen. 67 d) Die Löschung der nicht sendungsbezogenen Kommentare Nr. 1 - 4, 6 - 12 und 14 ist auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Es ist nicht ersichtlich, welches geeignete und in gleicher Weise wirksame Mittel der Beklagte statt der Löschung hätte anwenden können, um seiner gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen, den Sendungsbezug der Nutzerbeiträge auf seiner Facebook-Seite durchzusetzen. 68 7. Das Verwaltungsgericht, das Oberverwaltungsgericht (UA Rn. 46) und die Beteiligten haben als Rechtsgrundlage für die Löschung von Kommentaren das ""virtuelle Hausrecht"" des Beklagten bemüht. Dazu genügt der Hinweis, dass angesichts der speziellen und hinsichtlich thematischer Vorgaben abschließenden gesetzlichen Regelungen für das Telemedienangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Fällen der vorliegenden Art des fehlenden Sendungsbezugs keine Notwendigkeit für eine solche Analogie besteht. Denn auch die Heranziehung dieser richterrechtlichen Grundlage zur Störungsabwehr liefe letztlich auf die Anwendung des in § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste geregelten Maßstabs hinaus. 69 8. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2022-76,01.12.2022,"Pressemitteilung Nr. 76/2022 vom 01.12.2022 EN Datenschutzrecht gibt Anspruch auf unentgeltliche Kopien von Prüfungsarbeiten der zweiten juristischen Staatsprüfung Absolventen der zweiten juristischen Staatsprüfung haben gemäß Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) einen Anspruch darauf, dass ihnen das Landesjustizprüfungsamt unentgeltlich eine Kopie der von ihnen angefertigten Aufsichtsarbeiten mitsamt den zugehörigen Prüfergutachten zur Verfügung stellt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Nachdem der Kläger im Jahr 2018 die zweite juristische Staatsprüfung vor dem Landesjustizprüfungsamt des beklagten Landes Nordrhein-Westfalen bestanden hatte, verlangte er von dem Amt unter Berufung auf die datenschutzrechtlichen Vorschriften, ihm unentgeltlich eine Kopie der von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten zur Verfügung zu stellen. Das Landesjustizprüfungsamt war zu einer Übermittlung der Kopien nur gegen Erstattung der nach dem Landeskostenrecht berechneten Kosten in Höhe von 69,70 € bereit und lehnte den Antrag des Klägers ab. Der von dem Kläger hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen stattgegeben. Die von dem Land Nordrhein-Westfalen gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht Münster zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Revision des Landes Nordrhein-Westfalen ist vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolglos geblieben. Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person u.a. das Recht auf Auskunft über ihre personenbezogenen Daten. Gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO kann sie von dem Verantwortlichen die Überlassung einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, verlangen. Aus Art. 12 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DSGVO ergibt sich, dass die erste derartige Kopie unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden muss. Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ist seit dem Jahr 2017 geklärt, dass die schriftlichen Prüfungsleistungen in einer berufsbezogenen Prüfung und die Anmerkungen der Prüfer dazu wegen der in ihnen jeweils enthaltenen Informationen über den Prüfling insgesamt - das heißt letztlich Wort für Wort - personenbezogene Daten des Prüflings darstellen. Macht in diesen Fällen der betroffene Prüfling das Recht auf Erhalt einer unentgeltlichen ersten Datenkopie geltend, muss das Prüfungsamt eine vollständige Kopie der schriftlichen Prüfungsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten unentgeltlich zur Verfügung stellen. Dies gilt nicht nur nach einem weiten Normverständnis, nach dem das Recht auf eine Datenkopie stets die Überlassung einer Reproduktion der Daten in der bei dem Verantwortlichen vorliegenden Form umfasst. Nichts Anderes folgt aus einem engeren Interpretationsansatz, nach dem grundsätzlich nur ein Anspruch auf die Zurverfügungstellung der aus dem jeweiligen Verarbeitungszusammenhang extrahierten personenbezogenen Daten oder auch nur einer strukturierten Zusammenfassung dieser Daten besteht. Denn ein solches Vorgehen ist bei Prüfungsarbeiten nicht möglich. Deshalb hat das Bundesverwaltungsgericht von einer Vorlage der Frage an den EuGH abgesehen, welcher Auffassung zu folgen ist. Dem von dem Kläger geltend gemachten Anspruch stehen keine Ausschlussgründe nach der Datenschutzgrundverordnung entgegen. Insbesondere handelt es sich nicht um einen exzessiven Antrag im Sinne des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO. Der Umfang, den seine Bearbeitung nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts bei dem Landesjustizprüfungsamt verursacht, ist als vergleichsweise gering zu beurteilen. Der Anspruch bezieht sich vorliegend auf acht Klausuren mit insgesamt 348 Seiten. Durchgreifende Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Anspruchsverfolgung hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht verneint. Es hat ferner festgestellt, dass der fristgebundene Einsichtsanspruch nach dem nordrhein-westfälischen Juristenausbildungsgesetz den datenschutzrechtlichen Anspruch unberührt lässt. An diese Auslegung des Landesrechts ist das Bundesverwaltungsgericht gebunden. BVerwG 6 C 10.21 - Urteil vom 30. November 2022 Vorinstanzen: OVG Münster, OVG 16 A 1582/20 - Urteil vom 08. Juni 2021 - VG Gelsenkirchen, VG 20 K 6392/18 - Urteil vom 27. April 2020 -","Urteil vom 30.11.2022 - BVerwG 6 C 10.21ECLI:DE:BVerwG:2022:301122U6C10.21.0 EN Datenschutzrechtlicher Anspruch auf eine unentgeltliche Kopie der schriftlichen Prüfungsleistungen und der zugehörigen Prüfergutachten in einer berufsbezogenen Prüfung. Leitsätze: 1. Die in einer berufsbezogenen Prüfung unter einer Kennziffer angefertigten schriftlichen Prüfungsleistungen und die zugehörigen Prüfergutachten stellen jeweils ihrem gesamten Inhalt nach personenbezogene Daten des Prüflings dar (wie EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-434/16 [ECLI:EU:C:2017:994], Nowak -). 2. Der Prüfling kann von der Prüfungsbehörde nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO die Überlassung einer unentgeltlichen Kopie dieser Unterlagen verlangen. Rechtsquellen DSGVO Art. 2, 4, 12, 14, 15, 23 JAG NRW § 23 Abs. 2, § 56 Abs. 1 Instanzenzug VG Gelsenkirchen - 27.04.2020 - AZ: 20 K 6392/18 OVG Münster - 08.06.2021 - AZ: 16 A 1582/20 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 30.11.2022 - 6 C 10.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:301122U6C10.21.0] Urteil BVerwG 6 C 10.21 VG Gelsenkirchen - 27.04.2020 - AZ: 20 K 6392/18 OVG Münster - 08.06.2021 - AZ: 16 A 1582/20 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp für Recht erkannt: Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Juni 2021 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten um einen aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO folgenden Anspruch des Klägers, unentgeltlich eine Kopie der von ihm im Rahmen der zweiten juristischen Staatsprüfung angefertigten Aufsichtsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten zur Verfügung gestellt zu bekommen. 2 Der Kläger bestand die zweite juristische Staatsprüfung am 26. September 2018 vor dem Landesjustizprüfungsamt des beklagten Landes Nordrhein-Westfalen (Landesjustizprüfungsamt). Er begehrte mit Schreiben vom 11. Oktober 2018 Einsicht in die Aufsichtsarbeiten, die er im Rahmen des Prüfungsverfahrens unter der Kennziffer X angefertigt hatte, und bat, ihm Kopien derselben elektronisch an die von ihm angegebene E-Mail-Adresse oder auf postalischem Wege zu übersenden. Das Landesjustizprüfungsamt erklärte sich unter dem 19. Oktober 2018 bereit, dem Kläger die beantragten Kopien nach Überweisung des nach dem allgemeinen Landeskostenrecht berechneten Betrags von 69,70 € zu überlassen. Der Kläger berief sich demgegenüber mit Schreiben vom 25. Oktober 2018 auf einen aus Art. 15 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO folgenden Anspruch auf unentgeltliche Zurverfügungstellung einer Kopie nicht nur der Aufsichtsarbeiten, sondern auch der zugehörigen Prüfergutachten. Er sei mit der Erfüllung des Anspruchs in einem gängigen elektronischen Format einverstanden. Mit Bescheid vom 6. November 2018 lehnte das Landesjustizprüfungsamt die Überlassung kostenfreier Kopien ab. Der sachliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung sei nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO nicht eröffnet. Die in Klausurbearbeitungen enthaltenen personenbezogenen Daten würden seitens des Landesjustizprüfungsamts weder ganz oder teilweise automatisiert verarbeitet noch in einem Dateisystem gespeichert. 3 Auf die von dem Kläger erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Landesjustizprüfungsamts vom 6. November 2018 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger unentgeltlich eine Kopie der von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten mitsamt Prüfergutachten in Papierform oder in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen. 4 Die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und dabei den Urteilstenor in einen Verpflichtungsausspruch umgewandelt. Die Klage sei als Verpflichtungsklage zulässig. Dem von dem Kläger erstrebten schlichten Verwaltungshandeln in Form der Zurverfügungstellung einer unentgeltlichen Kopie gehe eine durch Verwaltungsakt zu treffende Entscheidung des Beklagten über den geltend gemachten datenschutzrechtlichen Anspruch voraus. 5 Die Klage habe auch in der Sache Erfolg. Dabei könne offenbleiben, ob die Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung auf die Tätigkeit des Landesjustizprüfungsamts nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO ausgeschlossen sei. Jedenfalls seien gemäß § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW auf Verarbeitungen personenbezogener Daten im Rahmen von nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallenden Tätigkeiten öffentlicher Stellen in Nordrhein-Westfalen die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung vorbehaltlich abweichender spezieller Regelungen entsprechend anzuwenden. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW seien nach Maßgabe der sinngemäß anzuwendenden Begriffsdefinitionen in der Datenschutz-Grundverordnung erfüllt. Die von dem Kläger angefertigten Aufsichtsarbeiten und die zugehörigen Prüfergutachten seien personenbezogene Daten des Klägers nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Diese würden durch das nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO verantwortliche Landesjustizprüfungsamt gemäß Art. 4 Nr. 2 DSGVO verarbeitet. Diese Verarbeitung werde im Sinne von Art. 2 Abs. 1 DSGVO teilweise automatisiert vorgenommen. Nach den Angaben des Vertreters des Beklagten in der Berufungsverhandlung würden die Aufsichtsarbeiten und Prüfergutachten von dem Landesjustizprüfungsamt zwar in Papierform aufbewahrt, könnten jedoch über die elektronische Datenverarbeitung mittels der jeweiligen Kennziffer aufgefunden und den Prüflingen zugeordnet werden. Es bestünden keine abweichenden Regelungen im Sinne von § 5 Abs. 8 DSG NRW mit Relevanz für den von dem Kläger geltend gemachten Anspruch. Dies gelte mangels datenschutzrechtlicher Determination sowohl für das in § 23 Abs. 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 JAG NRW statuierte Recht eines Prüflings, auf einen binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Prüfungsentscheidung zu stellenden Antrag hin in den Räumen des Landesjustizprüfungsamts Einsicht in seine Prüfungsarbeiten einschließlich der Prüfergutachten zu erhalten, als auch für die von dem Landesjustizprüfungsamt für die Forderung von Kopierkosten in Anspruch genommenen Bestimmungen des allgemeinen Landeskostenrechts. 6 Die nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO (i. V. m. § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW) bestehenden Voraussetzungen für die von dem Kläger beanspruchte - nach Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO unentgeltliche - Zurverfügungstellung einer Kopie der Aufsichtsarbeiten und Prüfergutachten seien erfüllt. Nach der von einem Teil der Literatur befürworteten extensiven Auslegung des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO sei der Verantwortliche verpflichtet, dem Betroffenen alle vorhandenen personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung seien, als Kopie zur Verfügung zu stellen. Diese Interpretation sei einem in der Instanzrechtsprechung und von einem anderen Teil des Schrifttums vertretenen restriktiven Normverständnis vorzuziehen, demzufolge Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO lediglich eine besondere Form der Auskunft regele, die sich auf die nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO zu erteilenden Auskünfte und Informationen beziehe, so dass die betroffene Person nur eine Kopie der Informationen darüber verlangen könne, ob ihre personenbezogenen Daten gespeichert würden und um welche es sich dabei gegebenenfalls handele, bzw. lediglich Anspruch auf eine Auskunft über die in Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO genannten Informationen habe. Der restriktive Interpretationsansatz sei schon nicht mit dem durch Art. 4 Nr. 1 DSGVO weitgefassten Begriff der personenbezogenen Daten in Einklang zu bringen und werde zudem dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO sowie dem Sinn und Zweck der Rechte aus Art. 15 DSGVO - dem Betroffenen das Bewusstsein von der Datenverarbeitung zu verschaffen und die Kontrolle ihrer Rechtmäßigkeit zu ermöglichen - nicht gerecht. 7 Der Anspruch des Klägers aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO sei nicht nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO begrenzt oder ausgeschlossen. Insbesondere stehe den Prüfern hiernach kein Recht auf Geheimhaltung ihrer Korrekturen und Gutachten zu. Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO könne dem Anspruch ebenfalls nicht entgegengehalten werden. Der Antrag des Klägers auf Überlassung einer unentgeltlichen Kopie der in Rede stehenden Unterlagen sei, was schon das der Klage stattgebende erstinstanzliche Urteil belege, nicht offensichtlich unbegründet. Auch ein exzessiver Charakter des Antrags lasse sich nicht feststellen. Es sei bereits nicht davon auszugehen, dass dieser einen unverhältnismäßig hohen Bearbeitungsaufwand des Landesjustizprüfungsamts verursache, denn er sei leicht zu erfassen und auf lediglich 348 zu kopierende Seiten bezogen. Abgesehen davon stelle sich ein Antrag generell nicht allein wegen eines mit ihm verbundenen hohen Bearbeitungsaufwands als exzessiv dar. Hinzutreten müsse ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Antragstellers. Ein solches sei im Fall des Klägers nicht erkennbar. Dies gelte auch dann, wenn das Verfolgen datenschutzfremder Zwecke dem Tatbestand des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO zugeordnet werde. Denn es ließen sich keine Indizien für ein derartiges Vorgehen des Klägers daraus herleiten, dass er den Inhalt der Aufsichtsarbeiten und Prüfergutachten im Prinzip auch mit Blick auf ein prüfungsrechtliches Verfahren zur Kenntnis nehmen könne. Zudem scheide ein solches Verfahren schon deshalb aus, weil die Bewertung der Aufsichtsarbeiten des Klägers bestandskräftig geworden sei. Eine analoge Anwendung der Ausschlussgründe aus Art. 14 Abs. 5 Buchst. a und Art. 14 Abs. 5 Buchst. b Alt. 2 DSGVO im Rahmen des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO komme nicht in Betracht. 8 Ferner scheitere der Anspruch des Klägers nicht an einer beschränkenden mitgliedstaatlichen Regelung im Sinne von Art. 23 Abs. 1 DSGVO. Eine derartige Beschränkung folge nicht aus § 12 DSG NRW. Sie ergebe sich ferner nicht aus dem in § 23 Abs. 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 JAG NRW geregelten prüfungsrechtlichen Einsichtsrecht und der nach dem Landesrecht bestehenden Kostenpflichtigkeit von im Zusammenhang mit der Einsichtnahme von dem Landesjustizprüfungsamt gefertigten Kopien. Die landesrechtlichen Vorschriften und der unionsrechtliche Anspruch auf eine unentgeltliche Datenkopie stünden nebeneinander. 9 Schließlich sei der Anspruch des Klägers nicht durch Erfüllung erloschen. Dem Kläger könne nicht entgegengehalten werden, dass er sein prüfungsrechtliches Einsichtsrecht aus § 23 Abs. 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 JAG NRW und die mit diesem Recht einhergehende Option, sich von dem Beklagten gegen Entgelt Kopien der Aufsichtsarbeiten und Prüfergutachten fertigen zu lassen bzw. die Unterlagen selbst zu fotografieren, nicht wahrgenommen habe. Da der Kläger seinen Antrag auf Überlassung einer Kopie aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO nicht elektronisch gestellt habe, müsse der Beklagte dem Kläger die Informationen nicht nach Art. 15 Abs. 3 Satz 3 DSGVO in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung stellen, sondern könne auch eine unentgeltliche Kopie in Papierform übersenden. 10 Der Beklagte verfolgt mit seiner von dem Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision sein Begehren auf Klageabweisung weiter. Er schließt sich dem restriktiven Verständnis des Rechts auf Erhalt einer unentgeltlichen Datenkopie an und meint, der Kläger habe demzufolge nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO lediglich Anspruch auf eine komprimierte und verständliche Mitteilung über die Tatsache der Anfertigung und Ablieferung der Aufsichtsarbeiten, die eingesetzten Prüfer und die Bewertungsergebnisse. Ferner habe das Oberverwaltungsgericht verkannt, dass das Einsichtsrecht aus § 23 Abs. 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 JAG NRW eine den Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO wirksam beschränkende nationale Gesetzgebungsmaßnahme im Sinne von Art. 23 DSGVO darstelle. Zudem sei der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO ausgeschlossen, weil es sich um einen exzessiven Antrag im Sinne von Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO handele. Dies sei schon wegen des unverhältnismäßig großen Bearbeitungsaufwands, der dem Landesjustizprüfungsamt durch die Herstellung und Übermittlung der begehrten Kopien entstehe, der Fall. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, ein exzessiver Antrag sei nur bei dem Hinzutreten eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gegeben, sei unzutreffend. Abgesehen davon sei der Antrag des Klägers auch als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren, weil der Kläger mit ihm ausschließlich, jedenfalls aber weit überwiegend datenschutzfremde Zwecke verfolge. Es gehe dem Kläger nicht um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung seiner Daten durch das Landesjustizprüfungsamt, sondern allein darum, sich die Korrekturbemerkungen und Bewertungsbegründungen der mit seinen Aufsichtsarbeiten befassten Prüfer ansehen und gegebenenfalls die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs gegen die Prüfungsentscheidung einschätzen zu können, ohne sich dazu - wie von § 23 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 JAG NRW vorgesehen - in die Räume des Landesjustizprüfungsamts begeben zu müssen. Ausgeschlossen sei der von dem Kläger verfolgte Anspruch weiter auf Grund von Art. 14 Abs. 5 Buchst. a und Art. 14 Abs. 5 Buchst. b Alt. 2 DSGVO, die entgegen der Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts analog anwendbar seien. Der Kläger sei vor dem Hintergrund seines prüfungsrechtlichen Einsichtsrechts jedenfalls so zu behandeln, als ob er im Sinne der erstgenannten Vorschrift bereits über alle Informationen verfüge, auf deren Erhalt sein Begehren gerichtet sei. Nach der letztgenannten Vorschrift sei ihm - auch mit Blick auf zu erwartende gleichartige Anträge anderer Prüflinge - die Unverhältnismäßigkeit des mit der Anfertigung der Kopien einhergehenden Aufwands entgegenzuhalten. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht eine Erfüllung des Anspruchs verneint. Der Erkenntniszweck, dem die nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO unentgeltliche Zurverfügungstellung einer ersten Datenkopie diene, werde hier bereits dadurch erreicht, dass die Einsicht in die Prüfungsarbeiten durch § 23 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 JAG NRW ermöglicht werde. Für weitere Kopien könne nach Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DSGVO ein angemessenes Entgelt verlangt werden. 11 Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil. Er erstrebt die Zurückweisung der Revision. II 12 Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet und deshalb nach § 144 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. 13 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis ohne Verletzung revisiblen Rechts zurückgewiesen. Es hat die Klage zutreffend als Verpflichtungsklage für zulässig (1.) und begründet (2.) erachtet. 14 1. Statthafte Klageart für die gerichtliche Geltendmachung des gegen eine Behörde gerichteten Anspruchs eines Bürgers aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, ABl. L 119 S. 1) - DSGVO - auf unentgeltliche Zurverfügungstellung einer Datenkopie, wie ihn der Kläger gegenüber dem für den Beklagten handelnden Landesjustizprüfungsamt erhebt, ist die Verpflichtungsklage. Denn über diesen Anspruch hat die Behörde auf der Grundlage eines gesetzlichen Prüfprogramms, welches sich insbesondere auf mögliche Ausschluss- oder Beschränkungstatbestände - etwa nach Art. 15 Abs. 4, Art. 12 Abs. 5 Satz 2 oder Art. 23 DSGVO - bezieht, durch Verwaltungsakt zu entscheiden (vgl. entsprechend für den isolierten Anspruch auf Erteilung einer Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO: BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 12 sowie für den Anspruch auf Berichtigung des Melderegisters nach Art. 16 Satz 1 DSGVO: BVerwG, Urteil vom 2. März 2022 - 6 C 7.20 - NVwZ 2022, 1205 Rn. 19 f.). 15 2. Das Begehren des Klägers, von dem Beklagten unentgeltlich eine Kopie der von ihm im Rahmen der zweiten juristischen Staatsprüfung angefertigten Aufsichtsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten zur Verfügung gestellt zu bekommen, wird von Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO getragen. Der in Art. 2 DSGVO umschriebene sachliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung ist direkt eröffnet (a.). Die tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 DSGVO für den Erhalt einer - gemäß Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO unentgeltlichen - ersten Datenkopie sind nach den Umständen des vorliegenden Falls nach jeder in Betracht kommenden Variante der Normauslegung erfüllt (b.). Der Anspruch ist weder nach der Datenschutz-Grundverordnung selbst (c.) noch nach einer nationalen Vorschrift im Sinne der Öffnungsklauseln des Art. 23 DSGVO eingeschränkt oder ausgeschlossen (d.). Es besteht keine Grundlage für die Annahme, der Anspruch sei bereits erfüllt (e.). 16 a. Nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO gilt die Datenschutz-Grundverordnung für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung solcher Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Keine Anwendung findet die Verordnung, wenn einer der in Art. 2 Abs. 2 DSGVO aufgeführten Ausnahmetatbestände erfüllt ist. Im vorliegenden Fall greift die Grundregel des Art. 2 Abs. 1 DSGVO in Gestalt der zweiten Alternative des ersten Teilsatzes ein. Sowohl die von dem Kläger angefertigten Aufsichtsarbeiten als auch die zugehörigen Prüfergutachten bestehen ihrem gesamten Inhalt nach aus personenbezogenen Daten des Klägers nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO (aa.). Diese Daten werden von dem nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO verantwortlichen Landesjustizprüfungsamt teilweise automatisiert verarbeitet (bb.). Es ist kein Ausnahmetatbestand aus Art. 2 Abs. 2 DSGVO erfüllt. Insbesondere scheidet eine Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung auf die Tätigkeit des Landesjustizprüfungsamts nicht deshalb aus, weil diese Tätigkeit im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fiele (cc.). 17 aa. Nach der in Art. 4 Nr. 1 DSGVO enthaltenen Legaldefinition sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person - die betroffene Person - beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann. 18 Nach dieser Definition und der noch zu Art. 2 Buchst. a der durch Art. 94 Abs. 1 DSGVO aufgehobenen Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutzrichtlinie, ABl. L 281 S. 31) ergangenen, jedoch auf die Datenschutz-Grundverordnung übertragbaren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ist der Begriff der personenbezogenen Daten weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen ""über"" die in Rede stehende natürliche Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information auf Grund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-434/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​994], Nowak - Rn. 32 ff. unter Verweis auf das Urteil vom 7. Mai 2009 - C-553/07 [ECLI:​EU:​C:​2009:​293], Rijkeboer - Rn. 59). Danach unterfallen in einer berufsbezogenen Prüfung zum einen die schriftlichen Prüfungsleistungen des über eine Kennziffer identifizierbaren Prüflings dem Begriff der personenbezogenen Daten. Denn sie spiegeln den Kenntnisstand, das Kompetenzniveau, die Gedankengänge, das Urteilsvermögen sowie das kritische Denken des Prüflings wider und zielen - mit entsprechenden Auswirkungen auf seine beruflichen Chancen - darauf ab, seine beruflichen Fähigkeiten und seine Berufseignung zu beurteilen. Mit einer handschriftlichen Prüfungsleistung sind zudem kalligraphische Informationen verbunden. Zum anderen stellen auch die Anmerkungen der Prüfer zu den Ausführungen des Prüflings personenbezogene Daten desselben dar, weil sie die Beurteilung seiner individuellen Leistung sowie seiner Kenntnisse und Kompetenzen - wiederum mit Folgen für seine Berufschancen - dokumentieren. Dieser Einordnung steht nicht entgegen, dass die Prüferanmerkungen auch Informationen über die Prüfer enthalten und insoweit zugleich personenbezogene Daten der Prüfer darstellen (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-434/16 - Rn. 36 ff.). 19 Hiernach unterliegt es keinem Zweifel, dass das Oberverwaltungsgericht die Aufsichtsarbeiten, die der Kläger in der berufsbezogenen Prüfung des zweiten juristischen Staatsexamens unter der seiner Identifizierung durch das Landesjustizprüfungsamt dienenden Kennziffer X angefertigt hat, sowie die zugehörigen Prüfergutachten zutreffend jeweils ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten des Klägers qualifiziert hat. Für Ausnahmen von dieser Qualifikation ist wegen des Sinnzusammenhangs, in dem die jeweiligen Ausführungen in den Aufsichtsarbeiten und den Prüfergutachten stehen, kein Raum, sie gilt vielmehr für jedes in diesen Dokumenten enthaltene Wort. Für die von dem Kläger handschriftlich abgefassten Aufsichtsarbeiten kommt hinzu, dass grundsätzlich mit jedem geschriebenen Wort kalligraphische Informationen über den Kläger verbunden sind. 20 bb. Indem das Landesjustizprüfungsamt mit den von dem Kläger angefertigten Aufsichtsarbeiten einschließlich der Prüfergutachten umgeht, sie insbesondere gemäß § 64 des Gesetzes über die juristischen Prüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst (Juristenausbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen - JAG NRW) vom 11. März 2003 (GV. NRW. S. 135), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 17. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1475), für fünf Jahre ab dem Ablauf des Jahres, in dem die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses an den Prüfling erfolgt, aufbewahrt, verarbeitet es die in den Unterlagen enthaltenen personenbezogenen Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO als Verantwortlicher nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Dies geschieht gemäß Art. 2 Abs. 1 DSGVO teilweise automatisiert, denn nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts können die in Papierform aufbewahrten Unterlagen über die elektronische Datenverarbeitung des Landesjustizprüfungsamts mittels der Kennziffer aufgefunden und dem jeweiligen Prüfling zugeordnet werden. 21 cc. Die Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch das Landesjustizprüfungsamt ist nicht durch Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO ausgeschlossen. Bei der Tätigkeit des Amtes, in deren Rahmen die Verarbeitung stattfindet, handelt es sich nicht um eine solche, die im Sinne der Vorschrift nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt. Die Ausnahmevorschrift ist nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen. Es reicht danach nicht aus, dass eine spezifische Tätigkeit des Staates oder einer Behörde in Rede steht. Es sind vielmehr allein solche Verarbeitungen personenbezogener Daten vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen, die von staatlichen Stellen im Rahmen einer Tätigkeit vorgenommen werden, die der Wahrung der nationalen Sicherheit dient oder derselben Kategorie zugeordnet werden kann. Die auf die Wahrung der nationalen Sicherheit abzielenden Tätigkeiten, auf die Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO abstellt, umfassen insbesondere solche, die den Schutz der grundlegenden Funktionen des Staates und der grundlegenden Interessen der Gesellschaft bezwecken (EuGH, Urteile vom 22. Juni 2021 - C-439/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​504], Latvijas Republikas Saeima - Rn. 62 ff. und vom 20. Oktober 2022 - C-306/21 [ECLI:​EU:​C:​2022:​813], Komisia za zashtita na lichnite danni - Rn. 39 f.; dies aufnehmend: BVerwG, Urteil vom 2. März 2022 - 6 C 7.20 - NVwZ 2022, 1205 Rn. 26). Eine derartige Tätigkeit führt das Landesjustizprüfungsamt nicht aus. 22 b. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung des Anspruchs auf unentgeltliche Zurverfügungstellung einer Datenkopie sind erfüllt. Für die deutsche Sprachfassung der Datenschutz-Grundverordnung ist zwar umstritten, in welchem Verhältnis die in Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 DSGVO normierten Rechtspositionen zueinander stehen, die die von einer Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten betroffene Person gegenüber dem Verantwortlichen geltend machen kann und welchen Inhalt bzw. welche Reichweite das Recht auf eine von dem Verantwortlichen zur Verfügung zu stellende Datenkopie aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO hat (aa.). Für den vorliegenden Fall, in dem die betroffene Person eine Kopie von Unterlagen begehrt, die ihrem gesamten Inhalt nach aus sie betreffenden personenbezogenen Daten bestehen, gelangen indes sowohl eine extensive, auf den spezifischen Anspruchscharakter des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO abstellende Gesetzesauslegung (bb.) als auch ein restriktives Normverständnis, dieses jedenfalls unter Ausklammerung von in eindeutiger Weise unionsrechtswidrigen Einschränkungen des Begriffs der personenbezogenen Daten als solchem (cc.), zu dem Ergebnis, dass eine Kopie der vollständigen Unterlagen überlassen werden muss. Nichts Anderes gilt, sofern die genannten Rechtspositionen - insbesondere unter Berücksichtigung anderer Sprachfassungen der Datenschutz-Grundverordnung - nicht als potentielle Einzelansprüche, sondern als Rechtsfolgen im Rahmen eines vom Tatbestand her einheitlichen Informationszugangsanspruchs verstanden werden (dd.). Der Senat hat deshalb in dem hier vorliegenden Fall keinen Anlass, dem EuGH in dem Verfahren nach Art. 267 AEUV die Frage vorzulegen, welcher Auffassung zu folgen ist. 23 aa. Gemäß Art. 15 Abs. 1 Halbs. 1 DSGVO kann die betroffene Person von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Ist dies der Fall, hat sie nach Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 DSGVO ein Recht auf Auskunft über diese Daten. Sie kann in dem besagten Fall ferner auf Grund von Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 2 Buchst. a bis h und Abs. 2 DSGVO die dort genannten Metainformationen verlangen. Schließlich hat ihr der Verantwortliche gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen. Diese ist als erste Kopie gemäß Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO unentgeltlich zu überlassen, während der Verantwortliche gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DSGVO für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen kann. Die in Art. 15 DSGVO normierten Rechtspositionen konkretisieren die Gewährleistung des Art. 8 Abs. 2 Satz 2 GRC (European Data Protection Board, Guidelines 01/2022 on data subject rights - Right of access, Version 1.0, Adopted on 18 January 2022 Rn. 2; Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker , Datenschutzrecht, 1. Aufl. 2019, Art. 15 DSGVO Rn. 1). Sie dienen, wie sich aus Satz 1 des Erwägungsgrunds 63 der Datenschutz-Grundverordnung ergibt, dem Zweck, dass die betroffene Person sich der Datenverarbeitung bewusst wird und deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann (BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 19; BGH, Urteile vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19 - NJW 2021, 2726 Rn. 23, 25 und vom 22. Februar 2022 - VI ZR 14/21 - CR 2022, 373 Rn. 24; Beschluss vom 29. März 2022 - VI ZR 1352/20 - DB 2022, 1249 Rn. 17). Der konkrete Inhalt dieser Rechtspositionen ist indes bisher nicht abschließend geklärt. 24 bb. Nach der extensiven Auslegung von Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 DSGVO, der sich das Oberverwaltungsgericht angeschlossen hat, bezieht sich das Recht der betroffenen Person auf eine Datenkopie nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO auf den Erhalt einer Reproduktion der Daten in der bei dem Verantwortlichen in dem konkreten Verarbeitungszusammenhang vorliegenden Form, gegebenenfalls mit Unkenntlichmachungen mit Rücksicht auf die Rechte von Dritten. Es handele sich, so der genannte Interpretationsansatz, bei den Rechten der betroffenen Person einerseits aus Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 DSGVO auf Auskunft über die verarbeiteten personenbezogenen Daten und andererseits aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO auf Erhalt einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, systematisch um zwei eigenständige, nebeneinanderstehende Ansprüche. Das Recht auf eine Datenkopie aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO sei daher inhaltlich nicht auf den Gehalt einer Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 DSGVO beschränkt. Der Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO biete ebenfalls keinen Anhalt für eine entsprechende Einschränkung der inhaltlichen Reichweite des Anspruchs, sondern spreche im Gegenteil für ein weites Verständnis. Die in Satz 1 des Erwägungsgrunds 63 der Datenschutz-Grundverordnung genannten Ziele der Transparenz und der Ermöglichung einer Rechtmäßigkeitskontrolle erforderten es, dass der betroffenen Person die personenbezogenen Daten in ihrem Verarbeitungszusammenhang zur Verfügung gestellt würden. Diese werde nur durch die Kenntnis darüber, in welchem Umfang und auf welche Weise der Verantwortliche die personenbezogenen Daten verarbeite, in die Lage versetzt, weitere Betroffenenrechte wie eine Berichtigung nach Art. 16 DSGVO, eine Löschung nach Art. 17 DSGVO oder Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO geltend zu machen (vgl. zu den Argumenten der extensiven Auslegung die Darstellung in: BGH, Beschluss vom 29. März 2022 - VI ZR 1352/20 - DB 2022, 1249 Rn. 40 f. sowie im Einzelnen etwa: Bäcker, in: Kühling/Buchner , DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 15 DSGVO Rn. 39 ff.; Schmidt-Wudy, in: BeckOK Datenschutzrecht, Art. 15 DSGVO Rn. 85, Stand November 2022; Brink/Joos, ZD 2019, 483 <484 >; Schulte/Welge, NZA 2019, 1110 <1111>; Koreng, NJW 2021, 2692 Rn. 5 ff.). 25 Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Forderung des Klägers auf Überlassung einer Kopie der von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten nach der extensiven Gesetzesauslegung ohne Weiteres dem Grunde nach gerechtfertigt ist. 26 cc. Das restriktive Verständnis des Rechts auf eine Datenkopie wird teilweise nicht bzw. nicht allein auf eine einschränkende Interpretation von Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 DSGVO, sondern zumindest auch auf eine solche des Begriffs der personenbezogenen Daten im Sinne von in unterschiedlicher Weise definierten Stammdaten (LAG Hessen, Urteil vom 10. Juni 2021 - 9 Sa 861/20 - ZD 2022, 63 <65>; Klein/Schwartmann, in: Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann , DS-GVO/BDSG, 2. Aufl. 2020, Art. 15 DSGVO Rn. 38 ff.; vgl. zum Teil auch: Zikesch/Sörup, ZD 2019, 239 <241, 244>), von Kategorien von Daten (Grau/Seidensticker, EWiR 2019, 443 <444>) oder von Daten mit aussagekräftigen biografischen Informationen über die betroffene Person (Härting, CR 2019, 219 <221, 224>, bei einem ansonsten weiten Normverständnis) gestützt. Diese Ansätze, die dem Betroffenen ein Recht auf Kopie nur im Hinblick auf bestimmte Arten von personenbezogenen Daten zugestehen wollen, bewegen sich in eindeutiger Weise außerhalb des Unionsrechts. Denn der in Art. 4 Nr. 1 DSGVO legaldefinierte Zentralbegriff der Datenschutz-Grundverordnung ist derartigen teleologisch begründeten Einschränkungen bzw. Differenzierungen nicht zugänglich (in diesem Sinne speziell mit Blick auf das Auskunftsrecht nach Art. 12 der Datenschutzrichtlinie: EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-434/16 - Rn. 46 und ferner: BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 26; BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19 - NJW 2021, 2726 Rn. 22; Klar/Kühling, in: Kühling/Buchner , DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 4 Nr. 1 DSGVO Rn. 8 f.; Bäcker, ebendort, Art. 15 DSGVO Rn. 8; Bienemann, in: Sydow/Marsch , DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 15 DSGVO Rn. 26; Lembke/Fischels, NZA 2022, 513 <516>; Korch/Chatard, ZD 2022, 482 <484>. Hiernach geht es erst recht nicht an, den in Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 und Abs. 3 Satz 1 DSGVO enthaltenen Begriff der personenbezogenen Daten durch denjenigen der in Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 2 Buchst. a bis h DSGVO genannten Metainformationen zu ersetzen und die betroffene Person auf den Erhalt einer Kopie mit diesen Informationen zu verweisen (so aber im Ergebnis: Wybitul/Brams, NZA 2019, 672 <674, 676>). 27 Unter Ausklammerung von deutlich unionsrechtswidrigen, auf den Begriff der personenbezogenen Daten bezogenen Einschränkungen besteht das restriktive Verständnis von Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 DSGVO in der Annahme, dass sich das Recht der betroffenen Person auf eine Datenkopie grundsätzlich in einem Anspruch gegen den Verantwortlichen auf die Zurverfügungstellung der aus dem jeweiligen Verarbeitungszusammenhang extrahierten personenbezogenen Daten oder auch nur einer strukturierten Zusammenfassung dieser Daten erschöpft. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO regele, so wird argumentiert, lediglich eine besondere Form der Auskunft über die verarbeiteten personenbezogenen Daten der betroffenen Person, die diese nach Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 DSGVO verlangen könne. Dementsprechend beziehe sich das Recht auf eine Datenkopie nach dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO lediglich auf die personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung seien, nicht aber auf die Dokumente, in denen diese enthalten seien. Die Pflicht des Verantwortlichen aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO könne nicht so weit gehen, dass er jedes Dokument, das ein personenbezogenes Datum enthalte, in Kopie zur Verfügung stellen müsse. Zur Erreichung der Ziele der Transparenz und der Ermöglichung der Rechtskontrolle nach Satz 1 des Erwägungsgrunds 63 der Datenschutz-Grundverordnung könne gerade eine Zusammenfassung der verarbeiteten Daten besonders geeignet sein (vgl. zu den Argumenten für ein restriktives Normverständnis die Darstellung in: BGH, Beschluss vom 29. März 2022 - VI ZR 1352/20 - DB 2022, 1249 Rn. 38 f. sowie im Einzelnen etwa: LAG Niedersachsen, Urteile vom 9. Juni 2020 - 9 Sa 608/19 - ZD 2021, 107 Rn. 45 und vom 22. Oktober 2021 - 16 Sa 761/20 - ZD 2022, 61 Rn. 180 ff.; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. März 2021 - 21 Sa 43/20 - NZA-RR 2021, 410 Rn. 29 f., 45 ff.; Paal, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 15 Rn. 33; Dausend, ZD 2019, 103 <106>). 28 Eine Extrahierung von personenbezogenen Daten aus ihrem jeweiligen Verarbeitungszusammenhang und eine sich hieran gegebenenfalls anschließende Zusammenfassung dieser Daten im Sinne des restriktiven Verständnisses von Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 DSGVO ist indes nicht möglich, wenn dieser Zusammenhang ausschließlich aus personenbezogenen Daten der betroffenen Person besteht, wie es hier in Gestalt der von dem Landesjustizprüfungsamt verarbeiteten Aufsichtsarbeiten des Klägers und der zugehörigen Prüfergutachten der Fall ist. In dieser Konstellation muss auch ein grundsätzlich restriktives Normverständnis zu dem Ergebnis führen, dass das Recht auf eine Datenkopie eine in keiner Weise eingeschränkte Reproduktion der Daten, hier also die Überlassung einer Kopie der vollständigen Aufsichtsarbeiten und Prüfergutachten zum Inhalt hat. 29 dd. Ebenfalls zu keinem abweichenden Ergebnis führt es, wenn die Frage nach dem Gehalt der in Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 DSGVO normierten Rechtspositionen nicht von der durch die deutschen Sprachfassung der Datenschutz-Grundverordnung nahegelegten Abgrenzung des Rechts auf Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 DSGVO von dem Recht auf eine Kopie nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO im Sinne potentieller Einzelansprüche der betroffenen Person geleitet wird, sondern andere Sprachfassungen in den Blick genommen werden. Nach diesen ist Art. 15 DSGVO weithin (vgl. Lembke/Fischels, NZA 2022, 513 <514>) als einheitliches Recht auf Zugang der betroffenen Person zu ihren personenbezogenen Daten ausgestaltet (etwa englisch: right of access by the data subject bzw. französisch: droit d'accès de la personne concernée). Die in Art. 15 DSGVO normierten Rechtspositionen stellen danach Rechtsfolgen im Rahmen eines vom Tatbestand her einheitlichen Informationszugangsanspruchs dar. Bei einer Erhebung dieses Anspruchs ist regelmäßig nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO eine Datenkopie im Sinne einer Reproduktion zur Verfügung zu stellen, deren Inhalt sich nach den im Einzelfall für die Erreichung der Ziele nach Satz 1 des Erwägungsgrunds 63 der Datenschutz-Grundverordnung erforderlichen Informationen über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der betroffenen Person richtet (so vor allem: European Data Protection Board, Guidelines 01/2022 on data subject rights - Right of access, Version 1.0, Adopted on 18 January 2022 Rn. 1 ff., 17 ff., 130 ff., 146 ff.; vgl. auch Lembke/Fischels, NZA 2022, 513 <514 f.>). Auch nach diesem Normverständnis müssen Dokumente, die, wie dies bei den von dem Kläger angefertigten Aufsichtsarbeiten und den zugehörigen Prüfergutachten der Fall ist, ihrem gesamten Inhalt nach aus personenbezogenen Daten der betroffenen Person bestehen, von dem Verantwortlichen vollständig als Kopie zur Verfügung gestellt werden (in diesem Sinne: European Data Protection Board, a. a. O. Rn. 153). 30 c. Der gemäß Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO seinen Voraussetzungen nach bestehende Anspruch des Klägers auf Erhalt einer unentgeltlichen Kopie der von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten ist weder nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO (aa.) noch gemäß Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO (bb.) oder Art. 14 Abs. 5 Buchst. a bzw. Art. 14 Abs. 5 Buchst. b Alt. 2 DSGVO (cc.) eingeschränkt oder ausgeschlossen. 31 aa. Nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO darf das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen. Für eine solche Beeinträchtigung ist hier nichts ersichtlich. Insbesondere ist mit der Überlassung einer Kopie auch der in den Aufsichtsarbeiten angebrachten Korrekturbemerkungen der Prüfer und ihrer Gutachten an den Kläger keine Beeinträchtigung der Rechte der Prüfer verbunden. Denn die Prüfer erstellen ihre Bemerkungen und Gutachten nach Feststellung des Oberverwaltungsgerichts generell mit der Maßgabe, dass diese den Prüflingen auf deren Antrag hin zugänglich gemacht werden können. 32 bb. Ebenso wenig kann der Beklagte dem Kläger eines der Gegenrechte entgegenhalten, die dem Verantwortlichen nach Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO unter anderem in Bezug auf einen auf Art. 15 DSGVO gestützten Anspruch eines Betroffenen zustehen. Der Verantwortliche kann bei offensichtlich unbegründeten oder bei - insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung - exzessiven Anträgen entweder ein nach Maßgabe von Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. a DSGVO angemessenes Entgelt verlangen oder sich nach Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. b DSGVO weigern, auf Grund des Antrags tätig zu werden. Gemäß Art. 12 Abs. 5 Satz 3 DSGVO hat der Verantwortliche den Nachweis für den offenkundig unbegründeten oder exzessiven Charakter des Antrags zu erbringen. 33 Der Antrag des Klägers auf Überlassung einer Kopie der von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten ist nicht offensichtlich unbegründet und, da erstmalig gestellt, auch nicht wegen häufiger Wiederholung exzessiv. Ebenso wenig ergeben sich aus dem Vortrag des Beklagten und den dazu getroffenen, für den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts Anhaltspunkte dafür, dass der Antrag aus einem anderen Grund als exzessiv zu qualifizieren sein könnte. 34 Das gilt zum einen mit Blick auf den Aufwand, der, wie von dem Oberverwaltungsgericht festgestellt, bei dem Landesjustizprüfungsamt durch die Bearbeitung des Antrags des Klägers in Gestalt der Herstellung und Übermittlung von insgesamt 348 Kopien in eng begrenztem Umfang entsteht. Die Berücksichtigung eines durch etwaige vergleichbare Anträge anderer Prüflinge hervorgerufenen Aufwands ist ausgeschlossen, da es nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO auf die Anträge ""einer"" betroffenen Person ankommt. Es liegt auf der Hand, dass die durch den Antrag des Klägers verursachte geringe Mühewaltung des Landesjustizprüfungsamts die Annahme eines exzessiven Antrags auch dann nicht rechtfertigen könnte, wenn man hierfür auf einen nach Maßgabe einer Interessenabwägung unverhältnismäßigen Aufwand abstellen wollte (in diesem Sinne etwa: Franck, in: Gola/Heckmann , DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 15 DSGVO Rn. 51; Zikesch/Sörup, ZD 2019, 239 <243 f.>; Korch/Chatard, ZD 2022, 482 <483 f.>). 35 Der Antrag des Klägers erweist sich zum anderen nicht deshalb als exzessiv, weil er mit Blick auf die ihm zu Grunde liegende Motivation des Klägers als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen wäre (für die Rechtsmissbräuchlichkeit als alleiniges oder jedenfalls zusätzliches Kennzeichen der Exzessivität eines Antrags: European Data Protection Board, Guidelines 01/2022 on data subject rights - Right of access, Version 1.0, Adopted on 18 January 2022 Rn. 164, 186 ff.; Bäcker, in: Kühling/Buchner , DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 12 DSGVO Rn. 36 ff.; Paal/Hennemann, in: Paal/Pauly , DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 12 DSGVO Rn. 65 f.; Schulte/Welge, NZA 2019, 1110 <1113 f.>; Lembke/Fischels, NZA 2022, 513 <516>). Der Beklagte beruft sich insoweit auf eine vorgebliche Verfolgung datenschutzfremder Zwecke durch den Kläger. Der Frage, ob sich aus einer derartigen Motivation überhaupt eine Rechtsmissbräuchlichkeit ergeben kann (zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH dazu: BGH, Beschluss vom 29. März 2022 - VI ZR 1352/20 - DB 2022, 1249 Rn. 12 ff.), muss der Senat nicht nachgehen. Denn der Beklagte macht lediglich geltend, dass es dem Kläger allein darauf ankomme, unter Umgehung der Voraussetzungen des Einsichtsrechts für Prüflinge nach dem Landesjustizprüfungsrecht Kenntnis von den Korrekturbemerkungen und Bewertungsbegründungen der mit seinen Aufsichtsarbeiten befassten Prüfer im Hinblick auf einen etwa zu ergreifenden Rechtsbehelf gegen die Prüfungsentscheidung zu erhalten. Mit diesem Einwand kann der Beklagte schon wegen der von dem Oberverwaltungsgericht festgestellten Bestandskraft der Bewertung der Aufsichtsarbeiten des Klägers nicht durchdringen. 36 cc. Ferner kann der Anspruch des Klägers aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO nicht durch eine entsprechende Anwendung von Art. 14 Abs. 5 Buchst. a bzw. Art. 14 Abs. 5 Buchst. b Alt. 2 DSGVO als ausgeschlossen erachtet werden. Die Vorschriften regeln Ausnahmen von den Informationspflichten, die den Verantwortlichen nach Art. 14 Abs. 1 bis 4 DSGVO treffen, wenn er personenbezogene Daten auf andere Weise als bei der betroffenen Person erhebt oder die erhobenen Daten zu einem anderen Zweck als dem Erhebungszweck weiterverarbeiten will. Die Informationspflichten entfallen nach Art. 14 Abs. 5 Buchst. a DSGVO, wenn und soweit die betroffene Person bereits über die Informationen verfügt, sowie nach Art. 14 Abs. 5 Buchst. b Alt. 2 DSGVO, wenn und soweit die Informationserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. 37 Auf die Frage, ob diese Bestimmungen einer analogen Anwendung auf das Recht auf Erhalt einer unentgeltlichen Datenkopie aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO zugänglich sind, kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Denn zum einen hat der Kläger nach der Tatsachenfeststellung des Oberverwaltungsgerichts nicht nach § 23 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 JAG NRW binnen der dort vorgesehenen Frist Einsicht in die von ihm angefertigten und von den Prüfern korrigierten Aufsichtsarbeiten sowie die zugehörigen Prüfergutachten genommen, so dass er diesbezüglich bisher über keine Informationen verfügt. Die Annahme des Beklagten, es reiche aus, dass der Kläger die Möglichkeit zur Einsichtnahme gehabt habe, geht offensichtlich fehl. Zum anderen ist, wie bereits dargelegt, die Bearbeitung des Begehrens des Klägers auf Überlassung einer unentgeltlichen Kopie der genannten Unterlagen für das Landesjustizprüfungsamt mit keinem nennenswerten Aufwand verbunden. 38 d. Weiter erfährt der streitgegenständliche Anspruch des Klägers keine Beschränkung durch eine nach den Maßgaben des Art. 23 DSGVO erlassene nationale Vorschrift. 39 Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, das in § 23 Abs. 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 JAG NRW geregelte fristgebundene prüfungsrechtliche Einsichtsrecht und die landesrechtlichen Regelungen betreffend die Kostenpflichtigkeit von im Zusammenhang mit der Einsichtnahme durch das Landesjustizprüfungsamt gefertigten Kopien seien keine das Recht auf Erhalt einer unentgeltlichen Datenkopie aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO beschränkenden mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften im Sinne von Art. 23 DSGVO. Der in der unionsrechtlichen Datenschutz-Grundverordnung statuierte Anspruch und das in dem Juristenausbildungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen geregelte Recht auf Einsichtnahme in die Prüfungsarbeiten und Prüfergutachten mitsamt den landesrechtlichen Kostenregelungen für die Anfertigung von Kopien daraus stünden nebeneinander. An diese den datenschutzrechtlichen Anspruch unberührt lassende Auslegung des Landesrechts ist der Senat nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO gebunden. Einer ebensolchen Bindung unterliegt der Senat im Hinblick auf die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, dass sich aus den irrevisiblen Bestimmungen in § 12 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen (DSG NRW) vom 17. Mai 2018 (GV. NRW. S. 244, 278) keine Beschränkung des streitgegenständlichen Anspruchs herleiten lässt. 40 e. Schließlich ergibt sich aus den bisherigen Darlegungen, dass der Einwand des Beklagten ins Leere geht, der Anspruch des Klägers aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO sei in Anbetracht des durch das Juristenausbildungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen eingeräumten fristgebunden Rechts, Einsicht in die Prüfungsunterlagen zu nehmen, und der Möglichkeit, sich von dem Landesjustizprüfungsamt gegen Entgelt Kopien anfertigen zu lassen bzw. selbst Fotos herzustellen, als erfüllt anzusehen. 41 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2022-8,25.01.2022,"Pressemitteilung Nr. 8/2022 vom 25.01.2022 EN Bebauungsplan für Designer Outlet Center in Remscheid unwirksam Der Bebauungsplan für ein Designer Outlet Center im Remscheider Stadtteil Lennep ist unwirksam. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der angegriffene Bebauungsplan Nr. 657 (""Gebiet: Röntgen-Stadion, Jahnplatz und Kirmesplatz in Remscheid-Lennep"") überplant ein 11,5 ha großes Gebiet und soll die Voraussetzungen für ein Einkaufszentrum im sog. Village-Stil schaffen. Auf einer etwa 5 ha großen Teilfläche (""SO1"") sollen auf mindestens 12 000 qm und maximal 20 000 qm Verkaufsfläche heruntergesetzte Markenartikel – also etwa Produkte 2. Wahl, Auslaufmodelle, Restposten, Überproduktion – verkauft werden. Auf einer zweiten Teilfläche (""SO2"") ist ein Parkhaus vorgesehen. Auf den Antrag eines Plannachbarn hat das Oberverwaltungsgericht Münster den Bebauungsplan für unwirksam erklärt (OVG Münster, Urteil vom 28. Oktober 2020 - 10 D 43/17.NE). Die dagegen gerichteten Revisionen der Gemeinde und der Vorhabenträgerin hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Denn die Bestimmungen des Plans zur Verkaufsfläche waren rechtsfehlerhaft. Solche Festsetzungen lässt die Baunutzungsverordnung (BauNVO) nur als Bestimmungen zur Art der baulichen Nutzung zu. Die Gemeinde ist befugt, die Verkaufsfläche für einzelne Vorhaben festzusetzen. Einen solchen Vorhabenbezug hatte der Plan aber nicht wirksam hergestellt; aus Umständen außerhalb des Plans, etwa städtebaulichen Verträgen oder den Eigentumsverhältnissen, kann sich der Vorhabenbezug nicht ergeben. Die Gemeinde hatte die Verkaufsfläche auch nicht für ein einziges Buchgrundstück bestimmt, sondern nur für das im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses aus mehreren Grundstücken bestehende ­Sondergebiet SO1. Dieser Fehler führte zur Gesamtunwirksamkeit des Plans, weil es ein zentrales Anliegen der Antragsgegnerin war, die Verkaufsfläche zu begrenzen. BVerwG 4 CN 5.20 - Urteil vom 25. Januar 2022 Vorinstanz: OVG Münster, 10 D 43/17.NE - Urteil vom 28. Oktober 2020 -","Urteil vom 25.01.2022 - BVerwG 4 CN 5.20ECLI:DE:BVerwG:2022:250122U4CN5.20.0 EN Festsetzungen zur Verkaufsfläche in einem sonstigen Sondergebiet für ein Einkaufszentrum Leitsätze: 1. Ist die Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben in einem sonstigen Sondergebiet unwirksam (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2019 - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378), beantwortet sich die Frage nach der Wirksamkeit weiterer Bestimmungen des Bebauungsplans nach den in der Rechtsprechung zum Verhältnis von Teil- und Gesamtunwirksamkeit eines Plans entwickelten Maßstäben. 2. Anhand dieser Maßstäbe ist zu beurteilen, ob Regelungen zur Verkaufsfläche als vorhaben- oder grundstücksbezogene Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung Bestand haben, wenn eine mit ihnen verbundene Beschränkung der Zahl zulässiger Einkaufszentren unwirksam ist. Rechtsquellen BauGB § 9 Abs. 3 Satz 2, § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauNVO § 11 Abs. 1 und 2 Instanzenzug OVG Münster - 28.10.2020 - AZ: 10 D 43/17.NE Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 25.01.2022 - 4 CN 5.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:250122U4CN5.20.0] Urteil BVerwG 4 CN 5.20 OVG Münster - 28.10.2020 - AZ: 10 D 43/17.NE In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2022 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Decker, Prof. Dr. Külpmann, Dr. Hammer und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger für Recht erkannt: Die Revisionen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Oktober 2020 werden zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers je zur Hälfte; ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen sie jeweils selbst. Gründe I 1 Der Antragsteller wendet sich als Plannachbar gegen einen Bebauungsplan für ein Designer Outlet Center. 2 Der Bebauungsplan Nr. 657 (""Gebiet: ...-Stadion, J.platz und K.platz in R."") überplant ein 11,5 ha großes Gebiet im Stadtteil L. der Antragsgegnerin und soll die Voraussetzungen für ein Einkaufszentrum schaffen. Die Beigeladene beabsichtigt, das Zentrum zu betreiben. 3 Zwischen der R. Straße und der M.straße im Norden und der Straße Am Stadion im Süden soll in einem als SO1 festgesetzten sonstigen Sondergebiet das Einkaufszentrum entstehen; kleinere Flächen am nördlichen Rand sind als Gewerbegebiete GE1 und GE2 festgesetzt. Die Verkaufsflächen sollen ganz überwiegend im Erdgeschoss, zu einem untergeordneten Anteil im ersten Geschoss angesiedelt werden (""Village-Stil""). In dem Designer Outlet Center sollen ausschließlich heruntergesetzte Markenartikel verkauft werden. 4 Das etwa 5 ha große SO1 bestand bei Satzungsbeschluss weit überwiegend aus Grundstücken im Eigentum der Antragsgegnerin; dies sind die Flurstücke a, b, c, d sowie das 3,4 ha große Flurstück e. Das Eigentum an diesen Grundstücken hat die Antragsgegnerin der Beigeladenen aufschiebend bedingt übertragen. Die Beigeladene hat sich in einem städtebaulichen Vertrag gegenüber der Antragsgegnerin verpflichtet, auf dieser Fläche ein Designer Outlet Center zu errichten. Die Errichtung sonstiger Einzelhandelsbetriebe ist ausgeschlossen. Am 22. September 2020 und damit nach Satzungsbeschluss sind die im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden Grundstücke vereinigt worden. Einige kleinere Grundstücke befinden sich im Eigentum Dritter. Die Beigeladene hat Optionsverträge geschlossen, um diese Grundstücke zu erwerben. 5 Der Bebauungsplan setzt für das Sondergebiet SO1 u.a. fest: 1.1.1 Im Sondergebiet SO1 ist ein Hersteller-Direktverkaufszentrum für Markenartikel (Designer Outlet Center) ""DOC"" mit großflächigen und nicht großflächigen unselbstständigen Verkaufsstätten als Bestandteil eines Einkaufszentrums mit einer Gesamtverkaufsfläche von mindestens 12 000 m² und maximal 20 000 m² und mit einer höchstzulässigen durchschnittlichen Größe der Verkaufsstätten von 250 m² Verkaufsfläche sowie einer höchstzulässigen Größe der Verkaufsfläche je Verkaufsstätte von 1 200 m² zulässig. Verkaufsflächen sind nur im Erdgeschoss und auf maximal 20 % der zulässigen Gesamtverkaufsfläche im ersten Obergeschoss zulässig. 6 Auf dem Gebiet des jetzigen K.platzes ist ein sonstiges Sondergebiet SO2 für eine Hoch- und Tiefgarage festgesetzt. In dem Parkhaus sollen 1 500 Stellplätze entstehen. Außerhalb des Plangebiets, dem SO2 gegenüber, befindet sich das Wohngrundstück des Antragstellers. 7 Das Oberverwaltungsgericht hat den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Für die textliche Festsetzung Nr. 1.1.1 Satz 1 fehle eine Rechtsgrundlage. Die Beschränkung auf ""ein"" Einkaufszentrum bestimme weder den Zweck des Sondergebiets noch eine Art der baulichen Nutzung. Die Regelungen über die Verkaufsfläche seien mit der nummerischen Beschränkung unlösbar verknüpft. Sie könnten nicht als vorhabenbezogene Festsetzung Bestand haben, weil in dem SO1 mehr als ein Einkaufszentrum errichtet werden könne. Städtebauliche Verträge und die Eigentumsverhältnisse spielten insoweit keine Rolle. Die Festsetzungen zur Verkaufsfläche seien selbst dann nicht wirksam, wenn man die Möglichkeit einer grundstücksbezogenen Beschränkung der Verkaufsfläche anerkenne. Denn das Einkaufszentrum solle nach den Vorstellungen der Beigeladenen und der Antragsgegnerin auf allen Grundstücken verwirklicht werden und nicht nur auf dem möglicherweise allein vorhabengeeigneten Flurstück e. 8 Für die Festsetzung Nr. 1.1.1 Satz 2 fehle gleichfalls eine Rechtsgrundlage. Verkaufsflächen seien weder Arten der baulichen Nutzung noch bestimmte Anlagetypen, die vertikal auf Geschosse verteilt werden könnten. Die Festsetzungen sollten vielmehr eine konkrete Bauform gewährleisten. Dies sei keine im Sondergebiet zulässige Auffächerung der Nutzungsart des großflächigen Einzelhandels. Beide Festsetzungsfehler führten jeweils für sich zur Gesamtunwirksamkeit des Plans. 9 Mit ihren Revisionen begehren die Antragsgegnerin und die Beigeladene die Ablehnung des Normenkontrollantrags. Nach ihrer Auffassung stellt die Kombination einer Mindestverkaufsfläche von 12 000 m² und einer Höchstverkaufsfläche von 20 000 m² sicher, dass sich nur ein Einkaufszentrum ansiedele. Das Eigentum der Antragsgegnerin und die mit der Beigeladenen geschlossenen Verträge gewährleisteten, dass nur ein Einkaufszentrum errichtet werde. Schließlich sei bei Satzungsbeschluss nur das Flurstück e für das Vorhaben geeignet gewesen, sodass die Festsetzungen zur Verkaufsfläche als grundstücksbezogene Festsetzungen Bestand hätten. Die Verteilung der Verkaufsflächen auf die einzelnen Geschosse sei als Festsetzung der Art der baulichen Nutzung zulässig, könne sich aber jedenfalls auf § 9 Abs. 3 Satz 2 BauGB stützen. 10 Der Antragsteller verteidigt das vorinstanzliche Urteil. II 11 Die Revisionen sind unbegründet. Das angegriffene Urteil steht mit dem nach § 137 Abs. 1 VwGO revisiblen Recht in Einklang. 12 A. Die textliche Festsetzung Nr. 1.1.1 Satz 1 des Bebauungsplans beschränkt die Zahl zulässiger Vorhaben im Sondergebiet SO1 und trifft Regelungen zur Verkaufsfläche. Die Bestimmungen sind unwirksam, weil es an einer Rechtsgrundlage fehlt. Dies führt zur Gesamtunwirksamkeit des Plans. 13 I. Nr. 1.1.1 Satz 1 gestattet nur ein Hersteller-Direktverkaufszentrum für Markenartikel im Sondergebiet SO1. Diese Beschränkung ist mangels Rechtsgrundlage unwirksam. 14 Nach § 11 Abs. 1 BauNVO sind als sonstige Sondergebiete solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO wesentlich unterscheiden. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO sind für sonstige Sondergebiete die Zweckbestimmung und die Art der baulichen Nutzung darzustellen und festzusetzen. Auf diese Vorschrift kann die nummerische Beschränkung auf ein Einkaufszentrum nicht gestützt werden. Die Zahl von Vorhaben bestimmt nicht den Zweck, dem das Sondergebiet dient. Die nummerische Beschränkung setzt auch nicht die Art der baulichen Nutzung fest. Denn sie qualifiziert nicht einen Anlagentyp, sondern quantifiziert Nutzungsoptionen (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2019 - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 Rn. 13 ff.). Andere Rechtsgrundlagen sind nicht ersichtlich. 15 II. Die Unwirksamkeit der Beschränkung der Vorhabenzahl führt zur Unwirksamkeit der Bestimmungen zur Mindest- und Höchstverkaufsfläche. 16 Ob der Mangel einzelner Festsetzungen zur Unwirksamkeit weiterer Bestimmungen eines Bebauungsplans führt, bestimmt sich nach den in der Rechtsprechung zum Verhältnis von Teil- und Gesamtunwirksamkeit entwickelten Maßstäben. Ein Mangel, der einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaftet, führt nur dann nicht zu dessen Gesamtnichtigkeit, wenn - erstens - die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und - zweitens - die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 1989 - 4 N 3.87 - BVerwGE 82, 225 <230> sowie Urteile vom 11. September 2014 - 4 CN 3.14 - Buchholz 406.12 § 10 BauNVO Nr. 5 Rn. 26 und vom 17. Oktober 2019 - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 Rn. 37). 17 Die - unwirksame - Festsetzung der Vorhabenzahl in Nr. 1.1.1 Satz 1 hätte gewährleistet, dass sich nur ein Einkaufszentrum mit einer bestimmten Verkaufsfläche und damit eine bestimmte Art der baulichen Nutzung ansiedelt. Die Antragsgegnerin wollte zudem die Verkaufsfläche insgesamt auf 20 000 m² beschränken, um negative Auswirkungen auf umliegende zentrale Versorgungsbereiche zu verhindern (UA S. 33). Diesen Festsetzungsinhalt und das damit verfolgte Ziel erreichen die Regelungen zur Verkaufsfläche nicht, wenn die nummerische Beschränkung entfällt. 18 1. Die Gemeinden können in einem sonstigen Sondergebiet für großflächige Einzelhandelsbetriebe und Einkaufszentren Regelungen über die Verkaufsfläche treffen. Sie können diese Fläche sowohl nach oben (Höchstverkaufsfläche) als auch nach unten (Mindestverkaufsfläche) begrenzen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 27. April 1990 - 4 C 36.87 - Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 17 S. 20, vom 3. April 2008 - 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 Rn. 16 und vom 17. Oktober 2019 - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 Rn. 10). 19 Rechtsgrundlage für solche Festsetzungen ist § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO. Auf dieser Grundlage kann die Gemeinde für ein sonstiges Sondergebiet die Art der baulichen Nutzung ungeachtet der Vorgaben des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 9 BauNVO näher konkretisieren und zu diesem Zweck die Merkmale bestimmen, die ihr am besten geeignet erscheinen, um das von ihr verfolgte Planungsziel zu erreichen. Insbesondere darf sie den Anlagentyp durch die von ihr bestimmte Begrenzung der Verkaufsflächen selbst festsetzen und so die auch vom Verordnungsgeber festgelegte Nutzungsart des großflächigen Einzelhandels weiter auffächern (BVerwG, Urteile vom 27. April 1990 - 4 C 36.87 - Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 17 S. 21 und vom 3. April 2008 - 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 Rn. 16). Dieser Gestaltungsspielraum geht über die Möglichkeiten in den Baugebieten nach den §§ 2 ff. BauNVO hinaus (vgl. zu § 1 Abs. 9 BauNVO BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 77.84 - BVerwGE 77, 317 <322> sowie Beschlüsse vom 8. November 2004 - 4 BN 39.04 - Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr. 20 S. 13 und vom 7. Mai 2020 - 4 BN 44.19 - ZfBR 2020, 675 Rn. 7), ist aber nicht unbegrenzt. Die gemeindlichen Regelungen müssen stets auf die Befugnis zurückgeführt werden können, die Art der baulichen Nutzung zu regeln. Die Gemeinde ist daher etwa nicht befugt, die Verkaufsfläche in einem bestimmten Gebiet insgesamt und damit vorhabenunabhängig festzusetzen (BVerwG, Urteil vom 3. April 2008 - 4 CN 3.07 - a.a.O.). 20 2. Bei Unwirksamkeit der nummerischen Beschränkung ist nicht bauplanerisch gewährleistet, dass die Regelungen zur Verkaufsfläche nur für ein einziges Einkaufszentrum gelten. 21 a) Innerhalb der für das Sondergebiet SO1 festgesetzten überbaubaren Grundstücksfläche lässt sich mehr als ein Hersteller-Direktverkaufszentrum verwirklichen, das die Vorgaben zur Verkaufsfläche erfüllt (UA S. 21 f., 25). Diese Einschätzung mag von der Vorstellung der Antragsgegnerin bei Satzungsbeschluss abweichen, bindet aber das Revisionsgericht hinsichtlich der zugrundeliegenden tatsächlichen Annahmen nach § 137 Abs. 2 VwGO. Die Revisionen ziehen sie nicht in Zweifel, soweit Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, zur überbaubaren Grundstücksfläche oder zu den tatsächlichen Verhältnissen (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 28. April 2021 - 8 C 10535/19 - BauR 2021, 1415 <1418>) in Rede stehen. 22 b) Nach Auffassung der Antragsgegnerin erlaubt eine Höchstverkaufsfläche von 20 000 m² bei einer Mindestverkaufsfläche von 12 000 m² nur die Errichtung eines Einkaufszentrums. Dies trifft nicht zu. 23 Der Senat muss dem Einwand nachgehen. Zwar ist für die Revisionsentscheidung nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO die Auslegung des Bebauungsplans durch das Oberverwaltungsgericht maßgebend. Diese Bindung entfällt aber, wenn die Vorinstanz eine einschlägige Vorschrift des irrevisiblen Rechts übersehen oder nicht angewandt hat und damit das Auslegungsergebnis unvollständig bleibt (BVerwG, Urteile vom 3. Juni 2014 - 4 CN 6.12 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 133 Rn. 25 und vom 19. Mai 2021 - 9 C 3.20 - ZfBR 2022, 64 Rn. 28). Einen solchen Fall macht die Revision geltend. 24 Ihr Einwand verfehlt aber den Festsetzungsinhalt. Nach seiner Lesart müsste die Mindestverkaufsfläche für das jeweilige Vorhaben gelten, die Höchstverkaufsfläche für das sonstige Sondergebiet SO1 insgesamt. Nr. 1.1.1 Satz 1 bezieht aber die Mindest- als auch die Höchstverkaufsfläche auf denselben Regelungsgegenstand, nämlich das Einkaufszentrum. Hiervon unabhängig scheidet die Festsetzung einer Verkaufsflächenobergrenze für das Sondergebiet von Rechts wegen aus. Denn die Baunutzungsverordnung bietet keine Rechtsgrundlage, die Verkaufsfläche für ein Gebiet insgesamt zu beschränken (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 3. April 2008 - 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 Rn. 16 und vom 24. März 2010 - 4 CN 3.09 - NVwZ 2010, 782 Rn. 23). 25 c) Die Festsetzungen zur Verkaufsfläche sind nicht deswegen auf ein einziges Einkaufszentrum bezogen, weil die Beigeladene sich in einem städtebaulichen Vertrag verpflichtet hat, nur ein solches Zentrum zu errichten. 26 Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB können die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele, insbesondere der Grundstücksnutzung, Gegenstand eines städtebaulichen Vertrages sein. In den Fällen festsetzungsergänzender oder -ersetzender Vereinbarungen sollen die durch einen Bebauungsplan begründbaren Nutzungsmöglichkeiten aufgrund von legitimen gemeindlichen Planungszielen eingeschränkt oder unter zusätzliche Anforderungen gestellt werden (vgl. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 11 Rn. 45). Verträge berechtigen und verpflichten indes nur die an ihnen Beteiligten. Sie können nicht mit allgemeiner Verbindlichkeit gewährleisten, dass nur ein Einkaufszentrum entsteht, auch wenn die Gemeinde - wie hier - davon ausgeht, dass jedenfalls ihr Vertragspartner nur einen einzigen solchen Betrieb errichten wird (BVerwG, Urteil vom 24. März 2010 - 4 CN 3.09 - NVwZ 2010, 782 Rn. 24 und Beschluss vom 2. Dezember 2009 - 4 B 74.09 - BauR 2010, 742 Rn. 2). Vielmehr bestimmt ein Angebotsbebauungsplan die bauliche Nutzung von Flächen unabhängig von vertraglichen Bindungen, denen ein Bauherr unterliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. April 2012 - 4 CN 3.11 - BVerwGE 143, 24 Rn. 10). Anders als die Beigeladene meint, gibt das Senatsurteil vom 17. Oktober 2019 - 4 CN 8.18 - (BVerwGE 166, 378) keinen Anlass, diese Rechtsprechung aufzugeben oder fortzuentwickeln. 27 d) Die Regelungen zur Verkaufsfläche haben nicht deswegen nur ein Einkaufszentrum zum Gegenstand, weil sich das Grundeigentum im sonstigen Sondergebiet SO1 weit überwiegend im Eigentum der Antragsgegnerin befand. 28 Der Bebauungsplan gewährleistet nicht, dass es bei den Eigentumsverhältnissen im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bleibt (BVerwG, Urteile vom 24. März 2010 - 4 CN 3.09 - NVwZ 2010, 782 Rn. 24 und vom 17. Oktober 2019 - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 Rn. 34). Er ist nicht eigentümerbezogen, sondern städtebaulich-bodenrechtlich zu betrachten (BVerwG, Beschluss vom 11. November 2009 - 4 BN 63.09 - BauR 2010, 430 Rn. 3). Ob die Festsetzung eines Bebauungsplans in der Baunutzungsverordnung eine Rechtsgrundlage findet und das von der Gemeinde verfolgte planerische Ziel ausreichend sichert, hängt daher nicht davon ab, ob die geplante Nutzung dem Willen eines gegenwärtigen Eigentümers entspricht oder diesem zuwiderläuft (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. November 2016 - 4 CN 2.16 - BVerwGE 156, 336 Rn. 10 und Beschluss vom 5. November 2002 - 4 BN 8.02 - BRS 66 Nr. 54 ). Dies gilt auch, wenn das Eigentum in der Hand der Gemeinde liegt: Die von § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO eröffnete Verpflichtung und Befugnis, Zweckbestimmung und Art der baulichen Nutzung im sonstigen Sondergebiet festzusetzen, hat für gemeindeeigene Flächen denselben Inhalt wie für Flächen, die im Eigentum Dritter stehen. 29 e) Verbliebe es bei den Bestimmungen zur Mindest- und Höchstverkaufsfläche, ließen diese im SO1 die Ansiedlung einer nicht bestimmten oder bestimmbaren Zahl von Einkaufszentren zu, deren Art durch die Verkaufsfläche gekennzeichnet wird. Die Antragsgegnerin wollte indes zugleich die Gesamtverkaufsfläche auf 20 000 m² beschränken. Dieses Ziel verfehlen Festsetzungen, welche die Ansiedlung mehrerer Einkaufszentren mit mindestens 12 000 m² Verkaufsfläche gestatten. 30 3. Die Bestimmungen zur Verkaufsfläche in Nr. 1.1.1 Satz 1 sind nicht als Regelungen zur Nutzung eines Grundstückes wirksam. 31 a) Die Gemeinde ist befugt, die Verkaufsfläche in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsflächengröße im Verhältnis zur Grundstücksgröße durch eine Verhältniszahl festgelegt wird, soweit dadurch die Ansiedlung bestimmter Einzelhandelstypen und damit die Art der baulichen Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll (BVerwG, Urteile vom 3. April 2008 - 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 Rn. 16 und vom 17. Oktober 2019 - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 Rn. 33). § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO lässt es auch zu, die höchstzulässige Verkaufsfläche für die Grundstücke im Bebauungsplan in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsfläche für jeweils einzelne Grundstücke festgelegt wird, sofern dadurch die Art der baulichen Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2019 - 4 CN 8.18 - a.a.O.). Ist eine absolute Verkaufsfläche einem Grundstück mit einer bestimmten Grundstücksgröße zuzuordnen, so ist es nur eine Frage der Darstellung, ob der Bebauungsplan die Verkaufsfläche als Anteil oder durch eine absolute Zahl bestimmt. Eine Zuordnung ist möglich, wenn es in dem Sondergebiet nur ein Grundstück gibt, auf dem Vorhaben der bestimmten Art errichtet werden können und sollen; ein solcher Fall liegt nahe, wenn das jeweilige Sondergebiet ausschließlich oder doch im Wesentlichen aus einem Grundstück besteht. Diese Rechtsprechung hat bei den Oberverwaltungsgerichten überwiegend Zustimmung gefunden (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 1. Juli 2020 - 8 C 11841/19 - ZfBR 2020, 871 <872>; VGH Mannheim, Beschluss vom 12. August 2020 - 3 S 1113/20 - ZfBR 2021, 70 <72>; OVG Lüneburg, Urteil vom 10. Dezember 2020 - 1 LB 43/17 - juris Rn. 45; VGH München, Urteil vom 3. März 2021 - 15 B 20.20 75 - juris Rn. 53 ff. und OVG Bautzen, Urteil vom 14. Juli 2021 - 1 C 27/19 - juris Rn. 47). Der Senat hält an ihr auch angesichts der Kritik der Vorinstanz fest. 32 Die Verkaufsfläche kann Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit eines Betriebes typisierend erfassen (BVerwG, Urteil vom 9. November 2016 - 4 C 1.16 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 220 Rn. 12). Weil die Gemeinde die Nutzungsart des großflächigen Einzelhandels im sonstigen Sondergebiet auffächern darf, ohne auf bestimmte, von ihr in der Wirklichkeit vorgefundene Arten der baulichen Nutzung im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO beschränkt zu sein, dienen solche Festsetzungen auch - und nicht selten vorrangig - dazu, mittels eines quantitativen und damit in der Zulassungspraxis leicht handhabbaren Maßstabs bestimmte planerische Ziele zu erreichen, etwa umliegende Versorgungszentren zu schützen, Anforderungen der Raumordnung zu genügen, eine interkommunale Abstimmung zu erreichen oder ein städtebauliches Einzelhandelskonzept zu verwirklichen. Dagegen ist nichts zu erinnern, wenn die Festsetzung zugleich die Art der baulichen Nutzung steuert. 33 Eine grundstücksbezogene Festsetzung der Verkaufsfläche nähert sich Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung an. Denn sie beschränkt die quantitative Nutzung eines Grundstückes, in der Regel also des Buchgrundstücks (BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2021 - 4 B 14.21 - Rn. 7). Dies kann hingenommen werden, weil in der Baunutzungsverordnung eine Verbindung zwischen der Art der baulichen Nutzung, der Verkaufsfläche und dem Maß der baulichen Nutzung angelegt ist: Das die Art der baulichen Nutzung betreffende Merkmal der Großflächigkeit in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauNVO wird zwar mittels der Verkaufsfläche definiert, der Senat hat sich aber nicht gehindert gesehen, zur Bestimmung der maßgeblichen Grenze die in § 11 Abs. 3 Satz 3 und 4 BauNVO bestimmte Geschossfläche als ""wichtigen Anhaltspunkt"" in den Blick zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 - 4 C 10.04 - BVerwGE 124, 364 <366>). 34 b) Wie der Bezug zur Art der baulichen Nutzung bei einer grundstücksbezogenen Festsetzung der Verkaufsfläche im Einzelnen beschaffen sein muss, bedarf keiner Entscheidung. Denn die in absoluten Zahlen bestimmten Verkaufsflächen konnten bei Satzungsbeschluss keinem Grundstück zugeordnet werden. 35 Die Vorinstanz hat offengelassen, ob allein das Flurstück e geeignet war, auf diesem ein Vorhaben nach den Festsetzungen des Bebauungsplans zu verwirklichen. Selbst wenn dies der Fall wäre, schiede eine Zuordnung der Verkaufsfläche zu diesem Grundstück aus. Denn nach den Vorstellungen der Antragsgegnerin sollte das Vorhaben auf allen Grundstücken im Sondergebiet SO1 verwirklicht werden. Dieser Planungswille würde verfehlt, wenn Verkaufsflächen nur auf dem bei Satzungsbeschluss vorhandenen Flurstück 486 verwirklicht werden könnten. 36 c) Dass die Flurstücke a, b, c, d, und e nach dem Satzungsbeschluss im Grundbuch vereinigt worden sind, bleibt ohne Bedeutung. Maßgeblich sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses. Eine grundstücksbezogene Festsetzung wird durch die Möglichkeit einer späteren Grundstücksteilung nicht ausgeschlossen (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2018 - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 Rn. 34), eine vormals unzulässige Festsetzung wird - gleichsam spiegelbildlich - durch die spätere Vereinigung von Grundstücken nicht wirksam (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2014 - 4 CN 3.13 - BVerwGE 149, 229 Rn. 27). 37 4. Das Oberverwaltungsgericht hatte keinen Anlass zu prüfen, ob die Festsetzungen zur Verkaufsfläche als Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung Bestand haben könnten. Denn Festsetzungen zu Verkaufsflächen sind keine Regelungen zum Maß der baulichen Nutzung, weil sie sich keiner der dafür nach § 16 Abs. 2 BauNVO zulässigen Größen bedienen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 27. April 1990 - 4 C 36.87 - Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 17 S. 20 und vom 3. April 2008 - 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 Rn. 14; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2019 - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 Rn. 19). 38 Nach Auffassung des Senats wäre es Sache des Gesetz- oder Verordnungsgebers, eine Rechtsgrundlage für die Festlegung von Verkaufsflächen zu schaffen. In der Praxis haben sich Verkaufsflächen als Parameter für die Planung von Einzelhandelsvorhaben und Einkaufszentren durchgesetzt. Indes fehlen im Baugesetzbuch und in der Baunutzungsverordnung Regelungen, um die Ansiedlung dieser Vorhaben mittels Festsetzungen zur Verkaufsfläche rechtssicher zu steuern. Eine solche Rechtsgrundlage zu schaffen, ist nicht Aufgabe richterlicher Rechtsfortbildung. Das verbleibende Regelungsdefizit kann zum Scheitern kosten- und zeitintensiver Verfahren führen, ohne dass die mit einer Planung zu lösenden Sachfragen überhaupt zur Sprache kommen. Der Fall ist ein beredtes Beispiel. 39 5. Die Unwirksamkeit der Festsetzung zu den Verkaufsflächen führt zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans insgesamt. 40 B. Das Oberverwaltungsgericht hat sein Urteil selbstständig tragend auf die Unwirksamkeit der textlichen Festsetzung Nr. 1.1.1 Satz 2 gestützt, welche den Anteil von Verkaufsflächen im ersten Obergeschoss auf 20 % der maximal zulässigen Gesamtverkaufsfläche begrenzt. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ob auch dieser Fehler zur Gesamtunwirksamkeit des Plans geführt hätte, bleibt offen. 41 § 1 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BauNVO ermächtigt die Gemeinde, besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung nach den §§ 10 und 11 BauNVO zu treffen. Die Regelungsbefugnis ist aber auf die Art der baulichen Nutzung begrenzt. Anders als die Beigeladene meint, ist trotz der Definitionsmacht der Gemeinde nicht jede an die Verkaufsfläche anknüpfende Festsetzung eine solche zur Art der baulichen Nutzung. Denn auch bei Ausübung ihrer Definitionsmacht muss die Gemeinde die vorhabenbezogene Typisierung beachten, die den §§ 2 bis 10 BauNVO zugrunde liegt (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2019 - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 Rn. 10). Während sie mit Regelungen über mindestens zu errichtende oder höchstens zulässige Verkaufsflächen die nach der Betriebsgröße abgegrenzte besondere Nutzungsart ""großflächiger Einzelhandel"" weiter auffächert und damit an die Baunutzungsverordnung anknüpft, verlässt sie diesen Zusammenhang, wenn sie die Verkaufsfläche geschossweise zuordnet. Denn die Verkaufsfläche als solche ist keine Art der baulichen Nutzung. 42 Die Festsetzung kann nicht auf § 9 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BauGB gestützt werden. Danach können Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB für übereinanderliegende Geschosse gesondert getroffen werden. Eine solche Festsetzung ist die Verkaufsfläche nicht. Sie dient allein dazu, eine bestimmte Art der Nutzung zu kennzeichnen, ist aber selbst keine Art der baulichen Nutzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB und lässt sich auch den anderen Festsetzungsinhalten des § 9 Abs. 1 BauGB nicht zuordnen. 43 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO, § 159 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Der Senat hat den in der mündlichen Verhandlung verkündeten Tenor wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 118 Abs. 1 VwGO berichtigt und auf die Kosten des Revisionsverfahrens beschränkt. Rechtspositionen der Beteiligten sind hiervon nicht berührt." bverwg_2022-81,14.12.2022,"Pressemitteilung Nr. 81/2022 vom 14.12.2022 EN Verbot des Vereins ""Deutsche Libanesische Familie e.V."" bestätigt Das von dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (nunmehr Bundesministerium des Innern und für Heimat - BMI) ausgesprochene Verbot des Vereins ""Deutsche Libanesische Familie e.V."" als Ersatzorganisation des im Jahr 2014 verbotenen Vereins ""Waisenkinderprojekt Libanon e.V."" (WKP e.V.) ist rechtmäßig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Das BMI stellte mit Verfügung vom 15. April 2021 fest, dass der Anfang 2014 gegründete Kläger und zwei weitere Vereine Ersatzorganisationen des im Jahr 2014 verbotenen WKP e.V. sind, verbot diese und löste sie auf. Bei diesen drei Vereinen handele es sich um Organisationen, die die Tätigkeit des verbotenen WKP e.V. an dessen Stelle weiterverfolgt hätten. Der WKP e.V. habe die Shahid-Stiftung unterstützt und damit gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen. Er habe Spenden zugunsten dieser Stiftung in beachtlicher Höhe gesammelt, an diese weitergeleitet und auf diese Weise die soziale Absicherung der Hinterbliebenen von sog. Märtyrern, die im Kampf für die Hizb Allah gestorben seien, mitfinanziert. Die Shahid-Stiftung sei Teil des sozialen Netzwerks der Hizb Allah, die ihrerseits als völkerverständigungswidrige Organisation anzusehen sei, da sie das Existenzrecht Israels negiere und zur Beseitigung Israels auch mit bewaffnetem Kampf aufrufe. Der Kläger und die beiden weiteren Vereine hätten das Sammeln von Spenden zugunsten der Shahid-Stiftung an Stelle des WKP e.V. fortgeführt. Der Kläger hat gegen die Verbotsverfügung Klage erhoben, während die beiden anderen Vereine keinen gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch genommen haben. Mit seiner Klage macht er geltend, dass seine Aktivität ausschließlich in dem Bau eines Gemeindezentrums bestehe. Nur hierfür sammele er Spenden. Die zulässige Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht erst- und letztinstanzlich entschieden hat, ist unbegründet. Der Kläger ist eine Ersatzorganisation des WKP e.V., da er an dessen Stelle zusammen mit den beiden weiteren als Ersatzorganisationen verbotenen Vereinen die Unterstützung der Shahid-Stiftung als Teil des sozialen Netzwerks der Hizb Allah fortführt. Ausschlaggebend für diese Einschätzung ist, dass der Kläger schon im Vorfeld des sich abzeichnenden Verbots des WKP e.V. von dessen Funktionären ""auf Vorrat"" gegründet worden ist. Die Funktionäre des WKP e.V. wollten durch die Gründung des Klägers und weiterer Vereine sicherstellen, auch nach einem Verbot des WKP e.V. weiterhin Gelder für die Shahid-Stiftung sammeln zu können. Darüber hinaus haben ehemalige Funktionäre und Mitglieder des WKP e.V. bei dem Kläger Vorstandspositionen besetzt und dessen Aktivitäten maßgeblich gesteuert. Insoweit kommt dem Gründungsvorsitzenden des Klägers besondere Bedeutung zu. Dieser war im Vorstand des WKP e.V. und ist als Funktionär der Shahid-Stiftung für die Betreuung von Spendensammelvereinen im Ausland zuständig. Der Kläger hat zusammen mit den beiden anderen Vereinen diejenigen Gebiete abgedeckt, in denen bereits früher der WKP e.V. tätig war. Aufgrund zahlreicher Indizien ist davon auszugehen, dass der Kläger ebenso wie die beiden anderen Vereine systematisch Spenden für die Shahid-Stiftung und damit für die Hizb Allah im Libanon gesammelt hat. Dies ergibt sich vor allem aus Karten und Arbeitsplänen, die bei den Verantwortlichen des Klägers aufgefunden worden sind. Zudem haben die Verantwortlichen des Klägers wie auch der anderen beiden verbotenen Vereine den heimlichen Transfer erheblicher Spendengelder in den Libanon organisiert. Der Umstand, dass der Kläger zugleich den Bau eines Gemeindezentrums verwirklicht hat, steht der Annahme, dass er die Aktivitäten und Ziele des WKP e.V. fortführt und an dessen Stelle mit den anderen Vereinen die Shahid-Stiftung unterstützt, nicht entgegen. Denn das Sammeln von Barspenden, die für das soziale Netzwerk der Hizb Allah bestimmt sind und in den Libanon gebracht werden, prägt die Tätigkeit des Klägers. Angesichts dessen erweist sich das Verbot auch als verhältnismäßig. BVerwG 6 A 6.21 - Urteil vom 14. Dezember 2022","Urteil vom 14.12.2022 - BVerwG 6 A 6.21ECLI:DE:BVerwG:2022:141222U6A6.21.0 EN Verbot von Ersatzorganisationen Leitsätze: 1. Die Ersatzorganisation ist ein Personenzusammenschluss, der an Stelle der verbotenen Vereinigung deren verfassungswidrige Nah-, Teil- oder Endziele ganz oder teilweise, kürzere oder längere Zeit, örtlich oder überörtlich, offen oder verhüllt weiterverfolgt oder weiterverfolgen will. Sie muss davon geprägt sein, die Ziele der verbotenen Vereinigung weiterzuverfolgen. 2. Der in § 8 Abs. 1 VereinsG enthaltene Begriff der Organisation ist erfüllt, wenn sich innerhalb des Bundesgebiets mehrere Personen zur Verfolgung gemeinsamer verfassungsfeindlicher Ziele im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG auf eine gewisse Dauer zusammengeschlossen haben oder mit ihrem Willen zusammengeschlossen worden sind. Die Organisation kann lockerer gefügt sein als eine Vereinigung oder ein Verein. 3. Die Bildung einer Ersatzorganisation (§ 8 Abs. 1 Alt. 1 VereinsG) liegt vor, wenn eine Organisation nach dem Zeitpunkt der äußeren Wirksamkeit des nach § 3 VereinsG ausgesprochenen Vereinsverbots gegründet wird und sie von ihrem Beginn an die verfassungswidrigen Bestrebungen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der verbotenen Vereinigung weiterverfolgt. § 8 Abs. 1 Alt. 2 VereinsG ist anzuwenden, wenn eine Organisation nach ihrer Gründung zunächst keine oder anderweitige, aus Sicht des Vereinsgesetzes unerhebliche Aktivitäten entfaltet hat und erst später die verfassungswidrigen Bestrebungen der verbotenen Vereinigung weiterverfolgt. Rechtsquellen GG Art. 4 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und 2 VereinsG § 3 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, §§ 8, 9 Abs. 1 und 4, §§ 10 bis 12 VwVfG § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwGO § 113 Abs. 1 Satz 1, § 117 Abs. 5 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 14.12.2022 - 6 A 6.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:141222U6A6.21.0] Urteil BVerwG 6 A 6.21 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Kläger ist ein am ... gegründeter und am ... in das Vereinsregister eingetragener Verein mit Sitz in In. Sein Zweck ist nach § 2 Abs. 1 seiner Satzung die Unterstützung des Zusammenlebens von deutschen und libanesisch-stämmigen Familien in Form von verschiedenen Projekten wie der Förderung des Verständnisses, des Zusammenlebens, der libanesischen Kultur und der arabischen Sprache, der Vermittlung der islamischen Religion und Werte, der Erteilung von Nachhilfeunterricht und der Unterstützung von humanitären Projekten für den Libanon wie medizinischen Projekten, Patenschaftsprojekten für Waisenkinder und Behindertenprojekten. Im Fall der Auflösung des Vereins soll dessen Vermögen an den Verein ""I. e. V."" fallen. In der Gründungsversammlung wurden H. zum 1. Vorsitzenden und C. zum 2. Vorsitzenden gewählt. Im ... übernahm M. den 2. Vorsitz, während die Position des 1. Vorsitzenden im ... auf K. überging. 2 Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (nunmehr Bundesministerium des Innern und für Heimat; BMI) stellte mit Verfügung vom ... fest, dass der Kläger sowie die Vereine ""M. e. V."" und ""G. e. V."" Ersatzorganisationen der verbotenen Vereinigung ""W. e. V."" sind, verbot diese und löste sie auf. Darüber hinaus verbot das BMI die Verwendung ihrer Kennzeichen, deren Internetauftritte und Kanäle, beschlagnahmte ihre Vermögen, insbesondere das Grundstück des Klägers in der Ha.-Straße ... in Ga., und zog diese ein. Gleiches ordnete das BMI für Sachen und Forderungen Dritter an, mit denen die Vereine gefördert wurden. Die Verfügung erklärte es mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen für sofort vollziehbar. 3 Zur Begründung führte das BMI im Wesentlichen an, der Kläger und die beiden weiteren Vereine verfolgten die verfassungswidrigen Bestrebungen des W. e. V., der sich später in ""F. e. V."" umbenannt habe, an dessen Stelle weiter. Der W. e. V. sei mit Verfügung des BMI vom ... verboten und aufgelöst worden, weil dieser Verein sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet habe. Er habe über einen langen Zeitraum und in beträchtlichem Umfang Spendenleistungen an die S.-Stiftung im Libanon erbracht. Diese Stiftung sei Teil des sozialen Netzwerks der Hizb Allah, die ihrerseits als völkerverständigungswidrige Organisation anzusehen sei. Die Hizb Allah negiere das Existenzrecht Israels und rufe zur Beseitigung Israels auch mit bewaffnetem Kampf auf. Ihre Tätigkeit ziele darauf ab, durch das Inaussichtstellen sozialer Absicherung der Hinterbliebenen von sog. Märtyrern, die im Kampf für die Hizb Allah gestorben seien, die Bereitschaft zu militärischem oder terroristischem Kampf zu wecken und zu stärken. Das Bundesverwaltungsgericht habe das Verbot des W. e. V. bestätigt; eine hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde sei erfolglos geblieben. 4 Der Kläger und die beiden anderen Vereine verfolgten funktionell die Unterstützungstätigkeit des W. e. V. für die S.-Stiftung und damit die Hizb Allah an dessen Stelle mit ihren Betätigungen und Zielsetzungen weiter. Hierfür spreche, dass sie in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Verbot des W. e. V. gegründet worden seien. Die Funktionäre des W. e. V. hätten schon vor dessen Verbot angesichts der Überwachung durch die Sicherheitsbehörden überlegt, dessen Tätigkeit auf andere Weise fortzuführen. Der Kläger sei hierfür vor dem Verbot des W. e. V. auf Vorrat gegründet worden und habe nach dem Verbot seine Tätigkeit aufgenommen. Die Satzungen des Klägers und des W. e. V. stimmten im Wesentlichen überein. Ehemalige Funktionäre und Mitglieder des W. e. V. seien im Vorstand des Klägers bzw. maßgebende Akteure im Umfeld der drei Ersatzorganisationen. Beim Kläger wiesen H., Ch., Ha., K. und M. derartige Verbindungen zum W. e. V. auf. H. sei zugleich ein hoher Repräsentant der S.-Stiftung und dort verantwortlich für die Patenschaften. In dieser Funktion habe er in Deutschland Spendensammelvereine gegründet und geleitet. Die ehemaligen Funktionäre des W. e. V. bildeten ein Netzwerk, das auch die heutigen Spendensammelvereine wie den Kläger und die beiden anderen verbotenen Vereine beherrsche. Während H. die Betätigung des Klägers steuere, würden die beiden anderen Vereine von A. gelenkt, der schon für den W. e. V. als Regionalverantwortlicher Nord fungiert habe. Ihre Aktivitäten erstreckten sich auf das Sammeln von Spenden für den Libanon und die Vermittlung von Patenschaften, um Gelder zu generieren. Mit diesen Aktivitäten, die sie unter anderem im Rahmen der Vorführung des Films ""Die Prinzessin von Rom"" durchgeführt hätten, sei die S.-Stiftung und damit die Hizb Allah unterstützt worden. Aufgrund der Erfahrungen mit dem Verbot des W. e. V. seien die handelnden Funktionäre des Klägers und der anderen beiden Vereine darauf bedacht gewesen, Spenden nicht mehr mit Hilfe von Banküberweisungen, sondern mittels Personen und auf anderen Wegen wie dem Hawala-Banking in den Libanon zu transferieren. Die handelnden Akteure und Vereine verstünden sich als Nachfolger des W. e. V. und identifizierten sich ideologisch mit der Hizb Allah. 5 Das Verbot der Ersatzorganisationen erweise sich als verhältnismäßig, selbst wenn der Kläger sich auf Art. 4 Abs. 1 GG berufen könne, weil nur auf diese Weise die Unterstützung der Hizb Allah unterbunden werden könne. Einer vorherigen Anhörung der verbotenen Vereine habe es nicht bedurft, weil ansonsten die Zerschlagung der Vereinsstrukturen und die Sicherstellung des Vermögens angesichts des Transfers von Geldern in den Libanon gefährdet worden wäre. 6 Gegen die am ... zugestellte Verbotsverfügung hat nur der Kläger Klage erhoben. Seinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage lehnte der Senat mit Beschluss vom 9. Juni 2022 (6 VR 2.21 ) ab. 7 Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, das BMI sei für den Erlass der Verbotsverfügung nicht zuständig, da er in einem Umkreis von 30 bis 50 km um seinen Sitz in In. und damit nur innerhalb von Rheinland-Pfalz tätig sei. Die Verfügung sei auch deshalb formell rechtswidrig, weil das BMI ihn vor deren Erlass nicht angehört habe. Die Gefahr des Beiseiteschaffens von Vermögen habe nicht bestanden, weil dieses im Wesentlichen in einem Grundstück bestehe. In materieller Hinsicht bestreitet er, Spenden für die S.-Stiftung gesammelt zu haben. Die zufällig zeitlich mit dem Verbot des W. e. V. zusammenfallende Vereinsgründung sei erfolgt, um einen Rahmen für die Aktivitäten der seit 2010 bestehenden Gemeinde einschließlich des erforderlich gewordenen Baus eines Gemeindezentrums zu schaffen. In dem Bau bestehe seine Haupttätigkeit und ausschließlich hierfür habe er Spenden gesammelt. Insoweit unterscheide sich seine Tätigkeit von derjenigen des W. e. V. und der beiden weiteren verbotenen Vereine, die reine Spendensammelvereine gewesen seien. Sämtliche von ihm vereinnahmten Spenden habe er auf das Vereinskonto eingezahlt und für den Bau verwendet. Dies werde durch die vorgelegten Rechnungen und Kontoauszüge belegt. Eine schwarze Kasse gebe es nicht. Nachdem ein erstes Darlehen von der Bank ausgezahlt worden sei, habe er die Familien seiner Gemeinde aufgefordert, nicht mehr zu spenden, um diese finanziell zu entlasten. Ein weiteres Darlehen habe der Lastenfreistellung eines weiteren Grundstücks gedient, auf dem er Parkplätze für das Gemeindezentrum habe schaffen müssen. Es sei auf Veranlassung des Notars unmittelbar an die entsprechenden Gläubiger ausgezahlt worden. Die von der Beklagten vorgelegten Nachweise seien ungeeignet, die in der Verbotsverfügung aufgestellten Behauptungen nachzuweisen. Aus ihnen ergebe sich insbesondere nicht, wieviel Geld er in den Libanon transferiert haben solle. Die Gespräche mit Personen über die Möglichkeit von Geldtransfers dorthin seien privat veranlasst gewesen. Die Identifizierung des ehemaligen 2. Vorsitzenden mit der Hizb Allah sei ihm weder bekannt gewesen noch zuzurechnen. Die Verfügung sei zudem am Maßstab von Art. 9 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 GG unverhältnismäßig. 8 Der Kläger beantragt, die Verbotsverfügung des Beklagten vom 15. April 2021 in allen Punkten hinsichtlich des Klägers aufzuheben. 9 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 10 Sie verteidigt die Verfügung unter Verweis auf die in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen und im Gerichtsverfahren beigebrachten Unterlagen, insbesondere die bei einem Verantwortlichen des Klägers aufgefundenen Karten und Arbeitspläne. 11 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf die Streitakte, die von dem Kläger und der Beklagten vorgelegten Unterlagen, die Verwaltungsvorgänge und den Inhalt des beigezogenen Verfahrens 6 VR 2.21 Bezug genommen. II 12 Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Verbotsverfügung, soweit sie den Kläger betrifft, ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Feststellung der Ersatzorganisationseigenschaft des Klägers sowie dessen Verbot und Auflösung beruhen auf § 8 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Alt. 2 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz - VereinsG) vom 5. August 1964 (BGBl. I S. 593), das zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung in der Fassung des Art. 5 des Gesetzes vom 30. November 2020 (BGBl. I S. 2600) zur Anwendung kommt (1.). Die Verbotsverfügung erweist sich insoweit als formell (2.) und materiell (3.) rechtmäßig. Die in der Verfügung in Bezug auf den Kläger getroffenen Nebenentscheidungen sind ebenfalls nicht zu beanstanden (4.). 13 1. Die Feststellung in Ziff. 1 der Verbotsverfügung, dass der Kläger eine Ersatzorganisation des verbotenen W. e. V. ist, beruht auf § 8 Abs. 2 Satz 1 VereinsG. Die Beklagte hat sie mit Blick auf den in dieser Vorschrift geregelten Feststellungsvorbehalt treffen müssen, da der Kläger als im Vereinsregister eingetragener Verein die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 VereinsG erfüllt. 14 Das in Ziff. 2 der Verfügung enthaltene Verbot des Klägers und dessen hieran knüpfende Auflösung haben ihre Grundlage in § 8 Abs. 1 Alt. 2 VereinsG. Nach § 8 Abs. 1 VereinsG ist es verboten, Organisationen zu bilden, die verfassungswidrige Bestrebungen (Art. 9 Abs. 2 GG) eines nach § 3 VereinsG verbotenen Vereins an dessen Stelle weiterverfolgen (Ersatzorganisationen) oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen. 15 Dieser Bestimmung liegt ein weiter Organisationsbegriff zugrunde. Dies ergibt sich aus ihrem Wortlaut, der nicht auf § 2 VereinsG verweist, und - unter gesetzessystematischen Gesichtspunkten - aus § 8 Abs. 2 Satz 1 VereinsG, der eine ausdrückliche Feststellung auf Grund einer besonderen Verfügung nur in den Fällen verlangt, in denen die als Ersatzorganisation verbotene Organisation ein Verein im Sinne von § 2 Abs. 1 VereinsG ist. Vor allem aber lässt sich das Erfordernis eines weiten Organisationsbegriffs aus dem Sinn und Zweck der Regelung herleiten. Da es sich bei dem Verbot einer Vereinigung nach § 3 Abs. 1 VereinsG nicht nur um ein formales Verbot handelt, sondern der Vereinigung Aktivitäten und Aktionsmöglichkeiten in der Öffentlichkeit untersagt werden, widerspräche es dem Sinn und Zweck einer effektiven Gefahrenabwehr, wenn von der Erstreckung eines Vereinsverbots auf Ersatzorganisationen die Betätigungen solcher Organisationen nicht erfasst wären, die noch nicht als Verein im Sinne von § 2 VereinsG anzusehen sind und auf diese Weise das Verbot des Vereins unterlaufen könnten (vgl. auch BT-Drs. 4/430 S. 17 f.). Eine Organisation ist daher gegeben, wenn sich innerhalb des Bundesgebiets mehrere Personen zur Verfolgung gemeinsamer verfassungsfeindlicher Ziele im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG auf eine gewisse Dauer zusammengeschlossen haben oder mit ihrem Willen zusammengeschlossen worden sind (vgl. dazu BGH, Urteile vom 9. Oktober 1964 - 3 StR 34/64 - BGHSt 20, 45 <52 f.> und vom 9. Februar 1968 - 3 StR 24/66 - NJW 1968, 1100 <1101>). Sie kann hiernach lockerer gefügt sein als eine Vereinigung oder gar ein Verein (in diesem Sinne ebenso zum Begriff der Ersatzorganisation des § 46 Abs. 3 BVerfGG a. F.: BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1958 - 7 C 3.58 - BVerwGE 6, 333 <335>). 16 Die erste Alternative des § 8 Abs. 1 VereinsG - die Bildung einer Ersatzorganisation - kommt zur Anwendung, wenn eine Organisation nach dem Zeitpunkt der äußeren Wirksamkeit des nach § 3 VereinsG ausgesprochenen Vereinsverbots gegründet wird und sie von ihrem Beginn an die verfassungswidrigen Bestrebungen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der verbotenen Vereinigung weiterverfolgt. Demgegenüber sind die Merkmale der zweiten Alternative erfüllt, wenn eine Organisation nach ihrer Gründung zunächst keine oder anderweitige, aus Sicht des Vereinsgesetzes unerhebliche Aktivitäten entfaltet hat und erst später die verfassungswidrigen Bestrebungen der verbotenen Vereinigung weiterverfolgt. Diese Alternative erfasst vor allem diejenigen Fälle, in denen eine Organisation für den Fall des Verbots einer Vereinigung nach § 3 VereinsG von den Verantwortlichen der verbotenen Vereinigung ""auf Vorrat"" gegründet oder von diesen unterwandert wird (vgl. BT-Drs. 4/430 S. 17 f.). 17 Ausgangspunkt für die Anwendung des § 8 Abs. 1 VereinsG ist vorliegend das mit Verfügung des BMI vom ... erlassene, auf § 3 Abs. 1 VereinsG beruhende Verbot des W. e. V., bei dem es sich um eine gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtete Organisation handelte. Der W. e. V. unterstützte die S.-Stiftung der Hizb Allah über einen langen Zeitraum in beträchtlichem Umfang finanziell. Die Hizb Allah ist als völkerverständigungswidrige Organisation anzusehen, weil sie das Existenzrecht des Staates Israels offen in Frage stellt und zu dessen gewaltsamer Beseitigung aufruft. Ihre Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland hat das BMI mit Verfügung vom 26. März 2020 verboten (vgl. die Bekanntmachung des Verbots im Bundesanzeiger vom 30. April 2020). Die S.-Stiftung ist Teil des sozialen Netzwerks der Hizb Allah und betreut Waisenkinder sowie Hinterbliebene von Kämpfern der Hizb Allah, die unter anderem bei Kampfhandlungen gegen die israelischen Streitkräfte getötet worden sind. Ihre Tätigkeit zielt darauf ab, durch das Inaussichtstellen sozialer Absicherung von Hinterbliebenen der sog. Märtyrer die Bereitschaft zu militärischem oder terroristischem Kampf zu wecken (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 A 4.15 - BVerwGE 153, 211 Rn. 21 ff. und 31 ff.; nachfolgend BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 2019 - 1 BvR 385/16 - NVwZ 2020, 226). Der Kläger hat unzweifelhaft schon vor dem Verbot des W. e. V. vom ... die Voraussetzungen einer Organisation im Sinne von § 8 Abs. 1 VereinsG erfüllt. Denn die Durchführung seiner Gründungsversammlung am ... setzt einen entsprechenden Personenzusammenschluss voraus, der den Organisationsbegriff erfüllt; lediglich die Eintragung im Vereinsregister stand noch aus. Da der Kläger die völkerverständigungswidrigen Bestrebungen des W. e. V. erst nach dessen Verbot aufgenommen hat (s. unter II 3. b)), ist § 8 Abs. 1 Alt. 2 VereinsG einschlägig. 18 2. Die angefochtene Verfügung ist formell rechtmäßig. Bedenken bestehen weder gegen die Zuständigkeit des BMI (a)) noch gegen das Absehen von einer Anhörung des Klägers (b)). 19 a) Die Zuständigkeit des BMI folgt aus § 8 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG. Danach ist das BMI Verbotsbehörde für Ersatzorganisationen, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. Die zweite Alternative ist anzunehmen, wenn die betroffene Organisation über das Gebiet eines Landes hinaus durch nicht ganz unbedeutende Aktivitäten anhaltend in Erscheinung tritt, auch wenn diese für sich genommen nicht den Verbotstatbestand erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2014 - 6 A 3.13 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 17 m. w. N.). Diese zuständigkeitsbegründenden Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat sich ausweislich des von ihm vorgelegten Flyers, mit dem er um Spenden für den Bau seines Gemeindezentrums wirbt, nicht nur im gemeindlichen Umkreis um In., sondern über das Land Rheinland-Pfalz hinaus bis nach Hessen, Baden-Württemberg und Bayern betätigt. Sein Einzugsgebiet erstreckt sich bis in die Städte Gießen, Frankfurt am Main, Mannheim und Aschaffenburg. 20 b) Das BMI hat den Kläger nicht vor Erlass der Verbotsverfügung anhören müssen. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass eine Verbotsbehörde vor Erlass eines Vereinsverbots von einer Anhörung nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG absehen kann, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass sonst aufgrund des mit der Anhörung verbundenen ""Ankündigungseffekts"" Beweismittel und Vermögenswerte beiseitegeschafft und dem behördlichen Zugriff entzogen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 161; BVerwG, Urteile vom 13. Januar 2016 - 1 A 2.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 69 Rn. 34 und vom 26. Januar 2022 - 6 A 7.19 - juris Rn. 36; Beschluss vom 21. September 2020 - 6 VR 1.20 - juris Rn. 11 f.). Diese Grundsätze gelten auch bei dem Verbot einer Ersatzorganisation (vgl. BVerwG, Gerichtsbescheid vom 28. Oktober 1999 - 1 A 4.98 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 31 S. 19; Beschluss vom 9. Juni 2022 - 6 VR 2.21 - juris Rn. 15). Die Entscheidung über den Verzicht auf die Anhörung steht im behördlichen Ermessen, bedarf einer Abwägung aller für und gegen den Verzicht sprechenden Gesichtspunkte sowie einer Begründung, die erkennen lässt, auf welchen Erwägungen das Absehen von der Anhörung beruht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2022 - 6 A 7.19 - juris Rn. 36; Beschluss vom 9. Juni 2022 - 6 VR 2.21 - juris Rn. 15). 21 Danach hat das BMI mit der in der Verbotsverfügung angeführten Begründung von der Anhörung des Klägers absehen können. Es hat sich darauf gestützt, dass andernfalls der Erfolg einer Zerschlagung der Vereinsstrukturen gefährdet worden wäre und angesichts des von den verbotenen Vereinen getätigten Geldtransfers in den Libanon die Gefahr des Schutzes der Infrastruktur und des Vermögens vor dem staatlichen Zugriff bestanden habe. Diese Begründung genügt den rechtlichen Anforderungen. Die Beklagte hat davon ausgehen dürfen, dass der Kläger - wie noch näher darzulegen sein wird - auch über Barmittel und weitere Beweismittel wie die bei ihm im Rahmen der Durchsuchung aufgefundenen Unterlagen verfügt hat, die er im Falle der Anhörung wegen seiner Verbindungen in den Libanon hätte beiseiteschaffen können. Dass der Kläger daneben auch ein Grundstück besitzt, welches er nicht ohne Weiteres dem staatlichen Zugriff hätte entziehen können, widerspricht aus diesem Grunde nicht der Annahme eines Ankündigungseffekts der vorherigen Anhörung. 22 3. Die materiellen Voraussetzungen eines Verbots des Klägers als Ersatzorganisation nach § 8 Abs. 1 Alt. 2 VereinsG sind erfüllt. Für dessen Einordnung als Ersatzorganisation (a)) sprechen die Umstände seiner Gründung (b)), die in seiner Organisation maßgeblich verantwortlichen Personen (c)) und seine Einbindung in die Spendensammelaktivitäten der ehemaligen Verantwortlichen des W. e. V. für die S.-Stiftung (d)). Eine Gesamtbeurteilung dieser Indizien rechtfertigt den Schluss, dass der Kläger eine Ersatzorganisation des verbotenen W. e. V. ist (e)). 23 a) Gemäß § 8 Abs. 1 VereinsG ist eine Ersatzorganisation eine Organisation, die die verfassungswidrigen Bestrebungen (Art. 9 Abs. 2 GG) eines nach § 3 VereinsG verbotenen Vereins an dessen Stelle weiterverfolgt. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie ""funktionell"" dasselbe will wie die zuvor verbotene Vereinigung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 1957 - 1 BvB 2/51 - BVerfGE 6, 300 <307>; BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1958 - 7 C 3.58 - BVerwGE 6, 333 <335>; Gerichtsbescheid vom 28. Oktober 1999 - 1 A 4.98 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 31 S. 19; Beschluss vom 6. September 1995 - 1 VR 2.95 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 23 S. 67; BGH, Urteil vom 18. September 1961 - 3 StR 25/61 - BGHSt 16, 264 <266>). Auf die Form und die räumliche Ausdehnung der neuen Organisation kommt es dabei nicht entscheidend an (BVerfG, Beschluss vom 21. März 1957 - 1 BvB 2/51 - BVerfGE 6, 300 <307>). Ebenso wenig steht der Annahme einer Ersatzorganisation entgegen, dass die bisherigen Nah-, Teil- und Endziele der verbotenen Vereinigung durch Vorhaben vordergründiger Art verschleiert oder die Ziele auf mehrere Organisationen verteilt werden, um ihr so neue, als legal erscheinende Plattformen zu verschaffen. Die Ersatzorganisation ist mithin ein Personenzusammenschluss, der an Stelle der verbotenen Vereinigung deren verfassungswidrige Nah-, Teil- oder Endziele ganz oder teilweise, kürzere oder längere Zeit, örtlich oder überörtlich, offen oder verhüllt weiterverfolgt oder weiterverfolgen will (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1961 - 3 StR 25/61 - BGHSt 16, 264 <266 f.>). Da es sich bei dem Verbot als Ersatzorganisation um einen schwerwiegenden Eingriff in Art. 9 Abs. 1 GG handelt, muss die Organisation davon geprägt sein, die Ziele der verbotenen Vereinigung weiterzuverfolgen. 24 Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist unter anderem anhand der in der Organisation wirkenden Kräfte, ihrer Betätigung, ihrer Ziele, den von ihr Angesprochenen und der Geschehensabläufe zwischen dem Verbot der Vereinigung und der Bildung der neuen Organisation zu beurteilen. Es sind die Umstände zu prüfen, die zur Gründung der neuen Organisation geführt haben, wobei ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Auflösung der verbotenen Vereinigung regelmäßig bedeutsam ist. Ebenso kommt es darauf an, ob frühere, etwa gar besonders hervorgetretene Mitglieder oder Funktionäre der verbotenen Vereinigung bei der Gründung mitgewirkt oder maßgeblichen Einfluss ausgeübt haben. Für eine Ersatzorganisation kann auch sprechen, wenn Umstände wie ein überörtlicher Zusammenhang mit der Gründung ähnlicher Organisationen oder eine Zusammenarbeit mit solchen auf eine einheitliche, planmäßige Steuerung durch Kräfte der aufgelösten verbotenen Vereinigung hindeuten. Letztlich entscheidend kommt es aber nicht auf einzelne Kriterien an, vielmehr sind die Umstände in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Gerichtsbescheid vom 28. Oktober 1999 - 1 A 4.98 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 31 S. 19; Beschluss vom 6. September 1995 - 1 VR 2.95 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 23 S. 67; BVerfG, Beschluss vom 21. März 1957 - 1 BvB 2/51 - BVerfGE 6, 300 <307>; BGH, Urteil vom 18. September 1961 - 3 StR 25/61 - BGHSt 16, 264 <267 f.>). 25 b) Aus den Umständen seiner Gründung ergibt sich, dass der Kläger auf die Initiative und unter maßgeblicher Beteiligung von ehemaligen Funktionären des W. e. V. ""auf Vorrat"" gegründet worden ist, um für den Fall des Verbots dieser Vereinigung deren Aktivitäten mittels der Strukturen des Klägers fortsetzen zu können. 26 aa) Der Vorstand des W. e. V. bestand zuletzt ausweislich des Versammlungsprotokolls vom 26. Januar 2013 aus Ka. (1. Vorsitzender), Gh. (2. Vorsitzender) und den weiteren Mitgliedern H., Ch. und Mo. Ihm war bereits Mitte 2013 bewusst, dass der W. e. V. wegen Banküberweisungen von erheblichen Geldsummen an die S.-Stiftung durch den Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen beobachtet und das Vereinskonto zum 30. September 2013 gekündigt worden war. Aus diesem Grunde hatten Ka. und Gh. laut dem vorliegenden Telefonprotokoll am 18. Juli 2013 einen Umzug des Vereins nach Essen sowie die Einrichtung eines neuen Kontos bzw. – von den Gesprächspartnern favorisiert - die Gründung von fünf neuen Vereinen mit jeweils eigenen Konten in den jeweiligen Regionen des W. e. V. an unterschiedlichen Standorten in Erwägung gezogen. H. sollte dazu bewegt werden, für die letztgenannte Planung seine Zustimmung zu geben. Auf diese Weise sollte eine zukünftige Überwachung durch die Sicherheitsbehörden erschwert werden, zumal die Verantwortlichen davon ausgegangen waren, dass der W. e. V. in Niedersachsen noch nicht überwacht worden sei. Aus dem Gespräch und den weiteren Unterlagen ergibt sich, dass von der Umstrukturierung Bareinzahlungen von rund 8 000 € pro Woche, und - im Jahr 2013 - ca. 800 Patenschaften und damit 800 Überweisungen betroffen waren, die monatlich auf das Konto des W. e. V. eingingen. Letztlich entschied sich der Vorstand für die Gründung von mindestens vier Vereinen, die die Aktivitäten des W. e. V. in dessen Regionen im Falle seines Verbots fortsetzen sollten. Dies folgt aus der nach dem Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) vom 29. April 2021 im März 2017 getätigten Aussage von Ka. auf einem Vorbereitungstreffen mehrerer libanesischer Vereine zur Vorstandssitzung des Vereins I. G. e. V., dass es mittlerweile vier Vereinsvertretungen des W. e. V. in Deutschland gebe und er für alle sprechen könne. Für die inhaltliche Richtigkeit und damit für die Beweiskraft des Behördenzeugnisses (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2022 - 6 A 7.19 - juris Rn. 55) spricht, dass neben den drei von der streitgegenständlichen Verfügung erfassten Vereinen in den bei einem Verantwortlichen des Klägers aufgefundenen Landkarten (s. dazu unter II 3. c) cc)) der im Jahr 2015 gegründete Verein ""H. e. V."" als im Gebiet des W. e. V. tätiger Verein aufgeführt ist. Die Aussagekraft der Ausführungen von Ka. wird entgegen der Auffassung des Klägers nicht dadurch erschüttert, dass auf dem genannten Treffen auch sein damaliger 2. Vorsitzender anwesend gewesen sein soll und Ka. nicht zu seinen Mitgliedern zählt. Denn aus Sicht der Verantwortlichen des W. e. V. haben vier Vereine dessen Tätigkeit fortgeführt. 27 bb) Auf die Gründung des Klägers haben eine beachtliche Zahl von Funktionären bzw. Mitgliedern des W. e. V. maßgeblich Einfluss genommen. So hat an der Gründungsversammlung des Klägers H. teilgenommen. Dieser war Gründungsmitglied des W. e. V., von 1997 bis 2006 dessen 1. Vorsitzender und anschließend bis zum 26. Januar 2013 2. Vorsitzender. Auch danach ist er als Mitglied im W. e. V. einflussreich tätig gewesen, wie seine dargelegte Einbindung in die Entscheidungen des Vorstands über die Zukunft des W. e. V. zeigt. Den Kläger mitgegründet hat auch das Vorstandsmitglied des W. e. V. Ch. Weiterhin sind Ha. und C. Teilnehmer an der Gründungsversammlung des Klägers gewesen, beide waren zum damaligen Zeitpunkt Mitglieder des W. e. V. Soweit der Kläger zutreffend darauf hinweist, dass zu den weiteren Gründungsmitgliedern keine Erkenntnisse über eine vermeintliche Mitgliedschaft zum W. e. V. vorlägen, stellt dies den maßgeblichen Einfluss des W. e. V. auf seine Gründung nicht in Frage. Denn in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass Gh. und Ch. als damalige Vorstandsmitglieder des W. e. V. ausweislich eines Telefonprotokolls die Gründungsmitglieder, die Besetzung der Vorstandspositionen und den Inhalt der Satzung des Klägers im Detail abgestimmt und die Anmeldung des Klägers im Vereinsregister vorbereitet haben. Dieses Telefonat ging seinem Inhalt nach über eine allgemeine Beratung zu einer Vereinsgründung - wie es der Kläger darzustellen versucht - deutlich hinaus. Das wird auch daran ersichtlich, dass die Satzungen des Klägers und des W. e. V. nahezu identisch sind. Zu nennen sind vor allem die jeweiligen satzungsmäßigen Zwecke beider Vereine und die Auflösungsregelung, die jeweils den I. e. V. als Begünstigten des Vereinsvermögens vorsieht. Der I. e. V. ist laut dem Verfassungsschutzbericht 2021 des BMI (S. 197) ein bedeutendes Propagandazentrum des Iran in Europa, mit dessen Hilfe der Iran versucht, Schiiten verschiedener Nationalitäten an sich zu binden und die gesellschaftlichen, politischen und religiösen Vorstellungen des iranischen Regimes in Europa zu verbreiten. Als wichtiges Element für die Steuerung der Interessen des I. e. V. dient der I. G. e. V., bei dem der Kläger Mitglied ist. 28 Besondere Bedeutung kommt schließlich dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Gründung des Klägers Anfang ... und dem Verbot des W. e. V. im April ... zu. Der klägerischen Einschätzung, die zeitliche Nähe sei Zufall, kann der Senat angesichts der vorstehenden Umstände nicht folgen. Ein solcher Zusammenhang lässt sich auch bei den anderen beiden als Ersatzorganisationen verbotenen Vereinen erkennen. Sie sind im Nachgang zu dem das Verbot des W. e. V. bestätigenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 2015 Anfang bzw. Mitte 2016 gegründet worden. 29 c) In die Gesamtbeurteilung ist einzubeziehen, dass die Verantwortlichen des W. e. V. sowohl bei dem Kläger (aa)) als auch bei den anderen mit der Verfügung verbotenen Vereinen (bb)) maßgeblichen Einfluss auf die Aktivitäten und deren Zielrichtung ausgeübt haben. Diese Einflussnahme hat einem grundlegenden Konzept entsprochen, welches die handelnden Personen vom W. e. V. übernommen und bei den drei nunmehr verbotenen Vereinen fortgeführt haben (cc)). 30 aa) Die Aktivitäten und die Ausrichtung des Klägers haben im Wesentlichen die ehemaligen Funktionäre und Mitglieder des W. e. V. bestimmt. Im Vordergrund steht H. Das ehemalige Vorstandsmitglied des W. e. V. ist nicht nur Gründungsmitglied des Klägers, sondern auch von der Gründung bis April 2019 dessen 1. Vorsitzender gewesen. Währenddessen und danach hat ihn der Kläger - wie schon zuvor der W. e. V. – angestellt und krankenversichert. Das Amt des 2. Vorsitzenden hat von der Gründung bis März 2018 C. bekleidet, ebenfalls ein Mitglied des W. e. V. und Sohn des im Vorstand des W. e. V. zuletzt tätigen Ch. Letzterer hat beim Kläger zwar kein Amt übernommen, ist aber von ihm beauftragt worden, Aufgaben im Bereich der Finanzen und der Außenvertretung wahrzunehmen. So hat Ch. ausweislich der Telefonprotokolle aus dem Jahre 2020 gegenüber der Bank und dem Steuerbüro des Klägers als Ansprechpartner fungiert. Rechnungen von Firmen im Zusammenhang mit dem Bau des Gemeindezentrums, die von dem Verein zu begleichen waren, sind zum Teil direkt an ihn adressiert worden. Zugleich ist er in die Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen des Klägers eingebunden gewesen. Ebenso ist Ha., Teilnehmerin an der Gründungsversammlung des Klägers und Mitglied des W. e. V., in dessen Aktivitäten involviert gewesen (s. dazu unter II 3. d)). 31 Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass der maßgebliche Einfluss dieser Personen auf den Kläger nicht mit der Übernahme des Vorsitzes im Vorstand durch M. und K. geendet hat. Denn insbesondere H. und Ch. haben ihre Tätigkeiten für den Kläger nicht mit diesem Wechsel im Vorstand beendet. Zudem liegen Anhaltspunkte vor, dass M. bereits vor der Übernahme des 2. Vorsitzes in die Planungen der Verantwortlichen des W. e. V. eingebunden gewesen ist (s. dazu unter cc)). 32 bb) Ein entsprechendes Bild ergibt sich bei den anderen beiden mit der Verfügung verbotenen Vereinen, die bis zum Verbot im Norden Deutschlands aktiv gewesen sind. Auf deren Tätigkeiten haben der damalige 1. Vorsitzende des W. e. V. Ka. und das weitere Vorstandsmitglied A. maßgeblichen Einfluss gehabt, die beide in enger Verbindung stehen. A. war im W. e. V. als ""Chefeinsammler"" der Spenden tätig und für die Region Nord zuständig. Diese Funktion hat er nach den vorliegenden Behördenzeugnissen des BfV, des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen und des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport sodann bei dem Verein ""M. e. V."" ausgeübt. A. ist nach den Feststellungen in der streitgegenständlichen Verfügung, auf die ergänzend nach § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen wird, intensiv in die Vereinsaktivitäten der anderen verbotenen Vereine eingebunden gewesen, – wie schon bei dem W. e. V. – als deren Verantwortlicher aufgetreten und hat auf Veranstaltungen für Spenden und Patenschaften zu Gunsten von Waisenkindern geworben. So hat er im Jahr 2016 auch bei der Organisation der bundesweiten Filmvorführungen ""Die Prinzessin von Rom"" mitgewirkt, auf denen Spenden gesammelt worden sind (s. dazu unter II 3. d)). Er hat mit S. zusammengearbeitet, die nach den Unterlagen im Verwaltungsvorgang ebenfalls Mitglied des W. e. V. und dessen Regionalvertreterin für die Region Hannover war. Ka. ist dem BfV ausweislich des Behördenzeugnisses vom 29. April 2021 als Ansprechpartner für Veranstaltungen und Spendenaktionen in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2017 bekannt. Er ist - wie bereits dargelegt - 2017 auf einer Veranstaltung als Verantwortlicher des W. e. V. aufgetreten mit dem Hinweis, dass die Tätigkeit dieser Vereinigung nunmehr von vier Vereinen weiterverfolgt werde. 33 cc) Die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen rechtfertigen die Annahme der Beklagten in der Verbotsverfügung, dass die ehemaligen Verantwortlichen des W. e. V. den Kläger und die beiden anderen Vereine gezielt gesteuert haben, um die Aktivitäten des W. e. V. weiterzuverfolgen. Dies folgt insbesondere aus den Landkarten ""Mitte"", dem ""Arbeitsplan für die Region Mitte 2018"" und dem ""Arbeitsplan für die Teilregion 2018 - M1"" (Anlagen B4 und B10 zur Klageerwiderung), die bei Ch. aufgefunden worden sind. Der Senat geht entgegen dem klägerischen Vorbringen davon aus, dass diese Unterlagen Ch. und damit dem Kläger zuzurechnen sind; insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss des Senats vom 9. Juni 2022 - 6 VR 2.21 - (Rn. 31) verwiesen. 34 Die aufgefundenen drei Versionen einer Landkarte zum Gebiet ""Mitte"" erstrecken sich auf die Region von Kassel bis Karlsruhe und von Bitburg bis Aschaffenburg. Das in der Karte bezeichnete Gebiet ""Mitte"" wurde vom Kläger bereits auf seiner Facebook-Seite am 7. Februar 2015 als Einzugsbereich für ein Taklif-Fest unter dem Logo ""F. e. V."" skizziert. Die Bezeichnung ""Mitte"" lässt den Schluss zu, dass es wie beim W. e. V. noch andere Regionen gibt, die von weiteren Vereinen und ehemaligen Verantwortlichen des W. e. V. abgedeckt werden. Wie bereits dargelegt, war auch der Einzugsbereich des W. e. V. in Regionen eingeteilt, deren Kontrolle nach dessen Verbot von mehreren Vereinen übernommen werden sollte. Nach der Landkarte ist das Gebiet ""Mitte"" in drei Teilgebiete M1 bis M3 aufgeteilt. Das Teilgebiet M2 ist M. bzw. dem Kläger, das Teilgebiet M1 ist Gh. und Ch., das Teilgebiet M3 dem Verein ""H. e. V."" zugeordnet. Die Landkarten stammen nicht - wie der Kläger meint - noch aus der Zeit des W. e. V., um dessen Planungen es sich angeblich handeln soll. Dieser Annahme steht entgegen, dass das Verbot des W. e. V. bereits ... erfolgt ist, sich die handschriftlichen Angaben auf den Karten aber auf das Jahr 2017 beziehen und auf ihnen das Logo des erst Ende 2015 gegründeten Vereins ""H. e. V."" abgedruckt ist. 35 In Übereinstimmung mit den Landkarten lässt sich auch den genannten Arbeitsplänen für das Jahr 2018 entnehmen, dass die Tätigkeiten des W. e. V. in dessen Regionen auch weiterhin durch Verantwortliche, Vertreter und Vereine weiterverfolgt worden sind. Im ""Arbeitsplan für die Region Mitte 2018"" ist eine Spalte ""Maßnahmen"" enthalten, aus der sich für das Gebiet ""Mitte"" und dessen Teilregionen ergibt, dass diese von Verantwortlichen bzw. Vertretern geführt und von Vereinen betreut werden bzw. werden sollen. So sollen Teilgebietsverantwortliche in M1 und M2 sowie Vertreter in den unbesetzten Teilgebieten und Städten ernannt werden. Für 2018 sieht der Plan des Weiteren vor, dass in M1 ein Verein gegründet und in M3 die Gesellschaft des Vereins reorganisiert werden soll. Die Verantwortlichen der Teilregionen sollen sich regelmäßig treffen und die Namen der Vertreter an die Führung weitergeben; die Vertreter der Regionen haben regelmäßig die Teilregionen und Städte zu besuchen. In jeder Region hat es ein jährliches Arbeitstreffen zum Aufstellen der Pläne für das neue Jahr zu geben. Diese Maßnahmen entsprechen vor allem in Bezug auf die Benennung von Regionsverantwortlichen und Vertretern in den Teilregionen und Städten derjenigen Vorgehensweise, wie sie auch der W. e. V. ausweislich der 15. Konferenz der Vertreter und der 5. Konferenz der Vertreterinnen in der Region Nord 2014 (vgl. den Vermerk des BfV vom 25. August 2014 - VV Bl. 1245 ff.) praktiziert hatte. Zugleich werden Maßnahmen zur Verbesserung des Führungssystems im Zusammenhang mit den Vereinsaktivitäten (s. dazu unter d)) vorgeschlagen. 36 Die sich aus den Landkarten und den Arbeitsplänen ergebende Einschätzung der Art und Weise, wie die ehemaligen Verantwortlichen des W. e. V. dessen Tätigkeit durch die jeweiligen Vereine fortgeführt haben, wird dadurch bestätigt, dass Ka. und A. auch nach dem Verbot des W. e. V. laut den vorliegenden Unterlagen enge Beziehungen zu H. und Ch. gepflegt haben. Dies lässt sich zwar nicht dem von der Beklagten angeführten Umstand entnehmen, dass H., M. und Ch. im Dezember 2017 von Gh. und einer weiteren Person vom Frankfurter Flughafen abgeholt worden sind. Jedoch liegen Erkenntnisse vor, dass Ka. mit H. im Jahre 2019 in den Iran gereist und über einige Konten von H. verfügungsberechtigt gewesen ist. Zudem hat Ch. mit A. ausweislich eines Telefonprotokolls über dessen Reise in den Libanon gesprochen, auf der dieser zwei ""Sachen"" für H. mitnehmen sollte. 37 d) Die Behauptungen des Klägers, er habe ausschließlich für den Bau seines Gemeindezentrums Spenden gesammelt und sein Vereinskonto bilde seine sämtlichen Finanzströme ab, weshalb es auch keine Bargeldkasse gegeben habe, werden nicht durch die von ihm vorgelegten Unterlagen belegt (aa)). Stattdessen ist davon auszugehen, dass auch der Kläger wie die beiden anderen verbotenen Vereine systematisch Spenden für den Libanon zugunsten der S.-Stiftung und damit für die Hizb Allah gesammelt hat (bb)). 38 aa) Dem Flyer des Klägers kann zwar entnommen werden, dass er um Spenden für den Bau seines Gemeindezentrums geworben hat. Auch lassen sich seiner Einnahmen- und Ausgaben-Übersicht von Juni 2015 bis Dezember 2017, seinen Kontoauszügen vom 1. März 2018 bis zum 21. Mai 2021 und den vorgelegten Rechnungen entnehmen, dass er Zahlungen für den Bau des Gemeindezentrums über sein Vereinskonto abgewickelt hat. Ebenso erachtet der Senat die Ausführungen des Klägers für nachvollziehbar, dass der wesentliche Teil eines weiteren Darlehens bis auf 5 000 €, die dem Vereinskonto gutgeschrieben worden sind, unmittelbar auf Veranlassung des Notars an Gläubiger ausbezahlt worden ist. 39 Jedoch zeigt eine Auswertung der von ihm vorgelegten Unterlagen, dass dem Kläger über seine Verantwortlichen auch Bargeld in erheblichem Umfang zur Verfügung gestanden haben muss. So finden sich nicht für alle vorgelegten Rechnungen über den Bau des Gemeindezentrums, die nach Angaben des Klägers über das Konto bezahlt worden sein sollen, entsprechende Abbuchungen auf dem Vereinskonto. Dies gilt für einen Teil der Rechnungen von einer Gerüstbaufirma sowie von einer Firma für Sanitärsysteme. Zudem hat der Kläger nach den Lohnabrechnungen des Jahres 2019 die Gehälter von H. und einer weiteren Person, die bei ihm angestellt gewesen ist, in bar entrichtet. Auch dem Steuerbüro des Klägers ist aufgefallen, dass diese Gehälter nicht unbar vom Vereinskonto gezahlt worden sind und eine Bargeldkasse vorhanden gewesen sein muss. Auf Nachfrage einer Mitarbeiterin des Büros, wie der Kläger das Gehalt von H. bezahlt habe, da in den Unterlagen keine Nachweise vorhanden seien, hat C. geantwortet, dass dieser nie etwas überwiesen bekommen habe. Auf die weitere Nachfrage, ob eine Kasse existiere oder nicht existiere, kam dessen ausweichende Antwort: ""Das macht ..."". Auf den weiteren Vorhalt des Steuerbüros, dass es nach den Aussagen des für Finanzangelegenheiten des Klägers zuständigen Ch. keine Kasse geben solle und daher unklar sei, wie die Bezahlung von H. durchgeführt worden sei, entgegnete C. schließlich: ""mit Dienstleistungen vielleicht"". Fest steht außerdem, dass die Anmietung eines Saals im Kino in In. durch den Kläger für die Vorführung des Films ""Die Prinzessin von Rom"" im Februar 2016 von M. bar bezahlt worden ist. Hinzu kommt, dass die Verantwortlichen des Klägers wie etwa C. Barspenden entgegengenommen und diese auf das Konto eingezahlt haben. Diese Indizien weisen darauf hin, dass der Kläger bzw. seine für ihn handelnden Personen nicht sämtliche Finanzströme über das Vereinskonto abgewickelt, sondern auch über Bargeld verfügt haben. 40 bb) Die Einbindung des Klägers in die systematische Beschaffung von Geldern für die S.-Stiftung ergibt sich vor allem aus den Landkarten, nach denen das Teilgebiet M2 M. bzw. dem Kläger zugeordnet war, und dem ""Arbeitsplan für die Region Mitte 2018"". Darin ist für das Gebiet M2 vorgesehen, dass 60 000 USD durch Spenden und Jahrespatenschaften erwirtschaftet werden sollen. Insgesamt soll die Region Mitte 160 000 USD im Jahr 2018 gegenüber 129 000 USD im Vorjahr an Geldern vereinnahmen. Damit liegt die Erwartung an das vom Kläger betreute Gebiet höher als an die Gebiete M1 und M3 mit jeweils 50 000 USD für 2018, obwohl der Kläger zugleich den Bau des Gemeindezentrums begonnen hat. Insgesamt soll nach dem Arbeitsplan die Zahl der aktuell bestehenden Patenschaften und damit der Ertrag aus diesen erhöht werden. Der Betrag für die Jahrespatenschaften etwa ist nach dem ""Arbeitsplan für die Teilregion 2018 - M1"" in dem dortigen Bereich von 450 auf 600 € zu erhöhen, um 26 000 USD zu erzielen. Für das gesamte Gebiet Mitte werden hierdurch weitere reguläre Einnahmen von 73 000 USD angestrebt. Freiwillige Spenden sollen ganzjährig entgegengenommen werden; insoweit haben die Verantwortlichen 500 USD in M1 und insgesamt im Gebiet Mitte 5 000 USD an Einnahmen erwartet. Darüber hinaus sollen Gelder mittels Spendendosen im Gebiet M1 in Höhe von 20 000 USD und in der gesamten Region Mitte von 65 000 USD vereinnahmt werden, wobei bestehende Spendendosen fortgeführt und neue Spendendosen verteilt werden sollen. Der Arbeitsplan sieht des Weiteren vor, dass Rückstände von den Vertretern in den Teilregionen aufgelistet und eingesammelt werden (insgesamt in der Region Mitte 5 000 USD, davon 1 600 USD in M1). Die Teilregionen haben Jahrespläne aufzustellen, die der Kontrolle einer höheren Ebene unterliegen. 41 In Erfüllung dieser Planungen haben die Verantwortlichen des Klägers nach Wegen und Personen gesucht, um die vereinnahmten Spendengelder in den Libanon zu transferieren. Dass es sich hierbei immer um private Transaktionen gehandelt haben soll, ist den in den Unterlagen enthaltenen Gesprächsaufzeichnungen nicht zu entnehmen. Bei einigen Gesprächen der Verantwortlichen des Klägers ist im Gegenteil unzweifelhaft, dass Gelder auf heimlichen Wegen in den Libanon transferiert werden sollen, was nicht erforderlich wäre, wenn es sich um private Transaktionen handeln würde. So haben Ch. und Ha. am 6. Juli 2020 telefoniert, um zu klären, ob die Mutter von Ha. in den Libanon Bargeld mitnehmen könne. Aus dem Gespräch ergibt sich entgegen den Einlassungen des Klägers, dass es sich um Gelder für Kinder bzw. ""für eine wichtige Sache"" handele, die Mutter bereits Bargeld mitnehme und daher Ch. vorschlägt, das Geld auf mehrere Personen aufzuteilen, zumal Bargeldmengen bis zu einer Höhe von 10 000 € nicht beim Zoll angemeldet werden müssten (vgl. zur Anmeldepflicht für begleitete Barmittel ab 10 000 €: Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2018/1672 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 über die Überwachung von Barmitteln, die in die Union oder aus der Union verbracht werden, und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1889/2005 - ABl. L 284 S. 6). Ebenso ging es in einem Gespräch von M. mit einer unbekannten Person am 13. August 2020 um den Geldtransfer in den Libanon. Der Gesprächspartner hat M. gefragt, ob er jemanden kenne, der Geld in den Libanon mitnehmen könne, was dieser bejaht hat mit dem Hinweis, man könne dieser Person Geld in Euro geben und erhalte im Libanon das Geld unter Abzug eines gewissen Geldbetrages in Dollar zurück. Hiernach ist den Verantwortlichen das System des Hawala-Bankings bekannt und es ist davon auszugehen, dass es auch für den Geldtransfer in den Libanon benutzt worden ist. Auch K. hat in einem Telefonat mit einer unbekannten Person am 2. April 2020 nach einer Person gesucht, die ca. 400 bis 500 € in den Libanon mitnimmt. Kennzeichnend ist des Weiteren ein Gespräch von Ch. und einer weiteren Person vom 23. März 2020, in welchem ihm mitgeteilt wird, dass viele Leute ""für die libanesische Sache"" spenden wollen und nach Wegen gesucht werde, um Geld anders als über die Bank in den Libanon zu transferieren. Die in dem Gespräch enthaltenen Verweise auf Menschen, die ""Gutes tun wollten"" und ""die libanesische Sache"" machen deutlich, dass es nicht um private Transfers geht. Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe ihm keine konkrete Zahlung an die S.-Stiftung nachweisen können, vermag die Indizwirkung dieser Gespräche nicht zu entkräften. Denn ihr Inhalt ist vor dem Hintergrund zu würdigen, dass die ehemaligen Funktionäre des W. e. V. nachvollziehbare Kontobewegungen in den Libanon an die S.-Stiftung vermeiden wollten und daher die Verantwortlichen des Klägers nach anderen Wegen des Geldtransfers mittels reisender Einzelpersonen oder des Hawala-Bankings suchten, um nicht erneut in das Visier der Verfassungsschutzbehörden zu geraten. Gleichsam spiegelbildlich haben auch die ehemaligen Funktionäre des W. e. V. Ka. und A. sowie zwei weitere Akteure der als Ersatzorganisationen verbotenen beiden anderen Vereine nach Wegen und Personen gesucht, um abseits von Banküberweisungen von den Vereinskonten Gelder über Privatpersonen, Paypal oder im Zuge des Hawala-Bankings in den Libanon zu transferieren. Dies ergibt sich aus den zahlreichen Gesprächsprotokollen sowie den Behördenzeugnissen des BfV vom 28. April 2020 sowie 28. und 29. April 2021. Insoweit wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die Ausführungen in der angefochtenen Verfügung (S. 22 ff.) Bezug genommen. 42 Die Annahme, dass die von dem Kläger vereinnahmten Gelder für die S.-Stiftung bestimmt gewesen sind, beruht auf dem dargestellten maßgeblichen Einfluss von H. auf die Aktivitäten des Klägers. Denn H. ist nicht nur beim Kläger tätig gewesen. Er ist zugleich aktueller Führungsfunktionär der S.-Stiftung. Als solcher genießt er hohes Ansehen innerhalb der Hizb Allah. In der Stiftung ist er nach den Erkenntnissen des BfV für Patenschaftsprojekte, die Akquise von Patenschaften und das Sammeln von Spenden im Ausland einschließlich Deutschland zuständig. Ausweislich der vorliegenden Meldungen der Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt am Main ist er mehrmals seit 2015 in den Libanon geflogen bzw. von dort wieder eingereist. Er ist das Bindeglied zwischen den hier tätigen Spendensammelvereinen und der S.-Stiftung. Indiz hierfür ist, dass er von A. im März 2018 11 500 €, im April 2018 5 000 € und im Mai 2018 19 000 € überwiesen erhalten hat. 43 Abgerundet werden die aufgeführten Indizien dadurch, dass die Unterstützung von Hilfsprojekten im Libanon nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Buchst. f der Satzung dem Zweck des Klägers entspricht. Zudem hat der Kläger 2015 und 2016 an Filmvorführungen des Films ""Die Prinzessin von Rom"" mitgewirkt, während derer er Spenden gesammelt hat. Gleiches gilt für die beiden anderen verbotenen Vereine, die nach den vorliegenden Unterlagen zudem in den Jahren 2018 und 2019 auf mehreren Veranstaltungen Filme mit einem Bezug zur Hizb Allah gezeigt und Spenden gesammelt haben. Die Beklagte hat darüber hinaus beim Kläger eine Kinder-Spardose mit der Aufschrift ""Ich und der Pate eines Waisenkindes sind zusammen im Paradies"" aufgefunden. 44 Schließlich ist festzustellen, dass sich der Kläger mit dem W. e. V. identifiziert hat. Auf seiner Facebook-Seite hat er am 7. Februar 2015 einen Aufruf für die Teilnahme an einem Taklif-Fest veröffentlicht, hierbei das Logo des W. e. V. gezeigt und auf diesen für weitere Informationen verwiesen, wobei er im eingestellten Text stets von ""wir"" und ""unserer Veranstaltung"" sprach. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass sich der Kläger auch mit der Hizb Allah identifiziert hat. Dies folgt zum einen aus dem Umstand, dass - wie dargelegt - ehemalige Funktionäre und Mitglieder des W. e. V. maßgeblichen Einfluss auf den Kläger gehabt haben. Zum anderen hat C. auf seiner Facebook-Seite mehrere Beiträge des Generalsekretärs der Hizb Allah veröffentlicht, sie empfohlen und die Hizb Allah unterstützende Kommentare verbreitet. Dass dessen Einstellung dem Kläger verborgen geblieben und daher nicht zuzurechnen sein soll, erweist sich angesichts der langjährigen Tätigkeit von C. in seinem Vorstand sowie des maßgeblichen Einflusses der ehemaligen Verantwortlichen des W. e. V. auf den Kläger als Schutzbehauptung. 45 Aufgrund der angeführten Indizien geht der Senat davon aus, dass der Kläger als Verein Teil der systematischen Spendensammelaktivitäten zu Gunsten der S.-Stiftung bzw. der Hizb Allah gewesen ist. Der Umstand, dass der Kläger mit einem Teil seiner Spenden den Bau des Gemeindezentrums finanziert hat, steht der Annahme seiner Einbindung in dieses System nicht entgegen. Auf dem Vereinskonto des Klägers sind für den Bau seines Gemeindezentrums Spenden in vierstelliger Höhe im Zeitraum von März bis Juli 2018, im September 2019 und Anfang 2020 eingegangen, während in der übrigen Zeit nach Auszahlung der Darlehensteilbeträge von 300 000 € im August 2018 sowie 100 000 € Mitte März 2020 keine derartig hohen Spenden mehr zu verzeichnen waren. Die hierfür abgegebene Erklärung des Klägers, er habe die Familien zu deren finanzieller Entlastung gebeten, nach Auszahlung der Darlehensbeträge nicht mehr zu spenden, steht der Annahme nicht entgegen, dass er die von ihm gesammelten Spendengelder nach Auszahlung der Darlehensteilbeträge an die S.-Stiftung weitergeleitet hat, um die Vorgaben aus dem Arbeitsplan zu erfüllen. 46 e) Die Betrachtung sämtlicher Indizien ergibt, dass der Kläger und die anderen beiden verbotenen Vereine als Ersatzorganisationen in den jeweiligen Regionen des W. e. V. dessen Tätigkeit des Spendensammelns und der Vermittlung von Patenschaften für die S.-Stiftung der Hizb Allah bis zum Erlass der streitgegenständlichen Verbotsverfügung fortgeführt haben. Alle Vereine sind in engem zeitlichen Zusammenhang zu dem Verbot des W. e. V. gegründet und von dessen ehemaligen Funktionären gesteuert worden. Es besteht eine personelle Kontinuität zwischen dem W. e. V. und den nunmehr verbotenen Vereinen. Besondere Bedeutung kommt auf Seiten des Klägers H. zu, der nicht nur im Vorstand des W. e. V., sondern ebenfalls 1. Vorsitzender des Klägers gewesen ist und zugleich für die S.-Stiftung als Funktionär für die Spendensammlungen im Ausland zuständig ist. Wegen der bei Ch. aufgefundenen Landkarten und Arbeitspläne ist davon auszugehen, dass die Sammlung von Spendengeldern und das Generieren von Einnahmen über die Vermittlung von Patenschaften einem strukturierten System der Planung und Kontrolle entsprochen hat, in das der Kläger und die anderen beiden Vereine bis zu ihrem Verbot eingebunden gewesen sind. Der Kläger hat nach den Vorgaben der ehemaligen Funktionäre des W. e. V. unter Ausnutzung der Vereinsstrukturen in Nachfolge des W. e. V. Gelder in beträchtlicher Höhe für die S.-Stiftung in seinem Einzugsbereich gesammelt und diese über Personen sowie auf anderen klandestinen Wegen in den Libanon zur S.-Stiftung transferiert. Dabei ist von einem überörtlichen Zusammenhang zwischen dem Kläger und den beiden weiteren verbotenen Vereinen auszugehen, weil jeder für sich einen Teil desjenigen Gebietes abgedeckt hat, in dem zuvor der W. e. V. Spenden für die S.-Stiftung gesammelt hat. Angesichts dessen geht der Senat davon aus, dass diese Aktivitäten den Kläger geprägt haben, auch wenn er zugleich den Bau eines Gemeindezentrums realisiert hat. 47 Mildere Mittel gegenüber dem Verbot des Klägers wie etwa ein Betätigungsverbot für einzelne Mitglieder oder ein Verbot, Spendengelder den der Hizb Allah zuzurechnenden Sozialvereinen zukommen zu lassen, sind nicht in gleicher Weise geeignet, den von dem Kläger als Verein ausgehenden Gefahren wirksam zu begegnen. Der Kläger und seine Verantwortlichen identifizieren sich mit dem W. e. V. sowie den Zielen der Hizb Allah. Bei der Wahl der genannten milderen Mittel hätte die nicht beherrschbare Gefahr bestanden, dass der Kläger weiterhin die der Hizb Allah zuzuordnende S.-Stiftung oder eine andere in deren Gesamtgefüge stehende Einrichtung heimlich auf finanzielle Weise unterstützen würde. Die Ausnutzung der Vereinsstrukturen bei der Sammlung von Spenden und Geldern durch die Vermittlung von Patenschaften zugunsten der S.-Stiftung der Hizb Allah kann aufgrund der vorliegenden Umstände allein durch die Zerschlagung der Vereinsstrukturen wirksam verhindert werden. 48 Dies gilt auch, wenn man zugunsten des Klägers annimmt, dass er sich auf den Schutz der Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG berufen kann. Dabei muss nicht entschieden werden, in welchem Umfang und in welchem Verhältnis zu Art. 9 GG die Bildung und der Bestand sowie das sonstige Handeln von Vereinen durch das Grundrecht der Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG geschützt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 90; BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 A 4.15 - BVerwGE 153, 211 Rn. 39 f.). Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass die Interessen des Klägers den Schutz des Gedankens der Völkerverständigung, dem mit dem Verbot des Klägers als Ersatzorganisation Rechnung getragen wird, überwiegen könnten; vielmehr erweist sich das Verbot des Klägers mit Blick auf die durch das Verbot geschützten Verfassungsgüter als unerlässlich. 49 4. Da das Verbot und die Auflösung des Klägers keinen materiell-rechtlichen Bedenken begegnen, sind auch die weiteren in der angefochtenen Verfügung getroffenen Regelungen, die ihre Rechtsgrundlage in den Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und 4 VereinsG (Kennzeichenverbot) sowie § 8 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 2, §§ 10 bis 12 VereinsG (Beschlagnahme- und Einziehungsanordnungen) finden, rechtmäßig. Das Verbot des Betriebs der in dem Tenor der Verfügung genannten Internetseiten und Kanäle des Klägers in sozialen Netzwerken ergibt sich aus der Natur des Vereinsverbots und der Auflösungsanordnung, ohne dass es einer eigenen Rechtsgrundlage bedarf (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2022 - 6 A 7.19 - juris Rn. 30 m. w. N.) 50 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2022-9,26.01.2022,"Pressemitteilung Nr. 9/2022 vom 26.01.2022 EN Grundwasserentnahmeentgelt für die Hebung von Grubenwasser im Saarland rechtmäßig Die Festsetzung eines Grundwasserentnahmeentgelts für die Hebung von Grubenwasser im Saarland ist auch nach Beendigung der aktiven Steinkohleförderung rechtmäßig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Klägerin förderte bis Mitte 2012 Steinkohle und entrichtete für die Grubenwasserhaltung ein jährliches Entgelt nach § 1 Abs. 1 des Saarländischen Grundwasserentnahmeentgeltgesetzes (GwEEG). Auch nach Beendigung der aktiven Abbautätigkeit führte die Klägerin die Grubenwasserhaltung an fünf Standorten auf der Grundlage von zugelassenen Hauptbetriebsplänen fort; hierzu verfügte sie über die erforderlichen wasserrechtlichen Erlaubnisse. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. Januar 2015 setzte der Beklagte für das Veranlagungsjahr 2014 hierfür ein Entgelt in Höhe von knapp 500 000 € fest. Während Widerspruch und Klage erfolglos geblieben waren, gab das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes der Berufung der Klägerin statt und hob den Festsetzungsbescheid auf. Zur Begründung stützte es sich auf zwei Erwägungen: Der Entgelttatbestand des § 1 Abs. 1 GwEEG bedürfe einer verfassungskonformen Auslegung dahin, dass sich aus der Benutzung des Grundwassers - als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal - ein werthaltiger Sondervorteil im Sinne eines wirtschaftlichen Vorteils ergeben müsse. Davon unabhängig greife zugunsten der Klägerin der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 1 GwEEG in analoger Anwendung ein. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts abgeändert und das erstinstanzliche Urteil im Ergebnis bestätigt. Nach der Finanzverfassung des Grundgesetzes können nichtsteuerliche Abgaben, zu denen Wasserentnahmeentgelte zählen, insbesondere zur Vorteilsabschöpfung erhoben werden. Der verfassungsrechtliche Vorteilsbegriff ist dabei nicht auf wirtschaftliche Vorteile beschränkt. Bei der Erhebung eines Wasserentnahmeentgelts kann der erforderliche Sondervorteil bereits in der privilegierten Teilhabe an der knappen natürlichen Ressource Wasser als einem Gut der Allgemeinheit bestehen, das einer öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung unterliegt. Im Fall der Klägerin genügte daher für die Entgeltpflicht der erlaubte Zugriff auf das Grundwasser, der es ihr ermöglichte, die Vorgaben ihres zugelassenen Hauptbetriebsplans zur Wasserhaltung zu erfüllen. Auf den Umstand, dass die Klägerin im Veranlagungsjahr 2014 an den betreffenden Bergbaustandorten keinen Gewinn mehr erzielte, kam es nicht an. Die vom Berufungsgericht angenommene Ausnahme von der Entgeltpflicht analog § 1 Abs. 2 Nr. 1 GwEEG geht von einem fehlerhaften Verständnis der bergrechtlichen Pflichtenstellung der Klägerin aus. Die Fortführung der Grubenwasserhaltung erfolgte nicht vorrangig aus Gründen des Gemeinwohls oder ausschließlich aus Gründen der vorbeugenden Gefahrenabwehr, wie das Berufungsgericht angenommen hat, sondern aufgrund ihrer freien und privatnützigen unternehmerischen Entscheidung. Fußnote: § 1 GwEEG lautet auszugsweise: (1) Das Land erhebt von dem Benutzer für das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser ein Grundwasserentnahmeentgelt. (2) Das Entgelt wird nicht erhoben für 1. behördlich angeordnete Benutzungen im Sinne von § 19a des Saarländischen Wassergesetzes, 2. (...) BVerwG 9 C 5.20 - Urteil vom 26. Januar 2022 Vorinstanzen: OVG Saarlouis, OVG 1 A 785/17 - Urteil vom 19. Dezember 2019 - VG Saarlouis, VG 5 K 814/15 - Urteil vom 13. September 2017 -","Urteil vom 26.01.2022 - BVerwG 9 C 5.20ECLI:DE:BVerwG:2022:260122U9C5.20.0 EN Grundwasserentnahmeentgelt für Grubenwasserhaltung Leitsatz: Die Erlaubnis zur Grundwasserentnahme vermittelt einen durch die Erhebung eines Wasserentnahmeentgelts abschöpfbaren Sondervorteil auch dann, wenn die Hebung von Grubenwasser aufgrund eines zugelassenen Hauptbetriebsplans nach dem Ende der aktiven Steinkohleförderung fortgeführt wird. Rechtsquellen GG Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1, Art. 104a ff. BBergG § 4 Abs. 2, Abs. 8, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1, § 55 Abs. 2, § 69 Abs. 2 Saarländisches Grundwasserentnahmeentgeltgesetz §§ 1 ff. Saarländisches Wassergesetz § 19a Instanzenzug VG Saarlouis - 13.09.2017 - AZ: 5 K 814/15 OVG Saarlouis - 19.12.2019 - AZ: 1 A 785/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 26.01.2022 - 9 C 5.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:260122U9C5.20.0] Urteil BVerwG 9 C 5.20 VG Saarlouis - 13.09.2017 - AZ: 5 K 814/15 OVG Saarlouis - 19.12.2019 - AZ: 1 A 785/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2022 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini und Dr. Dieterich sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Sieveking und Prof. Dr. Schübel-Pfister für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 19. Dezember 2019 wird geändert. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 13. September 2017 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin unterhält einen Bergbaubetrieb. Sie wendet sich gegen die Festsetzung eines Grundwasserentnahmeentgelts für die Hebung von Grubenwasser. 2 Die Klägerin förderte bis Ende Juni 2012 Steinkohle im Saarland und entrichtete für die Grubenwasserhaltung seit 2008 ein jährliches Entgelt nach dem Saarländischen Grundwasserentnahmeentgeltgesetz (im Folgenden: GwEEG). Auch nach Beendigung der aktiven Abbautätigkeit führte die Klägerin die Grubenwasserhaltung an fünf Standorten auf der Grundlage zugelassener Hauptbetriebspläne fort; hierzu verfügte sie über die erforderlichen wasserrechtlichen Erlaubnisse. Das Wasser wurde wie zur Zeit des aktiven Kohleabbaus von der Grube nach über Tage gepumpt oder gehoben und sodann größtenteils ohne Nutzung in Oberflächengewässer geleitet. 3 Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 29. Januar 2015 setzte der Beklagte für das Veranlagungsjahr 2014 ein Entgelt in Höhe von 490 966,14 € für die Hebung von Grubenwasser an den fünf Wasserhaltungsstandorten fest. Die Klägerin erhob gegen den Festsetzungsbescheid nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage mit der Begründung, dass die Grubenwasserhaltung nach dem Ende des aktiven Steinkohlebergbaus für sie keinen betrieblichen Nutzen mehr habe. Die Grubenwasserhaltung erfolge nunmehr ausschließlich im Gemeinwohlinteresse und verschaffe ihr keinen Sondervorteil. Im Übrigen könnte die Wasserhaltung, wenn sie nicht freiwillig durchgeführt würde, sicherheitsbehördlich angeordnet werden, was eine Entgeltfreiheit zur Folge hätte. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 13. September 2017 ab und ließ die Berufung gegen sein Urteil zu. 4 Mit Urteil vom 19. Dezember 2019 hob das Oberverwaltungsgericht den Festsetzungsbescheid auf. Zur Begründung stützte es sich auf zwei Erwägungen: Der an sich erfüllte Entgelttatbestand des § 1 Abs. 1 GwEEG bedürfe einer verfassungskonformen Auslegung dahingehend, dass sich aus der Benutzung des Grundwassers - als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal - ein werthaltiger Sondervorteil im Sinne eines wirtschaftlichen Vorteils ergeben müsse. Diese Voraussetzung sei im Erhebungsjahr 2014 nicht erfüllt; vielmehr stelle die Hebung und Ableitung des Grubenwassers einen Nachteil dar, dem sich die Klägerin nicht entziehen könne. Ungeachtet dessen greife zugunsten der Klägerin der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 1 GwEEG in analoger Anwendung ein. Zwar liege eine behördliche Anordnung zur Fortführung der Grubenwasserhaltung nicht vor. Die Klägerin sei aber auf der Grundlage bergrechtlicher Bestimmungen aus Gründen des Gemeinwohls bzw. der vorbeugenden Gefahrenabwehr zur Fortführung der Grubenwasserhaltung verpflichtet, solange ein Abschlussbetriebsplan nicht aufgestellt sei. Dies sei mit einer behördlich angeordneten Benutzung gleichbedeutend und rechtfertige daher eine analoge Anwendung des Ausnahmetatbestands. 5 Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Revision trägt der Beklagte vor, das Berufungsgericht lege eine falsche Bewertung der berg- und wasserrechtlichen Pflichtenstellung der Klägerin zugrunde. Die Klägerin hebe das Grubenwasser nicht aus Gründen der Gefahrenabwehr, sondern aufgrund der von ihr selbst in freier unternehmerischer Entscheidung aufgestellten Hauptbetriebspläne für den nach wie vor geführten Gewinnungsbetrieb. Zudem beruhe die verfassungskonforme Auslegung des Entgelttatbestandes auf einem unzutreffenden Verständnis der Werthaltigkeit eines Sondervorteils. 6 Der Beklagte beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 19. Dezember 2019 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 13. September 2017 zurückzuweisen. 7 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung. II 9 Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht in beiden selbstständig tragenden Begründungssträngen auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Dies gilt sowohl für die vom Gericht vorgenommene verfassungskonforme Auslegung des Entgelttatbestands nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Erhebung eines Grundwasserentnahmeentgelts (Saarländisches Grundwasserentnahmeentgeltgesetz - GwEEG) (1.) als auch für die analoge Anwendung des Ausnahmetatbestands des § 1 Abs. 2 Nr. 1 GwEEG (2.). Da sich die Entscheidung nicht gemäß § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig darstellt (3.) und das Bundesverwaltungsgericht nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Sache selbst entscheiden kann (4.), ist das Berufungsurteil zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen. 10 1. Bundesrecht verletzt zunächst die Annahme des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 GwEEG lägen nach Maßgabe einer an den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen an eine nichtsteuerliche Abgabe orientierten und dem Grundsatz der Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG sowie dem Äquivalenzprinzip Rechnung tragenden verfassungskonformen Auslegung des Entgelttatbestands nicht vor. 11 Nach § 1 Abs. 1 GwEEG erhebt das Land von dem Benutzer für das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser ein Grundwasserentnahmeentgelt. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, aus der Benutzung des Grundwassers müsse sich - als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal - ein werthaltiger Sondervorteil für den Abgabepflichtigen ergeben, legt ein zu enges Verständnis des Begriffs der Werthaltigkeit zugrunde und steht mit dem finanzverfassungsrechtlichen Vorteilsbegriff nicht in Einklang (a). Die auf dem zu engen Begriffsverständnis beruhende Annahme eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Äquivalenzprinzip trifft daher ebenfalls nicht zu (b). Auf die Frage, ob sich die Abgabenerhebung auch durch die Verfolgung von Lenkungszwecken rechtfertigen lässt, kommt es damit nicht mehr an (c). 12 a) Es besteht kein verfassungsrechtliches Erfordernis für die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Verengung des Vorteilsbegriffs auf wirtschaftliche Vorteile (aa). Die der Klägerin erlaubte Zugriffsmöglichkeit auf die staatlich bewirtschaftete Ressource Wasser begründet für sie einen abschöpfbaren Sondervorteil (bb). Ob darüber hinaus ein wirtschaftlicher Vorteil bei der Klägerin vorliegt, bedarf daher keiner Entscheidung (cc). 13 aa) Das Berufungsurteil beruht auf einer Verkennung der einschlägigen verfassungsrechtlichen Maßstäbe. 14 (1) Nach der - nicht zuletzt anhand von Wasserentnahmeentgelten entwickelten - Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben mit Blick auf die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) sowie zur Wahrung der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach einer über die Zwecke der Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung (grundlegend zum ""Wasserpfennig"" BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 - 2 BvR 413/88 - BVerfGE 93, 319 <342 f.>; zu Verwaltungsgebühren BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 2/14 u.a. - BVerfGE 144, 369 Rn. 62). Als sachliche Gründe sind nach ständiger Rechtsprechung Lenkungszwecke, soziale Zwecke sowie Zwecke des Vorteilsausgleichs bzw. der Vorteilsabschöpfung anerkannt (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9/98 u.a. - BVerfGE 108, 1 <13>). 15 Der verfassungsrechtliche Vorteilsbegriff ist dabei nicht auf wirtschaftliche Vorteile beschränkt; vielmehr kommen tatsächliche, rechtliche und ideelle Vorteile aller Art in Betracht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. August 1998 - 1 BvR 1270/94 - NVwZ 1999, 176 <177>). In seiner Leitentscheidung zum ""Wasserpfennig"" hat das Bundesverfassungsgericht herausgestellt, dass der abzuschöpfende Vorteil bei einer solchen Abgabe in der privilegierten Teilhabe an der knappen natürlichen Ressource Wasser als einem Gut der Allgemeinheit besteht, das einer öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung unterliegt (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 - 2 BvR 413/88 - BVerfGE 93, 319 <345 f.> und Ls. 2; vgl. weiter BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2002 - 2 BvR 591/95 - NVwZ 2003, 467 <469 f.>). Es ist sachlich gerechtfertigt, diesen Vorteil ganz oder teilweise abzuschöpfen, wobei die Abschöpfung nach dem tatsächlichen Umfang erfolgen kann (BVerfG, Beschlüsse vom 20. Januar 2010 - 1 BvR 1801/07 - NVwZ 2010, 831 <833 f.> und vom 16. April 2020 - 1 BvR 173/16 - NVwZ 2021, 56 Rn. 43). 16 (2) Diesen verfassungsrechtlichen Vorteilsbegriff legt auch das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung zugrunde (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 29. April 2021 - 9 C 1.20 - NVwZ 2021, 1466 Rn. 16). Bei Wasserentnahmeentgelten besteht der relevante Sondervorteil für die Abgabenschuldner - gegenüber all jenen, die das betreffende Gut nicht oder nicht in gleichem Umfang nutzen dürfen - bereits darin, dass ihnen durch die wasserrechtliche Erlaubnis die Möglichkeit der Wasserentnahme und damit die Teilhabe an der knappen, staatlich bewirtschafteten Ressource Wasser eröffnet wird (vgl. auch Gawel, DVBl 2011, 1000 <1002, 1004>). Unerheblich ist deshalb, ob das geförderte Grundwasser wirtschaftlich verwertet oder ungenutzt abgeleitet wird (BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2007 - 7 C 3.07 - Buchholz 445.4 § 3 WHG Nr. 5 Rn. 27; Beschluss vom 29. Oktober 2007 - 7 B 36.07 - juris Rn. 9). 17 Diese Rechtsprechung hat der Senat in jüngerer Zeit in einem Urteil betreffend das Zutagefördern und Ableiten von ansonsten nicht genutztem Grundwasser (sog. Sümpfungswasser) zum Zweck der Braunkohleförderung bestätigt (BVerwG, Urteil vom 16. November 2017 - 9 C 16.16 - BVerwGE 160, 354). Der damalige Fall war dadurch gekennzeichnet, dass die Grundwasserentnahme als vorgelagerte Tätigkeit zur Ermöglichung der späteren Braunkohlegewinnung erforderlich war, mithin den notwendigen Bestandteil einer Wertschöpfungskette bildete. Insoweit stellte sich das Gebrauchmachen von der wasserrechtlichen Erlaubnis als werthaltiger Sondervorteil dar (BVerwG, Urteil vom 16. November 2017 - 9 C 16.16 - a.a.O. Rn. 19). Dass sich aus der Erlaubniserteilung in jedem Fall ein solcher wirtschaftlicher Vorteil ergeben müsse, um die Abgabenerhebung zu rechtfertigen, wurde in der genannten Entscheidung nicht zum Ausdruck gebracht. 18 (3) Demgegenüber hält das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht eine verfassungskonforme Auslegung des - einschränkungslos formulierten - Entgelttatbestands nach § 1 Abs. 1 GwEEG dahingehend für geboten, dass das Vorliegen eines werthaltigen Sondervorteils, den es mit einem wirtschaftlichen Vorteil für den Abgabepflichtigen gleichsetzt (UA S. 40), ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für die Heranziehung zur Entrichtung eines Grundwasserentnahmeentgelts sei (UA S. 39). Das Berufungsgericht nimmt diese Ergänzung des Gesetzeswortlauts nicht aufgrund einer - aus bundesrechtlicher Sicht zu respektierenden - landesrechtlichen Normauslegung anhand des Willens des saarländischen Gesetzgebers vor. Vielmehr sieht es sich dazu von Verfassungs wegen verpflichtet (UA S. 27, 39). 19 bb) Anders als das Berufungsgericht meint, verfügt die Klägerin infolge des ihr behördlich erlaubten Zugriffs auf den Wasserhaushalt über einen Sondervorteil im Vergleich zu Dritten, der durch die Erhebung eines Wasserentnahmeentgelts abgeschöpft werden kann. Die Erlaubnisse zur Gewässerbenutzung an den fünf Wasserhaltungsstandorten beziehen sich auf das Zutagefördern und Einleiten des anstehenden Grubenwassers, das bestimmte maximale Wassermengen pro Jahr nicht überschreiten darf, und eröffnen der Klägerin die legale Möglichkeit, Grundwasser zu entnehmen und damit die Vorgaben ihrer zugelassenen Hauptbetriebspläne zur Grubenwasserhaltung zu erfüllen. Die diesbezügliche bergrechtliche Verpflichtung ist die Klägerin - durch Beantragung der Betriebsplanzulassung - aus freien Stücken eingegangen (dazu näher unten 2.b). Nicht maßgeblich ist, ob sie sich dieser von ihr als nachteilig erachteten (Selbst-)Verpflichtung entziehen und die Wasserhaltung einstellen könnte. Die Entgeltpflicht wird nicht durch das ""Entnehmen-Müssen"" auf der Grundlage des bergrechtlichen Regelungsregimes, sondern durch das ""Entnehmen-Dürfen"" aufgrund der gesondert beantragten und erteilten (§ 19 Abs. 2 WHG) wasserrechtlichen Erlaubnisse ausgelöst. Die Höhe des Grundwasserentnahmeentgelts richtet sich dabei gemäß § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 GwEEG nicht nach der maximal zulässigen, sondern nach der tatsächlich entnommenen Wassermenge; hierdurch wird der Vorteil realitätsgerecht erfasst und bemessen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. April 2020 - 1 BvR 173/16 - NVwZ 2021, 56 Rn. 43; BVerwG, Urteil vom 16. November 2017 - 9 C 16.16 - BVerwGE 160, 354 Rn. 27). 20 cc) Auch wenn die Klägerin im Veranlagungsjahr 2014 an den betreffenden Bergbaustandorten keinen Gewinn mehr erzielte, lag nach den dargelegten Maßstäben somit ein abschöpfbarer Sondervorteil vor. Ob darüber hinaus bei einer gebotenen Gesamtbetrachtung sogar von einem wirtschaftlichen Vorteil auszugehen war, weil die Klägerin ohne die wasserrechtlichen Erlaubnisse ihren auf Gewinnerzielung ausgerichteten Betrieb nicht legal hätte aufnehmen und durchführen können, bedarf hiernach keiner weiteren Prüfung. 21 b) Aus dem finanzverfassungsrechtlichen Vorteilsbegriff folgt zugleich, dass die Abgabenerhebung nicht aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und das Äquivalenzprinzip als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (dazu etwa BVerwG, Urteil vom 29. April 2021 - 9 C 1.20 - NVwZ 2021, 1466 Rn. 30 m.w.N.) verstößt. Das Oberverwaltungsgericht hat beide Verstöße aus der Prämisse abgeleitet, dass kein werthaltiger Sondervorteil vorliege (vgl. UA S. 36 ff., S. 43). Den Verstoß gegen den Gleichheitssatz hat das Gericht darin gesehen, dass die ohne eigenen Vorteil in Anspruch genommene Klägerin gegenüber denjenigen Gruppen benachteiligt werde, denen die Entnahme des Grundwassers einen Vermögensvorteil biete. Auch die angenommene Verletzung des Äquivalenzprinzips hat es mit dem Fehlen eines werthaltigen Sondervorteils begründet. Beide Schlussfolgerungen stehen, wie oben dargelegt, im Widerspruch zum verfassungsrechtlichen Vorteilsbegriff. Soweit das Berufungsgericht eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den vom Ausnahmekatalog des § 1 Abs. 2 GwEEG erfassten Fallgruppen moniert, wird dies nur im Rahmen der Analogiebildung relevant (siehe unten 2.c). 22 c) Da die Erhebung des Wasserentnahmeentgelts bereits durch den Gesichtspunkt der Vorteilsabschöpfung gerechtfertigt ist, kommt es nicht mehr auf die weitere - vom Berufungsgericht im konkreten Fall verneinte - Frage an, ob die sachliche Legitimation der Entgelterhebung auch aus einer möglichen Lenkungsfunktion der Abgabe folgt (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 - 2 BvR 413/88 u.a. - BVerfGE 93, 319 <345>). 23 2. Ebenfalls gegen Bundesrecht verstößt die Annahme des Berufungsgerichts, zugunsten der Klägerin müsse - selbst bei Bejahung der Voraussetzungen des Entgelttatbestands - eine Befreiung von der Entgeltpflicht im Wege einer analogen Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 GwEEG eingreifen. Nach dieser Vorschrift wird das Entgelt nicht erhoben für behördlich angeordnete Benutzungen im Sinne von § 19a des Saarländischen Wassergesetzes (SWG); dies erfasst insbesondere Maßnahmen, die von der zuständigen Wasserbehörde oder mit deren Einvernehmen angeordnet wurden (§ 19a Satz 2 SWG). Das Oberverwaltungsgericht begründet die analoge Anwendung der Norm mit der bergrechtlichen Pflichtenstellung der Klägerin (a). Da seine diesbezüglichen Grundannahmen nicht zutreffen (b), ist für eine Gleichsetzung mit einer behördlichen Anordnung kein Raum (c). 24 a) Die Analogiebildung des Oberverwaltungsgerichts basiert auf einer Auslegung der Vorschriften des Bundesberggesetzes und damit auf revisiblen Vorfragen. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist die Klägerin auf der Grundlage bergrechtlicher Bestimmungen aus Gründen der vorbeugenden Gefahrenabwehr zur Fortführung der Grubenwasserhaltung verpflichtet (UA S. 44, 48 f.); dies sei tatsächlich und rechtlich gleichbedeutend mit einer behördlich angeordneten Entnahme von Grundwasser (UA S. 50). Die Klägerin folge allein dieser Verpflichtung und diene damit dem Allgemeinwohlinteresse (UA S. 51). 25 b) Dieses Verständnis der bergrechtlichen Vorschriften ist nicht mit Bundesrecht vereinbar. Ungeachtet der Beendigung der aktiven Kohleförderung unterhält die Klägerin weiterhin einen Gewinnungsbetrieb (aa), der rechtlich gesehen nicht eingestellt ist (bb). Die Fortführung der Grubenwasserhaltung erfolgte daher aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung der Klägerin, nicht hingegen vorrangig aus Gründen des Gemeinwohls oder ausschließlich aus Gründen der vorbeugenden Gefahrenabwehr (cc). 26 aa) Die Klägerin unterhielt im Streitjahr 2014 (und unterhält nach wie vor) einen Gewinnungsbetrieb im Sinne des § 4 Abs. 8 BBergG, der als betriebsorganisatorischer Gesamtkomplex (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 1995 - 4 C 25.94 - BVerwGE 100, 31 <42>) vorbereitende, begleitende und nachfolgende Tätigkeiten nach § 4 Abs. 2 BBergG umfasst. Bei der Grubenwasserhaltung kann es sich - je nach Betriebstyp und -stadium - um eine vorbereitende, begleitende oder nachfolgende Tätigkeit handeln (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1990 - 7 C 5.90 - BVerwGE 87, 241 <246>); im Jahr 2014 war letzteres der Fall. Zur Errichtung und Führung ihres Betriebs hat die Klägerin einen Hauptbetriebsplan nach § 52 Abs. 1 BBergG aufgestellt, den der Beklagte gemäß ihrem Antrag zugelassen hat und der weiterhin Gültigkeit beansprucht. Der Betrieb erfolgt somit auch nach Beendigung der aktiven Steinkohleförderung im privatnützigen Interesse der Klägerin (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 7 C 22.12 - BVerwGE 151, 156 Rn. 47). 27 bb) Ein Übergang in die Phase des Abschlussbetriebsplans für die Einstellung des Betriebs (vgl. § 53 Abs. 1 BBergG) hat bisher nicht stattgefunden. Nach der Systematik des Bundesberggesetzes (vgl. § 54 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 1 BBergG) beginnt ""die Einstellung"" erst mit dem Wirksamwerden des Abschlussbetriebsplans. Ein solcher Abschlussbetriebsplan war seinerzeit weder von der Klägerin aufgestellt noch behördlicherseits zugelassen; auf die Gründe hierfür kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an. Die - gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 BBergG (""Dauer der beabsichtigten Betriebseinstellung"") als längerer Prozess zu verstehende - Einstellung hatte im Streitjahr 2014 somit noch nicht einmal begonnen, geschweige denn zu einem Abschluss geführt. Allenfalls nach Durchführung des Abschlussbetriebsplans wäre eine Entlassung aus der Bergaufsicht und damit ein Ende der bergrechtlichen Pflichtenstellung denkbar. Dies setzt allerdings gemäß § 69 Abs. 2 BBergG voraus, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht mehr damit zu rechnen ist, dass durch den Betrieb Gefahren oder gemeinschädliche Einwirkungen eintreten werden. Die vom Berufungsgericht unterstellte ""Beendigung des Steinkohlebergbaus"" hatte somit im Veranlagungsjahr 2014 in bergrechtlicher Hinsicht noch nicht stattgefunden bzw. – sofern das Gericht auf die aktive Abbautätigkeit abstellen wollte - zumindest nicht zu einer rechtlich relevanten Zäsur geführt. 28 cc) Die Pflicht zur Grubenwasserhaltung folgte im Jahr 2014 unmittelbar aus dem zugelassenen Hauptbetriebsplan der Klägerin. Sie ergab sich nicht aus dem im angefochtenen Urteil (UA S. 29) in Bezug genommenen, für die Betriebseinstellung geltenden § 53 Abs. 1 oder § 55 Abs. 2 BBergG. Maßgebend für die Pflichtenstellung der Klägerin war allein der Inhalt des von ihr nach eigenem unternehmerischen Kalkül aufgestellten und behördlich zugelassenen Hauptbetriebsplans. Die Klägerin erfüllte damit eine von ihr freiwillig eingegangene Verpflichtung zur fortdauernden Einhaltung der Zulassungsvoraussetzungen, zu der auch die Übernahme entsprechender Nachsorgepflichten einschließlich der Grubenwasserhaltung gehörte. Die betriebsplankonforme Fortführung der Wasserhaltung erfolgte demnach entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht (allein oder primär) aus Gründen des Allgemeininteresses bzw. der vorbeugenden Gefahrenabwehr. Vielmehr ist die erforderliche Vorsorge gegen Gefahr und gemeinschädliche Einwirkungen Zulassungsvoraussetzung jedes Betriebsplans (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 3 und 9, § 55 Abs. 2 BBergG). 29 c) Damit ist für die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Gleichsetzung mit einer behördlich angeordneten Entnahme von Grundwasser nach dem Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 1 GwEEG kein Raum. Soweit die Klägerin damit argumentiert, sie könnte sich jederzeit - anstatt sich ""freiwillig"" betriebsplankonform zu verhalten - sicherheitsbehördlich dazu verpflichten lassen, entspricht ein solches rechtswidriges Verhalten schon nicht den tatsächlichen Gegebenheiten im Streitjahr 2014. Im Übrigen würde dies, wie oben dargelegt, nichts daran ändern, dass die Klägerin nach dem für sie maßgeblichen Hauptbetriebsplan dem spezifisch bergrechtlichen und nicht einem allgemeinen sicherheitsrechtlichen Regelungsregime unterliegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass für die Klägerin aus sonstigen Gründen eine Befreiung von der Entgeltpflicht im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz zwingend geboten wäre. 30 3. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts, das entscheidungstragend auf den beiden dargestellten Argumentationssträngen beruht, erweist sich nicht gemäß § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig. Die Abgabenerhebung ist auch im Übrigen verfassungsgemäß; insbesondere bestehen weder unter Rückwirkungsgesichtspunkten (a) noch hinsichtlich der Entgelthöhe (b) Bedenken. 31 a) Die Abgabenerhebung verstößt nicht gegen das Rückwirkungsverbot. 32 aa) Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn die der Abgabenerhebung zugrundeliegende Norm nachträglich in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift (stRspr; vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 - BVerfGE 132, 302 Rn. 42). Dies ist hier nicht der Fall. Das Grundwasserentnahmeentgelt wurde auf der Basis des Saarländischen Grundwasserentnahmeentgeltgesetzes (vom 12. März 2008, in der Fassung des Gesetzes vom 14. November 2012) für das Kalenderjahr 2014 erhoben, in dessen gesamten Zeitraum die Klägerin unstreitig aufgrund der ihr erteilten wasserrechtlichen Erlaubnisse Grundwasser entnommen hat. Soweit die Klägerin eine echte Rückwirkung darin erblickt, dass der ""Grubenwasseranfall bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes unverhinderbar angelegt"" gewesen sei, verfängt dies schon deshalb nicht, weil die Abgabenerhebung nur an die von der wasserrechtlichen Erlaubnis gedeckte Entnahme nach dem genannten Zeitpunkt anknüpft. Zeiträume vor dem ersten Veranlagungszeitraum (1. Mai 2008 bis 31. Dezember 2008) werden davon nicht erfasst (vgl. § 11 Satz 2 GwEEG in der Fassung vom 12. März 2008). 33 bb) Ebenfalls nicht zum Erfolg führt das in eine ähnliche Richtung zielende Vorbringen der Klägerin, sie habe das - vier Jahre vor Ende der aktiven Abbautätigkeit eingeführte - Wasserentnahmeentgelt nicht mehr in ihre Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen einstellen und auch sonst keine Dispositionen, etwa hinsichtlich der Größe der Grubengebäude und des Umfangs der erforderlichen Wasserentnahme, treffen können. Eine unzulässige unechte Rückwirkung begründet dies nicht. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Beeinträchtigung des durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG geschützten Vertrauens in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechtspositionen verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar ist. Dies ist der Fall, wenn sie zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungswünsche des Normgebers überwiegen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 - BVerfGE 132, 302 Rn. 43 und vom 30. Juni 2020 - 1 BvR 1679/17 - BVerfGE 155, 238 Rn. 126 ff.; BVerwG, Urteile vom 6. Oktober 2021 - 9 C 9.20 - juris Rn. 27 und vom 6. Oktober 2021 - 9 C 10.20 - juris Rn. 17). 34 Hier liegt bereits keine schutzwürdige Vertrauensposition der Klägerin vor, die sich gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Entgelterhebung durchsetzen könnte. Ein Unternehmer hat generell keinen Anspruch aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Vertrauensschutzgrundsatz dahingehend, dass die (finanziellen) Rahmenbedingungen, unter denen er seinen Betrieb begonnen hat, auf Dauer unverändert bestehen bleiben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2010 - 1 BvR 2011/07 u.a. - BVerfGE 126, 112 Rn. 128 ff.). Umstände, die im Fall der Klägerin als Bergbauunternehmerin (§ 4 Abs. 5 BBergG) ausnahmsweise eine andere Beurteilung gebieten können, sind nicht ersichtlich. Vielmehr ergibt sich aus den Wertungen des Bundesberggesetzes, dass der Bergbauunternehmer umfangreichen Nachsorgepflichten einschließlich der zugehörigen finanziellen Aufwendungen unterliegt, und zwar - nach dem Grundsatz der Letztbetreiberverantwortung - unabhängig davon, ob sie von ihm selbst oder von einem Rechtsvorgänger verursacht worden sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. November 1995 - 4 C 25.94 - BVerwGE 100, 31 <38 f.> und vom 18. Dezember 2014 - 7 C 22.12 - BVerwGE 151, 156 Rn. 47). Etwas anderes folgt nicht aus dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erwähnten Beschluss zum Windenergie-auf See-Gesetz (BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020 - 1 BvR 1679/17 u.a. - BVerfGE 155, 238 Rn. 121 ff.). Diesem Beschluss lag ein mit dem vorliegenden schon im Ansatz nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Denn es ging um den Sonderfall einer gesetzlichen Umstellung auf ein grundlegend neues Regelungssystem, wodurch bereits in Gang gesetzte Prozesse vollständig abgebrochen und damit entwertet wurden (BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020, a.a.O., Rn. 134 ff.). 35 b) Die staatliche Leistung der Gewährung eines Zugriffs auf das Grundwasser als Gut der Allgemeinheit steht schließlich in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe des Wasserentnahmeentgelts (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 2017 - 9 C 16.16 - BVerwGE 160, 354 Rn. 24). Das Entgelt für die Grubenwasserhaltung, die nach § 2 Abs. 2 GwEEG in Verbindung mit dem Verzeichnis über das Entgelt für Grubenwasserentnahmen einem niedrigeren Satz als die Wassernutzung anderer Betriebe unterliegt, ist nicht unangemessen hoch. Dass die Berechnung der konkreten Entgelthöhe im angefochtenen Bescheid zutreffend ist, wird von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen. 36 4. Das Bundesverwaltungsgericht übt sein prozessuales Ermessen dahingehend aus, dass es in der Sache selbst entscheidet (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind, ist der Rechtsstreit entscheidungsreif. Die Klägerin ist nach § 1 Abs. 1 GwEEG entgeltpflichtig; eine Ausnahme von der Entgeltpflicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 GwEEG kommt nicht in Betracht. Die Klage gegen den Festsetzungsbescheid bleibt daher ohne Erfolg. 37 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2023-11,02.02.2023,"Pressemitteilung Nr. 11/2023 vom 02.02.2023 EN Fahrtenbuchanordnung - Verwertbarkeit einer Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren Wendet sich der Adressat einer Fahrtenbuchanordnung gegen die Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren, kann er sich nicht mit Erfolg auf die teilweise Verweigerung des Zugangs zu Rohmessdaten berufen, wenn er nicht seinerseits alles ihm Zumutbare unternommen hat, um diesen Zugang zu erhalten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, gegen den die Anordnung ergangen war, ein Fahrtenbuch zu führen, begehrt nach deren Erledigung die Feststellung, dass die Anordnung rechtswidrig war. Im Dezember 2018 wurde auf der Bundesautobahn A 8 mit einem mobilen Lasermessgerät des Typs VITRONIC Poliscan FM 1 gemessen, dass mit dem auf den Kläger zugelassenen PKW die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 41 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten wurde. Der Fahrer des Fahrzeugs konnte nicht festgestellt werden. Daraufhin gab der Beklagte dem Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs auf, für die Dauer von sechs Monaten ein Fahrtenbuch zu führen. Der Kläger kam der Anordnung nach. Seine nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Anordnung festzustellen, hat er damit begründet, dass die Geschwindigkeitsmessung nicht verwertbar sei, da das Messgerät keine Rohmessdaten speichere. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes festgestellt, dass das Messgerät die Rohmessdaten gespeichert hatte. Der Kläger hat daraufhin geltend gemacht, diese Daten würden ihm von der Bußgeldstelle nicht vollständig zur Verfügung gestellt, obwohl das für eine effektive Rechtsverfolgung erforderlich sei. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Behörden und Gerichte dürften auch bei der Entscheidung über eine Fahrtenbuchanordnung die Ergebnisse standardisierter Messverfahren zugrunde legen, solange der Betroffene keine substanziierten Einwände gegen die Richtigkeit der Messung erhebe. Um dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, deren Richtigkeit zu überprüfen, gebiete das Recht auf ein faires Verfahren, ihm Zugang zu Rohmessdaten zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müsse der Betroffene diesen Zugang aber rechtzeitig beantragt haben. Das sei hier nicht geschehen. Der Kläger habe seinen Antrag auf Zugang bei der Bußgeldstelle erst gestellt, als die Geltungsdauer der Fahrtenbuchanordnung bereits abgelaufen gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Nach § 31a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) setzt eine Fahrtenbuchanordnung u.a. eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften voraus. Mit seinem Einwand, die Geschwindigkeitsmessung sei nicht verwertbar, da ihm nicht auch die Rohmessdaten Dritter zur Überprüfung der Messung zur Verfügung gestellt worden seien, hatte der Kläger keinen Erfolg. Allerdings stand die Annahme des Berufungsgerichts, der Betroffene müsse den Zugang zu solchen Daten vor Ablauf der Geltungsdauer der Fahrtenbuchanordnung beantragt haben, nicht im Einklang mit Bundesrecht. Eine solche zeitliche Grenze lässt sich den maßgeblichen bundesrechtlichen Regelungen nicht entnehmen. Doch stellte sich das Berufungsurteil aus anderen Gründen als richtig dar. Konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler hatte der Kläger nicht - wie erforderlich - aufgezeigt. Ist bei einer Geschwindigkeitsmessung ein standardisiertes Messverfahren zum Einsatz gekommen, folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 20 Abs. 3 GG) zwar im Grundsatz ein Anspruch auch des von einer Fahrtenbuchanordnung Betroffenen auf Zugang zu bei der Bußgeldstelle vorhandenen Daten. Es obliegt jedoch ihm, alle zumutbaren Schritte zu unternehmen, um seinen Zugangsanspruch geltend zu machen und durchzusetzen. Nur wenn er das getan hat, kann es ein Gebot des fairen Verfahrens sein, ihm nicht die Möglichkeit zu nehmen, auf der Grundlage der begehrten Informationen konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler vorzutragen. Der Kläger hat nicht alles ihm Zumutbare getan, um an die gewünschten Daten zu gelangen. Die Bußgeldstelle hat ihm u.a. die seinen PKW betreffenden Rohmessdaten zur Verfügung gestellt, nicht aber - wie beantragt - zusätzlich die Rohmessdaten der gesamten Messreihe, also nicht auch die Daten zu anderen Verkehrsteilnehmern und die Statistikdatei. Rechtliche Schritte, um den behaupteten umfassenden Zugangsanspruch gegenüber der Bußgeldstelle durchzusetzen, hat er nicht unternommen. BVerwG 3 C 14.21 - Urteil vom 02. Februar 2023 Vorinstanzen: OVG Saarlouis, OVG 1 A 8/21 - Urteil vom 06. Oktober 2021 - VG Saarlouis, VG 5 K 736/20 - Urteil vom 09. Dezember 2020 -","Urteil vom 02.02.2023 - BVerwG 3 C 14.21ECLI:DE:BVerwG:2023:020223U3C14.21.0 EN Fahrtenbuchanordnung - Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren; Zugang zu Rohmessdaten Leitsätze: 1. Wird eine Fahrtenbuchanordnung auf die mit einem standardisierten Messverfahren ermittelte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gestützt, muss das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung von Amts wegen nur überprüft werden, wenn der Adressat der Anordnung plausible Anhaltspunkte für einen Messfehler vorträgt oder sich solche Anhaltspunkte sonst ergeben. 2. Wendet sich der Adressat einer Fahrtenbuchanordnung gegen die Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren, kann er sich nicht mit Erfolg auf die Verweigerung des Zugangs zu bei der Bußgeldstelle gespeicherten Daten berufen, wenn er nicht seinerseits alles ihm Zumutbare unternommen hat, um den gewünschten Zugang von der Bußgeldstelle zu erhalten. Rechtsquellen StVZO § 31a Abs. 1 Satz 1 VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4 Instanzenzug VG Saarlouis - 09.12.2020 - AZ: 5 K 736/20 OVG Saarlouis - 06.10.2021 - AZ: 1 A 8/21 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 02.02.2023 - 3 C 14.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:020223U3C14.21.0] Urteil BVerwG 3 C 14.21 VG Saarlouis - 09.12.2020 - AZ: 5 K 736/20 OVG Saarlouis - 06.10.2021 - AZ: 1 A 8/21 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Sinner und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hellmann für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6. Oktober 2021 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen eine Fahrtenbuchanordnung und begehrt nach deren Erledigung die Feststellung, dass sie rechtswidrig war. 2 Am 10. Dezember 2018 wurde auf der Bundesautobahn A 8 mit einem mobilen Lasermessgerät des Typs VITRONIC PoliScan FM 1 gemessen, dass die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h mit dem auf den Kläger zugelassenen PKW um 41 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten wurde. 3 Die Zentrale Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Rheinland-Pfalz (im Folgenden: Bußgeldstelle) übersandte dem Kläger einen Zeugenfragebogen mit der Bitte, die Personalien der verantwortlichen Person mitzuteilen; das Schreiben blieb unbeantwortet. Ebenfalls ohne Reaktion blieb das an die Ehefrau des Klägers übersandte Anhörungsschreiben, in dem der Vorwurf erhoben wurde, sie sei die Fahrerin gewesen. Nachdem auch weitere Ermittlungsbemühungen erfolglos geblieben waren, stellte die Bußgeldstelle das Ordnungswidrigkeitenverfahren ein und bat den Beklagten um Prüfung, ob das Führen eines Fahrtenbuchs angeordnet werden könne. 4 Mit Bescheid vom 11. Oktober 2019, dem Kläger zugestellt am 15. Oktober 2019, gab der Beklagte ihm unter Anordnung des Sofortvollzugs auf, für sein Fahrzeug für die Dauer von sechs Monaten ab Zustellung der Verfügung ein Fahrtenbuch zu führen, es zu benannten Daten zur Kontrolle vorzulegen und nach Ablauf dieser Zeit für weitere sechs Monate aufzubewahren. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung drohte der Beklagte ein Zwangsgeld an. Für die Verfügung setzte er eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 150 € und Auslagen in Höhe von 3,68 € fest. 5 Der Kläger legte Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Bezug nehmend auf das Urteil des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs vom 5. Juli 2019 - Lv 7/17 - machte er geltend, die Verwertung der Messdaten sei unzulässig, da die zur Überprüfung der Messung notwendigen Rohmessdaten nicht gespeichert worden seien. Das Verwaltungsgericht wies den Eilantrag durch Beschluss vom 9. Januar 2020 zurück. Auf die Beschwerde des Klägers änderte das Oberverwaltungsgericht diese Entscheidung und stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her. In einem Hauptsacheverfahren sei zu klären, ob das verwendete Messgerät die nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zur nachträglichen Überprüfung eines Messergebnisses erforderlichen Rohmessdaten speichere. Am 28. April 2020 legte der Kläger dem Beklagten das Fahrtenbuch zur Kontrolle vor und erhielt es unbeanstandet mit der Aufforderung zurück, es für weitere sechs Monate aufzubewahren. 6 Nach erfolglosem Widerspruch hat der Kläger am 28. Juli 2020 Klage mit dem Antrag erhoben, die Rechtswidrigkeit der Anordnung festzustellen, für sechs Monate ab Bescheidzustellung ein Fahrtenbuch zu führen. Das Verwaltungsgericht des Saarlandes hat die Klage abgewiesen. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage; jedenfalls sei sie unbegründet. Es könne gesichert davon ausgegangen werden, dass das verwendete Messgerät die vom Verfassungsgerichtshof des Saarlandes für erforderlich angesehenen Rohmessdaten zuverlässig speichere und eine nachträgliche Überprüfung ermögliche. Dass der Kläger diese Daten im Verwaltungsverfahren nicht angefordert habe, gehe mit ihm heim. Die zu einem Bußgeldverfahren ergangene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs sei nicht einschlägig. Für den Erlass einer Fahrtenbuchanordnung genüge, dass der Verkehrsverstoß mit hinreichender Sicherheit feststehe. Der Amtsermittlungsgrundsatz verpflichte die Behörde nicht, das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung ""ins Blaue hinein"" zu hinterfragen. Ermittlungen seien erst geboten, wenn der Fahrzeughalter Unstimmigkeiten der Messung aufzeige oder sie sich der Behörde aufdrängen müssten. Dazu müsse er substanziierte Angaben machen. Das sei hier mit dem pauschalen Verweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht geschehen. 7 Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 StVZO hätten vorgelegen. Bei der mit zwei Punkten und einem Fahrverbot von einem Monat bewehrten Geschwindigkeitsüberschreitung handele es sich um eine schwerwiegende Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften im Sinne dieser Vorschrift. Bei einer Fahrtenbuchanordnung gelte wie im Bußgeldverfahren, dass die Ergebnisse standardisierter Messverfahren zugrunde gelegt werden könnten, solange keine substanziierten Einwände gegen ihre Richtigkeit erhoben würden. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 5. Juli 2019 - Lv 7/17 - verlange das Gebot eines fairen und rechtsstaatlichen Verfahrens in Bußgeldverfahren, dem Betroffenen auf Anfrage Zugang zu den Informationen zu gewähren, die er zur Verteidigung gegen den Vorwurf benötige, eine Ordnungswidrigkeit begangen zu haben. Komme die Bußgeldbehörde dieser Verpflichtung nicht nach, sei es, weil sie dem Einsichtsersuchen nicht Folge leiste und vorhandene digitale Dateien nicht vollständig zu Verfügung stelle, sei es, weil das Messgerät keine Rohmessdaten aufgezeichnet oder gespeichert habe, könnten gerichtliche Entscheidungen keinen Bestand haben, die auf dieser Messung beruhten. Für eine Fahrtenbuchanordnung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung gelte das ebenso. Doch treffe die Behauptung des Klägers, das Messgerät habe die zur Überprüfung notwendigen Rohmessdaten nicht gespeichert, nicht zu; das habe die Sachaufklärung im Berufungsverfahren ergeben. Ebenso wenig dringe der Kläger mit dem Vortrag durch, diese Daten seien ihm auf Anfrage nicht vollständig zur Verfügung gestellt worden, weil die Bußgeldstelle ihm auf seinen Antrag vom 1. Juli 2021 nicht auch die Rohmessdaten der gesamten Messreihe übermittelt habe. Der Beklagte habe zu dem für die Überprüfung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung von der Richtigkeit und Verwertbarkeit des Messergebnisses ausgehen dürfen. Der Bundesgerichtshof habe entschieden, dass die Ergebnisse standardisierter Messverfahren zugrunde gelegt werden dürften, solange keine substanziierten Einwände gegen ihre Richtigkeit erhoben würden. Der Kläger habe den Datenzugang erst beantragt, als die ihm gegenüber ergangene Anordnung bereits in der Hauptsache erledigt gewesen sei. Nach dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 - sei die Möglichkeit, die Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses unter Berufung auf über die Rohmessdaten erlangte Informationen geltend zu machen, zeitlich begrenzt. Der Betroffene könne sich nur dann erfolgreich mit den Erkenntnissen aus dem Zugang zu weiteren Informationen verteidigen, wenn er ihn rechtzeitig im Bußgeldverfahren beantragt habe. Das sei auf das gefahrenabwehrrechtlich ausgerichtete Fahrtenbuchverfahren zu übertragen. Nach dem einschlägigen Fach- und Verfahrensrecht sei dort der Antrag auf Zugang zu weiteren Informationen nur dann rechtzeitig erfolgt, wenn er zu einem Zeitpunkt gestellt worden sei, zu dem die Verfügung, deren Rechtmäßigkeit damit in Zweifel gezogen werden solle, noch rechtswirksam gewesen sei. Habe sich die Fahrtenbuchanordnung bereits in der Hauptsache erledigt und sei der entscheidungserhebliche Zeitpunkt damit verstrichen, könne der Betroffene ihre Rechtmäßigkeit nicht mehr dadurch in Frage stellen, dass er das Messergebnisses durch einen Sachverständigen überprüfen lassen wolle. 8 Zur Begründung seiner Revision, die das Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat, macht der Kläger geltend: Das Oberverwaltungsgericht sei unzutreffend von der entsprechenden Anwendbarkeit von § 77 Abs. 2 OWiG im verwaltungsrechtlichen Verfahren ausgegangen. Des Weiteren habe es zu Unrecht angenommen, er habe den Antrag auf Zugang zu den Rohmessdaten nicht rechtzeitig gestellt. Er habe aufgrund einer sachverständigen Mitteilung davon ausgehen können, dass keine Rohmessdaten gespeichert worden seien. Als sich diese Annahme als unrichtig herausgestellt habe, habe er deren Übermittlung beantragt. Die Behörde habe ihm jedoch nur die Messdaten zu dem Vorfall mit seinem PKW, nicht aber auch die Messdaten der gesamten Messreihe sowie weitere angeforderte Daten zur Verfügung gestellt. Die nur teilweise übermittelten Daten ermöglichten keine vollständige Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung. Dass das Oberverwaltungsgericht die Messung dennoch verwertet habe, verletze ihn in seinen Grund- und Verfahrensrechten. 9 Der Beklagte tritt der Revision entgegen. II 10 Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat ohne Bundesrechtsverstoß angenommen, dass der Kläger das gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, hier in entsprechender Anwendung, erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der zeitlich erledigten Fahrtenbuchanordnung hat (1.). Dass das Oberverwaltungsgericht die in Bußgeldverfahren geltenden Grundsätze für die Verwertbarkeit der Ergebnisse standardisierter Messverfahren und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch der Beurteilung der Fahrtenbuchanordnung des Beklagten zugrunde gelegt hat, ist ebenfalls mit Bundesrecht vereinbar (2.). Nicht im Einklang mit Bundesrecht steht dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht dem Umstand, dass die Bußgeldstelle dem Kläger auf seinen Antrag Zugang nur zu einem Teil der begehrten Daten gewährt hat, eine Bedeutung für die Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchanordnung bereits deshalb abgesprochen hat, weil der Kläger den Antrag erst gestellt hat, als die Fahrtenbuchanordnung erledigt war (3.). Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Kläger kann sich gegenüber der Fahrtenbuchanordnung des Beklagten auf die Nichtgewährung eines weitergehenden Datenzugangs durch die Bußgeldstelle nicht berufen, weil er nicht alles ihm Zumutbare unternommen hat, um den behaupteten umfassenden Anspruch auf Datenzugang bei der Bußgeldstelle durchzusetzen, der seiner Auffassung nach nicht nur die seinen PKW betreffenden Rohmessdaten, sondern auch die Rohmessdaten Dritter und die Statistikdatei einschließt (4.). 11 1. Gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, das auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Fahrtenbuchanordnung gerichtete Fortsetzungsfeststellungsbegehren des Klägers sei zulässig, ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Der Kläger verfügt über das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung. 12 a) Die gegen den Kläger gerichtete Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, hat sich mit dem Ende der Sechs-Monats-Frist, die nach der vom Beklagten im Bescheid vom 11. Oktober 2019 getroffenen Regelung mit dessen Zustellung am 15. Oktober 2019 zu laufen begann und somit am 15. April 2020 endete, durch ihre Befolgung bereits vor der Klageerhebung am 28. Juli 2020 erledigt. In einem solchen Fall ist § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zwar nicht unmittelbar, jedoch entsprechend anwendbar (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1989 - 8 C 30.87 - BVerwGE 81, 226 <227> m. w. N.). 13 b) Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht, hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder - wie hier - anders erledigt, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Das ist hier der Fall. 14 Das Oberverwaltungsgericht hat ein berechtigtes Feststellungsinteresse bejaht, weil die Fahrtenbuchanordnung den Kläger im Falle ihrer Rechtswidrigkeit in seinem grundrechtlich geschützten Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt hätte und es das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gebiete, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung in Fällen gewichtiger, allerdings tatsächlich überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn sich die direkte Belastung nach dem typischen Geschehensablauf - wie hier - auf eine Zeitspanne beschränke, in der der Betroffene eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren kaum erlangen könne. In der Offenlegung der in das Fahrtenbuch einzutragenden Angaben hat das Oberverwaltungsgericht eine schwere Grundrechtsbeeinträchtigung gesehen (UA S. 16 ff.). 15 Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit der dem Kläger auferlegten Pflicht, über einen Zeitraum von sechs Monaten ein Fahrtenbuch zu führen und offen zu legen, wer sein Fahrzeug während dieser Zeit wann geführt hat, ist ein hinreichend gewichtiger Eingriff in dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) verbunden, der es rechtfertigt, ihm auch noch nach der Erledigung der Fahrtenbuchanordnung, die in solchen Fällen typischerweise vor dem Abschluss eines verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens eintritt, ein Interesse an der verwaltungsgerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit zuzuerkennen (vgl. dazu u. a. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <85 f.> m. w. N.; Kammerbeschlüsse vom 11. April 2018 - 2 BvR 2601/17 - juris Rn. 32 ff. und vom 26. Januar 2021 - 2 BvR 676/20 - juris Rn. 30 f.; BVerwG, Urteile vom 12. November 2020 - 2 C 5.19 - BVerwGE 170, 319 Rn. 15 und vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - Rn. 13, jeweils m. w. N.). Es kommt danach nicht mehr darauf an, inwieweit der Adressat der Fahrtenbuchanordnung nach deren zeitlicher Erledigung ein Rehabilitationsinteresse hat oder Wiederholungsgefahr besteht und daraus das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse hergeleitet werden kann (verneinend u. a. VGH München, Beschluss vom 28. Januar 2015 - 11 ZB 14.11 29 - juris Rn. 13 ff.; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 31a StVZO Rn. 83 m. w. N.). 16 2. Dass das Oberverwaltungsgericht die in Bußgeldverfahren geltenden Grundsätze für die Verwertbarkeit der Ergebnisse standardisierter Messverfahren und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch der Beurteilung der Fahrtenbuchanordnung des Beklagten zugrunde gelegt hat, ist ebenfalls mit Bundesrecht vereinbar. 17 a) Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer zeitlich erledigten Fahrtenbuchanordnung ist mit Blick darauf, dass es sich dabei um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 - 3 C 13.14 - BVerwGE 152, 180 Rn. 12 m. w. N.), dessen Rechtmäßigkeit die Behörde während der gesamten Geltungsdauer unter Kontrolle halten muss, und der Kläger seinen Antrag nicht zeitlich beschränkt hat, die Sach- und Rechtslage im Geltungszeitraum (vgl. allgemein zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bei einem erledigten Verwaltungsakt: BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 2012 - 8 B 62.11 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 39 Rn. 14). 18 Die Voraussetzungen für den Erlass einer Fahrtenbuchanordnung ergeben sich aus § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Nach dieser Bestimmung in der hier maßgeblichen Fassung kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. 19 b) Außer Streit steht, dass im vorliegenden Fall die Feststellung des Fahrzeugführers trotz ausreichender Aufklärungsbemühungen nicht möglich war (vgl. zu diesem Erfordernis u. a. BVerwG, Urteile vom 13. Oktober 1978 - 7 C 77.74 - Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 5 = juris Rn. 15 f. und vom 17. Dezember 1982 - 7 C 3.80 - Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 12 = juris Rn. 7, jeweils m. w. N.). Strittig ist allein, ob der Beklagte auch vom Vorliegen der zweiten Tatbestandsvoraussetzung des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO, einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften, ausgehen durfte. 20 Von einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann nur bei einem Verkehrsverstoß von einigem Gewicht ausgegangen werden (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 - 11 C 12.94 - BVerwGE 98, 227 <229>). Ein solches Gewicht ist u. a. dann zu bejahen, wenn die Zuwiderhandlung - wie die hier in Rede stehende Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 41 km/h (nach Toleranzabzug) – nach dem ab dem 1. Mai 2014 geltenden gefährdungsorientierten Fahreignungsbewertungssystem mit mindestens einem Punkt im Fahreignungsregister zu bewerten ist (so zutreffend Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 31a StVZO Rn. 19). 21 c) Das Vorliegen eines Verkehrsverstoßes muss zur vollen richterlichen Überzeugung und nicht lediglich mit hinreichender Sicherheit feststellen (so aber - wie das Berufungsgericht - OVG Münster, Beschluss vom 20. Dezember 2018 - 8 B 1018/18 - juris Rn. 4 m. w. N.; anders noch im Beschluss vom 5. März 2015 - 8 B 1213/14 - juris Rn. 4; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023; § 31a StVZO Rn. 19 m. w. N.). Es dürfen keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass eine solche Zuwiderhandlung begangen wurde. Dass es sich bei der Fahrtenbuchanordnung um eine Maßnahme zum Zwecke der Gefahrenabwehr handelt (stRspr, vgl. u. a. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 - 3 C 13.14 - BVerwGE 152, 180 Rn. 19 m. w. N.), ändert daran nichts. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO setzt das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften voraus; die Gefahr oder die Möglichkeit, dass es zu einer solchen Zuwiderhandlung gekommen ist, genügt danach nicht. Der Blick auf den Sinn und Zweck der Regelung bestätigt diese Auslegung. Die gefahrenabwehrrechtliche Ausrichtung der Fahrtenbuchanordnung liegt darin, mit der Verpflichtung zum Führen eines Fahrtenbuchs dafür Sorge zu tragen, dass künftig die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich ist (stRspr, vgl. u. a. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 - 3 C 13.14 - a. a. O.). Das rechtfertigt indes keine Herabsetzung des Überzeugungsmaßstabs für das Vorliegen des in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO tatbestandlich vorausgesetzten Verkehrsverstoßes. Hierbei handelt es sich um einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Sachverhalt; er bildet den Ausgangspunkt für die daran anknüpfende Gefahrenprognose, ist aber nicht deren Gegenstand. 22 d) Die in Straf- und Bußgeldverfahren geltenden Grundsätze zum Umfang der Amtsermittlung bei der Verwertung von Ergebnissen standardisierter Messverfahren sind auch bei der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle von Fahrtenbuchanordnungen anzuwenden. 23 aa) Unter einem standardisierten Messverfahren wird anknüpfend an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren verstanden, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass das nicht bedeutet, dass die Messung in einem vollautomatisierten, menschliche Handhabungsfehler praktisch ausschließenden Verfahren stattfinden muss. Diesen Anforderungen werden daher grundsätzlich auch Lasermessverfahren gerecht, bei denen die Geschwindigkeitsmessung von besonders geschultem Messpersonal unter Beachtung der Betriebsanleitung des Geräteherstellers und der Zulassungsbedingungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt durchgeführt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1997 - 4 StR 24/97 - BGHSt 43, 277 = juris Rn. 27; anknüpfend daran - wie das Berufungsgericht - u. a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 - NZV 2021, 41 Rn. 41; OVG Münster, Beschluss vom 4. Januar 2021 - 8 B 1781/20 - juris Rn. 9 ff. jeweils m. w. N.). Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (UA S. 19) kam bei dem hier eingesetzten Messgerät des Typs VITRONIC PoliScan Speed FM 1 ein solches standardisiertes Messverfahren zur Anwendung (ebenso zu einem Messgerät dieses Typs: BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 - a. a. O. Rn. 2, 40; vgl. auch Kammerbeschluss vom 28. April 2021 - 2 BvR 1451/18 - juris Rn. 1). Auch der Kläger zweifelt das nicht an. 24 bb) In der straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass das Gericht bei einer Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren nur dann gehalten ist, sich von der Zuverlässigkeit der Messung zu überzeugen, wenn der Betroffene konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler darlegt oder sich solche Anhaltspunkte sonst ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92 - BGHSt 39, 291 = juris Rn. 28; OLG Hamm, Beschluss vom 11. Dezember 2006 - 2 Ss OWi 598/06 - juris Rn. 13; OLG Celle, Beschluss vom 26. Juni 2009 - 311 SsBs 58/09 - juris Rn. 12; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Juli 2014 - IV-1 RBs 50/14 - juris Rn. 20). Diesen Ansatz hat das Bundesverfassungsgericht aus verfassungsrechtlicher Sicht gebilligt. Es sei im Ausgangspunkt von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Fachgerichte im Ordnungswidrigkeitenverfahren im Falle eines standardisierten Messverfahrens von einer reduzierten Sachverhaltsaufklärungs- und Darlegungspflicht ausgingen. Mit dieser Rechtsprechungspraxis zum standardisierten Messverfahren bei Geschwindigkeitsverstößen werde gewährleistet, dass bei massenhaft vorkommenden Verkehrsordnungswidrigkeiten nicht jedes Amtsgericht bei jedem einzelnen Bußgeldverfahren anlasslos die technische Richtigkeit einer Messung jeweils neu überprüfen müsse (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 - NZV 2021, 41 Rn. 39, 47 ff.). Die damit verbundene Minderung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht ist gerechtfertigt, weil die Zulassung solcher Messgeräte durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt und die Berücksichtigung eines Toleranzwerts grundsätzlich eine ausreichende Gewähr dafür bieten, dass die Messung bei Einhaltung der vorgeschriebenen Einsatzbedingungen auch im Einzelfall ein fehlerfreies Ergebnis liefern wird (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1997 - 4 StR 24/97 - BGHSt 43, 277 = juris Rn. 26; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Juli 2015 - 2 (7) SsBs 212/15 - juris Rn. 6 m. w. N.). 25 cc) Es ist revisionsrechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass das Berufungsgericht (UA S. 19) diese Grundsätze - in Übereinstimmung mit weiteren Obergerichten und der Literatur (vgl. etwa VGH Mannheim, Beschluss vom 10. August 2015 - 10 S 278/15 - juris Rn. 7; OVG Münster, Beschluss vom 20. Dezember 2018 - 8 B 1018/18 - juris Rn. 4 f.; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023 § 31a StVZO Rn. 16 f. m. w. N.) – in einem Verfahren anwendet, das eine Fahrtenbuchanordnung zum Gegenstand hat. Das ist deshalb von Bedeutung, weil auch die Behörde, die das Führen eines Fahrtenbuchs anordnet, und das Verwaltungsgericht in einem anschließenden Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung selbständig das Vorliegen aller (objektiven) Tatbestandsmerkmale der straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorschrift zu prüfen haben, deren Verletzung einen Verstoß gegen Verkehrsvorschriften im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO begründen soll (stRspr, vgl. u. a. OVG Münster, Beschluss vom 4. Januar 2021 - 8 B 1781/20 - juris Rn. 18 sowie Dauer a. a. O., m. w. N.). Sie sind danach nicht verpflichtet, ohne konkreten Anlass gewissermaßen ""ins Blaue hinein"" das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren zu hinterfragen. 26 Die Einwände, die der Kläger gegen die Heranziehung dieser Grundsätze in Fahrtenbuchverfahren geltend macht, sind unbegründet. Zwar mag zutreffen, dass es sich bei einer Fahrtenbuchanordnung, weil deren Erlass gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO außer dem Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zusätzlich voraussetzt, dass der dafür Verantwortliche nicht festgestellt werden konnte, zahlenmäßig in einem geringeren Umfang um Massenverfahren handelt, als das bei straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfahren der Fall ist, die eine Geschwindigkeitsüberschreitung ahnden sollen. Daher mag - wie der Kläger geltend macht - bei Fahrtenbuchverfahren die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, die einer der Gesichtspunkte für den reduzierten Umfang der Amtsermittlungspflicht bei durch standardisierte Messverfahren gewonnenen Geschwindigkeitsmessungen ist (so u. a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 - NZV 2021, 41 Rn. 35), nur in einem geringeren Umfang berührt sein. Auch in Bezug auf Fahrtenbuchanordnungen ist eine Reduzierung der behördlichen und gerichtlichen Amtsaufklärungspflicht gleichwohl deshalb gerechtfertigt, weil mit Blick auf die Zulassungs- und Konformitätsüberprüfungsverfahren, die die entsprechenden Messgeräte durchlaufen müssen, sowie auf deren regelmäßige Eichung von einer ausreichenden Gewähr für die Richtigkeit der ermittelten Messergebnisse ausgegangen werden kann. 27 e) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 - NZV 2021, 41) korrespondiert in Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung mit dem Erfordernis, plausible Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des Messergebnisses vorzutragen, ein aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m Art. 20 Abs. 3 GG; vgl. auch VerfGH SL, Urteil vom 5. Juli 2019 - Lv 7/17 - LVerfGE 30, 325 zu Art. 60 Abs. 1 Verf SL i. V. m. Art. 20 Verf SL) hergeleiteter Anspruch des Betroffenen darauf, nach Maßgabe dort näher beschriebener Voraussetzungen den Zugang zu Rohmessdaten zu erhalten, die ihm eine eigenständige und unabhängige Überprüfung des Messergebnisses erst ermöglichen. Ein rechtsstaatliches und faires Verfahren fordere - so das Bundesverfassungsgericht – ""Waffengleichheit"" zwischen den Bußgeldbehörden einerseits und dem Betroffenen im Ordnungswidrigkeitenverfahren andererseits (a. a. O. Rn. 50, 53). 28 Das Recht auf Zugang zu den außerhalb der Akten befindlichen Informationen gilt aber nicht unbegrenzt. Die begehrten, hinreichend konkret benannten Informationen müssten - so das Bundesverfassungsgericht - in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und erkennbar eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen. Insofern sei maßgeblich auf die Perspektive des Betroffenen bzw. seines Verteidigers abzustellen. Entscheidend sei, ob er eine Information verständiger Weise für die Beurteilung des Ordnungswidrigkeitenvorwurfs für bedeutsam halten dürfe (Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 - NZV 2021, 41 Rn. 57). Abgesehen davon sei der Anspruch des Betroffenen auf Zugang zu außerhalb der Akten befindlichen Informationen auch zeitlich begrenzt. Zwar stehe ihm ein Zugangsrecht vom Beginn bis zum Abschluss des Verfahrens zu. Der Betroffene könne sich mit den Erkenntnissen aus dem Zugang zu weiteren Informationen aber nur erfolgreich verteidigen, wenn er ihn rechtzeitig im Bußgeldverfahren beantragt habe. Von Verfassungs wegen sei dies nicht zu beanstanden (a. a. O. Rn. 60). Die Rechtzeitigkeit des Antrags auf Zugang zu weiteren Daten hat das Bundesverfassungsgericht im damaligen Fall bejaht; der Betroffene hatte ihn bereits bei der Anhörung durch die Bußgeldstelle gestellt (a. a. O. Rn. 3, 66). 29 f) Diese vom Bundesverfassungsgericht aus Anlass eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens entwickelten Grundsätze sind auf die Fahrtenbuchverfahren zu übertragen. Das folgt wegen des Gegenstandes des verfassungsgerichtlichen Verfahrens zwar nicht aus § 31 Abs. 1 BVerfGG. Doch auch wenn die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, anders als die Verhängung einer Kriminalstrafe oder eines Bußgeldes nicht repressiv der Sanktionierung eines Fehlverhaltens, sondern - wie gezeigt - präventiv der Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dient (vgl. zur präventiven Ausrichtung BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 - 3 C 13.14 - BVerwGE 152, 180 Rn. 19 m. w. N.), handelt es sich um ein hoheitliches Vorgehen, das einen Eingriff in die Rechte des Fahrzeughalters bewirkt. Zugleich ist - wie gezeigt - in Fahrtenbuchverfahren der Umfang der Amtsermittlung begrenzt. Das aus Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitete Recht auf ein faires Verfahren gebietet deshalb auch hier, dass dem Adressaten einer Fahrtenbuchanordnung unter den vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten Voraussetzungen die Möglichkeit eröffnet wird, die Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren, auf der die Annahme des Verkehrsverstoßes beruht, eigenständig zu überprüfen und daraus Erkenntnisse zu gewinnen, die ihm den von ihm geforderten Vortrag plausibler Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Geschwindigkeitsmessung erst ermöglichen können. 30 g) Nicht entschieden hat das Bundesverfassungsgericht in diesem Kammerbeschluss dagegen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang bei der Anwendung eines standardisierten Messverfahrens Rohmessdaten gespeichert und vorgehalten werden müssen, und was für die Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung daraus folgt, wenn das nicht geschehen ist. Demgegenüber hatte der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes (Urteil vom 5. Juli 2019 - 1 Lv 7/17 - LVerfGE 30, 325) aus Art. 60 Abs. 1 i. V. m Art. 20 der Verfassung des Saarlandes ein Grundrecht auf ein faires Verfahren hergeleitet, das - in Verbindung mit Art. 14 Abs. 3 Verf SL - ein Grundrecht auf wirksame Verteidigung einschließe (a. a. O. S. 335 ff. = juris Rn. 78 ff.). Es sei verletzt, wenn beim Einsatz eines standardisierten Messverfahrens die Rohmessdaten nicht gespeichert wurden, die dem Betroffenen eine Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung erst ermöglichten. Das führe dazu, dass in einem solchen Fall die Geschwindigkeitsmessung nicht verwertbar sei (a. a. O. Rn. 80, 125; anders dagegen u. a. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Januar 2020 - VGH B 19/19 - NZV 2020, 92 Rn. 48; OVG Münster, Beschluss vom 4. Januar 2021 - 8 B 1781/20 - juris Rn. 27 ff.). 31 Im vorliegenden Verfahren bedarf das keiner Entscheidung. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die der Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen hat und die deshalb für die revisionsgerichtliche Überprüfung des angegriffenen Urteils bindend sind (§ 137 Abs. 2 VwGO), hat das verwendete Messgerät die für eine Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung erforderlichen Rohmessdaten gespeichert (UA S. 25). 32 h) Ebenso wenig ist vorliegend zu entscheiden, ob dem Betroffenen in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren bzw. dem Adressaten einer Fahrtenbuchanordnung Zugang zu mehr als zu den zum eigenen Fahrzeug gespeicherten Rohmessdaten zu gewähren ist, insbesondere nicht, ob und inwieweit ihm auch ein Recht auf Einsichtnahme in die Rohmessdaten Dritter zusteht (ablehnend etwa OLG Zweibrücken, Beschluss vom 4. Mai 2021 - 1 OWi 2 SsRs 19/21 - NZV 2022, 27 sowie OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. August 2016 - 2 Ss-OWi 589/16 - und BayOblG München, Beschluss vom 4. Januar 2021 - 202 ObOWi 1532/20 - DAR 2021, 104 = juris Rn. 11; bejahend dagegen OLG Jena, Beschluss vom 17. März 2021 - 1 OLG 331 SsBs 23/20 - und OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. August 2021 - 4 Rb 12 Ss 1094/20 - VRS 140, 319; offen gelassen von BGH, Beschluss vom 30. März 2022 - 4 StR 181/21 - NZV 2022, 287). 33 Der Einwand des Klägers, ihm sei der beantragte Zugang zu Rohmess- und sonstigen Daten nicht im gebotenen Umfang gewährt worden, erweist sich - wie den nachfolgenden Ausführungen zu entnehmen ist - bereits deshalb nicht als tragfähig, weil er gegenüber der Bußgeldstelle nicht alles ihm Zumutbare unternommen hat, um von ihr den begehrten Datenzugang zu erhalten. 34 3. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Beklagte habe beim Erlass der Fahrtenbuchanordnung von einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 41 km/h (nach Toleranzabzug) und damit von einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ausgehen dürfen, weil der Kläger den Zugang zu den Rohmessdaten zur Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung nicht rechtzeitig bei der Bußgeldstelle beantragt habe, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Für die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, ein solcher Antrag sei nur dann rechtzeitig im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgt, wenn der Datenzugang vor Ablauf der Geltungsdauer der Fahrtenbuchanordnung beantragt worden sei, findet sich im Bundesrecht keine rechtliche Grundlage. 35 Unzutreffend ist allerdings die Rüge des Klägers, das Oberverwaltungsgericht habe § 77 Abs. 2 OWiG entsprechend angewandt. Es leitet die von ihm angenommene Beschränkung vielmehr aus dem einschlägigen Fach- und Verfahrensrecht ab (UA S. 29). 36 Fraglich erscheint indes bereits, ob das Bundesverfassungsgericht in seinem Kammerbeschluss vom 12. November 2020 mit dem Kriterium eines ""rechtzeitigen"" Zugangsantrags (2 BvR 1616/18 - NZV 2021, 41 Rn. 60) eine Anspruchsvoraussetzung in Form eines für alle Bußgeldverfahren gleichermaßen geltenden festen Zeitpunkts gemeint hat, oder nicht vielmehr - worauf die Erwähnung von § 77 Abs. 2 OWiG hindeutet - auf die prozessualen Möglichkeiten hingewiesen hat, die dem Gericht in Bußgeldverfahren in Abhängigkeit vom jeweiligen Verfahrensstand eröffnet sind, um verspäteten, insbesondere zu einer Verfahrensverzögerung führenden Sachvortrag zurückzuweisen. 37 Aber auch unabhängig davon können weder dem Verwaltungsprozessrecht (a) noch dem für Fahrtenbuchanordnungen geltenden Fachrecht (b) Anhaltspunkte für den vom Oberverwaltungsgericht als maßgeblich angesehenen Zeitpunkt für die ""Rechtzeitigkeit"" eines Antrags auf Datenzugang bei der Bußgeldstelle entnommen werden. 38 a) Für die Beantwortung der Frage, welche Erkenntnisse das Verwaltungsgericht für die Beurteilung heranziehen darf, ob es zu einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO gekommen ist, sind der Umstand und der Zeitpunkt der Erledigung der Fahrtenbuchanordnung aus verwaltungsprozessualer Sicht grundsätzlich ohne Bedeutung. Mit der Möglichkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage in direkter oder entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO eröffnet die Verwaltungsgerichtsordnung dem Adressaten einer Fahrtenbuchanordnung die Möglichkeit, deren Rechtmäßigkeit auch noch dann gerichtlich überprüfen zu lassen, wenn sie sich erledigt hat und damit keine unmittelbaren Rechtswirkungen mehr zeitigt. Voraussetzung hierfür ist - wie gezeigt –, dass der Betroffene ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit hat. Besteht ein solches berechtigtes Interesse, erfolgt eine umfassende verwaltungsgerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung, ohne dass der Umstand der Erledigung zu einer Reduzierung des Prüfungsumfangs führt. Dementsprechend sind vom Verwaltungsgericht grundsätzlich auch erst nach dem Erledigungseintritt gewonnene Erkenntnisse zu tatsächlichen Umständen zu berücksichtigen, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts maßgeblich sind, also auch solche Erkenntnisse, zu denen das Verwaltungsgericht erst in Wahrnehmung seiner Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO), etwa durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens, gelangt ist. Es wäre widersprüchlich, die verwaltungsgerichtliche Überprüfung eines bereits erledigten Verwaltungsakts zu eröffnen, jedoch Erkenntnisse, die dem Verwaltungsgericht für die Beurteilung eines in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Sachverhalts zur Verfügung stehen, von der Berücksichtigung ausschließen. Damit würde der Anspruch auf verwaltungsgerichtliche Überprüfung, der im Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) wurzelt, zum Teil wieder entwertet. 39 Hinzu kommt, dass die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, erst nach der Erledigung der Fahrtenbuchanordnung gewonnene Erkenntnisse könnten nicht verwertet werden, in der Sache eine Präklusion zur Folge hat. Das setzt jedoch eine rechtliche Regelung voraus, die einen solchen Einwendungsausschluss mit der gebotenen Rechtsklarheit anordnet. Hieran fehlt es. 40 b) Aus dem maßgeblichen Fachrecht folgt nichts Anderes. Die Beurteilung, ob die gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO erforderliche Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften vorliegt, hat - wie bereits ausgeführt - einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Vorgang zum Gegenstand. Es handelt sich nicht um eine Prognose, bei der nach allgemeinen Grundsätzen auf eine ex-ante-Betrachtung abzustellen wäre. Sollte sich das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung als unzutreffend erweisen, etwa weil sich herausstellt, dass das Messgerät defekt war oder dass es zu einem Bedienungsfehler gekommen ist, kann hierauf die Annahme einer Geschwindigkeitsüberschreitung und damit einer Zuwiderhandlung im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO nicht gestützt werden. Das gilt unabhängig davon, ob sich der Messfehler und dessen Ursache noch während der Wirksamkeit der Anordnung oder erst nach deren Erledigung, etwa im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, herausstellen. 41 Etwas Anderes kann entgegen der Annahme des Oberverwaltungsgerichts nicht daraus hergeleitet werden, dass die für den Erlass der Fahrtenbuchanordnung zuständige Behörde und das deren Entscheidung überprüfende Verwaltungsgericht bei Anwendung eines standardisierten Messverfahrens solange von der Richtigkeit der Messung ausgehen können, wie der Betroffene keine plausiblen Anhaltspunkte gegen deren Richtigkeit vorträgt. Ergeben sich solche Anhaltspunkte erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, sind sie - vorbehaltlich der verwaltungsprozessualen Möglichkeiten, die etwa nach § 87 b VwGO bestehen, um eine Verfahrensverzögerung durch verspätetes Vorbringen zu verhindern (vgl. zu § 77 Abs. 2 OWiG in Ordnungswidrigkeitenverfahren BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 - NZV 2021, 41 Rn. 60) – bei der Feststellung zu berücksichtigen, ob es zu einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO gekommen ist (zur Berücksichtigung von nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens gewonnenen Erkenntnissen BVerwG, Beschluss vom 21. November 2022 - 3 B 1.22 - NVwZ 2023, 265 Rn. 13 f., dort zum Arzneimittelrecht). 42 4. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts erweist sich aber aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Kläger hat weder im Verwaltungs- noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - wie geboten - konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler vorgetragen. Daher durfte das Oberverwaltungsgericht von der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung ausgehen (a). Das Recht auf ein faires Verfahren steht dem nicht entgegen. Es ist nicht verletzt, da der Kläger nicht alles ihm Zumutbare unternommen hat, um den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Datenzugang bei der Bußgeldstelle durchzusetzen (b). 43 a) Wie eingangs gezeigt, können auch die für den Erlass einer Fahrtenbuchanordnung zuständige Behörde und das Verwaltungsgericht bei deren gerichtlicher Überprüfung das durch ein standardisiertes Messverfahren gewonnene Messergebnis zugrunde legen, solange und soweit der Adressat der Anordnung keine plausiblen Anhaltspunkte für einen Messfehler darlegt. 44 Solche Anhaltspunkte hat der Kläger weder im Verwaltungs- noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgezeigt. Er hat sich, nachdem sich sein Einwand, das Messgerät habe keine Rohmessdaten gespeichert, nach der Sachaufklärung im Berufungsverfahren als unzutreffend erwiesen hat, darauf beschränkt vorzutragen, ihm seien von der Bußgeldstelle nicht alle aus seiner Sicht zur Überprüfung des Messergebnisses erforderlichen Daten zur Verfügung gestellt worden; insbesondere habe er nicht die bei der Messreihe angefallenen Rohmessdaten Dritter und die Statistikdatei erhalten. 45 b) Seine auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 5. Juli 2019 - Lv 7/17 - gestützte Rüge, das Recht auf ein faires Verfahren sei deshalb verletzt und das Messergebnis demzufolge nicht verwertbar, geht fehl. 46 Wurde bei einer Geschwindigkeitsmessung ein standardisiertes Messverfahren verwendet, folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) zwar ein Anspruch des Adressaten einer Fahrtenbuchanordnung auf Zugang zu bei der Bußgeldstelle vorhandenen Daten innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Grenzen. Das Recht auf ein faires Verfahren, bei dem - wie das Bundesverfassungsgericht klargestellt hat (Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 - NZV 2021, 41 Rn. 33) – die Gesamtheit des Verfahrens in den Blick zu nehmen ist, begründet aber nicht nur Rechte, sondern auch Obliegenheiten des Betroffenen. Es handelt sich nicht um eine ""Einbahnstraße"". Der Adressat einer Fahrtenbuchanordnung ist der Sachverwalter seiner Interessen. Das gilt auch und gerade dann, wenn es um den Zugang zu Daten geht, die sich außerhalb der Akten des Fahrtenbuchverfahrens befinden, und die Bußgeldstelle, bei der die gewünschten Daten gespeichert sind, – wie in der Regel - nicht Beteiligte des Verfahrens auf Erlass und anschließende gerichtliche Überprüfung der Fahrtenbuchanordnung ist. Es obliegt dem Adressaten der Fahrtenbuchanordnung, alle ihm zumutbaren Schritte zu unternehmen, um den aus seiner Sicht bestehenden Anspruch auf Datenzugang bei der Bußgeldstelle geltend zu machen und gegebenenfalls ihr gegenüber gerichtlich durchzusetzen. Eine solche gerichtliche Durchsetzung findet außerhalb des die Fahrtenbuchanordnung betreffenden Rechtsstreits in einem gesonderten, gegen die Bußgeldstelle zu richtenden Verfahren statt. Verweigert die Bußgeldstelle dem Adressaten der Fahrtenbuchanordnung den Zugang zu bei ihr vorhandenen Informationen ganz oder teilweise, führt das auch nicht dazu, dass dann das Verwaltungsgericht die Bußgeldstelle von Amts wegen oder auf Antrag des Klägers gemäß § 86 Abs. 1, § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO auffordern müsste, ihm die vom Kläger begehrten Informationen zugänglich zu machen. Die verwaltungsgerichtliche Amtsermittlungspflicht setzt - wie gezeigt - erst dann ein, wenn plausible Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren dargelegt sind. Nur wenn der Adressat einer Fahrtenbuchanordnung seine im Zusammenhang mit dem gewünschten Datenzugang bestehenden Obliegenheiten erfüllt, kann es im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit Blick auf das Recht auf ein faires Verfahren geboten sein, ihm nicht die Möglichkeit zu nehmen, auf der Grundlage der begehrten Informationen konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler vorzutragen. 47 Der Kläger hat nicht alles ihm Zumutbare unternommen, um von der Bußgeldstelle die nach seiner Einschätzung für eine Überprüfung des Messergebnisses erforderlichen Daten zu erhalten. Einen Antrag auf Datenzugang hat er bei der Bußgeldstelle erst am 1. Juli 2021 gestellt. Auf diesen Antrag hin hat sie ihm mit Schreiben vom 27. August 2021 unter anderem die seinen PKW betreffenden Rohmessdaten zur Verfügung gestellt, allerdings nicht - wie vom Kläger beantragt - zusätzlich auch die Rohmessdaten der gesamten Messreihe oder hilfsweise die des Messtages, was auch die Daten zu anderen Verkehrsteilnehmern eingeschlossen hätte. Ebenso wenig hat sie dem Kläger - wie er ebenfalls beantragt hatte - die Statistikdatei übermittelt. Zur Begründung hat die Bußgeldstelle unter Bezugnahme auf den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 - (NZV 2021, 41) darauf abgestellt, dass durch die Einsichtnahme in Messunterlagen, die Dritte beträfen, deren Rechte tangiert sein könnten. Der Kläger habe nicht plausibel gemacht, weshalb die Kenntnis vom Inhalt andere Verkehrsteilnehmer betreffender Daten für seine Verteidigung Bedeutung gewinnen könne und er deshalb auf diese Informationen angewiesen sei. Weitere, auch gerichtliche Schritte, um den von ihm behaupteten Zugangsanspruch gegenüber der Bußgeldstelle durchzusetzen, hat der Kläger - wie sein Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat - nicht unternommen. Auch aus den ihm von der Bußgeldstelle zur Verfügung gestellten Daten hat der Kläger keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des Messergebnisses abgeleitet. 48 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2023-13,16.02.2023,"Pressemitteilung Nr. 13/2023 vom 16.02.2023 EN Voraussetzungen der Auswertung digitaler Datenträger durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Asylverfahren Die bei Fehlen von Pässen oder Passersatzpapieren regelmäßig erfolgende Auswertung digitaler Datenträger (u.a. Mobiltelefone) durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) bei der Registrierung von Asylantragstellern ist ohne hinreichende Berücksichtigung sonstiger vorliegender Erkenntnisse und Dokumente nicht rechtmäßig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin, ihren Angaben zufolge eine afghanische Staatsangehörige, reiste 2019 ins Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, ohne einen gültigen Pass oder Passersatz vorzulegen. Zum Identitätsnachweis reichte sie u.a. eine von afghanischen Behörden ausgestellte sogenannte Tazkira (Ausweisdokument ohne biometrische Daten) und eine Heiratsurkunde ein. Das Bundesamt forderte die Klägerin auf, ihr Mobiltelefon herauszugeben sowie dessen Zugangsdaten mitzuteilen. Dem kam die Klägerin nach. Nach kurzfristiger Auslesung und Datenspeicherung erhielt sie das Mobiltelefon  zurück. Auf ihre Klage hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Anordnung gegenüber der Klägerin, die Zugangsdaten für ihr Mobiltelefon zur Verfügung zu stellen, rechtswidrig und das Bundesamt nicht berechtigt gewesen sei, die Daten der Klägerin von ihrem Mobiltelefon auszulesen, mittels Software auszuwerten, den aus der Auswertung generierten Ergebnisreport für das Asylverfahren freizugeben und der Entscheidung über den Asylantrag zugrunde zu legen. Die sonst vorliegenden Erkenntnisse und Dokumente hätten gegenüber der Datenauswertung ein milderes Mittel zur Identitätsfeststellung dargestellt. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt und die dagegen gerichtete Revision des Bundesamtes zurückgewiesen. Die Auswertung digitaler Datenträger zur Ermittlung von Identität und Staatsangehörigkeit eines Ausländers ist erst zulässig, wenn der Zweck der Maßnahme, bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Anordnung, nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann (§ 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG). Im Fall der Klägerin standen nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts mildere und damit vom Bundesamt vorrangig heranzuziehende Mittel - hier: Tazkira, Heiratsurkunde, Registerabgleiche und Nachfrage beim Sprachmittler zu sprachlichen Auffälligkeiten - zur Gewinnung weiterer Indizien zur Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit zur Verfügung. Damit erweist sich die an die Klägerin gerichtete Aufforderung, ihre Zugangsdaten für die Auswertung ihres Mobiltelefons mitzuteilen, als unverhältnismäßig und deshalb rechtswidrig. Entsprechendes gilt für die Auswertung des Datenträgers.  BVerwG 1 C 19.21 - Urteil vom 16. Februar 2023 Vorinstanz: VG Berlin, VG 9 K 135/20 A - Urteil vom 01. Juni 2021 -","Urteil vom 16.02.2023 - BVerwG 1 C 19.21ECLI:DE:BVerwG:2023:160223U1C19.21.0 EN Voraussetzungen der Auswertung digitaler Datenträger im Asylverfahren Leitsatz: Der Begriff der Auswertung von Datenträgern nach § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG umfasst sämtliche Maßnahmen der die Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit eines Ausländers bezweckenden Datenverarbeitung, die sich auf einen nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG vorgelegten, ausgehändigten oder überlassenen Datenträger bezieht. Dazu gehört auch das Auslesen eines Datenträgers. Rechtsquellen AsylG § 15 Abs. 2 Nr. 6, § 15a Abs. 1, § 77 AufenthG § 48 Abs. 3a Satz 3, § 48a Abs. 1, Abs. 3 VwGO §§ 43, 44a, 58 Abs. 2, § 113 Abs. 1 Satz 4, § 134 Abs. 1, § 137 Abs. 2 GG Art. 19 Abs. 4 Satz 1 RL 2013/32/EU Art. 31 Abs. 3 - 5, Art. 46 Abs. 4 Instanzenzug VG Berlin - 01.06.2021 - AZ: 9 K 135/20 A Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 16.02.2023 - 1 C 19.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:160223U1C19.21.0] Urteil BVerwG 1 C 19.21 VG Berlin - 01.06.2021 - AZ: 9 K 135/20 A In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dollinger und Böhmann und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp und Fenzl für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. Juni 2021 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die 19.. geborene Klägerin reiste zusammen mit ihrer 20.. geborenen Tochter am 6. Mai 20.. in die Bundesrepublik Deutschland ein und meldete sich beim Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten als Asylsuchende. Sie gab an, afghanische Staatsangehörige zu sein, die 20.. aus Afghanistan ausgereist sei und sodann etwa zehn Jahre im Iran gelebt habe. Danach sei sie über die Türkei und Griechenland ins Bundesgebiet gelangt. Neben der auf den 6. September 20.. datierenden Tazkira, einem afghanischen Ausweisdokument ohne biometrische Daten, legte sie eine Heiratsurkunde vom 25. Juni 20.. sowie eine weitere Bescheinigung der afghanischen Botschaft in Athen vor, der zufolge auch ihre Tochter afghanische Staatsangehörige sei. 2 Am 15. Mai 2019 beantragte die Klägerin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, nachfolgend Bundesamt, förmlich Asyl, ohne einen gültigen Pass oder Passersatz vorzulegen. Das Bundesamt forderte sie dabei auf, ihr Mobiltelefon herauszugeben sowie dessen Zugangsdaten mitzuteilen oder ihr Mobiltelefon mit den Zugangsdaten zu öffnen. Dem kam die Klägerin nach. Das entsperrte Mobiltelefon wurde im Beisein der Klägerin an einen speziellen Rechner angeschlossen, der die Daten in einem Zeitraum von weniger als einer Stunde auslas, automatisiert zu einem Ergebnisreport verarbeitete und diesen in einem Datentresor speicherte. Der Ergebnisreport enthält Angaben darüber, in welche Länder die Klägerin am häufigsten telefonierte und Nachrichten versendete und aus welchen Ländern sie am häufigsten angerufen wurde und Nachrichten empfing, in welchen Sprachen kommuniziert wurde und in welchen Ländern sich die eingerichteten Kontakte befanden. Nach dem Auslesen der Daten erhielt die Klägerin ihr Mobiltelefon zurück. 3 Noch am selben Tag vermerkte das Bundesamt das Ergebnis der durchgeführten Registerabgleiche. Des Weiteren wurde die Klägerin zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates, zur Klärung der Zulässigkeit des Asylantrages und zum Reiseweg befragt. Der zugezogene Sprachmittler gab an, bei der Klägerin keine sprachlichen Auffälligkeiten wahrgenommen zu haben. Die von der Klägerin eingereichten Unterlagen wurden übersetzt. 4 Nachdem der für den Asylantrag der Klägerin und ihrer Tochter zuständige Sachbearbeiter des Bundesamts den Ergebnisreport angefordert hatte, gab ein Mitarbeiter mit der Befähigung zum Richteramt am 28. Mai 2019 den Ergebnisreport mit der Begründung frei, die Auswertung des Datenträgers sei erforderlich und verhältnismäßig. Er importierte den Ergebnisreport in die Asylakte. 5 Im Juni 2019 wurde die Klägerin zu den von ihr geltend gemachten Fluchtgründen angehört. Die von ihr eingereichten Dokumente wurden auf Echtheit und eventuelle Manipulationen untersucht. Mit Bescheid vom 1. August 2019 lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Klägerin und ihrer Tochter ab. 6 Am 4. Mai 2020 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie sich zuletzt noch gegen die Anordnung des Bundesamtes, die Zugangsdaten ihres Mobiltelefons zur Verfügung zu stellen, sowie das Auslesen, Auswerten und Verwenden der auf diesem Telefon gespeicherten Daten wendet. Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 1. Juni 2021 festgestellt, dass die Anordnung des Bundesamtes vom 15. Mai 2019, die Zugangsdaten der Klägerin für eine Auswertung des von ihr übergebenen Mobiltelefons zur Verfügung zu stellen, rechtswidrig gewesen sei. Ferner sei das Bundesamt nicht berechtigt gewesen, die Daten der Klägerin von ihrem Mobiltelefon auszulesen und mittels einer Software auszuwerten, den aus der Auswertung ihres Mobiltelefons generierten Ergebnisreport zu speichern, den Ergebnisreport für das Asylverfahren der Klägerin freizugeben und der Entscheidung über ihren Asylantrag zugrunde zu legen. 7 Die Anordnung, die Zugangsdaten zur Verfügung zu stellen, finde in § 15a Abs. 1 AsylG i. V. m. § 48 Abs. 3a Satz 3 AufenthG keine Rechtsgrundlage. Sie sei hier zwar im Sinne des § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG erforderlich gewesen, doch sei ihr Zweck, Hinweise und Erkenntnisse zur Identität und Staatsangehörigkeit der Klägerin zu erhalten, zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung durch mildere Mittel zu erreichen gewesen. Entsprechendes gelte für die weiteren Maßnahmen der Beklagten, die mit § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht zu vereinbaren seien. 8 Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision macht die Beklagte geltend, die Klage sei unzulässig, aber auch unbegründet. Das Auslesen eines Mobiltelefons stelle noch keine Auswertung von Datenträgern im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG dar. Ein anderes Verständnis würde dazu führen, dass die gesetzgeberische Intention einer zügigen Klärung der Identität und der Staatsangehörigkeit der Asylsuchenden nicht erreicht werden könnte. Das Vorgehen der Beklagten entspreche auch im Übrigen den hierfür geltenden rechtlichen Anforderungen, namentlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. 9 Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. 10 Die Vertreterin des Bundesinteresses unterstützt unter Verweis auf die Materialien zu § 15a AsylG die Auffassung der Beklagten. II 11 Die nach § 134 Abs. 1 und § 49 Nr. 2 VwGO zulässige Sprungrevision ist nicht begründet. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die gegen die Klägerin ergangene Anordnung, die Zugangsdaten ihres Mobiltelefons zur Verfügung zu stellen, rechtswidrig (1.) und das Bundesamt nicht berechtigt war, die weiteren Maßnahmen zur Auswertung des Datenträgers vorzunehmen (2.). 12 1.a) Soweit die Klage sich gegen die Anordnung richtet, die Zugangsdaten des Mobiltelefons zur Verfügung zu stellen, ist sie als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Die Anordnung hat sich jedenfalls mit der Rückgabe des Mobiltelefons an die Klägerin erledigt (§ 43 Abs. 2 VwVfG). 13 § 44a Satz 1 VwGO steht der Zulässigkeit der Klage, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis richtig erkannt hat, nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Das in Art. 19 Abs. 4 GG verankerte Prinzip der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebietet indessen eine einschränkende Auslegung der Vorschrift in den Fällen, in denen bei einer Abwägung zwischen dem von § 44a Satz 1 VwGO verfolgten Zweck der Gewährleistung eines effektiven Verwaltungsverfahrens und den Belangen des Betroffenen Letzteren eindeutig der Vorrang einzuräumen ist, insbesondere deshalb, weil die negativen Folgen für diesen besonders schwer wiegen. So können etwa Verfahrenshandlungen, die in materielle Rechtspositionen des Betroffenen eingreifen und dadurch eine selbstständige, im Verhältnis zur abschließenden Sachentscheidung andersartige Beschwer enthalten, selbstständig angefochten werden (BVerwG, Urteil vom 24. November 2011 - 7 C 12.10 - Buchholz 406.391 § 4 KultgschG Nr. 1 Rn. 32). So liegt der Fall hier, da die angegriffene Anordnung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingreift und damit eine andere Rechtsposition als die Sachentscheidung über ihren Asylantrag betrifft. 14 Damit muss nicht abschließend entschieden werden, ob die angegriffene Anordnung - wie das Verwaltungsgericht meint - dadurch im Sinne des § 44a Satz 2 VwGO vollstreckt werden könnte, dass das Bundesamt auf der Grundlage des § 15a Abs. 1 Satz 2 AsylG i. V. m. § 48a Abs. 1 AufenthG ein Auskunftsverlangen an einen Telekommunikationsdienstleister richtet. 15 Der Klägerin steht das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der von ihr begehrten Feststellung zur Seite. 16 Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein und sich insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch ergeben. Die gerichtliche Feststellung muss geeignet sein, die betroffene Position des Rechtsschutzsuchenden zu verbessern (BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 20 und vom 17. November 2016 - 2 C 27.15 - BVerwGE 156, 272 Rn. 13 m. w. N.). 17 Bei Grundrechtseingriffen ist im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen, wenn andernfalls kein wirksamer Rechtsschutz gegen solche Eingriffe zu erlangen wäre. Davon ist bei Maßnahmen auszugehen, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 32 unter Hinweis auf BVerfG, Beschlüsse vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99 u. a. - BVerfGE 104, 220 <232 f.> und vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <86> m. w. N). 18 Bei der angegriffenen Anordnung handelt es sich um einen derartigen Verwaltungsakt. Er erledigt sich typischerweise - und so auch hier - spätestens mit der Rückgabe des Mobiltelefons an den Antragsteller (§ 43 Abs. 2 VwVfG). Hiergegen kann wirksamer Rechtsschutz in Form der Anfechtungsklage nicht erlangt werden. 19 Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch rechtzeitig erhoben worden. Ist die Widerspruchsfrist (§ 70 VwGO) oder die Klagefrist (§ 74 VwGO) bei Eintritt des erledigenden Ereignisses vor einer Klageerhebung - wie hier - noch nicht abgelaufen, der Verwaltungsakt also noch nicht bestandskräftig, so ist die auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit gerichtete Klage weder an die Monatsfrist des § 74 VwGO noch (in analoger Anwendung) an die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO gebunden (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <207 f.>). 20 Anhaltspunkte für eine Verwirkung des Klagerechts (vgl. zu deren Voraussetzungen BVerwG, Urteil vom 30. August 2018 - 2 C 10.17 - BVerwGE 163, 36 Rn. 21) durch die Klägerin bestehen nicht. 21 Entgegen der Auffassung der Revision folgt aus Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU keine sechsmonatige Frist für die Erhebung der Klage. Dem steht bereits entgegen, dass die Vorschriften dieser Richtlinie keine unmittelbare Regelungswirkung zulasten der Klägerin entfalten (vgl. Art. 288 Abs. 3 AEUV). Im Übrigen betrifft Art. 31 RL 2013/32/EU nicht das gerichtliche, sondern das behördliche Verfahren zur Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz. Den Vorschriften über Rechtsbehelfe in Art. 46 ff. RL 2013/32/EU lässt sich kein Hinweis auf eine unionsrechtlich vorgegebene - lediglich - sechsmonatige Klagefrist entnehmen. Vielmehr bleibt es nach Art. 46 Abs. 4 RL 2013/32/EU den Mitgliedstaaten überlassen, angemessene Fristen und sonstige Vorschriften festzulegen, die erforderlich sind, damit der Antragsteller sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf wahrnehmen kann, wobei die Fristen die Wahrnehmung dieses Rechts weder unmöglich machen noch übermäßig erschweren dürfen. 22 b) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht die Rechtswidrigkeit der Anordnung angenommen, weil die hierfür geltenden Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG i. V. m. § 48 Abs. 3a Satz 3 AufenthG nicht erfüllt waren. 23 Danach hat der Ausländer dem nach § 15a Abs. 2 AsylG zuständigen Bundesamt die notwendigen Zugangsdaten für eine zulässige Auswertung von Datenträgern zur Verfügung zu stellen. Aus dem klaren Wortlaut von § 48 Abs. 3a Satz 3 AsylG ergibt sich, dass der Ausländer nur dann zur Offenbarung der Zugangsdaten verpflichtet ist, wenn die damit bezweckte Auswertung von Datenträgern zulässig ist. Schon bei der darauf gerichteten Anordnung müssen daher die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Auswertung vorliegen. 24 aa) Die Auswertung von Datenträgern ist nach § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG nur zulässig, soweit dies für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG erforderlich ist und der Zweck der Maßnahme nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann. 25 Der Begriff der Auswertung von Datenträgern nach § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG umfasst sämtliche Maßnahmen der die Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit eines Ausländers bezweckenden Datenverarbeitung, die sich auf einen nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG vorgelegten, ausgehändigten oder überlassenen Datenträger bezieht. Zur Auswertung gehören daher neben der Datenanalyse auch die vorangehenden Schritte der Datenverarbeitung wie das Auslesen des Datenträgers, die vorübergehende Speicherung der erlangten Daten sowie das automatisierte Generieren und die Speicherung des Ergebnisreports. 26 Dieses Verständnis ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG, der die Auswertung nicht nur von Daten, sondern von Datenträgern und damit alle hierauf bezogenen Maßnahmen der Auswertung zum Gegenstand hat. Dies erfasst schon das Auslesen der auf dem Datenträger befindlichen Daten, welches seinerseits eine Form der Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung) darstellt. 27 In systematischer Hinsicht folgt aus § 15a Abs. 1 Satz 2 AsylG i. V. m. § 48 Abs. 3a Satz 3 AufenthG, dass bereits zum Zeitpunkt der danach vorgesehenen Anordnung die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Datenauswertung vorliegen müssen. Eine Anordnung, die auf die Mitteilung der Zugangsdaten gerichtet ist, bezweckt indessen zunächst das mittels der Zugangsdaten ermöglichte Auslesen des Datenträgers, das Voraussetzung einer weiteren Verarbeitung der dadurch gewonnenen Daten ist. Das entspricht der Absicht des Gesetzgebers, mit § 48 Abs. 3a AufenthG eine Möglichkeit des Auslesens von Datenträgern eines Ausländers zu schaffen (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 2, 23 f.). § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG, der im Asylverfahren die näheren Vorgaben für eine solche Anordnung regelt, bezieht sich daher auf sämtliche Maßnahmen der auf den Zweck des § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG gerichteten Datenverarbeitung, die sich an die Offenbarung der Zugangsdaten anschließen, und nicht nur auf eine Analyse der durch das Auslesen erlangten Daten. 28 Die Entstehungsgeschichte des § 15a AsylG und seine sich daraus ergebende Zwecksetzung sprechen ebenfalls für dieses Verständnis. Mit der Vorschrift sollte eine Möglichkeit zum Auslesen mobiler Datenträger auf der Grundlage einer Einzelfallentscheidung des Bundesamts geschaffen werden; die beim Auslesen für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit relevanten Daten sind nach dem Willen des Gesetzgebers einzeln zu bewerten (vgl. BT-Drs. 18/11546, S. 2, 15). Die rechtlichen Maßstäbe für die erforderliche Einzelfallentscheidung ergeben sich aus der eigens als einschlägige Rechtsgrundlage zur Ergänzung von § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG geschaffenen Ermächtigung in § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG (vgl. BT-Drs. 18/11546, S. 23). Sofern der Erlass einer Anordnung nach § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 48 Abs. 3a Satz 3 AufenthG in Betracht kommt, ist die Einzelfallentscheidung - wie sich bereits aus der dargestellten Gesetzessystematik ergibt - bei der Prüfung der Voraussetzungen der genannten Normen zu treffen. 29 bb) Das Verwaltungsgericht hat die danach maßgeblichen Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG revisionsrechtlich fehlerfrei angewandt. 30 Soweit § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG verlangt, dass die Auswertung des Datenträgers für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG erforderlich ist, hat das Verwaltungsgericht die zuletzt genannte Norm, nach der es für die Verpflichtung zur Aushändigung und Überlassung von Datenträgern ausreicht, dass der jeweilige Datenträger für die zu treffende Feststellung von Bedeutung sein kann, zutreffend interpretiert. Es ist davon ausgegangen, dass der Datenträger insoweit nicht schlechthin ungeeignet sein darf, und dies auf der Grundlage seiner den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen im Hinblick auf die Vielzahl relevanter Daten bejaht, die sich üblicherweise und auch im Falle der Klägerin auf einem Mobiltelefon befinden. 31 Da die Identität und Staatsangehörigkeit der Klägerin im Zeitpunkt der Anordnung der Mitteilung der Zugangsdaten zudem (weiterhin) nicht durch einen gültigen Pass oder Passersatz geklärt waren, war die Datenträgerauswertung im Sinne von § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG erforderlich. 32 Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG setzt die Zulässigkeit der Auswertung außerdem voraus, dass der Zweck der Maßnahme nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann. Im Ergebnis zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass ein Mittel dann milder als die Datenauswertung ist, wenn es zur Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit gleich geeignet ist, aber eine geringere Eingriffsintensität hinsichtlich der betroffenen Grundrechte aufweist. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass dem Bundesamt zum maßgeblichen Zeitpunkt mit der Tazkira, der Heiratsurkunde und der Bescheinigung der afghanischen Botschaft drei von der Klägerin selbst vorgelegte Unterlagen zur Verfügung standen. Ferner seien Registerabgleiche durchgeführt worden; zudem sei eine Nachfrage beim Sprachmittler nach Auffälligkeiten in Betracht gekommen. Hieraus hat das Verwaltungsgericht den Schluss gezogen, dass das Bundesamt zum Zeitpunkt der angegriffenen Anordnung über mehrere Mittel verfügte, die weniger stark in die Grundrechtspositionen der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG eingriffen als die Datenauswertung und deren vorrangige Würdigung unterblieben ist. Diese entscheidungstragende Erwägung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal die vorgelegten Unterlagen von der Klägerin nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ohne eine darauf bezogene Anordnung herausgegeben wurden. 33 2. Unbegründet ist die Revision auch, soweit sie sich gegen die Feststellung der Rechtswidrigkeit der vom Bundesamt getroffenen Maßnahmen der Datenauswertung wendet. 34 a) Dem Verwaltungsgericht ist darin beizupflichten, dass die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und im Übrigen zulässig ist. Dem steht auch insoweit § 44a Satz 1 VwGO nicht entgegen (vgl. hierzu bereits oben Rn. 13 f.). 35 b) Im Einklang mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass das Bundesamt nicht berechtigt war, die Daten aus dem Mobiltelefon der Klägerin auszulesen und mittels einer Software auszuwerten, den hieraus generierten Ergebnisreport zu speichern sowie ihn für das Asylverfahren der Klägerin freizugeben und der Entscheidung über ihren Asylantrag zugrunde zu legen. 36 Die genannten Maßnahmen könnten eine Rechtsgrundlage allein in § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG finden, der - wie bereits dargelegt - die Voraussetzungen der auf die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit eines Ausländers im Sinne des § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG gerichteten Maßnahmen der Auswertung von Datenträgern regelt. 37 Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG ist die Datenauswertung indessen nur zulässig, wenn der Zweck der Maßnahme - die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers - nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann. Dieses Ergebnis wird auch dadurch bestätigt, dass die vom Bundesamt bei der Auswertung des Mobiltelefons gewonnenen Erkenntnisse im weiteren Verfahren - soweit ersichtlich - nicht zur Klärung etwaiger Zweifel an der Identität und Staatsangehörigkeit der Klägerin herangezogen wurden. 38 Diese Voraussetzung lag hier im Zeitpunkt der am 15. Mai 2019 durchgeführten Maßnahmen (Auslesen des Mobiltelefons und softwaregestütztes Generieren eines Ergebnisreports) nicht vor, weil nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts mit den von der Klägerin selbst vorgelegten Unterlagen, den Registerabgleichen und der Möglichkeit der Befragung des Sprachmittlers mildere Mittel als die Datenauswertung zur Verfügung standen. Die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen erstreckt sich - wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat - auch auf die spätere Entscheidung, den gespeicherten Ergebnisreport für das Asylverfahren der Klägerin freizugeben und dem Entscheider damit zu gestatten, ihn bei der Entscheidung zu verwerten. 39 3. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung nach § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor." bverwg_2023-17,03.03.2023,"Pressemitteilung Nr. 17/2023 vom 03.03.2023 EN Ausbildungsförderung trotz Nichtbestehens von bis zum 4. Fachsemester zu erbringenden Leistungsanforderungen Studierenden, die den für weitere Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) über das 4. Fachsemester hinaus erforderlichen Nachweis über den üblichen Leistungsstand nicht erbringen, können ausnahmsweise dennoch Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, wenn das Nichtbestehen von Leistungsanforderungen erstmals zu einer aus studienorganisatorischen Gründen zwingenden Wiederholung von Semestern führt. Dabei kommt es auf die Anzahl der nicht erbrachten Leistungsnachweise nicht an, die Ursache für die Verlängerung des Studiums sind. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin ist Studentin der Pharmazie. Nachdem sie den erforderlichen Nachweis über die Erbringung der üblichen Studienleistungen (""Scheine"") bis zum Abschluss des 4. Fachsemesters nicht vorlegen konnte, beantragte sie beim beklagten Studierendenwerk vergeblich die Fortsetzung der Förderung. Die von der Klägerin daraufhin erhobene Klage auf Weiterförderung im 5. und 6. Fachsemester hat das Verwaltungsgericht abgewiesen, weil eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer nur bei einem einmaligen Leistungsversagen in Betracht komme. Die Klägerin habe jedoch in den ersten beiden Semestern zwei Leistungsnachweise nicht erbracht, die für die Teilnahme an Veranstaltungen in den beiden Folgesemestern erforderlich waren und sie an der Erbringung weiterer Leistungsnachweise hinderten. Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht, mit der die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt, hatte Erfolg. Zwar ist die Weitergewährung von Ausbildungsförderung grundsätzlich ausgeschlossen, wenn Studierende eine Zwischenprüfung nicht bestehen oder - wie hier - die bis zum 4. Fachsemester üblichen Leistungen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG) nicht erbringen. Ausnahmsweise ist aber die Frist zur Vorlage der Leistungsnachweise zu verlängern und weiter Ausbildungsförderung zu gewähren, wenn voraussichtlich eine Überschreitung der Förderungshöchstdauer zu bewilligen sein wird (§ 48 Abs. 2, § 15 Abs. 3 BAföG). Dies ist nach dem Gesetz jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein schwerwiegender Grund für die Überschreitung vorliegt (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG). Ein solcher Grund ist schon von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere dann angenommen worden, wenn Studierende erstmals eine Zwischenprüfung nicht bestehen und deshalb an der planmäßigen Fortsetzung des Studiums gehindert sind. Sie sollen im Falle des Nichtbestehens der bis zum 4. Fachsemester erforderlichen Leistungsanforderungen, das zu einer erstmaligen Verzögerung des Studiums führt, eine zweite Chance erhalten, den Leistungsrückstand in angemessener Zeit durch Ablegung der entsprechenden Prüfungen aufzuholen. Diese gesetzliche Wertung greift auch dann, wenn die Nichterbringung sonstiger Leistungsnachweise dazu führt, dass eine planmäßige Fortsetzung des Studiums in einem höheren Semester nicht möglich ist, weil zunächst nicht bestandene Studienleistungen wiederholt werden müssen. Dabei kommt es entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht darauf an, ob nur ein Leistungsversagen für die Verzögerung ursächlich ist oder ob mehrere nicht bestandene Leistungsnachweise im Zusammenwirken diese Folge auslösen. Entscheidend ist allein, ob es Studierenden aus studienorganisatorischen Gründen erstmalig objektiv unmöglich ist, die fehlenden Leistungen ohne eine sich auf die Förderungshöchstdauer auswirkende Verzögerung des Studiums zu erbringen. Dies ist hier der Fall gewesen, was zu einer Verlängerung des Grundstudiums der Klägerin um zwei Semester führt, für die Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren war. BVerwG 5 C 6.21 - Urteil vom 03. März 2023 Vorinstanz: VG Gera, VG 6 K 173/20 Ge - Urteil vom 04. Mai 2021 -","Urteil vom 03.03.2023 - BVerwG 5 C 6.21ECLI:DE:BVerwG:2023:030323U5C6.21.0 EN Spätere Vorlage der Leistungsbescheinigung nach § 48 Abs. 2 BAföG Leitsätze: 1. Ein Nichtbestehen von nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG maßgeblichen Leistungsanforderungen, das erstmals zu einer wegen der Ausbildungsbestimmungen oder sonst aus studienorganisatorischen Gründen zwingenden Wiederholung von Semestern führt, ist unabhängig von der Anzahl der nicht erbrachten Leistungsnachweise als schwerwiegender Grund im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG anzusehen. 2. Der nach § 48 Abs. 2 BAföG relevante spätere Zeitpunkt der Vorlage der Bescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG ermittelt sich im Fall des § 15 Abs. 3 BAföG nach dem Umfang des Zeitverlusts, der durch den die Überschreitung der Förderungshöchstdauer rechtfertigenden Grund entstanden ist. 3. Die Entscheidung über die Vorlage der Bescheinigung zu einem späteren Zeitpunkt nach § 48 Abs. 2 BAföG steht nicht im Ermessen des Amtes für Ausbildungsförderung. Rechtsquellen BAföG § 15 Abs. 3 Nr. 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 VwGO § 134 Abs. 1, § 137 Abs. 1 Nr. 1 Instanzenzug VG Gera - 04.05.2021 - AZ: 6 K 173/20 Ge Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 03.03.2023 - 5 C 6.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:030323U5C6.21.0] Urteil BVerwG 5 C 6.21 VG Gera - 04.05.2021 - AZ: 6 K 173/20 Ge In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 4. Mai 2021 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2020 verpflichtet, der Klägerin Ausbildungsförderung für das Studium im Studiengang Pharmazie an der Universität Jena für den Bewilligungszeitraum Oktober 2019 bis September 2020 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Zuziehung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über die Weiterbewilligung von Ausbildungsförderung für ein von der Klägerin an der Universität Jena betriebenes Studium der Pharmazie für den Zeitraum Oktober 2019 bis September 2020 (fünftes und sechstes Fachsemester). 2 Die Klägerin nahm im Wintersemester 2017/2018 dieses Studium auf und erhielt von dem Beklagten dafür monatliche Ausbildungsförderungsleistungen in Höhe von 517,61 €. Im ersten Fachsemester bestand die Klägerin die Prüfung zur Lehrveranstaltung ""Allgemeine und analytische Chemie der anorganischen Arznei-, Hilfs- und Schadstoffe (P)"" nicht. Eine Wiederholung der Prüfung ließ der Studienplan für den Studiengang Pharmazie, wenn die in der Studienordnung vorgesehenen zwei Wiederholungstermine nicht erfolgreich waren, erst nach der nächsten turnusmäßigen Lehrveranstaltung, mithin im dritten Fachsemester zu. Die Wiederholungsprüfung am Ende ihres dritten Fachsemesters bestand die Klägerin. Im zweiten Fachsemester hatte sie den Leistungsnachweis zur Lehrveranstaltung ""Quantitative Bestimmung von Arznei-, Hilfs- und Schadstoffen (P)"" nicht erlangen können. Die nach dem Studienplan wiederum erst im nächsten Turnus - insoweit im vierten Fachsemester - mögliche Wiederholungsprüfung absolvierte die Klägerin im Juli 2019 erfolgreich. 3 Aufgrund des Nichtbestehens der beiden vorgenannten Leistungsnachweise war es der Klägerin entsprechend des Studienplans und der darin ausgewiesenen Zugangsvoraussetzungen verwehrt, in den beiden darauffolgenden Semestern an einer Vielzahl der Lehrveranstaltungen des dritten Fachsemesters sowie sämtlichen Praktika des vierten Fachsemesters, die weitgehend den erfolgreichen Abschluss der Lehrveranstaltungen des dritten Fachsemesters voraussetzen, teilzunehmen. Die Teilnahme an allen Praktika des vierten Fachsemesters schied außerdem deshalb aus, weil auch die Wiederholung des im zweiten Fachsemester nicht erbrachten Praktikums für sich genommen zwingend zu Überschneidungen mit diesen Veranstaltungen des vierten Fachsemesters führte; die Praktika des vierten Fachsemesters konnten aufgrund des Studienplans wiederum erst im sechsten Fachsemester wiederholt werden. 4 Die Klägerin beantragte bei dem Beklagten die Weiterförderung ab dem fünften Fachsemester sowie die spätere Zulassung zum Leistungsnachweis und gab als Grund für die Studienverzögerung das erstmalige Nichtbestehen einer Prüfung an. Diesen Antrag lehnte der Beklagte ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch der Klägerin blieb ebenso erfolglos wie das anschließende Eilrechtsschutzverfahren vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht. 5 Die Klägerin hat gegen die Ablehnung des Förderantrags Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht abgewiesen hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, Ausbildungsförderung könne der Klägerin im Zeitraum Oktober 2019 bis September 2020 (fünftes und sechstes Fachsemester) nicht geleistet werden. Denn sie habe keine Bescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG vorlegen können, weil ihr zum Ende des 4. Fachsemesters noch insgesamt acht Prüfungsleistungen aus den ersten vier Semestern gefehlt hätten. Ferner seien bei der Klägerin keine ""schwerwiegenden Gründe"" im Sinne von § 48 Abs. 2 i. V. m. § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG gegeben, die die verzögerte Leistungserbringung rechtfertigen könnten. Die von ihr nicht bestandenen beiden Prüfungen seien als Prüfungen mit Aufstiegscharakter einzuordnen. Werde nur die Prüfung im ersten Fachsemester nicht bestanden, sei es möglich, alle Lehrveranstaltungen des dritten Fachsemesters sowie den Großteil der Veranstaltungen des vierten Fachsemesters zu absolvieren. Die im Studienplan vorgesehene umfassende ""Sperrwirkung"" im Hinblick auf die Lehrveranstaltungen der Folgesemester trete nur ein, wenn beide Hauptprüfungen der ersten zwei Fachsemester nicht bestanden würden. Bei diesen Prüfungen handle es sich nicht um eine zusammenfassende und abschließende Leistungskontrolle und damit nicht um eine Zwischenprüfung. Der Aufstiegscharakter der beiden scheinpflichtigen Lehrveranstaltungen folge daraus, dass die Klägerin infolge des Scheiterns von nahezu allen Veranstaltungen des dritten Fachsemesters ausgeschlossen und damit ein Aufrücken im Studium ausgeschlossen gewesen sei. Dies gelte ungeachtet der Tatsache, dass sich das Studium der Klägerin auf jeden Fall verzögert hätte, wenn sie nur die Prüfung im zweiten Fachsemester nicht bestanden hätte. Da die Klägerin durch zwei studienbegleitende, nicht aufeinander aufbauende Prüfungen mit Aufstiegscharakter gefallen sei, könne sie sich nicht auf ein nur einmaliges Leistungsversagen als Verzögerungsgrund gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG berufen. Dies sei auch mit dem Gleichheitsgebot vereinbar. Auch wenn bei alleinigem Nichtbestehen der Prüfung im zweiten Fachsemester ebenfalls ein unaufholbarer Studienrückstand eintrete, könnten dennoch die Lehrveranstaltungen des dritten Fachsemesters vollständig und darauf aufbauend die des vierten Fachsemesters zumindest überwiegend besucht werden. Es träte damit kein derartiger Rückstand ein wie vorliegend bei der Klägerin, der zum Ende des vierten Fachsemesters insgesamt acht der üblichen Leistungen gefehlt hätten. Der Fall der Klägerin unterscheide sich daher gravierend von der vorgenannten Konstellation durch die Anzahl der Fehlschläge. Dies rechtfertige eine Ungleichbehandlung gegenüber Studenten der Pharmazie, deren unaufholbare Studienverzögerung allein auf das erstmalige Nichtbestehen der Prüfung im zweiten Fachsemester zurückzuführen sei. 6 Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das Vorliegen eines schwerwiegenden Grundes im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG verneint. Allein bei der von ihr, der Klägerin, nicht bestandenen Prüfung im zweiten Fachsemester handle es sich um eine Prüfung mit Aufstiegscharakter. Das Verwaltungsgericht habe weiter verkannt, dass die von ihm vorgenommene rechtliche Bewertung in nicht gerechtfertigter Weise ihre Rechte aus Art. 3 Abs. 1 GG verletze. 7 Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. II 8 Die nach § 134 Abs. 1 VwGO zulässige Sprungrevision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil steht mit seiner Auslegung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1952; 2012 I S. 197) in der Fassung des Gesetzes vom 8. Juli 2019 (BGBl. I S. 1048) mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nicht in Einklang. Infolgedessen hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen, weil die Ablehnung des von der Klägerin geltend gemachten Förderanspruchs durch den Beklagten rechtswidrig ist und diese in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1, § 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe für das Studium im Studiengang Pharmazie an der Universität Jena für den Bewilligungszeitraum Oktober 2019 bis September 2020. 9 Zwischen den Beteiligten steht mit Blick auf die Voraussetzungen, an die das Entstehen des Förderanspruchs dem Grunde nach geknüpft ist, zu Recht nicht im Streit, dass die Klägerin im fraglichen Zeitraum eine abstrakt förderfähige Ausbildung an einer inländischen Hochschule betrieben hat und die persönlichen Fördervoraussetzungen grundsätzlich erfüllt. Streitig ist allein, ob die Anspruchsvoraussetzungen zum Ende des vierten Fachsemesters entfallen sind, weil die Klägerin die erforderliche Bescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG nicht hat vorlegen können und daher nicht mehr als geeignet im Sinne von § 9 Abs. 2 BAföG anzusehen war. Dies hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht bejaht, weil seine Annahme, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 i. V. m. § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG nicht gegeben waren, mit diesen Regelungen nicht in Einklang steht. 10 Nach § 48 Abs. 2 BAföG kann das Förderungsamt eine spätere Vorlage der Bescheinigung als nach dem vierten Fachsemester zulassen, wenn (unter anderem) Tatsachen vorliegen, die voraussichtlich eine spätere Überschreitung der Förderungshöchstdauer nach § 15 Abs. 3 BAföG rechtfertigen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass es widersprüchlich wäre, die Gesamtdauer der Förderungszeit wegen vor dem Beginn des fünften Fachsemesters eingetretener Gesichtspunkte zu verlängern, aber gleichwohl unverändert an diesem Zeitpunkt für eine Weiterförderungsentscheidung festzuhalten. Zwar stellt die Entscheidung nach § 48 Abs. 2 BAföG grundsätzlich einen eigenständigen Verwaltungsakt dar. Sie kann aber auch im Rahmen der Entscheidung über die Weiterbewilligung von Ausbildungsförderung gleichsam im Sinne der Beantwortung einer Vorfrage getroffen werden (vgl. Fischer, in: Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, Stand: November 2022, § 48 Rn. 37). Dann ist auch prozessual die alleinige Geltendmachung des Weiterförderungsanspruchs zulässig, wobei über den Anspruch aus § 48 Abs. 2 BAföG vorab mitentschieden wird (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 16. November 1978 - 5 C 34.77 - BVerwGE 57, 75 <79>). 11 Tatsachen, die eine spätere Vorlage der Bescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 BAföG rechtfertigen können, sind die in § 15 Abs. 3 BAföG enumerativ aufgezählten Gründe. Das Verwaltungsgericht hat insoweit § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG zu Recht nicht für einschlägig erachtet. Denn die von der Klägerin zunächst nicht bestandenen Leistungen waren noch im Grundstudium zu erbringen und können ebenso wenig wie das Nichtbestehen einer Zwischenprüfung als das ""Nichtbestehen der Abschlussprüfung"" (i. S. v. § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG) angesehen werden. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf derartige Konstellationen scheidet mangels einer Gesetzeslücke aus (BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1995 - 11 C 25.94 - Buchholz 436.36 § 15 BAföG Nr. 42 S. 15). Die allein in Betracht zu ziehenden Voraussetzungen des Auffangtatbestands des § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG sind auch dann erfüllt, wenn das Nichtbestehen von Leistungsanforderungen erstmals zu einer aus studienorganisatorischen Gründen zwingenden Wiederholung von Semestern führt. Dabei kommt es auf die Anzahl der nicht erbrachten Leistungsnachweise nicht an, die Ursache für die Verlängerung des Studiums sind (1.). Dies zugrunde gelegt steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Weiterförderung zu (2.). 12 1. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG wird über die Förderungshöchstdauer hinaus für eine angemessene Zeit Ausbildungsförderung geleistet, wenn sie aus schwerwiegenden Gründen überschritten worden ist. 13 Sinn und Zweck des § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG bestehen darin, vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte, unzumutbare Härten, die sich daraus ergeben, dass sich die Gründe für eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer nicht abschließend aufführen lassen, durch eine Generalklausel zu mildern und so aufzufangen (BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1995 - 11 C 25.94 - Buchholz 436.36 § 15 BAföG Nr. 42 S. 15 m. w. N.). Hierzu bedient sich der Gesetzgeber des Merkmals ""schwerwiegende Gründe"", bei dem es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, welcher der Verwaltung keinen (gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren) Beurteilungsspielraum eröffnet (Fischer, in: Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, Stand: November 2022, § 15 Rn. 19). Die Tatsachen, die als schwerwiegende Gründe nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG rechtserheblich sein können, müssen in der Person des Auszubildenden selbst oder im Ausbildungsgang ihre Grundlage haben. Sie können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie in dem Sinne ausbildungsbezogen sind, dass sie entweder subjektiv die Fähigkeit des Auszubildenden betreffen, seine Ausbildung planmäßig fortzuführen, oder in objektiver Hinsicht die äußeren Umstände des Ausbildungsgangs berühren. Diese enge Bindung an ausbildungsbezogene Gesichtspunkte ergibt sich aus Sinn und Zweck der Ausbildungsförderung selbst. Außerdem müssen diese Gesichtspunkte Ausnahmecharakter haben. Von dieser Auslegung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG ist auch in den Fällen des § 48 Abs. 2 BAföG auszugehen. Denn die Tatsachen, die eine Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus ermöglichen, können im gesamten Verlauf der Ausbildung eintreten, also auch schon bis zum Ende des vierten Fachsemesters, mit der Folge, dass Auszubildende deswegen zu Beginn des fünften Fachsemesters ein Zeugnis über eine bestandene Zwischenprüfung nicht vorlegen können oder ihnen ein für diese Studiendauer üblicher Ausbildungsstand noch nicht bescheinigt werden kann (BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1981 - 5 C 113.79 - BVerwGE 64, 168 <172 ff.>). Relevant sind nur solche Umstände, die für die Verzögerung des erfolgreichen Abschlusses der Ausbildung innerhalb der Förderungshöchstdauer von erheblicher Bedeutung sind, weil sie es Auszubildenden unmöglich oder unzumutbar machen, diese Verzögerung zu verhindern (BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1995 - 11 C 25.94 - Buchholz 436.36 § 15 BAföG Nr. 42 S. 17). 14 a) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass Umstände dieser Art auch bei Leistungsmängeln, die zu einer Verzögerung der Ausbildungszeit führen, in Betracht zu ziehen sind, obgleich diese als solche grundsätzlich die Anerkennung eines schwerwiegenden Grundes nicht zu rechtfertigen vermögen. Zu berücksichtigen sind (studienverzögernde) Leistungsmängel insbesondere dann, wenn Auszubildende ihre Ausbildung wegen erstmaligen Nichtbestehens einer Zwischenprüfung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG nicht weiterführen können, oder wenn sie wegen Nichterbringens laufender Leistungsnachweise, die anstelle einer Zwischenprüfung gefordert sind, nach der Studienorganisation erstmals ein Studienhalbjahr wiederholen müssen. Denn in diesen Fällen wird regelmäßig davon auszugehen sein, dass die Auszubildenden den eingetretenen Zeitverlust bis zum Ablauf der Förderungshöchstdauer ihrer Ausbildung nicht mehr aufholen können. Sie wären dann ohne Anwendung des § 48 Abs. 2 BAföG nach Bestehen der Zwischenprüfung bzw. erfolgreicher Wiederholung des Studienhalbjahrs von jeder weiteren Förderung ausgeschlossen (BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1995 - 11 C 25.94 - Buchholz 436.36 § 15 BAföG Nr. 42 S. 16). 15 Die im Fall der Klägerin in Rede stehenden Leistungsmängel lassen sich indes keiner dieser beiden Fallgruppen zuordnen. Denn es handelt sich bei den von der Klägerin nicht bestandenen Leistungsnachweisen weder um eine derartige Zwischenprüfung noch um solche Leistungsnachweise, die anstelle einer Zwischenprüfung zu erbringen sind. Als eine derartige Zwischenprüfung käme allenfalls, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, der nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 der Approbationsordnung für Apotheker vom 19. Juli 1989 (BGBl. I S. 1489) zum Abschluss des Grundstudiums zur erbringende Erste Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung in Betracht. Dieser wird jedoch durch die von der Klägerin nicht bestandenen Ausbildungsveranstaltungen nicht ersetzt (vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 31. März 2022 - 12 S 53/20 - juris Rn. 31). 16 b) Die instanzgerichtliche Rechtsprechung hat die Berücksichtigung von Leistungsmängeln als schwerwiegende Gründe im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG auf das (erstmalige) Nichtbestehen eines einzelnen Leistungsnachweises ausgedehnt, wenn dies aufgrund der Organisation der Ausbildung zur Folge hat, dass die auszubildende Person an der Fortsetzung ihres Studiums im nächsthöheren Semester gehindert ist (VGH Mannheim, Urteil vom 31. März 2022 - 12 S 53/20 - juris Rn. 33 m. w. N.). Diese Erweiterung steht zunächst nicht in Widerspruch zur bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die die Zuordnung von Leistungsmängeln zu den schwerwiegenden Gründen als nicht abschließend betrachtet, sondern nur regelbeispielhaft (""insbesondere"") vorgenommen hat, was auch in Tz. 15.3.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföGVwV) zutreffend zum Ausdruck kommt. Der genannten Erweiterung ist mit der Maßgabe zuzustimmen, dass ein Nichtbestehen von nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG maßgeblichen Leistungsanforderungen, das erstmals zu einer aus studienorganisatorischen Gründen zwingenden Wiederholung von Semestern führt, unabhängig von der Anzahl der nicht erbrachten Leistungsnachweise als nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG relevant anzusehen ist. 17 aa) Diese Erweiterung ist gerechtfertigt, weil das Bestehen solcher Leistungsnachweise wertungsmäßig dem Bestehen einer Zwischenprüfung oder an ihrer Stelle zu erbringender Leistungsnachweise insoweit gleichkommt, als von diesen nach den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen ebenfalls die Weiterführung der Ausbildung abhängt. Soweit das Bestehen einzelner Leistungsnachweise Voraussetzung für ein weiteres planmäßiges Fortschreiten in der Ausbildung ist, führt ein hierauf bezogenes Nichterbringen ebenso wie das Nichtbestehen einer Zwischenprüfung oder an ihrer Stelle zu erbringender Leistungsnachweise dazu, dass Auszubildende den eingetretenen Zeitverlust bis zum Ablauf der Förderungshöchstdauer ihrer Ausbildung nicht mehr aufholen können. Ein Nichtbestehen von Leistungsnachweisen innerhalb der ersten vier Fachsemester rechtfertigt die Zulassung einer späteren Vorlage der Eignungsbescheinigung nach § 48 Abs. 2 BAföG demgemäß dann, wenn es dazu führt, dass Studienleistungen in höheren Semestern nicht planmäßig erbracht werden können und dieser Leistungsrückstand innerhalb der ersten vier Fachsemester nach den Ausbildungsbestimmungen oder sonst aus studienorganisatorischen Gründen auch nicht ausgeglichen werden kann. 18 bb) Liegt eine derartige Verzögerung vor, kommt es entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht darauf an, ob zahlenmäßig nur ein Leistungsversagen für diese ursächlich ist oder ob mehrere nicht erbrachte Prüfungen im Zusammenwirken diese Folge auslösen, ohne dass darüber hinaus die vom Verwaltungsgericht problematisierte Einordnung der jeweils nicht bestandenen Leistungsnachweise als ""Prüfung mit Aufstiegscharakter"" noch von Bedeutung ist. Maßgeblich ist allein, dass eine kausal auf diesen Leistungsmängeln beruhende und im Rahmen von § 15 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 48 Abs. 2 BAföG relevante Unterbrechung des planmäßigen Fortschreitens der Ausbildung erstmals eintritt. 19 Soweit das Nichtbestehen einer Zwischenprüfung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG für die Anerkennung als schwerwiegender Grund im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts deren Erstmaligkeit zur Voraussetzung hat (BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1995 - 11 C 25.94 - Buchholz 436.36 § 15 BAföG Nr. 42 S. 16), liegt dieser Einschränkung in normativer Hinsicht der systematische Rückgriff auf den Fall des § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG zugrunde. Sie rechtfertigt sich dadurch, dass sowohl im Fall der Abschlussprüfung wie auch der Zwischenprüfung deren Nichtbestehen als solches den Eintritt des nicht aufholbaren Zeitverlusts bewirkt. Insofern liegt im erstmaligen Nichtbestehen der Prüfung, unabhängig davon, ob diesem das Nichtbestehen eines oder mehrerer Prüfungsteile zugrunde lag, notwendig auch eine erstmals hierauf beruhende Unterbrechung des planmäßigen Fortschreitens der Ausbildung. Hieraus lässt sich jedoch nicht der Schluss ziehen, dass als schwerwiegender Grund nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG stets nur eine Verzögerung im planmäßigen Studienablauf infolge des Nichtbestehens eines einzelnen Leistungsnachweises in Betracht käme, beziehungsweise - wie das Verwaltungsgericht es formuliert hat - sich ein Auszubildender nur einmal auf ein Leistungsversagen berufen könne. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob das Nichtbestehen eines oder mehrerer Leistungsnachweise erstmals zu einem nicht mehr aufholbaren Leistungsrückstand geführt hat. Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass das Nichtbestehen mehrerer Leistungsnachweise größere Zweifel an der Studieneignung begründe. Denn die Anerkennung eines schwerwiegenden Grundes nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG beruht im Fall von Leistungsmängeln allein auf dem Umstand der (erstmaligen) unvermeidbaren Unterbrechung des planmäßigen Fortschreitens der Ausbildung und nicht auf der Anzahl der Einzelereignisse, die deren Ursachen sind. Demgemäß kommt es im Fall der notwendigen Wiederholung eines Studienhalbjahrs wegen des Nichtbestehens laufender Leistungsnachweise, die anstelle einer Zwischenprüfung zu erbringen sind, auch nicht darauf an, ob es sich nur um einen oder mehrere solcher Nachweise gehandelt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1995 - 11 C 25.94 - Buchholz 436.36 § 15 BAföG Nr. 42 S. 16). 20 2. Dies zugrunde gelegt steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Weiterförderung zu, weil in ihrem Fall die Voraussetzungen einer späteren Vorlage der Bescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 BAföG wegen eines schwerwiegenden Grundes nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG gegeben sind. Denn das Nichtbestehen mehrerer Leistungsnachweise im Verlauf der ersten beiden Fachsemester hatte erstmals zur Folge, dass sie Studienleistungen im dritten und vierten Fachsemester nicht planmäßig hat erbringen können (a). Diesen Leistungsrückstand konnte sie innerhalb der ersten vier Fachsemester nach den Ausbildungsbestimmungen bzw. aus studienorganisatorischen Gründen auch nicht ausgleichen (b). Demgemäß ist die Vorlage der Bescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG bezogen auf das Ende des sechsten Fachsemesters zuzulassen (c). Diese Entscheidung steht nicht im Ermessen des Beklagten (d). 21 a) Zu einer Unterbrechung des planmäßigen Fortschreitens der Ausbildung der Klägerin ist es nicht bereits durch das Nichtbestehen des Leistungsnachweises im ersten Fachsemester gekommen. Denn nach den für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wäre die Klägerin allein deswegen nicht gehindert gewesen, die Veranstaltungen der Folgesemester zu belegen und im Übrigen auch die nicht bestandene Veranstaltung im dritten Fachsemester parallel zu den dort zu besuchenden Veranstaltungen nachzuholen, was ihr als solches auch gelungen ist. Objektiv unmöglich wurde der Klägerin allerdings nach den ebenfalls bindenden tatrichterlichen Feststellungen aufgrund der Vorgaben des Studienplans, ihr Studium im dritten und vierten Fachsemester planmäßig fortzusetzen, nachdem sie zusätzlich zur Nichterbringung einer Leistung im ersten Fachsemester auch eine Veranstaltung im zweiten Fachsemester nicht bestanden hatte. Infolgedessen konnte sie im dritten Fachsemester die für dieses Semester vorgesehenen Veranstaltungen weitgehend nicht besuchen und auch nicht die Veranstaltungen des vierten Fachsemesters, für deren Besuch wiederum überwiegend das Bestehen der Veranstaltungen des dritten Fachsemesters als Zugangsvoraussetzung vorgesehen ist. Dies konnte erst im fünften und sechsten Fachsemester nachgeholt werden. Der planmäßige Fortgang des Studiums der Klägerin verzögerte sich danach bis zum sechsten Semester und damit um zwei Fachsemester. Diese erst durch das Zusammenwirken der Leistungsversagen im ersten und zweiten Fachsemester ausgelöste Verzögerung trat hierdurch auch erstmalig ein. 22 Nicht schädlich ist in diesem Zusammenhang, dass sich für die Klägerin allein durch das Nichterbringen einer Leistung im zweiten Fachsemester ein weiterer selbstständiger objektiver Hinderungsgrund für die planmäßige Fortführung ihres Studiums ergeben hat. Sie wäre hierdurch allein zwar nicht am Erwerb der Leistungsnachweise des dritten Fachsemesters gehindert gewesen. Die - wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat - nach dem Studienplan erst wieder im vierten Fachsemester mögliche Wiederholung der nicht bestandenen Veranstaltung des zweiten Fachsemesters machte ihr aber wegen zeitlicher Überschneidungen den Besuch aller Veranstaltungen des vierten Fachsemesters unmöglich. Diese konnten wiederum nach dem Studienplan erst im sechsten Fachsemester nachgeholt werden, sodass auch dieser Leistungsmangel für sich genommen eine nicht zu vermeidende Ausbildungsverzögerung von zwei Semestern bedeutet hat. Hiervon ausgehend liegen zwar zwei an sich selbstständig nebeneinanderstehende Faktoren vor, die als kumulierte bzw. singuläre Leistungsmängel einen planmäßigen Fortgang der Ausbildung verhindert haben. Diese sind aber austauschbar, weil sie gleichzeitig eingetreten sind und sich in identischer Weise auf die Dauer des eingetretenen Leistungsrückstands ausgewirkt haben, sodass jeder einzelne von ihnen jeweils für sich genommen hinsichtlich seiner Verzögerungswirkung auch hinweggedacht werden kann, ohne dass sich an der Hinderung der Fortsetzung der Ausbildung und deren zeitlichem Umfang etwas ändern würde. Deshalb können sie auch nicht als mehrmalige (kumulierte) Verzögerungen aufgefasst werden. Vielmehr liegt insgesamt nur eine einmalige und damit auch nur eine ""erstmalige"" Verzögerung vor. 23 b) Diesen Leistungsrückstand konnte die Klägerin innerhalb der ersten vier Fachsemester nach den Ausbildungsbestimmungen bzw. aus studienorganisatorischen Gründen nicht ausgleichen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts für die Klägerin die sich aus der kumulierten Wirkung des Nichterbringens von Leistungen im ersten und zweiten Fachsemester ergebenden Folgen für den Besuch der Veranstaltungen des dritten und vierten Fachsemesters wegen der studienplanmäßigen und studienorganisatorischen Vorgaben unvermeidbar waren. Daher kommt es auch nicht entscheidungserheblich darauf an, ob - wie das Verwaltungsgericht gemeint hat - die Klägerin alle Lehrveranstaltungen des dritten Fachsemesters sowie den Großteil der Veranstaltungen des vierten Fachsemesters hätte absolvieren können, wenn sie nur die Veranstaltung im zweiten Fachsemester nicht bestanden hätte. Diese Einschätzung steht überdies in einem offenkundigen Widerspruch zu der vom Verwaltungsgericht selbst wiedergegebenen Auskunft des Studienberaters des Instituts für Pharmazie, nach der in der genannten Fallkonstellation immer eine Studienverzögerung um zwei Semester eintritt, weil dann infolge der notwendigen Wiederholung der nicht bestandenen Veranstaltung der Besuch sämtlicher scheinpflichtiger Veranstaltungen des vierten Fachsemesters unmöglich ist und dieser Rückstand erst im sechsten Fachsemester aufgeholt werden kann. 24 c) Liegen damit im Fall der Klägerin Tatsachen im Sinne des § 48 Abs. 2 BAföG vor, die nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG eine spätere Überschreitung der Förderungshöchstdauer rechtfertigen, ist die Vorlage der Bescheinigung zu einem ""entsprechend"" späteren Zeitpunkt zuzulassen. Dieser Zeitpunkt ermittelt sich nach Maßgabe der nach § 15 Abs. 3 BAföG vorgesehenen ""angemessenen"" Verlängerung. Angemessen in diesem Sinne ist die Zeit, die dem Zeitverlust entspricht, der durch den die Überschreitung der Förderungshöchstdauer rechtfertigenden Grund entstanden ist (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 17. November 2022 - 14 LB 84/22 - juris Rn. 43 m. w. N.; Fischer, in: Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, Stand: November 2022, § 48 Rn. 35). Da im Fall der Klägerin die Wiederholung von zwei Semestern erforderlich und unvermeidbar war, verlängert sich der Vorlagezeitpunkt ebenfalls um zwei Semester. Er ist also bezogen auf das Ende des sechsten Fachsemesters zu bestimmen. Daraus, dass die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung im Fall von Leistungsmängeln allein Fälle der Verlängerung um ein Semester behandelt hat, kann nicht der Schluss gezogen werden, eine solche Eingrenzung sei zwingend (vgl. Fischer, in: Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, Stand: November 2022, § 15 Rn. 20.6). 25 Eine darüber hinausgehende Eingrenzung ergibt sich hier auch nicht daraus, dass die Verlängerung der Förderungshöchstdauer nach § 15 Abs. 3 BAföG nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch von der Prognose abhängt, dass der Auszubildende die Ausbildung in der verlängerten Förderungsdauer berufsqualifizierend abschließen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Februar 1980 - 5 C 38.78 - Buchholz 436.36 § 15 BAföG Nr. 7 S. 14 f.). Denn eine solche Prognose konnte jedenfalls im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung getroffen werden. Die Klägerin hatte zum Ende des vierten Fachsemesters zwölf von 17 üblicherweise zu erbringenden Leistungsnachweisen bestanden. Es erschien keineswegs ausgeschlossen, dass sie die fehlenden fünf Leistungsnachweise bis zum Ende des sechsten Fachsemesters hätte erbringen können; dies hat auch der Beklagte nicht in erkennbarer Weise abweichend beurteilt. Ob darüber hinaus dann, wenn im gerichtlichen Verfahren erst nach Ablauf des maßgeblichen Zeitpunkts über die Verlängerung nach § 48 Abs. 2 BAföG zu entscheiden ist, vorrangig die tatsächliche spätere Entwicklung in den Blick zu nehmen ist (vgl. für die Verlängerung der Förderungshöchstdauer: BVerwG, Urteil 25. Januar 1995 - 11 C 9.94 - Buchholz 436.36 § 15 BAföG Nr. 40 S. 5 m. w. N.; im Übrigen auch Tz. 48.2.1 Satz 1 BAföGVwV), kann zwar insbesondere mit Blick auf den grundrechtlichen Anspruch des Auszubildenden auf eine staatliche Ausbildungsförderung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Mai 2021 - 5 C 11.18 - FamRZ 2021, 2009) zweifelhaft sein. Einer Entscheidung hierüber bedarf es aber nicht, weil - was zwischen den Beteiligten unstreitig gestellt worden ist - die Klägerin sämtliche noch fehlenden Leistungsnachweise des Grundstudiums bis zum Abschluss des sechsten Fachsemesters erbracht hat und zum Ersten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung zugelassen wurde. 26 d) Die Entscheidung über die Vorlage der Bescheinigung zu einem späteren Zeitpunkt steht nicht im Ermessen des Beklagten. Zwar sieht § 48 Abs. 2 BAföG dem Wortlaut nach vor, dass das Amt für Ausbildungsförderung die spätere Vorlage ""zulassen kann"", was auf die Einräumung eines Ermessens hindeuten könnte. Gleichwohl steht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit jeher auf dem Standpunkt, dass die Förderung über das vierte Fachsemester hinaus fortzusetzen und die Vorlage der Eignungsbescheinigung erst zu einem entsprechend späteren Zeitpunkt zu verlangen ist, wenn der Auszubildende Gründe darlegt, die voraussichtlich zu einer Verlängerung der Förderungshöchstdauer führen werden (BVerwG, Urteil vom 16. November 1978 - 5 C 38.77 - BVerwGE 57, 79 <82>; vgl. auch Fischer, in: Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, Stand: November 2022, § 48 Rn. 36 m. w. N.). Dies rechtfertigt sich einerseits aufgrund eines systematischen Abgleichs mit § 15 Abs. 3 BAföG, der für den Fall einer berücksichtigungsfähigen Überschreitung der Förderungshöchstdauer ebenfalls eine gebundene Entscheidung über die Fortsetzung der Förderung vorsieht. Andererseits ist insoweit auch der grundrechtliche Anspruch des Auszubildenden auf eine staatliche Ausbildungsförderung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Mai 2021 - 5 C 11.18 - FamRZ 2021, 2009) in den Blick zu nehmen, der der Annahme einer Ermessensentscheidung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 BAföG grundsätzlich entgegensteht. 27 3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Nichterhebung von Gerichtskosten folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO. 28 Dem Antrag der Klägerin, die Hinzuziehung ihrer Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO), ist stattzugeben. Darüber ist unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten aus zu entscheiden. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Bevollmächtigten bedient hätte. Notwendig ist die Zuziehung eines Bevollmächtigten dann, wenn es dem Beteiligten nach seinen persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen. Die Notwendigkeit der Zuziehung wird auch durch die Bedeutung der Sache für den Beteiligten bestimmt, wobei der Zeitpunkt der Bevollmächtigung maßgeblich ist (BVerwG, Beschluss vom 21. August 2018 - 2 A 6.15 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 57 Rn. 5). Nach diesen Maßstäben war hier die Zuziehung einer Bevollmächtigten für das Vorverfahren notwendig, weil Rechtsfragen inmitten standen, deren Beantwortung nicht auf der Hand lag." bverwg_2023-19,09.03.2023,"Pressemitteilung Nr. 19/2023 vom 09.03.2023 EN Pflicht zur Angabe von Gewicht und Stückzahl bei vorverpackten Süßwaren Auf der zum Verkauf bestimmten Verpackung eines Lebensmittels, in der sich mehrere Einzelpackungen befinden, müssen nach der EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) auch dann sowohl das Füllgewicht als auch die Anzahl der enthaltenen Einzelpackungen angegeben werden, wenn es sich bei den Einzelpackungen um kleinteilige Einzelstücke - wie etwa einzeln umwickelte Bonbons - handelt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin bringt die von ihr hergestellten Bonbons und Schokoladen-Spezialitäten unter anderem in Beuteln in den Verkehr, in denen sich mehrere einzeln mit Bonbonpapier umwickelte oder auf ähnliche Weise umhüllte Stücke befinden. Bei einer amtlichen Kontrolle stellte das Landesamt für Mess- und Eichwesen des beklagten Landes Rheinland-Pfalz fest, dass auf mehreren der auf diese Weise im Handel angebotenen Produkte zwar das Gesamtgewicht der Süßigkeiten angegeben war, nicht hingegen die Zahl der enthaltenen Stücke. Es bemängelte das Fehlen der Angabe und leitete gegen einen Mitarbeiter der Klägerin ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ein. Die Klägerin wandte sich daraufhin an das Verwaltungsgericht mit dem Antrag festzustellen, dass sie nicht gegen die maßgeblichen Regelungen der LMIV verstoße, wenn sie bestimmte Produkte ihres Sortiments ohne Angabe der Zahl der enthaltenen Stücke in den Handel bringe. Die Klage blieb erfolglos; die hiergegen eingelegte Berufung wies das Oberverwaltungsgericht zurück. Auch die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Nach Art. 23 Abs. 1 und 3 i.V.m. Anhang IX Nr. 4 LMIV sind auf einer Vorverpackung, die aus zwei oder mehr Einzelpackungen besteht, die nicht als Verkaufseinheiten anzusehen sind, die Gesamtnettofüllmenge und die Gesamtzahl der Einzelpackungen anzugeben. Die Produkte der Klägerin unterfallen dieser Vorschrift. Für ihre Annahme, die Vorschrift sei auf Vorverpackungen nicht anzuwenden, die kleinere, einzeln verpackte Stücke enthalten, findet sich im maßgeblichen Unionsrecht kein Anhaltspunkt. Die Pflicht zur Angabe der Anzahl der in der Verpackung enthaltenen Stücke greift nicht unverhältnismäßig in die Grundrechte der Lebensmittelunternehmer ein. Die Angabe hat für die Verbraucherinnen und Verbraucher einen zusätzlichen Informationswert und fördert den durch die LMIV verfolgten Zweck, sie bei ihrer Kaufentscheidung in die Lage zu versetzen, das für ihre Bedürfnisse passende Lebensmittel auszuwählen. Durch diese Pflicht werden die Lebensmittelunternehmer nicht unangemessen belastet. Insbesondere ist es ihnen nach den zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts auch angesichts produktionsbedingter Schwankungen des Gewichts der Einzelstücke möglich, Gesamtgewicht und Stückzahl so anzugeben, dass sie nicht gegen die Vorschriften über die maximal zulässigen Füllmengenabweichungen verstoßen. BVerwG 3 C 15.21 - Urteil vom 09. März 2023 Vorinstanzen: OVG Koblenz, OVG 6 A 10695/21 - Urteil vom 02. November 2021 - VG Koblenz, VG 2 K 511/20.KO - Urteil vom 28. April 2021 -","Urteil vom 09.03.2023 - BVerwG 3 C 15.21ECLI:DE:BVerwG:2023:090323U3C15.21.0 EN Inverkehrbringen von vorverpackten Lebensmitteln ohne Angabe der Zahl der in der Verpackung enthaltenen Einzelstücke Leitsätze: 1. Bei einem vorverpackten Lebensmittel i. S. d. Art. 2 Abs. 2 Buchst. e LMIV muss die Vorverpackung das Lebensmittel nicht unmittelbar umschließen. 2. Im Rahmen des Begriffs der nicht als Verkaufseinheit anzusehenden Einzelpackung i. S. d. Anhangs IX Nr. 4 LMIV ist nicht nach der Größe der Einzelpackung oder verschiedenen Verpackungsmodalitäten zu differenzieren. Rechtsquellen GrCh Art. 15, Art. 16, Art. 20, Art. 52 Abs. 1 LMIV Art. 2 Abs. 2 Buchst. e, Art. 9 Abs. 1 Buchst. e, Art. 23 Abs. 1 und 3, Art. 44 Abs. 1, Anhang IX Nr. 3 und Nr. 4 VwGO § 43 Abs. 1, § 137 Abs. 1 und 2 FPackV § 9, § 16 Abs. 1, § 26 Abs. 1 und 2 Instanzenzug VG Koblenz - 28.04.2021 - AZ: 2 K 511/20.KO OVG Koblenz - 02.11.2021 - AZ: 6 A 10695/21 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 09.03.2023 - 3 C 15.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:090323U3C15.21.0] Urteil BVerwG 3 C 15.21 VG Koblenz - 28.04.2021 - AZ: 2 K 511/20.KO OVG Koblenz - 02.11.2021 - AZ: 6 A 10695/21 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Sinner und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hellmann für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. November 2021 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob auf Verpackungen von Süßwaren die Zahl der enthaltenen Einzelstücke anzugeben ist. 2 Die Klägerin stellt Süßwaren her und bringt diese unter anderem in Beuteln in den Verkehr, in denen sich mehrere einzeln mit Bonbonpapier umwickelte oder auf ähnliche Weise umhüllte Stücke befinden. Bei einer amtlichen Kontrolle stellte das Landesamt für Mess- und Eichwesen des beklagten Landes im Juli 2019 fest, dass auf den Verpackungen der Produkte ""K. Mini"" und ""m. Konfekt"" die Füllmenge zwar nach Gewicht der Süßigkeiten angegeben war, nicht aber nach Zahl der enthaltenen Stücke. Wegen der fehlenden Stückzahlangabe wurde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen einen Mitarbeiter der Klägerin eingeleitet, in das im Folgenden auch die Produkte ""n. Familienpackung"", ""n."", ""R."", ""W. Candies"" und ""T. Melange"" einbezogen wurden. 3 Die Klägerin hat im Juni 2020 Klage erhoben und beantragt festzustellen, dass das Inverkehrbringen der streitgegenständlichen Produkte ohne Angabe der Stückzahl keinen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 Buchst. e, Art. 23 Abs. 1 und 3 i. V. m. Anhang IX Nr. 4 der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) darstelle. 4 Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 2. November 2021 zurückgewiesen. Die Pflicht, auf der Verpackung auch die Zahl der enthaltenen Stücke anzugeben, folgt aus Art. 9 Abs. 1 Buchst. e, Art. 23 Abs. 1 und 3 i. V. m. Anhang IX Nr. 4 LMIV. Zwar handle es sich bei den Produkten der Klägerin nicht um vorverpackte Lebensmittel im Sinne der Lebensmittelinformationsverordnung, weil es an der erforderlichen Unmittelbarkeit zwischen Lebensmittel und Vorverpackung fehle. Die streitgegenständlichen Produkte seien aber Vorverpackungen i. S. d. Anhangs IX Nr. 4 LMIV und enthielten zwei oder mehr Einzelpackungen, die nicht als Verkaufseinheiten anzusehen seien. Für eine Differenzierung zwischen Einzelpackungen nach Art oder Sinn und Zweck der jeweiligen Verpackung gebe die Lebensmittelinformationsverordnung nichts her. Die Regelung in Anhang IX Nr. 4 LMIV sei auch nicht unverhältnismäßig. Der Angabe der Zahl der enthaltenen Einzelpackungen könne ein ergänzender Informationswert nicht abgesprochen werden. Sie gebe dem Käufer eine Orientierungshilfe, die ihm, etwa wenn er eine bestimmte Zahl von Gästen erwarte, die Kaufentscheidung erleichtern könne. Demgegenüber sei nicht ersichtlich, dass die Kennzeichnungspflicht die Lebensmittelunternehmer über Gebühr belaste. Dies gelte auch, soweit die nach dem Fertigpackungsrecht bestehenden Vorschriften über die maximal zulässigen Füllmengenabweichungen sowohl im Hinblick auf das Gewicht als auch hinsichtlich der Stückzahl eingehalten werden müssten. Ein Weg, trotz der von der Klägerin angeführten Schwankungen des Gewichts der einzelnen Stücke der Süßwaren die Angabe der Stückzahl unter Beibehaltung des derzeitigen Abfüllprozesses der Klägerin rechtsbeständig vornehmen zu können, liege darin, die geringstmögliche Stückzahl (Gesamtnettofüllmenge unter Abzug der maximalen Minusabweichung dividiert durch das Maximalstückgewicht) zu ermitteln und auf den Vorverpackungen anzugeben. Soweit die Klägerin auf eine hieraus folgende mögliche Fehlerhaftigkeit der Nährwertangaben pro Portion verweise, handle es sich dabei um eine freiwillige Angabe. 5 Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Bei den in Rede stehenden Verpackungen handle es sich unstreitig um Vorverpackungen, das Berufungsgericht habe dies aber unzutreffend begründet. Anders als im Urteil angenommen, seien ihre Produkte auch vorverpackte Lebensmittel; die vom Berufungsgericht geforderte Unmittelbarkeit zwischen Vorverpackung und Lebensmittel finde keine Stütze in den maßgeblichen Vorschriften. Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Auslegung des Begriffs der Einzelpackung i. S. d. Anhangs IX Nr. 4 LMIV seien fehlerhaft. Kleinstückige Süßwaren stellten keine Einzelpackungen dar. Das Berufungsgericht habe bei seiner Auslegung weder die Abweichungen in der französischen und englischen Sprachfassung des Anhangs IX Nr. 3 und 4 LMIV noch die Sicht der Verbraucher berücksichtigt. Im Hinblick auf die bestehenden Unsicherheiten werde eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof angeregt. Die Regelung sei im Übrigen unverhältnismäßig. Auf Seiten des Verbrauchers bestehe kein nennenswertes Interesse an der Kenntnis der konkreten Anzahl der in einer Packung enthaltenen Stücke, während für den Hersteller unzumutbarer Aufwand entstehe. Zudem komme es zu unauflösbaren Widersprüchen zum Fertigpackungsrecht und den dort geltenden Toleranzgrenzen für Abweichungen von Gewichts- und Stückzahlangaben. 6 Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. II 7 Die zulässige Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (Art. 144 Abs. 2 VwGO). Das angegriffene Urteil beruht nicht auf einem Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat die gegen die Klageabweisung gerichtete Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist unter Zugrundelegung der bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) zulässig (1.), aber unbegründet (2.). 8 1. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit revisiblem Recht angenommen, dass die Klage als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässig ist. Zwischen den Beteiligten besteht ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Sie streiten vor dem Hintergrund eines gegen einen Mitarbeiter der Klägerin eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahrens darüber, ob die in Rede stehenden Produkte der Klägerin ohne Angabe der Anzahl der enthaltenen Stücke in den Verkehr gebracht werden dürfen. Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, denn diese würde ihre Position in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht verbessern. 9 2. Die Klage ist indes unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf die beantragte Feststellung verneint. Sie ist nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. e, Art. 23 Abs. 1 und 3 i. V. m. Anhang IX Nr. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (ABl. L 304 S. 18) - Lebensmittelinformationsverordnung - LMIV - in der maßgeblichen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts geltenden Fassung der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über neuartige Lebensmittel, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 1852/2001 der Kommission (ABl. L 327 S. 1) verpflichtet, auf den im Antrag genannten Produkten neben dem Gesamtnettogewicht auch die Zahl der enthaltenen Stücke anzugeben. 10 Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Lebensmittelinformationsverordnung auf die Klägerin Anwendung findet (a). Gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. e LMIV ist für die in Rede stehenden Produkte die Nettofüllmenge anzugeben (b). Ohne Bundesrechtsverstoß hat das Berufungsgericht entschieden, dass dabei gemäß Art. 23 Abs. 1 und 3 i. V. m. Anhang IX Nr. 4 LMIV die Gesamtnettofüllmenge und die Gesamtzahl der enthaltenen Einzelpackungen anzugeben sind (c) und diese Pflicht nicht unverhältnismäßig ist (d). Sie verstößt auch nicht gegen Art. 20 GrCh (e). 11 a) Die Lebensmittelinformationsverordnung ist gemäß ihrem Art. 1 Abs. 3 anwendbar. In Streit steht die die Bereitstellung von Informationen über Lebensmittel an Verbraucher (Art. 2 Abs. 2 Buchst. a LMIV) betreffende Tätigkeit der Klägerin als Lebensmittelunternehmerin i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a LMIV i. V. m. Art. 3 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 S. 1) - Basis-VO -. Die vom Antrag erfassten Erzeugnisse der Klägerin sind Lebensmittel i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a LMIV i. V. m. Art. 2 Satz 1 Basis-VO und für den Endverbraucher (Art. 2 Abs. 1 Buchst. a LMIV i. V. m. Art. 3 Nr. 18 Basis-VO) bestimmt. Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, dass ein Vorrang nationaler Regelungen etwa durch Notifikation gemäß Art. 42 LMIV vorliegend nicht in Betracht kommt (UA S. 11 f.). 12 b) Nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. e LMIV gehört zu den verpflichtenden Informationen über Lebensmittel die Angabe der Nettofüllmenge. Diese Pflicht gilt für vorverpackte und - nach Maßgabe nationaler Regelungen nach Art. 44 Abs. 1 Buchst. b LMIV - für nicht vorverpackte Lebensmittel. Ob entsprechende nationale Regelungen bestehen, kann offenbleiben, denn bei den verfahrensgegenständlichen Produkten der Klägerin handelt es sich um vorverpackte Lebensmittel (aa). Soweit das Berufungsgericht dies verneint hat, verletzt sein Urteil zwar Bundesrecht (bb), es beruht aber nicht darauf (cc). 13 aa) Die Produkte der Klägerin sind vorverpackte Lebensmittel i. S. d. Art. 2 Abs. 2 Buchst. e LMIV. Nach dieser Vorschrift ist ein vorverpacktes Lebensmittel jede Verkaufseinheit, die als solche an den Endverbraucher und an Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung abgegeben werden soll und die aus einem Lebensmittel und der Verpackung besteht, in die das Lebensmittel vor dem Feilbieten verpackt worden ist, gleichviel, ob die Verpackung es ganz oder teilweise umschließt, jedoch auf solche Weise, dass der Inhalt nicht verändert werden kann, ohne dass die Verpackung geöffnet werden muss oder eine Veränderung erfährt; Lebensmittel, die auf Wunsch des Verbrauchers am Verkaufsort verpackt oder im Hinblick auf ihren unmittelbaren Verkauf vorverpackt werden, werden vom Begriff des vorverpackten Lebensmittels nicht erfasst. 14 Die in Rede stehenden Produkte der Klägerin unterfallen dieser Definition. Die einzelnen Süßwarenstücke sind Lebensmittel, von denen jeweils mehrere Exemplare in einen Beutel gefüllt wurden. Dieser Beutel umschließt die Lebensmittel und muss geöffnet werden, um an die Süßwaren zu gelangen. Der Verpackungsvorgang hat vor dem Feilbieten und nicht erst auf Wunsch des Käufers am Verkaufsort oder im Hinblick auf den unmittelbaren Verkauf stattgefunden. Der befüllte Beutel ist auch für den Kauf durch den Endverbraucher bestimmt; gemeinsam stellen Beutel und Inhalt die Verkaufseinheit dar, die an die Verbraucher abgegeben werden soll. 15 bb) Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, bei den Produkten der Klägerin handle es sich nicht um vorverpackte Lebensmittel, weil es an der Unmittelbarkeit zwischen Lebensmittel und Vorverpackung fehle, steht dies nicht mit Bundesrecht in Einklang. Bei einem vorverpackten Lebensmittel i. S. d. Art. 2 Abs. 2 Buchst. e LMIV muss die Vorverpackung das Lebensmittel nicht unmittelbar umschließen. Ein solches Unmittelbarkeitserfordernis findet im Wortlaut der Norm keine Stütze. Es wäre auch nicht mit der Voraussetzung in Anhang IX Nr. 4 LMIV vereinbar, dass eine Vorverpackung mehrere einzelne Packungen enthalten kann, die als solche keine Verkaufseinheit darstellen, d. h. als solche nicht an den Endverbraucher abgegeben werden. In diesen Fällen kann die Vorverpackung - als die Verpackung, in der das Produkt zur Abgabe an den Verbraucher bestimmt ist - nicht unmittelbar mit dem Lebensmittel verbunden sein. Gründe dafür, eine aus mehreren Lebensmitteleinzelpackungen bestehende Vorverpackung nicht als vorverpacktes Lebensmittel zu betrachten - mit der Konsequenz, dass etwa die Pflicht nach Art. 12 Abs. 2 LMIV, die verpflichtenden Informationen direkt auf der Verpackung oder auf einem an dieser befestigten Etikett anzubringen, nicht eingriffe –, sind nicht erkennbar. 16 cc) Auf dem dargestellten Verstoß gegen Bundesrecht beruht das Berufungsurteil indes nicht. Das Berufungsgericht ist trotz der Verneinung des Vorliegens vorverpackter Lebensmittel davon ausgegangen, dass die Klägerin gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. e LMIV die Nettofüllmenge des Lebensmittels angeben muss. 17 c) Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, dass die Produkte der Klägerin den Vorschriften der Art. 23 Abs. 1 und 3 i. V. m. Anhang IX Nr. 4 LMIV unterfallen. Ausgehend von seinen nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen ist dies mit Bundesrecht vereinbar. 18 Art. 23 Abs. 1 LMIV bestimmt, dass die Nettofüllmenge eines Lebensmittels in Litern, Zentilitern, Millilitern, Kilogramm oder Gramm auszudrücken ist, und zwar, je nachdem, was angemessen ist, d. h. bei flüssigen Erzeugnissen in Volumeneinheiten, bei sonstigen Erzeugnissen in Masseeinheiten. Art. 23 Abs. 3 LMIV verweist für technische Vorschriften für die Anwendung von Absatz 1 der Vorschrift auf Anhang IX. Nach Anhang IX Nr. 4 LMIV ist die Nettofüllmenge in Fällen, in denen eine Vorverpackung aus zwei oder mehr Einzelpackungen besteht, die nicht als Verkaufseinheiten anzusehen sind, in der Weise anzugeben, dass die Gesamtnettofüllmenge und die Gesamtzahl der Einzelpackungen angegeben werden. Bei dem äußeren Beutel, der mehrere Süßwarenstücke umschließt, handelt es sich - wie gezeigt - um eine Vorverpackung. Das Oberverwaltungsgericht hat weiter zutreffend angenommen, dass die einzelnen, gesondert umhüllten Süßwarenstücke, die unstreitig nicht als Verkaufseinheit anzusehen sind, Einzelpackungen i. S. d. Anhangs IX Nr. 4 LMIV darstellen. Es hat in Einklang mit revisiblem Recht den Begriff der Einzelpackung ausgelegt (aa) und ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine Differenzierung nach der Größe der Einzelpackung oder den Modalitäten ihrer Verpackung nicht in Betracht kommt (bb). 19 aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass eine Einzelpackung aus einer Kombination von Lebensmittel und Verpackung besteht. Für die Elemente des Begriffs der Verpackung könne auf die Definition des vorverpackten Lebensmittels zurückgegriffen werden. Eine Verpackung liegt nach Auffassung des Berufungsgerichts damit vor, wenn das Lebensmittel ganz oder teilweise umhüllt wird und der Inhalt nicht entnommen werden kann, ohne dass die Verpackung geöffnet werden muss oder eine Veränderung erfährt. 20 Dieses Verständnis steht mit Bundesrecht in Einklang. Die für den Verpackungsbegriff maßgeblichen Elemente können Art. 2 Abs. 2 Buchst. e LMIV entnommen werden. Während dort bei der Definition des vorverpackten Lebensmittels zum Teil ausschließlich für die Vorverpackung Geltung beanspruchende Merkmale - insbesondere die zeitliche Komponente und die Bestimmung als Verkaufseinheit - aufgeführt sind, stellen die Voraussetzungen der (teilweisen) Umhüllung des Lebensmittels und der Notwendigkeit, diese Umhüllung zu öffnen oder zu verändern, um an den Inhalt zu gelangen, Kennzeichen eines allgemeinen - von der Beschreibung der Vorverpackung notwendigerweise umfassten - Begriffs der Verpackung dar. 21 bb) Ebenfalls in Einklang mit revisiblem Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass im Rahmen des Begriffs der nicht als Verkaufseinheit anzusehenden Einzelpackung i. S. d. Anhangs IX Nr. 4 LMIV nicht nach der Größe der Einzelpackung oder den Verpackungsmodalitäten - etwa Art oder Zweck der jeweiligen Verpackung - zu differenzieren ist. 22 (1) Dem Wortlaut des Anhangs IX Nr. 4 LMIV lässt sich kein Ansatzpunkt für eine solche Differenzierung entnehmen. Der dargelegte Verpackungsbegriff und der Umstand, dass die Verordnung in anderen Bestimmungen Sonderregelungen für bestimmte Verpackungen vorsieht - etwa in Art. 16 Abs. 2 LMIV für Verpackungen, deren größte Oberfläche weniger als 10 cm2 beträgt –, sprechen dafür, dass der Unionsgesetzgeber es ausdrücklich geregelt hätte, wenn er bestimmte Einzelpackungen abhängig von Größe oder Eigenheiten der jeweiligen Verpackung von der Regelung in Anhang IX Nr. 4 LMIV hätte ausnehmen wollen. 23 Aus einem Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen von Anhang IX Nr. 3 und Nr. 4 LMIV ergibt sich nichts Anderes. Soweit die Klägerin darauf hinweist, in der deutschen Sprachfassung werde in Nr. 3 und Nr. 4 einheitlich von ""Einzelpackungen"" gesprochen, während in der englischen und französischen Sprachfassung verschiedene Begriffe – ""préemballages individuels"" bzw. ""individual prepacked items"" in Nr. 3 und ""emballages individuels"" bzw. ""individual packages"" in Nr. 4 - verwandt würden, übersieht sie, dass auch die deutsche Sprachfassung in Anhang IX Nr. 3 und 4 unterschiedliche Begriffe enthält. So ist in Nr. 3 die Rede von ""Einzelpackungen"", in Nr. 4 von ""Einzelpackungen, die nicht als Verkaufseinheit anzusehen sind"". Davon abgesehen ist nicht erkennbar, was sich hieraus für die Definition der Einzelpackungen in Anhang IX Nr. 4 LMIV ergeben soll. 24 (2) Auch die Gesetzgebungshistorie lässt nicht erkennen, dass im Rahmen des Anhangs IX Nr. 4 LMIV zwischen verschiedenen nicht als Verkaufseinheit bestimmten Einzelpackungen zu differenzieren ist. Soweit der deutsche Verordnungsgeber bei Schaffung der Verordnung über Fertigpackungen (Fertigpackungsverordnung) vom 18. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1585) in Umsetzung der Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. L 33 S. 1) angenommen hat, ""einzeln umhüllte Erzeugnisse, bei denen die bloße Umhüllung nicht als Packmittel betrachtet werden kann, wie z. B. einzeln umhüllte Bonbons oder Pralinen"" gälten nicht als Packung im Sinne des Art. 8 RL 79/112/EWG, einer der Vorgängerregelungen des Anhangs IX Nr. 4 LMIV (vgl. BR-Drs. 424/81 S. 73), lässt dies keine Rückschlüsse auf den Willen des Unionsgesetzgebers zu. Die historische Betrachtung spricht vielmehr dagegen, Unterscheidungen zwischen verschiedenen Verpackungsmodalitäten zu machen. Der Unionsgesetzgeber hat in Anhang IX Nr. 4 LMIV - anders als in den Vorgängerregelungen in Art. 8 RL 79/112/EWG und Art. 8 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. L 109 S. 29) – keine Möglichkeiten mehr vorgesehen, durch unionsrechtliche oder nationale Regelungen von der Angabe der Gesamtzahl der Einzelpackungen abzusehen. Dies deutet darauf hin, dass er eine umfassende Geltung der Vorschrift des Anhangs IX Nr. 4 LMIV beabsichtigt hat. 25 (3) Sinn und Zweck der Regelung in Anhang IX Nr. 4 LMIV sprechen ebenfalls nicht für eine Differenzierung nach der Größe der Einzelpackung oder den Modalitäten ihrer Verpackung. Die Vorschrift ermöglicht es dem Verbraucher, bei einer Mehrzahl von einzeln verpackten Lebensmitteln in einer Vorverpackung - etwa einem Beutel - zu erkennen, wie viele einzelne Stücke er bei Kauf eines solchen Beutels erhält. Diese Information ist für ihn unabhängig davon nützlich, aus welchem Grund - etwa zum Schutz vor Zusammenkleben oder Verunreinigungen - der Lebensmittelunternehmer die Stücke einzeln umhüllt hat. Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen dafür, auch kleinteilige Einzelpackungen wie einzeln umhüllte Bonbons unter den Begriff der Einzelpackung zu fassen. Der Information des Verbrauchers über die Zahl der enthaltenen Einzelpackungen kommt nicht nur bei größeren, einzeln abgezählten Stücken Bedeutung zu. Unabhängig davon, dass offen bliebe, wo die Grenze zwischen ""kleinen"" und ""großen"" Einzelpackungen zu ziehen wäre, ist jedenfalls bei kleineren Einzelstücken die Gesamtzahl der in einer Vorverpackung enthaltenen Stücke regelmäßig eher schwerer abzuschätzen als bei größeren Einzelstücken. Ob der einzelne Verbraucher einen Bonbon als ""Einzelpackung"" betrachten würde, ist dabei nicht relevant. 26 d) Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage seiner den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen ohne Verstoß gegen revisibles Recht angenommen, dass die Informationspflichten der Lebensmittelunternehmer nach Anhang IX Nr. 4 LMIV in der vorstehenden Auslegung nicht unverhältnismäßig in ihre Grundrechte eingreifen. Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen, dass, soweit es um die Pflichten nach der Lebensmittelinformationsverordnung geht als Maßstab die Grundrechte der EU-Grundrechtecharta heranzuziehen sind, denn insoweit richtet sich der Rechtsstreit nach durch das Unionsrecht vollständig vereinheitlichten Regelungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 276/17 - BVerfGE 152, 216 Rn. 42 - Recht auf Vergessen II). 27 aa) In Betracht kommt ein Eingriff durch die Pflicht zur Angabe der in der Vorverpackung enthaltenen Einzelpackungen in die Berufsfreiheit (Art. 15 GrCh) oder die unternehmerische Freiheit (Art. 16 GrCh) der Lebensmittelunternehmer. 28 bb) Ein Eingriff in diese Grundrechte ist gemäß Art. 52 Abs. 1 GrCh zulässig. Hiernach muss jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei dann, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (EuGH, Urteil vom 30. Juni 2016 - C-134/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​498] - Rn. 33). 29 Die Anforderungen des Art. 52 Abs. 1 GrCh sind erfüllt. Die Informationspflichten nach Art. 23 Abs. 1 und 3 i. V. m. Anhang IX Nr. 4 LMIV sind gesetzlich vorgesehen und achten den Wesensgehalt der berührten Grundrechte. Auch steht die Annahme des Berufungsgerichts, es handle sich um eine verhältnismäßige Regelung, ausgehend von seinen bindenden tatsächlichen Feststellungen in Einklang mit revisiblem Recht. 30 (1) Der Unionsgesetzgeber verfolgt mit der Bestimmung in Anhang IX Nr. 4 LMIV, nach der neben dem Füllgewicht der Vorverpackung auch die Zahl der enthaltenen Einzelpackungen anzugeben ist, von der Union anerkannte, dem Gemeinwohl dienende Zielsetzungen i. S. d. Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GrCh. Mit der Angabe soll - ebenso wie mit den weiteren verpflichtenden Informationen - Verbrauchern eine für ihre Kaufentscheidungen relevante Information zugänglich gemacht werden, damit sie eine fundierte Wahl treffen können (vgl. etwa Erwägungsgründe 4 und 17 LMIV). Die Verbraucherinformation ist eines der von der Union zu fördernden Ziele (vgl. Art. 169 Abs. 1 AEUV). 31 (2) Die (zusätzliche) Pflicht zur Angabe der Zahl der in einer Vorverpackung enthaltenen Einzelpackungen ist geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass der Angabe der Stückzahl ein ergänzender Informationswert zukommt. Die Anzahl der in einer Vorverpackung enthaltenen Einzelpackungen gebe dem Käufer eine weitere Orientierungshilfe, die ihm die Kaufentscheidung erleichtern könne. Insbesondere bei Produkten, die in unterschiedlich großen Vorverpackungen angeboten würden, könne die Stückzahl die Kaufentscheidung beeinflussen. Hilfreich sei dies vor allem, wenn der Verbraucher abschätzen müsse, wie viele Vorverpackungen er für bestimmte Anlässe erwerben müsse. Die Klägerin hat gegen diese Feststellungen keine Verfahrensrügen erhoben. Ihre inhaltliche Kritik, es handle sich bei der Angabe der Stückzahl um einen systemwidrigen Informationsüberschuss, mit dem dem Verbraucher kein Mehrwert an Information geliefert werde, überzeugt nicht. Das Berufungsgericht hat nachvollziehbar mehrere Fallgestaltungen aufgezeigt, in denen die Stückzahl und damit die Information hierüber Einfluss auf die Kaufentscheidung des Verbrauchers haben kann. 32 (3) Anhaltspunkte dafür, dass die Regelung in Anhang IX Nr. 4 LMIV über das hinausgeht, was zur Zielerreichung notwendig ist, oder ein weniger belastendes geeignetes Mittel gegeben ist, sind nicht erkennbar. 33 (4) Schließlich stehen die Nachteile durch die Pflicht zur Angabe der Stückzahl nicht außer Verhältnis zum damit angestrebten Ziel der Verbraucherinformation. Wie dargestellt kann die Kenntnis von der Anzahl der in einer Vorverpackung enthaltenen Artikel nicht unerhebliche Bedeutung für die Kaufentscheidung der Verbraucher haben. Erhebliche Belastungen der Lebensmittelunternehmer, die außer Verhältnis zu dem Informationsgewinn für den Verbraucher stehen, sind ausgehend von den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zu erkennen. 34 Insbesondere kommt es nicht zu unzumutbaren Belastungen durch das Zusammenspiel von Lebensmittelinformationsverordnung und Fertigpackungsrecht. Die Lebensmittelinformationsverordnung regelt, wie die Nettofüllmenge eines vorverpackten Lebensmittels anzugeben ist, das Fertigpackungsrecht, welche Abweichungen der Befüllung von der Nennfüllmenge zulässig sind. Zwar führt die Angabe der Zahl der in einer Vorverpackung enthaltenen Einzelpackungen zusätzlich zur Angabe des Füllgewichts dazu, dass nicht nur die Bestimmungen zur zulässigen Abweichung des tatsächlichen Gewichts vom angegebenen Gewicht einzuhalten sind (vgl. die in Umsetzung von Anhang I der Richtlinie 76/211/EWG des Rates vom 20. Januar 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Abfüllung bestimmter Erzeugnisse nach Gewicht oder Volumen in Fertigpackungen erlassene Vorschrift des § 16 Abs. 1 i. V. m. § 9 der Verordnung über Fertigpackungen und andere Verkaufseinheiten vom 18. November 2020 ), sondern zugleich auch die Regelungen zur Abweichung bei Stückzahlangaben (vgl. § 16 Abs. 1 i. V. m. § 26 Abs. 1 und 2 Nr. 2 FPackV) gewahrt werden müssen. Eine unverhältnismäßige Belastung der Lebensmittelunternehmer folgt hieraus aber nicht. 35 Allein der Umstand, dass § 16 Abs. 1 i. V. m. § 26 Abs. 1 FPackV bei einer Nennfüllmenge von 30 oder weniger Stück keine Minusabweichung von der angegebenen Zahl der Einzelstücke zulässt und damit strenger ist als die Füllmengenanforderungen an nach Gewicht gekennzeichnete Fertigpackungen in § 16 Abs. 1 i. V. m. § 9 FPackV, die gewisse Toleranzen der Füllmengen zulassen, begründet keine unverhältnismäßigen Nachteile. Bei nach Gewicht gekennzeichneten Fertigpackungen genügt es, dass bei Herstellung ein näher bestimmter Mittelwert der Füllmengen die Nennfüllmenge nicht unterschreitet (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 FPackV) und 98 % der Packungen die zulässigen Minusabweichungen nicht unterschreiten (§ 9 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 FPackV). Sie dürfen in den Verkehr gebracht werden, wenn zum Zeitpunkt der Herstellung und beim Inverkehrbringen keine Packung das Zweifache der nach Absatz 3 zugelassenen Minusabweichung überschreitet (§ 9 Abs. 4 FPackV). Dass mit Blick hierauf die Einhaltung der Füllmengenanforderungen an nach Stückzahl gekennzeichnete Fertigpackungen eine unzumutbare Härte darstellt, ist nicht erkennbar; ein Anspruch darauf, dass bei zwei einzuhaltenden Vorschriften nur die günstigere Anwendung findet, besteht nicht. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwiefern die verpflichtende Kennzeichnung nach Stückzahl - wie die Klägerin meint - zu einer ""Abschaffung des Mittelwertprinzips"" führen sollte. Die auf den Mittelwert der Füllmengen abstellende Vorschrift für nach Gewicht gekennzeichnete Fertigpackungen bleibt anwendbar. Für nach Stückzahl gekennzeichnete Fertigpackungen mit einer Nennfüllmenge von mehr als 30 Stück genügt es ebenfalls, wenn ein näher bestimmter Mittelwert der Füllmengen die Nennfüllmenge nicht unterschreitet und keine Packung eine zulässige Minusabweichung überschreitet (§ 26 Abs. 2 FPackV). 36 Auch ist die gleichzeitige Einhaltung der beiden dargestellten Toleranzgrenzen ohne unverhältnismäßige Belastungen der Lebensmittelunternehmer möglich. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass bei einem - wie bei der Klägerin - am Gewicht orientierten Abfüllprozess trotz produktionsbedingter Schwankungen des Gewichts der Einzelstücke Gesamtgewicht und Stückzahl so angegeben werden können, dass sie nicht gegen die Vorschriften über die maximal zulässigen Füllmengenabweichungen verstoßen. Hierfür könne die geringstmögliche Stückzahl ermittelt werden, indem die Gesamtnettofüllmenge unter Abzug der maximalen Minusabweichung durch das Maximalstückgewicht dividiert werde. Die so ermittelte geringstmögliche Stückzahl könne auf der Vorverpackung angegeben werden. Die Klägerin hat diese Feststellung nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen. Soweit sie im Schriftsatz vom 30. Januar 2023 vorgetragen hat, das Oberverwaltungsgericht sei nach § 86 VwGO verpflichtet gewesen, ein Sachverständigengutachten zur Frage der Schwankungen der Einzelstückgewichte bei kleinteiligen Süßwaren einzuholen, betraf dieser Vortrag die Repräsentativität der Probenziehung durch den Beklagten (UA S. 22 unter (1)), nicht die das Urteil selbständig tragende Ermittlung der Stückzahl im Rechenwege (UA S. 23 f. unter (2)). Im Übrigen hat die Beklagte den Verfahrensmangel erst nach Ablauf der Frist für die Begründung der Revision (§ 139 Abs. 3 Satz 1 und 4 VwGO) geltend gemacht. 37 Das vom Berufungsgericht dargelegte Vorgehen ist den Lebensmittelunternehmern auch zumutbar. Soweit es dazu führen sollte, dass sich regelmäßig mehr Einzelstücke in der Vorverpackung befinden als angegeben, verstößt dies nicht gegen die dargestellten Füllmengenvorschriften, die allein Minusabweichungen beschränken. Dass bei einer regelmäßigen Plusabweichung das Ansehen der Lebensmittelunternehmer gegenüber dem Verbraucher geschädigt würde, erscheint lebensfremd. Die Stückzahlangabe verliert damit auch nicht ihren Wert für den Verbraucher, denn dieser erfährt hierdurch, mit wie vielen Einzelstücken er beim Kauf der jeweiligen Vorverpackungen im Rahmen der zulässigen Minusabweichung sicher rechnen kann. Daher stehen auch eine Irreführung des Verbrauchers i. S. d. Art. 7 Abs. 1 LMIV oder ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 2 LMIV insoweit nicht im Raum. Ein nennenswerter Wettbewerbsnachteil gegenüber den Produzenten vergleichbarer Produkte wird regelmäßig nicht eintreten, denn mit produktionsbedingten Schwankungen des Gewichts der Einzelstücke sind sie ebenfalls konfrontiert. Sollte es durch die Plusabweichung der enthaltenen Einzelstücke gegenüber den angegebenen Stücken zu Ungenauigkeiten bei den Portionsangaben kommen, die nach Art. 33 Abs. 1 LMIV erforderlich sind, wenn Nährwerte nicht nur pro 100 Gramm, sondern auch pro Portion angegeben werden, kann dies die Unzumutbarkeit des dargestellten Vorgehens nicht begründen. Dem Lebensmittelunternehmer steht es insoweit frei, auf die nach Art. 33 Abs. 1 LMIV freiwillige Angabe der Nährwerte pro Portion zu verzichten. Dass es durch einen solchen Verzicht zu unverhältnismäßigen Nachteilen kommen würde, ist nicht erkennbar. Auch hier wird in aller Regel ein Wettbewerbsnachteil gegenüber sich in vergleichbarer Situation befindenden Lebensmittelunternehmern ausscheiden. 38 Ist es damit nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts möglich, auch bei Beibehaltung des gewichtsorientierten Abfüllprozesses die Stückzahl anzugeben und die Füllmengenanforderungen einzuhalten, zeigt der Hinweis der Klägerin auf einen - nicht weiter konkretisierten - Aufwand für technische Umrüstungen ebenfalls keine unzumutbaren Belastungen für die Lebensmittelunternehmer auf. Dass bei dem vom Oberverwaltungsgericht beschriebenen Vorgehen Abfüllprozesse umgestellt werden müssten, ist nicht erkennbar. 39 e) Die Bestimmung in Anhang IX Nr. 4 LMIV verstößt auch nicht gegen Art. 20 GrCh. Diese Gewährleistung verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (stRspr, vgl. EuGH, Urteile vom 5. März 2015 - C-463/12 [ECLI:​EU:​C:​2015:​144] - Rn. 32 und vom 22. September 2016 - C-110/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​717] - Rn. 44). 40 aa) Eine Ungleichbehandlung von Vorverpackungen, die unter Anhang IX Nr. 4 LMIV fallen, gegenüber solchen, die von Anhang IX Nr. 3 LMIV erfasst werden, liegt im Hinblick auf die Pflicht zur Angabe der enthaltenen Einzelpackungen nicht vor. Beide Vorschriften verlangen die Stückzahlangabe. Soweit die Klägerin vorträgt, durch die Regelung in Anhang IX Nr. 3 LMIV werde der Verbraucher für die Gesamtfüllmenge auf den Rechenweg verwiesen, folgt aus diesem Umstand keine Ungleichbehandlung im Hinblick auf die von der Klägerin angegriffene Pflicht zur Angabe der Gesamtzahl der Einzelpackungen. 41 bb) Eine gegen Art. 20 GrCh verstoßende Ungleichbehandlung liegt auch nicht darin, dass bei Vorverpackungen, die mehrere nicht einzeln umhüllte Lebensmittel enthalten, die Anzahl der einzelnen Stücke nicht angegeben werden muss. Die Sachverhalte sind insoweit bereits nicht vergleichbar i. S. d. Art. 20 GrCh. Für einzeln verpackte Lebensmittel eröffnen sich durch die gesonderte Verpackung gegenüber dem nicht einzeln umhüllten Lebensmittel erweiterte Verwendungsmöglichkeiten. Sie eignen sich insbesondere dafür, einzeln oder in Teilmengen an eine Vielzahl von Personen weitergegeben zu werden. Im Hinblick auf eine solche Verwendung ist es von besonderem Interesse, die Anzahl der enthaltenen Stücke zu kennen, um etwa ermitteln zu können, wie viele Vorverpackungen - hier in Form von Beuteln mit Süßwaren - mit Blick auf eine bekannte Anzahl von Personen, an die das Lebensmittel einzeln weitergegeben werden soll, erworben werden müssen. 42 f) Nichts Anderes ergibt sich im Hinblick darauf, dass die Belastungen durch die Füllmengenanforderungen im nationalen Recht wurzeln, aus dem nationalen Verfassungsrecht, insbesondere aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. 43 3. Angesichts des klaren Befundes zum Verständnis der Tatbestandsmerkmale des Anhangs IX Nr. 4 LMIV und zur Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit den Grundrechten der Grundrechte-Charta besteht für den Senat kein Anlass, Fragen zu ihrer Auslegung dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV vorzulegen. Eine Vorlagepflicht eines letztinstanzlich entscheidenden Gerichts besteht nur, wenn sich in dem Verfahren entscheidungserheblich eine Frage des Unionsrechts stellt, die sich nicht bereits aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs beantwortet oder deren Beantwortung nicht so offenkundig ist, dass für vernünftige Zweifel keinerlei Raum bleibt. Dabei darf das Gericht nur dann davon ausgehen, dass ein solcher Fall vorliegt, wenn es überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​799] - Rn. 39 ff, 51). Angesichts des klaren Wortlauts und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift bleibt zur Überzeugung des Senats für vernünftige Zweifel an dem Inhalt der Bestimmung in Anhang IX Nr. 4 LMIV, soweit sie entscheidungserheblich ist, kein Raum. 44 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2023-20,14.03.2023,"Pressemitteilung Nr. 20/2023 vom 14.03.2023 EN Anordnung der Treuhandverwaltung über deutsche Rosneft-Töchter ist rechtmäßig Die im September 2022 erlassene Anordnung einer Treuhandverwaltung nach dem Energiesicherungsgesetz über die Rosneft Deutschland GmbH (RDG) und die Rosneft Refining and Marketing GmbH (RNRM) in Berlin ist rechtmäßig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die beiden Tochtergesellschaften der in Luxemburg und Moskau ansässigen Klägerinnen sind unter anderem an der PCK-Raffinerie GmbH in Schwedt/Oder (PCK) beteiligt. Diese sichert die Grundversorgung des Nordostens Deutschlands mit Mineralölprodukten und beliefert den Berliner Flughafen. Sie ist auf die Verarbeitung russischen Rohöls ausgelegt. Im März 2022 bat RDG das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz um Unterstützung, weil Geschäftspartner die weitere Zusammenarbeit auch über das sanktionsrechtlich Geforderte hinaus verweigerten (Overcompliance), und erklärte, sonst drohe die Insolvenz. Daraufhin erläuterte das Ministerium in einem Letter of Comfort, dass die inländischen Tochtergesellschaften nicht unter die EU-Sanktionsregelungen fielen, und betonte ihre Bedeutung für die Versorgungssicherheit. Einer späteren Bitte um einen neuen Letter of Comfort kam es nicht nach, sondern erwog die Anordnung einer Treuhandverwaltung. RDG warnte vor russischen Gegenmaßnahmen. Wenig später erhielt das Ministerium Hinweise auf Versuche, Kapital der deutschen Tochtergesellschaften abzuziehen. Mit Bescheid vom 14. September 2022 ordnete es gemäß § 17 Energiesicherungsgesetz die Treuhandverwaltung der Stimmrechte aus den Geschäftsanteilen an RDG und RNRM bis zum 15. März 2023 an. Während dieser Zeit werden die Stimmrechte der Klägerinnen durch die Bundesnetzagentur wahrgenommen. Diese darf auch Geschäftsführer der RDG und RNRM bestellen und abberufen und ihnen Weisungen erteilen. Außerdem wird die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Geschäftsführungen beschränkt. Die Begründung führte aus, beide Gesellschaften betrieben Kritische Infrastruktur im Sektor Energie. Ihre Geschäftstätigkeit sei erforderlich, um die Versorgungssicherheit zu erhalten. Die Overcompliance führe zu einer konkreten Gefahr für die Erfüllung ihrer Aufgaben. Dadurch drohe eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit. Die Treuhandverwaltung sei geeignet und erforderlich, diese Gefahr abzuwenden und rechtzeitig Maßnahmen einzuleiten, um die PCK-Raffinerie von russischen Öllieferungen unabhängig zu machen. Die Klägerinnen halten die Anordnung für rechtswidrig. Sie sei ohne die erforderliche vorherige Anhörung erlassen worden und nur unzureichend begründet. Außerdem sei sie unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft. Das Bundesverwaltungsgericht hat die dagegen erhobenen Klagen nach mehrtägiger Verhandlung und umfangreicher Beweisaufnahme abgewiesen. Zwar sind beide Klägerinnen klagebefugt. Sie können geltend machen, ein gesetzwidriger Ausschluss von der Wahrnehmung ihrer Stimmrechte verletze sie in ihren Gesellschafterrechten. Ihre Klagen sind jedoch nicht begründet. Die Anordnung der Treuhandverwaltung vom 14. September 2022 ist rechtmäßig. Zu einer vorherigen Anhörung der Klägerinnen war das Ministerium wegen Gefahr im Verzug nicht verpflichtet. Hinweise auf einen drohenden Kapitalabzug ließen einen Zusammenbruch der Unternehmen ähnlich dem der Gazprom Germania befürchten. Die Pflicht zur Begründung der Anordnung hat das Ministerium hinreichend erfüllt. Die Anordnung ist auch materiell rechtmäßig. § 17 Abs. 1 bis 4 EnSiG ist verfassungskonform. Er ermächtigt zur Anordnung der Treuhandverwaltung über Unternehmen der Kritischen Infrastruktur im Sektor Energie, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass das Unternehmen sonst seine dem Funktionieren des Gemeinwesens im Energiesektor dienenden Aufgaben nicht erfüllen wird, und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht. Diese Regelung schränkt die Berufsfreiheit und die Freiheit unternehmerischer Betätigung (Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG) verhältnismäßig ein. Zugleich normiert sie eine ebenfalls verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung der Anteilsrechte von Gesellschaftern (Art. 14 Abs. 1 GG). Die Voraussetzungen der Ermächtigung lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung Mitte September 2022 vor. RDG und RNRM zählen zu den Betreibern der PCK-Raffinerie, einer Anlage der Kritischen Infrastruktur im Sinne der Vorschrift. Betreiber ist, wer nach den rechtlichen, tatsächlichen und wirtschaftlichen Umständen bestimmenden Einfluss auf Bestand oder Betrieb einer Anlage oder Teilen davon hat. § 17 Abs. 1 EnSiG geht davon aus, dass eine Anlage von mehreren gemeinschaftlich betrieben werden kann, und behandelt zwecks effektiver Gefahrenabwehr jeden Mitbetreiber als Betreiber. Die PCK-Raffinerie wird nicht von der gleichnamigen GmbH betrieben, sondern von einem Joint Venture-Konsortium. Dazu gehören ihre Gesellschafter, darunter RDG und ein mehrheitlich von RNRM gehaltenes Unternehmen. Die Konsorten treffen die wesentlichen Entscheidungen und beschränken die Tätigkeit der PCK Raffinerie GmbH auf eine gewinnlose (non profit) Lohnverarbeitung im Umfang ihrer jeweiligen Beteiligungen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestand die konkrete Gefahr, dass RDG und RNRM ohne eine Treuhandverwaltung ihre Aufgabe, ihren bisherigen Beitrag zur Energieversorgung weiter zu erbringen, künftig nicht erfüllen könnten. Im Rahmen seiner Beweiswürdigung hat der Senat die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen und die Angriffe gegen die Glaubwürdigkeit einzelner Zeugen im Einzelnen geprüft. Auf die hilfsweise unter Beweis gestellten Tatsachen kam es nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung nicht an. Die dem Ministerium Mitte September 2022 bekannten und für es erkennbaren Umstände rechtfertigten die Prognose, dass RDG und RNRM ihren Versorgungsbeitrag im Fall einer Unterbrechung der russischen Rohöllieferung, auf die Versuche zum Kapitalabzug hindeuteten, nicht mehr leisten könnten. Sie hatten für diesen Fall keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, obwohl das Klagevorbringen selbst eine gewisse Wahrscheinlichkeit einer solchen Unterbrechung einräumt. Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit sind wegen der überragenden Bedeutung der Versorgungssicherheit gering. Darüber hinaus war die Geschäftstätigkeit der beiden Tochtergesellschaften nach wie vor durch Overcompliance gefährdet. Das betraf insbesondere die Zusammenarbeit mit Banken und Versicherungen. Das Bemühen von RDG und RNRM, die zunehmenden Probleme mit gesteigerter Risikobereitschaft oder über Hilfskonstruktionen zu lösen, bot keine ausreichende Gewähr für einen zuverlässigen künftigen, unverminderten Versorgungsbeitrag. Das Ministerium hat sein Ermessen zur Anordnung der Treuhandverwaltung entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt. Um eine Betriebsfortführung im Interesse der Versorgungssicherheit zu gewährleisten, zielt die Anordnung auf eine Reduzierung der Overcompliance-Probleme und auf eine rechtzeitige Diversifizierung des Rohölbezugs. Dazu gehören Investitionen wie die Ertüchtigung der Pipeline von Rostock nach Schwedt, an denen oder deren Finanzierung der Konzern kein Interesse hatte. Die Ertüchtigung ermöglicht zeitnah eine Raffineriebelieferung im Umfang der Mindestlast auch bei unvorhergesehenen Unterbrechungen der Lieferungen russischen oder kasachischen Öls über die Drushba-Pipeline. Der Vorwurf, das Ministerium habe sein Ermessen missbraucht, um ein Importembargo für russisches Rohöl ohne gesetzliche Grundlage durchzusetzen, trifft nicht zu. Wie sich aus dem Verwaltungsvorgang ergibt, wurde die Treuhand bereits mehr als zwei Monate vor dem sechsten EU-Sanktionspaket und der Protokollerklärung zum Verzicht auf russisches leitungsgebundenes Öl diskutiert. Sie wurde auch nicht unmittelbar danach und deswegen angeordnet, sondern erst, als Hinweise auf drohenden Kapitalabzug einen baldigen Zusammenbruch von RDG und RNRM befürchten ließen und eine schnelle Stabilisierung geboten war. Die Anordnung wahrt auch die rechtlichen Grenzen des Ermessens. Dabei kann offenbleiben, inwieweit die Klägerinnen grundrechtsberechtigt sind. Sie werden keinen Beeinträchtigungen ausgesetzt, denen nicht auch grundrechtlich geschützte inländische Kapitalgesellschaften in gleicher Situation von Rechts wegen ausgesetzt wären. Sollten Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG vorliegen, sind sie verhältnismäßig. Das Einschalten der Treuhänderin war geeignet und wegen der unzureichenden Wirkung des Letters of Comfort erforderlich, die Overcompliance-Probleme zu reduzieren. Außerdem ermöglichte es, unverzüglich die für die Versorgungssicherheit nötigen Investitionen wie den Ausbau der Pipeline voranzutreiben. Bloße Auflagen hätten der Overcompliance nicht begegnen können und die Diversifizierung des Rohölbezugs erschwert. Mittel des Erdöl-Bevorratungsverbandes sind für unvorhergesehene Engpässe vorgesehen. Die Verwaltungs- und Verfügungsbeschränkungen sind erforderlich, um die Wirksamkeit der Treuhandverwaltung zu sichern. Auch die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG ist, falls betroffen, nicht verletzt. Die Anordnung stellt eine nicht entschädigungspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums an den Gesellschaftsanteilen dar. Sie ist verhältnismäßig, weil sie wegen der überragenden Bedeutung des Gemeinwohlguts der Versorgungssicherheit von der Sozialbindung des Eigentums gedeckt ist. Ein Ausfall der PCK-Raffinerie hätte die Befriedigung existenzieller Bedürfnisse wie die Wärmeversorgung von Wohnungen, Schulen und Heimen, die Krankentransporte und die Feuerwehr gefährdet, deren Funktionsfähigkeit der Staat zur Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten sicherstellen muss. Art. 4 des Sowjetisch-Deutschen Investitionsschutzabkommens steht der Anordnung ebenfalls nicht entgegen. Die sechsmonatige Treuhandverwaltung hat keine einer Enteignung vergleichbare Wirkung. Sie lässt die Inhaberschaft der Gesellschaftsanteile und deren Renditegrundlage unberührt, weil Verfügungen des Treuhänders über die Anteile ausgeschlossen und Veräußerungen von Vermögensgegenständen nur zum Werterhalt des Unternehmens zulässig sind. Die Anordnung ist auch mit Unionsrecht und der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar. BVerwG 8 A 2.22 - Urteil vom 14. März 2023","Urteil vom 14.03.2023 - BVerwG 8 A 2.22ECLI:DE:BVerwG:2023:140323U8A2.22.0 EN Anordnung der Treuhandverwaltung über inländische Tochterunternehmen des Rosneft-Konzerns Leitsätze: 1. Die Ermächtigung zur Anordnung einer Treuhandverwaltung gemäß § 17 Abs. 1 EnSiG ist verfassungskonform. 2. Gemäß § 17 Abs. 1 EnSiG ist Betreiber einer Kritischen Infrastruktur, wer nach den rechtlichen, tatsächlichen und wirtschaftlichen Umständen bestimmenden Einfluss auf die Beschaffenheit oder den Betrieb einer solchen Anlage oder Teilen davon hat. Werden eine Anlage oder Teile davon von mehreren gemeinsam betrieben, ist jeder von ihnen Betreiber im Sinne der Vorschrift. 3. Die Aufgaben gemäß § 17 Abs. 1 EnSiG bestehen darin, den bisher geleisteten Beitrag des Unternehmens zur Energieversorgung weiter zu erbringen. Dazu gehört auch, rechtzeitige und ausreichende Vorkehrungen dafür zu treffen, dass das Unternehmen auf absehbare Veränderungen der Marktbedingungen reagieren und seinen Versorgungsbeitrag unter den neuen Bedingungen weiterhin erbringen kann. 4. Die konkrete Gefahr der Aufgabennichterfüllung im Sinne von § 17 Abs. 1 EnSiG besteht, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die aus der ex-ante-Sicht eines verständigen Amtswalters die Annahme rechtfertigen, dass bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine nicht unerhebliche Minderung des Versorgungsbeitrags des Betreibers Kritischer Infrastruktur im Sektor Energie eintreten wird. 5. Das Tatbestandsmerkmal ""ohne eine Treuhandverwaltung"" gemäß § 17 Abs. 1 EnSiG bringt zum Ausdruck, dass die Anordnung einer Treuhandverwaltung verhältnismäßig und insbesondere erforderlich sein muss, die Gefährdung der Energieversorgungssicherheit durch Aufgabennichterfüllung abzuwenden; ein darüber hinausgehender eigenständiger Gehalt kommt ihm nicht zu. 6. Im Sinne des § 17 Abs. 1 EnSiG droht eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit, wenn wegen der konkreten Gefahr der Aufgabennichterfüllung die Gefahr nicht unerheblicher Einbußen bei der Energieversorgung besteht, die sich auf das Funktionieren des Gemeinwesens auswirken können. Dabei ist das Ausmaß der räumlichen Auswirkungen ebenso zu berücksichtigen wie die Größe des betroffenen Personenkreises und die Dauer der zu besorgenden Beeinträchtigung. Rechtsquellen AEUV Art. 49 Abs. 1, Art. 54 Abs. 1 GRC Art. 15 f., Art. 20, Art. 21 Abs. 2, Art. 51 Abs. 1 Satz 1, Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14, Art. 19 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3, Art. 25, Art. 72 Abs. 2, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 VwGO § 42 Abs. 2, § 86 Abs. 1, § 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 VwVfG § 28 Abs. 1 und 2, § 39 Abs. 1, §§ 40 und 48 EnSiG § 17 BSIG § 2 Abs. 10, § 8a Abs. 1 Satz 2, § 8b Abs. 3 AktG §§ 15 und 17 GmbHG § 37 Abs. 1, §§ 45 ff. BSI-KritisV § 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 3, § 2 Abs. 6, Anhang 1 Teil 3 Spalte B Nr. 3.1.2 und Spalte D Sowjetisch-Deutsches Investitionsschutzabkommen - SDI - Art. 1 Abs. 1, Art. 3, Art. 4 Abs. 1 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 14.03.2023 - 8 A 2.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:140323U8A2.22.0] Urteil BVerwG 8 A 2.22 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar, 7., 8. und 9. März 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller, Dr. Meister und Dr. Naumann am 14. März 2023 für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Die Klägerinnen wenden sich gegen die Anordnung einer Treuhandverwaltung nach dem Energiesicherungsgesetz. 2 Die Klägerin zu 2 ist eine Tochtergesellschaft der ebenso wie sie in Moskau ansässigen Rosneft Oil Company und Alleingesellschafterin der in Luxemburg gegründeten und in das dortige Handels- und Gesellschaftsregister eingetragenen Klägerin zu 1. Diese hält sämtliche Anteile an der nach deutschem Recht gegründeten Rosneft Deutschland GmbH (nachfolgend: RDG) mit Sitz in Berlin. Die ebenfalls nach deutschem Recht gegründete und in Berlin ansässige RN Refining & Marketing GmbH (nachfolgend: RNRM) wird unmittelbar von der Klägerin zu 2 als Alleingesellschafterin gehalten. Der Tätigkeitsbereich von RDG und RNRM umfasst im Wesentlichen den Einkauf, die Verarbeitung und den Vertrieb von Rohöl; dabei erbringt RNRM Dienstleistungen für RDG. Beide halten unter anderem - teils mittelbar - Beteiligungen an Raffinerien in Schwedt/Oder (PCK Raffinerie GmbH), in Karlsruhe (MiRO Mineraloelraffinerie Oberrhein GmbH & Co. KG) und in Vohburg/Neustadt a. d. Donau (Bayernoil-Raffineriegesellschaft mbH). Sie vereinen knapp 12 % der gesamten inländischen Erdölverarbeitungskapazität auf sich. Die PCK-Raffinerie, die zu den größten Raffineriebetrieben in der Bundesrepublik Deutschland gehört, sichert die Grundversorgung mit Mineralölprodukten im Nordosten Deutschlands und beliefert den Berliner Flughafen. Sie ist auf die Verarbeitung russischen Rohöls ausgelegt, das über die Drushba-Pipeline bezogen wurde. 3 Mit Schreiben vom 23. März 2022 bat die damalige Geschäftsführung der RDG das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (nachfolgend: Ministerium) um Unterstützung, weil wichtige Geschäftspartner - darunter die Hausbank - die weitere Zusammenarbeit auch über das sanktionsrechtlich Geforderte hinaus verweigerten (Overcompliance) oder dies angekündigt hätten. Ohne die Unterstützung des Ministeriums in der Kommunikation mit den Vertragspartnern drohe die Insolvenz. Daraufhin erläuterte das Ministerium in einem Letter of Comfort, dass inländische Tochtergesellschaften sanktionierter russischer Unternehmen nicht unter die EU-Sanktionsregelungen fielen, und hob ihre Bedeutung für die Versorgungssicherheit in Deutschland hervor. Einer späteren, mit weiteren Problemen begründeten Bitte um einen erneuten Letter of Comfort kam das Ministerium nicht nach. Es erwog seit Ende März 2022 andere Optionen, darunter die Anordnung einer Treuhandverwaltung, und erörterte diese mit Vertretern von RDG und RNRM unter anderem in einem Gespräch am 26. Juli 2022. 4 Mit Bescheid vom 14. September 2022, veröffentlicht im Bundesanzeiger vom 16. September 2022 (BAnz AT 16.09.2022 B1), ordnete das Ministerium gemäß § 17 Energiesicherungsgesetz (EnSiG) hinsichtlich sämtlicher Stimmrechte aus den Geschäftsanteilen an RDG und RNRM die Treuhandverwaltung durch die Bundesnetzagentur bis zum 15. März 2023 an. Während dieser Zeit sind die Gesellschafter der beiden Gesellschaften gemäß Nr. 2 der Anordnung von der Wahrnehmung ihrer Stimmrechte ausgeschlossen und gehen die Stimmrechte gemäß Nr. 3 Satz 1 auf die Bundesnetzagentur über. Diese ist gemäß Nr. 3 Satz 2 der Anordnung insbesondere berechtigt, Mitglieder der Geschäftsführung beider Gesellschaften abzuberufen und neu zu bestellen sowie deren Geschäftsführung Weisungen zu erteilen. Außerdem wird die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Geschäftsführung in Bezug auf das Vermögen beider Gesellschaften in Nr. 4 der Anordnung beschränkt und ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Bundesnetzagentur begründet. Die Kosten der Treuhandverwaltung erlegen Nr. 5 und 6 der Anordnung den beiden Gesellschaften auf. Zur Begründung wird ausgeführt, beide betrieben Kritische Infrastruktur im Sektor Energie. Ihre Geschäftstätigkeit sei für das Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie und zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit erforderlich. Durch das Verhalten ihrer Vertragspartner drohe unmittelbar eine erhebliche Beeinträchtigung des Betriebs der beiden Unternehmen. Deshalb bestehe die konkrete Gefahr, dass diese ihre Aufgaben nicht länger erfüllen könnten. Dadurch drohe eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit, der die Treuhandverwaltung begegne. Diese sei geeignet und erforderlich, die Gefahr abzuwenden. Es sei zu erwarten, dass Vertragspartner ihre Geschäftsbeziehungen mit den beiden Gesellschaften aufgrund der Treuhandverwaltung fortsetzten oder wiederaufnähmen. Dadurch werde der wirtschaftliche Ausfall beider Gesellschaften mit weitreichenden Folgen für die Versorgungssicherheit verhindert und der Betrieb der PCK-Raffinerie gesichert. Außerdem könne die Umstellung der Ölbelieferung der PCK-Raffinerie auf nicht-russisches Öl, die angesichts des hohen Risikos einer Reduzierung oder Einstellung russischer Öllieferungen für die Versorgungssicherheit erforderlich sei und eine Erschließung neuer Bezugsquellen sowie die Ertüchtigung der Pipeline von Rostock nach Schwedt voraussetze, ohne eine Treuhandverwaltung nicht erreicht werden. 5 Die Klägerinnen sowie RDG und RNRM haben am 13. Oktober 2022 Klage erhoben und - zusammengefasst - geltend gemacht, die Anordnung sei formell und materiell rechtswidrig. Sie sei ohne die erforderliche vorherige Anhörung erlassen und nur unzureichend begründet worden. Ihre gesetzliche Ermächtigungsgrundlage sei nicht hinreichend bestimmt und nicht mit den Grundrechten vereinbar. Entgegen Art. 14 GG sehe sie keine mit der Anordnung verbundene Entscheidung über eine Entschädigung dem Grunde nach vor. Außerdem verletze sie allgemeine Grundsätze des Völkerrechts zum Schutz des Eigentums. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Treuhandverwaltung seien nicht erfüllt. RDG und RNRM betrieben weder selbst noch durch mit ihnen verbundene Unternehmen Kritische Infrastruktur im Sektor Energie. Es bestehe auch keine konkrete Gefahr, dass RDG und RNRM ohne eine Treuhandverwaltung ihre dem Energiesektor dienenden Aufgaben nicht erfüllten. Schwierigkeiten mit Vertragspartnern beschränkten sich auf Einzelfälle und seien nicht als kritisch einzustufen. Bis zum Erlass der Anordnung hätten RDG und RNRM ihre Aufgaben wahrgenommen und sich auch der Umstellung auf den Bezug nicht-russischen Öls nicht verweigert. Für ein Embargo leitungsgebundenen russischen Rohöls ab dem 1. Januar 2023 fehle es zudem an einer Rechtsgrundlage. Die Anordnung sei unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft. Sie verstoße gegen höherrangiges Recht und insbesondere gegen das Gesetz zu dem Vertrag der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom 13. Juni 1989. 6 Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2023 haben RDG und RNRM ihre Klagen zurückgenommen. Der Senat hat mit Beschluss vom 16. Februar 2023 das Verfahren insoweit abgetrennt; das abgetrennte Verfahren wird unter dem Aktenzeichen BVerwG 8 A 1.23 gesondert fortgeführt. 7 Die Klägerinnen beantragen, 1. die Anordnung der Beklagten vom 14. September 2022 aufzuheben, soweit sie die jeweilige Klägerin - in Ziffern 1 bis 5 die Klägerin zu 1 und in Ziffern 1 bis 4 und 6 die Klägerin zu 2 - betrifft, 2. die Beklagte zu verurteilen, vollständige Auskunft über die Maßnahmen zu erteilen, mit denen sie die Anordnung vollzogen hat, insbesondere Weisungen gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG an die Geschäftsführung der von der jeweiligen Klägerin gehaltenen Gesellschaft und deren Geschäftsführungsmaßnahmen, 3. die Beklagte zu verurteilen, die Vollziehung der Anordnung vollständig rückgängig zu machen. 8 Die Beklagte beantragt, die Klagen abzuweisen. 9 Die Klagen seien unzulässig, weil es den Klägerinnen als vom russischen Staat beherrschten Unternehmen an der erforderlichen Klagebefugnis fehle. Die Klagen seien auch unbegründet. Die Anordnung der Treuhandverwaltung sei rechtmäßig. Den Klägerinnen sei vor Erlass der Anordnung im Rahmen eines kontinuierlichen Austausches mit dem Ministerium Gelegenheit gegeben worden, sich zu den relevanten Tatsachen zu äußern. Jedenfalls habe das Ministerium wegen Gefahr im Verzug und im öffentlichen Interesse von einer vorherigen förmlichen Anhörung absehen dürfen; im Übrigen sei ein etwaiger Anhörungsmangel geheilt. Auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Treuhandverwaltung lägen vor. Bei Erlass der Anordnung habe Grund für die prognostische Annahme bestanden, dass RDG und RNRM ohne die Treuhandverwaltung aufgrund der Overcompliance ihrer Geschäftspartner und anderer Marktteilnehmer ihre Geschäftstätigkeit nicht mehr länger würden fortführen können. Gleiches gelte für die Annahme, dass ohne die Treuhandverwaltung eine Umstellung der Ölbelieferung der PCK-Raffinerie auf nicht-russisches Öl nicht hätte erreicht werden können. Beides habe die Sicherheit der Versorgung der Bevölkerung mit Mineralölprodukten bedroht. Einer Entscheidung über eine Entschädigung habe es in dem Bescheid nicht bedurft. 10 Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 22. Februar 2023 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen W., X., Y. und Z. sowie des sachverständigen Zeugen U. Wegen der Beweisfragen wird auf den Beweisbeschluss Bezug genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird hinsichtlich der Angaben zur Person auf die Sitzungsniederschrift vom 7. und 8. März 2023 verwiesen. Von einer Protokollierung der Angaben zur Sache wurde gemäß § 105 VwGO i. V. m. § 161 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und § 17 Abs. 6 Satz 2 und 3 EnSiG abgesehen. 11 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind. II 12 Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 Abs. 6 Satz 2 und 3 des Gesetzes zur Sicherung der Energieversorgung - Energiesicherungsgesetz - vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3681) in der hier maßgeblichen Fassung der Änderung durch Gesetz vom 8. Juli 2022 (BGBl. I S. 1054) – EnSiG - im ersten und letzten Rechtszug entscheidet, hat keinen Erfolg. 13 A. Der zulässige Anfechtungsantrag ist unbegründet. 14 I. Der Anfechtungsantrag ist zulässig. Insbesondere sind beide Klägerinnen gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Jede von ihnen kann geltend machen, die angefochtene Anordnung der Treuhandverwaltung verletze sie in subjektiven Rechten, die ihr aus den Geschäftsanteilen an ihrer jeweiligen inländischen Tochtergesellschaft zustehen. 15 1. Die angegriffene Anordnung begründet in Nr. 1 ein befristetes, in Nr. 2 bis 6 ausgestaltetes Treuhandverhältnis. Nach Nr. 2 sind die Klägerinnen für sechs Monate von der Wahrnehmung der Stimmrechte ausgeschlossen, die ihnen jeweils aus den Geschäftsanteilen an der RDG und der RNRM zustehen. Diese Regelung greift in Gesellschafterrechte ein, die den Klägerinnen nach Maßgabe der §§ 45 ff. GmbHG gesetzlich zugewiesen sind. Gleiches gilt für Nr. 3 der Anordnung, der die Stimmrechte einschließlich der Befugnis zur Abberufung und Bestellung von Geschäftsführern (vgl. § 45 Abs. 2 und § 46 Nr. 5 GmbHG) und zu Weisungen an diese (vgl. § 45 und § 37 Abs. 1 GmbHG) auf die Treuhänderin überträgt. Damit werden die inländischen Tochtergesellschaften für die Dauer der Befristung dem Einfluss der Klägerinnen entzogen und der Treuhänderin unterstellt. Nr. 4 der Anordnung ergänzt und sichert die befristete Verdrängung der Klägerinnen aus den betroffenen Gesellschafterrechten durch eine Beschränkung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Geschäftsführung der Tochtergesellschaften und einen Zustimmungsvorbehalt der Treuhänderin. Dies gewährleistet, dass die Tochtergesellschaften keine vermögensrelevanten Entscheidungen ohne oder gegen den Willen der Treuhänderin treffen können. Nr. 5 und 6 belasten die Tochtergesellschaften und mittelbar die Klägerinnen als Alleingesellschafterinnen mit den Kosten der Treuhandverwaltung. 16 2. Die Klägerinnen können gemäß § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, eine nicht von § 17 Abs. 1 bis 4 EnSiG gedeckte Anordnung verletze sie in ihren jeweils betroffenen Gesellschafterrechten. § 17 Abs. 1 bis 4 EnSiG ermächtigt nicht nur zur Anordnung der Treuhandverwaltung, sondern begrenzt diese Befugnis zugleich durch Eingriffsvoraussetzungen und Ermessensgrenzen. Dies geschieht - zumindest auch - im Interesse der Betroffenen. Das ergibt sich schon aus den strengen Tatbestandsvoraussetzungen, die den Kreis möglicher Regelungsadressaten begrenzen und eine Anordnung nur zur Abwendung bestimmter konkreter Gefahren sowie bei drohender Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit zulassen. Dem Schutz der Betroffenen dient ferner die Verpflichtung zur kurzen Befristung der Anordnung und etwa zulässiger Verlängerungen (§ 17 Abs. 2 EnSiG). Gleiches gilt für das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit, das sich aus dem Tatbestandsmerkmal ""ohne eine Treuhandverwaltung"" in § 17 Abs. 1 EnSiG ergibt und das als rechtliche Grenze des Ermessens (§ 40 VwVfG) zu beachten ist. 17 Auf die Frage, ob die Klägerinnen sich - über die Prozessgrundrechte hinaus - auf verfassungs- oder unionsrechtlich gewährleistete Grundrechte berufen können, kommt es für die Klagebefugnis nicht an. Diese folgt, wie eben dargelegt, bereits aus dem einfachen Recht. Weder die gesetzliche Regelung der vom Eingriff betroffenen Gesellschafterrechte (vgl. §§ 45 ff. GmbHG) noch die Eingriffsvoraussetzungen und -grenzen gemäß § 17 Abs. 1 bis 4 EnSiG unterscheiden danach, ob die Betroffenen Grundrechtsträger sind, ob sie ihren Sitz im In- oder Ausland haben oder ob sie privat oder staatlich gehalten oder beherrscht werden. Ebenso wenig enthält § 42 Abs. 2 VwGO eine Einschränkung der Klagebefugnis bei Eingriffen in subjektive Rechte Betroffener nach diesen Kriterien. Damit verwirklicht er die aus dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Rechtsschutzgarantie (zu dieser vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 2 BvR 656, 657, 683/99 - BVerfGE 112, 185 <207>). Er gewährleistet, dass rechts- oder teilrechtsfähige Subjekte, in deren Rechte hoheitlich unter Missachtung des Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung eingegriffen wird, solche rechtswidrigen Eingriffe stets abwehren können. 18 II. Der Anfechtungsantrag ist jedoch nicht begründet. Die Anordnung der Treuhandverwaltung vom 14. September 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 19 1. Die Anordnung ist formell rechtmäßig. Von der nach § 28 Abs. 1 VwVfG gebotenen vorherigen Anhörung der Klägerinnen durfte das Ministerium gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG wegen Gefahr im Verzug absehen (a). Die Anordnung genügt auch den Begründungsanforderungen des § 39 Abs. 1 VwVfG (b). 20 a) Gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG ist vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Eine ordnungsgemäße Anhörung setzt voraus, dass der von der beabsichtigten Maßnahme Betroffene von der Absicht zum Erlass eines vorläufig konkretisierten, bestimmten Verwaltungsakts in Kenntnis gesetzt und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Die Anhörung muss so konkret sein, dass der Angehörte erkennen kann, weshalb und wozu er sich äußern soll, mit welcher Entscheidung er zu rechnen hat und dass er Gelegenheit zur Stellungnahme hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. April 2020 - 3 C 16.18 - BVerwGE 168, 63 Rn. 9 und vom 25. Mai 2022 - 8 C 11.21 - Buchholz 316 § 49 VwVfG Nr. 57 Rn. 20). Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Beklagten genügten die vor Erlass der Anordnung zwischen dem Ministerium und dem Geschäftsführer sowie weiteren Mitarbeitern von RDG geführten Gespräche den Anforderungen des § 28 Abs. 1 VwVfG nicht. Ihnen konnte nicht mit der erforderlichen Konkretheit entnommen werden, dass das Ministerium den Erlass der Anordnung einer Treuhandverwaltung beabsichtigte. Zudem waren an dem vorbezeichneten Austausch mit dem Ministerium lediglich Vertreter von RDG, nicht aber die Klägerinnen beteiligt. 21 Zu einer vorherigen Anhörung der Klägerinnen war das Ministerium wegen Gefahr im Verzug gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG jedoch nicht verpflichtet. Nach dieser Vorschrift ist eine vorherige Anhörung entbehrlich, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheint. Gefahr im Verzug im Sinne von § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG ist anzunehmen, wenn durch eine vorherige Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass die behördliche Maßnahme zu spät käme, um ihren Zweck noch zu erreichen. Ob eine sofortige Entscheidung objektiv notwendig war oder die Behörde eine sofortige Entscheidung zumindest für notwendig halten durfte, ist vom Gericht aus ex-ante-Sicht zu beurteilen. Hierbei ist wegen der Bedeutung des Anhörungsrechts als tragenden Prinzips des rechtsstaatlichen Verfahrens ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 1983 - 3 C 27.82 - BVerwGE 68, 267 <271 f.> und vom 22. März 2012 - 3 C 16.11 - BVerwGE 142, 205 Rn. 14). 22 Hiernach durfte das Ministerium eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG für notwendig halten. Es lagen nach den aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht des Ministeriums bekannten und für es erkennbaren Umständen ausreichende Hinweise auf einen drohenden Kapitalabzug vor, der wie im Fall der Gazprom Germania GmbH einen Zusammenbruch der beiden Unternehmen RDG und RNRM befürchten ließ. Bereits am 26. Juli 2022 hatte die Geschäftsführung der RDG in einem Gespräch mit dem Ministerium darauf hingewiesen, dass im Fall der Anordnung einer Treuhandverwaltung das Risiko für Gegenreaktionen Russlands hoch sei (Bl. 260 des Verwaltungsvorgangs). Seit Mitte August 2022 erreichten das Ministerium aus den Tochterunternehmen vertrauliche Hinweise auf Bestrebungen der Gesellschafter, über längerfristige Vorkassenregelungen in erheblichem Umfang Kapital aus den Unternehmen abzuziehen (E-Mail vom 15. August 2022, Bl. 269 des Verwaltungsvorgangs). In einer dem Ministerium vorliegenden, an den damaligen Geschäftsführer der RDG gerichteten E-Mail vom 19. August 2022 (Bl. 300 f. des Verwaltungsvorgangs) bat die russische Obergesellschaft um eine für sie günstige Umstellung der Zahlungsmodalitäten für russische Rohöllieferungen. Während die im bestehenden Liefervertrag getroffene Zahlungsvereinbarung eine nachgelagerte Zahlung zum 15. des Folgemonats der Lieferung vorsah, sollte nunmehr bereits zur Mitte des Liefermonats die Ölmenge für den gesamten Liefermonat abgerechnet werden, sodass für die Lieferung der zweiten Monatshälfte zunächst im Wege der Vorkasse gezahlt würde. Die Endabrechnung sollte drei Werktage nach Ende des Liefermonats erfolgen. Die Aufforderung dazu war verbunden mit dem Zusatz ""um eine kontinuierliche ununterbrochene Belieferung der RDG mit Rohöl sicherzustellen"". Darin lag bei objektiver, hier maßgeblicher Betrachtung eine Drohung mit einer zumindest zeitweiligen Lieferunterbrechung. Darüber hinaus lagen dem Ministerium Mitte August 2022 Hinweise vor, dass die Mitarbeiter der Tochterunternehmen Gehaltszahlungen für drei Monate im Voraus erhalten hatten, verbunden mit der Ankündigung, dass es für diese Zeit keine weiteren Zahlungen geben solle (E-Mail vom 15. August 2022, Bl. 269 des Verwaltungsvorgangs). Die Anhaltspunkte für einen drohenden Kapitalabzug verdichteten sich Ende August 2022 durch weitere dem Ministerium vorliegende Berichte, wonach die russische Obergesellschaft von RDG Vorschüsse von bis zu einem halben Jahr erwarte; damit wären bei Öllieferungen für etwa 300 Mio. € pro Monat rund 1,8 Mrd. € und folglich die gesamten Bargeldbestände von RDG abgezogen worden (Vermerk vom 29. August 2022, Bl. 372 des Verwaltungsvorgangs). Wegen der Warnung vor Gegenreaktionen war das Ministerium nicht zu weiteren Nachfragen bei den Tochtergesellschaften verpflichtet, weil dies die befürchteten Gegenreaktionen unmittelbar hätte auslösen können. Wegen der Hinweise auf Versuche, Umgehungsgeschäfte anzubahnen, musste es auch nicht davon ausgehen, die Gefahr eines Kapitalabflusses sei bereits durch die Sanktionsregelungen für den Finanzverkehr gebannt. Das Ministerium durfte angesichts der Parallelen zum Versuch, die Gazprom Germania GmbH zu liquidieren, annehmen, die russische Obergesellschaft werde die selbst bei einer kurzen Anhörungsfrist zur Verfügung stehende Zeit nutzen, um beiden Tochtergesellschaften ihre wirtschaftliche Handlungsfähigkeit durch ruinöse Zahlungsanweisungen, flankiert von Drohungen mit einer Lieferunterbrechung, zu nehmen und so deren Aufgabenerfüllung unmöglich zu machen. Dies hätte den Zweck der Treuhandverwaltung nachhaltig vereitelt. 23 Das Absehen von einer vorherigen Anhörung der Klägerinnen beruht auf einer ordnungsgemäßen Ermessensbetätigung des Ministeriums. Diese erfordert eine Abwägung der für und gegen die vorherige Anhörung sprechenden Umstände unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2022 - 4 A 7.20 - Buchholz 316 § 28 VwVfG Nr. 20 Rn. 21). Eine solche Abwägung hat das Ministerium vor dem Hintergrund der oben dargestellten Umstände ermessensfehlerfrei vorgenommen und in einem ausführlichen Vermerk vom 1. September 2022 niedergelegt (Bl. 381 ff. <384 f., 386 f.> des Verwaltungsvorgangs); sie ist zugleich Bestandteil der Entscheidungsvorlage vom 12. September 2022 geworden (Bl. 393 ff. <396> des Verwaltungsvorgangs). 24 b) Das Ministerium hat die Pflicht zur Begründung der Anordnung gemäß § 39 Abs. 1 VwVfG ebenfalls nicht verletzt. Danach ist der Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen, in der die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. § 39 VwVfG ist eine Verfahrensvorschrift, die sich auf die im konkreten Einzelfall für die Behörde maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe bezieht. Die Tragfähigkeit der Begründung ist hingegen keine Frage des Begründungserfordernisses, sondern der materiellen Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts (BVerwG, Urteile vom 14. Mai 1991 - 3 C 67.87 - Buchholz 451.512 MGVO Nr. 37 S. 162 f. und vom 29. September 1998 - 1 C 8.96 - Buchholz 402.240 § 45 AuslG Nr. 16 S. 46). 25 Hier kann offenbleiben, ob die Anforderungen an die Begründung herabgesetzt waren, weil bei Gefahr im Verzug im Sinne von § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von einem ""intendierten Ermessen"" auszugehen wäre. Unabhängig davon lässt sich der Anordnung eine ausreichende Begründung dieser Entscheidung entnehmen. Das Absehen von der Anhörung wird dort knapp, aber ausreichend mit dem Hinweis auf öffentliche Interessen im Sinne von § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG oder - falls zwingend – § 28 Abs. 3 VwVfG erläutert. Welche Interessen für das Ministerium ausschlaggebend waren, ergibt sich aus dem Zusammenhang mit den vorstehenden Erwägungen zur Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit. Das genügt der formellen Begründungspflicht unabhängig davon, ob diese Erwägungen rechtlich zutreffen. 26 Auch im Übrigen erfüllt die Anordnung die Anforderungen des § 39 Abs. 1 VwVfG. Das Ministerium hat die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe für seine Entscheidung dargelegt. Die Ausgestaltung der Anordnung bedurfte keiner näheren Begründung, weil sie den gesetzlichen Regelbeispielen entspricht. Soweit die Klägerinnen geltend machen, das Ministerium habe die Anordnung bewusst wahrheitswidrig begründet, ist dieser Vortrag weder substantiiert noch hat das Ergebnis der Beweisaufnahme hierfür Anhaltspunkte erbracht (dazu näher unten Rn. 79 ff. und 84 ff.). Die weiteren von den Klägerinnen gegen die Begründung der Anordnung erhobenen Rügen betreffen der Sache nach materiell-rechtliche Erwägungen, die für die Frage ausreichender Begründung im Sinne des § 39 Abs. 1 VwVfG nicht erheblich sind. 27 2. Die Anordnung ist auch materiell rechtmäßig. Sie beruht auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage (a). Deren Voraussetzungen lagen im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung vor (b). Diese leidet auch nicht an Ermessensfehlern (c). 28 Für die rechtliche Beurteilung der Anordnung ist nach dem insoweit maßgeblichen materiellen Recht auf die Sach- und Rechtslage bei ihrem Erlass Mitte September 2022 abzustellen. Dies gilt unabhängig davon, ob die in Nr. 2 und 3 getroffenen Teilregelungen zur Stimmrechtswahrnehmung oder zumindest die in Nr. 4 geregelte Verfügungsbeschränkung mit Zustimmungsvorbehalt Dauerwirkung entfalten. Setzt die Ermächtigung zum Erlass eines Dauerverwaltungsakts eine Gefahrenprognose voraus, ist nicht der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, sondern der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2019 - 6 C 8.18 - BVerwGE 165, 251 Rn. 18; Beschluss vom 6. März 2008 - 7 B 15.08 - juris Rn. 9). Das ist bei Anordnungen gemäß § 17 Abs. 1 EnSiG der Fall. Ob die Prognose fehlerfrei getroffen wurde, ist nach dem Sachstand im Zeitpunkt des Ergehens der Anordnung zu beurteilen. Gleiches gilt mangels abweichender materiell-rechtlicher Vorgaben auch für die Kontrolle der Ermessensausübung (§ 40 VwVfG). 29 a) Die Anordnung beruht auf einer wirksamen gesetzlichen Ermächtigung. § 17 EnSiG ist, soweit hier entscheidungserheblich, verfassungskonform. 30 aa) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zum Erlass der Vorschrift ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 und 11 i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG. Die bundeseinheitliche Regelung liegt im gesamtstaatlichen Interesse. Sie dient der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsraums der Bundesrepublik, die wegen der Energieabhängigkeit der gesamten Wirtschaft bei einer Rechtszersplitterung nicht zu gewährleisten wäre (vgl. BVerfG, Urteile vom 24. Oktober 2002 - 2 BvF 1/01 - BVerfGE 106, 62 <146> und vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08 u. a. - BVerfGE 134, 242 Rn. 286). 31 bb) Das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht verletzt. Es ist nur auf Grundrechte anzuwenden, die aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung vom Gesetzgeber eingeschränkt werden dürfen (BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130 <154>). Die von der Anordnung einer Treuhandverwaltung gemäß § 17 EnSiG betroffene Gewährleistung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zählt ebenso wie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) nicht dazu; auch Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) sowie Enteignungsgesetze (Art. 14 Abs. 3 GG) fallen nicht unter das Zitiergebot (BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 1968 - 1 BvR 638/64 u. a. - BVerfGE 24, 367 <396, 398>; Beschluss vom 4. Mai 1983 - 1 BvL 46/80 u. a. - BVerfGE 64, 72 <80 f.>). 32 cc) Das aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende Erfordernis ausreichender Bestimmtheit der Regelung ist gewahrt. Danach muss eine Ermächtigung zum Erlass von Verwaltungsakten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein, sodass das Handeln der Verwaltung messbar und in gewissem Ausmaß voraussehbar und berechenbar wird (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Januar 1981 - 2 BvL 3/77 u. a. - BVerfGE 56, 1 <12>). Der Gesetzgeber ist gehalten, Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie es nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Das schließt die Verwendung konkretisierungsbedürftiger Begriffe nicht aus, sofern diese durch Auslegung zu bestimmen sind und die Betroffenen die Rechtslage erkennen, die tatsächlichen Voraussetzungen der Ermächtigung in zumutbarer Weise feststellen und ihr Verhalten danach einrichten können (BVerfG, Urteil vom 24. Juli 2018 - 2 BvR 309/15, 502/16 - BVerfGE 149, 293 Rn. 77). Diese Anforderungen sind erfüllt. Der Kreis der möglichen Eingriffsadressaten wird durch Verweisungen auf ihrerseits hinreichend bestimmte Regelungen wie § 2 Abs. 10 des Gesetzes über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI-Gesetz - BSIG) vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2821), zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 23. Juni 2021 (BGBl. I S. 1982), und § 15 AktG klar umrissen. Er ist erkennbar auf Unternehmen beschränkt, deren Tätigkeit von zentraler Bedeutung für die Energieversorgungssicherheit ist. Die sachlichen Eingriffsvoraussetzungen werden durch auslegungsfähige, größtenteils dem Gefahrenabwehrrecht entlehnte unbestimmte Rechtsbegriffe normiert, die anhand der einschlägigen Rechtsprechung zu konkretisieren und daher ebenfalls ausreichend bestimmt sind. 33 Das Tatbestandsmerkmal der Aufgaben wird durch den Zusatz erläutert, dass diese dem Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie dienen müssen. Die weitere Konkretisierung ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang, insbesondere aus der oben zitierten Verweisung auf § 2 Abs. 10 BSIG und der Verpflichtung des Treuhänders nach § 17 Abs. 5 Satz 1 EnSiG, auf eine Fortführung des Unternehmens gemäß dessen Bedeutung für eine funktionierende Energieversorgung hinzuwirken. Unter Aufgabenerfüllung ist danach das weitere Erbringen des bisherigen Versorgungsbeitrags zu verstehen (dazu näher unten Rn. 48). Das Erfordernis der konkreten Gefahr bezieht sich - allein - auf die Nichterfüllung dieser Aufgabe; der Einschub ""ohne eine Treuhandverwaltung"" verweist auf das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit ihrer Anordnung. Zugleich verdeutlicht der letzte Satzteil des § 17 Abs. 1 EnSiG, dass die Treuhandverwaltung nicht schon bei konkreter Gefährdung der Aufgabenerfüllung angeordnet werden darf, sondern nur unter der weiteren Bedingung, dass eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht. 34 Zweck und zulässiges Ausmaß der Anordnung werden durch § 17 Abs. 1 und 5 Satz 1 EnSiG und die Vorgaben zu ihrer Befristung und Ausgestaltung in § 17 Abs. 2 und 4 sowie Abs. 5 Satz 2 EnSiG bestimmt. Angesichts der Vielfalt möglicher Quellen und Ausprägungen einer Gefährdung der Energieversorgungssicherheit kann auch unter Berücksichtigung der nicht unerheblichen Eingriffsintensität keine präzisere gesetzliche Formulierung der Eingriffsvoraussetzungen und der zulässigen Anordnungen verlangt werden. Die danach unvermeidbaren Auslegungsschwierigkeiten in den Randbereichen sind verfassungsrechtlich hinzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. September 2014 - 1 BvR 3353/13 - NVwZ 2014, 1571 Rn. 16 m. w. N.) 35 dd) § 17 Abs. 1 bis 4 EnSiG verstößt nicht gegen die Grundrechte der Berufsfreiheit und der Freiheit unternehmerischer Betätigung (Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG). Er dient der Gewährleistung der Versorgungssicherheit, eines wichtigen Gemeinschaftsguts von überragender Bedeutung (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08 u. a. - BVerfGE 134, 242 Rn. 286). Zur Verwirklichung dieses verfassungsrechtlich legitimen Ziels ermächtigt er nur zu verhältnismäßigen Beschränkungen dieser Freiheitsrechte. Wie sich aus dem Tatbestandsmerkmal ""ohne eine Treuhandverwaltung"" ergibt, muss deren Anordnung zur Abwehr der tatbestandsmäßigen Gefahren geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Die vorgeschriebene kurze Befristung der Anordnung und etwaiger Verlängerungen stellt sicher, dass die Eingriffsrechtfertigung spätestens nach sechs Monaten erneut und anhand der dann aktuellen Sach- und Rechtslage überprüft wird. 36 ee) Mit der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG ist § 17 EnSiG ebenfalls vereinbar. Die Vorschrift ermächtigt nicht zur Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, weil sie keine vollständige oder teilweise Entziehung der betroffenen Anteilsrechte zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben vorsieht (vgl. § 17 Abs. 5 Satz 3 EnSiG). Sie bestimmt vielmehr Inhalt und Schranken des Eigentums, indem sie die Ausübung von Rechten aus der Unternehmensbeteiligung für den Fall beschränkt, dass der Versorgungsbeitrag des Unternehmens konkret gefährdet ist und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht. Die Ermächtigung, die Befugnis zur Ausübung der Gesellschafterstimmrechte befristet für bis zu sechs Monate auf einen staatlichen Treuhänder zu übertragen, dient dem verfassungsrechtlich legitimen Zweck, bei einer drohenden Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit den gefährdeten Versorgungsbeitrag des Unternehmens sicherzustellen. Die Befugnisse des Treuhänders sind gesetzlich auf das dazu Erforderliche begrenzt. § 17 Abs. 5 Satz 1 EnSiG verpflichtet ihn zur Fortführung des Unternehmens gemäß dessen Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens im Energiesektor. Die Ermächtigung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Das ergibt sich einerseits aus der herausragenden Bedeutung der Energieversorgungssicherheit und andererseits aus der kurzen Befristung der Treuhandverwaltung und ihrer etwaigen Verlängerungen sowie daraus, dass das eingeräumte Ermessen nur in den Grenzen des höherrangigen Rechts ausgeübt werden darf. Der Kernbereich der Eigentumsgewährleistung, zu dem die Privatnützigkeit und die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand gehören (BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100, 226 <241>), wird durch § 17 EnSiG nicht ausgehöhlt. § 17 Abs. 5 Satz 2 und 3 EnSiG schützt die Inhaberschaft und die Renditegrundlage der betroffenen Beteiligungen, indem er eine Übertragung der Gesellschaftsanteile verbietet und eine Übertragung von Gegenständen des Betriebsvermögens nur zulässt, wenn dies zum Werterhalt des Unternehmens erforderlich ist. Die danach anzuordnende Treuhandverwaltung belässt den Gesellschaftern sowohl ihre Bezugsrechte als auch das Recht, über ihre Beteiligung zu verfügen. 37 Unwirksam ist die Ermächtigung auch nicht etwa, weil § 17 Abs. 7 Satz 2 EnSiG keine Verpflichtung normiert, schon bei Anordnung der Treuhandverwaltung zumindest dem Grunde nach über Ausgleichsleistungen zu entscheiden. Art. 14 Abs. 3 GG greift mangels Enteignungscharakters der Regelung nicht ein. Inhalts- und Schrankenbestimmungen müssen zur sofortigen Entscheidung über Ausgleichsleistungen nur verpflichten, wenn sie sonst unverhältnismäßige, unzumutbare Eigentumsbeschränkungen vorsehen (BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100, 226 <244 ff.>). Dies trifft auf § 17 Abs. 1 EnSiG aus den eben dargelegten Gründen nicht zu. Gegenüber denen, die in den persönlichen Schutzbereich des Art. 14 GG fallen, dürfen nur Treuhandverwaltungsanordnungen ergehen, die sich im Rahmen verhältnismäßiger, zumutbarer Konkretisierung der Sozialbindung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG halten. 38 ff) § 17 EnSiG ist schließlich nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 25 GG unanwendbar. Dies gilt unabhängig davon, ob die in § 17 Abs. 7 Satz 3 Halbs. 1 EnSiG normierte Begrenzung des Kreises der Ausgleichsberechtigten auf Betroffene, die sich auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berufen können, allgemeinen Regeln des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG widerspricht. Dies käme in Betracht, wenn § 17 EnSiG zu Enteignungen im völkerrechtlichen Sinne ermächtigte, derentwegen den Betroffenen völkerrechtlich ein unmittelbar anwendbarer Entschädigungsanspruch zustünde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 - 2 BvR 955/00, 1038/01 - BVerfGE 112, 1 <22>), der nach § 17 Abs. 7 Satz 3 Halbs. 1 EnSiG ausgeschlossen wäre. Selbst dann wäre jedoch nicht § 17 EnSiG insgesamt, sondern nur der Anspruchsausschluss verfassungswidrig. Außerdem dürfte § 17 Abs. 7 Satz 3 Halbs. 1 EnSiG schon nach seinem Wortlaut nur den einfach-rechtlichen Ausgleichsanspruch begrenzen. Dafür spricht auch der Hinweis in den Gesetzesmaterialien, der Anwendungsbereich völkerrechtlicher Verträge werde nicht berührt (BT-Drs. 20/1501 S. 22 unter V.). Ein Treaty Override war danach nicht beabsichtigt; dass Anderes für die allgemeinen Regelungen des Völkerrechts gelten sollte, ist nicht ersichtlich. 39 b) Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 EnSiG lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung Mitte September 2022 vor. Nach dieser Vorschrift kann ein Unternehmen, das selbst oder durch verbundene Unternehmen im Sinne von § 15 AktG Kritische Infrastrukturen im Sinne von § 2 Abs. 10 BSIG im Sektor Energie betreibt, unter Treuhandverwaltung gestellt werden, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass ohne eine Treuhandverwaltung das Unternehmen seine dem Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie dienenden Aufgaben nicht erfüllen wird, und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht. 40 aa) Die beiden Tochtergesellschaften der Klägerinnen betreiben Kritische Infrastruktur im Sinne von § 2 Abs. 10 Satz 1 Nr. 1 BSIG im Sektor Energie. Sie gehören zu den Betreibern der PCK-Raffinerie, die eine Anlage der Kritischen Infrastruktur im Sinne des § 2 Abs. 10 BSIG darstellt. 41 (1) Zu den Kritischen Infrastrukturen im Sinne des § 2 Abs. 10 Satz 1 BSIG zählen Einrichtungen, Anlagen oder Teile davon, die unter anderem dem Sektor Energie angehören (Nr. 1) und von hoher Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens sind, weil durch ihren Ausfall oder ihre Beeinträchtigung erhebliche Versorgungsengpässe oder Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit eintreten würden (Nr. 2). Sie werden gemäß § 2 Abs. 10 Satz 2 BSIG durch die nach § 10 Abs. 1 BSIG erlassene Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz (BSI-KritisV) vom 22. April 2016 (BGBl. I S. 958) in der hier maßgeblichen Fassung der Änderung durch Art. 1 der Verordnung vom 6. September 2021 (BGBl. I S. 4163) näher bestimmt. Gemäß § 2 Abs. 6 BSI-KritisV sind im Sektor Energie Kritische Infrastrukturen solche Anlagen oder Teile davon, die den in Anhang 1 Teil 3 Spalte B genannten Kategorien zuzuordnen sind (Nr. 1) und den Schwellenwert nach Anhang 1 Teil 3 Spalte D erreichen oder überschreiten (Nr. 2). Raffinerien stellen im Bereich Kraftstoff- und Heizölversorgung nach Anhang 1 Teil 3 Spalte B Nummer 3.1.2 BSI-KritisV Kritische Infrastruktur dar. Die PCK-Raffinerie überschritt bei Erlass der Anordnung den Schwellenwert von 420 000 t erzeugten Kraftstoffs nach Anhang 1 Teil 3 Spalte D BSI-KritisV, weil sie im Jahr 2021 rund 10,3 Mio. Tonnen Erdölprodukte herstellte. 42 (2) RDG und RNRM gehören zu den Betreibern der PCK-Raffinerie. Betreiber im Sinne des § 17 Abs. 1 EnSiG ist, wer nach den rechtlichen, tatsächlichen und wirtschaftlichen Umständen bestimmenden Einfluss auf Beschaffenheit oder Betrieb einer Anlage oder Teilen davon hat. § 17 Abs. 1 EnSiG geht davon aus, dass eine Anlage von mehreren gemeinschaftlich betrieben werden kann und behandelt zum Zweck effektiver Gefahrenabwehr jeden von ihnen als Betreiber. 43 Der Wortlaut der Vorschrift lässt ein solches Verständnis zu. Der Begriff des Betreibens erfasst sowohl das Allein- als auch das Mitbetreiben einer Anlage der Kritischen Infrastruktur. Der Wortsinn wird nicht durch den Verweis des § 17 Abs. 1 EnSiG auf § 2 Abs. 10 BSIG bestimmt. Dieser nimmt nur Kritische Infrastrukturen im Sektor Energie, nicht aber den Begriff des Betreibers in Bezug. Der Betreiberbegriff des Energiesicherungsgesetzes entspricht auch nicht demjenigen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Während im Immissionsschutzrecht eine genehmigungsbedürftige Anlage nur einen Betreiber haben kann (Grundsatz der Betreiberidentität, vgl. Jarass, BImSchG, 14. Aufl. 2022, § 4 Rn. 15), steht im Energiesicherungsrecht der Gedanke der effektiven Gefahrenabwehr im Vordergrund. Zweck der Anordnung der Treuhandverwaltung nach § 17 Abs. 1 EnSiG ist es, den Betrieb von Anlagen der Kritischen Infrastruktur zu gewährleisten und dadurch Gefahren für die Energieversorgungssicherheit abzuwehren. Diesem Zweck wird nur durch einen weit gefassten Adressatenkreis Rechnung getragen (vgl. BT-Drs. 20/1501 S. 36). Er umfasst alle Personen, die wegen ihres von anderen unabhängigen, bestimmenden Einflusses auf Beschaffenheit und Betrieb einer Anlage oder Teilen davon in der Lage sind, deren Beitrag zur Versorgungssicherheit zu gefährden. Deshalb kann eine Anlage der Kritischen Infrastruktur im Sinne des § 17 Abs. 1 EnSiG auch von mehreren Personen in der Weise betrieben werden, dass jede von ihnen selbst Betreiberin ist. Für den Bereich der Erbringung Kritischer Dienstleistungen geht der Verordnungsgeber in § 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 3 BSI-KritisV ebenfalls von einem weit gefassten Betreiberbegriff aus. So sieht die zur Klarstellung eingefügte Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 3 BSI-KritisV (vgl. Begründung der Zweiten Verordnung zur Änderung der BSI-Kritisverordnung, S. 41, veröffentlicht unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/sonstige-downloads/kritisvo-bgbl-begr.pdf?__blob=publicationFile§v=4, zuletzt abgerufen am 9. März 2023), das gemeinsame Betreiben einer Anlage durch zwei oder mehr Personen ausdrücklich vor. Betreiben danach zwei oder mehr Personen gemeinsam eine Anlage, so hat jede sämtliche gesetzlichen Betreiberpflichten zu erfüllen. 44 Danach zählen RDG und RNRM zu den Betreibern der PCK-Raffinerie, weil sie ebenso wie die übrigen Mitglieder des von den Gesellschaftern der PCK Raffinerie GmbH gegründeten Konsortiums jeweils bestimmenden Einfluss auf Beschaffenheit und Betrieb der Anlage haben. Diese wird nicht von der Trägerin des Unternehmens, der PCK Raffinerie GmbH, sondern von den Mitgliedern des Konsortiums geführt. Dazu hat die zu 37,5 % an der PCK Raffinerie GmbH beteiligte RDG mit den übrigen Gesellschaftern, darunter der A. Raffineriebeteiligungsgesellschaft mbH (nachfolgend: A. GmbH), einen Konsortialvertrag über die Zusammenarbeit in der PCK Raffinerie GmbH, Schwedt, vom 22. März 2019 (nachfolgend: KV - Anlage K 38) geschlossen. Ihm sind die zu 66,7 % an der A. GmbH und mittelbar zu 16,67 % an der PCK Raffinerie GmbH beteiligte RNRM sowie eine weitere Obergesellschaft der A. GmbH beigetreten. Nach § 4 Nr. 1 KV handelt es sich bei der PCK-Raffinerie um eine von den Anteilseignern als Lohnverarbeitungsraffinerie betriebene Anlage, für die ein non-profit-Status angestrebt wird. Die Anteilseigner haben das Recht, die Kapazität der Anlage im Umfang ihrer jeweiligen Beteiligung zu nutzen (§ 5 KV). Im Konsortialausschuss, der in allen grundsätzlichen Angelegenheiten entscheidet und die Gesellschafterrechte der Anteilseigner wahrnimmt, entsprechen die Stimmrechte deren jeweiligen Kapitalanteilen (§ 14 Nr. 1 und 4 KV). Der Ausschuss ist gegenüber der Geschäftsführung der PCK Raffinerie GmbH weisungsberechtigt (§ 15 Nr. 1 KV) und kann über eine Vielzahl von Geschäften nur einstimmig entscheiden (§ 15 Nr. 2 KV). Dies vermittelt jedem Anteilseigner ein vom Beteiligungsumfang unabhängiges Vetorecht und damit einen von den übrigen Konsorten unabhängigen bestimmenden Einfluss auf Beschaffenheit und Betrieb der PCK-Raffinerie. Gleiches gilt für die sole-risk-Klausel des § 11 Nr. 2 KV. Sie gibt jedem Anteilseigner das Recht, Investitionen zur Erweiterung von Kapazitäten oder zur Schaffung neuer Kapazitäten, die im Einzelfall einen Betrag von 50 Mio. € übersteigen, bei fehlender Einstimmigkeit auf eigene Rechnung durchzuführen. Damit erteilt sie jedem die Befugnis, die Anlage ohne Zustimmung der übrigen und unabhängig vom Umfang seiner Beteiligung auf eigene Rechnung zu verändern. Der RDG steht diese Befugnis als Anteilseignerin zu, die RNRM kann sie als die A. GmbH nach §§ 15 und 17 AktG beherrschendes Unternehmen durch diese ausüben lassen. 45 Der Einwand der Klägerinnen, die RNRM habe ihre Nutzungsrechte an der Raffineriekapazität an die RDG verpachtet, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der von den Klägerinnen zum Nachweis vorgelegte Entwurf eines Toll Processing Agreements (Anlage K 65) sieht lediglich eine Bevollmächtigung der RDG vor, die Rechte der RNRM hinsichtlich des Raffineriebetriebs im eigenen Interesse wahrzunehmen. Hingegen behält die RNRM sich die Ausübung ihrer Gesellschafterrechte ausdrücklich vor (vgl. Nr. 2.3 des Toll Processing Agreement-Entwurfs), sodass sie ihren für den Betreiberbegriff maßgeblichen bestimmenden Einfluss auf Beschaffenheit und Betrieb der PCK-Raffinerie nicht auf die RDG übertragen hat. 46 Nach § 17 Abs. 1 EnSiG ist für die Einordnung der RNRM als Betreiberin im Sinne der Vorschrift unerheblich, dass sie im Gegensatz zur RDG nicht bei dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik gemäß § 8b Abs. 3 BSIG als Betreiberin Kritischer Infrastruktur registriert ist (dazu vgl. das Schreiben des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik vom 21. Februar 2023 sowie Anlage B 26). 47 bb) Bei Erlass der Anordnung bestand die konkrete Gefahr, dass RDG und RNRM ihre dem Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie dienenden Aufgaben, ihren Beitrag zur Energieversorgung zu erbringen, zukünftig nicht erfüllen würden. 48 (1) Die in § 17 Abs. 1 EnSiG umschriebenen Aufgaben eines Unternehmens, das Kritische Infrastruktur im Energiesektor betreibt, bestehen darin, seinen bisher geleisteten Beitrag zur Energieversorgung weiter zu erbringen. Das erschließt sich aus der Systematik des § 17 Abs. 1 EnSiG und dessen Zusammenhang mit den einschlägigen weiteren Vorschriften. § 17 Abs. 1 EnSiG erfasst nur Unternehmen, die Kritische Infrastruktur im Sektor Energie betreiben. Die von ihnen zu erfüllenden Aufgaben werden durch den Zusatz erläutert, dass sie dem Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie dienen müssen. Aus dem Zusammenhang mit dem letzten Halbsatz der Vorschrift und der Verweisung des § 17 Abs. 1 EnSiG - auch - auf § 2 Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 BSIG ergibt sich, dass die Aufgabennichterfüllung zu einer Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit oder gar erheblichen Versorgungsengpässen führen kann. Danach ist als Aufgabenerfüllung die Fortführung des Beitrags zur Energieversorgung (Versorgungsbeitrag) zu verstehen, den das Unternehmen durch seine satzungsgemäße Geschäftstätigkeit erbringt. Das Tatbestandsmerkmal der Aufgaben verweist also nicht auf anderweitige gesetzliche Aufgabendefinitionen wie in § 2 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Es umschreibt keine rechtliche Verpflichtung und setzt auch keinen hoheitlichen Auftrag voraus. Vielmehr bezeichnet es, wie in Anhang 1 Teil 1 Nr. 2.19 BSI-KritisV, eine Funktion, die das Unternehmen erfüllt. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass die im Energiesektor tätigen Unternehmen mit ihrer freiheitsrechtlich gesicherten Tätigkeit regelmäßig schon im eigenen wirtschaftlichen Interesse eine ausreichende Energieversorgung sicherstellen (vgl. Schulte-Beckhausen, in: Theobald/Kühling, Energierecht, Stand Mai 2022, Einführung Rn. 14 ff.). Zu Eingriffen ermächtigt § 17 Abs. 1 EnSiG lediglich zur Gefahrenabwehr: Nur wenn - erstens - die konkrete Gefahr besteht, dass ein Unternehmen den bisher mit seiner Geschäftstätigkeit geleisteten Versorgungsbeitrag ohne Treuhandverwaltung künftig nicht erbringen wird und - zweitens - deswegen eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht, darf die unternehmerische Freiheit gemäß § 17 Abs. 1 EnSiG eingeschränkt werden, um das Unternehmen nach § 17 Abs. 5 Satz 1 EnSiG durch einen Treuhänder gemäß seiner Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie fortzuführen und die Gefahr abzuwenden. 49 Zur Aufgabenerfüllung im Sinne des § 17 Abs. 1 EnSiG gehört auch, rechtzeitige und ausreichende Vorkehrungen dafür zu treffen, dass das Unternehmen auf absehbare Veränderungen der Marktbedingungen reagieren und seinen Versorgungsbeitrag unter geänderten Rahmenbedingungen weiterhin erbringen kann. In der verfassungsrechtlich geschützten freiheitlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung vollzieht sich die unternehmerische Betätigung nicht unter starren, gleichbleibenden Bedingungen. Sie muss sich auf das jeweils aktuelle Marktgeschehen einstellen und schon wegen der Freiheitsausübung Dritter damit rechnen, dass die für ihre Tätigkeit relevanten Rahmenbedingungen sich ändern. Im Regelungsbereich des § 17 EnSiG trifft ein Unternehmen die Obliegenheit, absehbaren Änderungen Rechnung zu tragen, um seine Geschäftstätigkeit fortführen zu können. 50 Ein Fall der Nichterfüllung der Aufgaben gemäß § 17 Abs. 1 EnSiG liegt nicht erst vor, wenn der Versorgungsbeitrag gänzlich entfällt. Nach der Systematik und dem Sinn und Zweck der Regelung erfüllt jede nicht unerhebliche Minderung des Versorgungsbeitrags dieses Tatbestandsmerkmal. Auch eine solche Minderung kann ursächlich für eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit werden, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass jede Minderung wegen entsprechender Bedarfsreduzierung oder wegen ausreichender Kompensation durch andere Marktteilnehmer folgenlos bleibt. Aus welchen Gründen der Versorgungsbeitrag sich mindert oder entfällt, ist nach § 17 Abs. 1 EnSiG unerheblich. Wie im sonstigen Gefahrenabwehrrecht genügt die Ursächlichkeit für den drohenden Schaden, ohne dass es auf Rechtmäßigkeit oder Vorwerfbarkeit des Ursachenbeitrags ankäme. 51 (2) Mitte September 2022 bestand die konkrete Gefahr, dass RDG und RNRM ihre Aufgaben im Sinne des § 17 Abs. 1 EnSiG zukünftig nicht erfüllen würden. Eine konkrete Gefahr im Sinne der Vorschrift ist gegeben, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die aus der ex-ante-Sicht eines verständigen Amtswalters die Annahme rechtfertigen, dass bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine nicht unerhebliche Minderung des Versorgungsbeitrags eintreten wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 - 1 C 31.72 - BVerwGE 45, 51 <57>). Dabei hängt der Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, der für die Annahme einer Gefahr erforderlich ist, von der Größe und dem Gewicht des drohenden Schadens ab. Die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts muss umso größer sein, je geringer der möglicherweise eintretende Schaden ist, und sie darf umso kleiner sein, je schwerer der etwa eintretende Schaden wiegt (vgl. BVerwG, Urteile vom 2. Juli 1991 - 1 C 4.90 - BVerwGE 88, 348 <351> und vom 3. Juli 2002 - 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347 <356>). Der Schaden, der nach § 17 Abs. 1 EnSiG abgewendet werden soll, ist eine durch den Ausfall oder die Minderung von Versorgungsbeiträgen eintretende Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit (BT-Drs. 20/1501 S. 21). An deren Wahrscheinlichkeit sind wegen der überragenden Bedeutung der Sicherung der Energieversorgung für das Gemeinwohl (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139, 3386/08 - BVerfGE 134, 242 Rn. 286) nur geringe Anforderungen zu stellen, auch wenn die bloße Möglichkeit eines Schadenseintritts nicht genügt. 52 Diese Anforderungen waren bei Erlass der Anordnung erfüllt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme rechtfertigten die dem Ministerium Mitte September 2022 bekannten und für es erkennbaren Umstände die Prognose, dass RDG und RNRM ihren Versorgungsbeitrag im Fall einer Unterbrechung der russischen Rohöllieferung mangels hierfür getroffener Vorkehrungen nicht mehr würden erbringen können. Darüber hinaus war ihre Geschäftstätigkeit durch die Selbstsanktionierung ihrer Geschäftspartner (Overcompliance), insbesondere im Bereich ihrer Geschäftsbeziehungen zu Banken und Versicherungen, gefährdet. 53 (a) Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass nach den dem Ministerium bekannten und für es erkennbaren Umständen Mitte September 2022 mit einer Unterbrechung der Lieferung russischen Rohöls über die Drushba-Pipeline zu rechnen war. 54 Es lagen konkrete Anhaltspunkte vor, die bei objektiver Betrachtung die Prognose einer zumindest zeitweiligen Lieferunterbrechung rechtfertigten. Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Situation der Energieversorgung über russische Lieferanten im Spätsommer 2022 insgesamt äußerst prekär war. Seit dem Frühjahr 2022 bestanden Unsicherheiten über die Verlässlichkeit der weiteren Belieferung mit Gas über die Pipeline Nord Stream 1. Der Zeuge Y. hat glaubhaft dargelegt, dass die Gaslieferung an deutsche Gasimporteure via Nord Stream 1 seit Mitte Juni 2022 kontinuierlich reduziert und am 31. August 2022 vollständig eingestellt wurde (vgl. auch die im Schriftsatz der Beklagten vom 10. Februar 2023, S. 6 f. zitierten Tagesschau-Berichte vom 14. Juni, 27. Juli und 2. September 2022: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/gazprom-reduziert-gaslieferung-101.html; https://www.tagesschau.de/wirtschaft/gas-nord-stream-eins-gazprom-101.html und https://www.tagesschau.de/wirtschaft/gazprom-nord-stream-gaslieferstopp-103.html, jeweils zuletzt abgerufen am 9. März 2023). Vor diesem Hintergrund musste die Unterbrechung der Lieferung russischen Rohöls in der Zeit vom 4. bis 10. August 2022 über den Südstrang der Drushba-Pipeline nach Ungarn, Tschechien und in die Slowakei Anlass zu der Befürchtung geben, dass russisches Rohöl in Zukunft generell nicht mehr verlässlich beziehbar sein würde. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit einer Lieferunterbrechung wird bereits im Klagevorbringen bestätigt (vgl. Schriftsatz der Klägerinnen vom 2. März 2023, S. 28 unter 11.3 .1). Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad genügt den Anforderungen wegen der Höhe des Schadens, der bei einem Ausfall der PCK-Raffinerie als Folge einer längeren Lieferunterbrechung einträte. Wegen der Erfahrungen mit den Gaslieferungen war die Wahrscheinlichkeit einer langen oder sogar dauerhaften Unterbrechung im September 2022 nicht als nur gering einzuschätzen. 55 Zusätzliche Indizien für die Gefahr einer Lieferunterbrechung auch über den Nordstrang der Drushba-Pipeline ergaben sich aus den dem Ministerium vorliegenden Hinweisen auf Bemühungen um einen Kapitalabzug (vgl. oben Rn. 22). Aus der ex-ante-Sicht eines verständigen Amtswalters rechtfertigten sie die Annahme, die russischen Obergesellschaften versuchten, ähnlich wie im Fall der Gazprom Germania GmbH, in erheblichem, die Fortsetzung des Geschäftsbetriebs gefährdenden Umfang Kapital aus den Tochtergesellschaften abzuziehen, um Lieferunterbrechungen vorzubereiten oder jedenfalls bei Bedarf ohne eigenen wirtschaftlichen Schaden vornehmen zu können. Die von den Klägerinnen nach Ergehen des Beweisbeschlusses nachgereichte E-Mail-Korrespondenz (Anlagen K 72 bis 74 zum Schriftsatz vom 2. März 2023) und das Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigen diese Einschätzung. Danach wurden im August 2022 mit den Tochtergesellschaften verschiedene, letztlich nicht realisierbare Möglichkeiten des Kapitaltransfers erörtert, um dort vorhandene Liquidität, die nach Angaben der Zeugen Z. und X. seinerzeit jedenfalls mehr als 1 Mrd. € betrug, an die Obergesellschaften zu transferieren. So wurde Anfang August 2022 eine vorzeitige Gewinnabführung an die Anteilseigner erwogen (vgl. E-Mail vom 4. August 2022, Anlage K 74). Der für den Bereich Finanzen zuständige Geschäftsführer, der Zeuge X., führte eingangs dieser E-Mail aus, die zwischenzeitliche Verteilung von Dividenden werde ""uns in der heutigen Situation nicht helfen. Wir müssen anderes besprechen"" (vgl. die von den Klägerinnen zur Verfügung gestellte Übersetzung des russischsprachigen Eingangssatzes der im Übrigen in Englisch verfassten E-Mail vom 4. August 2022 durch ihre Dolmetscherin Frau R., Sitzungsniederschrift vom 7. März 2023, S. 2). Auf den Versuch eines Kapitaltransfers deutet auch die vom Zeugen X. unternehmensintern angeregte Prüfung hin, ob eine Änderung der Zahlungsbedingungen mit der Muttergesellschaft rechtlich und steuerrechtlich zulässig wäre, wobei er Vorauszahlungen an die Muttergesellschaft strikt ausschloss (E-Mail vom 16. August 2022, Anlage K 73). Der im Verwaltungsvorgang dokumentierte vertrauliche Hinweis auf beabsichtigte Vorkassenregelungen und langfristige Vorschüsse erklärt sich aus dem Vorschlag des Unternehmens M. Group (M.-G.), ihm Vorschüsse für fünf von acht vereinbarten Rohöllieferungen zu leisten, die ersten drei Lieferungen umgehend zu bezahlen und erst bei Lieferung der letzten fünf den Kaufpreis mit der Vorschusszahlung zu verrechnen (E-Mail vom 8. August 2022, 10:49 Uhr, Anlage K 72). Den Vorteil dieser Zahlungsweise für RDG stellte der Zeuge X. ausdrücklich in Frage (""What would this prepayment give to RDG?"", vgl. E-Mail vom 8. August 2022, Anlage K 72). 56 Im Rahmen der Beweisaufnahme hat er erklärt, das Mutterunternehmen habe nachgefragt, ob die Möglichkeit bestehe, über Vorauszahlungen zu sprechen oder häufigere Zahlungen vorzunehmen; dies sei wegen steuerrechtlicher Hindernisse abgelehnt worden. Der Zeuge Z. hat bekundet, dass die russische Muttergesellschaft darauf drängte, den Zahlungszeitraum zu verkürzen. Außerdem hat er bestätigt, dass Vorschüsse von der ostasiatischen Gesellschaft M.-G. gefordert wurden. RDG sei aber mangels Sicherheit, dass das Öl auch geliefert werde, nicht dazu bereit gewesen. In Verbindung mit den zitierten Unterlagen bestätigen diese Aussagen die Gefahr erheblicher Kapitalabflüsse aus den Tochtergesellschaften. Letztere weigerten sich zwar, rechtlich nicht zulässige oder das eigene Geschäft eklatant schädigende Zahlungen vorzunehmen, hätten entsprechende Entscheidungen aber wegen der Weisungsbefugnis der Gesellschafter und der Möglichkeit von Umgehungsgeschäften nicht dauerhaft verhindern können. So hat der Zeuge Z. auf Nachfrage angegeben, er habe zwar wegen der Sanktionsfolgen etwas selbständiger handeln und entscheiden können als sonst, sei aber nach wie vor an Weisungen der Muttergesellschaft gebunden gewesen. Der Zeuge Y. hat im Wesentlichen die im Verwaltungsvorgang dokumentierten Hinweise bestätigt und glaubhaft bekundet, dass diese nach den damals erkennbaren Umständen und vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Gazprom Germania GmbH den Eindruck erweckten, die russischen Obergesellschaften versuchten nicht nur die Zahlungsbedingungen zu ändern, sondern einen Liquiditätsabfluss zu realisieren. Es habe die große Gefahr bestanden, dass massiv Kapital aus den Tochterunternehmen gezogen werde; in der Annahme einer bevorstehenden Lieferunterbrechung habe man die Arbeiten an der Energietransportverordnung beschleunigt. Der Beweiswert seiner Angaben wird nicht durch den Hinweis der Klägerinnen gemindert, er habe sich in einer Verhandlungspause mit einer Person ausgetauscht, die als Zuhörer an der Sitzung teilgenommen habe und vermutlich der Beklagtenseite angehöre, und dabei Einblick in den Verwaltungsvorgang genommen. Dieser Vorgang war ihm aus seinem Aufgabenbereich bereits bekannt. Seine Angaben entsprechen im Wesentlichen dem bereits dokumentierten Geschehensablauf und enthalten keine wahrnehmbare Ergänzung, die durch Kenntnisse des Verhandlungsverlaufs oder der Angaben anderer Zeugen zu erklären sein könnte. Insbesondere waren seine Aussagen von keinerlei Belastungseifer gekennzeichnet. So hat er die in der E-Mail vom 19. August 2022 (Bl. 300 des Verwaltungsvorgangs) enthaltene Drohung mit einer Lieferunterbrechung selbst auf Vorhalt kaum als solche wahrgenommen, sondern seine Gefahreneinschätzung vornehmlich auf andere Gesichtspunkte wie die Overcompliance und die Parallele zur Entwicklung bei der Gazprom Germania GmbH gestützt. 57 Das Vorbringen der Klägerinnen, bei den Vorauszahlungen dreier Monatsgehälter habe es sich um ""Bonuszahlungen"" gehandelt, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht nachvollziehbar. Die Aussagen der Zeugen waren dazu unergiebig. Der Senat hält die Einordnung als Bonus- oder Prämienzahlungen nicht für überzeugend, weil sie nicht erklärt, weshalb diese Zahlungen anstelle der regulären Gehaltszahlung und nicht zusätzlich zu dieser geleistet werden sollten. Vielmehr ist der Senat davon überzeugt, dass die Vorauszahlung sich aus der Mitteilung der die Gehaltszahlungen ausführenden C.-Bank erklärt, die Geschäftsbeziehung mit Ablauf des Jahres 2022 zu beenden (dazu unten Rn. 63). Dem zweiten Hilfsbeweisantrag der Beklagten zur Frage des Kapitalabzugs (Punkt 3. des Beweisbeschlusses vom 22. Februar 2023) musste der Senat mangels Erheblichkeit nicht nachgehen. 58 Auf die drohende Lieferunterbrechung leitungsgebundenen russischen Rohöls waren RDG und RNRM nicht vorbereitet. Sie haben keine rechtzeitigen, ausreichenden Vorkehrungen getroffen, um in einem solchen Fall ihren Versorgungsbeitrag weiterhin erbringen zu können. 59 Die Diversifizierung der Rohöllieferungen für die PCK-Raffinerie hätte eine Ertüchtigung der Pipeline Rostock-Schwedt erfordert. Zu einer nennenswerten Beteiligung an deren Kosten, die auf rund 400 Mio. € geschätzt wurden und deren Fertigstellung erst in zwei bis drei Jahren zu erwarten gewesen wäre, waren die Tochtergesellschaften nicht bereit. Vielmehr verdeutlichte deren Geschäftsführer in einem Gespräch mit Vertretern des Ministeriums am 26. Juli 2022 (Bl. 258 <259> des Verwaltungsvorgangs), die russische Obergesellschaft werde sich einer Ertüchtigung der Pipeline nicht entgegenstellen, wenn der Bund sie zu 100 % finanziere. Diesen Gesprächsinhalt haben die Zeugen Y. und Z. glaubhaft bestätigt; der Zeuge Z. hat bekundet, er sei lediglich bereit gewesen, in eigener Verantwortung und ohne Rücksprache mit der russischen Muttergesellschaft einen Betrag von rund 15 Mio. € für die Vorarbeiten zum Ausbau der Pipeline zur Verfügung zu stellen. Die Gesprächsnotiz, ohne russisches Öl wäre Rosneft wahrscheinlich nicht mehr an der PCK interessiert, hält der Senat ebenfalls für zutreffend. Der Zeuge Z. hat angegeben, nach seinem Eindruck habe die russische Obergesellschaft die Drushba-Pipeline und die PCK-Raffinerie als Gesamtpaket gesehen; deshalb sei vorstellbar, dass ohne Rohöllieferungen kein Interesse an der Raffinerie mehr bestünde. Das habe er in dem Gespräch auch als eigene Vermutung so geäußert. 60 Gegen eine Bereitschaft der Tochtergesellschaften zur rechtzeitigen Diversifizierung ihrer Ölbezugsquellen spricht zudem, dass sie sich im Verlaufe des Sommers 2022 zunehmend deutlicher für einen Weiterbezug russischen Rohöls aussprachen. Während ihre Rechtsberater noch Ende Juni 2022 mitteilten, nur der Zeitpunkt eines möglichen Ölembargos sei für sie von Bedeutung (E-Mail vom 22. Juni 2022, Bl. 184 <185> des Verwaltungsvorgangs), drängte der neue Geschäftsführer, der Zeuge Z., gegenüber dem Ministerium im Juli 2022 auf einen über das Jahresende hinausreichenden Bezug russischen Rohöls (vgl. Bl. 258 des Verwaltungsvorgangs), obwohl angesichts der Protokollerklärung der Bundesregierung mit der Regelung eines Importembargos zum Jahresende 2022 zu rechnen war und der zeitliche Vorlauf für den Öleinkauf nach Angaben der Rechtsberater der Tochtergesellschaften mindestens drei Monate betrug (Bl. 184 <185> des Verwaltungsvorgangs). Der Zeuge Z. hat dazu erläutert, er habe sich für eine längere Übergangsfrist von fünf bis sechs Monaten eingesetzt, um wirtschaftliche Verluste gering zu halten. 61 (b) Ebenso steht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats fest, dass die Fortführung des Versorgungsbeitrags von RDG und RNRM wegen der Overcompliance ihrer Geschäftspartner bei Erlass der Anordnung konkret gefährdet war. Dies begründete ebenfalls und unabhängig von der drohenden Lieferunterbrechung die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Geschäftstätigkeit nicht mehr würden aufrechterhalten können. 62 Bereits seit Frühjahr 2022 traten erste Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit Zahlungsdienstleistern der beiden Tochtergesellschaften der Klägerinnen auf. So bat RDG mit Schreiben vom 23. März 2022 (Bl. 44 f. des Verwaltungsvorgangs) das Ministerium um Unterstützung, weil ihre Hauptbank (C.-Bank) aufgrund der Unsicherheiten bei der Auslegung von Sanktionsvorschriften und der daraus resultierenden Overcompliance keine eingehenden Kundenzahlungen mehr gutschreibe. Daraufhin stellte das Ministerium den Tochtergesellschaften am 24. März 2022 einen Letter of Comfort (Bl. 52 f. des Verwaltungsvorgangs) zur Verfügung, in dem es deren Bedeutung für die Energieversorgungssicherheit hervorhob und klarstellte, dass sie nicht den EU-Sanktionen unterlägen. Dies führte nach den übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeugen W., Z. und X. dazu, dass sich in der Folgezeit die Schwierigkeiten wegen der Overcompliance von Geschäftspartnern zunächst reduzierten. Sie verschärften sich jedoch spätestens ab Mitte Juli 2022 erneut. Deshalb baten die Tochtergesellschaften im Gespräch mit dem Ministerium am 26. Juli 2022 um einen weiteren Letter of Comfort (Bl. 258 des Verwaltungsvorgangs) zur Unterstützung bei ihrer Geschäftstätigkeit, zumal verschiedene Geschäftspartner sich wegen der neuen Sanktionspakete danach erkundigt hätten. Dass die Overcompliance-Probleme andauerten, ergibt sich auch aus der an das Ministerium übermittelten E-Mail vom 15. Juli 2022 (Anlage B 61 sowie Bl. 243 f. des Verwaltungsvorgangs). Darin beschrieben die Rechtsberater der RDG insgesamt fünf von Overcompliance-Problemen betroffene Bereiche, darunter auch Schwierigkeiten in den Geschäftsbeziehungen mit der C.-Bank Schweiz. Danach führte die verspätete Ausführung der Zahlung einer Frachtgebühr im Juli 2022 zu Verzögerungen bei der Entladung eines Öltankers in T. Obwohl die Zahlung von Seiten der Tochtergesellschaften nicht nur über die C.-Bank, sondern parallel auch über die I.-Bank angewiesen worden war, kam es bei der Empfängerbank, der C.-Bank Schweiz, wegen Compliance-Prüfungen zu einer erheblichen zeitlichen Verzögerung der Gutschrift, die nach Angaben des Zeugen X. bis Mitte August 2022 andauerte. Den Vorgang selbst haben er sowie die Zeugen W. und Z. im Wesentlichen übereinstimmend geschildert. Der Zeuge Z. hat zudem glaubhaft bekundet, dass ihn Overcompliance-Probleme während der gesamten Zeit seiner Tätigkeit in den Tochterunternehmen im operativen Alltagsgeschäft begleiteten und zu erheblichem Zusatzaufwand bei der Geschäftsabwicklung führten. 63 Dass die Overcompliance-Probleme auch im September 2022 fortdauerten, ergibt sich unter anderem daraus, dass die C.-Bank als eine der beiden im Sommer 2022 verbliebenen Hauptbanken der Tochtergesellschaften nur noch aufgrund ihrer gesetzlichen Verpflichtung bereit war, weiterhin Löhne und Sozialversicherungsbeiträge zu überweisen, und nach den glaubhaften Angaben der Zeugen Z. und X. Ende August oder Anfang September die Kündigung der Geschäftsbeziehungen zum Jahresende angekündigt hatte. Beide Zeugen haben eingeräumt, dass Bemühungen, eine andere Bank für die Abwicklung der Gehalts- und Sozialversicherungszahlungen zu gewinnen, erfolglos geblieben waren. Der Zeuge X. hat angegeben, man habe die technische Möglichkeit, solche Zahlungen über die I.-Bank abzuwickeln, zu einem Probelauf genutzt. Die technische Durchführbarkeit konnte jedoch die weiterhin fehlende vertragliche Vereinbarung einer Übernahme dieser Zahlungsdienstleistungen durch die I.-Bank nicht ersetzen. Vielmehr war diese erkennbar bemüht, die Geschäftsbeziehung nicht auszuweiten. Weil sie den Kreditrahmen der Tochtergesellschaften in Höhe von 100 Mio. € gekündigt hatte, konnten die für den Erdölbevorratungsverband nötigen Bankbürgschaften nach Angaben des Zeugen X. nur noch über Umwege mit Hilfe einer Drittbank, der G.-Bank Luxemburg, erbracht werden. Unter diesen Umständen ist die Aussage des Zeugen Z., weitere Geschäftsbeziehungen zu anderen Banken seien wünschenswert gewesen, sehr einleuchtend. Die nur vom Zeugen X. vertretene Einschätzung, Schwierigkeiten mit den Zahlungsdienstleistern hätten die Geschäftstätigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt, kann der Senat angesichts der vorliegenden Unterlagen und der sie bestätigenden übrigen Zeugenaussagen nicht nachvollziehen. Dass der Zeuge Z. die Schwierigkeiten für erheblich, aber nicht für kritisch hielt, erklärt sich aus der von ihm eingeräumten höheren Risikobereitschaft, zu der die Geschäftsführung gerade wegen der Schwierigkeiten, Geschäftsbeziehungen angesichts von Sanktionen und Overcompliance stabil zu halten, gezwungen war. 64 Weitere die Aufgabenerfüllung konkret gefährdende Overcompliance-Probleme gab es im Bereich der Industrieversicherung. In einer vertraulichen E-Mail vom 6. September 2022 wurde dem Ministerium mitgeteilt, dass der Industrieversicherer H. aus Compliance-Gründen nicht mehr bereit sei, die PCK-Raffinerie zu versichern (Bl. 376 des Verwaltungsvorgangs). Der Zeuge Y. hat angegeben, ihm sei von Mitarbeitern berichtet worden, dass es um die Haftpflichtversicherung des H. gehe und die Geschäftsführer der PCK-Raffinerie im Fall einer Kündigung dieser Versicherung ihr Amt sofort niederlegen wollten. Diese Aussage ist glaubhaft, weil die Information in den Zuständigkeitsbereich des Zeugen Y. fiel und die Geschäftsführer ohne die Versicherung ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko hätten tragen müssen. Gegen die Richtigkeit der Information spricht nicht, dass der Zeuge X. erklärt hat, ihm sei die Kündigung Anfang September 2022 noch nicht bekannt gewesen, und der Zeuge Z. zu diesem Vorgang keine näheren Angaben machen konnte. Die Aussage des Zeugen Y. wird auch durch die seitens der Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Kommunikation mit einem Geschäftsführer der PCK-Raffinerie nicht widerlegt. Ihr kommt kein Beweiswert zu, weil der Geschäftsführer nach diesem Vortrag nicht auf Fragen zur Haftpflichtversicherung, sondern zur Feuerversicherung des H. geantwortet hat. Der Verweis der Klägerinnen auf die hohen Kontoguthaben ihrer Tochtergesellschaften kann angesichts des drohenden Kapitalabzugs eine Industriehaftpflichtversicherung der PCK-Raffinerie nicht ersetzen. 65 Dem Hilfsbeweisantrag der Beklagten vom 2. März 2023, Frau E. als Zeugin zu den Overcompliance-Problemen zu vernehmen, musste der Senat mangels Erheblichkeit nicht nachgehen. 66 (c) Rechtfertigten bereits die drohende Lieferunterbrechung und die bestehenden Overcompliance-Probleme mit Geschäftspartnern der Tochtergesellschaften die Gefahrenprognose, dass RDG und RNRM ihren Versorgungsbeitrag künftig nicht unvermindert würden erbringen können, kann dahinstehen, ob sich die Beseitigung der im März 2022 von der RDG gemeldeten Störung ihrer IT-Sicherheit infolge von Overcompliance-Problemen verzögerte und ob die Informationstechnik der RDG Mitte September 2022 dem Stand der Technik im Sinne des § 8a Abs. 1 Satz 2 BSIG entsprach (vgl. Nr. 1 des Beweisbeschlusses vom 22. Februar 2023). Daher erübrigen sich weitere Ermittlungen dazu, die sonst wegen der Unergiebigkeit der Vernehmung des sachverständigen Zeugen U. erforderlich gewesen wären. Dem ersten Hilfsbeweisantrag der Klägerinnen sowie dem ersten Hilfsbeweisantrag der Beklagten zum Beweisbeschluss vom 22. Februar 2023, die sich jeweils auf das Beweisthema der IT-Sicherheit bezogen, musste der Senat mangels Erheblichkeit nicht nachgehen. 67 cc) Das Tatbestandsmerkmal ""ohne eine Treuhandverwaltung"" im Sinne des § 17 Abs. 1 EnSiG bringt zum Ausdruck, dass die Anordnung einer Treuhandverwaltung erforderlich sein muss, die Gefährdung der Energieversorgungssicherheit durch Aufgabennichterfüllung abzuwenden. Damit verweist es auf das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit, das unter Rn. 93 ff. erörtert - und bejaht - wird. Ein darüber hinausgehender eigenständiger Gehalt kommt dem Tatbestandsmerkmal nicht zu. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen verlangt es insbesondere keine Bewertung der negativen Auswirkungen einer Lieferunterbrechung im Verhältnis zu den positiven und negativen Auswirkungen der beabsichtigten Treuhandmaßnahmen. Daher musste der Senat dem zweiten Hilfsbeweisantrag der Klägerinnen vom 9. März 2023, dem dieser Vergleich zugrunde liegt, mangels Erheblichkeit nicht nachkommen. Darüber hinaus handelt es sich um ein Ausforschungsbegehren, das keine entscheidungserhebliche Tatsache unter Beweis stellt, sondern sie erst ermitteln will. 68 dd) Das Ministerium durfte Mitte September 2022 davon ausgehen, dass wegen der konkreten Gefahr eines Ausfalls des Versorgungsbeitrags der beiden Tochtergesellschaften eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit drohte. Der Tatbestand des § 17 Abs. 1 EnSiG stellt auf die Versorgungssicherheit ab und bringt mit dem Wortelement ""-sicherheit"" zum Ausdruck, dass es um die Gewährleistung der Verlässlichkeit und Stabilität der Energieversorgung geht. Die Energieversorgung ist eine öffentliche Aufgabe und gehört zum Bereich der Daseinsvorsorge. Sie ist eine Leistung, deren der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139, 3386/08 - BVerfGE 134, 242 Rn. 286; Beschluss vom 20. März 1984 - 1 BvL 28/82 - BVerfGE 66, 248 <258>). Versorgungssicherheit im Sinne des § 17 Abs. 1 EnSiG ist danach die Gewährleistung einer ausreichenden, verlässlichen und kontinuierlichen Versorgung mit Energie. Im Gegensatz zu § 1 Abs. 1 EnSiG verlangt § 17 Abs. 1 EnSiG keine Gefährdung oder Störung der Energieversorgung, sondern nur eine drohende Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit. Darunter ist die Gefahr nicht unerheblicher Einbußen bei der Versorgung mit Energie zu verstehen, die sich auf das Funktionieren des Gemeinwesens auswirken können (vgl. Kment, NJW 2022, 2302 Rn. 8). Dabei ist das Ausmaß der räumlichen Auswirkungen ebenso zu berücksichtigen wie die Größe des betroffenen Personenkreises und die Dauer der zu besorgenden Beeinträchtigung. An die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit durch die Aufgabenminder- oder -nichterfüllung dürfen wegen der existenziellen Bedeutung sicherer Energieversorgung keine hohen Anforderungen gestellt werden. 69 Nach diesem Maßstab drohte eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit. Bei einem Ausfall des Versorgungsbeitrags der Tochtergesellschaften hätte die PCK-Raffinerie nicht mit der erforderlichen Mindestlast betrieben werden können. Dies hätte im gesamten Nordosten des Bundesgebiets, insbesondere in der Region Berlin/Brandenburg, zu längerfristigen, erheblichen Versorgungsschwierigkeiten mit Rohölprodukten geführt und Kernbereiche der Daseinsvorsorge, wie etwa die Wärmeversorgung großer Teile der dortigen Bevölkerung, gefährdet. Gleiches wäre bei einem Zusammenbruch der Geschäftstätigkeit der beiden Tochtergesellschaften infolge der Mitte September 2022 weiterhin bestehenden Overcompliance-Probleme zu erwarten gewesen. Dass diese Auswirkungen absehbar verlässlich durch kompensierende Versorgungsbeiträge anderer Unternehmen hätten abgewendet werden können, ist weder geltend gemacht noch sonst erkennbar. 70 c) Die Anordnung ist nicht ermessensfehlerhaft. Das Ministerium hat sein Ermessen hinsichtlich des Erlasses einer Treuhandverwaltungsanordnung, der Adressatenauswahl und der Ausgestaltung der Anordnung gemäß § 17 Abs. 1, 2 und 4 EnSiG erkannt und dieses Ermessen gemäß § 40 VwVfG entsprechend dem Zweck der Ermächtigung und innerhalb seiner gesetzlichen Grenzen ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO). 71 aa) Ein Ermessensausfall oder eine Ermessensunterschreitung liegen weder hinsichtlich des Einschreitens noch hinsichtlich der Adressatenauswahl oder der Ausgestaltung der Anordnung vor. Ihre Begründung lässt unter Nr. II. 3. und 4. jeweils die wesentlichen ermessensleitenden Erwägungen erkennen. 72 Danach entschloss sich das Ministerium zum Einschreiten, weil es davon ausging, nur eine Treuhandverwaltung könne die drohende Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit abwenden. Dass auch andere Vorgehensweisen erwogen wurden, ergibt sich aus den im Verwaltungsvorgang enthaltenen Dokumenten zum Entscheidungsprozess. Der Bitte der Tochtergesellschaften der Klägerinnen, einen weiteren Letter of Comfort auszustellen, kam das Ministerium wegen der Reaktionen auf den ersten nicht nach (vgl. Bl. 189 des Verwaltungsvorgangs). Es erörterte die Treuhandverwaltung - auch mit Vertretern von RDG und RNRM - als Alternative zum Abwarten der befürchteten Insolvenz dieser Tochtergesellschaften und zog sie sowohl dieser Lösung als auch einer Enteignung vor (vgl. den ministeriellen Vermerk vom 25. März 2022 - BMWK-IE2 - Bl. 54 <55> des Verwaltungsvorgangs sowie dort Bl. 73 <96> den Entwurf zur Optionsanalyse Mineralöl vom 29. März 2022 und Bl. 138 ff. <139 ff., 143> das Non-Paper zu Handlungsoptionen zur Stabilisierung der RDG und ihrer Raffinerie-Beteiligungen). 73 Die Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit unter Nr. II. 4. der Anordnung zeigen, dass das Ministerium auch sein Auswahlermessen erkannt und ausgeübt hat. Eine Treuhandverwaltungsanordnung nur bezüglich der Pipeline Rostock-Schwedt oder der PCK Raffinerie GmbH wurde erwogen, aber - im ersten Fall - als rechtlich nicht möglich oder - im zweiten - als weniger geeignet verworfen (vgl. E-Mails Bl. 248 ff. des Verwaltungsvorgangs). 74 Die ermessensleitenden Gesichtspunkte für die konkrete Ausgestaltung und die Befristung der Anordnung ergeben sich ebenfalls aus deren Nr. II. 3. und 4. und dem im Verwaltungsvorgang dokumentierten Entscheidungsprozess. Danach zielt die Anordnung darauf, den unternehmerischen Einfluss der Klägerinnen auf die inländischen Tochtergesellschaften auszuschließen, um der Overcompliance zu begegnen und eine Diversifizierung der Ölbezugsquellen auch gegen die wirtschaftlichen Interessen der Klägerinnen und ihrer Konzernmutter zügig vorantreiben zu können. Dazu wurde die Treuhandverwaltung entsprechend dem gesetzlichen Regelungsmodell konzipiert (§ 17 Abs. 4 EnSiG) und die nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EnSiG zulässige Frist im Hinblick auf die voraussichtliche Dauer der für erforderlich gehaltenen Maßnahmen ausgeschöpft (zum sechsmonatigen Zeitraum, der für das Engineering der Ertüchtigung der Pipeline Rostock-Schwedt veranschlagt wurde, vgl. das Gesprächsprotokoll vom 26. Juli 2022, Bl. 258 <259> des Verwaltungsvorgangs). 75 bb) Diese Ermessensausübung entspricht dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung (§ 17 EnSiG). Er liegt darin, Gefahren für die Energieversorgungssicherheit abzuwenden und zu gewährleisten, dass zur Kritischen Infrastruktur des Energiesektors gehörende Unternehmen, deren Versorgungsbeitrag gefährdet ist, entsprechend diesem Ziel fortgeführt werden (vgl. § 17 Abs. 5 Satz 1 EnSiG und oben Rn. 48). 76 Der Überprüfung der Beweggründe der Ermessensentscheidung sind die Erwägungen zugrundezulegen, die die Behörde tatsächlich angestellt hat. Dabei ist von der Begründung der Anordnung auszugehen. Darüber hinaus sind die Umstände ihres Erlasses zu berücksichtigen, die sich regelmäßig aus den Verwaltungsvorgängen ergeben. Weil die Rechtmäßigkeit der Anordnung nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses zu beurteilen ist, kommt es auf später eingetretene Tatsachen grundsätzlich nicht an. Nur wenn diese darauf schließen lassen, dass für die behördliche Entscheidung bereits im Zeitpunkt des Erlasses zweckwidrige Erwägungen maßgeblich waren, können sie einen Ermessensmissbrauch begründen. 77 Die in der Begründung der Anordnung dargelegten Erwägungen entsprechen dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung. Sie heben die Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit als ermessensleitenden Gesichtspunkt hervor. Als zentrale Ursachen ihrer Gefährdung nennen Nr. I. 2. und 3. der Anordnung zutreffend einerseits die Overcompliance der Geschäftspartner und andererseits das hohe Risiko einer Reduzierung oder völligen Einstellung russischer Öllieferungen (dazu oben Rn. 61 ff. und 54 ff.). Die Anordnung zielt deshalb auf eine Reduzierung der Overcompliance-Probleme durch die als ""sanktionsrechtliche Entmakelung"" bezeichnete Übertragung der Unternehmensführung auf einen nicht von Sanktionen oder Overcompliance betroffenen staatlichen Treuhänder (vgl. Optionsanalyse Mineralöl vom 29. März 2022, Bl. 73 <83> des Verwaltungsvorgangs; Non-Paper: Handlungsoptionen zur Stabilisierung der Rosneft Deutschland GmbH und ihrer Raffinerie-Beteiligungen, Bl. 124 <127> des Verwaltungsvorgangs). Der Diversifizierung des Rohölbezugs dient die vom Treuhänder voranzutreibende Ertüchtigung der Pipeline Rostock-Schwedt, an deren Beschleunigung die Klägerinnen kein erkennbares Interesse hatten (dazu oben Rn. 59). Der Verwaltungsvorgang bestätigt, dass das Ministerium eine zügige Ertüchtigung für unabdingbar hielt, um eine den Mindestlastbetrieb sichernde, Schäden an der Anlage vermeidende Raffineriebelieferung auch bei unvorhergesehenen Unterbrechungen der Rohöllieferungen über die Drushba-Pipeline zu gewährleisten (vgl. Non-Paper Bl. 138 <139> des Verwaltungsvorgangs). Außerdem begründete es die Treuhandverwaltung auch damit, dass zusätzliche Rohöllieferungen über den Hafen D. zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit insbesondere während der Pipeline-Ertüchtigung erforderlich seien, von der Republik Polen jedoch wegen der Beherrschung der Tochtergesellschaften durch den Rosneft-Konzern verweigert würden. 78 (1) Die letztgenannte Erwägung ist nicht schon fehlerhaft, weil die Entscheidungsvorlage vom 29. Juni 2022 (Bl. 203 des Verwaltungsvorgangs) ausführt, ""die Versorgung über D. [sei] mit ca. 4 % lieferbaren Öls aber nicht entscheidend, die [Treuhand-]Lösung nicht zu wählen, selbst wenn POL [die Republik Polen] nicht kooperieren sollte"". Der vermeintliche Widerspruch löst sich auf, wenn der Kontext beider Aussagen berücksichtigt wird. Die Begründung der Anordnung erklärt unter Nr. I. 3. zusätzliche Öllieferungen über den Hafen D. für notwendig, um die PCK-Raffinerie insbesondere während der Ertüchtigung der Pipeline Rostock-Schwedt über der erforderlichen Mindestlast betreiben zu können. Dies entspricht der in einem Non-Paper wiedergegebenen, auf einem Gutachten der P. AG beruhenden Einschätzung, mit der Pipeline Rostock-Schwedt sei die technisch notwendige Minimalproduktion gerade abgesichert oder eventuell sogar knapp unterschritten; eine Unterschreitung könne nur kurzfristig durch Speichervorräte abgepuffert werden und gefährde langfristig den sicheren Betrieb (vgl. Bl. 138 <139> des Verwaltungsvorgangs). Danach durfte das Ministerium zusätzliche Lieferungen über den Hafen D. für nötig halten, um ein Unterschreiten des Mindestbedarfs sicher zu verhindern. Die Entscheidungsvorlage vom 29. Juni 2022 (Bl. 203 <206 f., 210> des Verwaltungsvorgangs) widerspricht dem nicht. Sie erläutert, die alternativ zur Treuhandverwaltung erwogene Enteignung biete keine wesentlichen Vorteile, obwohl die Republik Polen die für die Versorgungssicherheit notwendige zusätzliche Belieferung der PCK-Raffinerie über D. ausschließe, solange die mittelbare Rosneft-Beteiligung fortbestehe. Bei einer Enteignung sei das Risiko russischer Gegenreaktionen größer; zudem könne die relativ geringe zusätzliche Liefermenge von L. genutzt und, bei entsprechender politischer Flankierung, eine Vollauslastung der PCK-Raffinerie voraussichtlich mit kasachischem Öl erreicht werden. Werde nur eine Treuhandverwaltung angeordnet, bestehe auch ein wirtschaftliches Interesse der Russischen Föderation, die Durchleitung zu gestatten. Diese Erwägungen stellen die Notwendigkeit von Zusatzlieferungen an die PCK-Raffinerie nicht in Abrede. Sie lehnen nur ab, ihretwegen die Enteignung der Treuhand vorzuziehen. 79 (2) Der Vorwurf der Klägerinnen, das Ministerium habe sein Ermessen missbraucht, um den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes für Importbeschränkungen zu umgehen, trifft ebenfalls nicht zu. Aus den in das Verfahren eingeführten Akten und Unterlagen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Senat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der in der Begründung gegebene, gesetzeskonforme Zweck der Anordnung im für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt Mitte September 2022 nur vorgeschoben und die Anordnung tatsächlich erlassen worden wäre, um ein Importembargo ohne gesetzliche Grundlage durchzusetzen. 80 Wie sich aus einem ministeriellen Vermerk zur Stabilisierung der RDG vom 25. März 2022 - BMWK-IE2 - (Bl. 54 <55> des Verwaltungsvorgangs, unter 3.) und dem Entwurf einer Optionsanalyse vom 29. März 2022 (Bl. 73 <96> des Verwaltungsvorgangs, unter II.) ergibt, wurde wegen der massiven Overcompliance-Probleme bereits frühzeitig eine Treuhand als Alternative zur Enteignung oder zum Abwarten der Insolvenz der Tochtergesellschaften der Klägerinnen erwogen (vgl. das oben zitierte Non-Paper, Bl. 138 <143> des Verwaltungsvorgangs). Dies geschah mehr als zwei Monate vor der bei Erlass des sechsten EU-Sanktionspakets Ende Mai 2022 abgegebenen Protokollerklärung der Bundesregierung, ab dem folgenden Jahr auf die Einfuhr leitungsgebundenen russischen Erdöls verzichten zu wollen. Die Überlegungen des Ministeriums im Frühjahr 2022 waren davon bestimmt, wie die Tochtergesellschaften der Klägerinnen angesichts der von diesen selbst für existenzbedrohend gehaltenen Overcompliance-Probleme stabilisiert werden könnten. Der Begriff ""Narrativ"" in einer E-Mail vom 22. März 2022 belegt nicht, dass diese Probleme nur vorgeschoben worden wären. Er wurde lediglich zur informellen Bezeichnung einer ersten, noch ungeprüften Idee verwendet, die sich in der weiteren Diskussion nicht durchsetzte (vgl. Non-Paper, Bl. 138 <139 ff.> des Verwaltungsvorgangs). 81 Es gibt keine zureichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Ende Mai 2022 abgegebene Protokollerklärung der Bundesregierung die weitere Ermessensausübung beeinflusst und die bisherige Zwecksetzung der Treuhandverwaltungsanordnung verändert hätte. Die Entscheidungsvorlage vom 29. Juni 2022 erörtert mögliche Folgen eines Importembargos oder einer Lieferunterbrechung parallel unter dem Gesichtspunkt einer Gefährdung des Mindestlastbetriebs, stellt aber fest, die aktuelle Gefährdung gehe von der Overcompliance aus, und empfiehlt eine zeitnahe Anordnung der Treuhandverwaltung, um weitere durch sie verursachte Schäden abzuwenden (Bl. 203 <210> des Verwaltungsvorgangs). Im Ministerium bestand nach wie vor Ungewissheit, wann und wie der in der Protokollerklärung angekündigte Verzicht auf den Import russischen Rohöls rechtlich umgesetzt werden sollte. Für denkbar wurde entweder eine unionsrechtliche oder eine nationale Regelung gehalten (Bl. 186 des Verwaltungsvorgangs). Gleichzeitig finden sich keine Anzeichen für Bestrebungen, einer solchen erkennbar für notwendig gehaltenen und bis zum Jahreswechsel erwarteten Regelung vorzugreifen. Als die Berater von RDG erklärten, vor allem am Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens interessiert zu sein (Bl. 184 f. des Verwaltungsvorgangs), wurde die Frage nach dem Regelungsweg nicht weiter verfolgt. Die Bemerkung in einer innerministeriellen Zuarbeit vom 5. August 2022 (Bl. 264 des Verwaltungsvorgangs), der Treuhänder könne RDG anweisen, kein russisches Öl mehr zu beziehen, zielt nicht auf eine Umgehung des Vorbehalts des Gesetzes. Sie steht im Zusammenhang mit der Forderung, RDG zur umgehenden Umstellung auf kasachisches Rohöl zu veranlassen, weil die erwartete Regelung des Importembargos wegen des mehrmonatigen Vorlaufs für Lieferverträge nicht abgewartet werden könne (""RDG [kann] nicht zweigleisig fahren [und] muss sich also jetzt entscheiden, ... unabhängig von der Rechtslage im Dezember"", Bl. 264 des Verwaltungsvorgangs). Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung wird nicht geleugnet. Das Treuhandverhältnis soll sie nicht ersetzen, sondern eine rechtzeitige Vorbereitung sichern. 82 Die Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs K. vom 2. und 11. August 2022 (Anlage B 8a und Bl. 265 des Verwaltungsvorgangs) lassen ebenfalls nicht auf einen Ermessensfehlgebrauch schließen. Beide haben keinen erkennbaren Bezug zur späteren Anordnung der Treuhandverwaltung. Das erste informiert den neuen Geschäftsführer von RDG und RNRM über die unionsrechtliche Lage und die Protokollerklärung der Bundesregierung. Es bittet darum, rechtzeitig Vorkehrungen zur Umstellung der Bezugsquellen für das folgende Jahr zu treffen. Damit wird die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung nicht in Abrede gestellt, sondern lediglich auf die Notwendigkeit hingewiesen, sich frühzeitig auf den Erlass der in Aussicht gestellten Regelung vorzubereiten. Das zweite Schreiben bittet wegen der Unterbrechung der Rohöllieferung über den Südstrang der Drushba-Pipeline, Tanklagerbestände der Raffinerien zu überwachen und aufzufüllen, um der Gefahr einer Lieferunterbrechung auch des Nordstrangs zu begegnen. Damit bestätigt es, dass die Beklagte jedenfalls ab August 2022 - nachvollziehbar - von einem hohen Risiko einer kurzfristigen Lieferunterbrechung ausging. 83 Der Zeitpunkt, zu dem die Anordnung schließlich erlassen wurde, spricht gegen deren Zweckentfremdung zur Durchsetzung eines Importembargos. Sie erging nicht im zeitlichen Zusammenhang mit der Protokollerklärung der Bundesregierung, sondern erst mehr als ein Vierteljahr später. Eine Instrumentalisierung zur Umsetzung der Protokollerklärung liegt auch wegen der Anweisung des Bundeskanzlers fern, keine Treuhandverwaltung anzuordnen, bis geklärt sei, inwieweit die Gaslieferungen über Nord Stream 1 wieder aufgenommen würden (vgl. die Mitteilungen Bl. 246 und 256 des Verwaltungsvorgangs). Auslöser für den Erlass der Anordnung waren erst die seit Mitte August 2022 im Ministerium eingehenden Hinweise aus den Tochterunternehmen auf mehrmonatige Gehaltsvorschüsse und auf Bestrebungen der Gesellschafter, Kapital abzuziehen. Sie ließen - entsprechend der Entwicklung bei der Gazprom Germania GmbH - einen baldigen Zusammenbruch von RDG und RNRM oder zumindest eine kurzfristige Lieferunterbrechung wie bei Nord Stream 1 befürchten (vgl. dazu oben Rn. 54). Dass das Ministerium die Anordnung erließ, ohne sich bei Vertretern der RDG nach der Richtigkeit dieser Hinweise zu erkundigen, begründet keinen Ermessensmissbrauch. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Gefahr im Verzug (oben Rn. 22) verwiesen werden. Im Übrigen ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass umgehende Rückfragen nicht erwogen wurden, weil die ursprüngliche vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium und den Vertretern von RDG und RNRM spätestens seit dem Gespräch vom 26. Juli 2022 (vgl. das Protokoll Bl. 258 des Verwaltungsvorgangs) wechselseitiger Vorsicht gewichen war. Die Gründe dafür lagen in den Erfahrungen des Ministeriums mit dem erst in letzter Minute abgewendeten Zusammenbruch der Gazprom Germania GmbH, in der Drosselung und Einstellung von Gaslieferungen via Nord Stream 1 und im Geschäftsführerwechsel bei RDG und RNRM in Verbindung mit der Mitteilung, der neue Geschäftsführer pflege besonders engen Kontakt zur Leitung in Moskau (Bl. 372 des Verwaltungsvorgangs). Eine frühzeitige Einbeziehung konnten die Tochtergesellschaften unter diesen Umständen nicht erwarten, zumal sie selbst das Ministerium nur zögerlich und selektiv über Overcompliance-Probleme, Anfragen wegen Vorschusszahlungen und Ansinnen ihrer Muttergesellschaften zur Änderung von Zahlungsabreden informierten. Dies zeigt unter anderem die erst nach Ergehen des Beweisbeschlusses nachgereichte E-Mail-Korrespondenz (Anlagen K 72 bis 74). 84 Aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme folgt nichts Gegenteiliges. Soweit die Zeugenaussagen insoweit ergiebig sind, belegen sie nicht, dass das Ministerium die Befürchtung drohenden Kapitalabzugs vorgeschoben und die Anordnung tatsächlich erlassen hätte, um ein Importembargo russischen Rohöls ohne gesetzliche Grundlage durchzusetzen. Aus diesen Aussagen ergibt sich schon nicht, dass die tatsächlichen Annahmen und die Risikoeinschätzung des Ministeriums objektiv unzutreffend waren (vgl. dazu oben Rn. 56). Jedenfalls lässt sich ihnen nicht entnehmen, dass dem Ministerium eine etwaige Unrichtigkeit bewusst gewesen wäre und es seine Einschätzung wider besseres Wissen vorgeschoben hätte. 85 Der sachverständige Zeuge U. und der Zeuge W. haben sich dazu nicht geäußert. Die Zeugen X. und Z. haben nicht bekundet, das Ministerium habe aus anderen als den in der Anordnung erläuterten Ermessenserwägungen gehandelt. Aus ihren Aussagen ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür. In der Sache haben sie, teils nach Vorhalt der entsprechenden Unterlagen, die tatsächliche Grundlage der Gefahrenprognose des Ministeriums bestätigt, insbesondere die Overcompliance-Probleme mit Zahlungsdienstleistern, die Verhandlungen um eine für die Muttergesellschaft günstigere Ausgestaltung der Zahlungsbedingungen und einen vorzeitigen Gewinntransfer sowie den Vorschlag der M.-G., langfristige Vorschusszahlungen zu vereinbaren. Nur ihre Risikoeinschätzung weicht - aus ihrer beruflichen Situation erklärlich - von derjenigen des Ministeriums ab. Der Zeuge X. hielt selbst das absehbare Fehlen einer vertraglichen Grundlage für die Übernahme der Zahlungsabwicklung von Gehältern und Sozialversicherungsbeiträgen durch die I.-Bank nicht für kritisch, weil die Zahlung über diese Bank mit dem SAP System der Tochtergesellschaften technisch durchführbar gewesen sei. Eine Vertragsgrundlage hat er auch auf mehrfache Nachfrage nicht angegeben, sondern erklärt, man habe keinen Zusatzauftrag benötigt; die technische Durchführbarkeit habe sich bei einem Testlauf gezeigt. Der Zeuge Z. erläuterte auf Nachfragen, ein Gefahr anzeigendes ""roten Licht"" nicht schon bei Auftreten die weitere Geschäftstätigkeit gefährdender Probleme zu sehen, sondern erst, wenn erkennbar werde, dass es keine erfolgversprechenden Maßnahmen zur Lösung gebe und die Situation ausweglos sei. Außerdem sei er davon ausgegangen, die Konzernmutter werde sich - anders als bei der Gazprom Germania GmbH - nicht gegen ihre inländischen Tochtergesellschaften wenden. Keiner der Zeugen hat in Abrede gestellt, dass das Ministerium - seinem gesetzlichen Auftrag entsprechend - gefahrensensibler und weniger risikobereit war. Auch der Aussage des Zeugen Y., dem die Entwicklung bei der Gazprom Germania GmbH aus seiner Diensttätigkeit vertraut war, sind keine Anhaltspunkte für eine vorgeschobene Begründung der Anordnung zu entnehmen. Er hat bekundet, die Befürchtung einer parallelen, mit dem Abzug von Kapital eingeleiteten Entwicklung bei den Tochtergesellschaften der Klägerinnen, die anhaltenden Overcompliance-Probleme und das Risiko einer Unterbrechung russischer Rohöllieferungen wie über den Südstrang der Drushba-Pipeline im August 2022 hätten die ministeriellen Überlegungen geprägt. 86 Aus den von den Klägerinnen angeführten politischen Äußerungen des Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz im Frühjahr 2022 und aus dem Verhalten der Beklagten nach Erlass der Treuhandverwaltungsanordnung ist ebenfalls nicht zu schließen, dass die Anordnung - entgegen ihrer Begründung und den dargestellten Umständen ihres Erlasses - auf zweckwidrigen, vorgeschobenen Erwägungen beruhte. 87 Den Äußerungen des Bundesministers kommt keine maßgebliche Indizwirkung zu. Die Erläuterung der unionsrechtlichen Vorgabe, eine Unabhängigkeit von russischen Rohölimporten anzustreben, der Hinweis auf gegenteilige Interessen des Rosneft-Konzerns und die Erklärung, mit der Republik Polen über eine künftige Belieferung der PCK-Raffinerie zu verhandeln für ""den Fall, wenn Rosneft nicht mehr Betreiber der Raffinerie ist"" (Anlage K 46), datieren mehr als einen Monat vor der Protokollerklärung der Bundesregierung. Sie beziehen sich ebenso wie Hinweise auf die Novellierung des Energiesicherungsgesetzes auf den damaligen, noch sehr offenen Stand der Überlegungen zur Stabilisierung der Versorgungslage. Die von den Klägerinnen vorgetragene Äußerung vom 3. Mai 2022, natürlich werde man sich selbst schaden, datiert vor der Entscheidung für die Anordnung der Treuhandverwaltung und sogar vor dem Inkrafttreten der einschlägigen gesetzlichen Ermächtigung. Sie belegt nicht die Absicht, diese Ermächtigung zweckwidrig für ein Embargo zu nutzen. 88 Eine solche Absicht ergibt sich schließlich nicht aus der - unstreitigen - Weisung der Treuhänderin an die Tochtergesellschaften vom 15. Dezember 2022, ab dem Jahreswechsel kein russisches Rohöl mehr zu beziehen. Aus dieser Weisung folgt nicht, dass bereits im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung Mitte September 2022 geplant war, das beabsichtigte Embargo nicht auf gesetzlicher Grundlage zu regeln, sondern die Treuhandverwaltung anzuordnen, um den Vorbehalt des Gesetzes für ein Importverbot zu umgehen. Gegen eine solche Absicht spricht, dass die Anweisung erst ein Vierteljahr später, kurz vor dem Jahreswechsel, erteilt wurde und nicht erkennbar ist, dass sie bewusst so lange zurückgehalten worden wäre, obwohl ihre Kurzfristigkeit die Umsetzung erschweren musste. Näher liegt, dass die Umsetzung des Importembargos bei Erlass der Anordnung weiterhin offen war und die Treuhänderin zunächst etwaige Regelungsinitiativen, die Entwicklung der Versorgungssituation und den Erfolg der Bemühungen um alternative Bezugsquellen abwartete, bevor sie über Anweisungen zur Belieferung entschied. 89 cc) Die Anordnung wahrt die rechtlichen Grenzen des Ermessens. Sie verletzt kein höherrangiges Recht. 90 (1) Mit den Grundrechten des Grundgesetzes ist sie vereinbar. Die Klägerin zu 2, eine in der Russischen Föderation ansässige juristische Person, fällt nach Art. 19 Abs. 3 GG nicht in den persönlichen Schutzbereich dieser Gewährleistungen. Dieser ist auch nicht aufgrund unionsrechtlicher Regelungen auf sie zu erstrecken, weil ihr Sitz in einem außereuropäischen Drittstaat liegt. Ob die in Luxemburg ansässige Klägerin zu 1 sich nach Art. 19 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 49 und 54 Abs. 1 AEUV auf Grundrechte des Grundgesetzes berufen kann, muss hier nicht abschließend geklärt werden. Auch in diesem Fall liegt keine Verletzung solcher Grundrechte vor. 91 Eine unionsrechtlich begründete Einbeziehung der Klägerin zu 1 in deren Schutzbereich ist nicht zwangsläufig ausgeschlossen, weil der Geschäftssitz ihres Vorstandes in einem Drittstaat liegt. Für die Anwendbarkeit des Art. 49 AEUV stellt Art. 54 Abs. 1 AEUV auf den Sitz der Gesellschaft in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ab. Nach Art. 100-2 Abs. 3 des Luxemburgischen Gesetzes vom 10. August 1915 betreffend die Handelsgesellschaften in der Fassung der Änderung durch Gesetz vom 6. August 2021 (Loi du 10 août 1915 concernant les sociétés commerciales - LSC -, abrufbar unter https://legilux.public.lu/eli/etat/leg/loi/1915/08/10/n1/consolide/20210816) ist der Hauptverwaltungssitz maßgebend, der am statuarischen Sitz vermutet wird. Zur Widerlegung der Vermutung genügt nicht, dass es sich bei der Klägerin zu 1 um eine sogenannte ""Briefkastenfirma"" handeln könnte. Die für die Anwendung des Art. 49 AEUV erforderliche Marktintegration der Gesellschaft ist bereits bei werbender Tätigkeit eines in einem Mitgliedstaat ansässigen Tochterunternehmens - hier der RDG - zu bejahen (vgl. EuGH, Urteil vom 30. September 2003 - C-167/01 [ECLI:​EU:​C:​2003:​512], Inspire Art - Rn. 96 und 98). 92 Zweifel an der Grundrechtsberechtigung der Klägerin zu 1 bestehen wegen ihrer staatlichen Beherrschung. Diese ergibt sich aus der in der mündlichen Verhandlung erörterten Gesellschafterliste der Rosneft Oil Company (Anlage B 10), die sämtliche Anteile an der Klägerin zu 2 und - mittelbar - der Klägerin zu 1 innehat. Nach dem Ergebnis der Erörterung in der mündlichen Verhandlung stehen ihre Geschäftsanteile zu 40,4 % dem ausschließlich von der Russischen Föderation gehaltenen Staatsunternehmen JSC R. zu; weitere Gesellschaften des Rosneft-Konzerns - LLC RN-N. und LLC RN-C. – halten jeweils 9,6 % und 0,76 % der Anteile. Insgesamt addieren sich die Beteiligungen der allein von der Russischen Föderation gehaltenen oder von ihr beherrschten Gesellschafter also auf 50,76 %. Weitere 18,46 % stehen der Q. LLC, der Beteiligungsgesellschaft des Staates Qatar, zu. Wegen der Mehrheit staatlicher Beteiligungen an der mittelbaren Alleingesellschafterin der Klägerin zu 1 fehlt dieser das grundsätzlich von Art. 19 Abs. 3 GG vorausgesetzte personale Substrat. Dabei ist unerheblich, ob die staatlichen Anteile ein- und demselben Staat zustehen. Ein Unternehmen, an dem nicht-staatliche Gesellschafter insgesamt nur als Minderheit beteiligt sind, kann nicht Grundlage privater Initiative und Freiheitsausübung sein und damit nicht die Funktion erfüllen, um derentwillen die Anteilsberechtigung grundrechtlich geschützt ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u. a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 188, 190, 195). Zwar können in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV fallende juristische Personen trotz staatlicher Beherrschung grundrechtsfähig sein, wenn ihnen kein fachgerichtlicher Rechtsschutz gegen gesetzlich geregelte Eingriffe zur Verfügung steht (BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u. a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 196 ff., 200). Diese Voraussetzung liegt hier jedoch wegen der Eröffnung des Rechtswegs zum Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 Abs. 6 Satz 2 EnSiG nicht vor. Die daraus folgenden Zweifel an einer Grundrechtsberechtigung der Klägerin zu 1 müssen nicht abschließend geklärt werden. Sollte die Anordnung in etwaige Rechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG oder Art. 14 Abs. 1 GG eingreifen, wäre dies verfassungsrechtlich gerechtfertigt. 93 Der Eingriff in eventuelle Rechte der Klägerin zu 1 aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG wäre verhältnismäßig. Die Anordnung der Treuhandverwaltung dient dem verfassungsrechtlich legitimen Zweck, die drohende Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit abzuwenden und eine Betriebsfortführung der Tochtergesellschaft zu ermöglichen, die deren dazu erforderlichen Versorgungsbeitrag sicherstellt. Im für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses war die Anordnung zur Verwirklichung dieses Zwecks geeignet. Dazu genügt, dass sie ihn fördern konnte und die Möglichkeit bestand, das Ziel zu erreichen (BVerfG, Beschlüsse vom 20. Juni 1984 - 1 BvR 1494/78 - BVerfGE 67, 157 <173> und vom 12. Dezember 2006 - 1 BvR 2576/04 - BVerfGE 117, 163 <188 f.> m. w. N.). Die Übertragung der Befugnis zur Wahrnehmung der Gesellschafterstimmrechte auf die Treuhänderin beendete den bestimmenden Einfluss der Klägerinnen und ihrer russischen Konzernmutter auf die inländischen Tochtergesellschaften. Damit beseitigte sie einen wesentlichen Grund für die Overcompliance der Geschäftspartner. Gleichzeitig ermöglichte sie der Treuhänderin, die Betriebsfortführung unabhängig von den wirtschaftlichen Interessen der Klägerinnen und ihrer Konzernmutter am Ziel der Sicherung der Energieversorgung auszurichten (vgl. § 17 Abs. 5 Satz 1 EnSiG), die Aufgabenerfüllung gefährdende Kapitalabflüsse zu unterbinden und die Diversifizierung der Ölbezugsquellen voranzutreiben, um die Abhängigkeit von russischem Rohöl zu reduzieren. Die Befugnis zum Austausch der Geschäftsführung der Tochtergesellschaften, die ihr gegenüber angeordneten Verwaltungs- und Verfügungsbeschränkungen und der Zustimmungsvorbehalt der Treuhänderin hindern die Geschäftsführung daran, den Zielen der Treuhandverwaltung zuwiderlaufende Entscheidungen zu treffen und deren Maßnahmen zu konterkarieren. 94 Zur Ungeeignetheit der Anordnung führt nicht, dass die Republik Polen eine zusätzliche Belieferung der PCK-Raffinerie über den Hafen D. abgelehnt hat, solange die mittelbare Mehrheitsbeteiligung der Konzernmutter der Klägerinnen an der PCK Raffinerie GmbH fortbesteht. Dieser Vorbehalt kann die Zweckverwirklichung nicht vereiteln. Die Zusatzlieferungen werden nur benötigt, um die Raffinerie dauerhaft sicher oberhalb der Mindestlast betreiben zu können (vgl. oben Rn. 77). Im Übrigen sind die Chancen, die Republik Polen zu einer Zustimmung zur Belieferung der PCK-Raffinerie zu bewegen, unter der Treuhandverwaltung größer als ohne sie, weil die Anordnung der Treuhandverwaltung RDG und RNRM dem bestimmenden Einfluss der Konzernspitze entzieht. 95 Weder die dem Ministerium bei Erlass der Anordnung nicht bekannten, aus dem Konsortialvertrag folgenden Einstimmigkeitsvorbehalte bei der Finanzierung der Pipeline-Ertüchtigung noch die voraussichtlich zwei- bis dreijährige Dauer der Arbeiten daran führen zur Ungeeignetheit der Anordnung. Als äußerste Möglichkeit bleibt der Treuhänderin, die Ertüchtigung nach der ""sole-risk""-Klausel des § 11 KV allein zu finanzieren. Da für das Engineering eine Zeitspanne von sechs Monaten veranschlagt wurde (vgl. Protokoll zum Gespräch des Ministeriums mit der RDG-Geschäftsführung vom 26. Juli 2022, Bl. 258 <259> des Verwaltungsvorgangs), stand bei Erlass der Anordnung zu erwarten, dass die für eine erfolgreiche Durchführung nötigen Vorbereitungen und Beauftragungen vor ihrem Auslaufen vorgenommen werden konnten. 96 Die Anordnung ist zur Verwirklichung des Zwecks erforderlich, weil im maßgeblichen Zeitpunkt kein milderes, mindestens ebenso geeignetes Mittel zur Verfügung stand. 97 Ein zweiter Letter of Comfort hätte die Klägerinnen weniger belastet, wäre aber weniger wirksam gewesen. Er hätte die Ursache der die Betriebsfortführung gefährdenden Overcompliance - den maßgeblichen Einfluss der Konzernmutter auf die Tochtergesellschaften - unberührt gelassen. 98 Eine auf einzelne Raffineriebeteiligungen oder die PCK Raffinerie GmbH bezogene Treuhandverwaltungsanordnung wäre nicht ebenso geeignet gewesen, die Gefährdung der Versorgungssicherheit abzuwenden, weil die Overcompliance-Probleme für die ordnungsgemäße Betriebsfortführung zentrale Bereiche der Bank- und Versicherungsdienstleistungen betrafen. 99 Auflagen zur Ertüchtigung der Pipeline Rostock-Schwedt und zum Abschluss von Lieferverträgen wären - abgesehen vom Fehlen einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung - nicht ebenso wirksam gewesen wie die Anordnung der Treuhandverwaltung. Sie hätten eine Vielzahl konkreter Verwaltungsakte erfordert, die mangels umfassenden Einblicks des Ministeriums in die Geschäftsvorgänge nicht ebenso zielgerichtet hätten erlassen werden können wie Maßnahmen der Treuhänderin. Außerdem hätten solche Verwaltungsakte jeweils einzeln durchgesetzt werden müssen und durch nachfolgende Maßnahmen der Klägerinnen und der von ihnen abhängigen Geschäftsführung der Tochtergesellschaften konterkariert werden können. 100 Die Befugnis zum Auswechseln der Geschäftsführung, die Verwaltungs- und Verfügungsbeschränkungen und der Zustimmungsvorbehalt sind erforderlich, die Wirksamkeit der Stimmrechtsausübung durch die Treuhänderin zu sichern. Andernfalls wäre nicht auszuschließen, dass die von den Klägerinnen eingesetzte Geschäftsführung Verwaltungsentscheidungen oder Verfügungen träfe, die den Zielen der Treuhandverwaltung zuwiderliefe. 101 Die Anordnung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Zwar stellt der Ausschluss von der Stimmrechtswahrnehmung und deren Übertragung auf eine Treuhänderin einen erheblichen Eingriff in die unternehmerische Betätigungsfreiheit dar. Dieser ist jedoch durch die Befristung auf sechs Monate zeitlich eng begrenzt. Die daraus resultierende Belastung steht nicht außer Verhältnis zur damit bezweckten Versorgungssicherheit im Energiesektor, einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut von überragender Bedeutung für das Gemeinwohl (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08 u. a. - BVerfGE 134, 242 Rn. 286, vgl. oben Rn. 68). 102 Auch die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG ist, falls betroffen (vgl. Rn. 92), nicht verletzt. Die Anordnung stellt eine nicht entschädigungspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung der Anteilsrechte dar, die zu den eigentumsfähigen Positionen im Sinne der Vorschrift zählen. Sie ist aus den eben zu Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG dargelegten Gründen auch im konkreten Fall verhältnismäßig und als Konkretisierung der Sozialbindung des Eigentums von Art. 14 Abs. 2 GG gedeckt. Ihre belastende Wirkung steht nicht außer Verhältnis zum Gemeinwohlzweck, die Gefährdung der Energieversorgung abzuwenden. Der Zusammenbruch der Tochtergesellschaften der Klägerinnen, der bei Erlass der Anordnung drohte, hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Ausfall der PCK-Raffinerie geführt. Dies wiederum hätte die Befriedigung existenzieller Bedürfnisse wie die Wärmeversorgung von Wohnungen, Schulen und Heimen sowie die Funktionsfähigkeit auf Mineralölprodukte angewiesener, elementarer Leistungen der Rettungsdienste wie der Krankentransporte und der Feuerwehr gefährdet. Deren Funktionsfähigkeit muss der Staat zur Erfüllung seiner grundrechtlichen Schutzpflichten für Leben und Gesundheit der Bevölkerung aus Art. 2 Abs. 2 GG sicherstellen. Dazu steht die in der Anordnung geregelte erstmalige, auf sechs Monate befristete Beschränkung der Gesellschafterrechte nicht außer Verhältnis. Sie lässt die Inhaberschaft der Anteile und die Bezugsrechte unberührt und schützt die Renditegrundlage (§ 17 Abs. 5 Satz 2 EnSiG). 103 Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Insbesondere wird die Klägerin zu 2 nicht wegen ihres Sitzes in der Russischen Föderation und die Klägerin zu 1 nicht wegen eines beherrschenden Einflusses dieses Staates benachteiligt. Anknüpfungspunkt der Ungleichbehandlung gegenüber anderen, nicht mit einer Anordnung bedachten Unternehmen der Kritischen Infrastruktur im Energiesektor sind nicht diese Merkmale, sondern die konkrete Gefahr des Ausfalls des Versorgungsbeitrags der Klägerinnen und die damit einhergehende drohende Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit. In der Abwehr dieser Gefahr liegt der sachliche Grund für den Erlass der Anordnung. Für deren Verhältnismäßigkeit kann auf die Ausführungen oben (Rn. 93 ff.) verwiesen werden. Gleichartige Eingriffe in die Geschäftstätigkeit müssten auch grundrechtlich geschützte inländische Kapitalgesellschaften in gleicher Situation verfassungsrechtlich hinnehmen. 104 (2) Die Anordnung wahrt die unionsrechtlichen Grundfreiheiten und Grundrechte. Die außerhalb der Europäischen Union ansässige Klägerin zu 2 ist nicht in den Anwendungsbereich dieser Gewährleistungen einbezogen. Die Klägerin zu 1 wird in den ihr möglicherweise zustehenden unionsrechtlichen Rechten nicht verletzt. 105 Ihre Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 Abs. 1 AEUV ist gewahrt. Der persönliche (dazu oben Rn. 91) und sachliche Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist eröffnet. Die Rechtsstellung der Klägerin zu 1 als Alleingesellschafterin erschöpft sich nicht in einer Kapitalbeteiligung am inländischen Tochterunternehmen, sondern vermittelt ihr maßgeblichen unternehmerischen Einfluss. Die Anordnung greift jedoch nicht in die Niederlassungsfreiheit ein. Sie hat keinen diskriminierenden Charakter (dazu oben Rn. 103) und regelt keine Bedingungen für die Niederlassung. 106 Eine sonstige Beschränkung des Art. 49 AEUV liegt ebenfalls nicht vor. Sie setzt voraus, dass ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen der Maßnahme und der Entscheidung über die Niederlassung besteht. Daran fehlt es, wenn die Niederlassung beschränkende Wirkungen zu ungewiss und zu mittelbar sind, um die Maßnahme geeignet erscheinen zu lassen, die Ausübung dieser Freiheit zu behindern (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Juni 1996 - C-418/93 [ECLI:​EU:​C:​1996:​242] - Rn. 32; Tiedje, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 49 AEUV Rn. 112 ff.). Das trifft hier zu. Die Anordnung aktualisiert die Rahmenbedingungen des Tätigwerdens in- wie ausländischer Unternehmen auf dem Markt mit Blick auf besondere Gefahrensituationen, ohne den Marktzugang selbst zu erschweren. 107 Unionsgrundrechte der Klägerin zu 1 sind ebenfalls nicht verletzt. Dabei kann offenbleiben, ob diese Grundrechte nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC hier einschlägig sind. Sollte die Klägerin zu 1 sich auf die Berufs- oder die unternehmerische Freiheit gemäß Art. 15 oder 16 GRC berufen können, greift der Gesetzesvorbehalt des Art. 52 Abs. 1 Satz 1 GRC ein und ist die Anordnung wegen ihrer Verhältnismäßigkeit und mangels Inkohärenz auch im unionsrechtlichen Sinne gemäß Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GRC gerechtfertigt. Das Gleichheitsrecht gemäß Art. 20 GRC und das Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit (Art. 21 Abs. 2 GRC) sind aus den oben (Rn. 103) dargelegten Gründen nicht verletzt. 108 (3) Auch mit völkerrechtlichen Vorgaben ist die Anordnung vereinbar. Sie verstößt nicht gegen Art. 4 Abs. 1 des Vertrages vom 13. Juni 1989 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Sowjetisch-Deutsches Investitionsschutzabkommen - SDI -, BGBl. 1990 Teil II S. 342 <343>), der im Verhältnis der Bundesrepublik zur Russischen Föderation weiterhin anzuwenden ist (vgl. BFH, Urteil vom 26. Mai 2004 - I R 54/03 - BFHE 206, 332 <338>). Die Klägerin zu 1 fällt nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. c SDI nicht in den Schutzbereich, weil sie ihren Sitz in keinem der beiden Vertragsstaaten hat. Die Klägerin zu 2 kann sich zwar hinsichtlich ihrer inländischen Beteiligung an der RNRM nach Art. 1 Abs. 1 SDI auf den Eigentumsschutz gemäß Art. 4 Abs. 1 SDI und auf das Benachteiligungsverbot des Art. 3 SDI berufen. Beide werden aber durch die Anordnung nicht verletzt. 109 Eine nach Art. 4 Abs. 1 SDI tatbestandsmäßige Enteignung oder Maßnahme mit gleichartigen Auswirkungen läge nur bei einer - hier fehlenden - Entziehung von Eigentumsrechten oder bei einer faktischen oder schleichenden Enteignung (de-facto expropriation, creeping expropriation) im Sinne einer enteignungsgleichen Maßnahme vor (Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 13. Aufl. 2023, § 20 Rn. 5 und § 23 Rn. 70). Nach Nr. 3 des Protokolls zum Vertrag (BGBl. 1990 Teil II S. 349) kann sie in einer erheblichen Beeinträchtigung der Kapitalanlage durch Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Beteiligungsunternehmens liegen. Dazu muss die Maßnahme dem Betroffenen die wesentlichen Eigentümerbefugnisse nicht nur vorübergehend entziehen und darf ihm kaum mehr als die Hülle des Eigentumsrechts lassen. Davon kann hier keine Rede sein. Die Anordnung der auf sechs Monate befristeten Treuhandverwaltung lässt neben der Inhaberstellung der Gesellschafter auch deren Bezugsrechte unberührt. Schwierigkeiten bei der Gewinnabführung sind nicht auf die Treuhandverwaltung zurückzuführen, sondern auf die bereits zuvor und unabhängig davon geltenden unionsrechtlichen Sanktionsvorschriften. Die Renditegrundlage des Beteiligungsunternehmens wird nicht beeinträchtigt, weil seine Vermögensgegenstände auf einen anderen Rechtsträger nur übertragen werden dürfen, wenn dies zum Werterhalt des Unternehmens erforderlich ist (vgl. § 17 Abs. 5 Satz 2 EnSiG). Gegen eine enteignungsgleiche Wirkung spricht schließlich der kurze Befristungszeitraum der Anordnung. Dass sie nach § 17 Abs. 2 Satz 2 EnSiG verlängert werden darf, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Verlängerungen stellen neue, ihrerseits anfechtbare Eingriffe dar, die jeweils anhand der Sach- und Rechtslage bei ihrem Erlass zu prüfen und an Art. 4 SDI zu messen sind. Darin liegt auch keine den völkerrechtlichen Schutz aushöhlende Fragmentierung. Bei der Überprüfung der jeweils letzten Anordnung muss berücksichtigt werden, dass deren Anknüpfung an vorhergehende Anordnungen den Zeitraum der Eigentumsbeschränkung verlängert und, bei entsprechend langer Gesamtdauer, die Schwelle zur enteignungsgleichen Wirkung überschreiten kann (Internationales Schiedsgericht Stockholm, Schiedsspruch vom 7. Juli 1989, https://www.italaw.com/cases/982, unter 7 Jul 1998, Arbitration Award, zuletzt abgerufen am 9. März 2023; vgl. KG, Beschluss vom 16. Februar 2001 - 28 Sch 23/99 - juris Rn. 1). 110 Eine unzulässige Benachteiligung im Sinne von Art. 3 SDI liegt nicht vor, weil weder § 17 EnSiG noch die angefochtene Anordnung eine Schlechterstellung der Klägerin zu 2 gegenüber Investoren aus nicht zur Europäischen Union gehörenden Drittstaaten (vgl. Art. 3 Abs. 3 SDI) regeln. Aus dem Gebot gerechter und billiger Behandlung gemäß Art. 2 SDI lassen sich wegen der in Art. 3 Abs. 3 SDI vorbehaltenen Privilegierung von Unionsangehörigen keine Rechte auf Gleichbehandlung mit diesen oder Inländern - etwa in Bezug auf günstigere Ausgleichsregelungen für Inhalts- und Schrankenbestimmungen von Eigentumsrechten - herleiten (vgl. BFH, Urteil vom 26. Mai 2004 - I R 54/03 - BFHE 206, 332 <338>; zur verfassungsrechtlichen Beurteilung vgl. oben Rn. 36 f.). 111 Im Erlass der angefochtenen Anordnung liegt schließlich keine diskriminierende Maßnahme gemäß Art. 3 Abs. 4 SDI. Ungerechtfertigte Einschränkungen beim Bezug von Roh- und Hilfsstoffen im Sinne der Protokollerklärung zu dieser Vorschrift sind nicht Gegenstand der angefochtenen Anordnung. Im Übrigen gelten Maßnahmen, die im Interesse der öffentlichen Sicherheit zu treffen sind, nach Ziffer 2 Buchst. c des Protokolls zu Art. 3 SDI nicht als diskriminierend. 112 Aus den zu Art. 4 SDI angeführten Gründen verletzt die angefochtene Anordnung auch nicht die Eigentumsgewährleistung gemäß Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Oktober 2010 (BGBl. Teil II S. 1198, 1218). 113 Die Kostenregelungen in Nr. 5 und 6 der Anordnung finden ihre Rechtsgrundlage jeweils in § 17 Abs. 8 EnSiG. Bedenken gegen die Gültigkeit dieser Vorschrift sind weder geltend gemacht noch erkennbar. 114 B. Der auf Auskunftserteilung gerichtete Hauptantrag zu 2 ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerinnen unzulässig. Soweit Maßnahmen der Treuhänderin zur Entscheidung über die mit dem Hauptantrag zu 3 geltend gemachten Folgenbeseitigungsansprüche ermittelt werden müssen, ist die Aufklärung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO durch das Gericht, und zwar grundsätzlich von Amts wegen, vorzunehmen. Soweit Aufklärungsmaßnahmen dazu nicht erforderlich sind, können die erbetenen Auskünfte die Rechtsstellung der Klägerinnen nicht verbessern. Gegenteiliges haben diese bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 9. März 2023 nicht dargelegt, obwohl der Senat bereits im Verhandlungstermin vom 22. Februar 2023 auf das dargelegte Bedenken gegen das Rechtsschutzbedürfnis hingewiesen hat. 115 C. Der auf Folgenbeseitigung gerichtete Hauptantrag zu 3 ist zulässig, aber unbegründet. § 17 Abs. 6 Satz 3 EnSiG normiert trotz seiner Bezeichnung als Ausnahme von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine Einschränkung des prozessualen Anspruchs auf Aufhebung einer Anordnung, die rechtswidrig ist und Rechte des jeweiligen Klägers verletzt. Vielmehr wird das Gericht ermächtigt, die Folgen dieser Aufhebung für Rechtsakte zu begrenzen, die aufgrund der aufgehobenen Anordnung erlassen wurden, aber im Interesse der Rechtssicherheit vor dem Unwirksamwerden oder der eigenen Aufhebung nach § 48 VwVfG bewahrt werden sollen. Die Frage, inwieweit eine solche Ermächtigung mit höherrangigem Recht vereinbar ist, muss hier nicht geklärt werden. Wegen der Erfolglosigkeit der Anfechtungsklage sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 6 Satz 3 EnSiG nicht erfüllt. 116 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2023-23,28.03.2023,"Pressemitteilung Nr. 23/2023 vom 28.03.2023 EN Disziplinare Ahndung wiederholter Kernzeitverletzungen bei ausgeglichenem Gleitzeitkonto Der Dienstherr ist verpflichtet, bei Bekanntwerden wiederholter morgendlicher Verletzungen der Kernarbeitszeit zunächst dem Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechend durch niederschwellige disziplinare Maßnahmen zeitnah auf den Beamten einzuwirken. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der beklagte Beamte steht als Oberregierungsrat (Besoldungsgruppe A 14 BBesO) im Dienst der klagenden Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Im März 2015 erlangte die Klägerin Kenntnis davon, dass der Beklagte in einer Vielzahl von Fällen die Kernarbeitszeit nicht eingehalten hatte, weil er morgens zu spät gekommen war. Daraufhin leitete die Klägerin im November 2015 ein Disziplinarverfahren ein. Auf die 2018 erhobene Disziplinarklage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt, weil er im Zeitraum zwischen 2014 und 2018 an insgesamt 816 Tagen bei bestehender Dienstfähigkeit den Dienst bewusst erst nach Beginn der Kernarbeitszeit angetreten habe; der Umfang seiner Verspätung summiere sich auf 1 614 Stunden. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein vorsätzliches Fernbleiben vom Dienst über einen Zeitraum von mehreren Monaten oder ein Fernbleiben für Teile von Arbeitstagen, das in der Summe einen vergleichbaren Gesamtzeitraum erreiche, indiziere die Höchstmaßnahme. Mildernde Umstände, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme geböten, lägen nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision des Beklagten die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und kraft eigener disziplinarer Maßnahmebemessung den Beamten in das Amt eines Regierungsrats (Besoldungsgruppe A 13 BBesO) zurückgestuft. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Beamte hat zwar ein schweres Dienstvergehen begangen, weil er über einen langen Zeitraum wiederholt die dienstliche Anordnung zum Beginn der Kernarbeitszeit nicht befolgt hat; der verspätete Dienstantritt war die Regel. Die disziplinare Höchstmaßnahme ist aber nicht gerechtfertigt. Denn die aufaddierte Gesamtzeit der täglichen Verspätungen kann in ihrer Schwere nicht einem monatelangen unerlaubten Fernbleiben vom Dienst gleichgesetzt werden. Mildernd ist bei der Maßnahmebemessung zu berücksichtigen, dass der Dienstherr bei zeitlich gestreckten Dienstpflichtverletzungen zunächst dem Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechend mit niederschwelligen disziplinaren Maßnahmen auf den Beamten einwirken muss. Im Streitfall wäre in Betracht gekommen, nach dem Bekanntwerden der Kernzeitverstöße im März 2015 zeitnah mit einer Disziplinarverfügung die Dienstbezüge zu kürzen. Allerdings steht diesem Milderungsgrund gegenläufig als besonders belastender Umstand gegenüber, dass der Beamte sein Fehlverhalten auch nach Einleitung des Disziplinarverfahrens uneinsichtig und beharrlich fortgesetzt und dabei die Dauer seiner morgendlichen Fehlzeiten in erheblichem Umfang gesteigert hat. Dagegen ist kein mildernder Umstand darin zu sehen, dass die Zeit der morgendlichen Verspätungen durch abendliche Längerarbeit ausgeglichen wurde. Andernfalls läge darin eine Nichterfüllung der Gesamtarbeitszeit, die als weitere vorwerfbare Dienstpflichtverletzung hinzutreten würde. BVerwG 2 C 20.21 - Urteil vom 28. März 2023 Vorinstanzen: OVG Münster, OVG 3d A 2713/19.BDG - Urteil vom 16. September 2020 - VG Düsseldorf, VG 38 K 9264/18.BDG - Urteil vom 14. Mai 2019 -","Urteil vom 28.03.2023 - BVerwG 2 C 20.21ECLI:DE:BVerwG:2023:280323U2C20.21.0 EN Disziplinare Ahndung wiederholter morgendlicher Kernzeitverletzungen bei ausgeglichenem Gleitzeitkonto Leitsätze: 1. Verstöße gegen Kernarbeitszeitregelungen bedürfen einer zeitnahen disziplinarischen Pflichtenmahnung und ggf. einer stufenweisen Steigerung der Disziplinarmaßnahmen. 2. Bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme für das stundenweise Fernbleiben vom Dienst wegen verspäteten Dienstantritts kann die aufaddierte Gesamtzeit der täglichen Verspätungen in ihrer Schwere nicht gleichgesetzt werden mit einem monatelangen unerlaubten - gänzlichen - Fernbleiben vom Dienst, das regelmäßig zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führt. Rechtsquellen BBG § 3 Abs. 2, § 61 Abs. 1 Satz 1, § 62 Abs. 1 Satz 2, § 77 Abs. 1 Satz 1, § 96 Abs. 1 BDG §§ 3, 5, 6, 7, 8, 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, §§ 13, 17 Abs. 1 Satz 1, §§ 19, 53, 34 Abs. 2 Satz 1, § 65 Abs. 3 Satz 1, §§ 69, 70 VwGO § 67 Abs. 2 und 4, § 137 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Instanzenzug VG Düsseldorf - 14.05.2019 - AZ: 38 K 9264/18.BDG OVG Münster - 16.09.2020 - AZ: 3d A 2713/19.BDG Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.03.2023 - 2 C 20.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:280323U2C20.21.0] Urteil BVerwG 2 C 20.21 VG Düsseldorf - 14.05.2019 - AZ: 38 K 9264/18.BDG OVG Münster - 16.09.2020 - AZ: 3d A 2713/19.BDG In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Günther, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hissnauer für Recht erkannt: Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2020 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 14. Mai 2019 werden aufgehoben. Der Beklagte wird in das Amt eines Regierungsrats (Besoldungsgruppe A 13 BBesO) zurückgestuft. Eine Beförderung ist nicht vor Ablauf von drei Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung möglich. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Beklagte wendet sich gegen seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. 2 Der 19.. geborene Beklagte erwarb nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann die beiden juristischen Staatsexamina. Nach mehreren Verwendungen im Bereich des Bundes war er seit Mai 2002 bei der Klägerin tätig, zuletzt im Amt eines Oberregierungsrats (Besoldungsgruppe A 14 BBesO). Die Klägerin setzte den Beklagten als Referenten in verschiedenen Abteilungen und ab April 2016 in der Abteilung ... ein. 3 Im März 2015 stellte das für Gleitzeitfragen zuständige Referat der Klägerin fest, dass der Beklagte seit April 2014 den Dienst vielfach erst nach dem Beginn der Kernzeit angetreten hatte, und führte das nach der Dienstvereinbarung bei Arbeitszeitverstößen vorgesehene Anhörungsverfahren durch. 4 Mit Verfügung vom 6. November 2015 leitete die Klägerin ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten wegen verspäteten Dienstantritts in 253 Fällen in der Zeit vom 14. April 2014 bis zum 16. September 2015 sowie wegen der Zuspät- und Nichterledigung von Arbeitsaufträgen und des unangemessenen Verhaltens gegenüber seiner Referatsleiterin ein. Im August und November 2016 sowie im Juni 2018 dehnte die Klägerin das Disziplinarverfahren auf weitere Verstöße gegen den Beginn der Kernarbeitszeit und auf den Vorwurf der Nichtbeachtung einer behördlichen Weisung zur amtsärztlichen Untersuchung aus. 5 Auf die Disziplinarklage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die dem Beklagten neben dem Zuspätkommen vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen aus dem Disziplinarverfahren ausgeschieden und seine Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe ein schwerwiegendes innerdienstliches Dienstvergehen begangen, weil er im Zeitraum zwischen April 2014 und Mai 2018 an 816 Tagen bei bestehender Dienstfähigkeit den Dienst bewusst erst nach dem Beginn der Kernarbeitszeit angetreten habe, davon in 673 Fällen mit einer Verspätung von mehr als einer Stunde. Der Umfang der Verspätungen summiere sich auf 1 616 Stunden. Der disziplinaren Beurteilung seien wegen der Begrenzungsfunktion der Disziplinarklageschrift 1 614 Stunden zugrunde zu legen. Ein vorsätzliches Fernbleiben vom Dienst über einen Zeitraum von mehreren Monaten oder - wie hier - ein Fernbleiben für Teile von Arbeitstagen, das in der Summe einen vergleichbaren Gesamtzeitraum erreiche, indiziere die Höchstmaßnahme. Erschwerend trete hinzu, dass der Beklagte zugleich die Gehorsamspflicht verletzt habe. Bei dem Gewicht des Pflichtenverstoßes sei berücksichtigt worden, dass der Beklagte die morgendlichen Verspätungen abends im Rahmen der durch die Gleitzeit gegebenen Vorgaben nachgeholt habe. Mildernde Umstände, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme geböten, lägen nicht vor. Insbesondere könne der Klägerin nicht vorgeworfen werden, dass sie das behördliche Disziplinarverfahren verspätet eingeleitet habe. Das zu maßregelnde Fehlverhalten trage Züge eines Dauerdelikts oder eines sog. Fortsetzungszusammenhangs. Deshalb sei eine gesonderte Verfolgung einzelner Pflichtverletzungen nicht möglich. Es fehle an einer Zäsur, in der - nach Vollendung eines einzelnen Verstoßes und vor dem nächsten - eine disziplinare Ahndung des bisherigen Verhaltens auch nur in Betracht gekommen wäre. Selbst wenn zu Gunsten des Beklagten davon auszugehen sei, dass die Klägerin das behördliche Disziplinarverfahren verspätet eingeleitet habe, hätte weder eine frühere Verfahrensaufnahme noch ein gegebenenfalls denkbarer zeitnaher Erlass einer Disziplinarverfügung den Beklagten von der Begehung weiterer Kernzeitverstöße abgehalten. 6 Der Beklagte beantragt, die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2020 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 14. Mai 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen. 7 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 8 Die Revision des Beklagten ist mit der Maßgabe begründet, dass auf eine mildere Disziplinarmaßnahme anstatt der disziplinaren Höchstmaßnahme zu erkennen ist. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 69 BDG i. V. m. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Angemessene Disziplinarmaßnahme zur Ahndung des innerdienstlichen Dienstvergehens des ungenehmigten Fernbleibens vom Dienst infolge verspäteter Dienstantritte ist die Zurückstufung des Beklagten in das Amt eines Regierungsrats (Besoldungsgruppe A 13 BBesO). Die vorinstanzlichen Urteile sind dementsprechend aufzuheben. 9 Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass die Disziplinarklage von der zuständigen obersten Dienstbehörde erhoben (1.) und das behördliche Disziplinarverfahren von dem zuständigen Dienstvorgesetzten eingeleitet wurde (2.) sowie dass der Beklagte ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen hat (3.). Ein Verstoß gegen revisibles Recht, hier gegen §§ 13 und 17 Abs. 1 Satz 1 BDG, liegt aber in der Annahme des Berufungsgerichts, bei dem zu maßregelnden Verhalten als eine Art Dauerdelikt oder fortgesetzte Handlung habe sich keine Zäsur ergeben, die eine frühere Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens (4.) und eine zeitnähere disziplinare Ahndung mit einer niederschwelligen Disziplinarmaßnahme (5.) ermöglicht hätte. Darüber hinaus leidet die Maßnahmebemessung des Berufungsgerichts an der rechtsfehlerhaften Annahme, dass die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme - die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis - indiziert sei, weil die aufaddierte Gesamtzeit der täglichen Verspätungen beim Dienstantritt in ihrer Schwere einem monatelangen unerlaubten Fernbleiben vom Dienst gleichkomme (6.). Die eigene Maßnahmebemessung des erkennenden Senats führt zur Zurückstufung des Beklagten in ein niedrigeres Amt derselben Laufbahn (7.). 10 1. Die Disziplinarklage ist durch den damaligen Präsidenten der Klägerin als der dafür zuständigen obersten Dienstbehörde erhoben worden (vgl. § 34 Abs. 2 Satz 1 BDG, § 3 Abs. 1 BBG und § 2 Abs. 1 Satz 1 des Organisationsstatuts für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 9. Juni 2008 in der Fassung vom 19. Dezember 2012, OsBaFin). Die Klageschrift lässt in Briefkopf und Unterzeichnung den damaligen Präsidenten der Klägerin, Herrn Hu., erkennen. Eine förmliche Zustellung der neugefassten Disziplinarklageschrift vom 29. April 2019 sieht das Bundesdisziplinargesetz nicht vor. 11 2. Die Verfügung zur Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens vom 6. November 2015 ist von dem zu diesem Zeitpunkt dafür zuständigen ständigen Vertreter der Exekutivdirektorin ..., Herrn Abteilungsleiter R., gezeichnet worden. 12 Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG i. V. m. § 3 Abs. 2 BBG ist der Dienstvorgesetzte für die Einleitung des Disziplinarverfahrens zuständig. Die Funktion des Dienstvorgesetzten nimmt bei der Klägerin gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 OsBaFin das Direktorium wahr. Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 69 BDG und § 137 Abs. 2 VwGO) hat das Direktorium von der Befugnis nach § 3 Abs. 5 Satz 3 OsBaFin Gebrauch gemacht, Entscheidungen in personellen Angelegenheiten auf den Exekutivdirektor des Geschäftsbereichs ... zu übertragen. Die im Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens zuständige Exekutivdirektorin ... war bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des 30. November 2015 im gesamten November 2015 mit Ausnahme des 19. und 30. November 2015 urlaubsbedingt abwesend. Der deshalb zuständige ständige Vertreter (§ 8 Abs. 3 der Geschäftsordnung der BaFin vom 28. Februar 2013, GOBaFin) war gemäß § 8 Abs. 6 Satz 5 GOBaFin der Abteilungsleiter R. als dienstältester Abteilungsleiter im Geschäftsbereich ... Mangels ausdrücklicher Vertretungsregelung im Geschäftsverteilungsplan (vgl. § 8 Abs. 6 Satz 1 GOBaFin) bestimmte sich die Vertretungsreihenfolge nach § 8 Abs. 6 Satz 3 bis 5 GOBaFin. 13 Die Einleitungsverfügung wurde von Abteilungsleiter R. in Vertretung der Exekutivdirektorin ... schlussgezeichnet. Mit der Verfügung wurde um Zustimmung zur Einleitung des Verfahrens und zugleich um Zeichnung des Schreibens ersucht, mit dem der Beklagte über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unterrichtet werden und das R. als Unterzeichner ausweisen sollte. Die auf der Entscheidungsebene ""EDin ..."" mit dem Zusatz ""i. V."" angebrachte Paraphe kann daher nur dahin verstanden werden, dass es sich bei dem Letztverantwortlichen im Verfügungskopf um Abteilungsleiter R. handelt. Die Zeichnung mit einer Paraphe genügt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - NVwZ 2009, 399 Rn. 8). 14 3. Der Beklagte hat vorsätzlich und schuldhaft ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen. 15 a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte den Dienst im Zeitraum vom 22. April 2014 bis zum 7. Mai 2018 an 816 Tagen bewusst erst nach dem Beginn der Kernzeit um 9:15 Uhr angetreten, davon in 673 Fällen mit einer Verspätung von mehr als einer Stunde. Der Umfang der vorwerfbaren Verspätungen summiert sich auf 1 614 Stunden (aa). Der Beklagte hat die Verspätungen für keinen dieser Tage durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung entschuldigt (bb). 16 An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 69 BDG und § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Die darauf bezogenen Verfahrensrügen des Beklagten sind ungeachtet dessen, ob sie den Darlegungsanforderungen (§ 69 BDG und § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO) genügen, unbegründet. Das Berufungsgericht hat die erst im Berufungsverfahren zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge des Beklagten verfahrensfehlerfrei wegen Fristversäumung gemäß § 65 Abs. 3 Satz 1 BDG abgelehnt. Den Beweisanträgen war aber auch in der Sache nicht nachzugehen. 17 aa) Das Berufungsgericht hat den zum Nachweis einer fehlerhaften oder manipulierten elektronischen Arbeitszeiterfassung gestellten Beweisantrag zu 2) zu Recht mangels hinreichend bestimmter Behauptung von Beweistatsachen abgelehnt (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO entsprechend, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2021 - 8 C 34.20 - BVerwGE 174, 58 Rn. 14). Der Beweisantrag ist ""ins Blaue hinein"" gestellt worden (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 18. Mai 2021 - VI ZR 401/19 - NJW-RR 2021, 886 Rn. 19 m. w. N. sowie Beschlüsse vom 6. April 2018 - 1 StR 88/18 - StraFo 2018, 433 Rn. 10 und vom 13. Dezember 2022 - VIII ZR 298/21 - MDR 2023, 356 Rn. 21). Es fehlt bei unterstellter Richtigkeit der Einzeltatsache, die Buchungsjournale gäben lediglich Auskunft über den Dateninhalt zum Zeitpunkt ihres Ausdrucks, an greifbaren Anhaltspunkten für die behauptete fehlerhafte oder manipulierte Datenerfassung. Dabei wäre dem Beklagten ein entsprechender Vortrag möglich gewesen. Die Beschäftigten der Klägerin können die elektronische Erfassung ihrer Arbeitszeit überprüfen und deren Korrektur beantragen. Der Datenbestand der elektronischen Zeiterfassung wird erst durch das ""Ein- und Ausstechen"" der Beschäftigten am Zeiterfassungsterminal geschaffen. Die Buchungen werden auf dem jeweiligen Arbeitszeitkonto erfasst und sind von dem jeweiligen Beschäftigten einsehbar. Der Beklagte hat zu keiner Zeit die Überprüfung der Buchungen auf seinem Arbeitszeitkonto beantragt, selbst dann nicht als ihn die Klägerin mit Schreiben vom 19. März 2015 auf die Kernzeitverletzungen hingewiesen hatte. Er hat im Gegenteil mit E-Mail vom 25. März 2015 gebeten, ihm eine morgendliche Karenzzeit von Amts wegen zu gewähren, und damit die Verspätungen in der Sache eingeräumt. Darüber hinaus hat er sich auf die Richtigkeit der ""Gehen-Buchungen"" in den Abendstunden und den damit verbundenen Ausgleich der morgendlichen Verspätungen berufen. Die Beweisbehauptung einer manipulierten oder jedenfalls fehlerhaften elektronischen Zeiterfassung nur am Morgen ist ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt für ihre Richtigkeit geblieben; sie war ""auf das Geratewohl"" aufgestellt. 18 Verfahrensfehlerfrei hat es das Berufungsgericht dem Beklagten wegen des Vertretungserfordernisses gemäß § 3 BDG i. V. m. § 67 Abs. 2 und 4 VwGO verwehrt, Beweisanträge zu Protokoll zu verlesen und zur Genehmigung durch den Prozessbevollmächtigten zu stellen. Soweit die im Berufungsschriftsatz vom 30. Juli 2020 formulierten Beweisanträge (S. 86, Nr. 13 und 14) als Beweisanregungen zu verstehen sind, musste sich dem Berufungsgericht im Hinblick auf die behauptete manipulierte oder jedenfalls fehlerhafte elektronische Zeiterfassung aus vorgenannten Gründen keine weitere Aufklärung von Amts wegen (§ 3 BDG und § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) aufdrängen. 19 bb) Weiter hat das Berufungsgericht den in der Berufungsverhandlung gestellten Beweisantrag zu 1) auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Gesundheitszustand des Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum in der Sache verfahrensfehlerfrei abgelehnt. Der Beklagte hat hinreichend konkrete Anknüpfungstatsachen für eine Beweiserhebung nicht substantiiert dargetan. Neben der allgemeinen Angabe, ein Medikament mit pflanzlichen Inhaltsstoffen einzunehmen, und dem Verweis auf nicht aussagekräftige Arztrechnungen vom Januar und Juli 2016 hat er lediglich eine ärztliche Bescheinigung der Fachärztin für Innere Medizin und Rettungsmedizin Dr. H. vom Mai 2016 vorgelegt. Diese enthielt aber keine Angaben zu Art und Zeitraum einer Erkrankung, zu den dadurch bedingten Beschwerden, zu der verordneten Medikation und deren Nebenwirkungen. Die im Mai 2019 ausgestellte Verordnung von einer Krankenhausbehandlung lässt keinen Rückschluss auf den Gesundheitszustand des Beklagten in dem hier maßgebenden Zeitraum zu. 20 Dem Berufungsgericht musste sich deshalb eine weitere Aufklärung von Amts wegen auch nicht aufdrängen. Etwaigen Beweisanregungen im Berufungsschriftsatz vom 30. Juli 2020 (S. 94 ff., Nr. 24 - 30) war mangels Entscheidungserheblichkeit nicht nachzugehen. 21 b) Durch das festgestellte Verhalten hat der Beklagte vorsätzlich und schuldhaft ein innerdienstliches Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) begangen. Der Beklagte ist dem Dienst unter Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 BBG unerlaubt ferngeblieben und hat die Pflicht zum vollen beruflichen Einsatz (§ 61 Abs. 1 Satz 1 BBG) sowie zur Befolgung dienstlicher Anordnungen seiner Vorgesetzten (§ 62 Abs. 1 Satz 2 BBG) verletzt. 22 aa) Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 BBG dürfen Beamte dem Dienst nicht ohne Genehmigung ihrer Dienstvorgesetzten fernbleiben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats knüpft der Begriff des nicht genehmigten Fernbleibens vom Dienst an die formale Dienstleistungspflicht des Beamten an. Diese beamtenrechtliche Grundpflicht fordert vom Beamten in erster Linie, sich während der vorgeschriebenen Zeit an dem vorgeschriebenen Ort aufzuhalten und dort die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben wahrzunehmen (BVerwG, Urteile vom 25. September 2003 - 2 C 49.02 - Buchholz 240 § 9 BBesG Nr. 26 S. 41 f., vom 11. Oktober 2006 - 1 D 10.05 - Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 30 Rn. 34, vom 27. Februar 2014 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 22 und vom 23. Juni 2016 - 2 C 24.14 - BVerwGE 155, 292 Rn. 15). Der Tatbestand des Fernbleibens vom Dienst ist auch erfüllt, wenn der Beamte stundenweise nicht am Arbeitsplatz erscheint (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2011 - 2 A 5.09 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 17 Rn. 19, 36 sowie Beschlüsse vom 29. Juli 1985 - 1 DB 36.85 - DokBer B 1985, 278 und vom 15. April 1986 - 1 DB 15.86 - DokBer B 1986, 165). 23 Die Klägerin hat mit den Regelungen in § 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 der Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit vom 21. März 2012 (DV) eindeutige dienstliche Anordnungen über die Dienstleistungspflicht in einer Kernarbeitszeit als Mindestanwesenheitszeit im Dienst getroffen. Der Beklagte hat nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 69 BDG und § 137 Abs. 2 VwGO) gegen diese Anordnung verstoßen, indem er an 816 Tagen den Dienst erst nach dem festgelegten Kernarbeitszeitbeginn um 9:15 Uhr angetreten hat. Dabei haben die morgendlichen Verspätungen an 673 Tagen mehr als eine Stunde betragen. 24 Der Beklagte war nicht ausnahmsweise von der Einhaltung der Kernarbeitszeit befreit. Er gehörte nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 69 BDG und § 137 Abs. 2 VwGO) weder zur Gruppe trennungsgeldberechtigter Beamter gemäß § 6 Abs. 1 DV noch bestand eine individuelle Altregelung gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 DV oder war ihm eine Ausnahme gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 DV gewährt worden. Solange eine Ausnahme vom Dienstherrn nicht erteilt ist, gilt die Pflicht zur Anwesenheit in der Kernarbeitszeit. Der Beklagte konnte nicht im Wege der ""Selbsthilfe"" von einem (vermeintlichen) Ausnahmeanspruch Gebrauch machen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2019 - 2 B 56.18 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 70 Rn. 11 m. w. N.). 25 Der Beklagte war nicht aus gesundheitlichen Gründen von der Dienstleistungspflicht zu Beginn der Kernzeit entbunden. Ein Beamter ist von der Dienstleistungspflicht befreit, wenn er dienstunfähig ist und sie deshalb nicht erfüllen kann. Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 BBG ist Dienstunfähigkeit wegen Krankheit auf Verlangen des Dienstherrn nachzuweisen. Kommt der Beamte einer auf § 96 Abs. 1 Satz 2 BBG gestützten wirksamen Anordnung zur Vorlage eines ärztlichen Attests nicht nach, kann er dem Dienstherrn Dienstunfähigkeit für die Zeit seines Fernbleibens vom Dienst nicht entgegenhalten; er bleibt unerlaubt fern (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Oktober 2006 - 1 D 2.05 - juris Rn. 33, vom 12. November 2020 - 2 C 6.19 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 81 Rn. 28 und vom 15. Dezember 2021 - 2 C 9.21 - BVerwGE 174, 273 Rn. 29 f.; Beschlüsse vom 23. März 2006 - 2 A 12.04 - Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 29 Rn. 5 und vom 8. Dezember 2022 - 2 B 19.22 - juris Rn. 8). Dies gilt auch für ein Fernbleiben vom Dienst aus gesundheitlichen Gründen an Teilen von Arbeitstagen. Die Klägerin hat dem Beklagten mit wirksamen Anordnungen vom 19. März 2015 und 4. August 2015 aufgegeben, die behaupteten morgendlichen Karenzzeiten zu entschuldigen. Dem ist der Beklagte nicht nachgekommen. Er hat - wie dargelegt - keine aussagekräftigen ärztlichen Atteste vorgelegt, die eine morgens eingeschränkte Dienstfähigkeit belegen. 26 bb) Mit dem unentschuldigt verspäteten Dienstantritt in 816 Fällen hat der Beklagte zugleich die Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen (§ 62 Abs. 1 Satz 2 BBG) und zum vollen beruflichen Einsatz (§ 61 Abs. 1 Satz 1 BBG) verletzt. 27 4. Nicht mit revisiblem Recht vereinbar ist die Annahme des Berufungsgerichts, bei dem zu maßregelnden Verhalten als eine Art Dauerdelikt oder fortgesetzte Handlung habe sich keine Zäsur ergeben, die eine frühere Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens ermöglicht hätte. 28 a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG hat die dienstvorgesetzte Stelle ein Disziplinarverfahren einzuleiten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Diese Pflicht besteht nicht, solange es noch etwaiger Verwaltungsermittlungen bedarf, um einen bloß vagen Verdacht aufzuklären, der personell oder sachlich noch nicht hinreichend konkretisiert worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - Schütz, BeamtR, ES/B II 1.1 Nr. 26 Rn. 21 zum BDG). Den Dienstvorgesetzten trifft aber eine Einleitungspflicht, sobald er erstmals Kenntnis von zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten erlangt, die den Verdacht eines Dienstvergehens begründen. Er darf, wenn die Voraussetzungen zur Einleitung vorliegen, nicht abwarten und weiteres Belastungsmaterial sammeln (BVerwG, Urteil vom 15. November 2018 - 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 21). 29 Die frühzeitige Einleitungspflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG besteht für den Dienstvorgesetzten auch in der Konstellation einer Vielzahl gleichartiger, zeitlich aufeinanderfolgender Dienstpflichtverletzungen wie der hier in Rede stehenden Kernzeitverstöße. Dass im Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens bereits weitere gleichartige Pflichtverletzungen hinzugetreten oder künftig zu erwarten sind, hindert die gesonderte Ahndung der bisherigen Verstöße nicht. Der Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) steht einer gesonderten Verfolgung von Dienstpflichtverletzungen nicht entgegen. Seit dem Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 lässt sich daraus ein verfahrensrechtliches Gebot der gleichzeitigen Entscheidung über mehrere Pflichtverstöße nicht mehr herleiten. Gemäß § 19 Abs. 1 BDG kann der Dienstherr ein eingeleitetes Disziplinarverfahren auf danach neu hinzutretende Pflichtverletzungen ausdehnen. Nach Erhebung der Disziplinarklage können neue Handlungen durch Erhebung einer Nachtragsdisziplinarklage gemäß § 53 Abs. 1 BDG in das Disziplinarverfahren einbezogen werden. Aus den Ermächtigungen in § 19 Abs. 1 BDG und § 53 BDG folgt, dass dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens materiell-rechtlich Rechnung zu tragen ist. Der Beamte darf im Ergebnis materiell-rechtlich nicht schlechter gestellt werden als er im Falle einer gleichzeitigen und einheitlichen Ahndung des Dienstvergehens stünde. Dem Grundsatz der materiell-rechtlichen einheitlichen Bewertung ist in dem zuletzt zur Entscheidung anstehenden Disziplinarverfahren (nachträglich) Geltung zu verschaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2007 - 1 D 12.05 - BVerwGE 128, 125 Rn. 22 ff. <25>). Unbenommen bleibt dem Dienstherrn daher auch im jeweiligen Verfahrensstadium ein weiteres neues Disziplinarverfahren einzuleiten. 30 Die vom Berufungsgericht angewandte Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung oder des Fortsetzungszusammenhangs, die im Übrigen im Strafrecht aufgegeben worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 1994 - GSSt 2/93 - BGHSt 40, 138), ist dem Disziplinarrecht fremd (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2003 - 1 D 23.02 - juris Rn. 21). Dies gilt gleichermaßen für den strafrechtlichen Begriff des sog. Dauerdelikts. Im Fall einer Vielzahl gleichartiger Dienstpflichtverletzungen wie bei Kernzeitverstößen stellen die einzelnen Verstöße auch nicht unselbstständige Teilakte oder nur einen Beitrag zu einer einzigen Handlung im Rechtssinne dar, die keine Zäsur erlauben würden. Bei wiederholt verspätetem Dienstantritt muss für jede Wiederholung neu ein (Tat-)Entschluss gefasst werden. Der Pflichtenverstoß ist mit dem jeweiligen Zuspätkommen vollendet. 31 b) Ist bei Verstößen gegen Arbeitszeitregelungen aufgrund einer Dienstvereinbarung zwischen Dienststelle und Personalrat ein besonders gestaltetes Anhörungsverfahren vorgesehen, führt dies nicht dazu, dass für dessen - auch überlange - Dauer die Einleitungspflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG außer Kraft gesetzt ist. Der Sache nach handelt es sich um Verwaltungsermittlungen, die dazu dienen, Art und Ausmaß von Arbeitszeitverstößen aufzuklären, insbesondere dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu äußern, um die Vorwürfe zu entkräften. Nach Ablauf einer angemessenen Stellungnahmefrist muss die dienstvorgesetzte Stelle zum Disziplinarverfahren übergehen, wenn nach dem Stand der Ermittlungen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens wegen Arbeitszeitverstößen rechtfertigen. Nur so kann der Schutzfunktion des § 17 Abs. 1 BDG Rechnung getragen werden, nämlich zum einen den Beamten vor möglichen disziplinaren Rechtsverlusten zu schützen und zum anderen die Wahrung der beamtenrechtlichen Dienstpflichten nach §§ 60 ff. BBG durchzusetzen, um gesetzmäßiges Verwaltungshandeln zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2018 - 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 25). 32 c) Ein Verstoß gegen die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG folgende Pflicht zur rechtzeitigen Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens ist ein Mangel, der bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme als mildernder Umstand zu berücksichtigen sein kann, wenn die verzögerte Einleitung für das weitere Fehlverhalten des Beamten ursächlich war (BVerwG, Urteile vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - Schütz, BeamtR, ES/B II 1.1 Nr. 26 Rn. 2o zum BDG und vom 15. November 2018 - 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 21). Dies ist der Fall, wenn der Beamte mit der Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens das beanstandete Verhalten unterlässt oder danach liegende Vorfälle lediglich von untergeordneter Bedeutung sind. Bei dieser Sachlage liegt die Annahme nahe, dass sich der Beamte bei einer früheren Verfahrenseinleitung ebenso verhalten und keine weiteren Pflichtenverstöße begangen hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - NVwZ 2009, 399 Rn. 33). 33 5. Revisibles Recht verletzt auch die Folgeerwägung des Berufungsgerichts, aufgrund der Eigenart des zu maßregelnden Verhaltens sei eine zeitnahe disziplinare Ahndung mit einer niederschwelligen Disziplinarmaßnahme nicht möglich gewesen. 34 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 15. November 2018 - 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 30 ff.), dass der Dienstherr bei zeitlich gestreckt auftretenden Dienstpflichtverletzungen, die nach ihrer Schwere jeweils für sich genommen keine höheren Disziplinarmaßnahmen gebieten, in der Regel zunächst zeitnah zur begangenen Verletzungshandlung mit niederschwelligen disziplinaren Maßnahmen auf den Beamten einwirkt und diese bei fortgesetztem Fehlverhalten stufenweise steigert. 35 Bei Verstößen gegen Kernarbeitszeitregelungen handelt es sich um einen Fall, bei dem der Dienstherr aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die stufenweise Steigerung der Disziplinarmaßnahmen zu beachten hat. Der Dienstherr hat auf den Beamten rechtzeitig, d. h. alsbald nach Kenntniserlangung von der Pflichtverletzung, pflichtenmahnend einzuwirken und ihn zum pflichtgemäßen Dienstantritt anzuhalten. Das Zuwarten des Dienstherrn über einen längeren Zeitraum, um sodann im Wege einer Gesamtschau die schärfste Disziplinarmaßnahme - die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis - zu verhängen, ist unzulässig. Dies bedeutet, dass der Dienstherr nach Kenntniserlangung auch von einem erstmaligen Kernzeitverstoß zu reagieren und auf die Einhaltung der Kernarbeitszeiten hinzuweisen hat. Darüber hinaus muss er bei fortgesetzten Verstößen je nach Umfang und Dauer über dienstliche Weisungen (Anordnungen) hinaus weitere niederschwellige Disziplinarmaßnahmen ergreifen. Dazu gehören die Erteilung eines Verweises (§ 6 BDG), die Verhängung einer Geldbuße (§ 7 BDG) und die Kürzung der Dienstbezüge (§ 8 BDG). 36 Unterlässt es der Dienstherr rechtsfehlerhaft, die zeitlich gestreckt aufgetretenen Dienstpflichtverletzungen zunächst dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechend durch niederschwellige disziplinare Maßnahmen pflichtenmahnend zu ahnden, stellt dies einen Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens dar, der bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme als mildernder Umstand zu berücksichtigen ist. Anders verhält es sich nur dann, wenn sich der Beamte eine niederschwellige disziplinare Sanktionierung nicht zur Mahnung und Warnung hätte dienen lassen. Ob eine solche Annahme naheliegt, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Es müssen hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, aus denen diese negative Folgerung abgeleitet werden kann. Hier fehlt es aber an jedweder vorangegangenen Sanktionierung, aus der der Schluss gezogen werden kann, dass sich der Beklagte davon nicht hätte beeindrucken lassen. 37 6. Nicht mit § 13 BDG vereinbar ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme sei indiziert, weil die aufaddierte Gesamtzeit der täglichen Verspätungen beim Dienstantritt in ihrer Schwere einem monatelangen unerlaubten Fernbleiben vom Dienst gleichkomme. 38 Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 f.). 39 Vorsätzliches unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst ist ein schwerwiegendes Dienstvergehen, das regelmäßig zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führt, wenn es über Monate andauert oder in der Summe einen vergleichbaren Gesamtzeitraum erreicht (BVerwG, Urteile vom 22. April 1991 - 1 D 62.90 - BVerwGE 93, 78 <80 f.>, vom 25. Januar 2007 - 2 A 3.05 - Buchholz 235.1 § 52 BDG Nr. 4 Rn. 42, vom 27. Januar 2011 - 2 A 5.09 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 17 Rn. 35 und vom 15. Dezember 2021 - 2 C 9.21 - BVerwGE 174, 273 Rn. 48). Der ununterbrochenen monatelangen Dienstsäumnis kann es gleichstehen, wenn ein Beamter im Umfang vergleichbar wiederholt in Einzelzeitabschnitten - an Tagen und in mehr oder weniger länger zusammenhängenden Zeiträumen - überhaupt nicht zum Dienst erscheint. In diesen Fällen ist die Entfernung aus dem Dienst grundsätzlich Ausgangspunkt der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteile vom 7. November 1990 - 1 D 33.90 - juris Rn. 31 m. w. N., vom 22. April 1991 - 1 D 62.90 - BVerwGE 93, 78 <80 f.>, vom 6. Mai 2003 - 1 D 26.02 - Rn. 54 f. und vom 12. November 2020 - 2 C 6.19 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 81 Rn. 22 sowie Beschluss vom 31. Juli 2019 - 2 B 56.18 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 70 Rn. 11). 40 Dies gilt nicht für das wiederholte unberechtigte stundenweise Fernbleiben vom Dienst infolge verspäteten Dienstantritts. Denn die aufaddierte Gesamtzeit der täglichen Verspätungen ist in ihrer Schwere nicht einem monatelangen unerlaubten - gänzlichen - Fernbleiben vom Dienst gleichzusetzen. Bei der disziplinaren Ahndung des in Rede stehenden Fehlverhaltens ist angesichts der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte und der Vielfalt der möglichen Pflichtverstöße keine eindeutige Zuordnung zu einer bestimmten disziplinaren Maßnahme möglich. Wegen der Bandbreite denkbarer Pflichtverletzungen steht grundsätzlich der gesamte Katalog der abgestuften Disziplinarmaßnahmen des § 5 BDG zur Verfügung. Dabei kommt es für das Gewicht der Pflichtverletzung insbesondere auf Dauer, Häufigkeit und Ausmaß der Verspätungen an. 41 Davon ausgehend ist in der Rechtsprechung des Senats in Fällen wiederholter verspäteter Dienstantritte über einen längeren Zeitraum auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt worden, wenn entweder andere wesentliche Dienstpflichtverletzungen im Vordergrund des Dienstvergehens standen oder disziplinarrechtliche Vorbelastungen von erheblichem Gewicht vorlagen (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Februar 1988 - 1 D 83.87 - juris Rn. 16 ff. und vom 6. Juni 1989 - 1 D 47.88 - DokBer B 1989, 261). Ansonsten ist auch bei einschlägiger disziplinarer Vorbelastung unter Anwendung des Grundsatzes der stufenweisen Steigerung von Disziplinarmaßnahmen die Kürzung der Dienstbezüge gemäß § 8 BDG (BVerwG, Urteil vom 6. März 1991 - 1 D 65.90 - DokBer B 1991, 152) oder die Zurückstufung gemäß § 9 BDG (BVerwG, Urteile vom 12. Januar 1988 - 1 D 4.87 - DVBl 1988, 1058 <1059 f.> und vom 6. Mai 1992 - 1 D 12.91 - DokBer B 1992, 203) als angemessen erachtet worden. 42 7. Das Revisionsgericht hat bei der Anwendung des revisiblen Rechts auf den festgestellten Sachverhalt (§ 69 BDG und § 137 Abs. 2 VwGO) grundsätzlich dieselben Befugnisse und Entscheidungsmöglichkeiten, die das Berufungsgericht im Falle einer Zurückverweisung hätte. Die Regelung des § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG, die den Verwaltungsgerichten die Befugnis zur Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme überträgt, gilt gemäß § 70 Abs. 1 und § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG auch für das Revisionsverfahren. Voraussetzung für eine eigenständige Entscheidung des Senats über die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist, dass sämtliche für die Bemessungsentscheidung relevanten be- und entlastenden Umstände festgestellt sind und die Beteiligten hierzu vorher gehört wurden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 26 f., vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 9, vom 15. November 2018 - 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 39, vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 43 und vom 23. April 2020 - 2 C 21.19 - BVerwGE 168, 74 Rn. 43). Dies ist im Streitfall gegeben. 43 Der Senat kommt bei seiner Bemessungsentscheidung zu dem Ergebnis, dass der Beklagte auf der Grundlage der bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts durch das unberechtigte Fernbleiben vom Dienst an Teilen von Arbeitstagen und der darin zugleich liegenden Verletzung der Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen und zum vollen beruflichen Einsatz ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen hat, das bei Abwägung aller disziplinarrechtlich relevanten Gesichtspunkte mit der Zurückstufung in das Eingangsamt seiner Laufbahn, das Amt eines Regierungsrats (Besoldungsgruppe A 13 BBesO), zu ahnden ist. 44 Das Gebot, zur vorgeschriebenen Zeit am vorgeschriebenen Ort zum Dienst zu erscheinen und dort die übertragenen dienstlichen Aufgaben wahrzunehmen, ist eine leicht erkennbare Grundpflicht eines jeden Beamten (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 25. September 2003 - 2 C 49.02 - Buchholz 240 § 9 BBesG Nr. 26 S. 41, vom 11. Oktober 2006 - 1 D 10.05 - Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 30 Rn. 34 und vom 27. Februar 2014 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 22). Setzt sich ein Beamter über diese Erkenntnis hinweg, zeigt er ein hohes Maß an Verantwortungslosigkeit. Je länger der Beamte schuldhaft dem Dienst fernbleibt, desto schwerer wiegt die hierin liegende Dienstpflichtverletzung (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2021 - 2 C 9.21 - BVerwGE 174, 273 Rn. 47). 45 Bei der Beurteilung des für die Maßnahmebemessung richtungsweisenden Kriteriums der Schwere des Fehlverhaltens ist festzuhalten, dass der Beklagte in einem sehr langen Zeitraum vom 22. April 2014 bis zum 7. Mai 2018 nahezu tagtäglich erst nach dem Beginn der Kernarbeitszeit zum Dienst erschienen ist. Der verspätete Dienstantritt war die Regel. Damit hat der Beklagte ein besonders hohes Maß an Verantwortungslosigkeit und Pflichtvergessenheit hinsichtlich der leicht einsehbaren Pflicht gezeigt, pünktlich den Dienst anzutreten. Bei der Bewertung des Fehlverhaltens des Beklagten des nicht ""nur"" wiederholten, sondern regelhaften Zuspätkommens zum Dienst über einen sehr langen Zeitraum, ist - orientiert an der bisherigen Rechtsprechung des Senats - Ausgangspunkt für die disziplinare Maßnahmebemessung nach § 13 BDG die Zurückstufung gemäß § 9 BDG. 46 Im Hinblick auf mögliche entlastende Gesichtspunkte ist dem Umstand keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen, dass der Beklagte die morgendlichen Verspätungen durch abendliche Längerarbeit im Rahmen der durch die Gleitzeit gegebenen Vorgaben nachgeholt und die durchschnittliche regelmäßige Gesamtarbeitszeit erbracht hat. Andernfalls läge darin eine Nichterfüllung der Gesamtarbeitszeit, die als weitere vorwerfbare Dienstpflichtverletzung hinzutreten würde. Dass die verspätete Dienstaufnahme des Beklagten keinen Schaden im Dienstbetrieb verursacht hat, weil anfallende Aufgaben in den Fehlzeiten nicht zwingend erledigt und auch nicht kurzfristig von Vertretern wahrgenommen werden mussten, stellt ebenfalls keinen mildernden Aspekt dar. Ein Beamter, der meint, seine Dienstzeiten nicht nach den Vorgaben des Dienstherrn, sondern nach eigenem Befinden bestimmen zu können, hat negative Beispielwirkung für andere Bedienstete. Ein solches Verhalten bleibt nicht ohne nachteilige Folgen für den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb, der zur Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zu gewährleisten ist. Ebenso wenig ist ein entlastender Umstand von Gewicht darin zu sehen, dass der Beklagte weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet ist. Eine straffreie Lebensführung und ordnungsgemäße Erfüllung der Dienstpflichten darf der Dienstherr von jedem Beamten erwarten (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 43 und vom 16. Juni 2020 - 2 C 12.19 - BVerwGE 168, 254 Rn. 41). Weiter besteht kein Anhalt dafür, dass der Beklagte von seiner Referatsleiterin G. und der Abteilungsleiterin E. wegen des vom Beklagten angenommenen Einbruchs ihrer jeweiligen beruflichen Karriere gemobbt wurde. Ein Konkurrenzverhältnis zwischen dem Beklagten und den Beamtinnen mit höherwertigeren Statusämtern bestand nicht. Ferner hat der Beklagte keine Umstände dargetan, die darauf hindeuten, dass er während der Erkrankung seiner Mutter oder nach deren Tod zu einem an normalen Maßstäben orientierten Verhalten nicht mehr in der Lage war. 47 Schließlich führt der Umstand der verspäteten Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens nicht zu einer Milderung. Zwar hat die Klägerin nach den unter 4. dargestellten Grundsätzen das behördliche Disziplinarverfahren gegen den Beklagten verspätet eingeleitet. Die Einleitungsverfügung datiert auf den 6. November 2015. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG hätte das Verfahren bereits Ende Mai 2015, an die zur Einleitung des Disziplinarverfahrens zuständige Stelle abgegeben werden müssen. Zu diesem Zeitpunkt war die im Anhörungsverfahren gesetzte Frist zur Stellungnahme zu den bis Mitte März 2015 festgestellten Kernarbeitszeitverstößen und die gewährte Fristverlängerung fruchtlos verstrichen. Es bestand der hinreichende Verdacht eines Dienstvergehens, der keiner weiteren Ermittlungen mehr bedurfte; solche sind von der Klägerin auch nicht unternommen worden. Die verzögerte Einleitung des Disziplinarverfahrens war aber für sich betrachtet für das weitere Fehlverhalten des Beklagten nicht ursächlich. Der Beklagte hat sich auch nach der Verfahrenseinleitung im November 2015 nicht pflichtgemäß verhalten. Er hat den Dienst weiter regelmäßig nach dem Beginn der Kernzeit angetreten. 48 Als berücksichtigungsfähiger mildernder Umstand von Gewicht bleibt einzig, dass die Klägerin nicht unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach dem Gedanken der stufenweisen Steigerung der Disziplinarmaßnahmen zeitnah eine niederschwellige Maßnahme durch Disziplinarverfügung verhängt, sondern zugewartet hat. Bei einer frühzeitigen Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens Ende Mai 2015 wäre angesichts des Umfangs der zu diesem Zeitpunkt festgestellten Verstöße, nämlich verspätete Dienstantritte in 192 Fällen, davon in 60 Fällen mit mehr als einer Stunde Verspätung, für den nicht vorbelasteten Beklagten eine Kürzung der monatlichen Dienstbezüge gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BDG in Betracht gekommen. Es fehlt an Anhaltspunkten, die den Schluss rechtfertigen, auch eine solche zeitnahe disziplinare Sanktionierung hätte auf den Beklagten nicht in dem Sinn pflichtenmahnend eingewirkt, dass er künftig die Kernarbeitszeitregelungen befolgt hätte. Eine gegenteilige - vom Berufungsgericht - getroffene Annahme liefe bei dem nicht vorbelasteten Beklagten auf bloße Spekulation hinaus. 49 Der Milderungsgrund führt jedoch nicht zu einer Disziplinarmaßnahme, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 37 ff. und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 26 sowie Beschlüsse vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 21 Rn. 27 und vom 15. Juni 2016 - 2 B 49.15 - Buchholz 230.1 § 13 BDG Nr. 36 Rn. 13). Ihm stehen gegenläufig erschwerende Umstände von ganz erheblichem Gewicht gegenüber. Der Beklagte hat sein Fehlverhalten auch unter dem Druck des behördlichen Disziplinarverfahrens uneinsichtig und beharrlich fortgesetzt und dabei die Dauer seiner morgendlichen Fehlzeiten in erheblichem Umfang erhöht. Die regelmäßigen morgendlichen Verspätungen bewegten sich seither überwiegend im Bereich zwischen zwei und drei Stunden, in der Spitze lag eine Verspätung bei drei Stunden und 18 Minuten. Mit diesem gesteigerten Fehlverhalten nach Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens hat der Beklagte eine ganz außergewöhnliche Hartnäckigkeit und besondere Selbstherrlichkeit gezeigt, sich über dienstliche Anordnungen der Klägerin hinwegzusetzen und den Dienstantritt nach eigenem Belieben zu bestimmen. 50 Wegen der Schwere des Dienstvergehens hält der Senat eine Zurückstufung des Beklagten in das Amt eines Regierungsrats (Besoldungsgruppe A 13 BBesO) für erforderlich, um ihn künftig zu einem beanstandungsfreien dienstlichen Verhalten zu veranlassen. Der Beklagte muss sich bewusst sein, dass bei einem erneuten gewichtigen Verstoß gegen seine Dienstpflichten die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme geboten sein kann. 51 Aufgrund der langen Dauer des Disziplinarverfahrens macht der Senat von der gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 BDG eröffneten Möglichkeit Gebrauch, das an die Zurückstufung anknüpfende gesetzliche Beförderungsverbot von fünf Jahren (§ 9 Abs. 3 Satz 1 BDG) auf drei Jahre abzukürzen. 52 8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 1 VwGO. 53 9. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Höhe der Gerichtsgebühren aus dem gesetzlich bestimmten streitwertunabhängigen Gebührenbetrag ergibt (§ 78 BDG i. V. m. Nr. 10 und 30 des Gebührenverzeichnisses der Anlage zu § 78 BDG)." bverwg_2023-24,28.03.2023,"Pressemitteilung Nr. 24/2023 vom 28.03.2023 EN Fürsorgepflichtverletzung erfordert bei geltend gemachtem ""Mobbing"" Gesamtschau von Einzelmaßnahmen Ein Beamter kann Anspruch auf Schadensersatz gegen seinen Dienstherrn haben, wenn dieser seine Fürsorgepflicht dadurch verletzt, dass er ein systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren - insbesondere durch Vorgesetzte - zulässt. Ob dies der Fall ist, kann nur aufgrund einer Gesamtschau der in Rede stehenden Geschehnisse beurteilt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin stand bis zu ihrer Versetzung im Jahr 2017 als Stadtverwaltungsoberrätin (Besoldungsgruppe A 14 LBesO) im Dienst der beklagten Gemeinde; sie war seit 2007 mit der Leitung des Fachbereichs ""Bürgerdienste, Recht und Ordnung"" betraut. Nach seiner Wiederwahl vom Mai 2014 verfügte der Oberbürgermeister der Beklagten im Juli 2014 eine Neuorganisation des Verwaltungsaufbaus, die eine Reduzierung der Fachbereiche von vier auf drei zur Folge hatte. Die Klägerin wurde auf die neu gebildete ""Stabsstelle Recht"" umgesetzt. Die dortige Verwendung entsprach nach einem später ergangenen und rechtskräftig gewordenen Urteil des Verwaltungsgerichts nicht dem Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung. Im Rahmen der Umsetzung wurde ihr ein Dienstzimmer im Dachgeschoss eines Seitentrakts des Rathauses zugewiesen. Aufgrund arbeitsschutzrechtlicher Bedenken gegen die ins Dachgeschoss führende ""steile Treppe"" wies die Beklagte den betroffenen Bediensteten im Juni 2015 andere Dienstzimmer zu. Im Dezember 2015 stellte der Personalrat der Beklagten eine Pressemitteilung auf der Homepage ein, in der der Klägerin u.a. vorgeworfen wurde, sie habe sich ""über Monate bei voller Besoldung als Chefjuristin der Verwaltung in 'Krankheit'"" geflüchtet. Die Klägerin sieht in diesen und weiteren Verhaltensweisen ein gezieltes Mobbing des Oberbürgermeisters, der ihr gegenüber auch offenbart habe, im Rahmen seines Wahlkampfes im Frühjahr 2014 das Vertrauen in ihre Person verloren zu haben. Ihre auf Schadensersatz gerichtete Klage war vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich, wurde in der Berufungsinstanz indes abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht die Sache an das Oberverwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht, weil es von einem fehlerhaften rechtlichen Maßstab ausgeht. Die Besonderheit der als ""Mobbing"" bezeichneten Rechtsverletzung liegt gerade darin, dass die Zusammenschau mehrerer Einzelakte zur Annahme einer Fürsorgepflichtverletzung führen kann, auch wenn die jeweiligen Einzelmaßnahmen für sich betrachtet nicht zu beanstanden oder jedenfalls nicht von ausreichender Intensität sind. Diesen Maßstab hat das Oberverwaltungsgericht nicht hinreichend beachtet und eine Gesamtschau der betrachteten Maßnahmen unterlassen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht den Beweisantrag zur Aufklärung der Frage, ob dem Oberbürgermeister der Inhalt der Pressemitteilung des Personalrats vorab bekannt war, fehlerhaft abgelehnt. Zudem beruht die Ablehnung des Beweisantrags, über die gesundheitlichen Auswirkungen der amtsunangemessenen Beschäftigung der Klägerin ein Sachverständigengutachten einzuholen, auf einem fehlerhaften Kausalitätsmaßstab.  BVerwG 2 C 6.21 - Urteil vom 28. März 2023 Vorinstanzen: OVG Magdeburg, OVG 1 L 72/19 - Urteil vom 08. Oktober 2020 - VG Halle, VG 5 A 519/16.HAL - Urteil vom 27. März 2019 -","Urteil vom 28.03.2023 - BVerwG 2 C 6.21ECLI:DE:BVerwG:2023:280323U2C6.21.0 EN Schmerzensgeld wegen ""Mobbings"" Leitsätze: 1. Der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht umfasst auch Ersatz für immaterielle Schäden. 2. Die Prüfung der als ""Mobbing"" bezeichneten Zusammenfassung einer aus Einzelhandlungen bestehenden systematischen Verletzung der Fürsorgepflicht macht eine Gesamtbetrachtung der Einzelakte erforderlich. 3. Zum Vorrang des Primärrechtsschutzes nach dem Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 BGB gehört nicht, dass ein Beamter nach Erwirkung einer einstweiligen Anordnung gegen seinen Dienstherrn auch noch Vollstreckungsmaßnahmen einleitet. Rechtsquellen BeamtStG § 45 BGB § 253 Abs. 2, § 839 Abs. 3 StPO § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 Instanzenzug VG Halle - 27.03.2019 - AZ: 5 A 519/16.HAL OVG Magdeburg - 08.10.2020 - AZ: 1 L 72/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.03.2023 - 2 C 6.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:280323U2C6.21.0] Urteil BVerwG 2 C 6.21 VG Halle - 27.03.2019 - AZ: 5 A 519/16.HAL OVG Magdeburg - 08.10.2020 - AZ: 1 L 72/19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Günther, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hissnauer für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 8. Oktober 2020 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt immateriellen Schadensersatz wegen ""Mobbings"". 2 Die Klägerin stand bis zu ihrer Versetzung zu einem anderen Dienstherrn im Jahr 2017 als Stadtverwaltungsoberrätin (Besoldungsgruppe A 14 LBesO) im Dienst der beklagten Gemeinde; seit 2007 war sie mit der Leitung des Fachbereichs III ""Bürgerdienste, Recht und Ordnung"" betraut. Nach seiner Wiederwahl vom Mai 2014 verfügte der Oberbürgermeister der Beklagten im Juli 2014 eine Neuorganisation des Verwaltungsaufbaus, mit der eine Reduzierung der Fachbereiche von vier auf drei einherging. In der Folge wurde die Klägerin auf die neu gebildete ""Stabsstelle Recht"" umgesetzt. 3 Hiergegen gerichtete Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieben erfolglos. Das Verwaltungsgericht verpflichtete die Beklagte jedoch im Wege der einstweiligen Anordnung, die Klägerin amtsangemessen zu beschäftigen. Den hierauf bezogenen Vollstreckungsantrag lehnte das Oberverwaltungsgericht mit der Begründung ab, die Frist für die Vollziehung sei nicht eingehalten. Das Verwaltungsgericht verurteilte die Beklagte auch im Hauptsacheverfahren zur amtsangemessenen Beschäftigung der Klägerin; den hiergegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht ab. 4 Da die Klägerin im Zeitpunkt des Wirksamwerdens ihrer Umsetzung krankheitsbedingt nicht im Dienst war, wurde ihr bisheriges Dienstzimmer − nach Anhörung − geräumt und die darin befindlichen Gegenstände vorübergehend in ein anderes Büro verbracht, das auch früher schon von ihr genutzt worden war. Die der Klägerin und den ihr zugeordneten Mitarbeitern zugewiesenen Dienstzimmer befanden sich im Dachgeschoss eines Seitentrakts des Rathauses. Die dorthin führenden ""sehr steilen Treppen"" waren aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht bereits im Jahr 2010 beanstandet worden. Im Juni 2015 erhielten die im Dachgeschoss untergebrachten Bediensteten andere Dienstzimmer. 5 Aus Anlass der Umsetzung bat die Klägerin um eine schriftliche Einschätzung ihrer Leistungen als Fachbereichsleiterin, die sie gegebenenfalls ""auch bei Bewerbungen"" vorlegen könne. In dem daraufhin vom Oberbürgermeister erstellten Dienstzeugnis hieß es abschließend, die Klägerin habe ein Dienstzeugnis verlangt, weil sie eine Bewerbung bei einem anderen Dienstherrn oder außerhalb des öffentlichen Dienstes beabsichtige. 6 Anlässlich der Gerichtsurteile über den Anspruch der Klägerin auf amtsangemessene Beschäftigung stellte der Personalrat der Beklagten eine Pressemitteilung auf der Homepage ein, in der u. a. ausgeführt wurde: ""Was nicht zur Verhandlung vor Gerichten, egal welcher Instanz, stehen wird, ist die auf der Strecke gebliebene Moral. Sich über Monate bei voller Besoldung als Chefjuristin der Verwaltung in 'Krankheit' zu flüchten, weil man persönlich der Ansicht ist, arbeitsseitig unterfordert zu sein, sollte man den vielen fleißigen Beschäftigten, Beamten unserer Stadt einmal versuchen zu erklären."" 7 Die Klägerin sieht in diesen und weiteren Verhaltensweisen ein gezieltes ""Mobbing"" des Oberbürgermeisters, der ihr gegenüber auch offenbart habe, im Rahmen seines Wahlkampfes im Frühjahr 2014 das Vertrauen in ihre Person verloren zu haben. 8 Nachdem die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Zahlung von Schadensersatz aufgefordert hatte, hat sie zunächst Untätigkeitsklage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat daraufhin festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der in den Jahren 2014 bis 2016 durch die Beklagte begangenen Verletzungen des Beamtenverhältnisses noch entstehen werden, und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 23 000 € zu zahlen. Die Klägerin sei Opfer eines ""Mobbings"" durch den Oberbürgermeister geworden. Ihre Umsetzung auf die Stabsstelle Recht könne nur als Schikane verstanden werden, folgerichtig sei sie mit unsinnigen Aufgaben beschäftigt worden. Die Beklagte habe den gerichtlich festgestellten Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung ignoriert und der Klägerin so aufgezeigt, dass auch die Inanspruchnahme von Gerichten nicht zur Verbesserung ihrer Lage führen könne. Gleichzeitig sei ihr ein abgelegenes und unwürdiges Büro zugeteilt worden, um ihren Abstieg aus der Führungsebene nach außen sichtbar zu dokumentieren. Mit der Erteilung eines Dienstzeugnisses anstelle einer Anlassbeurteilung habe der Klägerin das Ende ihres Beamtenverhältnisses bescheinigt werden sollen. Schließlich sei der Beklagten auch die Pressemitteilung des Personalrats zuzurechnen. 9 Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zwar könne in dem Vertrauensverlust des Oberbürgermeisters eine plausible Motivation für eine Ausgrenzung und Diskriminierung der Klägerin liegen. Aus einem denkbaren Beweggrund könne indes nicht geschlossen werden, dass die in Rede stehenden Maßnahmen als gezielte Angriffe auf die Person der Klägerin zu bewerten wären. Vielmehr erfülle keiner der von der Klägerin geschilderten Einzelaspekte den Begriff des ""Mobbings"", sodass der Senat auch bei der gebotenen Gesamtbetrachtung kein als ""Mobbing"" zu qualifizierendes Verhalten der Beklagten feststellen könne. 10 Der grundlegende Verwaltungsumbau, der auf die Empfehlungen eines kommunalen Fachverbandes zurückgehe, habe die gesamte Stadtverwaltung betroffen. Eine gezielte Maßnahme gerade im Hinblick auf die Klägerin sei damit nicht verbunden, demgemäß sei die geänderte Struktur nach ihrer Versetzung beibehalten worden. Auch die Umsetzung der Klägerin auf den neuen Dienstposten der Stabsstellenleiterin könne nicht als diskriminierender Akt gewertet werden. Dem stünden Fehler und Umstellungsschwierigkeiten in der Anfangszeit nicht entgegen. Die Beklagte habe auf die gerichtlichen Feststellungen reagiert und die Aufgabenzuschreibung des Dienstpostens mehrfach nachgeführt. Ein vordringlicher Handlungsbedarf habe im Hinblick auf die krankheitsbedingte Abwesenheit der Klägerin im Übrigen nicht bestanden. Soweit das Verwaltungsgericht die Inanspruchnahme zulässiger Verteidigungsmöglichkeiten beanstandet habe, könne dem nicht gefolgt werden; ein prozessual missbräuchliches Verhalten der Beklagten bestehe nicht. Ein Akt der Schikane liege auch nicht in der Zuweisung des neuen Dienstzimmers; die von der Beklagten vorgelegten Farblichtbilder belegten vielmehr, dass von einer Unwürdigkeit nicht ansatzweise die Rede sein könne. Gegen eine zielgerichtete Maßnahme spreche im Übrigen, dass auch die Mitarbeiter anderer Sachgebiete im Dachgeschoss untergebracht worden seien. Auch die Erteilung eines Dienstzeugnisses sei nicht zu beanstanden, weil nach § 62 Satz 1 LBG LSA bereits die Bewerbung ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Dienstzeugnisses begründe. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Anlassbeurteilung aus § 21 Abs. 1 Satz 2 LBG LSA hätten dagegen nicht vorgelegen. Der Inhalt der Pressemitteilung des Personalrats sei dem Oberbürgermeister nach dem Vortrag der Beklagten nicht bekannt gewesen. Zudem habe der Oberbürgermeister bei der Unterredung mit den Personalratsmitgliedern deutlich gemacht, dass er die Auseinandersetzung mit der Klägerin nicht öffentlich führen wolle. 11 Angesichts dieser Bekundung könne das Unterlassen eines Einschreitens gegen die Pressemitteilung des Personalrats nur in Verbindung mit anderen Handlungsweisen − an denen es indes fehle − geeignet sein, auf ein ""Mobbing"" hinzuweisen. Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zur Frage des Kenntnisstands des Oberbürgermeisters fehle daher die Entscheidungserheblichkeit. Auch der beantragten Beweiserhebung, dass die Klägerin durch die amtsunangemessene Beschäftigung erkrankt sei, könne nicht gefolgt werden. Die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens sei nicht geeignet, den erforderlichen Kausalitätsbeweis zu erbringen, weil damit nicht feststünde, dass die Erkrankung auch ohne die Umstände hervorgerufen worden wäre. 12 Unabhängig hiervon scheitere der Anspruch der Klägerin auch daran, dass sie es schuldhaft unterlassen habe, innerhalb der dafür maßgeblichen Monatsfrist einen Antrag auf Vollziehung der im Hinblick auf ihren Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung ergangenen einstweiligen Anordnung zu stellen. Die Kollegialitätsgerichtsregel im Hinblick auf die Annahmen des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 7. Juli 2015 entlaste sie nicht, weil die Auffassung des Verwaltungsgerichts mit offensichtlich nicht tragfähigen Argumenten begründet sei. 13 Mit der vom Bundesverwaltungsgericht durch Beschluss vom 12. Juli 2021 zugelassenen Revision beantragt die Klägerin, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 8. Oktober 2020 aufzuheben, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 27. März 2019 zurückzuweisen, und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung über das vom Verwaltungsgericht abgewiesene Begehren auf Zuerkennung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 31 000 € an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. 14 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 15 Die zulässige Revision der Klägerin (vgl. zur hinreichenden Bestimmtheit eines unbezifferten Klageantrags bei auf immaterielle Nachteile bezogenen Begehren BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2015 - 5 C 5.14 - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 4 Rn. 13 ff.) ist begründet. Das angegriffene Berufungsurteil verletzt revisibles Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht ist von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab für die Prüfung der als ""Mobbing"" gerügten Maßnahmen der Beklagten ausgegangen (1.) und hat seine tatsächlichen Feststellungen unter Verstoß gegen die hierfür geltenden Verfahrensregelungen getroffen (2.). Das Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (3.). 16 1. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung unzutreffende rechtliche Maßstäbe zugrunde gelegt. 17 a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, dass ""Mobbing"" weder eine Anspruchsgrundlage noch ein Rechtsbegriff ist. Der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt muss daher in rechtsförmige Kategorien eingeordnet werden. Mögliche Anspruchsgrundlage für das von der Klägerin geltend gemachte Begehren ist der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht. 18 aa) Die unmittelbare Haftung des Dienstherrn für die durch eine Verletzung der Fürsorgepflicht entstandenen Schäden ist bereits vom Reichsgericht entwickelt und nachfolgend vom Bundesverwaltungsgericht übernommen worden (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. August 1961 - 2 C 165.59 - BVerwGE 13, 17 <19 f.> und vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 - BVerwGE 162, 253 Rn. 9 jeweils m. w. N.). Das Rechtsinstitut des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs findet seinen Rechtsgrund im Beamtenverhältnis und begründet einen unmittelbar gegen den Dienstherrn gerichteten Ersatzanspruch für Schäden, die aus einer Verletzung der aus dem Beamtenverhältnis folgenden Pflichten entstehen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Dienstherr eine dem Beamten gegenüber bestehende Pflicht schuldhaft verletzt hat, die Rechtsverletzung adäquat kausal für den Schadenseintritt war und der Beamte es nicht unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines ihm zumutbaren Rechtsmittels abzuwenden (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 15. November 2022 - 2 C 4.21 - NVwZ 2023, 609 Rn. 9 m. w. N.). 19 Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn aus § 45 BeamtStG vermittelt dem Beamten Anspruch auf Schutz und Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 - 2 C 10.02 - BVerwGE 118, 10 <13>); sie verpflichtet den Dienstherrn, Schädigungen der körperlichen oder seelischen Gesundheit der Beamten zu vermeiden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Mai 2005 - 2 BvR 583/05 - NVwZ 2005, 926; BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2013 - 2 B 51.12 - NVwZ 2013, 797 Rn. 10 m. w. N.). 20 Unter den Voraussetzungen einer Verletzung der Fürsorgepflicht kann mit dem beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch daher auch ein Ersatz für immaterielle Schäden gewährt werden (vgl. § 253 Abs. 2 BGB). Dies gilt auch, soweit durch eine gezielte Unterbeschäftigung die Fürsorgepflicht verletzt worden ist. 21 bb) Mit der Bezeichnung als ""Mobbing"" soll dabei ein bestimmtes Gesamtverhalten als Verletzungshandlung im Rechtssinne qualifiziert werden. 22 Die rechtliche Besonderheit der als ""Mobbing"" bezeichneten tatsächlichen Erscheinungen liegt darin, dass nicht eine einzelne, abgrenzbare Handlung, sondern die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte zu einer Rechtsverletzung des Betroffenen führen kann. Wesensmerkmal der als ""Mobbing"" bezeichneten Beeinträchtigung ist die systematische, sich aus vielen einzelnen Handlungen zusammensetzende Verletzungshandlung, wobei den einzelnen Handlungen bei isolierter Betrachtung eine rechtliche Bedeutung oft nicht zukommt (vgl. BAG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 8 ARZ 709/06 - BAGE 122, 304 Rn. 58). In der Senatsrechtsprechung ist ""Mobbing"" daher als ein ""systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren"" verstanden worden (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 2 A 4.04 - NVwZ-RR 2006, 485 Rn. 36). 23 cc) Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht verkannt. In der − auf einen einzigen Satz beschränkten − Begründung der Gesamtschau (UA S. 28) kommt vielmehr zum Ausdruck, dass das Oberverwaltungsgericht bereits dem Umstand, dass es keinem der geschilderten Einzelmaßnahmen für sich genommen die Qualität eines ""Mobbings"" zuerkannte, maßgebliche Bedeutung zugemessen hat. Damit wird das Wesen und die rechtliche Qualität der vorgetragenen Fürsorgepflichtverletzung durch ""Mobbing"" nicht zutreffend erfasst. 24 Durch die defizitäre Betrachtung des Gesamtgeschehens hat es das Berufungsgericht insbesondere versäumt, die Möglichkeit eines Gesamtsystems der vorgetragenen Einzelmaßnahmen in den Blick zu nehmen. Derartiges hätte in besonderer Weise nahegelegen, weil das Berufungsgericht selbst − im Hinblick auf den im Rahmen des Wahlkampfes vorgetragenen Vertrauensverlust − ""eine plausible Motivation für eine Ausgrenzung und Diskriminierung"" der Klägerin durch den Oberbürgermeister für möglich gehalten hatte. Bei dieser Sachlage durfte eine zusammenfassende Betrachtung des Gesamtverhaltens nicht unterbleiben. 25 Dies gilt umso mehr, als auch nach Auffassung des Berufungsgerichts jedenfalls einzelne der vorgetragenen Maßnahmen zu beanstanden waren. Dass die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf amtsangemessene Beschäftigung über einen erheblichen Zeitraum nicht erfüllt und sie so in ihren Rechten verletzt hat, stellt die Berufungsentscheidung nicht in Abrede. Ob die Beklagte ""die Nichtübertragung adäquater Aufgaben in einem Mobbingzusammenhang als Mittel eingesetzt [hat], um die Klägerin zu schikanieren"" (UA S. 23), kann daher nicht in isolierter Betrachtung, sondern nur durch eine angemessene Gesamtschau aller Maßnahmen beurteilt werden. 26 Widersprüchlich erscheint vor diesem Hintergrund auch die Annahme, dass aus dem Fehlen einer qualitativ und quantitativ ausreichenden Zuweisung von Arbeitsaufgaben (UA S. 23) nicht auf eine beim Oberbürgermeister vorhandene Diskriminierungsabsicht geschlossen werden könne. Maßgeblich wäre vielmehr die Betrachtung gewesen, ob die geschilderten Maßnahmen in einer Zusammenschau und bei Berücksichtigung der auch vom Berufungsgericht für plausibel gehaltenen Schikanemotivation als Verletzung der Fürsorgepflicht zu bewerten sind. 27 Auch soweit das Berufungsgericht darauf verwiesen hat, die Inanspruchnahme zulässiger Verteidigungsmöglichkeiten und Einreden durch die Beklagte im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung vor dem Verwaltungsgericht stelle kein rechtswidriges Verhalten dar und könne daher nicht als missbräuchlich bewertet werden, wird deutlich, dass die Möglichkeit einer Schikaneabsicht nicht ernsthaft erwogen worden ist. Wieso das Befangenheitsgesuch im Rahmen des von der Klägerin betriebenen Vollstreckungsverfahrens nicht auf Verschleppungsabsichten zurückgeführt werden könne − wie das Berufungsgericht ausführt (UA S. 24) − bleibt im Übrigen offen. 28 Entsprechendes gilt für die Betrachtung der Zuweisung eines Dienstzimmers, dessen sicherheitsrechtliche Bedenken bekannt waren. 29 b) Auch soweit das Berufungsgericht dem Anspruch der Klägerin die unterlassene Anwendung von Rechtsmitteln entsprechend § 839 Abs. 3 BGB entgegengehalten hat, geht es von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben aus. 30 Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die in § 839 Abs. 3 BGB für Fälle der Amtshaftung getroffene Regelung als Ausprägung des Mitverschuldensprinzips auch für den beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch Anwendung findet. In ihr kommt zugleich der Grundsatz vom Vorrang des Primärrechtsschutzes zum Ausdruck. Bei rechtswidrigem Handeln des Staates ist der Betroffene gehalten, zunächst die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Abhilfe in Anspruch zu nehmen (kein ""dulde und liquidiere""). Ein Anspruchsverlust tritt jedoch nur durch den Nichtgebrauch von zumutbaren und erfolgversprechenden Rechtsmitteln ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2022 - 2 C 4.21 - NVwZ 2023, 609 Rn. 34 m. w. N.). 31 Im Hinblick auf die von der Klägerin gerügte nicht amtsangemessene Beschäftigung war sie daher gehalten, (Primär-)Rechtsmittel zur Abwendung des beanstandeten Verhaltens zu ergreifen. Hierzu gehört auch die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 2 C 30.15 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 Nr. 78 Rn. 30), von der die Klägerin Gebrauch gemacht hat. Auf ihren Antrag hin hat das Verwaltungsgericht die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Klägerin amtsangemessen zu beschäftigen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. 32 Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt die nicht ordnungsgemäße Ausschöpfung der Möglichkeit, Vollziehungsmaßnahmen aus dieser einstweiligen Anordnung zu ergreifen, nicht zum Anspruchsverlust entsprechend § 839 Abs. 3 BGB. Eine Beamtin, die eine gerichtliche Verfügung gegen ihren Dienstherrn erwirkt hat, darf darauf vertrauen, dass dieser der Anordnung des Gerichts Folge leisten wird. Es ist ihr nicht zuzumuten, über die Beschreitung vorläufigen Rechtsschutzes hinaus auch Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihren Dienstherrn einzuleiten, um dem Vorwurf unterlassener Rechtsbehelfe bei der Geltendmachung von Sekundäransprüchen zu entgehen. Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung trägt weder der Verpflichtung des öffentlich-rechtlichen Dienstherrn zu rechtstreuem Verhalten noch der gegenseitigen Treueverpflichtung im Beamtenverhältnis hinreichend Rechnung. 33 Dem entspricht, dass bei der Prüfung der Zumutbarkeit von Rechtsmitteln in ""Mobbing""-Konstellationen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berücksichtigt werden muss, dass bei Einlegung von Rechtsbehelfen eine Verschlechterung der gegenwärtigen Situation zu befürchten sein kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. August 2002 - III ZR 277/01 - NJW 2002, 3172 <3174> und vom 30. Juni 2016 - III ZR 316/15 - NVwZ-RR 2016, 917 Rn. 2). 34 2. Das Berufungsgericht hat seine tatsächlichen Feststellungen unter Verstoß gegen die hierfür geltenden Verfahrensregelungen getroffen. 35 a) Den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gestellten Antrag, zum Beweis der Tatsache, dass der Oberbürgermeister der Beklagten die Verlautbarung des Personalrats vor deren Erscheinen am 12. Dezember 2015 in der Presse gekannt habe, die benannten Personalratsmitglieder als Zeugen zu vernehmen, hat das Berufungsgericht wegen mangelnder Entscheidungserheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsachen abgelehnt. Angesichts der vom Oberbürgermeister artikulierten Ablehnung eines Führens der Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit könne das Versäumnis, die Persönlichkeitsrechte der Klägerin mit hinreichendem Nachdruck zu verteidigen, ""nicht für sich genommen, sondern nur in Verbindung mit anderen Handlungsweisen − an denen es indes fehlt − geeignet [sein], auf ein 'Mobbing' hinzuweisen"" (UA S. 27). 36 Diese Erwägung trägt die unterstellte Unerheblichkeit der Beweistatsache nicht. Denn nach der Begründung des Berufungsgerichts ist es nicht ausgeschlossen, dass die unter Beweis gestellte Tatsache, wenn sie erwiesen wäre, die Entscheidung des Gerichts beeinflussen könnte. Die Ablehnung des Beweisantrags darf aber nicht dazu führen, dass aufklärbare, zugunsten eines Beteiligten sprechende Umstände der gebotenen Gesamtabwägung im Rahmen der Beweiswürdigung entzogen werden (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2004 - 2 StR 156/04 - NJW 2005, 1132 <1133> zu § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO). 37 Das Berufungsgericht geht mit der gegebenen Begründung selbst davon aus, dass der unter Beweis gestellten Tatsache Erheblichkeit für die zu entscheidende Frage zukommen kann, ob eine Fürsorgepflichtverletzung durch ""Mobbing"" vorliegt. Damit besteht ein Zusammenhang zwischen dem zu beurteilenden Sachverhalt und der unter Beweis gestellten Tatsache (vgl. Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 70). Warum es an anderen, auf ein ""Mobbing"" des Oberbürgermeisters hinweisenden Handlungsweisen fehlen sollte, führt das Berufungsgericht nicht aus. Diese Frage ist indes − auch auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts (vgl. UA S. 19) − anhand einer Gesamtschau der beanstandeten Handlungen zu beurteilen. Sie kann daher nicht vorab, bezogen auf eine einzelne Maßnahme, verneint werden, sondern bedarf einer zusammenfassenden Gesamtschau. Die Ablehnung weiterer Ermittlungen zieht deshalb eine vorweggenommene Beweiswürdigung der Fragen nach sich, die erst im Rahmen einer Gesamtschau beurteilt werden können. Sie hätten vom Berufungsgericht aufgeklärt werden müssen, um die Voraussetzungen für eine angemessene Würdigung der Verhaltensweisen des Oberbürgermeisters zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2021 - 6 B 48.20 - Buchholz 402.44 VersammlG Nr. 24 Rn. 18). 38 Die Ablehnung des Beweisantrags kann folglich nicht auf die in Anspruch genommene fehlende Entscheidungserheblichkeit gestützt werden und ist fehlerhaft. Das angegriffene Berufungsurteil beruht deshalb auch auf einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hierzu gehört auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines solchen Beweisangebotes verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerfG, Beschlüsse vom 30. Januar 1985 - 1 BvR 393/84 - BVerfGE 69, 141 <143 f.> und vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <311>). 39 b) Auch die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gestellten Antrags, zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin u. a. aufgrund ihrer amtsunangemessenen Beschäftigung erkrankt ist, ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen und die benannten Ärzte als sachverständige Zeugen zu vernehmen, entspricht nicht dem geltenden Verfahrensrecht. 40 Dies folgt bereits daraus, dass die im Protokoll der mündlichen Verhandlung gegebene Begründung und die im Berufungsurteil ausgewiesenen Gründe nicht identisch sind. Während die Sitzungsniederschrift − ohne weitere Begründung − auf eine ""mangelnde Entscheidungserheblichkeit"" verweist, ist im Berufungsurteil ausgeführt, die beantragte Beweiserhebung sei nicht geeignet gewesen, den erforderlichen Kausalitätsnachweis zu erbringen. Auch im Falle der Bestätigung der von der Klägerin vorgebrachten Behauptung stünde nicht fest, dass die nicht amtsangemessene Verwendung die Erkrankung auch ohne die weiteren Umstände hervorgerufen hätte (UA S. 29). 41 Damit sind die Grundsätze des Kausalitätsmaßstabs nicht zutreffend erfasst. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Voraussetzung für die Geltendmachung eines beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs, dass die Rechtsverletzung adäquat kausal für den Schadenseintritt war (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 15. November 2022 - 2 C 4.21 - NVwZ 2023, 609 Rn. 9 m. w. N.). Liegen mehrere Ursachen vor, ist grundsätzlich jede von ihnen als wesentliche (Mit-)Ursache anzusehen, wenn sie annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolgs hat (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2019 - 2 A 6.18 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 33 Rn. 17). Diesen Maßstäben entspricht die Auffassung des Berufungsgerichts nicht. Es verlangt eine - alleinige - Ursache, indem die Anforderung aufgestellt wird, dass die nicht amtsangemessene Verwendung ""die Erkrankung auch ohne die weiteren Umstände hervorgerufen hätte"" (UA. S. 29). 42 Ein − jedenfalls mitursächlicher − Zusammenhang der mit dem Dienstposten ""verbundenen Einschränkungen der persönlichen fachlichen Entfaltungs- und Wirkungsmöglichkeiten"" und der Erkrankung der Klägerin ist in der amtsärztlichen Stellungnahme vom 5. Juli 2016 − ausweislich der im angegriffenen Berufungsurteil enthaltenen Feststellungen (UA S. 29) − bescheinigt. 43 3. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 44 Eine unmittelbare Entscheidung in der Sache selbst scheidet aus, weil es weiterer Sachverhaltsaufklärung bedarf und die abschließende Würdigung des Gesamtgeschehens den Tatsachengerichten vorbehalten ist." bverwg_2023-25,28.03.2023,"Pressemitteilung Nr. 25/2023 vom 28.03.2023 EN Kein Zugang einer Nichtregierungsorganisation und ihres ""Infobusses für Flüchtlinge"" zu Aufnahmeeinrichtungen ohne vorherige Mandatierung Eine Nichtregierungsorganisation, die Asylverfahrensberatung durchführt, hat keinen Anspruch auf Zugang ihres Beratungspersonals und Zufahrt eines als Beratungsraum genutzten Busses zu Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende, um dort eine nicht zuvor angefragte Asylverfahrensberatung anzubieten. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger begehrt für seinen ""Infobus für Flüchtlinge"" und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Zufahrt und den Zugang zu den oberbayerischen Aufnahmeeinrichtungen des beklagten Freistaats Bayern, um Asylsuchende zu beraten. Der Beklagte hat im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht klargestellt, dass er den beratenden Personen den Zugang nicht verweigere, soweit diese ähnlich einem ""mandatierten Rechtsanwalt"" konkret von einem Asylsuchenden zur Beratung angefragt worden seien. Die hinsichtlich eines unmandatierten Zugangs und der Buszufahrt fortgeführte Klage hatte in erster Instanz teilweise Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat sie hingegen insgesamt abgewiesen. Der Beklagte habe den anlasslosen Zugang des Beratungspersonals und die Zufahrt mit dem Infobus rechtsfehlerfrei versagt. Ein darauf gerichteter Anspruch des Klägers ergebe sich insbesondere weder aus der Regelung über die Asylverfahrensberatung in § 12a AsylG (Fassung bis 31. Dezember 2022) noch aus Art. 18 Abs. 2 Buchst. c der Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU). Das in der Richtlinie normierte Zugangsrecht sei von einer vorherigen Beauftragung durch einen Asylsuchenden abhängig. Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der geltend gemachte Zugangsanspruch besteht weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht; damit kann auch die Zufahrt des Infobusses nicht beansprucht werden. Der nach Ergehen des Berufungsurteils zum 1. Januar 2023 neugefasste § 12a AsylG sieht zwar nunmehr eine behördenunabhängige, staatlich geförderte Asylverfahrensberatung vor. Er umfasst indes auch aktuell jedenfalls keinen von vorheriger Mandatierung unabhängigen Anspruch von Trägern der Asylverfahrensberatung auf Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen. Einen solchen Anspruch kann der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht aus einer bisherigen Verwaltungspraxis in Verbindung mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes oder aus dem Gebot der Gleichbehandlung mit anderen zugangsberechtigten Organisationen herleiten. Unionsrechtlich gewähren weder die Asylverfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) noch Art. 18 Abs. 2 Buchst. c der Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU) Rechtsberatern und entsprechenden Nichtregierungsorganisationen einen Anspruch auf Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen ohne vorherige Beauftragung durch einen Asylsuchenden. Der nach der letztgenannten Regelung sicherzustellende Zugang von Rechtsbeiständen oder Beratern und einschlägig tätigen nationalen und internationalen Organisationen, um den Antragstellern zu helfen, setzt nach Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Norm den zuvor durch einen bestimmten Asylsuchenden geäußerten Beratungswunsch voraus. Die effektive Wahrnehmung der Beratungsmöglichkeit wird dadurch nicht unangemessen erschwert. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf erneute Entscheidung über sein Zugangsbegehren. Die ablehnende Entscheidung des Beklagten, der die Zugangspraxis u.a. mit dem Ruhebedürfnis und den Sicherheitsinteressen der in einer Aufnahmeeinrichtung untergebrachten Asylsuchenden begründet hat, weist keinen Ermessensfehler auf. BVerwG 1 C 40.21 - Urteil vom 28. März 2023 Vorinstanzen: VGH München, VGH 5 BV 19.2245 - Urteil vom 29. Juli 2021 - VG München, VG M 30 K 18.876 - Urteil vom 06. Juni 2019 -","Urteil vom 28.03.2023 - BVerwG 1 C 40.21ECLI:DE:BVerwG:2023:280323U1C40.21.0 EN Kein Anspruch einer im Asylverfahren rechtsberatend tätigen Nichtregierungsorganisation auf Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen ohne vorherige Mandatierung Leitsatz: Weder § 12a AsylG noch Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU vermitteln einer Nichtregierungsorganisation, die Asylverfahrensberatung durchführt, einen Anspruch auf Zugang ihres Beratungspersonals und Zufahrt eines als Beratungsraum genutzten Busses (""Infobus für Flüchtlinge"") zu Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende, um dort eine nicht zuvor angefragte Asylverfahrensberatung anzubieten. Rechtsquellen AsylG § 12a GG Art. 3 Abs. 1, Art. 5 EMRK Art. 10 RL 2013/32/EU Art. 8 Abs. 2, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 bis 22, Art. 23 Abs. 2, Art. 24 Abs. 3 RL 2013/33/EU Art. 5 Abs. 2, Art. 10 Abs. 4, Art. 18 Abs. 2 Buchst. b und c Instanzenzug VG München - 06.06.2019 - AZ: M 30 K 18.876 VGH München - 29.07.2021 - AZ: 5 BV 19.2245 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.03.2023 - 1 C 40.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:280323U1C40.21.0] Urteil BVerwG 1 C 40.21 VG München - 06.06.2019 - AZ: M 30 K 18.876 VGH München - 29.07.2021 - AZ: 5 BV 19.2245 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß und Böhmann und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp und Fenzl für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Juli 2021 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger ist eine Nichtregierungsorganisation, die Asylverfahrensberatung durchführt. Er begehrt für seinen ""Infobus für Flüchtlinge"" nebst Beratungspersonal den Zugang zu den oberbayerischen Aufnahmeeinrichtungen des Beklagten, um seine Beratungsleistungen Asylsuchenden anzubieten und diese bei Bedarf zu beraten. 2 Seit dem Jahr 2001 bieten der Kläger und Amnesty International im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts ""Infobus für Flüchtlinge"" eine kostenlose Beratung für Asylsuchende in Erstaufnahmeeinrichtungen in ... an. Der Bus, in dem die Beratung stattfindet, fährt die Aufnahmeeinrichtungen in der Regel ein- bis zweimal wöchentlich an. Die Modalitäten der Zufahrt und des Zugangs wurden mit den Verantwortlichen des Beklagten zeitweise und unterschiedlich festgelegt. Teilweise wurden Zufahrt und Zugang schlicht geduldet, teilweise fand und findet die Beratung auch vor den Aufnahmeeinrichtungen statt. 3 Als der Kläger sein Beratungsangebot im Jahr 2017 ausweiten wollte, teilte ihm die Regierung von Oberbayern per E-Mail mit, für den Infobus bestehe keine Einfahrtsberechtigung auf das Gelände der Einrichtung .... In zwei Telefonaten wurde dem Kläger erklärt, der Infobus solle auch zu den anderen Einrichtungen in Oberbayern keinen Zugang erhalten. 4 Auf die Bitte des Klägers um schriftliche Mitteilung und Begründung der Entscheidung teilte ihm die Regierung von Oberbayern mit Schreiben vom 8. Januar 2018 mit, aufgrund des Ruhebedürfnisses der Bewohnerinnen und Bewohner und aus sicherheitsrechtlichen Gründen, nicht zuletzt des Brandschutzes, sei der Zugang zu den Unterkünften reglementiert. Grundsätzlich werde Zugang nur den Personen gewährt, die in der Aufnahmeeinrichtung wohnten oder zu ihrem Betrieb beitrügen. Asylverfahrensberatung falle nicht unter die Angebote, die zwingend in den Unterkünften durchgeführt werden müssten. Den Asylsuchenden werde der Zugang zum Angebot des Infobusses gewährt. An sämtlichen Unterkünften bestehe die Möglichkeit, in fußläufiger Entfernung auf öffentlichem Grund zu parken. Es könne Informationsmaterial ausgelegt und auf das Angebot sowie den jeweils aktuellen Standort des Infobusses hingewiesen werden. Auch die Asylsozialberatung und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Regierung Oberbayern wiesen auf das Angebot hin. 5 Der Kläger hat daraufhin Klage erhoben und sich unter anderem auf Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU berufen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Beklagte klargestellt, dass sich die erklärte Zugangsverweigerung nur auf den Fall des ""anlasslosen"" Zugangs ohne vorherige ""Mandatierung"" beziehe. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Infobusses einschließlich der sie begleitenden Dolmetscher werde ähnlich einem mandatierten Rechtsanwalt dann Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen gewährt, wenn ein Asylsuchender sie konkret zur Beratung angefragt habe. In diesem Fall werde für die Beratung eine Räumlichkeit zur Verfügung gestellt. In Bezug auf die Fallkonstellation der vorherigen Mandatierung haben die Beteiligten sodann den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. 6 Die im Übrigen aufrecht erhaltene Klage hatte teilweise Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass das sich aus den verschiedenen Äußerungen des Beklagten ergebende ""Zugangsverbot"" für den Infobus und dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern rechtswidrig sei, und den Beklagten verurteilt, über das Begehren auf Zugang zu ""anlassunabhängiger Asylverfahrensberatung"" zu den vom Kläger genannten Aufnahmeeinrichtungen des Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. 7 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 29. Juli 2021 die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Anschlussberufung des Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zufahrt des Infobusses und Zugang der beratenden Personen zu den Aufnahmeeinrichtungen ohne vorausgegangenen Beratungswunsch eines Asylsuchenden. Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus § 12a AsylG (a. F.). Die darin vorgesehene individuelle Asylverfahrensberatung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) oder durch Wohlfahrtsverbände umfasse nicht die Rechtsberatung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes. Der Kläger sei auch kein Wohlfahrtsverband im Sinne der Vorschrift, da er nicht zu den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege zähle. Angesichts des Wortlauts und der amtlichen Begründung vermittele § 12a AsylG zudem allenfalls Asylsuchenden, nicht aber den Verbänden einen Anspruch auf Asylverfahrensberatung. Jedenfalls gewährleiste die Regelung kein anlassloses Zugangsrecht. Die Entscheidung, den Zugang nur dann zu gewähren, wenn ein Asylsuchender den Kläger mandatiert habe, und im Übrigen den Zugang nur solchen Organisationen zu eröffnen, bei denen soziale Aspekte im Vordergrund stünden, sei nicht zu beanstanden. Ein Zugangsanspruch des Klägers folge auch nicht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Art. 2 Abs. 1 GG begründe im Regelfall keine Leistungsansprüche. 8 Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU gewährleiste ebenfalls kein Recht auf anlasslosen Zugang. In der Richtlinie sei ein Stufenkonzept angelegt, das auf der ersten Stufe die Bereitstellung von Informationen, auf der zweiten Stufe gemäß Art. 18 Abs. 2 Buchst. b die Kontaktaufnahme und auf der dritten Stufe nach Art. 18 Abs. 2 Buchst. c den Zugang regele. Der Zugang sei nur denjenigen Personen und Organisationen zu ermöglichen, mit denen der einzelne Asylsuchende zuvor Kontakt aufgenommen habe und deren Unterstützung er wünsche. Der Wortlaut des Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU, wonach den genannten Personen und Organisationen Zugang gewährt werde, ""um den Antragstellern zu helfen"", spreche dafür, dass ein Zugangsrecht nur bestehe, soweit sich der Antragsteller helfen lassen wolle. Nach Art. 19 RL 2013/32/EU müssten die Mitgliedstaaten in erstinstanzlichen Verfahren nur ""auf Antrag"" gewährleisten, dass die Antragsteller unentgeltlich rechts- und verfahrenstechnische Auskünfte erhalten. Zudem schließe das in Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU enthaltene Zugangsrecht kein Recht auf Zufahrt mit einem Kraftfahrzeug ein. Die Zufahrt sei auch nicht erforderlich, weil der Beklagte zugesagt habe, im abgesprochenen Rahmen Räumlichkeiten für die Beratung zur Verfügung zu stellen. Art. 18 RL 2013/33/EU verleihe schließlich allenfalls den Antragstellern Rechte, nicht aber dritten Personen und Organisationen. Der unionsrechtlich verankerte Anspruch der Antragsteller auf Beratung werde nicht verkürzt. 9 Es bestehe auch kein Anspruch auf erneute Entscheidung über das Begehren auf Zugang ohne Mandatierung. Statthaft sei (auch) insoweit die allgemeine Leistungsklage, in deren Rahmen das bei der Ausübung des Hausrechts bestehende weite Ermessen des Beklagten auf Ermessensfehler zu überprüfen sei. Solche Ermessensfehler lägen nicht vor. Das Bestreben des Beklagten, eine einheitliche Zugangsregelung zu schaffen und den Zugang zu den Einrichtungen zwecks Aufrechterhaltung der Sicherheit und zum Schutz der Asylsuchenden und ihres Ruhebedürfnisses auf ein Minimum zu beschränken, sei nicht zu beanstanden. Die unterschiedliche Behandlung von Nichtregierungsorganisationen, die - wie der Kläger - Asylverfahrens- und Rechtsberatung anböten und anderen Nichtregierungsorganisationen und Wohlfahrtsverbänden, die Hilfsangebote für vulnerable Personen machten, verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Asylverfahrensberatung könne regelmäßig außerhalb der Aufnahmeeinrichtung erfolgen. Soweit vulnerable Personen eine Asylverfahrensberatung begehrten, sei dies durch die Möglichkeit des mandatierten Zugangs ausreichend gesichert. Aufgrund der verschiedenen Anlässe und Formen der Zugangsgewährung habe sich auch kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in die Möglichkeit des anlasslosen Zugangs herausbilden können. Schließlich habe sich der Beklagte zurecht auf die ansonsten drohende Bezugsfallproblematik berufen. 10 Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 12a AsylG, Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 3 GG, Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 10 EMRK. Er macht geltend, die individuelle Verfahrensberatung nach § 12a AsylG umfasse jedenfalls nach der zwischenzeitlich in Kraft getretenen Neufassung der Vorschrift eine unentgeltliche Rechtsberatung im Sinne der Art. 20 und Art. 21 RL 2013/32/EU. Die Asylverfahrensberatung sei auch nicht auf die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege beschränkt. § 12a AsylG begründe zugunsten der behördenunabhängigen Träger der Asylverfahrensberatung einen Anspruch auf anlasslosen Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen. Auch Art. 3 GG gebiete es, dem Kläger den begehrten Zugang zu ermöglichen. Es gebe keinen sachlichen Grund, zwischen dem Zugang der Mitarbeiter des Infobusses und dem Zugang der Mitarbeiter konkurrierender Wohlfahrtsverbände zu differenzieren. Da die Asylverfahrensberatung gemäß § 12a AsylG a. F. in Bayern (bislang) dem Bundesamt vorbehalten und ein Verstoß hiergegen förderschädlich sei, beschränke sich die Beratung der Spitzenverbände auf eine reine Sozialberatung und den Verweis auf Rechtsanwälte und Angebote anderer Organisationen. Die bestehende Beratungslücke könne der Kläger durch sein Beratungsangebot schließen. Das Urteil verletze ihn zudem in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG. Als juristische Person habe er das Recht, zu jedermann Kontakt aufzunehmen; dieses Recht werde ihm durch die Hausordnung und die Zugangspraxis des Beklagten verwehrt. Das Berufungsurteil verletze schließlich Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU. Die unmittelbar anwendbare Regelung gewährleiste den räumlichen Zugang zur Aufnahmeeinrichtung. Das Erfordernis einer vorhergehenden Kontaktaufnahme lasse sich der Richtlinie nicht entnehmen. Asylsuchende müssten sich effektiv beraten lassen können. Ein Zugangsrecht ergebe sich auch aus dem Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 10 EMRK, der die Informationstätigkeit der klägerischen Mitarbeiter umfasse. 11 Selbst wenn ein Anspruch auf Zugang verneint werde, könne das Hausrecht des Beklagten die Zugangsverweigerung nicht rechtfertigen. Es greife in verfassungsrechtliche Rechtspositionen ein und beschränke das Recht auf Kommunikation und körperliche Begegnung in unverhältnismäßiger Weise. Die geänderte Zugangspraxis verstoße gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und gegen das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 GG. Eine ernsthafte Ruhestörung oder Sicherheitsgefährdung habe der Beklagte nicht belegt. 12 Der Beklagte verteidigt das Berufungsurteil. II 13 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, dass der Kläger keinen Anspruch auf Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen hat, um dort untergebrachten Asylsuchenden ohne vorherige Mandatierung eine Beratung anzubieten, steht im Ergebnis im Einklang mit revisiblem Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht dem Kläger auch einen Anspruch auf erneute Entscheidung über sein Begehren versagt, weil die ablehnende Entscheidung des Beklagten keinen Ermessensfehler erkennen lässt. Die Klage ist daher insgesamt unbegründet. 14 1. Die Klage ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist das Klagebegehren allerdings nicht mit der allgemeinen Leistungsklage, sondern mit der Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage zu verfolgen (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO). Der Senat legt das Klagebegehren dahin aus, dass der Kläger eine rechtsverbindliche, grundsätzlich positive Entscheidung des Beklagten über die Gewährung des Zugangs (einschließlich der Zufahrt des Infobusses) zu den im Klageantrag erwähnten oberbayerischen Aufnahmeeinrichtungen begehrt. Der jeweiligen Ermöglichung des Zugangs als Realakt geht damit ein Verwaltungsakt i. S. v. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG voraus. Denn als Rechtsgrundlage für das geltend gemachte Zugangsbegehren kommt zumindest auch eine Eröffnung des Zugangs aufgrund des Hausrechts nach Ermessen in Betracht. Eine Ermessensausübung erfolgt aber regelmäßig im Rahmen eines Verwaltungsakts. Für den auch vom Verwaltungsgerichtshof nachrangig geprüften Anspruch auf erneute Entscheidung kommt ohnehin nur die Verpflichtungsklage (in Form der Bescheidungsklage, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) in Betracht. 15 Dem entspricht, dass bereits die namentlich durch das Schreiben des Beklagten vom 8. Januar 2018 erklärte Zugangsverweigerung eine verbindliche Regelungswirkung nach außen besitzen sollte und damit als Verwaltungsakt zu werten ist. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der Beklagte bestrebt, eine ""einheitliche Zugangsregelung"" zu schaffen. Das Schreiben war Reaktion auf die - als Antrag zu wertende - Bitte des Klägers, für den Fall des Festhaltens an der Entscheidung, dem ""Infobus für Flüchtlinge"" den Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen zu verweigern, eine schriftliche Mitteilung nebst Begründung der Entscheidung zu erhalten (Schreiben vom 28. November 2017). Diese zielte erkennbar auf eine verbindliche Entscheidung und damit auf einen Verwaltungsakt. Dass das Schreiben des Beklagten nicht in die Form eines Verwaltungsakts gekleidet ist und insbesondere weder Tenor noch Rechtsmittelbelehrung enthält, ändert an diesem Ergebnis nichts. 16 Der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es nach § 68 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 VwGO i. V. m. Art. 12 Abs. 2 BayAGVwGO nicht. Die am 23. Februar 2018 erhobene Klage war auch nicht verfristet. Mangels Rechtsbehelfsbelehrung hat die Klagefrist nach § 74 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 VwGO nicht zu laufen begonnen (§ 58 Abs. 1 VwGO). Vielmehr war die Erhebung der Klage nach § 58 Abs. 2 VwGO innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung zulässig. 17 2. Die Vornahmeklage ist nicht begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Einklang mit Bundesrecht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Zugang seines Beratungspersonals und Zufahrt des Infobusses ohne vorherigen Beratungswunsch eines Asylsuchenden hat. Ein solcher Anspruch besteht weder nach nationalem Recht (2.1), noch ergibt er sich (unmittelbar) aus dem Unionsrecht (2.2). 18 Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung des vom Kläger geltend gemachten Zugangsanspruchs ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Rechtsänderungen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung eintreten, sind im Revisionsverfahren zu berücksichtigen, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte. Da über eine Verpflichtungs- oder Leistungsklage regelmäßig und so auch hier nach dem aktuell geltenden Recht zu entscheiden ist, hätte der Verwaltungsgerichtshof, wenn er jetzt entschiede, die im Revisionsverfahren eingetretenen Rechtsänderungen zu berücksichtigen gehabt. Für die rechtliche Beurteilung des geltend gemachten Zugangsanspruchs ist deshalb (u. a.) auf das Asylgesetz in seiner aktuellen Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das am 1. Januar 2023 in Kraft getretene Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren vom 21. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2817) abzustellen. Damit ist namentlich § 12a AsylG in seiner durch dieses Gesetz geänderten Fassung in rechtlicher Hinsicht maßgeblich. Für die Sachlage ist hingegen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts abzustellen. 19 2.1 a) § 12a AsylG in der auf den Rechtsstreit nunmehr anwendbaren, aktuellen Fassung begründet den hier geltend gemachten Zugangsanspruch nicht. Das angegriffene Urteil beruht deshalb nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht, auch wenn das Berufungsgericht seiner Entscheidung - aus damaliger Sicht zutreffend, aber nunmehr objektiv rechtsfehlerhaft - die Vorschrift in der ursprünglichen, durch das Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1294) geschaffenen Fassung (§ 12a AsylG a. F.) zugrunde gelegt hat. 20 Während § 12a AsylG a. F. eine primär durch das Bundesamt durchgeführte, staatliche und zugleich unabhängige Asylverfahrensberatung vorgesehen hat, sollte mit der Neufassung der Vorschrift eine Asylverfahrensberatung durch nichtstaatliche Träger flächendeckend eingeführt werden. § 12a Abs. 1 Satz 1 AsylG sieht hierzu vor, dass der Bund eine behördenunabhängige, ergebnisoffene, unentgeltliche, individuelle und freiwillige Asylverfahrensberatung fördert. Die Förderung setzt den Nachweis bestimmter Anforderungen zur Sicherstellung der Qualität voraus (§ 12a Abs. 1 Satz 2 AsylG). 21 Nach § 12a Abs. 2 AsylG umfasst die Asylverfahrensberatung Auskünfte zum Verfahren und sie kann nach Maßgabe des Rechtsdienstleistungsgesetzes auch Rechtsdienstleistungen zum Gegenstand haben. Die zwischen den Beteiligten umstritten gewesene und vom Berufungsgericht verneinte Frage, ob Asylverfahrensberatung im Sinne des § 12a AsylG auch Rechtsberatung umfassen kann, hat der Gesetzgeber damit im positiven Sinn beantwortet. Dem steht nicht entgegen, dass Fachkräfte von Behörden nach der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60 - Asylverfahrensrichtlinie, RL 2013/32/EU) nur mit der Erteilung der in Art. 19 RL 2013/32/EU geregelten Rechts- und verfahrenstechnischen Auskünfte (vgl. Art. 21 Abs. 1 RL 2013/32/EU), nicht aber mit Rechtsberatung (vgl. Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2, Art. 22 RL 2013/32/EU) betraut werden dürfen (vgl. UA Rn. 51). Dieser Einwand ist mit der Herausnahme des Bundesamtes aus der ""unabhängigen"" Asylverfahrensberatung gemäß § 12a AsylG n. F. hinfällig geworden. Ist das Bundesamt an dieser Asylverfahrensberatung nicht mehr beteiligt, muss bei der Bestimmung ihres Umfangs jedenfalls nicht mehr auf (etwaige) Grenzen behördlicher Beratung nach der Asylverfahrensrichtlinie Rücksicht genommen werden. 22 Ein Anspruch des Klägers aus § 12a AsylG scheitert auch nicht daran, dass er nach Auffassung des Berufungsgerichts kein Wohlfahrtsverband im Sinne von § 12a AsylG a. F. ist. Ob hierzu nur die Verbände zählten, die zu den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossen sind (vgl. UA Rn. 52), kann dahinstehen, weil § 12a AsylG n. F. nur noch auf die Träger der Asylverfahrensberatung abstellt, die jedenfalls nicht von vornherein auf die Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege beschränkt sind (siehe auch BT-Drs. 20/4327 S. 22). 23 Ob Träger der Asylverfahrensberatung im Sinne von § 12a AsylG nur sein kann, wer nach dieser Vorschrift vom Bund gefördert wird, was den - hier bisher nicht erbrachten - vorherigen Nachweis der Zuverlässigkeit, der ordnungsgemäßen und gewissenhaften Durchführung der Beratung sowie von Verfahren zur Qualitätssicherung und -entwicklung voraussetzt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Ebenso kann dahinstehen, ob die Vorschrift subjektive Rechte für (potentielle) Träger der Asylverfahrensberatung auf Förderung oder Durchführung einer Asylverfahrensberatung begründet. Denn jedenfalls begründet § 12a AsylG keinen Anspruch der Beratenden auf Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende zu dem Zweck, dort in einer Art ""offenen Sprechstunde"" die Asylverfahrensberatung Asylsuchenden anzubieten, welche jene nicht zuvor angefragt haben. Dem Wortlaut der Norm ist (wie bereits der dem Berufungsurteil zugrundeliegenden Vorläuferfassung) ein derartiger Anspruch nicht zu entnehmen; die Frage des räumlichen Zugangs zu Aufnahmeeinrichtungen wird darin ebenso wenig angesprochen wie die für die Beratung - und erst recht die Kontaktaufnahme - in Betracht kommenden Örtlichkeiten überhaupt. 24 Die in § 12a Abs. 1 AsylG vorgesehene ""Förderung"" der behördenunabhängigen Asylverfahrensberatung durch den Bund impliziert nicht, dass der Bund den Zugang der Träger zu den Aufnahmeeinrichtungen ohne vorherige Mandatierung zu ermöglichen hätte. Der Begründung des Gesetzentwurfs ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass mit dem Begriff der Förderung eine finanzielle Unterstützung gemeint ist (BT-Drs. 20/4327 S. 22, 33). 25 Zur Frage eines Zugangs zu Aufnahmeeinrichtungen verhält sich diese Begründung (BT-Drs. 20/4327) an keiner Stelle. Auch aus der Entwurfsbegründung zu § 12a AsylG a. F. kann der Kläger im Ergebnis für den hier streitgegenständlichen Zugangsanspruch nichts herleiten. Danach sollen zwar für die Durchführung der Beratung den Wohlfahrtsverbänden grundsätzlich Räumlichkeiten und Sachmittel zur Verfügung gestellt sowie der Zugang zur Aufnahmeeinrichtung gewährleistet werden, soweit dies erforderlich ist. Dahinstehen kann, ob dies nicht ohnehin nur als ein Appell an die gemäß § 44 Abs. 1 AsylG zur Schaffung, Unterhaltung und näheren Ausgestaltung von Aufnahmeeinrichtungen für die Unterbringung Asylbegehrender verpflichteten Länder zu verstehen war. Für den hier geltend gemachten Anspruch auf Zugang zwecks Anbietens einer Asylverfahrensberatung gegenüber Asylsuchenden, die diese nicht zuvor angefragt haben, gibt diese Aussage jedenfalls nichts her. Denn die Bereitstellung von Räumlichkeiten und der Zugang zur Aufnahmeeinrichtung sollen gerade nur für die Durchführung der Beratung grundsätzlich gewährleistet werden, und auch nur, soweit dies erforderlich ist. Dies gesteht der Beklagte dem Kläger zu; er ermöglicht dessen Beratungspersonal den Zugang für die Durchführung der (zuvor angefragten) Beratung sogar unabhängig davon, ob dies im konkreten Fall erforderlich ist, und stellt hierfür auch Räumlichkeiten zur Verfügung. Die vorgelagerte Gewinnung von Interessenten wird von der Formulierung ""Durchführung der Beratung"" nicht zwingend mit umfasst. Etwas Weitergehendes ist einer effizienten Asylverfahrensberatung auch nicht zwangsläufig immanent. Diese kann vielmehr effektiv auch dann in Anspruch genommen werden, wenn die Beratung oder zumindest die Kontaktaufnahme außerhalb der Einrichtung erfolgt, wobei die Kontaktaufnahme nebst Terminvereinbarung zudem auch telefonisch erfolgen kann. Insofern ist ein Zugang ohne vorherige Mandatierung für die Durchführung der Beratung auch nicht erforderlich. 26 Lässt sich § 12a AsylG nach alledem kein Anspruch der Träger der Asylverfahrensberatung auf Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen zu dem Zweck entnehmen, dort Beratungsinteressenten zu gewinnen und diese dann zu beraten, kann auch eine Zufahrt des - als Beratungsraum dienenden - Infobusses hiernach nicht beansprucht werden. 27 b) Zutreffend hat das Berufungsgericht auch einen verfassungsrechtlich fundierten Anspruch auf den begehrten Zugang verneint. 28 aa) Ein solcher Anspruch ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus der durch Art. 5 Abs. 1 GG sowie Art. 10 EMRK geschützten Meinungsfreiheit. Zwar kann sich der Kläger als inländische juristische Person nach Art. 19 Abs. 3 GG auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen (vgl. Enders, BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 54. Edition, Stand: 15.02.2023, Art.  19 Rn. 42). Die Verweigerung des Zugangs zu den Aufnahmeeinrichtungen stellt indes schon keinen Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit dar. Diese umfasst jedenfalls keinen Anspruch auf Zutritt zu Orten, die dem Grundrechtsträger ansonsten nicht zugänglich wären. Die Meinungsäußerungsfreiheit ist vielmehr nur dort gewährleistet, wo dieser tatsächlich Zugang findet (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - [ECLI:​DE:​BVerfG:​2011:​rs20110222.1bvr069906], Fraport, NJW 2011, 1201 Rn. 98). In der Zutrittsverweigerung durch einen Träger öffentlicher Gewalt kann deshalb nur dann ein Eingriff in die Meinungsfreiheit liegen, wenn es sich um einen der Öffentlichkeit sonst allgemein zugänglichen Bereich handelt, wie es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 -, Fraport, NJW 2011, 1201 Rn. 98) im Falle eines Flughafens angenommen hat. 29 Aufnahmeeinrichtungen zur Unterbringung von Asylbewerbern sind keine allgemein zugänglichen öffentlichen Einrichtungen. § 44 Abs. 1 AsylG verpflichtet die Länder zu deren Schaffung und Unterhaltung. Bei der Ausgestaltung der Einrichtungen und der dazu bestehenden Zutrittsrechte haben die Länder ihre Schutzpflichten gegenüber den Grundrechten der Asylsuchenden zu beachten. Sie haben sicherzustellen, dass die Rechte der Asylsuchenden sowie die öffentliche Sicherheit und Ordnung in den Unterkünften gewahrt werden. Dies schließt eine öffentliche Zugänglichkeit aus. Dem entsprechen die begrenzten Zutrittsrechte nach der Hausordnung, welche die Regierung von Oberbayern als Inhaberin des Hausrechts für die Aufnahmeeinrichtungen erlassen hat. Eine in dem Werben für ein Beratungsangebot liegende kommunikative Nutzung entspricht regelmäßig nicht dem Widmungszweck der Aufnahmeeinrichtungen. 30 Das geltend gemachte Zugangsrecht folgt auch nicht aus Art. 10 EMRK und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die bei der Auslegung und Anwendung des deutschen Rechts zu berücksichtigen ist. Namentlich gibt das vom Kläger angeführte Urteil des Gerichtshofs vom 8. Oktober 2019 - Nr. 15428/16 - [ECLI:​CE:​ECHR:​2019:​1008JUD001542816] (NVwZ 2020, 1017) zur journalistischen Informationsbeschaffung in einem Flüchtlingslager für ein Zugangsrecht zwecks Anbietens einer zuvor nicht angefragten Asylverfahrensberatung nichts her. Die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit eines Journalisten erstreckt sich nach dieser Entscheidung grundsätzlich auch auf den Informationszugang, der Voraussetzung für eine fundierte Veröffentlichung ist; dieser Schutz reicht besonders weit, wenn der Berichtsgegenstand von öffentlichem Interesse ist. Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Ein - hier allenfalls in Rede stehendes - Zugangsrecht zu nicht allgemein zugänglichen Einrichtungen, um in der Einrichtung eine Meinung zu äußern, lässt sich mit dieser Entscheidung nicht begründen. 31 bb) Ein weitergehendes Zugangsrecht kann der Kläger auch aus der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit nicht herleiten. Der Kläger begehrt den für Externe nur ausnahmsweise eröffneten Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen, deren Widmungszweck seine allgemeine Handlungsfreiheit von vornherein beschränkt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2011 - 7 B 17.11 - juris Rn. 9). Aufnahmeeinrichtungen zur Unterbringung von Asylbewerbern sind - wie dargelegt - keine allgemein zugänglichen Einrichtungen. Daraus folgt, dass (jedenfalls für andere Personen als die Bewohner selbst) allein das Nichtvorhandensein oder die Aufhebung eines Hausverbots oder einer Zutrittsverweigerung die einen Zutritt begehrende Person noch nicht - allein kraft ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit - dazu berechtigt, die Einrichtung zu betreten. Vielmehr bedarf es einer positiven Zulassung. Wie das Berufungsgericht (UA Rn. 57) zutreffend erkannt hat, kann ein solcher Leistungsanspruch unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1 GG in aller Regel nicht hergeleitet werden. Für eine Ausnahme ist hier nichts ersichtlich. 32 c) Das dem Beklagten als Inhaber des Hausrechts bei der Zugangsgewährung eröffnete Ermessen ist nicht dahingehend auf Null reduziert, dass nur eine positive Entscheidung über das Begehren des Klägers rechtmäßig wäre. Eine derartige Ermessensreduzierung ist entgegen der Auffassung des Klägers weder unter dem Aspekt des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes (aa) noch unter dem Aspekt der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG, dazu bb) gegeben. 33 aa) Die tatsächliche Verwaltungspraxis kann sowohl aufgrund des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG, dazu bb) als auch aufgrund des im Rechtsstaatsprinzip verankerten Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 55 m. w. N.). Nach der zutreffenden Rechtsauffassung des Berufungsgerichts kann allerdings nur eine einheitliche Verwaltungspraxis ein schutzwürdiges Vertrauen in ihren Fortbestand begründen und ist eine Behörde selbst im Falle einer solchen einheitlichen Verwaltungspraxis nicht gehindert, diese für die Zukunft aus willkürfreien, sachlichen Gründen zu ändern (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 55). Unter beiden Aspekten hat das Berufungsgericht vorliegend einen Anspruch aus der bisherigen Verwaltungspraxis und dem Grundsatz des Vertrauensschutzes rechtsfehlerfrei verneint. Zum einen fehle es bereits an einer einheitlichen Verwaltungspraxis in der Vergangenheit. Eine einheitliche, einrichtungsübergreifende Regelung oder Absprache zwischen den Beteiligten sei nicht vorhanden gewesen. Der Kläger habe in einigen, nicht in allen Aufnahmeeinrichtungen im Zuständigkeitsbereich der Regierung von Oberbayern seit dem Jahr 2011 zeitweise mit dem Infobus auf das Gelände einer Aufnahmeeinrichtung fahren können, während in anderen Fällen die Beratung in Gemeinschaftsräumen, der Kantine oder vereinzelt in den Zimmern der Asylsuchenden durchgeführt worden sei. Teilweise habe die Beratung aber auch vor den Aufnahmeeinrichtungen stattgefunden (UA Rn. 93 f.). 34 An diese Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Senat in tatsächlicher Hinsicht gebunden, da der Kläger eine durchgreifende Verfahrensrüge insoweit nicht erhoben hat (§ 137 Abs. 2 VwGO). Sein Einwand, Ansprechpartner sei für ihn stets die Regierung von Oberbayern gewesen, stellt die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Fehlen einer einheitlichen positiven Zugangspraxis im Übrigen nicht in Frage. 35 Die selbstständig tragende Erwägung des Verwaltungsgerichtshofs, jedenfalls habe der Beklagte seine Verwaltungspraxis für die Zukunft in zulässiger Weise geändert, steht ebenfalls in Einklang mit Bundesrecht. Das Berufungsgericht hat es insoweit zutreffend als willkürfrei angesehen, dass der Beklagte seine Praxis dahingehend vereinheitlicht hat, einen Zugang ohne konkrete Anforderung nicht mehr zu ermöglichen, weil dem Ruhebedürfnis der Asylsuchenden und der Sicherheit der Einrichtung das höhere Gewicht beigemessen wird (UA Rn. 95). 36 bb) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit der allgemeinen Verwaltungspraxis zwingt ebenfalls nicht dazu, dem Kläger den begehrten Zugang ohne vorherige Beauftragung durch Asylsuchende zu ermöglichen. Eine sachwidrige Ungleichbehandlung des Klägers im Verhältnis zu anderen Organisationen und Beratern hat der Verwaltungsgerichtshof ohne Verletzung von Bundesrecht verneint. 37 Dass eine der Organisationen, die in der Einrichtung ständig präsent sind oder sonst anlasslos Zugang erhalten, in den Aufnahmeeinrichtungen (auch) Asylverfahrensberatung durchführt, ist den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zu entnehmen. Der Kläger hat zudem selbst mehrfach vorgetragen, die Wohlfahrtsverbände leisteten keine Asylverfahrensberatung; diese Lücke wolle er füllen. Insoweit ist mithin schon keine Ungleichbehandlung ersichtlich. 38 Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, gewährt der Beklagte allerdings Nichtregierungsorganisationen, Wohlfahrtsverbänden und (sonstigen) Ehrenamtlichen, die spezielle Hilfsangebote für typischerweise vulnerable Personengruppen anbieten, den nicht von einer vorherigen Beauftragung abhängigen Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen. Dies betreffe etwa den Adressatenkreis von psychosozialen Beratungen, Schwangerschaftsberatungen oder der Beratung von Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind. Ungeachtet des unterschiedlichen Adressatenkreises der Beratungsleistungen und der Beratungsinhalte wird der Kläger gegenüber diesen Organisationen jedenfalls insoweit ungleich behandelt, da seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ""anlasslose"" Zugang für sein Angebot der Asylverfahrens- und Rechtsberatung verwehrt wird. Diese Ungleichbehandlung ist indes sachlich gerechtfertigt. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht ein sachliches Differenzierungskriterium darin gesehen, dass sich die in den Aufnahmeeinrichtungen präsenten Angeboten an einen typischerweise vulnerablen Personenkreis richteten und dass hierbei zudem die Lebens- und Unterbringungsverhältnisse in der Einrichtung eine Rolle spielten. Im Unterschied dazu könne die Asylverfahrensberatung regelmäßig auch außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen durchgeführt werden. Vulnerable, nicht mobile Personen, könnten sich nach (z. B. telefonischer) Kontaktaufnahme mit dem Kläger in der Einrichtung beraten lassen. 39 2.2 Der Kläger hat auch unmittelbar aus dem Unionsrecht keinen Anspruch auf Zugang und Zufahrt zu den Aufnahmeeinrichtungen zu dem Zweck, dort Asylverfahrensberatung ohne vorherige Beratungsanfrage bestimmter Asylsuchender anzubieten. In Ermangelung entsprechender Anhaltspunkte vermag der Senat der Grundrechte-Charta (etwa Art. 11 Abs. 1 GRC) einen derartigen Anspruch ebenso wenig zu entnehmen wie den nationalen Grundrechten (dazu siehe oben). Auch im Sekundärrecht ist der geltend gemachte Zugangsanspruch nicht verankert. Weder gewährt die Asylverfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) in unmittelbarer Anwendung einen solchen Anspruch (a), noch kann sich der Kläger dafür auf eine unmittelbare Anwendung von Art. 18 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180 S. 96 - Aufnahmerichtlinie, RL 2013/33/EU) berufen (b). 40 a) Keine Regelung der Richtlinie 2013/32/EU verpflichtet die Mitgliedstaaten, Nichtregierungsorganisationen, die rechtsberatend tätig sind, ohne vorherige Beauftragung durch einen Antragsteller Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen zwecks Anbietens einer Asylverfahrensberatung zu gewähren. 41 Der Senat kann offenlassen, in welchem Verhältnis die in § 12a AsylG vorgesehene sowie die vom Kläger praktizierte Asylverfahrensberatung zu den unionsrechtlichen Vorgaben über die unentgeltliche Erteilung von Rechts- und verfahrenstechnischen Auskünften in erstinstanzlichen Verfahren (Art. 19 RL 2013/32/EU) und die unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung in Rechtsbehelfsverfahren sowie fakultativ auch in erstinstanzlichen Verfahren (Art. 20 Abs. 1 und 2 RL 2013/32/EU) stehen. Dass der nationale Gesetzgeber mit der Regelung über die behördenunabhängige unentgeltliche Asylverfahrensberatung in § 12a AsylG von der durch Art. 20 Abs. 2 RL 2013/32/RL eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, auch im Verwaltungsverfahren unentgeltliche Rechtsberatung zu gewähren, ist zumindest zweifelhaft. Denn angesichts des dann bewirkten Ausschlusses der Anwendbarkeit der Mindestregelung des Art. 19 RL 2013/32/RL (vgl. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 RL 2013/32/EU) dürfte dies voraussetzen, dass eine derartige unentgeltliche Rechtsberatung jedem Asylbewerber garantiert wird. Dies sollte aber offenbar nicht Regelungsinhalt des § 12a AsylG sein, denn nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollten Verfügbarkeit und mögliche Teilnahme keine Auswirkungen auf den Ablauf und das Ergebnis des Asylverfahrens haben (vgl. BT-Drs. 20/4327 S. 34). Denkbar ist daher auch, dass das in Art. 19 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 RL 2013/32/EU unionsrechtlich verpflichtend vorgegebene Mindestniveau an Beratung in Deutschland weiterhin durch den Staat sichergestellt werden soll (im Verwaltungsverfahren durch das Bundesamt gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 AsylG und im gerichtlichen Verfahren durch die Prozesskostenhilfe). Die nationale Regelung des § 12a AsylG wäre dann von den unionsrechtlichen Vorgaben unabhängig. Dies bedarf indes keiner abschließenden Klärung. Denn auch wenn es sich bei der vom Kläger angebotenen Asylverfahrensberatung um eine Rechtsberatung im Sinne von Art. 20 Abs. 1 und 2 RL 2013/32/EU handelte, gewährt diese Richtlinie den vom Kläger geltend gemachten Zugangsanspruch nicht. Dieser ist von den verschiedenen in der Verfahrensrichtlinie enthaltenen Zugangsregelungen nicht umfasst. 42 Nach Art. 23 Abs. 2 RL 2013/32/EU umfasst die Rechtsberatung den Zugang des Rechtsanwalts oder Rechtsberaters, der einen Antragsteller unterstützt oder vertritt, zum Zweck der Beratung des Antragstellers zu abgeschlossenen Bereichen, wie Gewahrsamseinrichtungen oder Transitzonen. Daraus kann der Kläger nichts für sein Begehren herleiten. Weder ist eine Aufnahmeeinrichtung ein ""abgeschlossener Bereich"", den die dort Untergebrachten nicht frei verlassen können, noch geht es dem Kläger um den danach allein zu gewährleistenden Zugang zu bestimmten Antragstellern, die ihn zuvor beauftragt haben. Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Zugangsregelungen in Art. 8 Abs. 2 RL 2013/32/EU (effektiver Zugang zu Antragstellern an Grenzübergangsstellen an den Außengrenzen, einschließlich Transitzonen) und Art. 29 Abs. 1 Buchst. a RL 2013/32/EU (Zugangsrecht des UNHCR) sind nicht erfüllt. 43 b) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat der Verwaltungsgerichtshof auch in der Aufnahmerichtlinie, namentlich in Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU, einen Anspruch auf Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen nach den begehrten Modalitäten nicht verankert gesehen. Art. 18 RL 2013/33/EU regelt die Modalitäten der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen. Absatz 1 bezeichnet die möglichen Räumlichkeiten der Unterbringung, die unter anderem in Unterbringungszentren erfolgen kann. Absatz 2 verpflichtet die Mitgliedstaaten in Bezug auf diese Unterbringung unter anderem, dafür Sorge zu tragen, dass Antragsteller die Möglichkeit haben, mit Verwandten, Rechtsbeistand oder Beratern, Personen, die den UNHCR vertreten, und anderen einschlägig tätigen nationalen und internationalen Organisationen sowie Nichtregierungsorganisationen in Verbindung zu treten (Buchst. b), und dass Familienangehörige, Rechtsbeistände oder Berater, Personen, die den UNHCR vertreten, und einschlägig tätige von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannte Nichtregierungsorganisationen Zugang erhalten, um den Antragstellern zu helfen (Buchst. c Satz 1). Der Zugang darf nur aus Gründen der Sicherheit der betreffenden Räumlichkeiten oder der Antragsteller einschränkt werden (Buchst. c Satz 2). 44 Zwar kann sich der Einzelne auf eine - gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV grundsätzlich der Umsetzung in nationales Recht bedürftige - Richtlinienbestimmung gegenüber dem Staat unmittelbar berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt hat und die Bestimmung inhaltlich unbedingt und hinreichend genau gefasst ist (stRspr, vgl. EuGH, Urteile vom 24. Januar 2012 - C-282/10 [ECLI:​EU:​C:​2012:​33], Dominguez - juris Rn. 33 und 38 m. w. N. und vom 6. November 2018 - C-619/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​872] - juris Rn. 20). Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ist Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/RL aber schon nicht zu entnehmen. Diese Regelung verpflichtet die Mitgliedstaaten jedenfalls nicht dazu, Rechtsberatern oder einschlägig tätigen Nichtregierungsorganisationen Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen zu gewähren, um (potentiell) allen dort untergebrachten Asylbewerbern ohne vorherige konkrete Beauftragung eine Asylverfahrensberatung anzubieten. 45 aa) Keiner abschließenden Entscheidung bedarf die Frage, ob der Kläger als ""Rechtsbeistand oder Berater"" oder jedenfalls als einschlägig tätige von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannte Nichtregierungsorganisation zu denjenigen zählt, denen nach Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU der Zugang ermöglicht werden muss, um den Antragstellern zu helfen. Dem dürfte nicht bereits entgegenstehen, dass der Kläger - ein eingetragener Verein - in dem für die Beurteilung der Sachlage maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung kein nach der noch nicht in Kraft befindlichen Neufassung des § 12a AsylG geförderter Träger der Asylverfahrensberatung war. § 12a AsylG verpflichtet den Bund nunmehr zu einer Förderung der behördenunabhängigen Asylverfahrensberatung. Diese Förderung ist an bestimmte Qualitätsvoraussetzungen geknüpft (§ 12a Abs. 1 Satz 2 AsylG). Das bedeutet für beratende Organisationen und Verbände, die diese Förderung nicht in Anspruch nehmen (wollen), indessen kein Verbot der Asylverfahrensberatung, sofern diese im Einklang mit der Rechtsordnung (insbesondere mit § 6 Abs. 2 des Rechtsdienstleistungsgesetzes - RDG) erbracht wird. 46 Offen bleiben kann auch, ob dem Erfordernis des ""einschlägigen"" Tätigseins der Organisation (siehe dazu auch Art. 5 Abs. 2 RL 2013/33/EU) und der Finalität des Zugangs ""um den Antragstellern zu helfen"" ein spezifischer Bezug zu den Regelungsgegenständen der Aufnahmerichtlinie innewohnt, sodass die beabsichtigte Hilfe bzw. Beratung die Aufnahmebedingungen während des Asylverfahrens und die in diesem Rahmen gewährten Vorteile zum Gegenstand haben muss (vgl. etwa Erwägungsgründe 11 und 31 der RL 2013/33/EU). Die in der Asylverfahrensrichtlinie getroffenen begrenzten Zugangsregelungen für beratende Personen und Organisationen wären dann hinsichtlich der eigentlichen Asylverfahrensberatung abschließend und würden insoweit nicht - hinsichtlich des Zugangs zu Aufnahmeeinrichtungen – durch Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU ergänzt. Dem Willen des Richtliniengebers dürfte ein solchermaßen beschränktes Verständnis des Zugangsrechts nach Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU allerdings nicht entsprechen. Im Vorschlag der Kommission für die ursprüngliche Aufnahmerichtlinie, der in Art. 16 Abs. 7 RL-Entwurf bereits eine derartige Zugangsregelung vorsah, die dann auch als Art. 14 Abs. 7 RL 2003/9/EG wirksam geworden ist, wurde zu deren Begründung nämlich ausgeführt: ""Asylbewerber sind auf den Kontakt zu ihrem Rechtsbeistand angewiesen, damit sie ihren Teil zur Prüfung des Asylantrags beitragen können. Der Rechtsbeistand sollte daher Zugang zu allen Unterbringungseinrichtungen erhalten. Auch der UNHCR und die einschlägigen Nichtregierungsorganisationen wünschen diesen Zugang"" (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten, KOM(2001) 181 endg. - 2001/0091(CNS)). Daraus wird deutlich, dass der in der Aufnahmerichtlinie geregelte Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen jedenfalls nach dem Willen des Richtliniengebers wohl (gerade) auch der Asylverfahrensberatung dienen sollte. Eine abschließende Klärung dieser Frage kann hier indes unterbleiben, weil sie aus den nachfolgenden Gründen nicht entscheidungserheblich ist. 47 bb) Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU begründet für Rechtsbeistände und Berater oder einschlägig tätige Nichtregierungsorganisationen jedenfalls keinen Anspruch auf Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen, um Asylsuchenden eine Asylverfahrensberatung anzubieten. 48 (1) Bereits der Wortlaut der Vorschrift spricht eher gegen ein derart weites Verständnis des zu ermöglichenden Zugangs. Danach müssen u. a. Berater und einschlägig tätige, anerkannte Nichtregierungsorganisationen Zugang erhalten, ""um den Antragstellern zu helfen"". Die Verwendung des bestimmten Artikels bei der Eingrenzung des Zugangszwecks (""den"" Antragstellern) deutet an, dass sich der Zugangswunsch auf bereits zuvor konkretisierte Antragsteller richten muss und die Vorschrift nicht auch eine Art ""werbende Präsenz"" mit Herstellung des Erstkontakts erst in der Einrichtung gewährleisten will. 49 (2) Die Entstehungsgeschichte der Regelung bestätigt das vorgenannte Verständnis. In der ursprünglichen Fassung der Aufnahmerichtlinie (RL 2003/9/EG) war die den Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen betreffende Regelung noch nicht im unmittelbaren Anschluss an die Regelung über die Verbindungsaufnahme bzw. Kommunikation (Art. 14 Abs. 2 RL 2003/9/EG) getroffen, sondern in einem Absatz 7, der auch die Familienangehörigen noch nicht einschloss, enthalten. Dieser bestimmte, dass ""Rechtsbeistände oder -berater von Asylbewerbern sowie Vertreter des Amtes des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen oder von diesem gegebenenfalls beauftragte und von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannte Nichtregierungsorganisationen"" Zugang zu den Aufnahmezentren und sonstigen Unterbringungseinrichtungen erhalten, um den Asylbewerbern zu helfen. Diese Formulierung machte das Erfordernis einer vorherigen Mandatierung noch deutlicher, weil die den Zugang begehrende Beratungsperson danach eindeutig bereits vor dem Zugang zu der Aufnahmeeinrichtung Rechtsbeistand oder -berater eines oder mehrerer bestimmter Asylbewerber gewesen sein musste. Die - bereits zitierte - Begründung des Richtlinienvorschlags der Kommission zu diesem Absatz (Art. 16 Abs.  7 RL-Entwurf, der Art. 14 Abs. 7 RL 2003/9/EG entspricht) bekräftigt dies, denn dort wird der Zugang des Rechtsbeistands damit begründet, dass Asylbewerber auf den Kontakt zu ""ihrem"" Rechtsbeistand angewiesen seien (s. o.). Das darin zum Ausdruck kommende Erfordernis einer vorherigen Mandatierung ist auf Rechtsberater und rechtsberatende Nichtregierungsorganisationen ohne Weiteres übertragbar. Demnach bezweckt der Zugang, den Antragstellern den Kontakt mit ""ihren"" Rechtsbeiständen oder Beratern zu ermöglichen; dies umfasst nicht auch die Möglichkeit, einen Rechtsbeistand oder Berater ohne vorherige Kontaktaufnahme in der Aufnahmeeinrichtung selbst zu finden. 50 Im Vorschlag der Kommission vom 3. Dezember 2009 für eine Neufassung der Aufnahmerichtlinie war die erwähnte Regelung - nunmehr in Art. 18 Abs. 7 - unverändert vorgesehen (Richtlinienvorschlag vom 3. Dezember 2009, KOM(2008) 815 endg.; 2008/0244/COD, S. 31). In dem geänderten Vorschlag für eine Neufassung dieser Richtlinie ist der Zugang dann unmittelbar hinter die Möglichkeit zur Kommunikation mit den dort Genannten gerückt und in Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU verankert worden. Die Umstellungen und Änderungen, zu denen auch die Streichung des Zusatzes ""von Asylbewerbern"" zählten, dienten ausweislich der Begründung der Kommission der Kohärenz und Vereinfachung. Dafür, dass damit der Zugang von rechtsberatenden Personen und Organisationen hätte erweitert werden sollen, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. 51 (3) Der vom Kläger begehrte ""anlasslose"" Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen ist nach dem Sinn und Zweck des Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU nicht erforderlich. Der Zugang der Rechtsbeistände, Berater und beratend tätigen anerkannten Nichtregierungsorganisationen zu Unterbringungseinrichtungen soll die - in Art. 18 Abs. 2 Buchst. b RL 2013/33/EU gewährleistete - Kontaktaufnahme der Asylsuchenden zu diesen Beratungspersonen ergänzen. Er bezweckt die Sicherstellung einer hinreichend wirksamen Möglichkeit, die ihnen garantierten Leistungen der Asylverfahrens- und Rechtsberatung in Präsenz in Anspruch zu nehmen. Dieser Leitgedanke der Effektivität der asylverfahrensrechtlichen Beratung liegt verschiedenen Regelungen des Sekundärrechts zugrunde (vgl. etwa Art. 5 Abs. 2 und 21. Erwägungsgrund RL 2013/33/EU sowie Art. 8 Abs. 2, Art. 12 Abs. 1 Buchst. c, Art. 20 Abs. 3 Unterabs. 3, Art. 23 Abs. 2, Art. 24 Abs. 3 und 4 und 25. Erwägungsgrund RL 2013/32/EU). Er erfordert nicht, es den Anbietern einer Asylverfahrensberatung zu ermöglichen, ihre Beratung in den Unterbringungseinrichtungen selbst offen anzubieten und ihnen damit den nicht zuvor auf bestimmte Asylsuchende, die eine Beratung angefragt haben, konkretisierten Zugang zu gewähren. Eine hinreichend effiziente Beratung wird vielmehr im Regelfall des Asylsuchenden ohne besonderen Schutzbedarf bereits dadurch ermöglicht, dass der Asylsuchende Informationen darüber erhält, welche Organisationen oder Personengruppen einschlägige Rechtsberatung leisten (Art. 5 Abs. 2 RL 2013/33/EU), dass er die Möglichkeit hat, mit diesen außerhalb der Aufnahmeeinrichtung oder über die modernen Kommunikationsmittel in Kontakt zu treten (Art. 12 Abs. 1 Buchst. c und 25. Erwägungsgrund der RL 2013/32/EU sowie ggf. Art. 18 Abs. 2 Buchst. b RL 2013/33/EU), und dass er sich anschließend außerhalb der Einrichtung oder gemäß der Zusage des Beklagten auch innerhalb derselben beraten lassen kann. Bei besonders schutzbedürftigen Asylsuchenden ist eine effektive Inanspruchnahme von Beratungsleistungen ebenfalls sichergestellt, ohne dass es eines ""anlasslosen"" Zugangsrechts der beratenden Personen oder Organisationen bedarf. Art. 24 Abs. 3 RL 2013/32/EU verpflichtet die Mitgliedstaaten bei Antragstellern, die besondere Verfahrensgarantien benötigen, sicherzustellen, dass diese angemessene Unterstützung erhalten, um die Rechte aus der Asylverfahrensrichtlinie in Anspruch nehmen zu können. Eine solche Hilfe bei der Kontaktaufnahme (fernmündlich oder schriftlich) kann etwa durch eine in der Einrichtung präsente Asylsozialberatung oder durch einen dem Antragsteller aufgrund seiner Schutzbedürftigkeit konkret zugeordneten Vertreter (vgl. für unbegleitete Minderjährige etwa Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a und b RL 2013/32/EU) geleistet werden. Die Garantie einer noch weitergehenden Vereinfachung im Sinne einer größtmöglichen Niederschwelligkeit des Zugangs zu Asylverfahrensberatung ist dem Sekundärrecht hingegen nicht zu entnehmen. 52 (4) Eine über den bezeichneten Sinn und Zweck hinausgehende, weite Auslegung des Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU lässt sich auch mit systematischen Erwägungen nicht begründen. Binnensystematisch legt schon der Umstand, dass Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU auch den Zugang von Familienangehörigen regelt, nahe, dass die gesamte Vorschrift sich auf den Zugang zu bestimmten, zuvor feststehenden Asylbewerbern bezieht. Diese personelle Zuordnung, die bei Familienangehörigen mit der familiären Beziehung i. S. v. Art. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU und dem Besuchswunsch des Asylsuchenden hergestellt ist, erfolgt bei den beratenden Personen durch einen zuvor geäußerten Beratungswunsch nebst Terminvereinbarung. 53 Eine weite Auslegung des Art. 18 Abs. 2 Buchst. c Satz 1 RL 2013/33/EU dahingehend, dass auch der anlasslose Zugang von Beratern und Nichtregierungsorganisationen zwecks Anbietens einer Asylverfahrensberatung gewährleistet werden muss, ist auch mit Blick auf die enge Schrankenregelung in Satz 2 der Regelung nicht naheliegend. Der Zugang darf danach nur aus Gründen der Sicherheit der betreffenden Räumlichkeiten oder der Antragsteller eingeschränkt werden. Diese Beschränkungsmöglichkeiten sind restriktiv auszulegen und dürfen den Zugang nicht unmöglich machen oder stärker beschränken, als es die geltend gemachten Sicherheitsgründe unbedingt erfordern (vgl. Tsourdi, in: Thym/Hailbronner, EU Immigration Law and Asylum Law, 3. Ed. 2022, RL 2013/33/EU, Art. 18 Rn. 11). Der zeitliche und gegenständliche Bedarf an Räumlichkeiten in der Aufnahmeeinrichtung für die Beratung wäre aber höher, wenn nicht nur die zuvor verabredeten Beratungen in der Unterbringungseinrichtung durchgeführt würden, sondern auch die - erst auf Beratungsanfragen zielende – ""werbende Präsenz"" ermöglicht werden müsste. Dies könnte einen Beschränkungsbedarf nach sich ziehen, der von der Schrankenregelung des Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU nicht abgedeckt ist. So haben die Betreiber der Aufnahmeeinrichtungen, die für den Schutz der Grundrechte der Asylsuchenden mitverantwortlich sind, auch Ruhestörungen abzuwenden und für geordnete Abläufe in der Einrichtung zu sorgen; zudem könnten Kapazitätsengpässe bei den Räumlichkeiten auftreten. Dabei kann nicht nur auf den Kläger und den von ihm geltend gemachten zeitlich begrenzten Zugangswunsch seines Beratungspersonals nebst Infobus abgestellt werden. Jeder andere Berater und jede andere asylrechtlich beratend tätige Organisation wäre dann gleichermaßen zu einem solchen Zugang berechtigt, auch mehrere gleichzeitig. 54 Zu keinem anderen Ergebnis führt der Hinweis des Klägers auf den teils vergleichbar, teils aber auch abweichend formulierten Zugang zu Antragstellern in Hafteinrichtungen gemäß Art. 10 Abs. 4 RL 2013/33/EU. Nach dieser Vorschrift tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Familienangehörige, Rechtsbeistand oder Berater und Personen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannte, einschlägig tätige Nichtregierungsorganisationen vertreten, unter Bedingungen, die den Schutz der Privatsphäre garantieren, mit Antragstellern Verbindung aufnehmen und sie besuchen können. Der Zugang zu der Hafteinrichtung darf nur dann eingeschränkt werden, wenn dies nach Maßgabe des einzelstaatlichen Rechts objektiv für die Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder die Verwaltung der Hafteinrichtung erforderlich ist und der Zugang dadurch nicht wesentlich behindert oder unmöglich gemacht wird. Dies trägt der Inhaftierung des Antragstellers und den damit verbundenen Verhaltensbeschränkungen insoweit Rechnung, als die Verbindungsaufnahme insbesondere auch durch die außerhalb der Haftanstalt befindliche Person ermöglicht werden muss (anders als nach Art. 18 Abs. 2 Buchst. b RL 2013/33/EU). 55 In räumlicher Hinsicht gewährleistet die Vorschrift anders als Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU nicht den Zugang zu der Unterbringungseinrichtung, um den Antragstellern zu helfen, sondern das ""Besuchen"" der Antragsteller. Ein ""Besuch"" ist, zumal in einer Haftanstalt, aber regelmäßig auf eine zuvor feststehende, bestimmte Person bezogen. Üblicherweise dürfte auch in diesen Fällen dem Besuch auch eine Kontaktaufnahme vorausgehen, sei es unmittelbar, sei es über Dritte, etwa das Anstaltspersonal. Dies gilt schon deshalb, weil kein Inhaftierter sich ohne sein Einverständnis besuchen lassen muss. Dass die vorherige Kontaktaufnahme im Fall dieser Inhaftierte betreffenden Norm auch von dem Berater ausgehen kann, macht dessen Zugang noch nicht zu einem ""anlasslosen"". Zudem findet diese Differenzierung ihren sachlichen Grund darin, dass Inhaftierte anders als in einer Aufnahmeeinrichtung untergebrachte Antragsteller den Ort ihrer Unterbringung nicht frei verlassen können. Entsprechendes gilt im Übrigen auch für den (weitergehenden) Zugang von Organisationen und Personen, die Beratungsleistungen für Antragsteller erbringen, zu Antragstellern an Grenzübergangsstellen an den Außengrenzen, einschließlich Transitzonen (Art. 8 Abs. 2 RL 2013/32/EU). 56 (5) Im Ergebnis trifft der Befund des Berufungsgerichts daher zu, dass die drei einer effektiven Inanspruchnahme von Beratungsleistungen dienenden Verpflichtungen der Aufnahmerichtlinie zur Information, zur Ermöglichung der Kontaktaufnahme und zur Ermöglichung des Zugangs zu Aufnahmeeinrichtungen in bestimmter Weise aufeinander aufbauen. So soll die in Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 RL 2013/33/EU geregelte Verpflichtung zur Information über Organisationen oder Personengruppen, die einschlägige Rechtsberatung leisten, die Gelegenheit zur Kontaktaufnahme mit diesen absichern (vgl. 21. Erwägungsgrund RL 2013/33/EU). Auch dies verdeutlicht im Übrigen, dass die Kontaktaufnahme zunächst von den Antragstellern selbst erwartet werden kann. Diese Möglichkeit wird ihnen in Art. 18 Abs. 2 Buchst. b RL 2013/33/EU garantiert. Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU gewährleistet sodann für eine Teilmenge der Personengruppen, zu denen die Antragsteller nach Buchst. b in Verbindung treten können müssen, den Zugang zu den Räumlichkeiten der Unterbringung, um den Antragstellern zu helfen. Dass die vorherige Verbindungsaufnahme und Beauftragung Voraussetzung für den Zugang ist, hat die vorstehende Auslegung der Norm zweifelsfrei ergeben. Der Senat hält die aufgeworfene unionsrechtliche Frage für einen ""acte clair"", mit der Folge, dass er zur Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV nicht verpflichtet ist. Nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Zugangsregelung besteht kein ernsthafter Anhaltspunkt für das vom Kläger gewünschte weite Verständnis. Rechtsprechung deutscher oder nationaler Gerichte anderer Mitgliedstaaten, die dieses bestätigte, ist nicht ersichtlich. Die richtige Auslegung ist deshalb auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Unionsrechts hier derartig offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (zu diesem Maßstab vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​799] - NJW 2021, 3303 Rn. 39 ff., 51). 57 3. Ohne Verletzung von Bundesrecht hat das Berufungsgericht auch einen Anspruch des Klägers auf eine erneute (ermessensfehlerfreie) Entscheidung über das Zugangsbegehren verneint und die Klage auf die Anschlussberufung des Beklagten insgesamt abgewiesen. Ein Anspruch auf Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) besteht nicht, weil der Beklagten den begehrten Zugang ohne vorherige Mandatierung ermessensfehlerfrei abgelehnt hat. 58 Die grundsätzliche Entscheidung der Regierung von Oberbayern, den Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen auf ein Minimum zu begrenzen, ist nicht zu beanstanden. Angesichts der Vielzahl von Asylsuchenden aus unterschiedlichen Ländern, die in den Aufnahmeeinrichtungen untergebracht sind und dort ihren Lebensmittelpunkt haben (müssen), sowie derjenigen Dritten, für deren Zugang ein dringendes Bedürfnis besteht (zu diesen UA Rn. 85 f. mit Bezug auf die Hausordnung), ist es sowohl im Hinblick auf das Ruhebedürfnis der Asylsuchenden als auch im Hinblick auf ihre Sicherheit nicht ermessensfehlerhaft, weitere Dritte weitestgehend vom Zugang auszuschließen. Die Versagung eines anlasslosen Zugangs und Beschränkung des Zugangs zu Zwecken der Asylverfahrensberatung auf Fälle vorheriger Beauftragung dient der Gewährleistung geordneter Verhältnisse und reibungsloser Abläufe in der Aufnahmeeinrichtung. Zutreffend hat der Verwaltungsgerichtshof auch in dem Bestreben des Beklagten, keinen Bezugsfall schaffen zu wollen, eine sachgerechte Erwägung gesehen (UA Rn. 97). Auf diese Erwägung durfte sich der Beklagte auch ohne eine bereits vorhandene ""wetteifernde Konkurrenz"" stützen. Bei einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung hat der Inhaber des Hausrechts bei der Einräumung von Zugangsrechten ein weites Ermessen. Dieses ermöglicht die Verweigerung eines Zugangs nicht erst bei festgestellten konkreten Beeinträchtigungen (wie konkreten Sicherheitsgefahren oder bereits eingetretenen Ruhestörungen), sondern auch schon in deren Vorfeld. Zutreffend hat das Berufungsgericht die ablehnende Entscheidung des Beklagten auch nicht wegen Verkennung des großen Stellenwerts als ermessensfehlerhaft erachtet, den das Unionsrecht dem Zugang der Asylsuchenden zu Verfahrens- und Rechtsberatung beimisst (UA Rn. 96). Durch seine Klarstellung im erstinstanzlichen Verfahren, dass der Zugang im Fall einer vorherigen Beratungsanfrage nicht verweigert wird, hat der Beklagte diesen Stellenwert vielmehr anerkannt und sein Ermessen dergestalt ergänzt, dass die Ablehnung im verbleibenden, nur noch streitgegenständlichen Umfang jedenfalls frei von Ermessensfehlern ist. Die ablehnende Entscheidung des Beklagten verletzt schließlich weder den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes noch Art. 3 Abs. 1 GG (s. o. unter 2. 2.1 c). 59 Die Einwände der Revision gegen diese Erwägungen gehen weithin daran vorbei, dass dem Kläger der Zugang zwecks Durchführung einer Asylverfahrensberatung nicht verwehrt wird. Der Vergleich mit Altenheimen und Krankenhäusern, in denen Besuche jederzeit möglich seien, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch in diesen Einrichtungen ist es nicht üblich, dass Rechtsberater oder vergleichbare Unterstützer Zutritt erhalten, um dort ihre Dienste einem offenen Personenkreis anzubieten. Ein solches Ansinnen stellt im Übrigen gerade keinen Besuch dar. Daher wird entgegen der Auffassung des Klägers mit der hier angegriffenen Ablehnung auch nicht in ein (vermeintliches) Recht der Asylsuchenden eingegriffen, jederzeit besucht zu werden. 60 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2023-27,29.03.2023,"Pressemitteilung Nr. 27/2023 vom 29.03.2023 EN Berücksichtigung einer Empfehlung der EU-Kommission im Rahmen einer telekommunikationsrechtlichen Entgeltgenehmigung der Bundesnetzagentur Die Empfehlung der Kommission vom 11. September 2013 über einheitliche Nichtdiskriminierungsverpflichtungen und Kostenrechnungsmethoden zur Förderung des Wettbewerbs und zur Verbesserung des Umfelds für Breitbandinvestitionen (2013/466/EU) - i. F.: Empfehlung - schränkt den Beurteilungsspielraum nicht ein, über den die Bundesnetzagentur bei der Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen verfügt, wenn sie Entgelte anhand des im Telekommunikationsgesetz geregelten Maßstabs der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung genehmigt. Die Empfehlung ist vielmehr im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin - die Telekom Deutschland GmbH - ist aufgrund einer Regulierungsverfügung u.a. verpflichtet, anderen Telekommunikationsunternehmen Zugang zum Teilnehmeranschluss und zu diesem Zweck Zugang zu ihren Kabelkanälen zwischen dem Kabelverzweiger und dem Hauptverteiler zu gewähren, soweit hierfür die erforderlichen Leerkapazitäten vorhanden sind. Für den Fall, dass aus technischen Gründen oder aus Kapazitätsgründen die Gewährung des Zugangs zu Kabelkanälen nicht möglich ist, besteht ferner die Verpflichtung, den Zugang zu unbeschalteter Glasfaser zu gewähren. Die Entgelte für die Zugangsgewährung unterliegen der Genehmigungspflicht. Auf Antrag der Klägerin genehmigte die Bundesnetzagentur mit Beschluss vom 26. Juni 2019 die Entgelte für den Zugang im Multifunktionsgehäuse, zu Kabelkanalanlagen und zu unbeschalteten Glasfasern, wobei die genehmigten Entgelte die von der Klägerin beantragte Höhe teilweise unterschritten. Das Verwaltungsgericht Köln verpflichtete die Beklagte, den Genehmigungsantrag der Klägerin bezüglich des Entgelts für die Überlassung eines Viertels eines Kabelkanalrohrs in einem Mehrfachrohr und bezüglich des Entgelts für die Überlassung zweier unbeschalteter Glasfasern unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Dies begründete es im Wesentlichen damit, dass die Bundesnetzagentur bei der Entgeltberechnung die Vorgaben der Empfehlung nicht eingehalten habe. So habe sie bei der geforderten Modellierung eines effizienten Zugangsnetzes der nächsten Generation von vorneherein nur solche Referenznetze in den Blick genommen, bei denen eine ""Kupferrückrechnung"" bereits erfolgt sei, und sei zudem fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Anzahl der Hauptverteilerstandorte vorgegeben sei. Ferner habe die Bundesnetzagentur zu Unrecht den Anteil der abgeschriebenen wiederverwendbaren baulichen Anlagen aus dem Ist-Netz der Klägerin auf das modellierte Netz übertragen und Kabelkanalanlagen sowie Kabelschächte nach zu kurz bemessener Abschreibungsdauer nicht mehr berücksichtigt. Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil der Vorinstanz geändert und die Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage für die von der Klägerin erstrebte Entgeltgenehmigung waren hier noch die Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes in der bis November 2021 geltenden Fassung (TKG a.F.). Danach hat sich die Genehmigung von telekommunikationsrechtlichen Entgelten vor allem an dem Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung auszurichten. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handelt es sich bei der auf die §§ 31 ff. TKG a.F. gestützten Erteilung einer Entgeltgenehmigung zwar im Wesentlichen um eine gebundene Entscheidung. Für einzelne abgrenzbare Teilaspekte der Entgeltprüfung sind jedoch gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Entscheidungsspielräume der Bundesnetzagentur anerkannt, die auch unionsrechtlich verankert sind. Dies betrifft insbesondere die Entscheidung über die Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen. Dieser regulierungsbehördliche Beurteilungsspielraum wird entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht durch die als Harmonisierungsmaßnahme erlassene Empfehlung eingeschränkt. Da der Empfehlung ungeachtet der unionsrechtlichen Verpflichtung der nationalen Regulierungsbehörden zur ""weitestgehenden Berücksichtigung"" keine normähnliche Verbindlichkeit zukommt, unterliegen ihre Auslegung und Anwendung durch die Bundesnetzagentur nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Die Empfehlung ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, die die Bundesnetzagentur im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums vornehmen muss. Lässt die Bundesnetzagentur die Empfehlung vollständig oder teilweise außer Betracht, ohne dies plausibel zu begründen, oder geht sie von einem objektiv unzutreffenden Verständnis des Inhalts der Empfehlung aus, kann dies zu einem Abwägungsfehler führen. Im konkreten Fall wollte die Bundesnetzagentur indes nicht von der Empfehlung abweichen, sondern ist bei ihrer Abwägung im Gegenteil davon ausgegangen, dass ihre Vorgehensweise im Einklang mit der Empfehlung steht. Dabei hat sie in allen vom Verwaltungsgericht beanstandeten Punkten ein jedenfalls vertretbares Verständnis des Inhalts der Empfehlung zugrundegelegt. BVerwG 6 C 21.21 - Urteil vom 29. März 2023 Vorinstanz: VG Köln, VG 21 K 4396/19 - Urteil vom 10. November 2021 -","Urteil vom 29.03.2023 - BVerwG 6 C 21.21ECLI:DE:BVerwG:2023:290323U6C21.21.0 EN Berücksichtigung einer Empfehlung der Kommission im Rahmen einer telekommunikationsrechtlichen Entgeltgenehmigung Leitsätze: 1. Die auf Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie) gestützte Empfehlung der Kommission vom 11. September 2013 über einheitliche Nichtdiskriminierungsverpflichtungen und Kostenrechnungsmethoden zur Förderung des Wettbewerbs und zur Verbesserung des Umfelds für Breitbandinvestitionen (2013/466/EU) schränkt nicht den Beurteilungsspielraum ein, über den die Bundesnetzagentur bei der Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen verfügt, wenn sie Entgelte anhand des in § 31 Abs. 1 Satz 2, § 32 Abs. 1 Satz 1 TKG a. F. geregelten Maßstabs der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung genehmigt. 2. Mit Blick auf die Vorgabe in Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 der Rahmenrichtlinie, den gemäß Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie erlassenen Empfehlungen weitestgehend Rechnung zu tragen, hat die Regulierungsbehörde die darin enthaltenen Grundsätze regelmäßig als Belange mit besonderem Gewicht in die im Rahmen des regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielraums vorzunehmende Abwägung einzustellen. 3. Das Ergebnis der Auslegung der Empfehlung durch die Bundesnetzagentur kann nur dann als Fehler bei der Ausfüllung des regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielraums beanstandet werden, wenn sich die gewählte Auslegungsvariante als nicht mehr vertretbar erweist. Rechtsquellen AEUV Art. 263, 288 Abs. 5 Richtlinie 2002/19/EG Art. 13 Richtlinie 2002/21/EG Art. 4, 7, 8, 19 TKG a. F. §§ 2, 12, 13, 15, 28, 30, 31, 32, 34, 35, 132, 135 Instanzenzug VG Köln - 10.11.2021 - AZ: 21 K 4396/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.03.2023 - 6 C 21.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:290323U6C21.21.0] Urteil BVerwG 6 C 21.21 VG Köln - 10.11.2021 - AZ: 21 K 4396/19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 10. November 2021 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Klägerin. Gründe I 1 Die Klägerin betreibt ein bundesweites Telekommunikationsnetz. Sie ist aufgrund einer Regulierungsverfügung unter anderem verpflichtet, anderen Unternehmen vollständig entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss am Hauptverteiler bzw. Verteilerknoten oder einem näher an der Teilnehmeranschlusseinheit gelegenen Punkt zu gewähren, soweit sie den Zugang nicht unter bestimmten Voraussetzungen verweigern darf oder muss. Ferner hat sie lokal virtuell entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler oder einem näher an der Teilnehmeranschlusseinheit gelegenen Punkt in Form des Zugangs zum ersten Konzentrationspunkt in den näher definierten Gebieten des Hauptverteiler-Nahbereichs zu gewähren, soweit die Klägerin den Teilnehmeranschluss unter Einsatz von VDSL2-Vectoring-Technologie oder auf Basis reiner Glasfaser realisiert. Außerdem ist die Klägerin verpflichtet, zum Zweck des Zugangs zum Teilnehmeranschluss am Kabelverzweiger den Zugang zu ihren Kabelkanälen zwischen dem Kabelverzweiger und dem Hauptverteiler zu gewähren, soweit hierfür die erforderlichen Leerkapazitäten vorhanden sind, und für den Fall, dass aus technischen Gründen oder aus Kapazitätsgründen die Gewährung des Zugangs zu Kabelkanälen nicht möglich ist, den Zugang zu unbeschalteter Glasfaser zu gewähren. Die Entgelte für die Zugangsgewährung unterliegen der Genehmigungspflicht. 2 Am 18. Januar 2019 stellte die Klägerin bei der Bundesnetzagentur einen Antrag auf Genehmigung von Entgelten für den Zugang im Multifunktionsgehäuse, zu Kabelkanalanlagen und zur unbeschalteten Glasfaser. Unter anderem beantragte sie für die Überlassung eines Viertels eines Kabelkanalrohrs die Genehmigung eines Entgelts in Höhe von monatlich 0,35 € je Rohrmeter und für die Überlassung von zwei unbeschalteten Glasfasern in Höhe von monatlich 151,40 €. Parallel beantragte die Klägerin die Genehmigung der Entgelte für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung. Nach Durchführung der Konsultationsverfahren notifizierte die Bundesnetzagentur die Entscheidungsentwürfe jeweils gegenüber der Kommission. Diese teilte hierzu mit Schreiben vom 21. Juni 2019 mit, dass sie die Notifizierung geprüft und dazu keine weiteren Anmerkungen habe. 3 Mit zwei Beschlüssen vom 26. Juni 2019 genehmigte die Bundesnetzagentur anschließend zum einen die Entgelte für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung und zum anderen die Entgelte für den Zugang im Multifunktionsgehäuse, zu Kabelkanalanlagen sowie zu unbeschalteten Glasfasern. Gegen den die Genehmigung der Entgelte für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung betreffenden Beschluss der Bundesnetzagentur (TAL-Entgelte-Beschluss) erhoben mehrere Wettbewerber der Klägerin Anfechtungsklagen. Mit Urteilen vom 16. Juni 2021 - 21 K 4368/19 u. a. - hob das Verwaltungsgericht diesen Beschluss jeweils im Verhältnis zwischen den Beteiligten auf. Diese Urteile, gegen die sowohl die Beklagte als auch die dortige Beigeladene - die hiesige Klägerin - Revision eingelegt hatten, sind wirkungslos, nachdem die jeweiligen Klägerinnen und die Beklagte in den Revisionsverfahren übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben haben (BVerwG, Beschlüsse vom 5. September 2022 - 6 C 12.21 , 13.21, 14.21, 15.21, 16.21 und 17.21 -). 4 Mit dem im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen weiteren Beschluss vom 26. Juni 2019, der die Entgelte für den Zugang im Multifunktionsgehäuse, zu Kabelkanalanlagen sowie zu unbeschalteten Glasfasern betrifft, genehmigte die Bundesnetzagentur für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2022 unter anderem ein Entgelt in Höhe von monatlich 0,06 € je Rohrmeter für die Überlassung eines Viertels eines Kabelkanalrohrs in einem Mehrfachrohr und in Höhe von monatlich 13,61 € für die Überlassung von zwei unbeschalteten Glasfasern. 5 In den Gründen des Beschlusses führte die Beschlusskammer der Bundesnetzagentur im Wesentlichen aus, in Bezug auf die Investitionskalkulation der Kabelkanalanlagen sowie der unbeschalteten Glasfasern hätten die Kostenunterlagen der Klägerin nicht als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden können. Denn um dem Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu genügen, sei die konkrete Führung der Kabeltrassen und die Bündelung der Nachfrage auf den Trassensegmenten dergestalt vorzunehmen, dass unter Beachtung der von der Klägerin angegebenen Hauptverteiler- und Endverzweigerstandorte sowie bestimmter netztechnischer Nebenbedingungen Distanzen und Investitionen minimiert würden. Eine Optimierung der zugrunde zu legenden Netzinfrastruktur anhand effizienter Modellparameter sei jedoch auf der Grundlage der Antragsunterlagen nicht möglich. Aus diesem Grund zog die Beschlusskammer ein von der WIK-Consult erstelltes Kostenmodell (""Analytisches Kostenmodell für das Anschlussnetz"", Version 3.0) heran. Da das WIK-Modell Variationen unter Beachtung von Effizienzkriterien ermögliche, könnten die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung abschließend ermittelt werden. Der Entgeltantrag sei daher mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht insgesamt abzulehnen. 6 Bei der Berechnung der den Entgelten zugrundeliegenden Investitionswerte für Kabelkanalanlagen und unbeschaltete Glasfasern nahm die Beschlusskammer - dem WIK-Modell folgend sowie auf ihre Ausführungen in dem TAL-Entgelte-Beschluss Bezug nehmend - eine nachfragegetriebene Bottom-up-Modellierung unter Berücksichtigung der bestehenden Hauptverteilerstandorte (sog. Scorched-Node-Ansatz) vor. Dabei stellte sie auf einen Referenznetzbetreiber ab, der unter Nutzung vorhandener Kabelschächte und Kabelkanäle ein durchgängig neues Glasfasernetz erstellt. Im Rahmen der Kostenrechnung und Netzmodellierung seien allerdings die neuen Glasfaserelemente gemäß den Vorgaben der Empfehlung 2013/466/EU der Kommission vom 11. September 2013 über einheitliche Nichtdiskriminierungsverpflichtungen und Kostenrechnungsmethoden zur Förderung des Wettbewerbs und zur Verbesserung des Umfelds für Breitbandinvestitionen jeweils ""kupferanalog"" zu bewerten. Der Empfehlung entsprechend seien die Investitionswerte zwar auf der Basis von Bruttowiederbeschaffungswerten zu ermitteln, für wiederverwendbare bauliche Anlagen - wie insbesondere Kabelkanäle und Kabelschächte - jedoch um die auf diese erfolgten Abschreibungen zu vermindern. Dabei ging die Beschlusskammer davon aus, dass Kabelkanalanlagen nach Ablauf von 35 Jahren und Kabelschächte nach Ablauf von 15 Jahren vollständig abgeschrieben seien und daher nicht mehr in die Ermittlung des Investitionswerts einflössen. Diese Dauer ergebe sich im Einklang mit der Empfehlung aus der Buchführung der Klägerin. Da bei den betreffenden Anlagen die Kosten für entsprechende Reinvestitionen bereits verdient seien, dürften entsprechende hypothetische Kostenbestandteile dem Zugangsinteressenten nicht auferlegt werden. Der Auffassung der Klägerin, kumulierte Abschreibungen seien nur bei baulichen Anlagen zu berücksichtigen, die nach Lage, Dimension und Ausführung ihrem real existierenden Netz entsprächen, folgte die Beschlusskammer nicht. Zur Ermittlung der Kapitalkosten für die Kabelkanalanlagen und die Kabelschächte multiplizierte die Beschlusskammer die zu berücksichtigenden Investitionswerte mit Annuitätenfaktoren, deren Höhe durch den kalkulatorischen Zinssatz und ferner durch die Abschreibungsdauern bestimmt wurde. Die Abschreibungsdauer setzte sie hierbei abweichend vom Antrag nicht auf 35 bzw. 15 Jahre, sondern auf 40 Jahre fest. 7 Auf die Klage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter teilweiser - soweit sie den weitergehenden Antrag der Klägerin abgelehnt hat - Aufhebung von I.2.3.2. und I.3.2. ihres Bescheides vom 26. Juni 2019 verpflichtet, den Genehmigungsantrag der Klägerin bezüglich des Entgelts für die Überlassung eines Viertels eines Kabelkanalrohrs in einem Mehrfachrohr und bezüglich des Entgelts für die Überlassung zweier unbeschalteter Glasfasern unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. 8 Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die auf der Grundlage des § 35 Abs. 3 i. V. m. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 32 TKG erteilte Genehmigung sei rechtswidrig. Der von § 31 Abs. 1 Satz 1 TKG vorgegebene Maßstab, dass genehmigungsbedürftige Entgelte genehmigungsfähig sind, wenn sie die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nicht überschreiten, sei im Hinblick auf Art. 13 der Richtlinie 2002/19/EG (Zugangsrichtlinie - ZRL) dahingehend auszulegen, dass der Regulierungsbehörde bei der Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen ein (auf der Nahtstelle zum Regulierungsermessen stehender) Beurteilungsspielraum zukomme. 9 Die Ausübung eines der Beklagten zustehenden Regulierungsermessens bzw. Beurteilungsspielraumes könne im Einzelfall durch Empfehlungen von Unionsorganen eingegrenzt sein. Auch die auf Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie - RRL) gestützte Nichtdiskriminierungsempfehlung entfalte gegenüber der nationalen Regulierungsbehörde grundsätzlich eine gewisse Bindungswirkung. Soweit gemäß Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 RRL die Mitgliedstaaten sicherzustellen hätten, dass die nationalen Regulierungsbehörden den von der Kommission nach Art. 19 Abs. 1 RRL erlassenen Empfehlungen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben weitestgehend Rechnung tragen, sei damit zwar nicht eine strikte Bindung an die Empfehlung verbunden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) müsse die nationale Regulierungsbehörde aber grundsätzlich den in der Empfehlung gegebenen Hinweisen folgen. Nur wenn sie im Rahmen ihrer Beurteilung einer konkreten Situation, insbesondere der Besonderheiten des Marktes des betreffenden Mitgliedstaates, den Eindruck habe, dass die Empfehlung den Umständen nach nicht angemessen sei, könne sie unter Angabe ihrer Gründe von ihr abweichen. Weiter habe die nationale Regulierungsbehörde zu prüfen, ob der Betroffene hinreichende Anhaltspunkte dargetan habe, um glaubhaft zu machen, dass die Anwendung der Empfehlung gegebenenfalls angesichts der Besonderheiten des betreffenden Marktes im Hinblick auf die in Art. 8 RRL und Art. 13 ZRL genannten Ziele unverhältnismäßig sei. Schließlich sei zu prüfen, ob gegenläufige öffentliche oder private Belange zu berücksichtigen seien, denen nach der besonders zu begründenden Einschätzung der Bundesnetzagentur ein so hohes Gewicht zukomme, dass ihr Zurücktreten nicht gerechtfertigt erscheine. Der Bundesnetzagentur stehe mithin kein allgemeiner regulierungsbehördlicher Beurteilungsspielraum dahingehend zu, ob sie der Nichtdiskriminierungsempfehlung folge oder nicht; vielmehr werde ihr Beurteilungsspielraum durch diese Empfehlung dirigiert. 10 Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen für eine Nichtanwendbarkeit der Nichtdiskriminierungsempfehlung erfüllt seien, lägen nicht vor. Die Beklagte sei implizit davon ausgegangen, dass keine Besonderheiten des deutschen Marktes bestünden, die eine Anwendung der Empfehlung hinderten oder deren Anwendung unverhältnismäßig erscheinen ließen. Auch seien im Verwaltungsverfahren zunächst keine gegenläufigen öffentlichen oder privaten Belange ersichtlich geworden, aufgrund derer ein Zurücktreten der Empfehlung gerechtfertigt gewesen wäre. Die Beklagte sei daher grundsätzlich gehalten gewesen, die Berechnung der streitgegenständlichen Zugangsentgelte anhand der Vorgaben der Empfehlung vorzunehmen. Auch im Rahmen der Anwendung der Empfehlung stünden der Bundesnetzagentur allerdings Spielräume zu. Schließlich lebe der regulierungsbehördliche Beurteilungsspielraum wieder auf, soweit die Empfehlung keine abschließenden Handlungsanweisungen gebe. 11 Hiervon ausgehend sei festzustellen, dass die Beklagte das zugrunde zu legende Referenznetz fehlerhaft modelliert habe. Obwohl nach der Nichtdiskriminierungsempfehlung für die Bemessung der regulatorischen Anlagebasis ein Zugangsnetz der nächsten Generation (NGA-Netz) zu modellieren sei, habe die Beklagte von vorneherein nur solche Referenznetze in den Blick genommen, bei denen eine ""Kupferrückrechnung"" bereits erfolgt sei. Zudem sei sie bei der Modellierung des NGA-Netzes fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Anzahl der Hauptverteilerstandorte vorgegeben sei. Das Verwaltungsgericht verweist in diesem Zusammenhang auf seine Urteile vom 16. Juni 2021 - 21 K 4486/19 und 21 K 4368/19 - und führt aus, dieser Mangel aus dem TAL-Entgelte-Beschluss schlage auf den vorliegenden Beschluss durch, da dieser durchgängig auf jenen Beschluss Bezug genommen habe. Ferner sei die Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen, dass auch diejenigen realen baulichen Anlagen der Klägerin, die sich nicht in dem Netzmodell der Beklagten wiederfänden, nach Nr. 34 der Nichtdiskriminierungsempfehlung zu bewerten seien. Aus Nr. 30 ff. der Empfehlung folge, dass die Art des ermittelten NGA-Netzes auch darüber entscheide, welche Anlagen konkret als replizierbar bzw. nicht replizierbar anzusehen seien. Dementsprechend hätte die Beklagte den Anteil der abgeschriebenen Anlagen aus dem Ist-Netz der Klägerin nicht auf das von ihr modellierte Netz übertragen dürfen. Schließlich sei die Beklagte bei den wiederverwendbaren baulichen Anlagen fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Kabelkanalanlagen bereits nach 35 Jahren und die Kabelschächte bereits nach 15 Jahren bei der Ermittlung der regulatorischen Anlagebasis nicht mehr zu berücksichtigen seien. Die Angaben der Klägerin zu den Abschreibungsdauern seien nicht so zu verstehen, dass sich danach die Anlagen in den genannten Zeiträumen bereits ""gerechnet"" hätten. Aus dem Verweis auf die ""geprüfte"" regulatorische Buchhaltung in der Empfehlung folge, dass die nationale Regulierungsbehörde die Buchhaltung des Unternehmens auf die Einhaltung dieser Maßstäbe zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren habe. Nach Nr. 36 Satz 1 der Empfehlung setzten die nationalen Regulierungsbehörden für den besonderen Fall ""baulicher"" Anlagen die Lebensdauer so an, dass sie der erwarteten Nutzungsdauer der Anlage und dem Nachfrageprofil entspreche; bei Kabelschächten betrage sie nach Nr. 36 Satz 2 in der Regel mindestens 40 Jahre. Die Annahme, dies betreffe allein den jährlichen ""Verteilungsmaßstab"", sei systematisch unplausibel und regulatorisch inkonsequent. Der Ansatz unterschiedlicher Nutzungszeiten führe im Ergebnis zu Kostenunterdeckungen, die nach der Empfehlung zu vermeiden seien. Die genannten Fehler seien nicht deshalb unerheblich, weil die Kommission im Verfahren nach Art. 7 RRL erklärt habe, dass sie die Notifizierung und die von der Bundesnetzagentur übermittelten Informationen geprüft und hierzu keine Anmerkungen habe. Die Klägerin werde durch die Rechtswidrigkeit der Genehmigung in ihren Rechten verletzt. Denn eine Entscheidung der Beklagten, die die aufgezeigten Ermessens- bzw. Beurteilungsfehler vermeide, könne zur Genehmigung höherer Entgelte führen. 12 Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz verlange die Nichtdiskriminierungsempfehlung nach erfolgter Modellierung eines NGA-Netzes keine Festlegung und Benennung der Zugangsentgelte zu diesem NGA-Netz. Da die Entgelte für den Zugang zu dem fiktiven NGA-Referenznetz nicht genehmigt werden müssten und nicht der Kostenorientierung unterlägen, könnten sie auch nicht Grundlage für die Abwägungsentscheidung sein. Der ausgewiesene Preis hätte keine Marktrelevanz. Die im Rückrechnungsverfahren ermittelten und festgelegten Entgelte für den Zugang zur Kupfer-Teilnehmeranschlussleitung sollten nach der Empfehlung vielmehr einen preisbeschränkenden Effekt für die nicht regulierten NGA-Entgelte haben. Die Berücksichtigung der vorhandenen Hauptverteilerstandorte bei der Modellierung eines NGA-Netzes widerspreche ebenfalls nicht der Empfehlung. Diese verlange keine rein hypothetische Modellierung des NGA-Netzes mit der Folge, dass die Hauptverteiler als Zugangspunkte nicht mit einbezogen werden dürften. Ein vollkommen optimiertes, neu modelliertes Netz ohne Rücksicht auf die bestehende Hauptverteilerstruktur würde vielmehr die von der Empfehlung geforderte Anpassung an das Kupfernetz bei der Kupferrückrechnung kaum ermöglichen. Die Forderung eines Abgleichs des modellierten mit dem Ist-Netz bei der Berücksichtigung der wiederverwendbaren baulichen Anlagen stünde in Widerspruch zu der vorgesehenen Bottom-up-Modellierung eines hypothetischen NGA-Netzes. Die besondere Bewertung dieser Anlagen solle eine Kostenüberdeckung vermeiden. Diesem Ziel würde es widersprechen, weniger Anlagen aus der regulatorischen Anlagenbasis herauszunehmen als dies bei Zugrundelegung der realen Verhältnisse der Fall wäre. Die Vorgehensweise der Beschlusskammer lasse die optimierte Trassenführung unangetastet und gewährleiste gleichzeitig, dass Kosteneinsparungen durch die Wiederverwendung nicht replizierbarer baulicher Anlagen in dem Umfang berücksichtigt würden, wie sie von der Klägerin beim Ausbau ihrer eigenen NGA-Netze realisiert werden könnten. Ein Abgleich der tatsächlichen baulichen Anlagen mit dem modellierten Netz sei auf der Grundlage der vorgelegten Kostenunterlagen nicht möglich gewesen. Schließlich sei auch nicht zu beanstanden, dass die Kabelkanalanlagen bereits nach 35 Jahren und die Kabelschächte bereits nach 15 Jahren bei der Ermittlung der regulatorischen Anlagenbasis nicht mehr berücksichtigt worden seien. Es entspreche der Empfehlung, die Dauer, nach der Anlagen als vollständig abgeschrieben nicht mehr in die regulatorische Anlagenbasis einfließen, aufgrund der Kostenunterlagen der Klägerin festzulegen, bei der Annualisierung der Investitionen hingegen eine Nutzungsdauer von 40 Jahren für bauliche Anlagen anzusetzen. Bei der Verwendung von Nutzungsdauern sei grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob es um die Ermittlung der abgeschriebenen Anlagen gehe oder ob die relevanten Investitions- bzw. Infrastrukturwerte lediglich auf die geschätzte ökonomische Nutzungsdauer zu verteilen seien. Bei Zugrundelegung der regulatorischen Nutzungsdauer von 40 Jahren würden entgegen dem Ziel der Empfehlung, eine Kostenüberdeckung zu verhindern, auch bereits amortisierte Anlagen in die Ermittlung der Investitionen einbezogen und auf diese Weise den Vorleistungsnachfragern letztlich rein hypothetische Kostenbestandteile auferlegt. 13 Die Klägerin tritt der Revision entgegen. Hinsichtlich der ersten beiden vom Verwaltungsgericht angenommenen Rechtsfehler sei dessen Rechtsauffassung zwar nicht zu folgen. Soweit die Beklagte nur solche Referenznetze berücksichtigt habe, die eine Rückrechnung auf die Kosten der kupferbasierten Vorleistungsprodukte zuließen, und von der Zahl der vorhandenen Hauptverteilerstandorte ausgegangen sei, habe sie ein vertretbares Verständnis der Nichtdiskriminierungsempfehlung zugrunde gelegt. Die Empfehlung sei kein quasi-gesetzliches Regelungswerk, sondern ein ausfüllungsfähiger und ausfüllungsbedürftiger Rahmen, der die Ausübung von Beurteilungsspielräumen mit Leitlinien und Grundsätzen strukturiere. Sie enthalte Gesichtspunkte, die bei der Kostenmodellierung berücksichtigt werden sollten. Hierzu gehöre auch die Orientierung an den konkreten Gegebenheiten und damit teilweise auch die Ausrichtung an demjenigen Kupfernetz, dessen Zugangsentgelte bestimmt würden. Durch die Heranziehung der realen Hauptverteilerstandorte aus dem Netz der Klägerin habe die Beklagte die Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen aus den vorangegangenen Entgeltgenehmigungsverfahren gewahrt. Die Wahl eines solchen Scorched-Node-Ansatzes sei im Rahmen der Bestimmung kostenorientierter Entgelte auch gemäß der Empfehlung zulässig und beurteilungsfehlerfrei. 14 Unbegründet sei die Revision der Beklagten jedoch hinsichtlich der beiden anderen vom Verwaltungsgericht angenommenen Rechtsfehler. Die Vorgehensweise der Bundesnetzagentur, den Anteil der wiederverwendbaren baulichen Anlagen in dem modellierten fiktiven Netz dadurch zu bestimmen, dass die anhand der Kostenunterlagen der Klägerin ermittelte Quote der bereits abgeschriebenen Kabelkanäle und -rohre bzw. Kabelschächte unabhängig davon auf das fiktive Netz übertragen werde, ob und inwieweit die Klägerin diese Anlagen bei der Realisierung dieses Netzes tatsächlich wiederverwenden könnte, stehe nicht im Einklang mit der Nichtdiskriminierungsempfehlung. Die ""doppelte"" Effizienzkorrektur der Beklagten führe zu nicht sachgerechten Kostenkürzungen. Denn zum einen komme es durch das Zugrundelegen eines hypothetischen, effizienten Netzes mit einer neuen Streckenführung zu Kostensenkungen gegenüber dem realen Netz. Zum anderen werde von der Annahme ausgegangen, dass die wiederverwendbaren baulichen Anlagen zu 100 % in diesem hypothetischen Netz wiederverwendet und insoweit Kosten von Null angesetzt werden könnten, obwohl sie nicht dem angenommenen Trassenverlauf entsprächen. Richtigerweise hätte die Beklagte ein Netz modellieren müssen, in dem die Vorteile durch die Nutzung vorhandener Anlagen und die Vorteile einer effizienten Trassenführung gegeneinander abgewogen würden und für jedes Teilstück entweder eine neue kürzere Trasse oder eine längere Trasse unter Nutzung vorhandener Anlagen zugrunde gelegt werde. Zu Recht sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte bei der Ermittlung der Quote der vollständig abgeschriebenen, wiederverwendbaren baulichen Anlagen eine einheitliche Abschreibungsdauer von 40 Jahren hätte zugrunde legen müssen. Die von der Beschlusskammer herangezogenen abweichenden Angaben im Rechnungswesen der Klägerin seien mit den Steuerbehörden in Anlehnung an die amtlichen Abschreibungstabellen abgestimmt. Die Vorgehensweise der Beklagten, zur Ermittlung der Quote der vollständig abgeschriebenen, wiederverwendbaren baulichen Anlagen auf diese Angaben zurückzugreifen, die so ermittelten Investitionskosten dann jedoch auf Basis einer regulatorischen Abschreibungsdauer von 40 Jahren zu annualisieren, habe zur Folge, dass die regulatorischen Kosten von Kabelkanälen und -rohren und Kabelschächten unter den handelsrechtlichen Kosten lägen. Aus dem steuerrechtlich und bilanzrechtlich zutreffenden Ansatz kürzerer Abschreibungsdauern könne nicht geschlossen werden, dass diese Abschreibungen auch im Rahmen der regulatorischen Kapitalbasis anzusetzen seien. Aus der Nichtdiskriminierungsempfehlung ergebe sich, dass gerade nicht die Buchwerte der Klägerin aus ihrem steuerlichen Jahresabschluss maßgeblich seien, sondern die Werte einer regulatorischen Schattenrechnung. Gemäß Nr. 36 der Empfehlung sei für den regulatorischen Buchwert von Kabelkanalanlagen, Kabelrohren und Kabelschächten eine Abschreibungsdauer von 40 Jahren anzusetzen. II 15 Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Das der Bescheidungsklage stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts beruht, soweit es noch nicht rechtskräftig ist, auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) und stellt sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). 16 Gegenstand der - unbeschränkt eingelegten - Revision der Beklagten ist neben der in dem vorinstanzlichen Urteil ausgesprochenen Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung des Genehmigungsantrags der Klägerin bezüglich der genannten Entgelte auch die hierbei zu beachtende Rechtsauffassung des Gerichts, so wie sie in den Entscheidungsgründen des Bescheidungsurteils niedergelegt ist; denn auch insoweit erwächst das Urteil gegebenenfalls in Rechtskraft (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. November 1994 - 3 C 30.93 - NVwZ 1996, 66 und vom 20. Oktober 2016 - 7 C 27.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 22 Rn. 12). Dies umfasst die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den von ihm angenommenen vier Rechtsfehlern der Entgeltgenehmigung. Grundsätzlich nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens sind hingegen die übrigen im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Rügen der Klägerin, welche nach Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifen. Da die durch die Ausführungen in diesem Teil des Urteils beschwerte Klägerin ihrerseits keine Revision eingelegt hat, ist der Bescheidungsausspruch insoweit zu ihrem Nachteil rechtskräftig geworden. Eine ihr günstigere Rechtsauffassung, als sie das verwaltungsgerichtliche Bescheidungsurteil zum Ausdruck bringt, kann die Klägerin nicht mehr erreichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 1994 - 3 C 30.93 - NVwZ 1996, 66 f.). 17 Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Genehmigungsantrags bezüglich der Entgelte für die Überlassung eines Viertels eines Kabelkanalrohrs in einem Mehrfachrohr und für die Überlassung zweier unbeschalteter Glasfasern. Denn die Bundesnetzagentur hat - soweit dies im Revisionsverfahren noch zu prüfen ist - rechtsfehlerfrei über den Genehmigungsantrag der Klägerin entschieden und hierbei insbesondere auch die Empfehlung der Kommission vom 11. September 2013 über einheitliche Nichtdiskriminierungsverpflichtungen und Kostenrechnungsmethoden zur Förderung des Wettbewerbs und zur Verbesserung des Umfelds für Breitbandinvestitionen (2013/466/EU) in rechtlich nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt. 18 1. Rechtsgrundlage für die von der Klägerin erstrebte Genehmigung höherer Entgelte sind die Vorschriften der § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, § 32 Abs. 1 Satz 1 sowie § 35 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes (TKG a. F.) vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190) in der zuletzt durch Gesetz vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2230) geänderten Fassung. Die Vorschriften der am 1. Dezember 2021 in Kraft getretenen Neufassung des Telekommunikationsgesetzes sind hier noch nicht anzuwenden, da für die gerichtliche Prüfung telekommunikationsrechtlicher Entgeltgenehmigungen die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung maßgebend ist (BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 2019 - 6 B 136.18 - juris Rn. 20). 19 Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 TKG a. F. ist die Genehmigung von Entgelten, die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 2 TKG a. F. genehmigungspflichtig sind, ganz oder teilweise zu erteilen, soweit die Entgelte den Anforderungen der §§ 28 und 31 Abs. 1 Satz 2 TKG a. F. nach Maßgabe des § 35 Abs. 2 TKG a. F. entsprechen und keine Versagungsgründe nach § 35 Abs. 3 Satz 2 oder 3 TKG a. F. vorliegen. § 35 Abs. 3 Satz 2 TKG a. F. zufolge ist die Genehmigung der Entgelte zu versagen, soweit die Entgelte mit diesem Gesetz, insbesondere mit § 28 TKG a. F., oder anderen Rechtsvorschriften nicht in Einklang stehen. Nach § 35 Abs. 3 Satz 3 TKG a. F. kann die Regulierungsbehörde eine Genehmigung der Entgelte auch versagen, wenn das Unternehmen die in § 34 TKG a. F. genannten Unterlagen nicht vollständig vorgelegt hat. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 TKG a. F. genehmigt die Bundesnetzagentur Entgelte nach § 30 Abs. 1 Satz 1 oder § 30 Abs. 2 Satz 2 TKG a. F. auf der Grundlage der auf die einzelnen Dienste entfallenden Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nach § 32 TKG a. F. (sog. Einzelgenehmigungsverfahren, § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG a. F.) oder auf der Grundlage der von ihr vorgegebenen Maßgrößen für die durchschnittlichen Änderungsraten der Entgelte für einen Korb zusammengefasster Dienste (Price-Cap-Verfahren) nach Maßgabe des § 33 TKG a. F. (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TKG a. F.). § 31 Abs. 1 Satz 2 TKG a. F. bestimmt, dass genehmigte Entgelte die Summe der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung und der Aufwendungen nach § 32 Abs. 2 TKG a. F. nicht überschreiten dürfen. Abweichend von § 31 Abs. 1 TKG a. F. genehmigt die Bundesnetzagentur Entgelte gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 2 TKG a. F. auf der Grundlage anderer Vorgehensweisen, sofern diese besser als die in § 31 Abs. 1 TKG a. F. genannten Vorgehensweisen geeignet sind, die Regulierungsziele nach § 2 TKG a. F. zu erreichen. Neben den der Bundesnetzagentur vorliegenden Kosteninformationen kann sie gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG a. F. zusätzlich Preise solcher Unternehmen als Vergleich heranziehen, die entsprechende Leistungen auf vergleichbaren, dem Wettbewerb geöffneten Märkten anbieten; dabei sind die Besonderheiten der Vergleichsmärkte zu berücksichtigen. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TKG a. F. kann die Bundesnetzagentur zur Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung auch eine von der Kostenberechnung des Unternehmens unabhängige Kostenrechnung anstellen und hierfür Kostenmodelle heranziehen. § 35 Abs. 1 Satz 2 TKG a. F. sieht schließlich vor, dass die Entscheidung der Bundesnetzagentur auf einer Prüfung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 TKG a. F. beruhen kann, soweit die der Bundesnetzagentur vorliegenden Kosteninformationen für eine Prüfung der genehmigungspflichtigen Entgelte nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG a. F. in Verbindung mit § 34 TKG a. F. nicht ausreichen. 20 a) Die Genehmigung höherer Entgelte für den Zugang zu Kabelkanalanlagen sowie zu unbeschalteten Glasfasern ist nicht schon deshalb zu versagen, weil die Entgelte dann gemäß § 35 Abs. 3 Satz 2 TKG a. F. mit diesem Gesetz, insbesondere mit § 28 TKG a. F., oder anderen Rechtsvorschriften nicht in Einklang stünden. Insbesondere besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Forderung der sich im Fall einer Neubescheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts ergebenden Entgelte zwangsläufig zu einem Preishöhen-, Behinderungs- oder Diskriminierungsmissbrauch im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 TKG a. F. oder in sonstiger Weise zu einer missbräuchlichen Ausnutzung beträchtlicher Marktmacht führen würde (§ 28 Abs. 1 Satz 1 TKG a. F.). 21 b) Der in § 35 Abs. 3 Satz 3 TKG a. F. geregelte Versagungsgrund steht der Genehmigung höherer Entgelte ebenfalls nicht entgegen. Nach dieser Ermessensvorschrift kann die Bundesnetzagentur eine Genehmigung der Entgelte auch versagen, wenn das Unternehmen die in § 34 TKG a. F. genannten Unterlagen nicht vollständig vorgelegt hat. Die Entscheidung hat einen lediglich formellen Regelungsgehalt (BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2021 - 6 B 23.20 - NVwZ 2021, 1873 Rn. 11). Geht die Behörde zu Unrecht von der Unvollständigkeit der Kostenunterlagen aus, ist die auf § 35 Abs. 3 Satz 3 TKG a. F. gestützte Genehmigungsversagung regelmäßig ermessensfehlerhaft. Übt die Beschlusskammer hingegen ihr auf der Rechtsfolgenseite des § 35 Abs. 3 Satz 3 TKG a. F. zustehendes Ermessen in der Weise aus, dass sie mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gleichwohl eine Entgeltgenehmigung erteilt, weil sie sich die erforderlichen Informationen - etwa durch Marktdaten, durch Kostenunterlagen aus anderen Genehmigungsverfahren oder durch Kostennachweise von dritter Seite (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 2009 - 6 C 34.08 - Buchholz 442.066 § 31 TKG Nr. 1 Rn. 29) bzw. mithilfe der in § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG a. F. genannten Methoden der Vergleichsmarktbetrachtung (Nr. 1) oder des Kostenmodells (Nr. 2) – selbst verschaffen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2021 - 6 B 23.20 - NVwZ 2021, 1873 Rn. 11), hat es hierbei grundsätzlich sein Bewenden. Insbesondere hat das Gericht keinen Anlass, zu überprüfen, ob die vorgelegten Kostenunterlagen nach Maßgabe des § 34 TKG a. F. vollständig vorgelegt worden sind, wenn die Bundesnetzagentur selbst sich zu einer inhaltlichen Entscheidung über den Entgeltgenehmigungsantrag in der Lage gesehen hat. 22 So verhält es sich hier. Die Beschlusskammer hat zwar anhand der Kostenunterlagen der Klägerin nicht zu einer abschließenden Quantifizierung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung gemäß § 32 Abs. 1 TKG a. F. bezüglich der Netzinfrastrukturkosten gelangen können. Die Kalkulationen der Investitionswerte für den Zugang zu Kabelkanalanlagen und zu unbeschalteten Glasfasern ließen keine abschließenden effizienzbezogenen Korrekturen der Netzinfrastruktur zu. Ihr auf der Rechtsfolgenseite des § 35 Abs. 3 Satz 3 TKG a. F. zustehendes Ermessen hat die Beschlusskammer jedoch dahingehend ausgeübt, dass sie von der (vollständigen) Versagung der Genehmigung abgesehen hat. 23 Da sich die Bundesnetzagentur zu einer inhaltlichen Entscheidung über den Entgeltgenehmigungsantrag in der Lage gesehen hat, kann im Ergebnis auch offen bleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das regulierte Unternehmen verpflichtet ist, für die Anwendung eines von der Bundesnetzagentur herangezogenen Kostenmodells erforderliche Unterlagen nach § 34 TKG a. F. bereits mit dem Entgeltgenehmigungsantrag vorzulegen, oder ob die Bundesnetzagentur darauf verwiesen ist, das regulierte Unternehmen gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG a. F. im Rahmen oder zur Vorbereitung von Verfahren der Entgeltregulierung zur Vorlage derjenigen Unterlagen zu verpflichten, die sie für erforderlich hält, um das Kostenmodell anwenden zu können. 24 c) Von der in § 31 Abs. 2 Nr. 2 TKG a. F. geregelten Möglichkeit, Entgelte abweichend von § 31 Abs. 1 TKG a. F. auf der Grundlage anderer Vorgehensweisen zu genehmigen, sofern diese besser als die in § 31 Abs. 1 TKG a. F. genannten Vorgehensweisen zur Erreichung der Regulierungsziele nach § 2 TKG a. F. geeignet sind, hat die Bundesnetzagentur für die genannten Investitionswerte keinen Gebrauch gemacht. Sie hat sich vielmehr ausdrücklich für das ""gesetzliche Regelmodell"" des § 31 Abs. 1 TKG a. F. entschieden. Diese Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Senats steht der Bundesnetzagentur in Bezug auf die Auslegung des in § 31 Abs. 2 Nr. 2 TKG a. F. genannten Tatbestandsmerkmals der besseren Eignung zur Erreichung der Regulierungsziele nach § 2 TKG a. F. als Voraussetzung für die Auswahl einer anderen Vorgehensweise ein Beurteilungsspielraum zu, wobei allerdings eine Vorprägung im Hinblick auf den Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung besteht (BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2018 - 6 C 4.17 - BVerwGE 162, 202 Rn. 31). Eine besondere Begründung fordert § 31 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 TKG a. F. nur in den Fällen, in denen sich die Bundesnetzagentur für ein Vorgehen nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 TKG a. F. entscheidet. Genehmigt die Bundesnetzagentur die Entgelte hingegen auf der Grundlage der in § 31 Abs. 1 TKG a. F. genannten Vorgehensweisen, muss dies in der Regel nicht besonderes begründet werden. 25 d) Die Entscheidung der Beschlusskammer, im Rahmen der nach § 31 Abs. 1 Satz 2 TKG a. F. erforderlichen Prüfung, ob die genehmigten Entgelte die Summe der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung und der Aufwendungen nach § 32 Abs. 2 TKG a. F. nicht überschreiten, nicht gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TKG a. F. das Price-Cap-Verfahren nach Maßgabe des § 33 TKG a. F. anzuwenden, da ein Entgeltkorb für die betreffenden Dienste bislang nicht festgelegt worden sei, ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. 26 e) Die Bundesnetzagentur hat im Rahmen der Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung in Bezug auf die in Rede stehenden Investitionswerte das um eine spezielle Studie ergänzte WIK-Kostenmodell für das Anschlussnetz herangezogen. Dies ist nicht zu beanstanden. 27 Ob sich die Beschlusskammer dabei auf § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TKG a. F. oder - wofür der Verweis auf den parallel erteilten TAL-Entgelte-Beschluss spricht - auf § 35 Abs. 1 Satz 2 TKG a. F. gestützt hat, bedarf keiner Entscheidung, da eine ausreichende rechtliche Grundlage jedenfalls vorliegt. § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TKG a. F. räumt der Bundesnetzagentur die Befugnis ein, neben den ihr vorliegenden Kosteninformationen zusätzlich zur Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung auch eine von der Kostenberechnung des Unternehmens unabhängige Kostenrechnung anzustellen und hierfür Kostenmodelle heranzuziehen. § 35 Abs. 1 Satz 2 TKG a. F. bestimmt, dass die Entscheidung der Bundesnetzagentur auf einer Prüfung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TKG a. F. beruhen kann, soweit die der Bundesnetzagentur vorliegenden Kosteninformationen für eine Prüfung der genehmigungspflichtigen Entgelte nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG a. F. in Verbindung mit § 34 TKG a. F. nicht ausreichen. Geht die Regulierungsbehörde im Ansatz von den Kostenunterlagen des regulierten Unternehmens aus und zieht nur in Bezug auf einzelne abgrenzbare Elemente der Kostenermittlung ein Kostenmodell heran, weil sie sich insoweit zu einer Effizienzprüfung anhand der vorgelegten Unterlagen nicht in der Lage sieht, kommen grundsätzlich sowohl § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TKG a. F. als auch § 35 Abs. 1 Satz 2 TKG a. F. als gesetzliche Grundlage für diese Vorgehensweise in Betracht. 28 So verhält es sich hier. Für die Annahme einer lediglich ergänzenden Heranziehung des Kostenmodells gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TKG a. F. spricht, dass die Bundesnetzagentur nicht nur in Bezug auf das - hier nicht streitgegenständliche - Überlassungsentgelt für den Einbauplatz im Multifunktionsgehäuse sowie die Einmalentgelte für Bereitstellung und Kündigung die Unterlagen der Klägerin für aussagekräftig gehalten und ihrer Effizienzüberprüfung zugrunde gelegt hat, sondern auch bei der Ermittlung der den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung entsprechenden Überlassungsentgelte für den Zugang zu Kabelkanalanlagen sowie zu unbeschalteten Glasfasern jedenfalls im Ansatz von den Unterlagen der Klägerin ausgegangen ist. So hat sie etwa die Betriebs- und Mietkosten sowie die Gemeinkosten allein auf dieser Grundlage berechnet. Lediglich bei der Bestimmung des Investitionswerts hat die Beschlusskammer im Rahmen der Kostenkalkulation für die genannten Überlassungsentgelte das erwähnte WIK-Modell herangezogen, um die Effizienz überprüfen zu können. Andererseits betrifft das Kostenmodell hier den mit Abstand größten Kostenbestandteil. Deshalb könnte zu erwägen sein, dass die Entscheidung der Bundesnetzagentur im Ergebnis auf der Anwendung des Kostenmodells ""beruht"" mit der Folge, dass nicht § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TKG a. F., sondern § 35 Abs. 1 Satz 2 TKG a. F. maßgeblich wäre. 29 Dass die Beschlusskammer keine isolierte Vergleichsmarktbetrachtung im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG a. F. statt eines Kostenmodells zugrunde gelegt hat, ist nicht rechtsfehlerhaft. Nach der Rechtsprechung des Senats wird der Bundesnetzagentur durch § 35 Abs. 1 Satz 2 TKG a. F. ein Auswahlermessen zwischen den zur Verfügung stehenden Erkenntnisgrundlagen eingeräumt, wobei Vergleichsmarktbetrachtung und Kostenmodell als Methoden der Entgeltüberprüfung prinzipiell als im Verhältnis zueinander gleichrangig anzusehen sind (BVerwG, Beschlüsse vom 10. Dezember 2014 - 6 C 16.13 - N&R 2015, 173 Rn. 33 und - 6 C 18.13 - BVerwGE 151, 56 Rn. 28). Die Beschlusskammer hat im Wesentlichen auf ihre bisherige Praxis verwiesen, Überlassungsentgelte für die Teilnehmeranschlussleitung regelmäßig auf der Grundlage der jeweils weiterentwickelten Version des WIK-Kostenmodells für das Anschlussnetz zu genehmigen. Anhand dieses Modells seien Variationen unter Beachtung von Effizienzkriterien auch in Bezug auf die Netzgestaltung durchführbar. Weitere Ausführungen waren entbehrlich, da die Beibehaltung einer bewährten Methode der Entgeltüberprüfung grundsätzlich dem in § 27 Abs. 2 TKG a. F. niedergelegten Konsistenzgebot entspricht, solange - wie hier - keine Gründe erkennbar sind, die für die Vorzugswürdigkeit einer anderen Methode sprechen. 30 2. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf erneute Bescheidung ihres Entgeltgenehmigungsantrags besteht auch nicht deshalb, weil die Beschlusskammer einen ihr bei der Entscheidung zustehenden regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielraum in rechtlich zu beanstandender Weise ausgefüllt hätte. 31 a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei der auf §§ 31 ff. TKG a. F. gestützten Erteilung einer Entgeltgenehmigung zwar im Wesentlichen um eine gebundene Entscheidung. Insbesondere kommt der Bundesnetzagentur kein auf das Merkmal der Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung bezogener umfassender Beurteilungsspielraum zu (BVerwG, Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 - BVerwGE 156, 75 Rn. 13). Auch die Einzelheiten der Effizienzprüfung unterliegen grundsätzlich uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Als Ausnahme von dem Grundsatz vollständiger gerichtlicher Kontrolle hat der Senat jedoch für einzelne abgrenzbare Teilaspekte der Entgeltprüfung gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Entscheidungsspielräume der Bundesnetzagentur anerkannt, die er im Hinblick auf ihren begrenzten Umfang als ""punktuelle"" Beurteilungsspielräume bezeichnet hat. Der Anknüpfungspunkt für die eingeschränkte gerichtliche Überprüfung findet sich dabei entweder im Unionsrecht oder in der jeweiligen gesetzlichen Maßstabsnorm, sofern diese einen Gesetzesbegriff enthält, der in besonderer Weise durch das Erfordernis einer Abwägung insbesondere der gegenläufigen Regulierungsziele bzw. durch ökonomische Wertungen und Prognosen geprägt ist (BVerwG, Urteile vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 31, vom 25. November 2015 - 6 C 39.14 - BVerwGE 153, 265 Rn. 15, vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 - BVerwGE 156, 75 Rn. 12 f. und vom 29. März 2017 - 6 C 1.16 - BVerwGE 158, 301 Rn. 14). 32 Über einen derartigen punktuellen Beurteilungsspielraum verfügt die Bundesnetzagentur insbesondere auch bei der Entscheidung über die Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen (BVerwG, Urteile vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 18, vom 25. November 2015 - 6 C 39.14 - BVerwGE 153, 265 Rn. 28, vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 - BVerwGE 156, 75 Rn. 22 f. und vom 29. März 2017 - 6 C 1.16 - BVerwGE 158, 301 Rn. 14). Dies folgt aus den in dem Urteil des EuGH vom 24. April 2008 - C-55/06 [ECLI:​EU:​C:​2008:​244], Arcor - (Rn. 70 ff., insbesondere Rn. 109, 116 f.) enthaltenen Vorgaben für das Verständnis des Merkmals der Kostenorientierung in Art. 3 Abs. 3 der früheren Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss - TAL-VO -, die auf die Auslegung des Begriffs der kostenorientierten Preise in Art. 13 Abs. 1 Satz 1 ZRL übertragen werden können. Nach den Vorgaben des EuGH liegt die Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen im Ermessen - nach deutscher Rechtsterminologie im Beurteilungsspielraum - der nationalen Regulierungsbehörde, weil sich jede der in Betracht kommenden Methoden, sei sie auf Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten oder auf Wiederbeschaffungskosten ausgerichtet, durch eine spezifische Beeinflussung der Entgelthöhe negativ auf die Ziele der Wettbewerbsförderung, der Investitionsförderung und des Verbraucherinteresses, die der Sache nach sowohl der TAL-VO als auch Art. 13 ZRL zugrunde liegen, auswirken kann. Da Art. 13 Abs. 1 Satz 1 ZRL wiederum durch § 31 Abs. 1 Satz 2, § 32 Abs. 1 Satz 1 TKG a. F. mit dem Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung in nationales Recht umgesetzt worden ist, müssen die genannten Vorgaben die Anwendung auch dieses Maßstabs leiten (vgl. zusammenfassend: BVerwG, Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 - BVerwGE 156, 75 Rn. 23; zum Ganzen ausführlich BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 18 ff.). 33 Die Ausfüllung eines regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielraums ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats zunächst - wie bei derartigen behördlichen Letztentscheidungsrechten generell - daraufhin zu überprüfen, ob die Behörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat, von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist, den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemeingültige Wertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt hat. Muss die Bundesnetzagentur nach dem Gesetzesbegriff, für den ein Beurteilungsspielraum besteht, bei ihrer Entscheidung eine Abwägung widerstreitender Ziele und sonstiger Belange der Regulierung vornehmen, ist zu prüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat (Abwägungsausfall), in die Abwägung an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste (Abwägungsdefizit), die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt worden ist (Abwägungsfehleinschätzung) oder der Ausgleich zwischen ihnen zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität). Da maßgeblich für die gerichtliche Kontrolle des regulierungsrechtlichen Beurteilungsspielraums allein die Begründung der Behördenentscheidung ist, prüft das Gericht, ob die Bundesnetzagentur im Hinblick auf die Kriterien, die in den relevanten Rechtsnormen ausdrücklich hervorgehoben oder doch angelegt sind, plausibel und erschöpfend argumentiert hat (BVerwG, Urteile vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 33 ff., vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 - BVerwGE 156, 75 Rn. 24 und vom 29. März 2017 - 6 C 1.16 - BVerwGE 158, 301 Rn. 32; Beschluss vom 10. Dezember 2014 - 6 C 18.13 - BVerwGE 151, 56 Rn. 38). 34 b) Der punktuelle Beurteilungsspielraum, über den die Bundesnetzagentur bei der Entscheidung über die Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen verfügt, wird entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht durch die Empfehlung der Kommission vom 11. September 2013 über einheitliche Nichtdiskriminierungsverpflichtungen und Kostenrechnungsmethoden zur Förderung des Wettbewerbs und zur Verbesserung des Umfelds für Breitbandinvestitionen (2013/466/EU) eingeschränkt. Da der Empfehlung keine normähnliche Verbindlichkeit zukommt (aa), ist sie im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, die die Bundesnetzagentur im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums vornehmen muss und die einer nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt (bb). 35 aa) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Beurteilungsspielraum der Bundesnetzagentur durch die Vorgaben der Nichtdiskriminierungsempfehlung von vorneherein begrenzt und die Bundesnetzagentur von der Beachtung dieser Vorgaben nur unter bestimmten Voraussetzungen befreit sei, führt im Ergebnis dazu, dass der Empfehlung eine normähnliche Wirkung beigemessen wird. Dementsprechend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass es die Auslegung und Anwendung der Empfehlung in vollem Umfang zu überprüfen hat. Dieser rechtliche Ansatz verstößt gegen die im Sinne von § 137 Abs. 1 VwGO revisiblen unionsrechtlichen Bestimmungen des Art. 288 Abs. 5 AEUV und Art. 13 ZRL und lässt sich insbesondere auch nicht auf die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH stützen. 36 (1) Art. 288 Abs. 5 AEUV bestimmt allgemein, dass Empfehlungen und Stellungnahmen nicht verbindlich sind. Nach der Rechtsprechung des EuGH sollte durch die Schaffung von Empfehlungen als besondere Kategorie von Unionshandlungen, die ausdrücklich als ""nicht verbindlich"" bezeichnet werden, in Art. 288 AEUV den zu ihrer Annahme berechtigten Organen die Befugnis verliehen werden, Anstöße zu geben und Überzeugungsarbeit zu leisten, die sich von der Befugnis zum Erlass verbindlicher Handlungen unterscheidet (EuGH, Urteil vom 20. Februar 2018 - C-16/16 P [ECLI:​EU:​C:​2018:​79], Belgien/Kommission - Rn. 26). Der EuGH hat dementsprechend mehrfach klargestellt, dass Empfehlungen nicht dazu bestimmt sind, Bindungswirkung zu entfalten, und keine Rechte zu begründen vermögen, auf die sich Einzelpersonen vor einem nationalen Gericht berufen könnten (EuGH, Urteil vom 26. Januar 2021 - C-422/19 und C-423/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​63], Hessischer Rundfunk - Rn. 48; vgl. auch bereits Urteil vom 13. Dezember 1989 - C-322/88 [ECLI:​EU:​C:​1989:​646], Grimaldi - Rn. 16). Diesem Mangel verbindlicher Rechtswirkungen entspricht es, dass Empfehlungen von der in Art. 263 AEUV vorgesehenen gerichtlichen Kontrolle ausgenommen sind (EuGH, Urteile vom 12. September 2006 - C-131/03 P [ECLI:​EU:​C:​2006:​541], Reynolds Tobacco u. a. /Kommission - Rn. 55 und vom 20. Februar 2018 - C-16/16 P - Rn. 27; EuG, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - T-721/14 [ECLI:​EU:​T:​2015:​829], Belgien/Kommission - Rn. 17). Zwar sind die innerstaatlichen Gerichte nach ständiger Rechtsprechung des EuGH verpflichtet, die Empfehlungen bei der Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu berücksichtigen, insbesondere dann, wenn sie Aufschluss über die Auslegung zu ihrer Durchführung erlassener nationaler Vorschriften geben oder wenn sie verbindliche Vorschriften der Europäischen Union ergänzen sollen (EuGH, Urteile vom 13. Dezember 1989 - C-322/88 - Rn. 18, vom 21. Januar 1993 - C-188/91 [ECLI:​EU:​C:​1993:​24], Deutsche Shell AG - Rn. 18, vom 11. September 2003 - C-207/01 [ECLI:​EU:​C:​2003:​451], Altair Chimica - Rn. 41 und vom 18. März 2010 - verb. Rs. C-317/08 bis C-320/08 [ECLI:​EU:​C:​2010:​146], Alassini u. a. - Rn. 40). Der in Art. 288 Abs. 5 AEUV geregelte Grundsatz, dass Empfehlungen keine verbindlichen Rechtswirkungen entfalten, bleibt durch diese indirekten rechtlichen Wirkungen jedoch unberührt. 37 (2) Im Bereich des Telekommunikationsrechts gilt ungeachtet der besonderen Regelungen für den Erlass von Empfehlungen grundsätzlich nichts Anderes. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2002/21/EG sieht in der durch die Richtlinie 2009/140/EG geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenrichtlinie - RRL) vor, dass die Kommission, wenn sie der Ansicht ist, dass aufgrund der unterschiedlichen Umsetzung der in dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien vorgesehenen Regulierungsaufgaben durch die nationalen Regulierungsbehörden Hindernisse für den Binnenmarkt entstehen können, im Hinblick auf die Verwirklichung der in Art. 8 RRL genannten Ziele eine Empfehlung oder eine Entscheidung über die harmonisierte Anwendung dieser Richtlinie und der Einzelrichtlinien erlassen kann. Dabei hat sie weitestgehend die Stellungnahme des GEREK (Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation) zu berücksichtigen. Nach Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 RRL stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die nationalen Regulierungsbehörden diesen Empfehlungen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben weitestgehend Rechnung tragen. Beschließt eine nationale Regulierungsbehörde, sich nicht an eine Empfehlung zu halten, so teilt sie dies unter Angabe ihrer Gründe der Kommission mit (Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 RRL). 38 Der EuGH hat in dem vom Verwaltungsgericht zitierten Urteil vom 15. September 2016 in der Rechtssache - C-28/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​692] - (Koninklijke KPN u. a.), das die auf Art. 19 RRL gestützte Empfehlung 2009/396/EG der Kommission vom 7. Mai 2009 über die Regulierung der Festnetz- und Mobilfunk-Zustellungsentgelte in der EU betraf, aus Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 RRL zwar geschlossen, dass die nationale Regulierungsbehörde grundsätzlich den in der Empfehlung gegebenen Hinweisen zu folgen habe, wenn sie Preiskontroll- und Kostenrechnungsverpflichtungen im Sinne von Art. 13 ZRL auferlegt. Nur wenn sie im Rahmen ihrer Beurteilung einer konkreten Situation den Eindruck habe, dass das in dieser Empfehlung empfohlene ""reine Bulric""-Modell den Umständen nicht angemessen sei, könne sie unter Angabe ihrer Gründe von ihr abweichen (EuGH, Urteil vom 15. September 2016 - C-28/15 - Rn. 37 f.). Allerdings hat der EuGH in derselben Entscheidung hervorgehoben, dass gemäß Art. 288 AEUV eine solche Empfehlung grundsätzlich nicht verbindlich ist und Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 RRL es den nationalen Regulierungsbehörden ausdrücklich gestattet, von den nach Art. 19 Abs. 1 RRL erlassenen Empfehlungen der Kommission abzuweichen, sofern sie ihr dies unter Angabe ihrer Gründe mitteilen. Demnach ist die nationale Regulierungsbehörde beim Erlass einer Entscheidung, mit der sie den Betreibern aufgrund der Art. 8 und 13 ZRL Preisverpflichtungen auferlegt, nicht an die Empfehlung gebunden (EuGH, Urteil vom 15. September 2016 - C-28/15 - Rn. 34 f.). Ferner hat der EuGH auf seine Rechtsprechung hingewiesen, nach der die nationalen Regulierungsbehörden bei der Wahrnehmung dieser hoheitlichen Funktionen über eine weitreichende Befugnis verfügen, um die Regulierungsbedürftigkeit eines Marktes in jedem Einzelfall beurteilen zu können, und ergänzt, dass es sich so bei der Preiskontrolle verhalte (EuGH, Urteil vom 15. September 2016 - C-28/15 - Rn. 36 unter Bezugnahme auf Urteil vom 3. Dezember 2009 - C-424/07 [ECLI:​EU:​C:​2009:​749], Kommission/Deutschland - Rn. 61). 39 Die in dem Urteil des EuGH vom 15. September 2016 auf die dort in Rede stehende Empfehlung 2009/396/EG bezogenen Aussagen, die nationale Regulierungsbehörde sei einerseits nicht an die Empfehlung gebunden, habe aber andererseits grundsätzlich den darin gegebenen Hinweisen zu folgen und könne nur dann von diesen abweichen, wenn sie Gründe dafür angebe, dass die Hinweise der Empfehlung den Umständen nicht angemessen seien, zielen nicht auf eine Begrenzung des der nationalen Regulierungsbehörde unionsrechtlich eingeräumten Entscheidungsspielraums, sondern setzen diesen vielmehr voraus. Denn der EuGH nennt keine abschließenden materiellen Voraussetzungen, unter denen eine Abweichung von der Empfehlung zulässig ist, sondern stellt allein darauf ab, ob die nationale Regulierungsbehörde im Rahmen ihrer Beurteilung einer konkreten Situation den Eindruck hat, dass das Modell den Umständen nicht angemessen ist (EuGH, Urteil vom 15. September 2016 - C-28/15 - Rn. 38). Letztlich entscheidend ist die Einzelfallwürdigung der Regulierungsbehörde am Maßstab der Angemessenheit. Die vom EuGH im Fall einer Abweichung geforderte Angabe von Gründen steht der Annahme eines Beurteilungsspielraums der Regulierungsbehörde demnach nicht entgegen, sondern bestätigt diese. 40 In einer späteren Entscheidung hat der EuGH ausdrücklich klargestellt, aus dem Urteil vom 15. September 2016 in der Rechtssache - C-28/15 - ergebe sich nicht, dass der Umstand, einer Handlung der Kommission ""weitestgehend Rechnung tragen"" zu müssen, eine Verpflichtung für die nationale Regulierungsbehörde bedeute, dem Inhalt dieser Handlung nachzukommen, weil Rn. 38 des Urteils - C-28/15 - ausdrücklich das Gegenteil besage (EuGH, Urteil vom 25. Februar 2021 - C-689/19 P [ECLI:​EU:​C:​2021:​142], VodafoneZiggo Group/Kommission - Rn. 37 f.; in diesem Sinne auch bereits die Vorinstanz: EuG, Beschluss vom 9. Juli 2019 - T-660/18 [ECLI:​EU:​T:​2019:​546], VodafoneZiggo Group/Kommission - Rn. 42 f.). Darüber hinaus hat der EuGH in diesem Zusammenhang erneut darauf hingewiesen, dass durch die Schaffung von Empfehlungen als besondere Kategorie von Unionshandlungen, die ausdrücklich als ""nicht verbindlich"" bezeichnet werden, in Art. 288 AEUV den zu ihrer Annahme berechtigten Organen die Befugnis verliehen werden sollte, Anstöße zu geben und Überzeugungsarbeit zu leisten, sich von der Befugnis zum Erlass verbindlicher Handlungen unterscheide (EuGH, Urteil vom 25. Februar 2021 - C-689/19 P - Rn. 40 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 20. Februar 2018 - C-16/16 P - Rn. 26). 41 Im Einklang mit der Klarstellung einer fehlenden Bindung der nationalen Regulierungsbehörde an die Empfehlungen der Kommission hat der EuGH mit Blick auf den in Art. 4 Abs. 1 RRL konkretisierten Grundsatz eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes hervorgehoben, dass ein nationales Gericht, wenn es mit einem Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit einer von der nationalen Regulierungsbehörde nach den Art. 8 und 13 ZRL auferlegten Preisverpflichtung befasst sei, von der Empfehlung 2009/396/EG abweichen könne. Zwar hat der EuGH zugleich ausgeführt, ein nationales Gericht könne im Rahmen seiner gerichtlichen Kontrolle einer aufgrund der Art. 8 und 13 ZRL erlassenen Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörden nur dann von der Empfehlung 2009/396/EG abweichen, wenn es dies aufgrund der tatsächlichen Umstände des konkreten Falles, insbesondere der Besonderheiten des Marktes des betreffenden Mitgliedstaats, für geboten erachte (EuGH, Urteil vom 15. September 2016 - C-28/15 - Rn. 39 ff.). Dass dies nicht im Sinne einer normähnlichen Verbindlichkeit der Empfehlung verstanden werden kann, folgt jedoch zum einen schon aus den wiederholten ausdrücklichen Klarstellungen des EuGH und zum anderen auch aus dessen Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung, nach der die nationalen Gerichte lediglich verpflichtet sind, die Empfehlungen bei der Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu berücksichtigen. 42 (3) Der in der Rechtsprechung des EuGH geklärte Grundsatz, dass Empfehlungen, auch wenn sie auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 1 RRL erlassen worden sind, keine rechtliche Bindungswirkung entfalten, findet auch auf die hier in Rede stehende Empfehlung 2013/466/EU der Kommission Anwendung. 43 Zwar hält es der EuGH für möglich, gegen eine Empfehlung ausnahmsweise mit einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV vorzugehen, wenn die angefochtene Handlung aufgrund ihres Inhalts keine echte Empfehlung ist (EuGH, Urteil vom 20. Februar 2018 - C-16/16 P - Rn. 29; vgl. auch Gundel, EuR 2018, 593). Um festzustellen, ob die angefochtene Handlung verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, ist auf ihr Wesen abzustellen und es sind ihre Wirkungen anhand objektiver Kriterien wie z. B. des Inhalts der Handlung zu beurteilen, wobei gegebenenfalls der Zusammenhang ihres Erlasses und die Befugnisse des die Handlung vornehmenden Organs zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 20. Februar 2018 - C-16/16 P - Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). 44 Nach diesen Maßgaben kann jedoch nicht festgestellt werden, dass die Empfehlung 2013/466/EU ausnahmsweise eine rechtliche Bindungswirkung entfaltet. Die Empfehlung ist im Wesentlichen nicht verbindlich formuliert (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: EuGH, Urteil vom 20. Februar 2018 - C-16/16 P - Rn. 34 sowie zuvor bereits ausführlich EuG, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - T-721/14 - Rn. 21 ff.), sondern in der Möglichkeitsform abgefasst. Dies kommt insbesondere in der nahezu durchgehenden Verwendung der Begriffe ""sollte/sollten"" bzw. ""könnte(n)"" oder ""kann/können"" (im Englischen ""should"" bzw. ""could"", im Französischen ""devrait/devraient"" bzw. ""pourraient"") zum Ausdruck. Der Text der Empfehlung enthält auch sonst keine Anhaltspunkte dafür, dass die nationalen Regulierungsbehörden verpflichtet wären, die von ihr aufgestellten Grundsätze nicht nur im Rahmen ihres Entscheidungsspielraums zu berücksichtigen, sondern wie eine Rechtsnorm anzuwenden. Dies wird durch den Kontext bestätigt (vgl. hierzu allgemein: EuG, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - T-721/14 - Rn. 36 sowie EuGH, Urteil vom 20. Februar 2018 - C-16/16 P - Rn. 36). Die Empfehlung wurde von einem Vorschlag für eine Verordnung begleitet, dessen Ziel der nächste Schritt hin zur Schaffung eines europäischen Telekommunikationsbinnenmarktes sein und der zusammen mit der Empfehlung ein Paket ausgewogener Maßnahmen zur Schaffung eines Telekommunikationsbinnenmarktes und zur Förderung von Investitionen bilden sollte (vgl. COM<2013> 627 final vom 11. September 2013, S. 3 und 6 der Begründung). Zwar wurde die Verordnung in der vorgeschlagenen Form nicht erlassen. Das beabsichtigte Vorgehen der Kommission, einen förmlichen Gesetzgebungsakt mit einer bloßen Empfehlung zu verbinden, bestätigt jedoch, dass die in der Empfehlung enthaltenen Hinweise gerade keine rechtsverbindliche Wirkung haben sollten. Durch den Umstand der Veröffentlichung der Empfehlung in der Reihe L statt in der Reihe C des Amtsblatts der Europäischen Union wird dies nicht widerlegt (vgl. EuG, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - T-721/14 - Rn. 38). 45 bb) Kommt der Empfehlung 2013/466/EU der Kommission nach alledem entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine normähnliche Verbindlichkeit zu, sind die in ihr enthaltenen Hinweise im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, die die Bundesnetzagentur im Rahmen des Beurteilungsspielraums vornehmen muss, über den sie nach der bereits erwähnten Rechtsprechung des Senats bei der Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen verfügt. Mit Blick auf die in § 123a Abs. 3 TKG a. F. umgesetzte Vorgabe in Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 RRL, einer auf Art. 19 Abs. 1 RRL gestützten Empfehlung der Kommission ""weitestgehend"" Rechnung zu tragen, werden die darin enthaltenen Grundsätze regelmäßig als Belange mit besonderem Gewicht in die Abwägung der Regulierungsbehörde einzustellen sein. Die unzureichende oder fehlerhafte Berücksichtigung der Hinweise der Empfehlung kann daher gegebenenfalls im Rahmen der Abwägungskontrolle beanstandet werden, die Bestandteil der gerichtlichen Überprüfung der Ausfüllung des regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielraums ist. 46 Lässt die Bundesnetzagentur eine einschlägige Empfehlung der Kommission vollständig oder teilweise außer Betracht, ohne dies plausibel zu begründen, wird regelmäßig ein Abwägungsdefizit vorliegen, weil in die Abwägung nicht an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste. Geht die Bundesnetzagentur von einem objektiv unzutreffenden Verständnis des Inhalts der Empfehlung aus, kann dies ebenfalls zur Nichtberücksichtigung abwägungserheblicher Belange und damit zu einem Abwägungsdefizit führen. Hat ein Fehler bei der Auslegung der Empfehlung zur Folge, dass die Bedeutung eines betroffenen Belanges verkannt wird, ist dies in der Regel als Abwägungsfehleinschätzung zu beanstanden. Dies gilt allerdings nur mit der Maßgabe, dass sich der Beurteilungsspielraum der Bundesnetzagentur mangels einer rechtlichen Bindungswirkung der Empfehlung grundsätzlich auch auf deren Auslegung und Anwendung erstreckt, sodass insoweit nur eine eingeschränkte gerichtliche Überprüfung erfolgt. Dementsprechend darf das Gericht das Ergebnis der Auslegung einer Empfehlung der Kommission durch die Bundesnetzagentur nur dann als Fehler bei der Ausfüllung des regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielraums beanstanden, wenn sich die gewählte Auslegungsvariante als nicht mehr vertretbar erweist. Denn anderenfalls würde der Empfehlung im Ergebnis gerade diejenige normähnliche Verbindlichkeit zuerkannt, die ihr nach den erwähnten unionsrechtlichen Vorgaben nicht zukommt. 47 c) Nach den vorstehend dargelegten Maßstäben hat die Bundesnetzagentur den ihr bei der Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen grundsätzlich zustehenden punktuellen Beurteilungsspielraum unter Berücksichtigung der die Kostenrechnungsmethoden betreffenden Empfehlung 2013/466/EU der Kommission sowie der im Konsolidierungsverfahren nach Art. 7 Abs. 3 RRL ergangenen Stellungnahme der Kommission fehlerfrei ausgefüllt. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf erneute Bescheidung ihres Entgeltgenehmigungsantrags besteht daher nicht. 48 aa) Dass die angefochtene Entscheidung der Bundesnetzagentur an einem Verfahrensfehler leidet, ist weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Die Zuständigkeit der Beschlusskammer folgt aus § 132 Abs. 1 Satz 1 TKG a. F. Die nach § 135 Abs. 3 Satz 1 TKG a. F. im Regelfall erforderliche mündliche Verhandlung ist am 26. Februar 2019 durchgeführt und den von dem Verfahren berührten Wirtschaftskreisen im Anschluss hieran gemäß § 135 Abs. 2 TKG a. F. Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Ferner hat die Bundesnetzagentur entsprechend § 15 Satz 1 i. V. m. § 12 Abs. 1 TKG a. F. ein am 10. April 2019 mit der Veröffentlichung des Entwurfs der Entgeltgenehmigung im Internet eingeleitetes Konsultationsverfahren durchgeführt. Im Rahmen des unionsweiten Konsolidierungsverfahrens im Sinne von § 12 Abs. 2 TKG a. F., das gemäß Art. 7 Abs. 3 RRL in Verbindung mit einer richtlinienkonformen analogen Anwendung von § 13 Abs. 1 Satz 2 TKG a. F. wegen der Auswirkungen der Genehmigung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten ebenfalls durchzuführen war (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2017 - 6 C 2.16 - BVerwGE 157, 249 Rn. 26 ff.), hat die Bundesnetzagentur unter dem 23. Mai 2019 ihren Entscheidungsentwurf der Kommission, dem GEREK und den nationalen Regulierungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt und diese davon unterrichtet. Mit Schreiben vom 21. Juni 2019 hat die Kommission mitgeteilt, dass sie die Notifizierung geprüft und dazu keine weiteren Anmerkungen habe. 49 bb) Die Beschlusskammer hat ihren Beurteilungsspielraum nicht deshalb fehlerhaft ausgefüllt, weil sie über die Genehmigung der von der Klägerin beantragten Entgelte für den Zugang im Multifunktionsgehäuse, zu Kabelkanalanlagen sowie zu unbeschalteten Glasfasern auf der Grundlage eines unvollständigen oder unzutreffenden Sachverhalts entschieden hätte. Anhaltspunkte für Ermittlungsdefizite sind weder geltend gemacht worden noch ersichtlich. 50 cc) Die Beschlusskammer hat ihrer Entscheidung auch kein unzutreffendes Verständnis der maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, hier insbesondere der die Entgeltregulierung betreffenden Regelungen der §§ 31 ff. TKG a. F., der in Art. 19 RRL enthaltenen Rechtsgrundlage für die Empfehlung 2013/466/EU der Kommission sowie des in Art. 13 Abs. 1 Satz 1 ZRL genannten Grundsatzes der Kostenorientierung zugrunde gelegt. Insbesondere ist sie zutreffend davon ausgegangen, dass die Empfehlung keine rechtliche Verbindlichkeit beansprucht, dass der Regulierungsbehörde bei der Auswahl der Methode zur Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen im Rahmen der Bestimmungen des Maßstabes der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung ein Beurteilungsspielraum zukommt, und dass dessen Ausfüllung die Prüfung verlangt, welcher Kostenmaßstab unter Beachtung des Anbieterinteresses den Regulierungszielen und -grundsätzen am ehesten gerecht wird. 51 dd) Ein Verstoß der angegriffenen Entscheidung der Bundesnetzagentur gegen allgemeingültige Wertungsmaßstäbe - insbesondere das Willkürverbot - ist ebenfalls nicht erkennbar. Die Begründung der Entgeltgenehmigung weist keine offensichtlichen Wertungswidersprüche oder logischen Brüche auf. Dies gilt auch in Bezug auf das von der Klägerin als nicht sachgerecht gerügte Vorgehen der Beschlusskammer bei der Bestimmung und Behandlung der vollständig abgeschriebenen wiederverwendbaren baulichen Anlagen im Rahmen des herangezogenen Kostenmodells. Den hierauf bezogenen Einwänden ist im Rahmen der Überprüfung der Abwägung nachzugehen. 52 ee) Aus der Begründung der angefochtenen Entgeltgenehmigung ergibt sich zweifelsfrei, dass die Beschlusskammer im Rahmen des Beurteilungsspielraums, über den sie bei der Konkretisierung des Begriffs der kostenorientierten Preise in Art. 13 Abs. 1 Satz 1 ZRL verfügt, eine umfassende Abwägung der relevanten Regulierungsziele und sonstigen erheblichen Belange vorgenommen hat. Der vom Verwaltungsgericht beanstandete Abwägungsausfall liegt daher nicht vor. Dem steht nicht entgegen, dass die Beschlusskammer ausgeführt hat, hinsichtlich der Auswahl der Kalkulationsbasis für die den Entgelten zugrundeliegenden Investitionswerte für Kabelkanalanlagen und unbeschaltete Glasfasern bedürfe es ausnahmsweise keiner eigenständigen Abwägung, die über diejenige in dem parallel ergangenen TAL-Entgelte-Beschluss vom 26. Juni 2019 hinausgehe, sodass auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden könne. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass zur ergänzenden Begründung einer Entgeltgenehmigung ein ausdrücklicher Verweis auf die Gründe eines anderen Beschlusses, zu dem die Wettbewerber des regulierten Unternehmens Zugang haben, grundsätzlich zulässig ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 45 und vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 - BVerwGE 156, 75 Rn. 11). Soweit die Beschlusskammer die Empfehlung 2013/466/EU der Kommission herangezogen hat, ist sie nicht von einer zwingenden rechtlichen Vorgabe des Entscheidungsergebnisses ausgegangen, was als Abwägungsausfall hätte gewertet werden können (vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2009 - 6 C 39.07 - Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 3 Rn. 40), sondern hat sich - wie den beiden Beschlüssen vom 26. Juni 2019 zu entnehmen ist - zu einer ergebnisoffenen Abwägung auf der Grundlage ihres Verständnisses der Empfehlung veranlasst gesehen. 53 ff) Ein Abwägungsdefizit oder eine Abwägungsfehleinschätzung können ebenfalls nicht festgestellt werden. Die Beschlusskammer hat die für die Entscheidung erheblichen Belange rechtlich zutreffend, vollständig und mit der ihnen zukommenden Bedeutung berücksichtigt. 54 (1) Die Beschlusskammer hat bei der Auswahl der Methode zur Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen rechtsfehlerfrei vorausgesetzt, dass die Empfehlung 2013/466/EU der Kommission im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen ist. Sie wollte von der Empfehlung weder insgesamt noch partiell abweichen, sondern ist bei ihrer Abwägung vielmehr davon ausgegangen, dass ihre Vorgehensweise bei der Heranziehung eines Kostenmodells zur Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung vollständig im Einklang mit den Hinweisen der Empfehlung steht. Soweit das Verwaltungsgericht hervorgehoben hat, dass die nationale Regulierungsbehörde nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann unter Angabe ihrer Gründe von der Empfehlung abweichen könne, wenn sie im Rahmen ihrer Beurteilung einer konkreten Situation, insbesondere der Besonderheiten des Marktes des betreffenden Mitgliedstaates, den Eindruck habe, dass die Empfehlung den Umständen nach nicht angemessen ist, betrifft dies daher nicht den hier vorliegenden Fall. 55 (2) Die Entscheidung der Bundesnetzagentur beruht auch nicht deshalb auf einem Abwägungsdefizit oder einer Abwägungsfehleinschätzung, weil sie von einem objektiv unzutreffenden, nicht mehr vertretbaren Verständnis des Inhalts der Empfehlung ausgegangen wäre und deshalb abwägungserhebliche Belange nicht oder jedenfalls nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht berücksichtigt hätte. Insoweit ist zwischen den vier Komplexen zu unterscheiden, auf die das Verwaltungsgericht in den Gründen seines Urteils eingegangen ist: Die Berücksichtigung nur solcher NGA-Referenznetze durch die Beschlusskammer, bei denen eine ""Kupferrückrechnung"" bereits erfolgt sei (a), die Annahme, bei der Modellierung des NGA-Netzes seien die Hauptverteilerstandorte vorgegeben (b), die Übertragung des Anteils der abgeschriebenen Anlagen aus dem Ist-Netz der Klägerin auf das modellierte Netz (c) sowie die Nichtberücksichtigung von Kabelkanalanlagen und Kabelschächten bei der Ermittlung der regulatorischen Anlagebasis bereits nach 35 bzw. 15 Jahren (d). 56 (a) Das Verwaltungsgericht beanstandet zu Unrecht, dass die Beklagte das zugrunde zu legende Referenznetz fehlerhaft modelliert habe, weil sie von vorneherein nur solche Referenznetze in den Blick genommen habe, bei denen eine ""Kupferrückrechnung"" bereits erfolgt sei. Zur Begründung verweist das Verwaltungsgericht auf seine Urteile vom 16. Juni 2021 - 21 K 4486/19 und 21 K 4368/19 -, die die parallel ergangene TAL-Entgelte-Genehmigung betrafen. Danach soll sich aus der Empfehlung 2013/466/EU der Kommission ergeben, dass die nationalen Regulierungsbehörden in einem ersten Schritt ein hypothetisches effizientes NGA-Netz zu modellieren und zu bewerten haben. Das Ergebnis dieses vom Verwaltungsgericht so bezeichneten Referenznetzbepreisungsverfahrens sei mitzuteilen. Soweit es um die Festsetzung der Zugangsentgelte für ganz auf Kupferleitungstechnik beruhende Dienste gehe, sei dann in einem zweiten Schritt ein so genanntes Kupferrückrechnungsverfahren durchzuführen. Dieses bestehe darin, die Kostenkalkulation für das modellierte NGA-Netz so anzupassen, dass diese den unterschiedlichen Merkmalen der ganz auf Kupferleitungstechnik beruhenden Vorleistungszugangsdienste Rechnung trage. 57 Ob die vom Verwaltungsgericht im Einzelnen genannten Nummern der Empfehlung 2013/466/EU der Kommission überhaupt geeignet sind, die vom Verwaltungsgericht für richtig gehaltene Auslegung zu tragen, kann dahingestellt bleiben. Denn bei seiner Annahme, das beschriebene zweistufige Vorgehen sei durch die Empfehlung vorgegeben, handelt es sich allenfalls um eine von mehreren möglichen Auslegungsvarianten. Dass die Beschlusskammer von einem anderen Verständnis der Empfehlung ausgegangen ist, begründet daher keinen Abwägungsfehler. 58 Das Verwaltungsgericht hat bei der Auslegung der die Kostenrechnungsmethode betreffenden Teile der Empfehlung 2013/466/EU der Kommission schon nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Empfehlung zwischen übergeordneten Aussagen, die in eindeutiger Weise die anzustrebenden Ziele und wesentlichen Merkmale der empfohlenen Kostenrechnungsmethode hervorheben, und eher technischen Hinweisen unterscheidet, in denen zum Teil divergierende Gesichtspunkte zum Ausdruck kommen, die bei der Ermittlung der im jeweiligen Einzelfall anzusetzenden Kosten miteinander in Ausgleich gebracht werden müssen. Mit dieser Grundstruktur setzt die Empfehlung voraus, dass den nationalen Regulierungsbehörden ein Spielraum bei der Beurteilung verbleibt, inwieweit die einzelnen Hinweise unter Berücksichtigung der jeweiligen nationalen Gegebenheiten im Einzelfall geeignet sind, die Ziele und wesentlichen Merkmale der empfohlenen Kostenrechnungsmethode zu erreichen. 59 Vor allem in Nr. 41 sowie insbesondere in dem hierauf bezogenen Erwägungsgrund 25 der Empfehlung kommt zum Ausdruck, dass die Kommission selbst nicht von einer Gleichrangigkeit aller Aussagen der Empfehlung ausgeht, sondern dass die empfohlene Kostenrechnungsmethode bestimmte ""Hauptmerkmale"" aufweist. Danach sollte die Kostenrechnungsmethode von einem modernen effizienten Netz ausgehen und zur Vermeidung erheblicher Schwankungen und Schocks die Notwendigkeit dauerhaft stabiler und vorhersehbarer Kupferleitungspreise auf der Vorleistungsebene widerspiegeln, um eine gute Investitionsgrundlage zu bilden und auf der Vorleistungsebene kostenorientierte Kupferleitungspreise als Kupferanker für NGA-Dienste generieren zu können. Ferner sollte die Methode in geeigneter und konsequenter Weise die Auswirkungen der infolge des Übergangs von Kupferleitungs- zu NGA-Netzen rückläufigen Nutzung der Kupferleitungsnetze berücksichtigen, indem sie einen künstlichen Anstieg der Vorleistungsentgelte für den Zugang zu Kupferleitungsnetzen vermeidet, zu dem es aufgrund der Umstellung von Kunden auf das NGA-Netz des Betreibers mit beträchtlicher Marktmacht sonst käme. Die Notwendigkeit einer Stabilitätssicherung ohne erhebliche Schwankungen bei der Festsetzung kostenorientierter Zugangsentgelte wird - neben dem Grundsatz der Transparenz und Vorhersehbarkeit der Regulierung - auch in Nr. 38 der Empfehlung hervorgehoben. In Bezug auf die Umsetzung dieser Hauptmerkmale enthält Nr. 30 der Empfehlung die grundsätzliche Vorgabe einer ""BU-LRIC+""-Kostenrechnungsmethode (Bottom-up Long-run Incremental Costs Plus, erweiterter Bottom-up-Ansatz der langfristigen Zusatzkosten) in Bezug auf Vorleistungsentgelte, und zwar sowohl für den Zugang zu Kupferleitungs- als auch für den Zugang zu NGA-Netzen. Dieser Grundsatz soll immer dann zur Anwendung kommen, wenn die Kostenorientierung als Abhilfemaßnahme auferlegt worden ist, sofern dies gemäß Art. 16 Abs. 4 RRL und Art. 8 Abs. 4 ZRL verhältnismäßig und gerechtfertigt ist. Bei den insbesondere in Nr. 32, 34 und 37 der Empfehlung enthaltenen detaillierteren Aussagen handelt es sich demgegenüber um eher technische Hinweise, die als Orientierungshilfen für das methodische Vorgehen der nationalen Regulierungsbehörde bei der Festsetzung kostenorientierter Zugangsentgelte dienen und den genannten Hauptzielen und -merkmalen der Empfehlung untergeordnet sind. Diese Hinweise lassen deutlich erkennen, dass in das zu modellierende NGA-Netz, auf das die genannte Kostenrechnungsmethode Anwendung finden soll, in näher umschriebenem Umfang nach den nationalen Gegebenheiten vorhandene Strukturen aus einem tatsächlich bestehenden kupferbasierten Netz Eingang finden können. 60 Keine der vom Verwaltungsgericht im Einzelnen in den Blick genommenen Aussagen der Empfehlung 2013/466/EU der Kommission ist geeignet, die Annahme zu stützen, dass zunächst das NGA-Netz modelliert und bepreist werden muss und sich erst nach Mitteilung des Ergebnisses des Referenznetzbepreisungsverfahrens das Kupferrückrechnungsverfahren anschließt. Nr. 30 der Empfehlung hat die Beschlusskammer zu Recht lediglich die grundsätzliche Vorgabe entnommen, dass eine Bottom-up-Modellierung vorzunehmen ist. Als ""Bottom-up-Modellierung"" definiert Nr. 6 Buchst. a) der Empfehlung einen Ansatz, bei dem ausgehend von der erwarteten Nachfrage in Bezug auf Teilnehmer und Verkehr ein Kostenmodell entwickelt wird. Zu diesem wird dann das effiziente Netz modelliert, das erforderlich ist, um die erwartete Nachfrage zu decken, wobei die entsprechenden Kosten nach einem theoretischen Netzmodell abgeschätzt werden, um die Kosten zu berechnen, die in einem effizienten Netz entstehen, in dem die neueste, in großen Netzen eingesetzte Technik verwendet wird. Zu der methodischen Detailfrage, ob bei der Berechnung der Vorleistungsentgelte für den Zugang zu Kupferleitungsnetzen ein mehrstufiges Vorgehen erforderlich und insbesondere zwischen einem Referenznetzbepreisungsverfahren und einem sich hieran gegebenenfalls anschließenden Kupferrückrechnungsverfahren zu unterscheiden ist, verhält sich Nr. 30 der Empfehlung offensichtlich nicht. Die Einzelheiten der Modellierung des NGA-Netzes und dessen Bewertung werden vielmehr erst in den Nr. 32 ff. der Empfehlung behandelt. 61 Auch auf Nr. 32 der Kommissionsempfehlung lässt sich die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht stützen, dass die Regulierungsbehörde zunächst ein NGA-Netz modellieren und bewerten und auf der Grundlage des mitzuteilenden Ergebnisses anschließend in einem weiteren Schritt gegebenenfalls ein ""Kupferrückrechnungsverfahren"" durchführen muss. In Satz 1 dieser Nummer wird lediglich ausgeführt, dass die nationalen Regulierungsbehörden bei der Modellierung eines NGA-Netzes von einem hypothetischen effizienten NGA-Netz ausgehen sollten, das die Ziele der Digitalen Agenda für Europa in Bezug auf Bandbreite, Versorgungsgrad und Verbreitungsgrad erfüllt und vollständig oder teilweise aus optischen Komponenten besteht. Wie das zu modellierende hypothetische Netz im Einzelnen ausgestaltet ist, insbesondere ob und gegebenenfalls in welchem Umfang bereits bei der Modellierung vorhandene Strukturen aus einem tatsächlich bestehenden (kupferbasierten) Netz berücksichtigt werden können, lässt die Empfehlung offen. Hieran wird erkennbar, dass die Empfehlung einen Spielraum der nationalen Regulierungsbehörden bei der Modellierung des effizienten Referenznetzes voraussetzt. Zur Eingrenzung dieses Spielraums werden zugleich Mindestanforderungen genannt, die sich einerseits auf die Leistungsfähigkeit und andererseits auf die Architektur der Referenznetze beziehen. Hinsichtlich der Netzarchitektur wird in Erwägungsgrund 41 der Empfehlung hervorgehoben, dass als modernes und effizientes NGA-Netz ein FTTH-Netz, ein FTTC-Netz oder eine Kombination aus beiden gelten können. Da ein FTTC-Netz lediglich bis zum Kabelverzweiger aus Glasfasern besteht, setzt die Empfehlung die Möglichkeit der Berücksichtigung vorhandener Kupfernetzstrukturen bei der Referenznetzmodellierung voraus. Hieraus folgt, dass die Berücksichtigung vorhandener Strukturen eines tatsächlich bestehenden (kupferbasierten) Netzes im Rahmen eines auf der Grundlage der erwarteten Nachfrage und mit Blick auf deren Deckung zu modellierenden effizienten Referenznetzes, das zumindest teilweise aus optischen Komponenten - d. h. Glasfasern - besteht, nach der Empfehlung erst dann als von vorneherein ausgeschlossen anzusehen ist, wenn durch den Anteil der Kupferelemente die Leistungsfähigkeit des Referenznetzes in solchem Maße reduziert werden würde, dass die genannten Ziele der Digitalen Agenda für Europa in Bezug auf Bandbreite, Versorgungsgrad und Verbreitungsgrad nicht erreicht werden können. Handelt es sich bei der Modellierung eines vollständig aus Glasfasern bestehenden hypothetischen NGA-Netzes jedoch lediglich um eine mögliche Variante der Referenznetzmodellierung, neben der auch die Modellierung von Referenznetzen in Betracht kommt, die teilweise (noch) aus Kupferelementen bestehen, fehlt eine Grundlage für die Annahme, die nationalen Regulierungsbehörden müssten unabhängig von den konkreten Umständen stets ein völlig hypothetisches effizientes NGA-Netz modellieren, das sodann gegebenenfalls als Ausgangspunkt für eine ""Kupferrückrechnung"" dient. 62 Gegen das Verständnis des Verwaltungsgerichts, bei der Berechnung der Vorleistungsentgelte für den Zugang zu Kupferleitungsnetzen bedürfe es zwingend eines zweistufigen Vorgehens und die vorhandenen Kupferbestandteile dürften erst auf der zweiten Stufe berücksichtigt werden, sprechen vor allem die beiden weiteren Sätze der Nr. 32 der Empfehlung. Gemäß Nr. 32 Satz 2 sollten die nationalen Regulierungsbehörden bei der Modellierung eines NGA-Netzes berücksichtigen, welche bestehenden baulichen Anlagen im Allgemeinen auch ein NGA-Netz aufnehmen können und welche baulichen Anlagen für den Ausbau eines NGA-Netzes neu errichtet werden müssen. Deshalb sollten die nationalen Regulierungsbehörden bei der Entwicklung des BU-LRIC+-Modells nicht davon ausgehen, dass für den Aufbau eines NGA-Netzes eine völlig neue bauliche Infrastruktur errichtet werden muss (Nr. 32 Satz 3). Die Empfehlung geht mithin davon aus, dass die Berücksichtigung der vorhandenen baulichen Infrastruktur bereits ""bei"" der Modellierung eines NGA-Netzes bzw. der Entwicklung des BU-LRIC+-Modells erfolgt und gerade nicht erst in einem getrennten Verfahrensschritt nach Abschluss der Modellierung eines NGA-Netzes. 63 Nr. 37 der Empfehlung zwingt ebenfalls nicht zu der Annahme, dass die sich aus der vorhandenen Kupferleitungstechnik ergebenden Besonderheiten ausschließlich auf der Grundlage einer abgeschlossenen Kostenkalkulation für ein vollständig hypothetisches Referenznetz berücksichtigt werden dürften. Nr. 37 Satz 1, wonach die nationalen Regulierungsbehörden nach dem Grundsatz der Technologieneutralität verschiedene Ansätze für die Modellierung des hypothetischen effizienten NGA-Netzes in Abhängigkeit von der den nationalen Gegebenheiten am besten entsprechenden Zugangstechnik und Netztopologie in Erwägung ziehen sollten, spricht vielmehr deutlich dagegen, vorhandene Anlagen und Netzstrukturen erst und ausschließlich auf einer zweiten, von der Modellierung des hypothetischen Netzes getrennten Stufe in den Blick zu nehmen. Aus den Sätzen 2 und 3 der Nr. 37 folgt nichts Anderes. Danach sollten die nationalen Regulierungsbehörden bei der Festsetzung der Zugangsentgelte für ganz auf Kupferleitungstechnik beruhende Dienste die Kostenkalkulation für das modellierte NGA-Netz so anpassen, dass diese den unterschiedlichen Merkmalen der ganz auf Kupferleitungstechnik beruhenden Vorleistungszugangsdienste Rechnung trägt. Zu diesem Zweck sollten sie in ihrem NGA-Modell gegebenenfalls die Kostendifferenz zwischen beispielsweise einem FTTC-/FTTH-Zugangsprodukt und einem ganz auf Kupferleitungstechnik beruhenden Zugangsprodukt schätzen, indem sie die optischen Komponenten durch effizient bepreiste Kupferleitungstechnik ersetzen. Dass diese Hinweise nicht als Vorgabe einer verfahrensmäßigen Trennung zwischen der Kostenkalkulation für das modellierte NGA-Netz einerseits und der im Hinblick auf die besonderen Merkmale der kupfergestützten Vorleistungszugangsdienste vorzunehmenden Anpassung dieser Kostenkalkulation andererseits verstanden werden müssen, folgt unter anderem aus dem auf Nr. 37 bezogenen Satz 3 des Erwägungsgrundes 41. Danach kann die Schätzung der Kostendifferenz zwischen einem NGA-Zugangsprodukt und einem reinen Kupferleitungszugangsprodukt auch dadurch erfolgen, dass für das NGA-Modell die entsprechenden netztechnischen Anpassungen vorgenommen werden, um das Entgelt für den Zugang zu den Kupferleitungen auf der Vorleistungsebene festlegen zu können. Die Empfehlung geht folglich davon aus, dass den besonderen Merkmalen der kupferleitungsgestützten Vorleistungszugangsdienste auch bereits durch Anpassungen bei der Modellierung und nicht erst nach deren Abschluss auf einer nachgelagerten Ebene Rechnung getragen werden kann. Noch deutlicher als in der deutschen Fassung wird dies in der englischen und der französischen Fassung, die jeweils im Sinne von ""Anpassungen an dem Modell"" zu verstehen sind (""adjustments to the NGA model"" bzw. ""adaptations ... au modèle NGA""). Gegen das Verständnis des Verwaltungsgerichts spricht schließlich auch Satz 4 der Nr. 37. Danach könnten die nationalen Regulierungsbehörden ansonsten, soweit angemessen, die Kosten der Kupferleitungstechnik durch Modellierung eines überlagernden NGA-Netzes ermitteln, sofern beide Netze (Kupferleitungs- und FTTH-/FTTC-Glasfasernetz) in gewissem Umfang die gleiche bauliche Infrastruktur teilen. In diesem Hinweis kommt erneut zum Ausdruck, dass die Regulierungsbehörde einen Spielraum hat, ob und inwieweit sie einzelne Elemente einer bestehenden Kupferinfrastruktur in dem von der Empfehlung zugelassenen Umfang bereits im Rahmen der Modellierung des NGA-Referenznetzes berücksichtigt. 64 Auch den sonstigen Aussagen der Empfehlung sind keine Gesichtspunkte zu entnehmen, die die Auslegung des Verwaltungsgerichts nahelegen könnten. Der Grundsatz der Transparenz, auf den das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf Nr. 38 und Erwägungsgrund 28 der Empfehlung verweist, fordert nicht, dass Preise für hypothetische Netze ermittelt und in die Abwägung eingestellt werden, die von vorneherein nicht als Grundlage der Kostenkalkulation in Betracht kommen. Das in Nr. 3 der Empfehlung erwähnte gemeinsame Konzept für die Förderung der einheitlichen und wirksamen Umsetzung der in Nr. 2 genannten, gemäß Art. 13 ZRL auferlegten Verpflichtungen zur Preiskontrolle und Kostenrechnung in Bezug auf herkömmliche Netze und NGA-Netze, soweit diese die Bereitstellung von Breitbanddiensten erlauben, bezieht sich naturgemäß nur auf solche Zugangsleistungen, für die einem regulierten Unternehmen Verpflichtungen zur Preiskontrolle und Kostenrechnung auferlegt worden sind, die also der Entgeltregulierung unterfallen. Dies ist hinsichtlich der Entgelte für den Zugang zu einem NGA-Netz jedoch gerade nicht der Fall. 65 Das Erfordernis der strikten Trennung zwischen einem ""Referenznetzbepreisungsverfahren"" und einem sich hieran gegebenenfalls anschließenden ""Kupferrückrechnungsverfahren"" ergibt sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts schließlich auch nicht aus dem in Nr. 6 Buchst. c) und Nr. 49 der Empfehlung erwähnten Gesichtspunkt des ""Kupferankers"". Gemäß Nr. 49 sollten die nationalen Regulierungsbehörden unter näher geregelten Voraussetzungen keine regulierten Vorleistungszugangsentgelte für passive NGA-Vorleistungen oder nichtphysische oder virtuelle Vorleistungen mit einem gleichwertigen Funktionsumfang gemäß Art. 13 ZRL auferlegen oder aufrechterhalten. Eine dieser Voraussetzungen besteht gemäß Nr. 49 Buchst. d) darin, dass die nationale Regulierungsbehörde belegen kann, dass das herkömmliche Zugangsnetzprodukt des Betreibers mit beträchtlicher Marktmacht, der einer Kostenorientierungsverpflichtung nach der in den Nr. 30 bis 37 oder 40 angegebenen Kostenrechnungsmethode unterliegt, einen Kupferanker darstellt und damit einen nachweisbaren Wettbewerbsdruck auf den Endkundenpreis ausübt. Als ""Kupferanker"" wird in Nr. 6 Buchst. c) der Empfehlung ein kostenorientiertes Kupferleitungszugangsprodukt auf der Vorleistungsebene definiert, das die NGA-Preise insofern beschränkt, als die Preisbildung bei NGA-Diensten von der Bereitschaft der Verbraucher abhängt, für die zusätzlichen Kapazitäten oder Funktionen zu bezahlen, die ein NGA-gestütztes Endkundenprodukt im Vergleich zu einem kupferleitungsgestützten Endkundenprodukt bietet. Die Funktion des ""Kupferankers"" besteht nach der Konzeption der Empfehlung mithin darin, über die Marktkräfte begrenzend zu wirken und dadurch sicherzustellen, dass die Preise für den Zugang zu den NGA-Netzen nicht zu stark steigen, sodass von einer kostenorientierten Festlegung der Entgelte weiterhin abgesehen werden kann. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Funktion der genehmigten Entgelte für den Zugang zum Kupfernetz als ""Kupferanker"" setze voraus, dass auch die Entgelte für den Zugang zum NGA-Referenznetz durch die Regulierungsbehörde ermittelt werden, missversteht diesen marktorientierten Ansatz der Empfehlung. 66 (b) Bei ihrer Annahme, dass der Referenznetzmodellierung die im Ist-Netz der Klägerin bestehenden Hauptverteilerstandorte zugrunde gelegt werden können, ist die Beschlusskammer von einer vertretbaren Auslegung der Empfehlung 2013/466/EU der Kommission ausgegangen, sodass die angegriffene Entgeltgenehmigung auch nicht aus diesem Grund auf einem Abwägungsdefizit oder einer Abwägungsfehleinschätzung beruht. 67 Die Beschlusskammer musste die Nr. 30 ff. der Empfehlung nicht dahingehend auslegen, dass die nationalen Regulierungsbehörden bei der im Rahmen der Genehmigung von Entgelten erforderlichen Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zwingend ein Referenznetz zu modellieren haben, bei dem auch die Hauptverteilerstandorte variabel sind. Der vom Verwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 16. Juni 2021 - 21 K 4486/19 und 21 K 4368/19 - näher dargelegten Auffassung, dass die Regulierungsbehörde eine Änderung der Hauptverteilerstruktur jedenfalls hätte in Erwägung ziehen müssen, vermag der Senat nicht zu folgen. 68 Gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Kostenermittlung im Rahmen der Nichtdiskriminierungsempfehlung beruhe auf einem so genannten Greenfield-Ansatz und schließe daher den von der Beschlusskammer gewählten so genannten Scorched-Node-Ansatz aus, der zumindest teilweise von einer tatsächlich bestehenden Netztopologie mit bestehenden Knoten ausgeht, sprechen die bereits unter (a) dargelegten Erwägungen. Insbesondere trägt das Verwaltungsgericht dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, dass die Empfehlung den nationalen Regulierungsbehörden bei der Modellierung der Referenznetze einen Spielraum belässt und in diesem Rahmen auch der Berücksichtigung vorhandener Strukturen eines tatsächlich bestehenden (kupferbasierten) Netzes nicht entgegensteht (vgl. Nr. 37 Satz 1 sowie Erwägungsgrund 41 Satz 1), sofern die Bedingungen erfüllt sind, dass - erstens - die Modellierung auf der Grundlage der erwarteten Nachfrage und mit Blick auf deren Deckung erfolgt (Bottom-up-Modellierung, vgl. Nr. 6 Buchst. a)), die zu modellierenden effizienten Referenznetze - zweitens - zumindest teilweise aus optischen Komponenten - d. h. Glasfasern - bestehen (vgl. Nr. 32 Satz 1) und - drittens - so leistungsfähig sind, dass die (oben näher erläuterten) Ziele der Digitalen Agenda für Europa in Bezug auf Bandbreite, Versorgungsgrad und Verbreitungsgrad erreicht werden können (vgl. Nr. 32 Satz 1). Sofern diese Bedingungen erfüllt sind, woran in Bezug auf die von der Bundesnetzagentur in die Abwägung eingestellten Referenznetze keine Zweifel erkennbar sind, kann die Regulierungsbehörde bei der Modellierung grundsätzlich auch von Netzknoten ausgehen, die durch das Ist-Netz vorgegeben sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - der gewählte Scorched-Node-Ansatz in der Weise eingeschränkt ist, dass die bestehenden Netzknoten nicht generell, sondern lediglich auf der Hauptverteilerebene als vorgegeben angesehen, die Standorte der Kabelverzweiger im Rahmen der Modellierung jedoch als variabel behandelt werden. 69 (c) Zu einer fehlerhaften Ausfüllung des regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielraums aufgrund eines Abwägungsdefizits oder einer Abwägungsfehleinschätzung führt nicht die Annahme der Beschlusskammer, auch diejenigen wiederverwendbaren baulichen Anlagen der Klägerin, die sich nicht in dem Netzmodell der Beklagten ""wiederfinden"", seien nach Nr. 34 der Empfehlung zu bewerten und der Anteil der abgeschriebenen Anlagen könne deshalb aus dem Ist-Netz der Klägerin auf das modellierte Netz übertragen werden. 70 Die Empfehlung unterscheidet in den Nr. 6 Buchst. r), 33, 34 zwischen wiederverwendbaren baulichen Anlagen, das heißt solchen für Kupferleitungsnetze genutzten baulichen Anlagen, die für den Ausbau eines NGA-Netzes weitergenutzt werden können, und sonstigen Anlagen. Dementsprechend hat die Beschlusskammer die Kapitalkosten nach einem so genannten gemischten Ansatz bewertet, nach dem nicht replizierbare, aber wiederverwendbare bauliche Anlagen auf der Grundlage von Nettowiederbeschaffungswerten und die sonstigen Investitionsgüter auf der Basis von Bruttowiederbeschaffungswerten kalkuliert werden. Während es sich bei den Bruttowiederbeschaffungswerten um die aktuellen Investitionskosten für die maßgeblichen Investitionsgüter handelt, werden die Nettowiederbeschaffungswerte auf der Grundlage der aktuellen Investitionskosten abzüglich Abschreibungen ermittelt. Dass die der Entgeltermittlung zugrundeliegenden Investitionswerte für wiederverwendbare bauliche Anlagen - zu denen die Beschlusskammer insbesondere die Kabelkanäle und Kabelschächte zählt - um die auf diese erfolgten Abschreibungen vermindert werden, bedeutet nach dem Ansatz der Beschlusskammer, dass für die genannten Anlageklassen vollständig abgeschriebene Anlagen nicht mehr in die Ermittlung des Investitionswerts einfließen. Da die Beschlusskammer auf der Grundlage des WIK-Gutachtens ein modernes FTTH-Netz modelliert hat, das - mit Ausnahme der Hauptverteilerstandorte - von der Topologie des Ist-Netzes der Klägerin abweicht, kann dieses modellierte Referenznetz naturgemäß keine bereits vollständig abgeschriebenen Netzbestandteile enthalten. Die Beschlusskammer hat deshalb den Anteil der wiederverwendbaren baulichen Anlagen in diesem fiktiven Netz in der Weise bestimmt, dass sie anhand der Kostenunterlagen der Klägerin die Quote der bereits abgeschriebenen Kabelkanäle und -rohre bzw. der bereits abgeschriebenen Kabelschächte ermittelt und diese Quote auf das fiktive Netz übertragen hat. 71 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts widerspricht die Vorgehensweise der Beschlusskammer, den Anteil der abgeschriebenen wiederverwendbaren baulichen Anlagen aus dem Ist-Netz der Klägerin auf das modellierte Netz zu übertragen, nicht den Aussagen der Empfehlung. Das Verständnis des Verwaltungsgerichts, die Art des ermittelten NGA-Netzes entscheide auch darüber, welche Anlagen konkret als replizierbar bzw. nicht replizierbar anzusehen seien und daher seien diejenigen baulichen Anlagen, die sich nicht konkret in dem modellierten Netz wiederfänden, keine wiederverwendbaren baulichen Anlagen, mag sich zwar ebenfalls im Rahmen einer vertretbaren Auslegung der Empfehlung halten. Es ist jedoch - worauf es im vorliegenden Zusammenhang allein ankommt - nicht alternativlos. Vielmehr hat die Beschlusskammer insoweit ein zumindest vertretbares Verständnis des Inhalts der Empfehlung zugrunde gelegt. Sie musste die Empfehlung nicht dahingehend auslegen, dass vollständig abgeschriebene wiederverwendbare bauliche Anlagen nur dann nicht bei der Berechnung des Investitionswerts zu berücksichtigen sind, wenn sie konkret in dem modellierten Netz vorhanden sind. 72 Gemäß den bereits erwähnten Sätzen 2 und 3 der Nr. 32 der Empfehlung sollten die nationalen Regulierungsbehörden bei der Modellierung des NGA-Netzes berücksichtigen, welche bestehenden baulichen Anlagen im Allgemeinen auch ein NGA-Netz aufnehmen können und welche baulichen Anlagen für den Ausbau eines NGA-Netzes neu errichtet werden müssen. Deshalb sollten sie bei der Entwicklung des BU-LRIC+-Modells nicht davon ausgehen, dass für den Aufbau eines NGA-Netzes eine völlig neue bauliche Infrastruktur errichtet werden muss. Eine Einschränkung, dass dieser Grundsatz nur insoweit gelten soll, als die Kostenberechnung auf dem realen Netz des regulierten Unternehmens basiert, kann dem Wortlaut der Empfehlung - wie die Beschlusskammer zutreffend hervorgehoben hat - nicht entnommen werden. Die Formulierung in Nr. 32 Satz 2, dass die nationalen Regulierungsbehörden bei der Modellierung eines NGA-Netzes berücksichtigen sollten, welche bestehenden baulichen Anlagen ""im Allgemeinen"" auch ein NGA-Netz aufnehmen können und welche baulichen Anlagen für den Ausbau eines NGA-Netzes neu errichtet werden müssen, deutet zudem darauf hin, dass die Empfehlung keinen exakten Abgleich mit konkreten baulichen Anlagen in dem vorhandenen Netz fordert, sondern - der abstrakten Natur eines Modells entsprechend - auch eine pauschalierende Bestimmung des Anteils der vollständig abgeschriebenen wiederverwendbaren baulichen Anlagen zulässt. 73 Die Beschlusskammer hat ferner zu Recht auf den Sinn und Zweck des in Nr. 32 Satz 3 der Empfehlung enthaltenen Grundsatzes hingewiesen. Durch die Nichtberücksichtigung vollständig abgeschriebener wiederverwendbarer Anlagen solle kostenmäßig abgebildet werden, dass bei dem Neuaufbau eines Anschlussnetzes vorhandene Kabelkanalanlagen und Kabelschächte genutzt werden könnten und deshalb eben nicht neu zu errichten seien. Wenn von vorneherein nur solche wiederverwendbaren Anlagen bei der Berechnung des Investitionswerts unberücksichtigt bleiben dürften, die nach Lage, Dimension und Ausführung dem real existierenden Netz der Klägerin entsprächen, würde dies dem in Satz 2 des Erwägungsgrundes 35 der Empfehlung zum Ausdruck kommenden Ziel zuwiderlaufen, die Gefahr einer Kostenüberdeckung für die bereits vorhandene, wiederverwendbare bauliche Infrastruktur zu vermeiden und Signale für Bau- bzw. Kaufentscheidungen für den Markteintritt eines effizienten Betreibers zu geben. In Satz 3 des Erwägungsgrundes 35 geht die Empfehlung zudem davon aus, dass sich eine Kostenüberdeckung im Hinblick auf einen effizienten Markteintritt und die Aufrechterhaltung von Investitionsanreizen nicht rechtfertigen ließe, da die Bau-Option für diese Anlagenkategorie wirtschaftlich nicht tragfähig wäre. Dass die Empfehlung in dem Erwägungsgrund 26 als einen wesentlichen Grundsatz einer Kostenrechnungsmethode die Kostendeckung hervorhebt (Satz 1), die sicherstelle, dass ein effizienter Betreiber die ihm entstandenen Kosten decken und eine angemessene Rendite auf das investierte Kapital erzielen könne (Satz 2), steht dem Ansatz, gerade bei der Berücksichtigung vorhandener, wiederverwendbarer baulicher Infrastruktur die Gefahr einer Kostenüberdeckung möglichst wirksam auszuschließen, nicht entgegen. 74 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Empfehlung der Kommission es den nationalen Regulierungsbehörden überlässt, die teilweise gegensätzlich wirkenden Grundsätze der Modellierung eines hypothetischen effizienten NGA-Netzes einerseits (Nr. 32 Satz 1 der Empfehlung) und der kostenmindernden Möglichkeit der Wiederverwendung bereits bestehender baulicher Infrastrukturen für den Aufbau eines solchen Netzes andererseits im Rahmen ihres Spielraums zu einem Ausgleich zu bringen. Der Ansatz der Beschlusskammer, einerseits ein modernes FTTH-Netz zu modellieren, andererseits aber auch die im Ist-Netz der Klägerin vorhandenen wiederverwendbaren baulichen Anlagen kostenmindernd zu berücksichtigen, indem anhand der Kostenunterlagen der Klägerin die Quote der bereits abgeschriebenen Kabelkanäle und Kabelschächte ermittelt und diese Quote auf das modellierte hypothetische Netz übertragen wird, stellt sich vor diesem Hintergrund als ein zwar nicht alternativloses, jedoch von der Empfehlung grundsätzlich gedecktes Vorgehen dar. 75 (d) Die angegriffene Entgeltgenehmigung beruht schließlich nicht deshalb auf einem Abwägungsdefizit oder einer Abwägungsfehleinschätzung und damit auf einer fehlerhaften Ausfüllung des der Regulierungsbehörde bei der Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen eingeräumten Beurteilungsspielraums, weil die Beschlusskammer bei ihrer Entscheidung, Kabelkanalanlagen und Kabelschächte bereits nach 35 bzw. 15 Jahren bei der Ermittlung der regulatorischen Anlagebasis nicht mehr zu berücksichtigen, von einem objektiv unzutreffenden, nicht mehr vertretbaren Verständnis des Inhalts der Empfehlung ausgegangen wäre. Die Beschlusskammer war nicht gehalten, Nr. 30 ff. der Empfehlung in der vom Verwaltungsgericht für zutreffend gehaltenen Weise dahingehend auszulegen, dass die Dauer, ab der davon auszugehen ist, dass noch genutzte wiederverwendbare bauliche Anlagen vollständig abgeschrieben und deshalb nicht mehr bei der regulatorischen Anlagebasis zu berücksichtigen sind, zwingend identisch mit der bei dem jährlichen ""Verteilungsmaßstab"" anzusetzenden Dauer ist. Denn auch insoweit enthält die Empfehlung keine eindeutigen Vorgaben, sondern überlässt es den nationalen Regulierungsbehörden, im Rahmen ihres Spielraums die unterschiedlichen Hinweise der Empfehlung zu einem sachgerechten Ausgleich zu bringen. Dies hat die Beschlusskammer in einer im Ergebnis vertretbaren Weise getan. 76 Nach welcher Zeit wiederverwendbare bauliche Anlagen, d. h. für Kupferleitungsnetze genutzte bauliche Anlagen, die für den Ausbau eines NGA-Netzes weitergenutzt werden können (Nr. 6 Buchst. r) der Empfehlung) und zu denen grundsätzlich z. B. auch Schächte und Gräben zu zählen sind (vgl. Erwägungsgrund 34 Satz 1), bei der Ermittlung der regulatorischen Anlagebasis nicht mehr zu berücksichtigen sind, wird in der insoweit einschlägigen Nr. 34 der Empfehlung nicht eindeutig bestimmt. Gemäß Nr. 34 Satz 1 sollten die nationalen Regulierungsbehörden bestehende wiederverwendbare bauliche Anlagen und deren regulatorische Kapitalbasis (RAB, vgl. die Definition in Nr. 6 Buchst. q)) anhand der Indexierungsmethode bewerten. Insbesondere sollten die nationalen Regulierungsbehörden die RAB bei dieser Art von Anlagen mit dem regulatorischen Buchwert abzüglich der kumulierten Abschreibungen zum Berechnungszeitpunkt und indexiert mit einem geeigneten Preisindex wie dem Einzelhandelspreisindex ansetzen (Nr. 34 Satz 2). Nr. 34 Satz 5 bestimmt, dass die nationalen Regulierungsbehörden bestehende wiederverwendbare bauliche Anlagen, die vollständig abgeschrieben sind, aber noch genutzt werden, dabei nicht berücksichtigen sollten. In Nr. 6 Buchst. e) wird ferner der Begriff der ""Abschreibungsmethoden"" definiert. Danach handelt es sich um Methoden, mit denen der Wert einer Anlage auf deren gesamte Lebensdauer verteilt wird, wodurch für deren Eigentümer das Profil der zu berücksichtigenden Erträge im jeweiligen Zeitraum beeinflusst wird. Eine bestimmte Abschreibungsmethode sieht die Empfehlung nicht vor. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass sich der der nationalen Regulierungsbehörde zustehende Beurteilungsspielraum grundsätzlich auch auf die Entscheidung erstreckt, welche Abschreibungsmethode sie bei der Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zugrunde legt. Dabei erscheint es nicht sachwidrig, in erster Linie von der geschätzten wirtschaftlichen Nutzungsdauer eines Vermögensgegenstandes auszugehen, die das regulierte Unternehmen in seinen Kostenunterlagen selbst zugrunde gelegt hat. Im vorliegenden Fall sind dies nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts 35 Jahre für Kabelkanalanlagen und 15 Jahre für Kabelschächte. Aus der in Nr. 6 Buchst. p) der Empfehlung enthaltenen Definition des in Nr. 34 Satz 2 erwähnten Begriffs des ""regulatorischen Buchwerts"" folgt nichts Anderes. Danach handelt es sich um den in der geprüften regulatorischen Buchführung eines Unternehmens verzeichneten Wert einer Anlage, der deren tatsächliche Nutzung und Lebensdauer berücksichtigt, die üblicherweise die im gesetzlichen Jahresabschluss angegebene Dauer übersteigt und der technischen Lebensdauer eher entspricht. Dass die nationale Regulierungsbehörde bei der Bestimmung des regulatorischen Buchwerts nicht an die in der Buchhaltung des regulierten Unternehmens enthaltenen Angaben gebunden ist, sondern diese gemäß Nr. 6 Buchst. p) der Empfehlung zu ""prüfen"" hat und dementsprechend gegebenenfalls auch korrigieren kann, bedeutet nicht, dass sie zu einer solchen Korrektur der Angaben des Unternehmens zu dessen Gunsten verpflichtet ist und - in den Worten der Klägerin - eine ""regulatorische Schattenrechnung"" vornehmen muss, ohne dass hierfür ein konkreter Anlass besteht. Ein solcher Anlass kann insbesondere nicht darin gesehen werden, dass sich das regulierte Unternehmen - wie hier - darauf beruft, die von der Regulierungsbehörde herangezogenen Angaben in seinem Rechnungswesen dienten (nur) den Zwecken des handelsrechtlichen und steuerlichen Jahresabschlusses und seien mit den Steuerbehörden in Anlehnung an die amtlichen Abschreibungstabellen abgestimmt. 77 Der Entscheidung der Beschlusskammer, Kabelkanalanlagen und Kabelschächte bereits nach 35 bzw. 15 Jahren bei der Ermittlung der regulatorischen Anlagebasis nicht mehr zu berücksichtigen, liegt auch kein objektiv unzutreffendes, nicht mehr vertretbares Verständnis des Inhalts der Nr. 36 der Empfehlung zugrunde. Gemäß Nr. 36 Satz 1 sollten die nationalen Regulierungsbehörden die Lebensdauer der baulichen Anlagen so ansetzen, dass sie der erwarteten Nutzungsdauer der Anlage und dem Nachfrageprofil entspricht. Diese beträgt nach Nr. 36 Satz 2 bei Kabelschächten in der Regel mindestens 40 Jahre. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist es nicht systematisch unplausibel, dass die Beschlusskammer die in Nr. 36 genannte Nutzungsdauer lediglich für den jährlichen ""Verteilungsmaßstab"" herangezogen hat. Denn die Empfehlung sieht in den bereits erwähnten Nr. 34 Satz 1, 2 und 5 i. V. m Nr. 6 Buchst. p) eine besondere Vorgehensweise für die Berücksichtigung der bestehenden wiederverwendbaren baulichen Anlagen im Rahmen der Festlegung der regulatorischen Kapitalbasis vor. Hinsichtlich der hierbei maßgeblichen Lebensdauer soll in erster Linie auf die in der Buchführung des regulierten Unternehmens enthaltenen Angaben abgestellt werden. Diesem Ansatz liegt erkennbar die Annahme zugrunde, dass sich wiederverwendbare baulichen Anlagen nach einer von dem regulierten Unternehmen selbst zugrunde gelegten Abschreibungsdauer regelmäßig amortisiert haben werden. Der Gedanke der Amortisierung kommt insbesondere auch in dem bereits erwähnten Erwägungsgrund 35 der Empfehlung zum Ausdruck. In der empfohlenen Kostenrechnungsmethode wird nach Satz 1 dieses Erwägungsgrundes die RAB, die den wiederverwendbaren baulichen Altanlagen entspricht, mit den aktuellen Kosten veranschlagt, unter Berücksichtigung der bereits abgelaufenen Nutzungsdauer, also der Kosten, die vom regulierten Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht bereits wieder hereingeholt wurden. Da die Empfehlung, wie sich aus den Sätzen 2 und 3 des Erwägungsgrundes 35 ergibt, der Gefahr einer aus regulatorischen Gründen unerwünschten Kostenüberdeckung für die bereits vorhandene, wiederverwendbare bauliche Infrastruktur entgegenwirken will und in Satz 1 des Erwägungsgrundes 35 maßgeblich auf den Umstand abstellt, dass Kosten ""wieder hereingeholt wurden"", ist die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Nichtdiskriminierungsempfehlung liege eine ""Abschreibungslogik"" zugrunde und keine ""Amortisationslogik"", nicht verständlich. 78 Das Verständnis der Beschlusskammer, den in Nr. 36 der Empfehlung enthaltenen Grundsatz lediglich auf die Ermittlung der Kapitalkosten zu beziehen, die auf der Grundlage des Investitionswerts anhand des kalkulatorischen Zinssatzes und der geschätzten ökonomischen Abschreibungsdauer erfolgt, hingegen auf der vorgelagerten Ebene der Bestimmung des zugrunde zu legenden Investitionswerts und im Zusammenhang mit der hierbei relevanten Frage, welche wiederverwendbaren baulichen Anlagen im Rahmen der regulatorischen Kapitalbasis überhaupt zu berücksichtigen sind, an die in der Buchführung des regulierten Unternehmens enthaltenen Angaben anzuknüpfen (Nr. 34 Satz 1, 2 und 5 i. V. m Nr. 6 Buchst. p) der Empfehlung), überschreitet auch nicht deshalb den Rahmen einer vertretbaren Auslegung der Empfehlung, weil es im Ergebnis zu relevanten Kostenunterdeckungen führen und damit dem Erwägungsgrund 26 zuwiderlaufen würde. Da die unterschiedlichen Nutzungsdauern jeweils in einem völlig anderen Zusammenhang stehen - zum einen der Ermittlung des Investitionswerts unter Ausschluss vollständig abgeschriebener Anlagen und zum anderen der Verteilung des ermittelten Investitionswerts auf eine bestimmte Dauer im Rahmen der Kapitalkostenberechnung –, können die wirtschaftlichen Auswirkungen der unterschiedlichen Nutzungsdauern im Rahmen des zugrunde gelegten Kostenmodells nicht unmittelbar beziffert und verglichen werden. Bei der Heranziehung eines Kostenmodells sind weitreichende Typisierungen unvermeidlich, die nicht jeweils isoliert betrachtet werden dürfen, sondern in ihrer Gesamtheit in den Blick genommen werden müssen. Dass der Ansatz der Beschlusskammer, Kabelkanalanlagen und Kabelschächte nach 35 bzw. 15 Jahren bei der Ermittlung der regulatorischen Anlagebasis nicht mehr zu berücksichtigen, tatsächlich zu einer Unterdeckung der - den Effizienzanforderungen entsprechenden - Kosten führt, hat die Klägerin mit ihrem pauschalen Vorbringen letztlich nicht dargelegt. 79 Soweit das Verwaltungsgericht auf den Erwägungsgrund 187 Satz 4 der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (TK-Kodex) verweist, ist dies für die Auslegung der Empfehlung 2013/466/EU der Kommission nicht relevant. Selbst wenn sich daraus ergibt, dass der Unionsgesetzgeber bei Erlass des TK-Kodex im Jahr 2018 - ebenso wie nachfolgend der nationale Gesetzgeber (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 38 Abs. 5 Nr. 3 TKG n. F. ) – davon ausgegangen ist, dass die nationalen Regulierungsbehörden bestehende wiederverwendbare bauliche Anlagen unter Ausschluss jener Anlagen bewerten sollten, die über einen Zeitraum von mindestens 40 Jahren vollständig abgeschrieben sind, aber weiter genutzt werden, ist eine hiervon abweichende Auslegung der Kommissionsempfehlung deshalb nicht ausgeschlossen. Ebenso wenig ist in diesem Zusammenhang der Hinweis der Klägerin relevant, dass die Beklagte ihre Position zwischenzeitlich aufgegeben und in der am 28. Juni 2022 erlassenen Nachfolgegenehmigung (BK 3a-22-003) zu der streitgegenständlichen Entgeltgenehmigung sowohl für die Ermittlung der Quote der vollständig abgeschriebenen wiederverwendbaren Anlagen als auch für die Annualisierung des ermittelten Invests eine einheitliche Abschreibungsdauer von 40 Jahren zugrunde gelegt habe. Dass die Beschlusskammer im Rahmen der hier angegriffenen Entgeltgenehmigung noch von einer begrenzten Reichweite des Inhalts von Nr. 36 der Empfehlung ausgegangen ist und bei den angesetzten Nutzungsdauern danach unterschieden hat, ob es um die erste Stufe der Ermittlung der abgeschriebenen Anlagen im Rahmen der Bestimmung des Investitionswerts geht oder um die zweite Stufe der Verteilung der Investitionswerte auf die Nutzungsdauer, kann ungeachtet der späteren Änderung der Praxis nicht als unvertretbar beanstandet werden. 80 (3) Die Feststellung, dass die Beschlusskammer bei ihrer Auslegung der Empfehlung 2013/466/EU der Kommission hinsichtlich keines der vier vom Verwaltungsgericht beanstandeten Punkte die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Grenzen der Vertretbarkeit überschritten hat, steht im Einklang mit dem Umstand, dass die Kommission in ihrer im Konsolidierungsverfahren nach Art. 7 Abs. 3 RRL abgegebenen Stellungnahme dieser Auslegung nicht entgegengetreten ist. Der Senat muss daher aus Anlass des vorliegenden Falles nicht die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene und von ihm im Ergebnis verneinte Frage entscheiden, ob eine Erklärung der Kommission im Verfahren nach Art. 7 RRL, nach der sie die Notifizierung und die von der Bundesnetzagentur übermittelten Informationen geprüft und hierzu keine Anmerkungen habe, als authentische Interpretation zu behandeln ist oder gar eine ""Legalisierungswirkung"" entfaltet. Einer Vorlage an den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV mit dem Ziel einer Klärung der aufgeworfenen Fragen der Auslegung der Kommissionsempfehlung bedarf es ebenfalls nicht. Dass sich das von der Beschlusskammer zugrunde gelegte Verständnis der Hinweise der Empfehlung - wie ausgeführt - jedenfalls in dem Rahmen vertretbarer Auslegungsvarianten hält und die Beschlusskammer daher nicht durch eine unrichtige Auslegung der Empfehlung den ihr auch nach der Rechtsprechung des EuGH zustehenden Beurteilungsspielraum fehlerhaft ausgefüllt hat, ist im Sinne der ""acte-clair-Doktrin"" (vgl. hierzu allgemein: EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81 [ECLI:​EU:​C:​1982:​335], CILFIT - Rn. 16) derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. 81 (4) Die Beschlusskammer ist nicht nur von einem vertretbaren Verständnis des Inhalts der Empfehlung 2013/466/EU der Kommission ausgegangen, sondern hat auch die einschlägigen Regulierungsziele und -grundsätze sowie sonstigen relevanten privaten oder öffentlichen Belange vollständig und mit rechtlich nicht zu beanstandender Gewichtung in ihre Abwägung eingestellt. Die Begründung der in dem angegriffenen Beschluss in Bezug genommenen TAL-Entgelte-Genehmigung enthält im Anschluss an eine Übersicht der sich unter Zugrundelegung der fünf näher in den Blick genommenen Varianten annäherungsweise berechneten monatlichen Entgelte für die Überlassung der Teilnehmeranschlussleitung einen umfangreichen Abschnitt zur Abwägung. Daraus ergibt sich, dass die Beschlusskammer sowohl das subjektive Anbieterinteresse der Klägerin als auch die in § 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG a. F. genannten Interessen der Nutzer und Verbraucher, das in § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG a. F. genannte Regulierungsziel der Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs und der Förderung nachhaltig wettbewerbsorientierter Märkte der Telekommunikation im Bereich der Telekommunikationsdienste und -netze sowie der zugehörigen Einrichtungen und Dienste, das in § 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG a. F. zur Umsetzung von Art. 8 Abs. 3 RRL niedergelegte Regulierungsziel der Förderung des Binnenmarktes in der Europäischen Union mit dem Unterziel der Entwicklung einer einheitlichen Regulierungspraxis (Art. 8 Abs. 3 Buchst. d) RRL) sowie das in § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG a. F. genannte Regulierungsziel der Beschleunigung des Ausbaus von hochleistungsfähigen öffentlichen Telekommunikationsnetzen der nächsten Generation in den Blick genommen und ihr methodisches Vorgehen plausibel begründet hat. 82 gg) Die Entscheidung über die Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen lässt keine Abwägungsdisproportionalität erkennen und ist somit auch im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Beschlusskammer hat den Ausgleich zwischen den betroffenen Belangen in einer Weise vorgenommen, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange nicht außer Verhältnis steht. Dies gilt insbesondere auch für die von der Klägerin im Zusammenhang mit der von der Beschlusskammer vorgenommenen Übertragung des Anteils abgeschriebener Anlagen auf das modellierte Netz beanstandete ""doppelte Optimierung"". Denn es ist nicht erkennbar, wie den in der Empfehlung zum Ausdruck kommenden Belangen, einerseits bei der Modellierung von einem ""hypothetischen"" effizienten NGA-Netz auszugehen (Nr. 32 Satz 1), und andererseits die Gefahr einer Kostenüberdeckung für die bereits vorhandene, wiederverwendbare bauliche Infrastruktur zu vermeiden (Erwägungsgrund 35 Satz 2), auf andere Weise eindeutig besser hätte Rechnung getragen werden können. In Bezug auf die Nichtberücksichtigung der Kabelkanalanlagen und Kabelschächte nach Ablauf von 35 bzw. 15 Jahren bei der Ermittlung der regulatorischen Anlagebasis ist ebenfalls kein unangemessenes Abwägungsergebnis festzustellen. Eine eindeutig vorzugswürdige Weise, die gegenläufigen Hinweise der Nichtdiskriminierungsempfehlung, einerseits bei Kabelschächten in der Regel von einer Lebensdauer von mindestens 40 Jahren auszugehen (Nr. 36 Satz 2), andererseits aber bei der Berücksichtigung noch genutzter wiederverwendbarer baulicher Anlagen im Rahmen der regulatorischen Kapitalbasis durch Anknüpfung an die in der Buchführung des regulierten Unternehmens enthaltenen Angaben eine Kostenüberdeckung zu vermeiden (Nr. 34 Satz 1, 2 und 5 i. V. m Nr. 6 Buchst. p)), in Ausgleich zu bringen, ist nicht erkennbar. 83 3. Da sich das der Klage stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO), ist es zu ändern und die Klage gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 26. Juni 2019 - BK 3a-19/002 - abzuweisen. 84 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2023-28,29.03.2023,"Pressemitteilung Nr. 28/2023 vom 29.03.2023 EN Kein Anspruch auf Informationszugang gegen Bundesjustizministerium in einem Ermittlungsverfahren Das Bundesministerium der Justiz muss keinen Informationszugang zu Unterlagen gewähren, die ein beim Generalbundesanwalt geführtes strafrechtliches Ermittlungsverfahren betreffen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, ein eingetragener Verein zur Förderung der Informationsfreiheit, beantragte beim früheren Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz den Informationszugang zu einer Weisung des Bundesministeriums an den Generalbundesanwalt, zu dem gesamten Schriftverkehr in diesem Ermittlungsverfahren sowie zu den vom Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Generalbundesanwalt hierzu gefertigten Gutachten. Das Bundesjustizministerium lehnte den Antrag unter Berufung auf vorrangige Regelungen der Strafprozessordnung über den Zugang zu amtlichen Informationen ab. Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ist nicht eröffnet, weil er sich allein auf die materielle Verwaltungstätigkeit der Behörden und sonstigen Stellen des Bundes bezieht. Demgegenüber gehören die begehrten Informationen zum Tätigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz als Aufsichtsbehörde hinsichtlich des Generalbundesanwalts als Organ der Rechtspflege. Das Bundesjustizministerium ist insoweit selbst als Organ der Rechtspflege tätig. Sämtliche begehrten Unterlagen zu den Ermittlungen und strafrechtlichen Bewertungen des zur Strafanzeige gebrachten Handelns bilden nach den Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts den Kern der strafrechtlichen Ermittlungen. BVerwG 10 C 6.21 - Urteil vom 29. März 2023 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 16.19 - Urteil vom 23. Juni 2021 - VG Berlin, VG 2 K 124.18 - Urteil vom 24. Oktober 2019 -","Urteil vom 29.03.2023 - BVerwG 10 C 6.21ECLI:DE:BVerwG:2023:290323U10C6.21.0 EN Leitsatz: Der Bundesminister der Justiz nimmt in Ausübung seines Weisungsrechts nach §§ 146, 147 Nr. 1 GVG im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens keine materielle Verwaltungstätigkeit wahr und ist insoweit keine ""Behörde des Bundes"" im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2019 - 7 C 23.17 - Buchholz 404 IFG Nr. 31 Rn. 17). Rechtsquellen IFG § 1 Abs. 1, § 3 Nr. 8 GVG § 146, § 147 Nr. 1 SÜG § 10 Nr. 3 SÜFV § 1 Nr. 5 Instanzenzug VG Berlin - 24.10.2019 - AZ: 2 K 124.18 OVG Berlin-Brandenburg - 23.06.2021 - AZ: 12 B 16.19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.03.2023 - 10 C 6.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:290323U10C6.21.0] Urteil BVerwG 10 C 6.21 VG Berlin - 24.10.2019 - AZ: 2 K 124.18 OVG Berlin-Brandenburg - 23.06.2021 - AZ: 12 B 16.19 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2023 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger. Gründe I 1 Der Kläger begehrt Zugang zu Unterlagen des Bundesministeriums der Justiz, die ein beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof geführtes strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Landesverrats gegen Mitarbeiter der Organisation ""netzpolitik.org"" betreffen. 2 Im August 2015 beantragte der Kläger, ein eingetragener Verein zur Förderung der Informationsfreiheit, beim damaligen Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz den Informationszugang zu einer Weisung des Ministeriums an den Generalbundesanwalt in diesem Ermittlungsverfahren, zu dem hierzu geführten Schriftverkehr sowie zu den vom Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Generalbundesanwalt zu diesem Komplex gefertigten Gutachten. Das Bundesministerium der Justiz lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. September 2015 ab. Das Informationsfreiheitsgesetz finde keine Anwendung. Die begehrten Unterlagen seien ein Abbild der Ermittlungsakte des Generalbundesanwalts und unterfielen den vorrangigen Regelungen der Strafprozessordnung. 3 Bereits am 15. September 2015 hatte der Kläger Untätigkeitsklage erhoben, die das Verwaltungsgericht mangels Durchführung eines Vorverfahrens als unzulässig abwies. Auf die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision hob das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 22. März 2018 - BVerwG 7 C 21.16 - dieses Urteil auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurück. 4 Das Verwaltungsgericht hat die Klage nunmehr als unbegründet abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Der Kläger habe den Zugang zu den hier inmitten stehenden Informationen ebenfalls beim Generalbundesanwalt beantragt und nach dortiger Antragsablehnung erfolglos den Rechtsweg beschritten. Auch der Bundesminister der Justiz habe bei der Erteilung der auf ein konkretes strafrechtliches Ermittlungsverfahren bezogenen Weisung gemäß §§ 146, 147 Nr. 1 GVG wegen des Funktionszusammenhangs mit der Strafrechtspflege ausnahmsweise nicht als Behörde im funktionellen Sinne gehandelt, sondern als Organ der Strafrechtspflege. Die vom Kläger begehrten Informationen beträfen den Kern der strafrechtlichen Ermittlungen. Unabhängig davon stünde einem Anspruch des Klägers auf Informationszugang die Bereichsausnahme des § 3 Nr. 8 IFG entgegen. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg auf das Grundrecht auf Informationsfreiheit und auf Art. 10 EMRK berufen. 5 Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hat der Kläger beschränkt auf einen Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz eingelegt. Er macht geltend: Das Oberverwaltungsgericht habe verkannt, dass zwischen der Tätigkeit des Generalbundesanwaltes im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und der streitgegenständlichen Tätigkeit des Bundesministers der Justiz ein erheblicher Unterschied bestehe. Rechtsfehlerhaft nehme das Berufungsgericht eine Weisung des Bundesministers der Justiz an den Generalbundesanwalt im Sinne der §§ 146, 147 GVG an, obwohl die Beklagte weiterhin bestreite, dass sie eine direkte Weisung erteilt habe. Eine ""gemeinsame Verabredung"" unterfalle nicht dem Anwendungsbereich der §§ 146, 147 GVG. Selbst wenn man von einer Weisung ausgehen wollte, sei das Handeln des Bundesministers der Justiz nicht zwingend der Rechtspflege zuzuordnen. Die etwaige Weisung betreffe die Beauftragung eines externen Gutachters zur Strafbarkeit zweier Journalisten wegen Landesverrats durch den Generalbundesanwalt. Eine solche Beauftragung sei von der Strafprozessordnung nicht gedeckt. Auch sei der Ort der Veraktung maßgeblich. Das Bundesministerium der Justiz sei auch keine Stelle im Sinne von § 3 Nr. 8 IFG. Jedenfalls seien nicht sämtliche der noch im Streit befindlichen Dokumente von der Bereichsausnahme erfasst. 6 Der Kläger beantragt, die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Juni 2021 und des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Oktober 2019 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21. September 2015 zu verpflichten, ihm Zugang zu der Weisung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz an den Generalbundesanwalt in Sachen Ermittlungsverfahren ""Landesverrat"" gegen Herrn B. und andere bzw. dem gesamten Schriftverkehr in dieser Angelegenheit zwischen diesen beiden Behörden und aller vom Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Generalbundesanwalt zu diesem Komplex gefertigten Gutachten durch Übersendung von Kopien zu gewähren. 7 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Sie verteidigt das angegriffene Berufungsurteil. II 9 Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts ohne Bundesrechtsverstoß zurückgewiesen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 2 VwGO). 10 1. Die auf den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes gerichtete Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO (vgl. § 9 Abs. 4 Satz 1 IFG) ist trotz fehlenden Vorverfahrens zulässig (BVerwG, Urteil vom 22. März 2018 - 7 C 21.16 - Buchholz 404 IFG Nr. 27 Rn. 17 ff.). 11 2. Das Oberverwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Zugang zu den Unterlagen des Bundesministeriums der Justiz nach dem Informationsfreiheitsgesetz ohne Verstoß gegen Bundesrecht abgelehnt. 12 a) Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Für sonstige Bundesorgane und Bundeseinrichtungen gilt das Gesetz, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 IFG). 13 Der Behördenbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG ist funktioneller Natur. Eine Behörde ist jede Stelle im Sinne einer eigenständigen Organisationseinheit, die öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt (BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - NVwZ 2013, 431 Rn. 22). Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes bezieht sich daher allein auf die materielle Verwaltungstätigkeit der Behörden und sonstigen Stellen des Bundes (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 7 C 1.14 - BVerwGE 152, 241 Rn. 15). Diese bestimmt sich nach materiellen Kriterien in negativer Abgrenzung zu den anderen Staatsfunktionen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 - BVerwGE 141, 122 Rn. 13). 14 Beim Bundesministerium der Justiz handelt es sich zwar um eine Behörde im organisationsrechtlichen Sinne und unter dem Blickwinkel der Gewaltenteilung um einen Teil der Exekutive. Wenn es als Organ der Rechtspflege tätig wird, nimmt es aber eine andere Staatsfunktion als die der Verwaltung war und übt insoweit keine Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne aus. 15 aa) Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem Parallelverfahren, in dem der Kläger Zugang zu den hier inmitten stehenden Informationen beim Generalbundesanwalt begehrt hat, entschieden, dass die Staatsanwaltschaft, wenn sie als Organ der Rechtspflege tätig wird, keine Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne ausübt (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2019 - 7 C 23.17 - Buchholz 404 IFG Nr. 31 Rn. 16). Das gilt auch für den Generalbundesanwalt, der im Rahmen eines konkreten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und damit als Teil der Justiz und nicht als Behörde im funktionellen Sinne tätig geworden ist. Die im Rahmen dieser justiziellen Tätigkeit beim Generalbundesanwalt angefallenen Aktenbestandteile sind dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes entzogen (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2019 - 7 C 23.17 - Buchholz 404 IFG Nr. 31 Rn. 17). 16 bb) Das Oberverwaltungsgericht nimmt zu Recht an, dass dies auch für die hier in Rede stehenden Informationen des Bundesministeriums der Justiz zutrifft. Der Bundesminister der Justiz hat bei der Erteilung der auf ein konkretes strafrechtliches Ermittlungsverfahren bezogenen Anweisung gemäß §§ 146, 147 Nr. 1 GVG wegen des Funktionszusammenhangs mit der Strafrechtspflege ausnahmsweise nicht als Behörde im funktionellen Sinne, sondern als Organ der Strafrechtspflege gehandelt. Deshalb ist ein Anspruch auf Informationszugang nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG auch im Hinblick auf die dem Bundesministerium der Justiz vorliegenden Informationen nicht gegeben. 17 (1) Gemäß § 146 GVG haben die Beamten der Staatsanwaltschaft den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen. Das Recht der Aufsicht und Leitung steht dem Bundesminister der Justiz hinsichtlich des Generalbundesanwalts und der Bundesanwälte zu (§ 147 Nr. 1 GVG). Entgegen der Auffassung des Klägers geht das Oberverwaltungsgericht nicht rechtsfehlerhaft vom Vorliegen einer Weisung nach §§ 146, 147 GVG aus. Dienstliche Anweisungen im Sinne des § 146 GVG bedürfen keiner besonderen Form. Insbesondere bedarf es nicht der ausdrücklichen Bezeichnung der Maßnahme als ""Weisung"" (Mayer, in: Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 146 Rn 8; Brocke, in: MünchKomm StPO, 1. Aufl. 2018, § 146 GVG Rn. 24 ff.; Krauß, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2022, § 146 GVG Rn. 26). Auch eine Bitte des Weisungsbefugten ist angesichts des dienstaufsichtsrechtlich angelegten Über- und Unterordnungsverhältnisses im Zweifel als Weisung anzusehen (vgl. Mayer, in: Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 146 Rn. 8; Brocke, in: MünchKomm StPO, 1. Aufl. 2018, § 146 GVG Rn. 24). Es begegnet daher keinen Bedenken, auch eine etwaige ""gemeinsame Verabredung"" zwischen dem Bundesministerium der Justiz und dem Generalbundesanwalt, den Gutachtenauftrag zurückzunehmen, auf die unstreitige Initiative des Bundesministeriums der Justiz hin, als Anweisung im Sinne der §§ 146, 147 Nr. 1 GVG anzusehen. Eine Anweisung gemäß §§ 146, 147 Nr. 1 GVG des Bundesministers der Justiz zu einem konkreten Ermittlungsverfahren stellt nach der gebotenen funktionellen Betrachtung eine Maßnahme der Strafrechtspflege und keine materielle Verwaltungstätigkeit des Weisungsgebers dar. Sie wird daher vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes nicht erfasst. Entscheidend für ihre informationsrechtliche Zuordnung ist der unmittelbare funktionale Zusammenhang dieser Maßnahme mit der staatsanwaltlichen Tätigkeit. Diese Funktion bleibt unberührt, wenn die Unterlagen, aus denen sich die Ausübung des Weisungsrechts ergibt, nicht in den Ermittlungsakten geführt werden. Der Ort der Veraktung rechtfertigt es nicht, die Verwaltungsvorgänge des Generalbundesanwalts (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2019 - 7 C 23.17 - Buchholz 404 IFG Nr. 31 Rn. 17) oder diejenigen des Bundesministeriums der Justiz dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes zu unterwerfen. 18 (2) Zutreffend geht das Oberverwaltungsgericht auch davon aus, dass sämtliche beim Bundesministerium der Justiz im Rahmen von dessen justizieller Tätigkeit angefallenen Aktenbestandteile dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes entzogen sind. Dies gilt nicht nur für den ""gesamten Schriftverkehr"" in dieser Angelegenheit zwischen dem Bundesministerium der Justiz und dem Generalbundesanwalt, sondern auch für die Gutachten, deren Übersendung der Kläger begehrt (vgl. zu diesen Unterlagen beim Generalbundesanwalt: BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2019 - 7 C 23.17 - Buchholz 404 IFG Nr. 31 Rn. 17). Hierbei handelt es sich - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - um Ermittlungen und strafrechtliche Bewertungen des zur Strafanzeige gebrachten Handelns, also um Informationen, die gerade den Kern der strafrechtlichen Ermittlungen ausmachen. 19 cc) Für die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes kommt schließlich der von der Revision geltend gemachten Rechtswidrigkeit der ministeriellen Anweisung keine Bedeutung zu. Die rechtlichen Wertungen ""rechtmäßig"" oder ""rechtswidrig"" sind keine Kategorien im System des Informationsfreiheitsgesetzes. Es kommt deshalb grundsätzlich für den Zugang zu Informationen nicht darauf an, ob eine ministerielle Maßnahme der Aufsicht und Leitung (§ 147 Nr. 1 GVG) zu Recht ergangen ist. Allenfalls wenn ein Akt ""ultra vires"" ohne jeden Bezug zur Aufsicht und Leitung im Sinne von § 147 Nr. 1 GVG in Rede steht, mag eine andere Beurteilung geboten sein (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2019 - 7 C 23.17 - Buchholz 404 IFG Nr. 31 Rn. 18). Ob die Beauftragung eines rechtlichen Sachverständigengutachtens durch den Generalbundesanwalt gemäß § 161a StPO rechtswidrig war, wie der Kläger meint, kann deshalb dahinstehen. Eine darauf bezogene Anweisung des Bundesministers der Justiz ist jedenfalls kein Akt ""ultra vires"". 20 b) Ebenfalls zutreffend geht das Oberverwaltungsgericht - selbständig tragend - davon aus, dass einem Anspruch des Klägers auch die Bereichsausnahme nach § 3 Nr. 8 IFG entgegensteht. 21 Nach dieser Bestimmung besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht gegenüber den Nachrichtendiensten sowie den Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes, soweit sie Aufgaben im Sinne des § 10 Nr. 3 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (SÜG) wahrnehmen. Gemäß § 34 Nr. 3 SÜG wird die Bundesregierung ermächtigt festzustellen, welche Behörden oder sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes Aufgaben im Sinne des § 10 Nr. 3 SÜG wahrnehmen. Nach § 1 Nr. 5 Sicherheitsüberprüfungsfeststellungsverordnung (SÜFV) vom 6. Februar 2023 (BGBl. I Nr. 33), der während des Revisionsverfahrens in Kraft getreten ist und den das Berufungsgericht zugrunde legen müsste, wenn es jetzt entschiede (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 2022 - 10 C 4.20 - BVerwGE 175, 62 Rn. 11), nimmt der Generalbundesanwalt Aufgaben von vergleichbarer Sicherheitsempfindlichkeit wie die der Nachrichtendienste wahr, soweit ihm Informationen der Nachrichtendienste des Bundes im Rahmen einer dauerhaften Zusammenarbeit wegen seiner Zuständigkeit nach § 142a i.V.m. § 120 Abs. 1 und 2 GVG übermittelt werden. Hierzu gehören nach § 120 Abs. 1 Nr. 3 GVG u.a. Strafsachen wegen Landesverrats gemäß § 94 StGB. 22 Das Bundesministerium der Justiz wird zwar selbst nicht als Behörde mit Aufgaben von vergleichbarer Sicherheitsempfindlichkeit wie die der Nachrichtendienste genannt. Als Aufsichtsbehörde hinsichtlich des Generalbundesanwalts nach § 147 Nr. 1 GVG steht es jedoch in einer besonders engen Beziehung zum Generalbundesanwalt und verfügt typischerweise über eine Vielzahl geheimhaltungsbedürftiger Dokumente. Es befindet sich daher in einer Sondersituation, die der vom Gesetzgeber bei der Normierung des § 3 Nr. 8 IFG vorausgesetzten Lage der Nachrichtendienste vergleichbar ist (BVerwG, Urteil vom 22. März 2018 - 7 C 21.16 - Buchholz 404 IFG Nr. 27 Rn. 27). 23 Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts handelte es sich bei den hier inmitten stehenden Ermittlungstätigkeiten des Generalbundesanwalts um solche auf dem Gebiet der Spionageabwehr - wozu nach der Organisationsübersicht der Beklagten auch der Landesverrat zählt - im Sinne des § 1 Nr. 5 SÜFV a. F. Der Generalbundesanwalt hat bei sämtlichen noch im Streit stehenden Unterlagen übermittelte Informationen der Nachrichtendienste des Bundes verwendet. Entsprechendes gilt für die Verarbeitung dieser Informationen durch den Bundesminister der Justiz im Rahmen seiner Aufsicht, insbesondere auch für den insoweit einzig fraglichen 'Bericht des LKA zur Identifizierung ""M."" und ""B.""'. Auch dieser Bericht ist dem Generalbundesanwalt vom Bundesamt für Verfassungsschutz zur Verfügung gestellt und von ihm an das Bundesministerium der Justiz weitergeleitet worden. An diese Feststellung der Vorinstanz ist der Senat gebunden, weil der Kläger allein mit der Behauptung, der Vortrag der Beklagten sei unglaubhaft, keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht hat (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO). 24 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2023-29,29.03.2023,"Pressemitteilung Nr. 29/2023 vom 29.03.2023 EN Kein Anspruch auf Wiederbeschaffung von Unterlagen Helmut Kohls Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass weder das Informationsfreiheitsgesetz noch das Bundesarchivgesetz einen Anspruch auf die Wiederbeschaffung bei einer Behörde im Antragszeitpunkt nicht mehr vorhandener Unterlagen gewähren. Zudem darf die Suche nach begehrten Informationen in äußerst umfangreichen Aktenbeständen ausnahmsweise unterbleiben, wenn sie die Wahrnehmung vorrangiger Sachaufgaben erheblich behindern würde. Die Klägerin, eine Journalistin, begehrt vom Bundeskanzleramt unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz und das Bundesarchivgesetz Zugang zu sämtlichen amtlichen Unterlagen des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, die beim Bundeskanzleramt oder bei der Witwe Helmut Kohls vorhanden seien. Hilfsweise begehrt sie Zugang zu derartigen Unterlagen aus dem Zeitraum 1982 bis Juni 1987, höchst hilfsweise zu derartigen Unterlagen zu den Themen deutsch-südamerikanische Beziehungen, Südamerika, Chile, Argentinien und Paraguay. Das Bundeskanzleramt gewährte Einsicht in insgesamt 45 bei ihm vorhandene Unterlagen und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Die hierauf erhobene Klage auf Zugang zu sämtlichen begehrten Unterlagen wies das Verwaltungsgericht ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die nicht thematisch eingegrenzten Anträge seien nicht hinreichend bestimmt, weil sie nicht sinnvoll bearbeitet werden könnten. Hinsichtlich der Unterlagen zu Südamerika sei der Anspruch nach erfolgter Stichwortsuche in sämtlichen Registraturen vollständig erfüllt. Die Beklagte habe hinreichend dargelegt, dass eine händische Suche unzumutbar sei, weil dies die Durchsicht von über 9000 Aktenbänden voraussetze. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Wiederbeschaffung weiterer Unterlagen, falls sich solche - was ungeklärt geblieben ist - im Besitz der Witwe Helmut Kohls befinden sollten. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Zwar steht die Annahme, die Anträge der Klägerin seien zu unbestimmt, nicht mit Bundesrecht in Einklang. Ein Informationszugangsantrag muss erkennen lassen, auf welche Informationen er gerichtet ist. Das war hier der Fall. Insoweit erweist sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aber aus anderen Gründen als richtig. Eine Behörde darf die Suche nach Informationen in einem äußerst umfangreichen Aktenbestand ausnahmsweise verweigern, wenn mit ihr ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Dies ist zu bejahen, wenn die informationspflichtige Behörde bei der Wahrnehmung ihrer vorrangigen Sachaufgaben erheblich behindert würde. So liegt es, wenn Akten im Umfang mehrerer tausend Bände oder der gesamte über mehrere Jahre entstandene Aktenbestand händisch durchsucht werden müssten. Im Einklang mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht einen Anspruch auf Wiederbeschaffung bei der Behörde im Antragszeitpunkt nicht mehr vorhandener Unterlagen abgelehnt. Das Informationsfreiheitsgesetz und das Bundesarchivgesetz gewähren lediglich einen Anspruch auf Zugang zu Unterlagen, die bei Antragstellung bei der informationspflichtigen Stelle vorhanden sind. BVerwG 10 C 2.22 - Urteil vom 29. März 2023 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 17/20 - Urteil vom 03. Juni 2022 - VG Berlin, VG 2 K 218.17 - Urteil vom 26. Mai 2020 -","Urteil vom 29.03.2023 - BVerwG 10 C 2.22ECLI:DE:BVerwG:2023:290323U10C2.22.0 EN Zugang zu Akten von Helmut Kohl Leitsätze: 1. In entsprechender Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG ist ein Informationszugangsanspruch ausgeschlossen, soweit schon das Auffinden der von einem Antragsteller begehrten Informationen im Aktenbestand der Behörde in Anbetracht der Größe dieses Bestandes und der Notwendigkeit händischer Suche mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden wäre. 2. Weder das Informationsfreiheitsgesetz noch das Bundesarchivgesetz gewähren einen Anspruch auf Wiederbeschaffung amtlicher Informationen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der informationspflichtigen Behörde nicht mehr vorhanden sind. Rechtsquellen BArchG § 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 6, § 13 Abs. 2 Nr. 2 IFG § 1 Abs. 1 Satz 1, Satz 3, Abs. 3, § 7 Abs. 2 Satz 1 GG Art. 3, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, Abs. 3 Satz 1 EMRK Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Instanzenzug VG Berlin - 26.05.2020 - AZ: 2 K 218.17 OVG Berlin-Brandenburg - 03.06.2022 - AZ: 12 B 17/20 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.03.2023 - 10 C 2.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:290323U10C2.22.0] Urteil BVerwG 10 C 2.22 VG Berlin - 26.05.2020 - AZ: 2 K 218.17 OVG Berlin-Brandenburg - 03.06.2022 - AZ: 12 B 17/20 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2023 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Löffelbein, Dr. Wöckel und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin ist Journalistin, Historikerin und Publizistin. Sie begehrt vom Bundeskanzleramt Zugang zu Unterlagen aus der Zeit der Kanzlerschaft Dr. Helmut Kohls (1982 bis 1998). 2 Die Klägerin beantragte Einsicht in sämtliche beim Bundeskanzleramt sowie bei privaten Dritten vorhandene amtliche Unterlagen des ehemaligen Bundeskanzlers Kohl, hilfsweise aus dem Zeitraum 1982 bis Juni 1987, sowie Zugang zu den Findmitteln zu diesen Akten. Höchst hilfsweise beantragte sie Einsicht in die amtlichen Unterlagen des ehemaligen Bundeskanzlers Kohl im Hinblick auf die Themen deutsch-südamerikanische Beziehungen, Südamerika, Chile, Argentinien und Paraguay. Das Bundeskanzleramt gewährte ihr Einsicht in insgesamt 45 Unterlagen und lehnte den Antrag im Übrigen ab. 3 Ihre Klage auf Gewährung des Zugangs im beantragten Umfang wies das Verwaltungsgericht ab. Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Dem begehrten Zugang zu Findmitteln der Verschlusssachen-Registratur des Bundeskanzleramts stehe mit Blick auf ein laufendes gerichtliches Verfahren der Einwand der doppelten Rechtshängigkeit entgegen. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die thematisch nicht eingeschränkten Anträge seien nicht hinreichend bestimmt und könnten nicht sinnvoll bearbeitet werden. Hinsichtlich des Zugangs zu Unterlagen, die sich beim Bundeskanzleramt befinden, sei der Anspruch der Klägerin vollständig erfüllt. Das Bundeskanzleramt habe mit den genannten Stichworten in sämtlichen Registraturen recherchiert, die Recherchemöglichkeiten insoweit ausgeschöpft und aufgefundene Dokumente zur Verfügung gestellt. Die Beklagte habe hinreichend dargelegt, dass eine händische Suche unzumutbar sei, da eine solche die Durchsicht von 9 200 Aktenbänden mit jeweils 20 bis 400 Seiten in der Verschlusssachen-Registratur sowie ca. 80 Akten mit rund 100 Bänden in der Hauptregistratur voraussetze. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Zugang oder Nutzung sich unter Umständen im Besitz der Witwe Helmut Kohls befindlicher Unterlagen. Eine Wiederbeschaffungspflicht bestehe nicht. Die Klägerin habe zudem keinen Anspruch auf Zugang zu Findmitteln. 4 Zur Begründung ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die Anträge seien hinreichend bestimmt, da über Art und Inhalt der begehrten Informationen keine Zweifel bestünden. Die Forderung nach einer thematischen Eingrenzung und einer Orientierung an der behördeninternen Systematik der Archivierung sei allenfalls eine Frage der Verhältnismäßigkeit des Verwaltungsaufwands. Der Anspruch auf Informationszugang sei nicht erfüllt. Das Bundeskanzleramt habe nicht plausibel dargelegt, dass keine weiteren Unterlagen vorhanden seien, und eine händische Suche sei nicht erfolgt. Einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand habe die Beklagte nicht hinreichend dargelegt. Der tatsächliche Aufwand an Kosten und Personal sei unklar. Ein etwaiger hoher Verwaltungsaufwand sei darauf zurückzuführen, dass das Bundeskanzleramt seiner Pflicht, ältere Aktenbestände so zu organisieren, dass Informationszugangsanträge effektiv erfüllt werden könnten, nicht nachgekommen sei. Bei einem - wie hier zu konstatierenden - Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabe von Unterlagen an das Bundesarchiv habe der archivrechtliche Nutzungsanspruch Sanktionscharakter und eine Anreizfunktion. Andere öffentliche Stellen müssten dieselben Anstrengungen wie das Bundesarchiv unternehmen, um Archivgut nutzbar zu machen. Es bestehe auch ein Anspruch auf Wiederbeschaffung von sich im Besitz privater Dritter befindlichen amtlichen Unterlagen sowie auf Zugang zu Findmitteln. 5 Die Klägerin beantragt, 1. unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. Mai 2020 und des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Juni 2022 die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundeskanzleramtes vom 26. Juni 2018 a) zu verpflichten, ihr die Unterlagen, die Helmut Kohl in seiner Funktion als Bundeskanzler unterschrieben oder mit seinem Namen versehen hat und die sich im Bundeskanzleramt oder im Besitz von Frau Maike Kohl-Richter befinden, bereitzustellen und ihr die Erlaubnis zur Einsichtnahme zu erteilen, b) hilfsweise zu verpflichten, ihr die Unterlagen aus dem Zeitraum 1. Oktober 1982 bis 30. Juni 1987, die Helmut Kohl in seiner Funktion als Bundeskanzler unterschrieben oder mit seinem Namen versehen hat und die sich im Bundeskanzleramt oder im Besitz von Frau Maike Kohl-Richter befinden, bereitzustellen und ihr die Erlaubnis zur Einsichtnahme zu erteilen, c) äußerst hilfsweise zu verpflichten, ihr die Unterlagen, die Helmut Kohl in seiner Funktion als Bundeskanzler unterschrieben oder mit seinem Namen versehen hat und die sich im Bundeskanzleramt oder im Besitz von Frau Maike Kohl-Richter befinden und die sich auf die Themen deutsch-südamerikanische Beziehungen und/oder Südamerika und/oder Chile und/oder Argentinien und/oder Paraguay beziehen, bereitzustellen und ihr die Erlaubnis zur Einsichtnahme zu erteilen, und 2. die Beklagte zu verpflichten, ihr Zugang zu den Findmitteln hinsichtlich der in Ziffer 1 Buchst. a, hilfsweise in Ziffer 1 Buchst. b, äußerst hilfsweise in Ziffer 1 Buchst. c bezeichneten Akten zu verschaffen. 6 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 7 Sie verteidigt das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts. II 8 Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Zwar steht die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die thematisch unbeschränkten Anträge der Klägerin auf Informationszugang (Hauptantrag und erster Hilfsantrag) seien zu unbestimmt, nicht mit Bundesrecht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Entscheidung stellt sich insoweit aber aus anderen Gründen, die auch den thematisch beschränkten zweiten Hilfsantrag der Klägerin betreffen, als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Im Einklang mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Wiederbeschaffung beim Bundeskanzleramt im Antragszeitpunkt nicht mehr vorhandener amtlicher Unterlagen sowie auf Zugang zu den dort vorhandenen Findmitteln abgelehnt. 9 1. Soweit die Klägerin Zugang zu den Findmitteln auch der Verschlusssachen-Registratur des Bundeskanzleramts begehrt, ist die Klage unzulässig. Ihr steht die Rechtskraft der zwischen den Beteiligten zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2022 (BVerwG 10 C 3.21 ) entgegen (§ 121 VwGO). Der Senat hat mit diesem Urteil geklärt, dass die Klägerin keinen Zugang zu jenen Findmitteln beanspruchen kann. 10 2. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zugang zu weiteren amtlichen Unterlagen sowie zu Findmitteln des Bundeskanzleramts hat. 11 a) Rechtsgrundlage für das Zugangsbegehren der Klägerin ist hinsichtlich von bis zu 30 Jahren alten Unterlagen § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328), hinsichtlich von älteren Unterlagen § 11 Abs. 6 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Nutzung und Sicherung von Archivgut des Bundes (Bundesarchivgesetz - BArchG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 6. September 2021 (BGBl. I S. 4122), geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2759). Mit Bezug auf Unterlagen, die älter als 30 Jahre sind und noch der Verfügungsgewalt der öffentlichen Stellen des Bundes - hier des Bundeskanzleramts - unterliegen, bei denen sie entstanden sind, haben die sonst für die Nutzung von Archivgut beim Bundesarchiv geltenden Vorschriften in entsprechender Anwendung (§ 11 Abs. 6 BArchG) gegenüber den Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes als speziellere Anspruchsgrundlage nach § 1 Abs. 3 IFG Vorrang (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2022 - 10 C 3.21 - NVwZ 2022, 1904 Rn. 13 m. w. N.). 12 b) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sind die thematisch unbeschränkten Anträge der Klägerin auf Zugang zu Unterlagen (Hauptantrag und erster Hilfsantrag) nicht zu unbestimmt. Insoweit steht das Berufungsurteil mit Bundesrecht nicht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). 13 Sowohl der Informationszugangsanspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG als auch der archivrechtliche Nutzungsanspruch nach § 11 Abs. 6 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG sind antragsgebunden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 IFG, § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG). Diese Antragserfordernisse betreffen nicht nur die Einleitung des behördlichen Verfahrens (vgl. § 22 Satz 2 VwVfG), sondern fordern zugleich eine inhaltliche Begrenzung der zu nutzenden Unterlagen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. November 2016 - 6 A 1.15 - juris Rn. 13 zu § 5 Abs. 1 Satz 1 BArchG a. F.). Der Antrag muss hinreichend bestimmt sein und insbesondere erkennen lassen, auf welche Unterlagen und Informationen er gerichtet ist. Dies wird zwar - anders als in § 4 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (Verbraucherinformationsgesetz - VIG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 17. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2166), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Juli 2021 (BGBl. I S. 3146), und § 4 Abs. 2 Satz 1 des Umweltinformationsgesetzes i. d. F. der Bekanntmachung vom 27. Oktober 2014 (BGBl. I S. 1643), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Februar 2021 (BGBl. I S. 306) – weder im Bundesarchivgesetz noch im Informationsfreiheitsgesetz ausdrücklich vorausgesetzt, folgt aber auch unabhängig davon aus dem Antragserfordernis selbst. Mit seinem Antrag bezeichnet der Antragsteller sein Begehren und damit den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens. Nur ein hinreichend bestimmter Antrag, der die begehrten Informationen identifizierbar macht, setzt die Behörde in die Lage zu prüfen, ob diese Informationen vorhanden sind, die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs erfüllt sind und dem Anspruch keine Ablehnungsgründe entgegenstehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juni 2019 - 6 A 2.17 - Buchholz 406.252 § 3 UIG Nr. 4 Rn. 7 ff. zu § 4 Abs. 2 Satz 1 UIG). 14 Demgegenüber kann unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit des Antrags keine thematisch-inhaltliche Eingrenzung des Informationszugangsbegehrens gefordert werden. Weder ergeben sich hierfür gesetzliche Anhaltspunkte - etwa aus dem Begriff der amtlichen Information (vgl. § 2 Nr. 1 IFG) – noch entspräche dies dem Leitbild voraussetzungslosen Zugangs zu amtlichen Informationen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 IFG) bzw. zu Archivgut des Bundes (§ 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG). Auch ist es einem Antragsteller weder möglich noch zumutbar, Gegenstand und Reichweite seines Antrags an dem - ganz wesentlich von Faktoren im Binnenbereich der informationspflichtigen Behörde abhängigen - Verwaltungsaufwand der Antragsbearbeitung oder den Recherchemöglichkeiten der Behörde auszurichten. Deshalb überzeugt es auch nicht, wenn das Oberverwaltungsgericht solchen Anträgen eine hinreichende Bestimmtheit absprechen will, die ""an den Möglichkeiten der Recherche bei einer ordnungsgemäßen Aktenführung der Behörde deutlich vorbeigehen"". 15 Den hiernach zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen wird das Begehren der Klägerin auch hinsichtlich ihrer thematisch nicht beschränkten Anträge auf Informationszugang gerecht. Es ist zwar potenziell auf eine große Vielzahl amtlicher Unterlagen gerichtet. Diese sind aber anhand der von der Klägerin genannten Kriterien bestimmbar. Begehrt werden Unterlagen, die Helmut Kohl - insoweit erfolgt eine personelle Eingrenzung - unterschrieben oder mit seinem Namen versehen, also unter Setzung eines Namenszeichens eigenhändig abgezeichnet hat; aus Letzterem folgt auch eine formal-sachliche Begrenzung. Auf dieser Grundlage ist es der Beklagten prinzipiell möglich, ihre Aktenbestände nach solchen Unterlagen - erforderlichenfalls händisch - zu durchsuchen und sodann jeweils über das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen und etwaige Versagungsgründe zu befinden. 16 c) Der Erfüllung des ausweislich des Hauptantrags wie auch beider Hilfsanträge von der Klägerin verfolgten Begehrens kann die Beklagte jedoch sowohl hinsichtlich von Unterlagen, die älter als 30 Jahre sind, als auch hinsichtlich jüngerer Unterlagen den Versagungsgrund unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands entgegenhalten. Insoweit erweist sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). 17 aa) Die Nutzung von Unterlagen, die älter als 30 Jahre sind und seitens des Bundeskanzleramts noch nicht dem Bundesarchiv übergeben wurden, kann nach § 11 Abs. 6 i. V. m. § 13 Abs. 2 Nr. 2 BArchG eingeschränkt oder versagt werden, wenn durch sie ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand entstünde. Maßstäbe dafür, wann von einer Unverhältnismäßigkeit des Verwaltungsaufwands im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 BArchG auszugehen ist, lassen sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG entnehmen. Diese eng auszulegende Vorschrift soll die informationspflichtige Stelle vor institutioneller Überforderung und einer Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit schützen. Informationspflichtige Behörden müssen Vorsorge dafür treffen, dass durch die Aufbereitung und Sichtung von Akten sowie die Zusammenstellung der Unterlagen aus Anlass von Informationszugangsbegehren die ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer sonstigen Aufgaben nicht erheblich beeinträchtigt wird. Sie sind daher grundsätzlich gehalten, sich in ihrer Arbeitsorganisation und Aktenführung auf die mit der Erfüllung von Informationsanträgen verbundenen (Zusatz-)Aufgaben einzustellen. Der Verwaltungsaufwand ist zudem nicht schon dann unverhältnismäßig, wenn er eine Verlängerung der Bearbeitungszeit erfordert oder selbst mit höheren Gebühren nicht angemessen abgebildet werden kann. Von einer Unverhältnismäßigkeit des Verwaltungsaufwands ist aber dann auszugehen, wenn der Aufwand an Kosten oder Personal im Verhältnis zum Erkenntnisgewinn des Anspruchstellers und der Allgemeinheit unvertretbar wäre oder die Wahrnehmung der vorrangigen Sachaufgaben der Behörde - auch bei zumutbarer Personal- und Sachmittelausstattung sowie unter Ausschöpfung aller organisatorischen Möglichkeiten - erheblich behindert würde (BVerwG, Urteile vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 24 und vom 23. Juni 2022 - 10 C 3.21 - NVwZ 2022, 1904 Rn. 37). Die allgemeinen Grundsätze ordnungsgemäßer Aktenführung und einschlägige besondere rechtliche Vorgaben, hier nach der Registraturrichtlinie für das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut in Bundesministerien vom 11. Juli 2001, sind zu wahren. Unbeschadet dessen besteht jedoch keine Verpflichtung der Behörden, ältere Aktenbestände im Nachhinein in einer bestimmten Art und Weise (neu) zu organisieren oder digital aufzubereiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 44). 18 Abweichendes gilt hinsichtlich mehr als 30 Jahre alter Unterlagen auch dann nicht, wenn die betroffene öffentliche Stelle ihrer Anbietungspflicht nach § 5 Abs. 1 BArchG nicht nachgekommen ist. Es gibt weder einen gesetzlichen Ansatzpunkt dafür, dass der informationspflichtigen Stelle die Aufbereitung der eigenen Akten als Archivgut obliegt, noch für eine strikte Sanktionierung der Anbietungspflicht. Der Nutzungsanspruch nach § 11 Abs. 6 BArchG gegen die anbietungspflichtige Stelle hat insoweit lediglich eine Anreizfunktion (BVerwG, Beschluss vom 25. September 2017 - 6 A 4.15 - juris Rn. 5 und Urteil vom 23. Juni 2022 - 10 C 3.21 - NVwZ 2022, 1904 Rn. 40 f.). 19 Andere Maßstäbe ergeben sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. In der von der Klägerin insoweit aufgegriffenen Entscheidung zu Art. 10 EMRK hält der Gerichtshof die völlige Verweigerung des Zugangs zu Entscheidungen einer Behörde und das sich hieraus ergebende Informationsmonopol für unverhältnismäßig. Eine derartige völlige Verweigerung hinsichtlich des Zugangs zu amtlichen Informationen steht vorliegend nicht in Rede (vgl. EGMR, Urteil der Ersten Sektion vom 28. November 2013 - Nr. 39534/07 Österreichische Vereinigung zur Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes gegen Österreich -). 20 bb) Für bis zu 30 Jahre alte Unterlagen, hinsichtlich derer sich der Informationszugangsanspruch auf § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gründet, fehlt es an einer § 13 Abs. 2 Nr. 2 BArchG entsprechenden allgemeinen Regelung zur Verhältnismäßigkeit des Verwaltungsaufwands bei der Informationszugangsgewährung. § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG trifft lediglich eine Teilregelung für den Fall, dass ein Anspruch auf Informationszugang nach den materiell-rechtlichen Vorgaben des Gesetzes, namentlich wegen der in §§ 3 bis 6 IFG geregelten Ausschlussgründe, nur zum Teil besteht und eine teilweise Zugangsgewährung mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden ist. Die Vorschrift erfasst hierbei nicht nur die Konstellation, dass die Separierung der als solche identifizierten geheimhaltungsbedürftigen von den nicht geheimhaltungsbedürftigen Informationen nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist, sondern gilt auch dann, wenn schon die konkrete Identifizierung der schutzwürdigen Angaben und damit die genaue Bestimmung des Umfangs des Teilanspruchs auf Informationszugang mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 19). § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG ist auch anzuwenden, wenn ein Informationszugangsantrag zwar auf Unterlagen beschränkt bleibt, hinsichtlich derer keine Versagungsgründe bestehen, der Aufwand für das Identifizieren schutzwürdiger und deshalb von dem Antrag nicht umfasster Angaben sich aber als unverhältnismäßig erweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 7 C 23.18 - juris Rn. 36 ff.). Demgegenüber erfasst § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG nicht den Fall, dass schon die Suche nach und die Zusammenstellung der Informationen, zu denen der Antragsteller Zugang begehrt, einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand erforderte. 21 Das Informationsfreiheitsgesetz weist insoweit eine planwidrige Lücke auf, die im Zuge einer analogen Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG zu schließen ist. In § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG anerkennt der Gesetzgeber - wie dargelegt - für den Fall eines nur teilweise bestehenden Zugangsanspruchs zu amtlichen Informationen, dass ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand der Zugangsgewährung entgegenstehen kann. Die Regelung zielt nach der Begründung des Gesetzentwurfs auf die Gewährleistung der Transparenz und Verhältnismäßigkeit (BT-Drs. 15/4493 S. 15). Sie hat mithin eine doppelte Zielsetzung: Soweit sie die Behörde zu einer teilweisen Stattgabe des Antrags verpflichtet, dient sie dem Schutz des Antragstellers. Soweit sie die Ablehnung des Antrags wegen eines ansonsten erforderlichen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands ermöglicht, zielt sie auf den Schutz der informationspflichtigen Stelle vor institutioneller Überforderung und einer Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 24; Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 7 Rn. 100). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der ausdrücklichen Regelung zum teilweisen Informationszugang (durch nur teilweise Ablehnung des Zugangsantrags; BT-Drs. 15/4493 S. 15) in § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG zugleich festlegen wollte, dass im Übrigen - abgesehen von der in § 1 Abs. 2 Satz 3 IFG behandelten Frage der Art der Zugangsgewährung - das Ausmaß des zur Bearbeitung eines Zugangsantrags notwendigen Verwaltungsaufwands generell und somit selbst dann unberücksichtigt zu bleiben hat, wenn sich die Interessenlage im Wesentlichen nicht anders darstellt als in der von § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG direkt erfassten Konstellation, bestehen nicht. Ein solcher im Wesentlichen vergleichbarer Fall liegt vor, wenn schon das Auffinden der von einem Antragsteller begehrten Informationen im Aktenbestand der Behörde in Anbetracht der Größe dieses Bestandes und der Notwendigkeit händischer Suche mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Nicht anders als in dem von § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG behandelten Fall der Notwendigkeit einer aufwändigen Abtrennung geheimhaltungsbedürftiger von nicht geheimhaltungsbedürftigen Informationen kann im Einzelfall auch eine aufwändige Suche nach bestimmten Informationen zur institutionellen Überforderung der Behörde und einer Beeinträchtigung ihrer Handlungs- und Funktionsfähigkeit führen. Eben hiervor will der Gesetzgeber die Behörde um der Erfüllung ihrer sonstigen Aufgaben willen schützen. Das Fehlen einer dem § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG entsprechenden Vorschrift für diese Konstellation erweist sich vor diesem Hintergrund als planwidrige Regelungslücke, die durch eine analoge Anwendung der gesetzlichen Regelung zu schließen ist (ebenso VGH Kassel, Urteil vom 28. Februar 2019 - 6 A 1805/16 - juris Rn. 115 m. w. N.). 22 Die Maßstäbe dafür, wann in diesem Zusammenhang von einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand auszugehen ist, sind nicht anders zu bestimmen als im direkten Anwendungsbereich des § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG sowie im Rahmen von § 13 Abs. 2 Nr. 2 BArchG. 23 cc) Legt man diese Maßstäbe dem vorliegenden Fall zugrunde, sind die Voraussetzungen des Nutzungsversagungsgrundes des § 13 Abs. 2 Nr. 2 BArchG für die begehrten über 30 Jahre alten Unterlagen und des Ausschlussgrundes unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG hinsichtlich der begehrten bis zu 30 Jahre alten amtlichen Unterlagen gegeben. Die Befriedigung des Informationszugangsbegehrens der Klägerin würde das Bundeskanzleramt - auch bei zumutbarer Personal- und Sachmittelausstattung sowie unter Ausschöpfung aller organisatorischen Möglichkeiten - bei der Wahrnehmung seiner vorrangigen Sachaufgaben erheblich behindern und wäre mithin mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden. Die Beklagte hat nach den Feststellungen der Vorinstanz unwidersprochen vorgetragen, dass allein mit Blick auf den thematisch begrenzten zweiten Hilfsantrag der Klägerin insgesamt 9 200 Aktenbände mit jeweils 20 bis 400 Seiten in der Verschlusssachen-Registratur sowie ca. 80 Akten mit rund 100 Bänden in der Hauptregistratur im Rahmen einer händischen Suche durchzusehen sein würden. Hieran anknüpfend ergibt sich auch hinsichtlich des thematisch unbeschränkten Hauptantrags und des auf den Zeitraum vom 1. Oktober 1982 bis 30. Juni 1987 begrenzten, gleichfalls thematisch unbeschränkten ersten Hilfsantrags der Klägerin eine Unverhältnismäßigkeit des Verwaltungsaufwands. Die auch hinsichtlich dieser Anträge erforderliche händische Suche in einem äußerst umfangreichen, jedenfalls über nahezu fünf Jahre hinweg (erster Hilfsantrag) entstandenen Aktenbestand einer informationsintensiven Regierungsstelle behinderte das Bundeskanzleramt bei der Wahrnehmung seiner vorrangigen Sachaufgaben erheblich (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2022 - 10 C 3.21 - NVwZ 2022, 1904 Rn. 38). Anhaltspunkte dafür, dass der zu bewältigende Verwaltungsaufwand maßgeblich in einer nicht ordnungsgemäßen Aktenführung begründet wäre oder das Bundeskanzleramt sonstige Obliegenheiten bei der Aktenführung verletzt hätte, bestehen nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der im Zuge händischer Suche entstehende Verwaltungsaufwand durch sachgerechte organisatorische Maßnahmen oder durch die Art und Weise der Verfahrensgestaltung auf ein verhältnismäßiges Maß begrenzen ließe. Eine Neuorganisation oder digitale Aufbereitung älterer Aktenbestände ist - wie dargelegt - nicht geschuldet. 24 d) Das Oberverwaltungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht einen Anspruch der Klägerin auf Wiederbeschaffung beim Bundeskanzleramt im Antragszeitpunkt nicht mehr vorhandener, gegebenenfalls im Besitz eines privaten Dritten befindlicher Unterlagen verneint. Ein Anspruch auf die Wiederbeschaffung amtlicher Informationen, die vor Eingang des Antrags auf Informationszugang bei einer informationspflichtigen Behörde in den Besitz privater Dritter gelangt sind, besteht nicht. Er ergibt sich weder aus dem Informationsfreiheitsgesetz für bis zu 30 Jahre alte Unterlagen noch aus dem Bundesarchivgesetz für mehr als 30 Jahre alte Unterlagen. Auch Verfassungsrecht und die Europäische Menschenrechtskonvention gebieten die Annahme eines solchen Anspruchs nicht. 25 aa) Der durch § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gewährte Informationszugangsanspruch beschränkt sich - auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Wortlaut der Vorschrift - im Regelfall auf Informationen, die im Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Informationszugang bei der informationspflichtigen Stelle vorhanden sind. Eine Informationsbeschaffungspflicht besteht grundsätzlich nicht. Die Gewährung eines Zugangs zu Informationen setzt vielmehr voraus, dass der Anspruchsverpflichtete selbst tatsächlich Zugriff auf die begehrten Informationen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2013 - 7 B 43.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 11 Rn. 11; Urteile vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 - BVerwGE 151, 1 Rn. 37, vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 41 und vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 - Buchholz 404 IFG Nr. 32 Rn. 15). Folgerichtig enthält das Informationsfreiheitsgesetz - wie auch das Archivrecht - keine Rechtsgrundlage, um gegenüber Behörden und Privaten, die im Besitz amtlicher Informationen sind, ein Herausgabeverlangen durchsetzen zu können (vgl. schon BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2013 - 7 B 43.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 11 Rn. 11). 26 Abweichend von diesem Grundsatz hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Pflicht zur Wiederbeschaffung amtlicher Informationen - jedenfalls für den Fall, dass die Wiederbeschaffung im Rahmen der Inanspruchnahme von Amtshilfe möglich ist - lediglich hinsichtlich solcher Unterlagen bejaht, die erst nach Eingang eines Informationszugangsantrags - also gleichsam ""sehenden Auges"" – weggegeben worden sind (BVerwG, Urteile vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 41 und vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 - Buchholz 404 IFG Nr. 32 Rn. 15). 27 Keinen Fall der Wiederbeschaffung bei der informationspflichtigen Behörde nicht mehr vorhandener amtlicher Informationen betreffen die Regelungen in § 1 Abs. 1 Satz 3, § 7 Abs. 1 Satz 2 IFG. Nach ihnen richtet sich der Informationszugangsantrag bezüglich amtlicher Informationen, die sich bei einem privaten Dritten befinden, dessen sich eine Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient, gegen die Behörde. Geregelt wird mithin der besondere Fall, dass ein insoweit einer Behörde gleichgestellter Dritter selbst materiell informationspflichtige Stelle ist und sich lediglich in verfahrensmäßiger Hinsicht - als Vereinfachung zugunsten des Antragstellers - der Informationszugangsantrag an die Behörde zu richten hat, die sich des Dritten bedient. Diese Konstellation unterscheidet sich grundlegend von derjenigen einer Wiederbeschaffung von Unterlagen im Besitz sonstiger Dritter, derer sich die Behörde nicht zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben bedient. Insoweit kommt auch keine entsprechende Anwendung von § 1 Abs. 1 Satz 3 IFG zur Begründung einer (allgemeinen) Wiederbeschaffungspflicht in Betracht. 28 bb) Eine Verpflichtung zur Wiederbeschaffung von zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der informationspflichtigen Behörde nicht mehr vorhandenen Unterlagen lässt sich auch weder aus dem Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes noch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention oder dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz ableiten (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2017 - 1 BvR 1978/13 - BVerfGE 145, 365 Rn. 25 ff.). 29 Die Begründung zum Entwurf des Informationsfreiheitsgesetzes (BT-Drs. 15/4493) ist für die Frage einer Pflicht zur Wiederbeschaffung amtlicher Informationen unergiebig. Danach zielen der Zugang zu Informationen und eine größere Transparenz behördlicher Entscheidungen darauf, die Voraussetzungen für die Wahrnehmung individueller Bürgerrechte zu befördern und die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu unterstützen. Der Gesetzgeber wollte die Information über und die Partizipation an gegenwärtigen staatlichen Entscheidungen sowie die gleichgewichtige Informationsverteilung zwischen Staat und Bürger als Voraussetzung kooperativen Verwaltungshandelns stärken (BT-Drs. 15/4493 S. 6). Dass davon auch der Zugang zu amtlichen Informationen umfasst sein soll, die dem öffentlichen Akteur selbst nicht mehr zur Verfügung stehen und erst wiederbeschafft werden müssten, ist nicht erkennbar. 30 Auch eine Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG im Lichte der Europäischen Menschenrechtskonvention und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte weist nicht auf eine Verpflichtung zur Wiederbeschaffung bei der in Anspruch genommenen Behörde nicht mehr vorhandener Unterlagen. Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK schließt das Recht auf freie Meinungsäußerung die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann die Versagung des Zugangs zu Informationen einen Eingriff in das aus Art. 10 Abs. 1 EMRK abgeleitete Recht, Informationen zu empfangen, darstellen. Anhaltspunkte für eine aus Art. 10 EMRK folgende Verpflichtung staatlicher Stellen zur Wiederbeschaffung von dort vor der Beantragung eines Informationszugangs abhandengekommenen Informationen sind der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs jedoch nicht zu entnehmen. Die Entscheidung der Zweiten Sektion vom 14. April 2009 - Nr. 37374/05 Társaság a Szabadságjogokért gegen Ungarn - bezieht sich auf den Zugang zu gerichtlichen Entscheidungen beim handelnden Gericht. Das Urteil der Ersten Sektion vom 28. November 2013 Nr. 39534/07 - Österreichische Vereinigung zur Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes gegen Österreich - betrifft - wie bereits dargelegt - die völlige Verweigerung des Zugangs zu eigenen Entscheidungen einer Behörde. In beiden Fällen sind Anhaltspunkte dafür, dass die begehrten Informationen beim angegangenen Gericht bzw. der in Anspruch genommenen Behörde nicht (mehr) vorhanden gewesen sein könnten, nicht ersichtlich. In der Entscheidung der Dritten Sektion vom 7. Februar 2017 - Nr. 63898/09 Bubon gegen Russland - wurde eine Verletzung des Art. 10 EMRK verneint. Sie betraf die Bereitstellung statistischer Daten durch eine Polizeidienststelle, die in der vom Antragsteller begehrten Form dort (noch) nicht vorlagen. Der Gerichtshof verneinte entscheidungstragend, dass die begehrte Information bereit und verfügbar (""ready and available"") war. Auf dieses Kriterium stellen auch das Urteil der Großen Kammer des Gerichtshofs vom 8. November 2016 - Nr. 18030/11 Magyar Helsinki Bizottság gegen Ungarn - (NVwZ 2017, 1843 Rn. 169 f.: ""ohne weiteres verfügbar"" bzw. ""bereits verfügbar"") und die Entscheidung der Dritten Sektion vom 19. Oktober 2021 - Nr. 6106/16 Saure gegen Deutschland - (NVwZ 2022, 533 Rn. 34 ff.: ""aufbereitet und verfügbar"") ab. Müssten Unterlagen durch die informationspflichtige Behörde erst wiederbeschafft werden, sind die in ihnen enthaltenen Informationen gleichfalls nicht - im Sinne dieser Rechtsprechung - bereit und verfügbar. 31 Aus der Bindung der informationspflichtigen Behörde an den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) folgt hier ebenfalls keine Wiederbeschaffungspflicht der Beklagten. Weder ist eine Ungleichbehandlung verschiedener am Informationszugang Interessierter untereinander noch eine solche von Zugangsinteressierten und Dritten erkennbar, an die amtliche Informationen gegebenenfalls gelangt sind (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2017 - 1 BvR 1978/13 - BVerfGE 145, 365 Rn. 30). Eine Ungleichbehandlung verschiedener Antragsteller auf einen Informationszugang nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG oder § 11 Abs. 6 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG durch das Bundeskanzleramt als informationspflichtige Behörde ist schon im Ansatz nicht ersichtlich. Zugangsinteressierte und Dritte, an die abhandengekommene amtliche Informationen möglicherweise gelangt sind, werden ebenfalls nicht ungleich behandelt. Selbst wenn sich - was tatrichterlich ungeklärt geblieben ist - amtliche Unterlagen im Besitz der Witwe Helmut Kohls befänden, macht auch die Klägerin nicht geltend, dass das Bundeskanzleramt ihr den Zugang zu ihnen bewusst und gewollt gewährt hätte. 32 cc) Auch die weiteren von der Klägerin angeführten Gesichtspunkte begründen keine Verpflichtung der Beklagten zur Wiederbeschaffung von im Bundeskanzleramt nicht mehr vorhandenen amtlichen Unterlagen. Auf Rechtsgrundlagen im Zivilrecht und im sonstigen öffentlichen Recht, auf die eine Rückforderung amtlicher Unterlagen gegebenenfalls gestützt werden könnte, lässt sich allenfalls eine rechtliche Möglichkeit zur Rückforderung, aber noch keine Verpflichtung hierzu oder gar eine diesbezügliche Anspruchsposition der Klägerin stützen. 33 Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG gebietet ebenfalls nicht die Annahme einer Wiederbeschaffungspflicht zugunsten der Klägerin. Der Schutzbereich der Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG bemisst sich, soweit es um den Zugang zu amtlichen Informationen geht, nach der Auslegung einfachen Rechts. Das Grundrecht gewährleistet insoweit grundsätzlich nur das Recht, sich ungehindert aus einer für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmten Quelle zu unterrichten. Fehlt es an dieser Bestimmung, ist die Informationsbeschaffung in der Regel nicht vom Grundrecht der Informationsfreiheit geschützt (BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2017 - 1 BvR 1978/13 - BVerfGE 145, 365 Rn. 19 f. m. w. N.; vgl. zum Ganzen auch BVerwG, Urteil vom 22. März 2018 - 7 C 30.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 26 Rn. 32 m. w. N.). Wie dargelegt, ergibt sich aus einfachem Recht - auch im Lichte der Europäischen Menschenrechtskonvention - keine Verpflichtung zur Wiederbeschaffung sich zum Zeitpunkt des Informationszugangsantrags (möglicherweise) im Gewahrsam Dritter befindlicher amtlicher Unterlagen. Insoweit handelt es sich bei Unterlagen, die im Zeitpunkt der Antragstellung nicht (mehr) bei der informationspflichtigen Behörde vorhanden sind, nicht um für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmte Quellen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG. Soweit Verfassungsrecht in Rede steht, vermag die Klägerin auch nicht deutlich zu machen, inwieweit sich aus der Auslegung des Art. 1 Abs. 1 IFG im Lichte des Demokratieprinzips ein Anspruch auf Wiederbeschaffung von Unterlagen ergeben könnte. 34 dd) Für über 30 Jahre alte amtliche Unterlagen, die sich nicht im Bundesarchiv, sondern noch bei der Behörde befinden, bei der sie entstanden sind, gilt im Ergebnis nichts Anderes. Auch auf das hinsichtlich solcher Unterlagen nach § 11 Abs. 6 BArchG anwendbare Archivrecht des Bundes lässt sich kein Anspruch auf Wiederbeschaffung gründen. § 11 Abs. 6 BArchG unterwirft öffentliche Stellen des Bundes, die mehr als 30 Jahre alte Unterlagen noch nicht an das Bundesarchiv abgegeben haben, dem Nutzungsanspruch nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG. Bei unmittelbarer Anwendung des Bundesarchivgesetzes ergibt sich schon aus dem Begriff des ""Archivguts"" als der vom Bundesarchiv übernommenen Unterlagen (§ 1 Nr. 2 BArchG), dass Gegenstand des archivrechtlichen Anspruchs (nur) im Bundesarchiv vorhandene Unterlagen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu bereits entschieden, dass das Bundesarchiv Einsicht nur in solche Unterlagen gewähren kann, die ihm vorliegen (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2013 - 7 B 43.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 11 Rn. 8 und Urteil vom 27. November 2013 - 6 A 5.13 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 3 Rn. 14). Weitergehende Pflichten treffen die Behörde, bei der die Unterlagen entstanden sind, nicht. Der gegen sie gerichtete archivrechtliche Nutzungsanspruch reicht nicht weiter, als wenn er gegenüber dem Bundesarchiv geltend gemacht wird. Aus dem in § 11 Abs. 6 BArchG benutzten Begriff der ""Verfügungsgewalt"" kann sich deshalb kein Anspruch auf Verschaffung von bei der informationspflichtigen Behörde nicht vorhandenen Unterlagen ergeben (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2022 - 10 C 3.21 - NVwZ 2022, 1904 Rn. 14). 35 Aus Verfassungsrecht und Europäischer Menschenrechtskonvention ergeben sich auch hier keine weitergehenden Anforderungen als beim Informationszugangsanspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG (s. o.). Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit dem archivrechtlichen Nutzungsanspruch ergänzend die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) anführt und eine ""Verweigerung des Archivzugangs"" für einen Eingriff in die Forschungsfreiheit hält, überzeugt auch dieser Einwand nicht. Abgesehen davon, dass es bei der Frage der Wiederbeschaffungspflicht um keine Zugangsverweigerung geht, erweitert Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht die der Forschung zugrunde gelegten Quellen über den Umkreis der allgemein zugänglichen Informationen hinaus (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2004 - 3 C 41.03 - BVerwGE 121, 115 <130> m. w. N.). 36 e) Ebenfalls in Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Zugang zu den außerhalb der Verschlusssachen-Registratur vorhandenen weiteren Findmitteln des Bundeskanzleramts verneint. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus dem Bundesarchivgesetz noch aus dem Informationsfreiheitsgesetz. Hierzu hat der Senat in einem vorhergehenden Verfahren der Klägerin - mit Bezug auf die Findmittel der Verschlusssachen-Registratur des Bundeskanzleramts - bereits ausgeführt (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2022 - 10 C 3.21 - NVwZ 2022, 1904 Rn. 42 ff.): ""Ebenfalls ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht erkannt, dass die Klägerin keinen Zugang zu den Find- und Recherchemitteln des Bundeskanzleramts nach dem Bundesarchivgesetz und nach dem Informationsfreiheitsgesetz beanspruchen kann. (...) Der archivrechtliche Nutzungsanspruch aus § 11 Abs. 6 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG verleiht entgegen der Ansicht der Klägerin keinen derartigen Zugangsanspruch. Zwar ist der Begriff der Unterlagen, die, wenn ihnen ein bleibender Wert zukommt, gemäß § 1 Nr. 2 BArchG zu Archivgut des Bundes werden und nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG genutzt werden können sowie zuvor gegebenenfalls einem Anspruch aus § 11 Abs. 6 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG unterliegen, sehr weit. Denn nach § 1 Nr. 10 BArchG sind Unterlagen Aufzeichnungen jeder Art, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Der Gesetzgeber wollte mit dem Begriff der Aufzeichnung die unterschiedlichen Informationsträger und Speicherungsformen und damit das potentielle Archivgut möglichst umfassend erfassen (BT-Drs. 18/9633 S. 44 f.; BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2019 - 6 C 21.18 - BVerwGE 167, 173 Rn. 19). Find- und Recherchemittel sind, solange sie in Gebrauch sind, gleichwohl keine Unterlagen in diesem Sinne. Sie dienen vielmehr der Auffindung solcher Unterlagen. Vor diesem Hintergrund geht es jedenfalls in den durch § 11 Abs. 6 BArchG erfassten Fällen nicht an, behördliche Find- und Recherchemittel dem archivrechtlichen Nutzungsanspruch zwecks Effektuierung dieses Anspruchs zu unterstellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2022 - 6 A 7.20 u. a. - NVwZ 2022, 877 Rn. 61). (...) Ohne Verstoß gegen materielles Bundesrecht hat das Berufungsgericht im Hinblick auf die Find- und Recherchemittel des Bundeskanzleramtes auch einen Anspruch der Klägerin auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz verneint. Außerhalb der im Bundesarchivgesetz geregelten Tatbestände gelten die Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes ergänzend (vgl. BT-Drs. 18/9633 S. 71). Die Mittel der Schriftgutverwaltung sind zwar, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, amtliche Informationen. Mit Recht weist das Berufungsgericht indes darauf hin, dass es der Klägerin nicht um den Zugang zu Informationen in diesem Sinn geht, sondern dass sie die behördlichen Mittel der Schriftgutverwaltung zu nutzen beabsichtigt, um damit selbst in dem vorhandenen Schriftgut zu recherchieren. Ein solcher Anspruch ergibt sich aus dem Informationsfreiheitsgesetz nicht."" 37 Darauf kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auch vorliegend verwiesen werden. 38 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2023-3,12.01.2023,"Pressemitteilung Nr. 3/2023 vom 12.01.2023 EN Kein Lebensarbeitszeitkonto für Richter Richter haben keinen Anspruch auf Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos und auf Gutschrift von Zeitguthaben. Deshalb ist nach Eintritt in den Ruhestand auch für einen finanziellen Ausgleichsanspruch gegen den Dienstherrn kein Raum. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger stand bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Justizdienst des beklagten Landes Hessen, zuletzt als Richter am Landgericht. Noch während seines aktiven Richterdienstes stellte er einen Antrag auf Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos sowie auf Gutschrift eines Zeitguthabens entsprechend den Regelungen für Hessische Landesbeamte. Antrag, Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Ein finanzieller Ausgleichsanspruch wegen unterbliebener Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos besteht nicht. Die einschlägigen Vorschriften für hessische Beamte sind auf den Kläger als Richter nicht anwendbar. Richter müssen sich ebenso wie Beamte mit ihrer ganzen Kraft dem Amt widmen. Der Umfang des geschuldeten richterlichen Einsatzes wird aber nach Arbeitspensen bemessen und richtet sich - anders als bei Beamten - nicht nach konkret vorgegebenen Arbeits- bzw. Dienstzeiten. Ein Lebensarbeitszeitkonto setzt jedoch die normative Festlegung einer Wochenarbeitszeit voraus. Fußnote: Verordnung über die Arbeitszeit der hessischen Beamtinnen und Beamten (Hessische Arbeitszeitverordnung - HAZVO) in der Fassung vom 15. Dezember 2009   § 1a   (1)    Hauptamtlich tätigen Beamtinnen und Beamten mit einer durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 41 Stunden pro Woche wird ab dem 1. August 2017 eine Arbeitsstunde pro Kalenderwoche auf einem Lebensarbeitszeitkonto gutgeschrieben. …   […] BVerwG 2 C 22.21 - Urteil vom 12. Januar 2023 Vorinstanzen: VGH Kassel, VGH 1 A 2254/17 - Urteil vom 28. Oktober 2021 - VG Frankfurt/Main, VG 9 K 5730/16.F - Urteil vom 21. September 2017 -","Urteil vom 12.01.2023 - BVerwG 2 C 22.21ECLI:DE:BVerwG:2023:120123U2C22.21.0 EN Leitsatz: Der von Richtern geforderte Einsatz bemisst sich nach Arbeitspensen und nicht nach vorgegebenen Dienstzeiten. Die Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos nach den für hessische Beamte geltenden Regelungen scheidet daher aus. Rechtsquellen GG Art. 97 Abs. 1 HRiG § 2 HAZVO § 1a Abs. 1 Satz 1 Instanzenzug VG Frankfurt am Main - 21.09.2017 - AZ: 9 K 5730/16.F VGH Kassel - 28.10.2021 - AZ: 1 A 2254/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 12.01.2023 - 2 C 22.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:120123U2C22.21.0] Urteil BVerwG 2 C 22.21 VG Frankfurt am Main - 21.09.2017 - AZ: 9 K 5730/16.F VGH Kassel - 28.10.2021 - AZ: 1 A 2254/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hartung, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hissnauer für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Oktober 2021 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger begehrt die Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos und die Gutschrift einer Arbeitsstunde pro Woche seit dem 1. Januar 2007. 2 Der 1960 geborene Kläger stand bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Dezember 2022 im Justizdienst des beklagten Landes, zuletzt als Richter am Landgericht. Den noch während seines aktiven Richterdienstes gestellten Antrag auf Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos mit Gutschrift von Zeitguthaben entsprechend der für hessische Beamte geltenden Vorschriften lehnte der Beklagte ab, den Widerspruch wies er zurück. 3 Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos stelle einen Ausgleich für die besondere Belastung der Beamten mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 41 Stunden dar. Diese Regelungen fänden auf Richter des Landes Hessen keine Anwendung, weil der gegenüber dem Dienstherrn geschuldete Umfang richterlichen Einsatzes nicht durch Arbeitszeiten, sondern nach Arbeitspensen bestimmt werde. Dies sei im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit nicht zu beanstanden. 4 Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Schriftsätzlich hat er beantragt, die Urteile des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Oktober 2021 und des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 21. September 2017 sowie den Bescheid des Hessischen Ministeriums der Justiz vom 7. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. November 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, zugunsten des Klägers ein Lebenszeitarbeitskonto entsprechend § 1a der Hessischen Verordnung über die Arbeitszeit der hessischen Beamtinnen und Beamten in der Fassung vom 15. Dezember 2009 (HAZVO) einzurichten und darauf ein Guthaben gerechnet ab 1. Januar 2007 per 31. Dezember 2017 mit einem Stand von 572 Stunden einzubuchen; hilfsweise, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet war, zugunsten des Klägers ein Lebensarbeitszeitkonto entsprechend § 1a Abs. 1 HAZVO einzurichten und darauf für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 30. November 2022 ein Guthaben von 806 Stunden einzubuchen; höchst hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 33 328,10 € zu zahlen. 5 Der Beklagte verteidigt das angegriffene Berufungsurteil und beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 6 Der Senat kann trotz des Ausbleibens der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da diese mit der ordnungsgemäßen Ladung hierauf hingewiesen worden ist (vgl. § 141 Satz 1 i. V. m. § 125 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 102 Abs. 2 VwGO). 7 Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Klage ist sowohl mit dem Hauptantrag (1.), an dem der Kläger trotz seines zwischenzeitlichen Eintritts in den Ruhestand ausdrücklich festgehalten hat, als auch hinsichtlich des hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrags (2.) unzulässig. Der vom Kläger geltend gemachte finanzielle Ausgleichsanspruch ist zwar zulässig, aber unbegründet (3.). 8 1. Das mit dem Hauptantrag verfolgte Begehren des Klägers hat sich erledigt; die gleichwohl aufrechterhaltene Klage ist mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig geworden. 9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erledigt sich die Hauptsache, wenn in einem anhängig gewordenen Verfahren ein überholendes Ereignis eintritt, das dem Rechtsschutzbegehren die Grundlage entzieht. Wenn durch eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage das Rechtsschutzbegehren nicht mehr erreicht werden kann, ist das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage entfallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. April 2001 - 2 C 16.00 - BVerwGE 114, 149 <151 m. w. N.>). 10 Der Kläger ist mit Ablauf des 30. November 2022 in den Ruhestand getreten. Durch diese nachträgliche Änderung der Sachlage kann zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein Lebensarbeitszeitkonto nicht mehr eingerichtet werden. Ruhestandsbeamte haben weder eine Dienstleistungsverpflichtung noch eine Arbeitszeit, sodass die Voraussetzungen aus § 1a Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Arbeitszeit der hessischen Beamtinnen und Beamten (Hessische Arbeitszeitverordnung - HAZVO) i. d. F. vom 15. Dezember 2009 (GVBl. I 2009, 758, 760), zuletzt geändert durch Art. 7 des Zweiten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 21. Juni 2018 (GVBl. S. 291), von vornherein nicht mehr erfüllt sein können. Auch das vom Kläger in der Sache verfolgte Begehren einer Dienstzeitbefreiung (vgl. § 1a Abs. 3 Satz 1 HAZVO) scheidet im Ruhestand aus. 11 Mit der Erledigung der Hauptsache ist das erforderliche Rechtsschutzinteresse für den Hauptantrag entfallen. Da der Kläger an seinem bisherigen Antrag ausdrücklich festgehalten hat, ist die Klage insoweit unzulässig und die Revision unbegründet (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Dezember 1990 - 6 C 3.90 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 89 S. 20 und vom 3. November 1998 - 9 C 51.97 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 116 S. 23; Clausing, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2022, § 161 Rn. 12). 12 2. Die Revision bleibt auch hinsichtlich des ersten Hilfsantrags ohne Erfolg. Die Umstellung auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag ist zwar auch im Revisionsverfahren statthaft (a). Der Antrag ist aber unzulässig, weil es am erforderlichen Fortsetzungsfeststellungsinteresse fehlt (b). 13 a) Der Erledigung seines ursprünglichen Begehrens hat der Kläger dadurch Rechnung getragen, dass er den Klageantrag hilfsweise umgestellt und eine Fortsetzungsfeststellung beantragt hat. Der Übergang vom ursprünglichen zum Fortsetzungsfeststellungsantrag ist nicht den Einschränkungen nach §§ 91 und 142 VwGO unterworfen. Da Rechtsschutzziel und Prozessstoff unverändert geblieben sind, handelt es sich um eine ohne Zustimmung des Beklagten zulässige Antragsumstellung i. S. d. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 3 ZPO (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. April 2001 - 2 C 16.00 - BVerwGE 114, <151> und vom 17. November 2016 - 2 C 27.15 - BVerwGE 156, 272 Rn. 12). 14 b) Zulässig ist die Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nur, wenn der Kläger im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung und nicht nur einen abstrakten Klärungsbedarf hat. Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein und ergibt sich nach der Rechtsprechung insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch. Die gerichtliche Feststellung muss geeignet sein, die betroffene Position des Klägers zu verbessern (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2016- 2 C 27.15 - BVerwGE 156, 272 Rn. 13; Beschluss vom 17. Dezember 2019 - 9 B 52.18 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 54 Rn. 9). 15 Der Kläger verfügt jedoch nicht über ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Insbesondere ergibt sich ein solches nicht aus dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Folgenbeseitigung. 16 Der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch findet seine Grundlage in den Grundrechten und dem rechtsstaatlichen Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Juli 2015 - 6 C 35.14 - BVerwGE 152, 330 Rn. 8 m. w. N. und vom 29. Juni 2022 - 6 C 11.20 - BVerwGE 176, 19 Rn. 16). Er setzt als verschuldensunabhängiger Anspruch voraus, dass eine subjektive Rechtsposition unmittelbar durch öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln verletzt und dadurch ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist. Der Anspruch ist auf die Beseitigung dieses rechtswidrigen Zustands und auf Wiederherstellung des früheren Zustands gerichtet. Zu einem darüberhinausgehenden Erfolg kann er nicht führen (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Dezember 2000 - 2 C 39.99 - BVerwGE 112, 308 <311> = juris Rn. 19, vom 19. September 2019 - 9 C 5.19 - juris Rn. 13, vom 27. Mai 2020 - 6 C 1.19 - BVerwGE 168, 178 Rn. 66 und vom 29. Juni 2022 - 6 C 11.20 - BVerwGE 176, 19 Rn. 16; Beschluss vom 6. Februar 1987 - 2 B 12.87 - juris Rn. 3). 17 Der Folgenbeseitigungsanspruch ist daher bereits im Hinblick auf seine Rechtsfolge nicht geeignet, die Rechtsposition des Klägers zu verbessern. Denn er ist auf die Wiederherstellung des status quo ante gerichtet. Die vom Kläger begehrte Kompensationszahlung kann mit dem Folgenbeseitigungsanspruch nicht erreicht werden. 18 3. Im Übrigen ist die Klage zwar zulässig (a), aber unbegründet, weil dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines finanziellen Ausgleichs in Höhe von 33 328,10 € nicht zusteht (b). Er hat als Richter bereits keinen Anspruch auf Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos, dessen Guthaben sich im Falle des Eintritts in den Ruhestand in einen Zahlungsanspruch umwandeln könnte. 19 a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats geht ein durch Gewährung von Freizeit zu befriedigender Anspruch nicht unter, wenn dessen Erfüllung infolge des Ablaufs des möglichen Ausgleichszeitraums oder aus zwingenden dienstlichen, nicht aber vom Anspruchsinhaber zu vertretenden Gründen ausscheidet, sondern wandelt sich in einen solchen auf finanziellen Ausgleich um (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 34, vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 34 ff., vom 20. Juli 2017 - 2 C 31.16 - BVerwGE 159, 245 Rn. 50 ff., vom 16. Juni 2020 - 2 C 8.19 - BVerwGE 168, 220 Rn. 13 und vom 17. Februar 2022 - 2 C 5.21 - Buchholz 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr. 242 Rn. 31). 20 Die Parallele zu dem vom Kläger im Ergebnis erstrebten Ziel einer Freistellung vom Dienst unter Weitergewährung der Besoldung unmittelbar vor dem Ruhestand lässt eine Übertragung der Rechtsprechung zu finanziellen Ausgleichsansprüchen in beamtenrechtlichen Konstellationen nicht fernliegend erscheinen, zumal die Verordnung selbst eine Ausgleichszahlung nur in eng begrenzten, hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen vorsieht (vgl. § 1a Abs. 4 HAZVO). 21 b) Der Zahlungsanspruch ist aber jedenfalls unbegründet. Einrichtung und Aufbau eines Lebensarbeitszeitkontos sind untrennbar mit dem Vorhandensein normativ festgelegter Arbeitszeiten verbunden. Die Arbeitsleistung eines Richters bemisst sich im Gegensatz hierzu nach Arbeitspensen. 22 Ohne normativ festgelegte Arbeitszeiten können Einrichtung und Aufbau eines Lebensarbeitszeitkontos nicht gedacht werden. Denn die Gutschrift von Zeitguthaben korrespondiert mit der in einem bestimmten Zeitabschnitt erbrachten, nach konkreten Zeiteinheiten bemessenen Arbeitsleistung und setzt diese voraus. Dies kommt nicht nur im Wortlaut des § 1a Abs. 1 Satz 1 HAZVO und den hierzu ergangenen weiteren Bestimmungen zum Ausdruck. Es deckt sich darüber hinaus mit der Zielrichtung des Verordnungsgebers, weil die Gutschrift von einer Stunde pro Woche auf dem Lebensarbeitszeitkonto als langfristiger Ausgleich für die besondere Belastung der Beamten mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von zunächst mehr als 41 Stunden dienen sollte (vgl. Antwort des Ministers des Innern und für Sport auf die Kleine Anfrage vom 2. November 2016, LT-Drs. 19/3915 S. 1). 23 Die Vorschriften zum Lebensarbeitszeitkonto für hessische Beamte gelten - wie das Berufungsgericht ohne Verletzung revisiblen Rechts festgestellt hat - über § 2 HRiG für die Rechtsverhältnisse der Richter im Dienst des Beklagten nicht entsprechend. 24 Zwar haben sich Richter ebenso wie Beamte mit vollem persönlichen Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Die zu erbringende Arbeitsleistung bestimmt sich aber nicht nach vom Dienstherrn vorgegebenen normativen Arbeitszeiten (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteile vom 18. Februar 1981 - 6 C 95.78 - Buchholz 238.5 § 46 DRiG Nr. 1 S. 3, vom 29. Oktober 1987 - 2 C 57.86 - BVerwGE 78, 211 <214>, vom 21. Juni 2007 - 2 C 3.06 - Buchholz 232 § 66 BBG Nr. 5 Rn. 19 und vom 15. April 2021 - 2 C 13.20 - BVerwGE 172, 187 Rn. 57 f.; Beschluss vom 27. März 1985 - 2 B 126.83 - Buchholz 238.5 § 46 DRiG Nr. 4 S. 10; BGH, Urteile vom 16. November 1990 - RiZ 2/90 - NJW 1991, 1103 <1104> und vom 25. September 2002 - RiZ (R) 2/01 - NJW 2003, 282 = juris Rn. 15). Sie orientiert sich vielmehr pauschalierend an dem Arbeitspensum, das ein durchschnittlicher Richter vergleichbarer Position in der für Beamte geltenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bewältigt (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23. Mai 2012 - 2 BvR 610/12 - BVerfGK 19, 407 <411>; BVerwG, Urteil vom 15. April 2021 - 2 C 13.20 - BVerwGE 172, 187 Rn. 59; Beschluss vom 21. September 1982 - 2 B 12.82 - Buchholz 238.5 § 46 DRiG Nr. 2 S. 6). Damit liegt entgegen der Auffassung des Klägers ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung von Beamten und Richtern bei der Einrichtung von Lebensarbeitszeitkonten vor. Sonstige Verstöße gegen höherrangiges Recht sind nicht ersichtlich. Insbesondere folgt weder aus Art. 3 Abs. 1 GG noch aus Art. 97 GG eine Verpflichtung des Gesetzgebers, auch für Richter feste Arbeitszeiten vorzuschreiben. 25 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2023-31,25.04.2023,"Pressemitteilung Nr. 31/2023 vom 25.04.2023 EN ""Außenbereichsinsel"" darf im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB überplant werden Eine Freifläche in der Ortslage darf, wenn sie zum Siedlungsbereich zählt, in einen Bebauungsplan der Innenentwicklung (§ 13a BauGB) einbezogen werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Antragstellerin ist Eigentümerin zweier Grundstücke im Gebiet der Antragsgegnerin. Das kleinere Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut. Das benachbarte Grundstück ist unbebaut und im geltenden Flächennutzungsplan als Grünfläche (Parkanlage) dargestellt. Dieses Grundstück bildet nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts einen Außenbereich im Innenbereich (sog. Außenbereichsinsel). Zusammen mit weiteren teilweise bereits im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, teilweise im unbeplanten Innenbereich liegenden Grundstücken wurden die Grundstücke der Antragstellerin im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB überplant. Während für das kleinere Grundstück ein allgemeines Wohngebiet ausgewiesen ist, wird das große Grundstück als private Grünfläche (Gartenanlage, Gartenland, Streuobstwiese) festgesetzt. Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag abgelehnt: Die Planung scheitere nicht daran, dass eine Außenbereichsinsel überplant werde. Diese liege innerhalb des Siedlungsbereichs, und angesichts ihrer vergleichsweise geringen Ausdehnung und der sie von allen Seiten umgebenden gewichtigen Bebauung habe sie in einen Bebauungsplan der Innenentwicklung, der auch auf eine Nachverdichtung abziele, einbezogen werden können. Eine Überplanung im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB sei nach Sinn und Zweck der Regelung auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil dieser Bereich gerade als Freifläche erhalten bleibe. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Entscheidung bestätigt. Der räumliche Anwendungsbereich des Bebauungsplans der Innenentwicklung ist innerhalb der Ortslage für Freiflächen nur dann eröffnet, wenn sie Teil des Siedlungsbereichs sind. Diese Zuordnung richtet sich nicht nach der auf die Zulassung einzelner Vorhaben bezogenen Abgrenzung von Innen- und Außenbereich. Vielmehr ist eine wertende Betrachtung nach der Verkehrsauffassung unter Beachtung siedlungsstruktureller Gegebenheiten geboten. Hierfür können unter anderem die absolute und relative Größe der Fläche, ihre bisherige – auch nachwirkende – Nutzung, die Lage im Plangebiet und der Funktionszusammenhang mit der angrenzenden Bebauung von Bedeutung sein. Der Anwendbarkeit des beschleunigten Verfahrens steht nicht entgegen, dass die unbebaute Fläche als private Grünfläche festgesetzt ist. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sieht der Bebauungsplan für das insoweit maßgebliche Plangebiet eine bauliche Nachverdichtung vor. Im Übrigen zielt die Innenentwicklung nach § 13a BauGB nicht allein auf die Schaffung von zusätzlichem Baurecht. Sie darf auch eine qualitative Entwicklung durch die Festsetzung von Grünflächen, etwa aus stadtklimatischen Gründen, fördern. BVerwG 4 CN 5.21 - Urteil vom 25. April 2023 Vorinstanz: OVG Münster, OVG 2 D 27/19.NE - Urteil vom 17. August 2020 -","Urteil vom 25.04.2023 - BVerwG 4 CN 5.21ECLI:DE:BVerwG:2023:250423U4CN5.21.0 EN Überplanung einer sogenannten Außenbereichsinsel im beschleunigten Verfahren Leitsätze: 1. Ob eine diesseits der äußeren Grenzen der Ortslage belegene Freifläche dem Siedlungsbereich zuzuordnen ist und folglich im Wege des beschleunigten Verfahrens nach § 13a BauGB überplant werden kann, entscheidet sich nach der Verkehrsauffassung unter Beachtung siedlungsstruktureller Gegebenheiten. 2. § 13a BauGB umfasst über eine quantitative Vermehrung baulicher Nutzungsmöglichkeiten hinaus auch eine qualitative Entwicklung des Siedlungsbereichs, etwa durch Einbeziehung und Bewahrung von Grünflächen. Rechtsquellen BauGB § 10 Abs. 3, § 13a Abs. 1 und 4 Instanzenzug OVG Münster - 17.08.2020 - AZ: 2 D 27/19.NE Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 25.04.2023 - 4 CN 5.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:250423U4CN5.21.0] Urteil BVerwG 4 CN 5.21 OVG Münster - 17.08.2020 - AZ: 2 D 27/19.NE In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Decker, Dr. Hammer und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger für Recht erkannt: Die Revision der Antragstellerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. August 2020 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Antragstellerin wendet sich gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin. 2 Der Bebauungsplan Nr. 21 - 13. Änderung und Erweiterung ""A./B. Weg/C. Garten/D.-Straße/E.-Linie"" umfasst ein etwa 7,2 ha großes Gebiet, das im Nordwesten von der F. Straße und in deren südwestlicher Verlängerung von einem Fuß- und Radweg, im Nordosten von der Straße B. Weg, im Südosten von der D. Straße und im Südwesten von einer Eisenbahnlinie begrenzt wird, an die sich wiederum Bebauung anschließt. Der als private Straßenverkehrsfläche ausgewiesene Weg C. Garten teilt das Gebiet in den schon bisher vom Bebauungsplan Nr. 21 erfassten südöstlichen Teil und den größeren nordwestlichen Teil, der erstmals überplant wird. 3 Die Antragstellerin ist Eigentümerin der im nordwestlichen Teil des Geltungsbereichs gelegenen benachbarten Flurstücke X und Y, Flur Z, Gemarkung G. Das Flurstück X ist mit einem zweigeschossigen ehemaligen Pfarrhaus bebaut. Das etwa 9 000 m2 große unbebaute Flurstück Y ist von Bebauung umgeben. Im Flächennutzungsplan ist es als Grünfläche mit der Zweckbestimmung ""Parkanlage"" dargestellt. 4 Der im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB aufgestellte Bebauungsplan setzt im nordwestlichen Bereich reine Wohngebiete (WR 1 bis 5), im südlichen und östlichen Bereich allgemeine Wohngebiete (WA 1 bis 6) fest; das Flurstück X liegt im WA 5. Für das Gebiet des Flurstücks Y sind eine private Grünfläche mit der Zweckbestimmung ""Gartenanlage, Gartenland, Streuobstwiese"" sowie Erhaltungsgebote für Einzelbäume festgesetzt. 5 Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag abgelehnt: Der Bebauungsplan leide nicht unter einem beachtlichen Bekanntmachungsmangel; auch ohne den Zusatz, dass es sich nicht nur um die 13. Änderung, sondern auch um eine Erweiterung des Bebauungsplans Nr. 21 handele, habe seine Bezeichnung den Hinweiszweck nicht verfehlt. Die Aufstellung des Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren führe nicht auf einen beachtlichen formellen Mangel. Der Bebauungsplan diene der Innenentwicklung, weil er auf einer Vielzahl von Grundstücken neue oder erweiterte Baurechte schaffe und daher jedenfalls auch auf eine Nachverdichtung ziele; hieran ändere sich durch die bestandsorientierte planerische Sicherung der Grünfläche auf dem Flurstück Y nichts. Die Größe des Plangebiets halte die gesetzlichen Höchstmaße ein. Des Weiteren scheitere die Planung nicht daran, dass der Bebauungsplan mit dem Flurstück Y eine Außenbereichsinsel umfasse. Den damit geltend gemachten Verfahrensfehler habe die Antragstellerin nicht fristgerecht gerügt. Unabhängig davon liege ein solcher Mangel in der Sache nicht vor. Zwar handele es sich beim Flurstück Y um eine Außenbereichsfläche im Innenbereich; das ändere aber nichts daran, dass diese Fläche innerhalb eines Siedlungsbereichs liege und angesichts ihrer vergleichsweise geringen Ausdehnung und der sie von allen Seiten umgebenden gewichtigen Bebauung in einen Bebauungsplan der Innenentwicklung habe einbezogen werden können. Eine Überplanung im beschleunigten Verfahren sei hier nach Sinn und Zweck der Regelung jedenfalls auch deshalb nicht ausgeschlossen, weil dieser Bereich gerade als Freifläche erhalten bleibe. Schließlich weise der Bebauungsplan keine beachtlichen Abwägungsfehler auf. Namentlich die von der Planung betroffenen Eigentümerbelange der Antragstellerin seien weder verkannt noch fehlgewichtet worden. 6 Die Antragstellerin rügt mit ihrer Revision in erster Linie einen Verstoß gegen § 13a BauGB. Das beschleunigte Verfahren stehe für die Überplanung von Außenbereichsflächen nicht zur Verfügung. Jedenfalls sei § 13a BauGB nur dann auf Außenbereichsinseln anwendbar, wenn diese mit dem Ziel überplant würden, sie in einen Siedlungsbereich einzubinden und durch Nachverdichtung Baurecht zu mobilisieren. In dieser Hinsicht habe das Oberverwaltungsgericht die Anforderungen an die Substantiierung und Konkretisierung einer nach § 215 Abs. 1 BauGB fristgerechten Rüge überspannt. Das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB sei verletzt, weil die Antragsgegnerin die Einschränkung bisher gegebener Nutzungsmöglichkeiten nicht in die Abwägung eingestellt habe. Schließlich liege ein Bekanntmachungsfehler vor. 7 Die Antragsgegnerin tritt der Revision entgegen. II 8 Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). 9 1. Der Bebauungsplan leidet nicht an den gerügten formellen Fehlern. 10 a) Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren nach § 13a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BauGB aufgestellt werden durfte. 11 aa) Diese Prüfung war allerdings hinsichtlich aller relevanten Gesichtspunkte zwingend geboten. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass es nur auf einen Teil der hierauf bezogenen Einwände entscheidungserheblich ankam, weil die aus einer unzutreffenden Verfahrenswahl folgenden Fehler - das Fehlen einer Umweltprüfung (§ 1 Abs. 8 i. V. m. § 2 Abs. 4 BauGB) und eines Umweltberichts (§ 2a Satz 2 Nr. 2 BauGB) –, die grundsätzlich nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB beachtlich sind (BVerwG, Urteile vom 4. November 2015 - 4 CN 9.14 - BVerwGE 153, 174 Rn. 29 und vom 25. Juni 2020 - 4 CN 5.18 - BVerwGE 169, 29 Rn. 34), jedenfalls gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB mangels fristgerechter Rüge aller Mängel unbeachtlich geworden seien. 12 Die Annahme, die Antragstellerin habe einen Teil der behaupteten Mängel - nämlich die Unzulässigkeit der Überplanung der Außenbereichsinsel - nicht binnen Jahresfrist der Antragsgegnerin gegenüber geltend gemacht, verletzt den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und ist folglich für den Senat nicht bindend. Ihr liegt, wie die Antragstellerin der Sache nach und zu Recht vorbringt, eine aktenwidrige Tatsachenfeststellung zugrunde. 13 Das Oberverwaltungsgericht hat die Ausführungen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 18. September 2019 lediglich auf eine Überschreitung des Schwellenwerts von 70 000 m2 (§ 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB) bezogen. Ihrem Vorbringen lässt sich jedoch hinreichend deutlich entnehmen, dass sie - sollte es sich bei dem Flurstück 625 um eine sogenannte Außenbereichsinsel handeln - auch insoweit das Fehlen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 31a Abs. 1 Satz 1 BauGB gerügt hat. Dies gilt umso mehr, als sie ausdrücklich vorgetragen hat, es gehe nicht um eine Maßnahme der Innenentwicklung, wenn ein Teil der Fläche nicht bebaut werden dürfe, sondern als private Grünfläche festgesetzt werde. Dass das Vorbringen den Anforderungen an die Substantiierung und Konkretisierung genügt (siehe hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2021 - 4 CN 7.19 - NVwZ 2021, 732 Rn. 25), um der Anstoßfunktion gerecht zu werden, steht nicht in Streit. 14 bb) Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB kann ein Bebauungsplan für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung (Bebauungsplan der Innenentwicklung) im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden. Dies gilt entsprechend für die Änderung, Ergänzung und Aufhebung eines Bebauungsplans (§ 13a Abs. 4 BauGB). Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Überplanung des Flurstücks Y im Rahmen des angegriffenen Bebauungsplans sowohl räumlich als auch inhaltlich von § 13a BauGB gedeckt ist. 15 (1) Das Tatbestandsmerkmal der Innenentwicklung ist als Oberbegriff die Voraussetzung sowohl für die in § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB beispielhaft genannten als auch für andere, nicht konkretisierte Maßnahmen (BVerwG, Urteile vom 4. November 2015 - 4 CN 9.14 - BVerwGE 153, 174 Rn. 21, vom 25. Juni 2020 - 4 CN 5.18 - BVerwGE 169, 29 Rn. 27 und vom 27. August 2020 - 4 CN 4.19 - BVerwGE 169, 219 Rn. 15). Damit beschränkt § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB zunächst seinen räumlichen Anwendungsbereich. Der Gesetzgeber knüpft mit § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB an die ältere Bodenschutzklausel des § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB an und verfolgt mit dem beschleunigten Verfahren und den damit verbundenen Verfahrenserleichterungen das Ziel, dass die Gemeinden von einer Neuinanspruchnahme von Flächen außerhalb der Ortslagen absehen und darauf verzichten, den äußeren Umgriff vorhandener Siedlungsbereiche zu erweitern (BVerwG, Urteile vom 4. November 2015 - 4 CN 9.14 - BVerwGE 153, 174 Rn. 24 und vom 25. Juni 2020 - 4 CN 5.18 - BVerwGE 169, 29 Rn. 26). Die auf vorhandene Ortsteile bezogene Innenentwicklung ist daher nur innerhalb des Siedlungsbereichs zulässig; das gilt ausweislich der Gesetzesbegründung auch für die Änderung oder Anpassung von Bebauungsplänen (BT-Drs. 16/2496 S. 12; BVerwG, Urteile vom 4. November 2015 - 4 CN 9.14 - BVerwGE 153, 174 Rn. 22 ff., vom 25. Juni 2020 - 4 CN 5.18 - BVerwGE 169, 29 Rn. 28 und vom 29. Juni 2021 - 4 CN 6.19 - BVerwGE 173, 70 Rn. 17). 16 Wenn der Gesetzgeber die gebietsbezogene Abgrenzung von Innen- und Außenentwicklung an der Belegenheit des betreffenden Gebiets in der Ortslage und dem Siedlungsbereich festmacht, wird deutlich, dass der planungsrechtliche Status der Flächen, ihre Zugehörigkeit zum Innen- oder Außenbereich, hierfür nicht ausschlaggebend sein soll (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2020 - 4 CN 5.18 - BVerwGE 169, 29 Rn. 24 ff.). Schon der Begriff der Innenentwicklung greift nicht auf vorgegebene bauplanungsrechtliche Kriterien zurück, sondern knüpft an einen städtebaulichen Terminus an. Dementsprechend lösen sich auch die Maßstäbe für die Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs des § 13a BauGB von den Vorgaben, die für die Frage der Vorhabenzulassung von Bedeutung sind; vielmehr ist der auf die Möglichkeit einer beschleunigten Bauleitplanung bezogene Siedlungsbereich - ungeachtet von räumlichen Überschneidungen - nach eigenständigen Kriterien festzulegen, wobei die tatsächlichen Verhältnisse im Vordergrund stehen. 17 Der Siedlungsbereich wird grundsätzlich durch eine Bebauung gekennzeichnet, die nicht nur vereinzelt ist, sondern den Eindruck einer jedenfalls lockeren Zusammengehörigkeit erweckt; er wird zur Ortslage, wenn er ein gewisses Gewicht erreicht. Gebiete, die nach den tatsächlichen Verhältnissen einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB bilden, erfüllen diese Voraussetzungen ohne weiteres (vgl. BT-Drs. 16/2496 S. 12). Der Siedlungsbereich reicht jedoch über diesen Kern hinaus. Geht es um den äußeren Umgriff der von der Bebauung geprägten Ortslage, kommen Erweiterungen bei der Fortwirkung aufgegebener baulicher Nutzungen in Betracht (BVerwG, Urteil vom 27. August 2020 - 4 CN 4.19 - BVerwGE 169, 219 Rn. 22 ff.), während bei der vorhandenen Bebauung - im Unterschied zur Abgrenzung des Innenbereichs - eine Einbeziehung des näheren Umfeldes zu erwägen ist (siehe zu § 246 Abs. 9 BauGB Krautzberger/Stüer, DVBl 2015, 73 <77>), die sich allerdings nicht an den Voraussetzungen einer Satzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB orientieren darf (BVerwG, Urteil vom 4. November 2015 - 4 CN 9.14 - BVerwGE 153, 174 Rn. 25). Flächen, die jenseits der so bestimmten Linie liegen, stehen für Maßnahmen der Innenentwicklung nicht zur Verfügung, sie sind im Regelverfahren zu überplanen. 18 Demgegenüber sind Flächen und Grundstücke, seien sie bebaut oder unbebaut, die diesseits der äußeren Grenze der Ortslage liegen, unabhängig von der Abgrenzung von Innen- und Außenbereich und folglich ungeachtet der Einordnung als sogenannte Außenbereichsinsel typischerweise Teil des Siedlungsbereichs, der vorrangig für eine Überplanung im Sinne einer städtebaulichen Entwicklung in den Blick genommen werden soll und im Interesse der Schonung der freien Landschaft durch Vermeidung einer weiteren Versiegelung von verfahrensmäßigen Erleichterungen profitiert. 19 Die Belegenheit einer Freifläche innerhalb der Ortslage rechtfertigt aber nicht immer deren Zuordnung zum Siedlungsbereich. Vielmehr ist eine wertende Betrachtung nach der Verkehrsauffassung unter Beachtung siedlungsstruktureller Gegebenheiten geboten, um festzustellen, ob sich eine solche Freifläche zur Überplanung im beschleunigten Verfahren anbietet. 20 Dabei sind je nach den Gegebenheiten des Einzelfalles verschiedene Kriterien heranzuziehen. So kann schon wegen der Größe der Freifläche, sei sie absolut, sei sie relativ zum umgebenden Siedlungsbereich, der Eindruck der Zugehörigkeit zum Siedlungsbereich fehlen und dieser unterbrochen werden, weil die Überplanung und die grundsätzliche Eröffnung der Bebaubarkeit nicht mehr als zwanglose Fortsetzung der Nutzung der umliegenden Bereiche erscheint und sich nicht mehr aufdrängt. 21 Von Bedeutung kann auch sein, ob die einbezogene Freifläche in einem besonderen funktionalen Zusammenhang mit dem sonstigen Plangebiet steht, oder ob dessen Zuschnitt, gerade in Bezug auf die Einbeziehung der Freifläche, als nicht nachvollziehbar oder gar willkürlich erscheint. 22 Eine frühere und nachwirkende bauliche Nutzung kann eine besondere inhaltliche Nähe zum Siedlungsbereich indizieren. Das Fehlen einer solchen Nutzung, mit der wegen der Versiegelung des Bodens eine geringere Schutzwürdigkeit der Flächen einhergeht, steht der Zugehörigkeit zum Siedlungsbereich allerdings nicht entgegen. Denn anderenfalls wäre die Einbeziehung von sogenannten Außenbereichsinseln, die der Gesetzgeber grundsätzlich dem Siedlungsbereich zugeordnet wissen will (siehe zu § 246 Abs. 9 BauGB BT-Drs. 18/2752 S. 7 f., 11), nur in einem eher beschränkten Maße möglich. 23 Ohne Belang für die Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs des § 13a BauGB sind die möglichen Umweltauswirkungen des Bebauungsplans. Die hierauf bezogenen Prüfungen sind in § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Satz 4 und 5 BauGB normiert. 24 Schließlich sind - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - die Ausdehnung des Siedlungsbereichs und damit die räumlichen Grenzen für ein Vorgehen im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB einheitlich für alle Arten der Innenentwicklung zu bestimmen. Zwar ist die Maßnahme der Innenentwicklung der Oberbegriff; sie geht über die gesetzlichen Beispiele der Wiedernutzbarmachung und der Nachverdichtung hinaus. Das bezieht sich aber allein auf die inhaltlichen Regelungsmöglichkeiten der Planung im beschleunigten Verfahren. Hiernach entscheidet sich etwa, ob immer eine zusätzliche Mobilisierung von Bauflächen erforderlich ist oder ob sich der Bebauungsplan auch mit der Überplanung eines gegebenen Bestands begnügen kann. Diesen Überlegungen liegt aber auf der ersten Stufe die räumliche Umgrenzung des tauglichen Plangebiets voraus, die nach generalisierenden Maßstäben und nicht in Abhängigkeit von den geplanten Maßnahmen und Festsetzungen zu erfolgen hat. 25 Das Oberverwaltungsgericht ist von diesen Maßstäben ausgegangen und hat insbesondere auf die relativ geringe räumliche Ausdehnung und eine daraus folgende bauliche Vorprägung des künftigen Plangebiets abgestellt. An die hieran anknüpfende tatrichterliche Würdigung, das Flurstück Y gehöre dem Siedlungsbereich an, ist der Senat gebunden. 26 (2) Auch inhaltlich ist die Überplanung des Flurstücks Y von § 13a BauGB gedeckt. 27 Der Aufstellung des Bebauungsplans im Wege des beschleunigten Verfahrens steht nicht entgegen, dass auf der Fläche der sogenannten Außenbereichsinsel kein Baurecht geschaffen, sondern diese als private Grünfläche festgesetzt worden ist. Bezugspunkt für die Maßnahme der Innenentwicklung ist nicht das einzelne Grundstück, sondern das gesamte Plangebiet. Nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sieht der Bebauungsplan in verschiedenen Teilbereichen eine maßvolle Nachverdichtung vor und verwirklicht somit eine in § 13a BauGB ausdrücklich beispielhaft genannte Maßnahme der Innenentwicklung. 28 Im Übrigen beschränkt sich der Begriff der Innenentwicklung nicht auf eine quantitative Vermehrung baulicher Nutzungsmöglichkeiten; er hat nicht nur die Beseitigung von ""Baulücken"" jeglicher Art im Blick. Vielmehr soll § 13a BauGB in einem weiten Sinne eine Planung fördern, die der Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und dem Umbau vorhandener Ortsteile dient (§ 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB; BT Drs. 16/2496 S. 12). Danach umfasst § 13a BauGB - in Einklang mit dem städtebaulichen Begriff der ""doppelten Innenentwicklung"" (vgl. etwa Kühnau et al., in: Bundesamt für Naturschutz , Doppelte Innenentwicklung - Perspektiven für das urbane Grün, sowie zur Fortschreibung des Leitbilds Schubert et al., in: Umweltbundesamt , Dreifache Innenentwicklung. Definition, Aufgaben und Chancen für eine umweltorientierte Stadtentwicklung, Dezember 2022) – auch eine qualitative Entwicklung des Siedlungsbereichs, etwa durch Einbeziehung und Bewahrung von Grünflächen, nicht zuletzt - wie hier - aus stadtklimatischen Gründen. 29 b) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Normenkontrollurteil einen beachtlichen Fehler der Bekanntmachung des Bebauungsplans verneint. 30 Nach Auffassung der Revision ist § 10 Abs. 3 BauGB verletzt, weil die Bekanntmachung abweichend vom Satzungsbeschluss nur die Änderung des Bebauungsplans bezeichne, nicht aber seine Erweiterung. Dies trifft nicht zu. 31 Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist die Erteilung der Genehmigung bzw. hier der Beschluss des Bebauungsplans (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 BauGB) ortsüblich bekannt zu machen. Nach § 10 Abs. 3 Satz 3 BauGB ist darauf hinzuweisen, wo der Bebauungsplan eingesehen werden kann. Ein ohne Geltung von Rügefristen (vgl. § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB) stets beachtlicher Bekanntmachungsfehler liegt nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 3 BauGB vor, wenn der mit der Bekanntmachung der Satzung verfolgte Hinweiszweck nicht erreicht worden ist. Der Hinweis erfüllt seinen Zweck, wenn er geeignet ist, dem Normadressaten das Inkrafttreten neuen Bebauungsrechts in einem näheren Bereich des Gemeindegebiets bewusst zu machen und denjenigen, der sich über den Regelungsgehalt informieren will, zu dem richtigen, zur Einsicht bereitgehaltenen Plan zu führen. Ausreichend ist eine schlagwortartige Kennzeichnung, die auf den räumlichen Geltungsbereich des Plans hinweist und ihn damit identifiziert (BVerwG, Urteile vom 29. Oktober 2020 - 4 CN 2.19 - BVerwGE 170, 26 Rn. 16 und vom 14. Dezember 2022 - 4 CN 1.22 - NVwZ 2023, 667 Rn. 22, jeweils m. w. N.). 32 Das Oberverwaltungsgericht hat dargelegt, weshalb der Hinweiszweck nicht verfehlt wird: Der Geltungsbereich der 13. Änderung sei anhand der zutreffenden geografischen Umschreibung im Titel und des beigefügten Übersichtsplans für potenziell Betroffene eindeutig erkennbar gewesen. Der in der Bekanntmachung verwendete Begriff der Änderung erfasse nach seinem Wortsinn zudem auch eine räumliche Erweiterung des Plangebiets. Diese nicht mit Verfahrensrügen angegriffene tatrichterliche Würdigung ist für den Senat bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Wenn die Revision meint, die Bekanntmachung könne nur dahin verstanden werden, dass Änderungen innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans vorgenommen worden seien, setzt sie lediglich ihre eigene Würdigung an die Stelle der des Tatsachengerichts. 33 2. Der angegriffene Bebauungsplan ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, das Abwägungsgebot sei verletzt, weil ihre Eigentumsbelange, insbesondere ihr Interesse an der Erhaltung der von § 35 BauGB eingeräumten baulichen Nutzungsmöglichkeiten, nicht angemessen berücksichtigt worden seien. 34 Die Gemeinde muss die abwägungserheblichen Belange ermitteln und bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB) und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung einstellen (§ 1 Abs. 7 BauGB). Zu den abwägungserheblichen privaten Belangen gehört das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Eigentum an Grundstücken im Plangebiet, dessen Inhalt und Schranken durch die Festsetzungen des Bebauungsplans bestimmt werden (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Insbesondere ist die Beschränkung von Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks zu beachten (vgl. BVerwG, Urteile vom 31. August 2000 - 4 CN 6.99 - BVerwGE 112, 41 <48 f.>, vom 1. September 2016 - 4 C 2.15 - NVwZ 2017, 720 Rn. 17 und vom 23. November 2016 - 4 CN 2.16 - BVerwGE 156, 336 Rn. 12; Beschluss vom 13. März 2017 - 4 BN 25.16 - ZfBR 2017, 589 Rn. 5). 35 Hiervon ausgehend hat das Oberverwaltungsgericht die planerische Abwägung ohne revisible Rechtsfehler gebilligt. 36 Die Antragsgegnerin hat nach den tatrichterlichen Feststellungen die Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten auf dem bisherigen Außenbereichsgrundstück in der Abwägung weder außer Acht gelassen noch in unverhältnismäßiger Weise anderen Belangen den Vorrang eingeräumt. Nach den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts hat der Rat der Antragsgegnerin die Folgen der Planung für die Antragstellerin gesehen und in seine Entscheidung einbezogen. Er sei zu dem planerisch jedenfalls vertretbaren Ergebnis gelangt, dass die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten der Antragstellerin durch das Gewicht der für die Planung sprechenden Aspekte, nämlich der Sicherung eines Freiraums anschließend an eine zu verdichtende innerstädtische Bebauung, gerechtfertigt sei. Sie habe ihr Grundstück auch bisher nicht zum Wohnungsbau nutzen können. Die Errichtung im Außenbereich privilegierter baulicher Anlagen sei bestenfalls eine theoretische Option gewesen, von der die Antragstellerin in den letzten Jahrzehnten keinen Gebrauch gemacht habe. Die bisherigen tatsächlichen Nutzungen, deren Aufgabe die Antragstellerin nicht beabsichtige, blieben erhalten; namentlich stehe die Festsetzung als Grünfläche der Beweidung nicht entgegen. 37 An die dieser Würdigung zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen, die die Antragstellerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen hat, ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Die rechtlichen Maßstäbe werden auf dieser Grundlage nicht verfehlt. 38 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2023-32,28.04.2023,"Pressemitteilung Nr. 32/2023 vom 28.04.2023 EN Über Sanierungsmaßnahmen für Offshore-Windpark ""Butendiek"" muss erneut tatrichterlich entschieden werden Der Erfolg der Klage einer Umweltvereinigung auf Anordnung von Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz setzt nicht voraus, dass die Vereinigung zuvor im behördlichen Verfahren den Eintritt eines Umweltschadens glaubhaft gemacht hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit Urteil vom gestrigen Tag entschieden. Der Kläger, eine nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Verpflichtung des Bundesamts für Naturschutz, gegenüber der beigeladenen Betreiberin des Offshore-Windparks ""Butendiek"" geeignete Maßnahmen zur Sanierung eines Umweltschadens für das Vogelschutzgebiet „Östliche Deutsche Bucht“ und die geschützten Vogelarten Sterntaucher und Prachttaucher anzuordnen. Der Windpark ""Butendiek"" wurde 2002 genehmigt und 2015 in Betrieb genommen. Er umfasst 80 Windenergieanlagen und liegt 32,6 km westlich vor der Insel Sylt inmitten des 2005 ausgewiesenen Vogelschutzgebiets. Das Bundesamt für Naturschutz lehnte den Antrag des Klägers ab und wies dessen Widerspruch zurück. Die Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für ein Tätigwerden des Bundesamts lägen schon deshalb nicht vor, weil die vom Kläger zur Begründung seines Antrags bis zur Entscheidung über den Widerspruch vorgebrachten Tatsachen den Eintritt eines Umweltschadens nicht glaubhaft erscheinen ließen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der vom Oberverwaltungsgericht gewählte Prüfungsmaßstab steht mit Bundesrecht nicht in Einklang. Das nach dem Umweltschadensgesetz bestehende Erfordernis, im Rahmen eines an die Behörde gerichteten Antrags auf Durchsetzung von Sanierungspflichten den Eintritt eines Umweltschadens glaubhaft zu machen, betrifft nur den Antrag im Verwaltungsverfahren und schränkt die einer Umweltvereinigung nach Maßgabe des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes verliehenen Klagerechte nicht ein. Dies hat zur Konsequenz, dass das Oberverwaltungsgericht - soweit es für die Entscheidung darauf ankommt - zu prüfen haben wird, ob sich aus den zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegenden Tatsachen ein Umweltschaden ergibt. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts deshalb aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen, weil weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen sind. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass die Anordnung von Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz nur insoweit in Betracht kommt, als sie nicht anlagen- oder betriebsbezogen sind. Für derartige Maßnahmen gilt vorrangig die Seeanlagenverordnung, auf deren Grundlage der Windpark genehmigt worden ist. Tatrichterlich zu würdigen sein wird auch, ob die beigeladene Betreiberin - nicht zuletzt mit Blick darauf, dass das Bundesamt für Naturschutz 2021 auf ihren Antrag Ausnahmen von gebiets- und artenschutzrechtlichen Verboten erteilt hat - ein Verschulden trifft. BVerwG 10 C 3.23 - Urteil vom 27. April 2023 Vorinstanzen: OVG Münster, OVG 21 A 49/17 - Urteil vom 11. März 2021 - VG Köln, VG 2 K 6873/15 - Urteil vom 29. November 2016 -","Urteil vom 27.04.2023 - BVerwG 10 C 3.23ECLI:DE:BVerwG:2023:270423U10C3.23.0 EN Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz wegen Biodiversitätsschäden durch Offshore-Windpark Leitsätze: 1. Der Erfolg der Klage einer Umweltvereinigung auf Anordnung von Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz setzt nicht voraus, dass die Vereinigung zuvor bei der zuständigen Behörde nach § 10 USchadG die Durchsetzung von Sanierungspflichten beantragt und zur Begründung des Antrags Tatsachen vorträgt, die den Eintritt eines Umweltschadens glaubhaft erscheinen lassen. 2. Der räumliche Bereich, der den natürlichen Lebensraum einer geschützten Art im Sinne des Umweltschadensrechts bildet, ist unabhängig von den Gebietsgrenzen ausgewiesener FFH- und Vogelschutzgebiete zu bestimmen. Rechtsquellen USchadG §§ 1, 2 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Nr. 2, § 7 Abs. 1 und 2 Nr. 3, §§ 10, 11 Abs. 2 BNatSchG §§ 19, 58 Abs. 1 Satz 1 UmwRG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SeeAnlV §§ 1a, 16 Abs. 2 und 3 UHRL Art. 2 Nr. 1 und 3, Art. 12 Abs. 1 und 3, Art. 16 Abs. 1 Instanzenzug VG Köln - 29.11.2016 - AZ: 2 K 6873/15 OVG Münster - 11.03.2021 - AZ: 21 A 49/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.04.2023 - 10 C 3.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:270423U10C3.23.0] Urteil BVerwG 10 C 3.23 VG Köln - 29.11.2016 - AZ: 2 K 6873/15 OVG Münster - 11.03.2021 - AZ: 21 A 49/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2023 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Löffelbein, Dr. Wöckel und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. März 2021 wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, begehrt vom Beklagten, gegenüber der Beigeladenen geeignete Maßnahmen zur Sanierung durch die Errichtung und den Betrieb des Offshore-Windparks ""B."" verursachter Umweltschäden am Lebensraum der Vogelarten Sterntaucher und Prachttaucher anzuordnen. 2 Der mit Bescheid des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie vom 18. Dezember 2002 seeanlagenrechtlich genehmigte, 80 Windenergieanlagen umfassende Windpark ""B."" liegt 32,6 km westlich vor der Insel Sylt innerhalb der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone und des im April 2005 ausgewiesenen Europäischen Vogelschutzgebiets ""Östliche Deutsche Bucht"" sowie des im Juli 2011 ausgewiesenen Flora-Fauna-Habitat-Gebiets ""Sylter Außenriff"". Der Standard-Datenbogen vom 20. April 2004 weist das Vogelschutzgebiet als wichtigstes Gebiet für Sterntaucher und Prachttaucher in der deutschen Nordsee aus. 3 Der Genehmigung vom 18. Dezember 2002 lag eine Bewertung der Auswirkungen des Windparks für die Population der Seetaucher zugrunde. Artenspezifische Scheucheffekte seien zu erwarten, etwaige auftretende Störungen oder Beeinträchtigungen seien jedoch als vergleichsweise gering und damit als hinnehmbar zu bewerten. Nach mehrfacher Verlängerung der Frist für den Beginn der Bauarbeiten bis zuletzt zum 31. Dezember 2014 erfolgte bis August 2015 die Errichtung des Windparks. 4 Im Mai 2014 beantragte der Kläger gegenüber dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, die weitere Errichtung und den Betrieb des Windparks zu untersagen. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 1. August 2014 ab. Das Verwaltungsgericht hat die diesbezügliche Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 29. April 2021 - Az. 4 C 2.19 - das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben, soweit die Klage auf Verpflichtung zum Einschreiten auf der Grundlage des § 16 Abs. 3 Satz 1 der Seeanlagenverordnung abgewiesen worden ist, und den Rechtsstreit insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. 5 Mit Schreiben vom 30. April 2014 und 8. August 2014 beantragte der Kläger gegenüber dem Bundesamt für Naturschutz, wegen Umweltschäden am Lebensraum der Vogelarten Sterntaucher und Prachttaucher die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen gegenüber der beigeladenen Vorhabenträgerin anzuordnen. Mit Bescheid vom 26. März 2015 lehnte das Bundesamt den Antrag ab. Den Widerspruch des Klägers wies es mit Bescheid vom 30. Oktober 2015 zurück. Dessen Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 29. November 2016 abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 11. März 2021 zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Beklagten in Gestalt der Anordnung von Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen lägen schon deshalb nicht vor, weil die vom Kläger zur Begründung seines Antrags vorgebrachten Tatsachen den Eintritt eines Umweltschadens nicht glaubhaft erscheinen ließen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. 6 Mit Bescheid vom 9. März 2021 gewährte das Bundesamt für Naturschutz der Beigeladenen für die erfolgte Errichtung, den bisherigen und den zukünftigen Betrieb des Windparks im Zusammenhang mit der Beeinträchtigung der Seevogelarten Sterntaucher und Prachttaucher sowie ihres Lebensraums befristet bis Ende 2041 Ausnahmen von naturschutzrechtlichen Verboten hinsichtlich der Beeinträchtigung des Vogelschutzgebiets ""Östliche Deutsche Bucht"" sowie der Störung der Arten. Mit Bescheid vom 10. März 2021 ordnete das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie zur Verminderung der schifffahrtsbedingten Störwirkungen auf die Population der Seetaucher ein Verkehrslogistikkonzept und die Weiterführung des Betriebsmonitorings an. 7 Zur Begründung der vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 1. März 2022 - Az. 7 B 12.21 - zugelassenen Revision trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Entscheide die Behörde - wie hier - zur Sache, schaffe sie einen vom Erfordernis der Glaubhaftmachung eines Umweltschadens im Verwaltungsverfahren entkoppelten Anknüpfungspunkt für den Erfolg einer Klage. Allen Arten von natürlichen Lebensräumen im Sinne der Umwelthaftungsrichtlinie sei gemeinsam, dass sie nach Maßgabe der Natura-2000-Richtlinien förmlich geschützt sein müssten, um Objekt eines Umweltschadens sein zu können. Errichtung und Betrieb des Windparks ""B."" hätten erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die geschützten Arten Sterntaucher und Prachttaucher, indem sie eine Verschlechterung des Erhaltungszustands der Population im Vogelschutzgebiet ""Östliche Deutsche Bucht"" verursachten. 8 Der Kläger beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. März 2021 aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. 9 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 10 Die Beigeladene beantragt, die Revision zu verwerfen, hilfsweise, die Revision zurückzuweisen. 11 Beklagte und Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil. Die Beigeladene hält die Revision des Klägers mangels Sachantrags für unzulässig. Auch habe er sich nicht dazu geäußert, ob er die Bescheide des Bundesamts für Naturschutz vom 9. März 2021 und des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie vom 10. März 2021 in die Revision einbeziehe. Nach Erlass dieser Bescheide fehle für die Klage das Rechtsschutzinteresse. 12 Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht stellt keinen Antrag. Sie ist der Auffassung, der Erfolg der Klage einer Umweltvereinigung auf Anordnung von Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz setze voraus, dass die Vereinigung zuvor bei der zuständigen Behörde zur Begründung des dort gestellten Antrags Tatsachen vortrage, die den Eintritt eines Umweltschadens glaubhaft erscheinen ließen. II 13 Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verstößt gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann über die Klage nicht abschließend entschieden werden. Die Sache war deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 14 A. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist es unschädlich, dass der Kläger innerhalb der Revisionsbegründungsfrist keinen ausdrücklichen Sachantrag formuliert und lediglich die Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht beantragt hat. Zwar fordert § 139 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 1 VwGO im Rahmen der Revisionsbegründung einen bestimmten Antrag. Dem Antragserfordernis wird aber bereits dann entsprochen, wenn das Vorbringen Umfang und Ziel der Revision erkennen lässt (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 20. März 2019 - 4 C 5.18 - NVwZ 2020 Rn. 12 m. w. N.). Vorliegend ist nicht zweifelhaft, dass der Kläger mit der Revision sein auf die Anordnung von Sanierungsmaßnahmen gerichtetes Begehren uneingeschränkt weiterverfolgt und für den Erfolg der Klage weitere tatrichterliche Feststellungen für erforderlich hält. Die Zulässigkeit der Revision ist auch nicht in Zweifel zu ziehen, weil sich der Kläger nicht zu einer Einbeziehung der Bescheide des Bundesamts für Naturschutz vom 9. März 2021 bzw. des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie vom 10. März 2021 geäußert hat. Schon eine Möglichkeit zur förmlichen Einbeziehung dieser Bescheide in das Revisionsverfahren ist nicht ersichtlich (vgl. § 141 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 15 B. Die Revision ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht nicht in Einklang und stellt sich - auf der Grundlage der bislang festgestellten Tatsachen - auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. 16 1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist als anerkannter Umweltverband nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG i. V. m. § 11 Abs. 2 des Gesetzes über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz - USchadG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 5. März 2021 (BGBl. I S. 346) klagebefugt. Das Rechtsschutzbedürfnis für die beantragte Anordnung von Sanierungsmaßnahmen ist durch die Bescheide vom 9. und 10. März 2021 nicht entfallen. Sanierungsmaßnahmen sehen diese nicht vor. 17 2. Über die Begründetheit der Klage muss erneut tatrichterlich verhandelt und entschieden werden. Im Grundsatz zu Recht hält das Oberverwaltungsgericht das Umweltschadensgesetz für anwendbar (hierzu a). Der vom Oberverwaltungsgericht aus § 10 USchadG abgeleitete Maßstab für die Prüfung der Begründetheit steht jedoch mit Bundesrecht nicht in Einklang (hierzu b). Maßstab für die gerichtliche Prüfung sind allein die Bestimmungen des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (hierzu c). Zur Klärung der Begründetheit der Klage bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen (hierzu d). 18 a) Die Regelungen des Umweltschadensgesetzes kommen vorliegend für die Anordnung von Sanierungsmaßnahmen ohne Anlagen- oder Betriebsbezug zur Anwendung. Für die Anordnung anlagen- oder betriebsbezogener Sanierungsmaßnahmen ist das Umweltschadensgesetz hier wegen der in § 1 Satz 1 USchadG angeordneten Subsidiarität nicht anwendbar. 19 Der Kläger verfolgt mit der Revision sein Begehren weiter, die Beklagte zu verpflichten, die Beseitigung angenommener Umweltschäden für das Vogelschutzgebiet ""Östliche Deutsche Bucht"" und die beiden Vogelarten Sterntaucher und Prachttaucher sowie die Beseitigung der Verschlechterung des Vogelschutzgebiets durch geeignete Maßnahmen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts anzuordnen. Welche Maßnahmen konkret angeordnet und ergriffen werden sollen, lässt der Kläger offen. Nach dessen Erläuterung in der mündlichen Verhandlung kommen aus seiner Sicht im Grundsatz sowohl Maßnahmen mit Bezug auf den Bestand und den Betrieb des Windparks der Beigeladenen als auch solche ohne Anlagen- oder Betriebsbezug in Betracht. 20 Nach § 1 Satz 1 USchadG findet das Umweltschadensgesetz (nur) Anwendung, soweit Rechtsvorschriften des Bundes oder der Länder die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden nicht näher bestimmen oder in ihren Anforderungen dem Umweltschadensgesetz nicht entsprechen. Nach § 1 Satz 2 USchadG bleiben Rechtsvorschriften mit weitergehenden Anforderungen unberührt. Mit diesen Reglungen bestimmt das Umweltschadensgesetz in Einklang mit Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 (ABl. L 143 S. 56) über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umwelthaftungs-Richtlinie - UHRL) einen Mindeststandard für die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden. Ob dieser Mindeststandard von einschlägigen bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften übertroffen wird, bedarf einer generalisierenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die jeweilige Sachverhaltskonstellation. Wird der Mindeststandard übertroffen, gehen die entsprechenden bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften dem Umweltschadensgesetz vor. Im Rahmen der generalisierenden Gesamtbetrachtung können sowohl die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschriften als auch die im jeweiligen Normprogramm vorgesehenen Rechtsfolgen von ausschlaggebender Bedeutung sein (BVerwG, Urteil vom 25. November 2021 - 7 C 6.20 - BVerwGE 174, 190 Rn. 16 im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 29. April 2021 - 4 C 2.19 - BVerwGE 172, 271 Rn. 50 f.). 21 Als weitergehende Rechtsvorschriften im Sinne des § 1 Satz 2 USchadG kommen die Regelungen des § 16 Abs. 2 und 3 der Verordnung über Anlagen seewärts der Begrenzung des deutschen Küstenmeeres (Seeanlagenverordnung - SeeAnlV) vom 23. Januar 1997 (BGBl. I S. 57), zuletzt geändert durch Änderungsverordnung vom 2. Juni 2016 (BGBl. I S. 1257, 1728) in Betracht. Die Seeanlagenverordnung ist aufgrund der Übergangsbestimmungen in § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See (Windenergie-auf-See-Gesetz - WindSeeG) vom 13. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2258, 2310), zuletzt geändert durch Art. 14 des Gesetzes vom 22. März 2023 (BGBl. I Nr. 88), das hinsichtlich der Anlagen zur Erzeugung von Energie aus Wind an die Stelle der Seeanlagenverordnung getreten ist, für den nach den Bestimmungen der Seeanlagenverordnung errichteten und vor dem 1. Januar 2017 in Betrieb genommenen Windpark der Beigeladenen weiterhin anwendbar. 22 Führt eine Anlage oder ihr Betrieb zu einer Gefahr für die Meeresumwelt, kann das nach § 1a SeeAnlV zuständige Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie den Betrieb nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV ganz oder teilweise bis zur Herstellung des ordnungsgemäßen Zustands untersagen, soweit sich die Gefahr auf andere Weise nicht abwenden lässt oder die Einstellung des Betriebs zur Aufklärung der Ursachen der Gefahr unerlässlich ist. Kann die Gefahr nicht auf andere Weise abgewendet werden, kann es nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SeeAnlV die Beseitigung der Anlage anordnen. Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SeeAnlV kann das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie die im Einzelfall zur Durchführung der Seeanlagenverordnung erforderlichen Anordnungen treffen. Insbesondere kann es gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 SeeAnlV Gebote oder Verbote zur Durchsetzung der in § 14 SeeAnlV genannten Pflichten erlassen. § 14 Nr. 1 SeeAnlV verpflichtet die für eine Anlage verantwortlichen Personen sicherzustellen, dass von dieser während des Betriebs keine Gefahren für die Meeresumwelt ausgehen. 23 Im Rahmen einer generalisierenden Gesamtbetrachtung ergeben sich aus den genannten Regelungen der Seeanlagenverordnung weitergehende Anforderungen im Sinne des § 1 Satz 2 USchadG als nach den Bestimmungen des Umweltschadensgesetzes, so dass in deren Anwendungsbereich letzteres nach § 1 Satz 1 USchadG zurücktritt. Der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 2 und 3 SeeAnlV erstreckt sich auf die Anordnung von Ge- oder Verboten bis hin zur Beseitigung der Anlage. Allen als Gegenstand einer Anordnung in Betracht kommenden Maßnahmen ist gemeinsam, dass sie nach dem Tatbestand des § 16 Abs. 2 und 3 SeeAnlV auf die Abwendung von Gefahren für die Meeresumwelt durch eine den Vorschriften der Seeanlagenverordnung unterliegende Anlage bzw. deren Betrieb gerichtet sind. Soweit angeordnete anlagen- oder betriebsbezogene Maßnahmen bewirken, dass eine bestehende Beeinträchtigung der Meeresumwelt beseitigt oder jedenfalls gemindert wird, stellen die diesbezüglichen Gefahrenabwehrmaßnahmen zugleich Maßnahmen zur (Teil-)Sanierung dieser Beeinträchtigung dar. Für auf § 16 Abs. 2 und 3 SeeAnlV gestützte Anordnungen ist allein das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie zuständig (§ 1a SeeAnlV). Demgegenüber wird die Anordnung von Maßnahmen, die keinen Anlagen- oder Betriebsbezug aufweisen, von den Tatbeständen des § 16 Abs. 2 und 3 SeeAnlV nicht erfasst. Für die Anordnung derartiger Sanierungsmaßnahmen wird das Umweltschadensgesetz, das im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone durch das Bundesamt für Naturschutz vollzogen wird (§ 58 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG), mangels einer Überschneidung des tatbestandlichen Anwendungsbereichs nicht von den Regelungen der Seeanlagenverordnung verdrängt. 24 Hinsichtlich anlagen- oder betriebsbezogener Anordnungen von auf die Sanierung von Beeinträchtigungen der Meeresumwelt gerichteten Maßnahmen überschneidet sich hingegen der tatbestandliche Anwendungsbereich des § 16 Abs. 2 und 3 SeeAnlV mit demjenigen des Umweltschadensgesetzes, das in § 7 Abs. 2 Nr. 3 die Anordnung erforderlicher Sanierungsmaßnahmen vorsieht. Insoweit sind die Regelungen des Umweltschadensgesetzes jedoch nicht anzuwenden, weil sich nach den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 und 3 SeeAnlV weitergehende Anforderungen an die Sanierung von Umweltschäden als nach dem umwelthaftungsrechtlichen Regelungsregime ergeben. Dies gilt zunächst mit Blick auf die Reichweite der sachlichen Anwendungsbereiche. Anordnungen nach § 16 Abs. 2 und 3 SeeAnlV beziehen sich auf das Schutzgut der Meeresumwelt. Dieser Begriff ist weit auszulegen und umfasst neben den grundlegenden Umweltelementen wie der Qualität des Meerwassers, der Hydrographie und den Sedimentverhältnissen insbesondere die Tier- und Pflanzenwelt des Meeres (näher hierzu BVerwG, Urteil vom 29. April 2021 - 4 C 2.19 - BVerwGE 172, 271 Rn. 27 f. m. w. N.). Demgegenüber beschränkt sich die Verantwortlichkeit nach dem Umweltschadensgesetz für berufliche Tätigkeiten, die - wie die Errichtung und der Betrieb eines Windparks - nicht in Anlage 1 zum Umweltschadensgesetz aufgeführt sind, nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG i. V. m. § 19 Abs. 2 und 3 BNatSchG auf Schädigungen von bestimmten Arten und natürlichen Lebensräumen (sogenannte Biodiversitätsschäden) und damit lediglich auf einen Ausschnitt des maritimen Naturhaushalts. Darüber hinaus sind die Eingriffsvoraussetzungen nach § 16 Abs. 2 und 3 SeeAnlV mit dem Vorliegen einer Gefahr deutlich weniger streng als für die Anordnung von Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz, die den Eintritt eines Umweltschadens voraussetzen (§ 6 Nr. 2 USchadG). Weitergehend sind die Regelungen der Seeanlagenverordnung nach ihren tatbestandlichen Voraussetzungen auch und nicht zuletzt dahingehend, als die Inanspruchnahme zur Gefahrenabwehr kein Verschulden der für die Anlage und deren Betrieb verantwortlichen Personen voraussetzt. Demgegenüber setzt die Inanspruchnahme für Schädigungen von Arten und natürlichen Lebensräumen, die durch nicht in Anlage 1 zum Umweltschadensgesetz aufgeführte berufliche Tätigkeiten verursacht werden, nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln des Verantwortlichen voraus. 25 Demgegenüber sind weitergehende Anforderungen des Umweltschadensgesetzes hier nicht ersichtlich. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Möglichkeiten zur Inanspruchnahme des Betreibers einer genehmigten Anlage nach § 16 Abs. 2 und 3 SeeAnlV wegen einer grundsätzlich abweichenden Bewertung der Legalisierungswirkung einer nach der Seeanlagenverordnung erteilten Genehmigung hinter denjenigen nach dem Umweltschadensgesetz zurückbleiben. Die Legalisierungswirkung der erteilten seeanlagenrechtlichen Genehmigung, die einer Haftung nach dem Umweltschadensgesetz grundsätzlich nicht entgegensteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2017 - 7 C 29.15 - Buchholz 406.257 USchadG Nr. 1 Rn. 25), kann auch einem Einschreiten nach § 16 Abs. 2 und 3 SeeAnlV nicht generell entgegengehalten werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2021 - 4 C 2.19 - BVerwGE 172, 271 Rn. 33 und 51). Darüber hinaus kann es im Rahmen der Haftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG bei einer zuvor genehmigten Tätigkeit am haftungsbegründenden Verschulden des Verantwortlichen fehlen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2017 - 7 C 29.15 - Buchholz 406.257 USchadG Nr. 1 Rn. 27), auf das es im Falle der Inanspruchnahme nach der Seeanlagenverordnung nicht ankommt. Weitere Einschränkungen der Haftung nach dem Umweltschadensgesetz ergeben sich aus § 19 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG (siehe hierzu unten Rn. 40) und aus § 19 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 25. November 2021 - 7 C 6.20 - BVerwGE 174, 190 Rn. 30 ff.; vgl. auch EuGH, Urteil vom 9. Juli 2020 - C-297/19 [ECLI:​EU:​C:​2020:​533] - NuR 2020, 610 Rn. 36 ff.). 26 Die Subsidiarität des Umweltschadensgesetzes nach § 1 Satz 1 USchadG für die Anordnung anlagen- oder betriebsbezogener Sanierungsmaßnahmen schließt es im Übrigen aus, dass es zur Anordnung gleichgerichteter Maßnahmen im Rahmen der Zuständigkeiten des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie nach § 1a SeeAnlV und des Bundesamts für Naturschutz nach § 58 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG und in diesem Zusammenhang zu einer nicht erforderlichen mehrfachen oder widersprüchlichen Inanspruchnahme des Verantwortlichen kommen kann. Dies wird dem rechtsstaatlichen Gebot gerecht, Kompetenzen nur einer Behörde einzuräumen und Doppelbeauftragungen zu vermeiden (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2023 - 7 CN 1.22 - juris Rn. 23 m. w. N.). 27 b) Die Klage ist nicht bereits deshalb unbegründet, weil die vom Kläger zur Begründung seines Antrags an das Bundesamt für Naturschutz, gegenüber der Beigeladenen Sanierungsmaßnahmen anzuordnen, vorgebrachten Tatsachen nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts den Eintritt eines Umweltschadens nicht glaubhaft erscheinen lassen. 28 Nach § 10 USchadG wird die zuständige Behörde zur Durchsetzung von Sanierungspflichten (§ 6 Nr. 2 USchadG) entweder von Amts wegen oder dann tätig, wenn ein von einem Umweltschaden Betroffener oder wahrscheinlich Betroffener oder - wie hier - eine anerkannte Umweltvereinigung dies beantragt und die zur Begründung des Antrags vorgebrachten Tatsachen den Eintritt eines Umweltschadens glaubhaft erscheinen lassen. Die Verpflichtung der zuständigen Behörde, zur Durchsetzung der Sanierungspflichten von Amts wegen tätig zu werden, ergibt sich hierbei bereits aus § 7 Abs. 1 USchadG und wird in § 10 USchadG lediglich klarstellend erwähnt (vgl. hierzu auch BT-Drs. 16/3806 S. 34, 40). Über die Pflicht der zuständigen Behörde zum Tätigwerden von Amts wegen hinaus räumt § 10 USchadG Betroffenen und anerkannten Umweltvereinigungen ein Initiativrecht zur Durchsetzung von Sanierungspflichten ein. Eine hierauf gestützte Initiative einer Umweltvereinigung verpflichtet die Behörde zum Tätigwerden, wenn die zur Begründung des Antrags vorgebrachten Tatsachen den Eintritt eines Umweltschadens glaubhaft erscheinen lassen. Die verwaltungsverfahrensrechtliche Regelung des § 10 USchadG setzt Art. 12 Abs. 1 und 3 der Umwelthaftungs-Richtlinie um, der - auch ausweislich des Erwägungsgrundes 25 der Richtlinie - unter anderem Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen, die Möglichkeit geben soll, angemessen zur wirksamen Umsetzung der Richtlinie beizutragen (vgl. BT-Drs. 16/3806 S. 27). § 10 USchadG dient auf dieser Grundlage der Effektivierung der Mitwirkung anerkannter Umweltvereinigungen an der Durchsetzung von Sanierungspflichten nach dem Umweltschadensgesetz und verleiht diesen hierzu eine besondere Rechtsposition in einem strukturierten Verwaltungsverfahren (vgl. Art. 12 Abs. 3 UHRL; vgl. auch § 8 Abs. 4 USchadG). § 10 USchadG trifft demgegenüber weder nach seinem Wortlaut, seiner systematischen Stellung im Umweltschadensgesetz noch nach dem dargelegten Sinn und Zweck der Regelung eine Aussage über die Zulässigkeit oder die Begründetheit der verwaltungsgerichtlichen Klage einer Umweltvereinigung, die sich vielmehr nach den Bestimmungen des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes richtet. 29 § 11 Abs. 2 USchadG verweist für Rechtsbehelfe von Umweltvereinigungen auf die Geltung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes. Die Regelung betrifft entgegen der von der Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht vertretenen Auffassung nicht lediglich die Klagebefugnis, sondern bestimmt sowohl ihrem Wortlaut als auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers des Umweltschadensgesetzes nach überdies, unter welchen Voraussetzungen ein Klageverfahren begründet sein kann (BT-Drs. 16/3806, S. 28). Der Erfolg der Klage einer Umweltvereinigung auf Anordnung von Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz setzt mithin nicht voraus, dass die Vereinigung zuvor bei der zuständigen Behörde nach § 10 USchadG die Durchsetzung von Sanierungspflichten beantragt und zur Begründung des Antrags Tatsachen vorträgt, die den Eintritt eines Umweltschadens glaubhaft erscheinen lassen. 30 c) Maßstab für die Begründetheit der Klage ist hiernach § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG. Nach dieser Vorschrift sind Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen nach dem Umweltschadensgesetz begründet, wenn die Entscheidung gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind. Für die auf dieser Grundlage erfolgende gerichtliche Prüfung, ob die zuständige Behörde nach den Regelungen des Umweltschadensgesetzes von Amts wegen verpflichtet ist, einem Verantwortlichen aufzugeben, erforderliche Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 USchadG), ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht maßgeblich. Eine Beschränkung der gerichtlichen Prüfung auf Tatsachen, die der Kläger bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens glaubhaft gemacht hat, ist gesetzlich nicht vorgesehen. 31 d) Kommen nach tatrichterlicher Feststellung aus naturschutzfachlicher Sicht Sanierungsmaßnahmen (§ 6 Nr. 2 i. V. m. § 8 USchadG) ohne Anlagen- oder Betriebsbezug in Betracht, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Haftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG zu prüfen. Der Senat weist hierzu auf Folgendes hin: 32 aa) Die Auslegung der Begriffe des Umweltschadens (§ 2 Nr. 1 USchadG) und der Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen (§ 2 Nr. 1 Buchst. a USchadG) durch das Oberverwaltungsgericht steht entgegen der Auffassung des Klägers mit Bundesrecht in Einklang. Zu Recht geht es hierbei von einem spezifisch umwelthaftungsrechtlichen Verständnis dieser Begriffe aus. Ungeachtet der engen Bezüge, die das Umwelthaftungsrecht auf der Grundlage der Regelungen der Umwelthaftungs-Richtlinie (vgl. hierzu etwa Erwägungsgrund 3) zu den Bestimmungen der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie aufweist, handelt es sich um ein selbständiges Regelungsgefüge mit eigenständiger Begrifflichkeit und eigenständigem Anwendungsbereich. Die Umwelthaftungs-Richtlinie bezieht sich zwar auf Elemente der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 (ABl. L 20 S. 7) über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutz-Richtlinie - VS-RL) sowie der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 (ABl. L 206 S. 7) zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie - FFH-RL), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndRL 2013/17/EU des Rates vom 13. Mai 2013 (ABl. L 158 S. 193). Sie wird aber nicht durch die Grenzen des dort verfolgten Schutzkonzepts beschränkt (vgl. Petersen, USchadG, 2013, § 2 Rn. 55). 33 Zutreffend nimmt das Oberverwaltungsgericht an, dass der räumliche Bereich, der den natürlichen Lebensraum einer geschützten Art im Sinne des Umweltschadensrechts bildet, unabhängig von den Gebietsgrenzen ausgewiesener FFH- oder Vogelschutzgebiete zu bestimmen ist. Natürliche Lebensräume im Sinne des Umweltschadensrechts sind nach § 2 Nr. 1 Buchst. a USchadG i. V. m. § 19 Abs. 3 BNatSchG die Lebensräume der Arten, die in Art. 4 Abs. 2 oder Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie oder in Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführt sind, natürliche Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interesse (die in Anhang I FFH-RL aufgeführten Lebensraumtypen; vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG) sowie Fortpflanzungs- und Ruhestätten der in Anhang IV der FFH-Richtlinie aufgeführten Arten. Diese Bestimmung entspricht der Begriffsbestimmung der natürlichen Lebensräume in Art. 2 Nr. 3 Buchst. b UHRL. 34 Abgesehen davon, dass die genannten Regelungen schon ihrem Wortlaut nach nicht an förmliche Schutzgebietsausweisungen anknüpfen, entspricht ein schutzgebietsunabhängiges Verständnis natürlicher Lebensräume auch dem ausdrücklich erklärten Willen des Normgebers. So führt die Begründung des Regierungsentwurfs zur Umsetzung der Umwelthaftungs-Richtlinie aus, dass sich der Begriff des Umweltschadens in Bezug auf Habitate nicht auf die nach der FFH-Richtlinie auszuweisenden Gebiete beschränkt (BT-Drs. 16/3806, S. 30). Nicht minder deutlich tritt der Wille des Gesetzgebers in einer Erwiderung auf einen Vorschlag des Bundesrates, den räumlichen Anwendungsbereich des Umweltschadensgesetzes auf Natura-2000-Gebiete zu beschränken, hervor. In dieser Erwiderung legt die Bundesregierung dar, die Europäische Kommission habe auf entsprechende Anfrage klargestellt, dass sich der Schutz der Umwelthaftungs-Richtlinie in Bezug auf Arten und natürliche Lebensräume nicht auf Arten und natürliche Lebensräume innerhalb der nach der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie ausgewiesenen Gebiete beschränke (BT-Drs. 16/3806, S. 37 und 41; vgl. hierzu Fellenberg, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 19 Rn. 12 m. w. N.; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Januar 2023, BNatSchG § 19 Rn. 12 f. m. w. N.; Petersen, USchadG, 2013, § 2 Rn. 51 ff. m. w. N.). Der Regelungswille des deutschen Gesetzgebers spiegelt denjenigen des Unionsgesetzgebers wider. Neben der von der Bundesregierung zitierten Stellungnahme der Kommission zeigt dies auch die Entstehungsgeschichte der Umwelthaftungs-Richtlinie. Ein dem Vorschlag des Bundesrates entsprechender Änderungsantrag des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt zu Art. 2 Nr. 3 Buchst. b UHRL, wonach die Sanierungsverpflichtung für Lebensräume ausdrücklich auf ausgewiesene Natura-2000-Gebiete beschränkt bleiben sollte (vgl. Europäisches Parlament, Sitzungsdokument A5-0461/2003 Vorschlag 6), konnte sich nicht durchsetzen (vgl. hierzu auch Petersen, USchadG, 2013, § 2 Rn. 58). 35 Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich aus der französischen Sprachfassung der Umwelthaftungs-Richtlinie, namentlich aus der Formulierung ""espèces et habitats naturels protégés"" in Art. 2 Nr. 1 Buchst. a UHRL, nichts Gegenteiliges ableiten. Auch bei einem Wortlautverständnis als ""geschützte Arten und geschützte natürliche Lebensräume"" ergibt sich nicht, dass ""geschützte natürliche Lebensräume"" in dieser Regelung mit Gebieten gleichzusetzen wären, die förmlich als Vogelschutz- oder als FFH-Gebiet ausgewiesen sind. Näher liegt es vielmehr, das Wort ""geschützt"" als Bezugnahme auf Art. 2 Nr. 3 UHRL zu verstehen, der ausweist, zu Gunsten welcher Arten natürliche Lebensräume nach der Umwelthaftungs-Richtlinie unter Schutz gestellt werden (vgl. auch Petersen, USchadG, 2013, § 2 Rn. 57). 36 Auch der Verweis des Klägers auf die Erwägungsgründe 3 und 5 der Umwelthaftungs-Richtlinie ist nicht durchgreifend. Die im Erwägungsgrund 3 angesprochene Verflechtung der Umwelthaftungs-Richtlinie mit der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie, die nicht in Zweifel steht, besagt nichts über die im Einzelnen bestehenden rechtlichen Zusammenhänge. Das Bekenntnis zur einheitlichen Definition von Begriffen in Erwägungsgrund 5 der Richtlinie gilt nur für den Rückgriff auf Begrifflichkeiten aus anderen Rechtsvorschriften, wie er hinsichtlich des umwelthaftungsrechtlichen Begriffs der natürlichen Lebensräume gerade nicht stattfindet. Nicht weiter führen schließlich die Bezugnahmen des Klägers auf Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH München, Urteil vom 28. Oktober 2022 - 8 BV 20.19 18 - DVBl. 2023, 674 Rn. 46 ff.) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 25. November 2021 - 7 C 6.20 - BVerwGE 174, 190 Rn. 26). Diese Urteile setzen sich nicht mit den Voraussetzungen des Eintritts eines Umweltschadens oder dem Begriff der natürlichen Lebensräume auseinander. 37 Soweit sich die Bestimmung des natürlichen Lebensraums der Arten Sterntaucher und Prachttaucher, als dessen kleinsten räumlichen Bereich das Oberverwaltungsgericht die deutsche Nordsee benennt, als entscheidungserheblich erweisen sollte, wird die auf naturschutzfachlicher Grundlage zu ermittelnde Fläche in einer Weise einzugrenzen sein, welche in rechtlicher Hinsicht dem unionsrechtlichen Grundsatz des ""effet utile"" nicht zuwiderläuft. 38 Ob nachteilige Auswirkungen auf Lebensräume oder Arten erheblich im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG sind, wird gegebenenfalls mit Bezug auf den Ausgangszustand unter Berücksichtigung der Kriterien des Anhangs I der Umwelthaftungs-Richtlinie einzelfallbezogen zu ermitteln sein (§ 19 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG). Die in Anhang I der Umwelthaftungs-Richtlinie genannten naturschutzfachlichen Kriterien sind hierbei nicht abschließend (""u. a.""). Ergänzend kann auf der Grundlage naturschutzfachlicher Einschätzung auf Kriterien zurückgegriffen werden, die im Rahmen der Umsetzung der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie für maßgeblich erachtet werden (vgl. BT-Drs. 16/3806, S. 31). Die Schädigung von Arten innerhalb eines ausgewiesenen Schutzgebietes stellt zwar ein - gegebenenfalls gewichtiges - Indiz für die Feststellung der Erheblichkeit von Auswirkungen und damit für die Bejahung eines Umweltschadens dar. Dies schließt jedoch eine abweichende Beurteilung im Einzelfall - namentlich etwa mit Blick auf (hoch-)mobile Arten - nicht aus (vgl. hierzu auch Gellermann, NVwZ 2008, 828 <832 f.>). 39 Den Anregungen des Klägers zu Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV zum Begriff der natürlichen Lebensräume nach der Umwelthaftungs-Richtlinie und zum Verhältnis dieser Richtlinie zur Vogelschutz- und zur FFH-Richtlinie kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil die Entscheidungserheblichkeit dieser Fragestellungen im derzeitigen Verfahrensstadium offen ist. 40 bb) Eine sogenannte Enthaftung nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG kommt vorliegend nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist eine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG zu verneinen, wenn die nachteiligen Auswirkungen von Tätigkeiten zuvor von der zuständigen Behörde nach den §§ 34, 35, 45 Abs. 7 oder § 67 Abs. 2 BNatSchG genehmigt wurden oder zulässig sind. Diesen tatbestandlichen Anforderungen wird weder die erteilte seeanlagenrechtliche Genehmigung vom 18. Dezember 2002 noch die mit Bescheid des Bundesamts für Naturschutz vom 9. März 2021 erfolgte Erteilung gebiets- und artenschutzrechtlicher Ausnahmen gerecht. 41 Der seeanlagenrechtlichen Genehmigung vom 18. Dezember 2002 liegt die Annahme zugrunde, dass der Windpark der Beigeladenen mit keinen erheblichen Auswirkungen verbunden sei und vorhandene Auswirkungen durch Schutzanordnungen ganz vermieden oder in einer Weise gemindert würden, dass sie hinnehmbar seien. Eine Gefährdung der Meeresumwelt sei mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen. Eine naturschutzrechtliche Ausnahme oder Befreiung nach den §§ 34, 35, 45 Abs. 7, § 67 Abs. 2 BNatSchG wurde auf dieser Grundlage nicht erteilt. Auch auf sonstige Weise dispensiert die Genehmigung vom 18. Dezember 2002 nicht von naturschutzrechtlichen Maßgaben. Von einer Ermittlung als nachteilig bewerteter Auswirkungen, die sehenden Auges zugelassen worden wären, kann deshalb nicht die Rede sein. Auswirkungen, die im Genehmigungsverfahren nicht erkannt, vorhergesehen oder in ihrer Tragweite unterschätzt worden sind, unterfallen § 19 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG nicht (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 28. Oktober 2022 - 8 BV 20.19 18 - DVBl. 2023, 674 Rn. 51; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Januar 2023, BNatSchG § 19 Rn. 26 m. w. N.; Schrader, in: BeckOK Umweltrecht, Stand Januar 2023, BNatSchG § 19 Rn. 33 ff. m. w. N; Fellenberg, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 19 Rn. 12 und 29 ff. m. w. N.). 42 Auch die mit Bescheid vom 9. März 2021 gewährten gebiets- und artenschutzrechtlichen Ausnahmen führen zu keiner Enthaftung im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG. Dies gilt schon deshalb, weil nach dieser Vorschrift, die den insoweit gleichlautenden Art. 2 Nr. 1 Buchst. a Unterabs. 2 UHRL in innerstaatliches Recht umsetzt, die nachteiligen Auswirkungen ""zuvor"" und damit vor ihrem Eintritt ermittelt worden sein müssen. Einer nachträglichen Prüfung und Zulassung kommt deshalb keine haftungsfreistellende Wirkung zu (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 28. Oktober 2022 - 8 BV 20.19 18 - DVBl. 2023 674 Rn. 37 und 52). Das Vorhaben muss in Kenntnis der nachteiligen Auswirkungen zugelassen worden sein (vgl. auch Fellenberg, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 19 Rn. 29 m. w. N.; Gärditz/Kahl, in: Kahl/Gärditz, Umweltrecht, 12. Aufl. 2021, § 4 Rn. 169). 43 cc) Eine Haftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG setzt - wie dargelegt - vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln des Verantwortlichen voraus. Ob ein derartiges schuldhaftes Handeln der Beigeladenen anzunehmen ist, bedarf tatrichterlicher Klärung. 44 Vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG bestimmt sich nach zivilrechtlichen Maßstäben. Vorsatz des Verantwortlichen ist dann zu bejahen, wenn dieser erhebliche nachteilige Auswirkungen seines Verhaltens auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands geschützter Lebensräume oder Arten oder die unmittelbare Gefahr solcher erheblichen nachteiligen Auswirkungen vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen hat. Fahrlässig handelt der Verantwortliche, wenn er erhebliche nachteilige Auswirkungen seines Verhaltens auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands geschützter Lebensräume oder Arten oder unmittelbare Gefahren solcher erheblichen nachteiligen Auswirkungen unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vorhersehen und vermeiden konnte (BVerwG, Urteil vom 21. September 2017 - 7 C 29.15 - Buchholz 406.257 USchadG Nr. 1 Rn. 18 ff.). 45 Darauf, ob das zum Erfolgseintritt führende Verhalten eines Verantwortlichen rechtmäßig ist, kommt es nicht an. Auch - wie hier - genehmigte oder gesetzeskonforme Tätigkeiten sind grundsätzlich der verschuldensabhängigen Haftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG unterworfen (näher hierzu BVerwG, Urteil vom 21. September 2017 - 7 C 29.15 - Buchholz 406.257 USchadG Nr. 1 Rn. 25). Die Rechtmäßigkeit eines Verhaltens und die Reichweite der Legalisierungswirkung einer Genehmigung für eine schadensverursachende berufliche Tätigkeit sind dessen ungeachtet bei der Frage nach der Haftung des Verantwortlichen von maßgeblicher Bedeutung. So wird ein Verantwortlicher, der schutzwürdig auf eine Genehmigung vertraut, bei einem von der Legalisierungswirkung der Genehmigung umfassten Verhalten regelmäßig nicht fahrlässig handeln. Eine Haftung für vermutetes Verschulden kommt ohne einen diesbezüglichen normativen Anhaltspunkt, der für die Verantwortlichkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG nicht ersichtlich ist, hierbei nicht in Betracht. Die Beurteilung eines Verhaltens als vorsätzlich oder fahrlässig ist Sache der tatrichterlichen Würdigung (BVerwG, Urteil vom 21. September 2017 - 7 C 29.15 - Buchholz 406.257 USchadG Nr. 1 Rn. 27 ff.). 46 Bei dieser tatrichterlichen Würdigung werden neben der Genehmigung vom 18. Dezember 2002 und der Reichweite deren Legalisierungswirkung (hierzu BVerwG, Urteil vom 29. April 2021 - 4 C 2.19 - BVerwGE 172, 271 Rn. 33) insbesondere auch der Bescheid des Bundesamts für Naturschutz vom 9. März 2021 sowie der Bescheid des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie vom 10. März 2021 zu berücksichtigen sein. Ausweislich dieser Bescheide sind auf der Grundlage des Sach- und Rechtsstandes vom März 2021 zwei Fachbehörden übereinstimmend zu der Auffassung gelangt, dass unter Beachtung der jeweils erlassenen Nebenbestimmungen der Windpark der Beigeladenen weiterhin in rechtmäßiger Weise betrieben werden kann. 47 3. Wegen der Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung kann die Rüge des Klägers, das Berufungsurteil sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, dahinstehen." bverwg_2023-34,04.05.2023,"Pressemitteilung Nr. 34/2023 vom 04.05.2023 EN Soziale Medien mit Kommentarfunktion können mitbestimmungspflichtige Überwachungseinrichtungen sein Betreibt eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien eigene Seiten oder Kanäle, kann wegen der für alle Nutzer bestehenden Möglichkeit, dort eingestellte Beiträge zu kommentieren, eine technische Einrichtung zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten vorliegen, deren Einrichtung oder Anwendung der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Deutsche Rentenversicherung Bund unterhält (teilweise zusammen mit anderen Rentenversicherungsträgern) im Rahmen ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und zur Personalgewinnung bei Facebook, Instagram und Twitter eigene Seiten und Kanäle. Von ihr dort eingestellte Beiträge können Nutzer nach eigenem Belieben kommentieren und dabei auch Verhalten oder Leistung einzelner Beschäftigter thematisieren. Beiträge und Kommentare werden von den sozialen Medien gespeichert, aber dort nicht für die Dienststelle ausgewertet. Während das Verwaltungsgericht ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bejaht hat, hat das Oberverwaltungsgericht dessen Bestehen verneint. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Frage, ob die Einrichtung oder Anwendung von Seiten oder Kanälen mit Kommentarfunktion, die eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien unterhält, der Mitbestimmung durch den Personalrat unterliegen, nicht generell, sondern nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalles beantwortet werden kann. Nach der einschlägigen Regelung des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) hat der Personalrat mitzubestimmen bei der Einrichtung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen (§ 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG in der bis zum 14. Juni 2021 und inhaltsgleich nunmehr § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG in der seither geltenden Fassung). Dieses Mitbestimmungsrecht dient dem Schutz der Persönlichkeit der Beschäftigten am Arbeitsplatz und soll gewährleisten, dass Beschäftigte nicht durch eine technische Einrichtung eine ständige Überwachung befürchten müssen und dadurch unter einen Überwachungsdruck geraten. Dieser Schutzzweck gebietet es entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, bereits das Speichern von Nutzerkommentaren mit verhaltens- oder leistungsbezogenen Angaben als selbstständige (Überwachungs-)Leistung einer technischen Einrichtung anzusehen. Denn es birgt grundsätzlich die Gefahr in sich, dass die Dienststelle diese Daten auch auswertet, wodurch ein Überwachungsdruck bei den Beschäftigten erzeugt werden kann. Das Speichern der in Rede stehenden Kommentare kann zudem zur Überwachung der Beschäftigten ""bestimmt"" sein. Für ein solches Bestimmtsein reicht es aus, dass die Datenspeicherung objektiv zur Überwachung geeignet ist. Ob das der Fall ist, hängt beim Betreiben der in Rede stehenden sozialen Medien wegen der ungewissen, nur möglichen Eingabe entsprechender Verhaltens- oder Leistungsdaten durch Dritte in tatsächlicher Hinsicht davon ab, ob bei objektiver Betrachtung im konkreten Fall eine nach Maßgabe des Schutzzwecks des Mitbestimmungstatbestandes hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Einstellen entsprechender Nutzerkommentare gegeben ist. Hierfür ist zunächst die Konzeption des von der Dienststellenleitung verantworteten Auftritts der Dienststelle in den sozialen Medien von Bedeutung. Berichtet die Dienststellenleitung beispielsweise selbst über konkrete Beschäftigte und ihr Tätigkeitsfeld und lenkt damit den Blick des Publikums auf das dienstliche Verhalten und die Leistung von Beschäftigten, können hierauf bezogene Nutzerkommentare erwartet werden. Demgegenüber wird von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für die Anbringung entsprechender Kommentare in der Regel nicht auszugehen sein, wenn Auftritte der Dienststelle in sozialen Medien sachbezogen in allgemeiner Form lediglich über Aufgaben der Dienststelle oder etwa ohne Bezüge zu bestimmten Beschäftigten in Form von Pressemitteilungen über die Tätigkeit der Dienststelle informieren. Darüber hinaus ist das tatsächliche Verhalten der Nutzer in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Kommt es insbesondere erst im Verlaufe des Betriebs zu einer nennenswerten Zahl verhaltens- oder leistungsbezogener Nutzerkommentare, kann die Überwachungseignung eine gegenüber der ursprünglichen Prognose andere Relevanz erhalten und zu bejahen sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Betrachters das Entstehen eines Überwachungsdrucks deshalb nicht anzunehmen ist, weil die Dienststellenleitung derartige Kommentare ohne vorherige Auswertung schnellstmöglich löscht. Da das Oberverwaltungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – die danach erforderlichen tatsächlichen Feststellungen bislang nicht getroffen hat, war der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache an dieses zurückzuverweisen. BVerwG 5 P 16.21 - Beschluss vom 04. Mai 2023 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, OVG 62 PV 5/20 - Beschluss vom 04. August 2021 - VG Berlin, VG 72 K 7.19 PVB - Beschluss vom 29. Mai 2020 -","Betreibt eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien eigene Seiten oder Kanäle, kann wegen der für alle Nutzer bestehenden Möglichkeit, dort eingestellte Beiträge zu kommentieren, eine technische Einrichtung zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten vorliegen, deren Einrichtung oder Anwendung der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Diese Frage entzieht sich einer generellen Beantwortung, sondern ist nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen. Tenor Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes - vom 4. August 2021 aufgehoben.Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Gründe IDer Beteiligte (das Direktorium der Deutschen Rentenversicherung Bund) betreibt die Facebook-Seite @DeutscheRentenversicherung­Bund, womit er auf die Gewinnung von Nachwuchskräften sowie Fachkräften zielt. Mit dem Instagram-Kanal @drvbunt wendet er sich an potenzielle Auszubildende und potenzielle Studenten. Gemeinsam mit allen Rentenversicherungsträgern betreibt der Beteiligte unter @DeutscheRentenversicherung bei Facebook im Rahmen seiner Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einen allgemeinen Kanal. Stellvertretend für alle Träger der deutschen Rentenversicherung betreibt die Deutsche Rentenversicherung Rheinland den Twitterkanal @die_rente. Eigene Beiträge zu selbst gewählten Themen können (nicht der Dienststelle angehörende) Nutzer auf keinem der Angebote einstellen, jedoch können sie vom Beteiligten oder den anderen Rentenversicherungsträgern eingestellte Beiträge kommentieren. Diese Kommentarfunktion kann nicht deaktiviert werden. Von Nutzern angebrachte Kommentare können vom Beteiligten weder mit den vorhandenen Funktionen automatisiert ausgewertet werden, noch ist seitens des Beteiligten der nachträgliche Einsatz von Auswertungsprogrammen vorgesehen.Nachdem der Antragsteller (der Hauptpersonalrat der Deutschen Rentenversicherung Bund) den Beteiligten erfolglos aufgefordert hatte, ein Mitbestimmungsverfahren durchzuführen, hat er das gerichtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Das Verwaltungsgericht hat seinem Antrag stattgegeben und festgestellt, dass der Beteiligte verpflichtet sei, den Antragsteller aus Anlass der Bereitstellung der Kommentarfunktion auf den vom Beteiligten in den genannten sozialen Medien betriebenen Seiten bzw. Kanälen jeweils nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a. F. zu beteiligen. Zur Begründung, dass es sich jeweils um die Einführung und Anwendung einer technischen Einrichtung handle, die im Sinne des Mitbestimmungstatbestandes zur Überwachung der Beschäftigten bestimmt sei, hat es sich maßgeblich auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 2016 - 1 ABR 7/15 - gestützt, mit dem dieses entschieden hat, dass die Bereitstellung der Funktion ""Besucher-Beiträge"" auf einer von einem Arbeitgeber betriebenen Facebook-Seite der Mitbestimmung des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz unterliege.Auf die Beschwerde des Beteiligten hat das Oberverwaltungsgericht den Beschluss des Verwaltungsgerichts geändert und den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Diesem stehe ein Mitbestimmungsrecht nach der nunmehr anzuwendenden gleichlautenden Vorschrift des § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG nicht zu. Für den Mitbestimmungstatbestand sei spezifisch, dass die Überwachung gerade mithilfe einer als technisch zu bewertenden Einrichtung erfolge, deren selbstständige Leistung bei der Erhebung von Daten oder bei ihrer Auswertung zum Tragen kommen könne. Eine Überwachung sei aber nicht schon - wie das Bundesarbeitsgericht meine - allein in der dauerhaften Speicherung und zeitlich unbegrenzten sowie öffentlichen Zugriffsmöglichkeit zu sehen. Die in Rede stehenden sozialen Medien seien demzufolge auch mit Blick auf die Kommentarfunktion keine technischen Einrichtungen im Sinne des Mitbestimmungstatbestandes, weil weder die Datenerhebung noch eine Datenauswertung ganz oder teilweise automatisch erfolge und sie somit keine selbstständige Leistung erbrächten.Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Im Hinblick auf den vom Mitbestimmungstatbestand bezweckten Schutz der allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten sei für das Merkmal einer selbstständigen Leistung der technischen Einrichtung die der händischen Eingabe der Daten nachfolgende dauerhafte Speicherung und zeitlich unbegrenzte Zugriffsmöglichkeit ausreichend. Die Kommentarfunktion erlaube den Nutzern der vom Beteiligten betriebenen sozialen Medien, Kommentare zum Verhalten und zur Leistung der Beschäftigten einzustellen, die je nach Inhalt einzelnen Beschäftigten zugeordnet werden und in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreifen könnten. Die Beschäftigten seien daher einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt, müssten sie doch damit rechnen, dass derartige Kommentare nicht nur dem Beteiligten, sondern einer unbestimmten Anzahl von Personen offenbart würden.Der Beteiligte und die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht verteidigen den angefochtenen Beschluss.IIDie zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Der angefochtene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der unrichtigen Anwendung von Rechtsnormen (§ 108 Abs. 2 Bundespersonalvertretungsgesetz - BPersVG - vom 9. Juni 2021 i. V. m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG), nämlich von § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG in der bis zum 14. Juni 2021 geltenden Fassung (BPersVG a. F.) und § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG in der seitherigen Fassung (1.). Ob sich die Entscheidung im Sinne des § 561 ZPO aus anderen Gründen als richtig darstellt, kann das Bundesverwaltungsgericht in Ermangelung einer hinreichenden Tatsachengrundlage nicht entscheiden (2.). Daher ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 108 Abs. 2 BPersVG i. V. m. § 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG i. V. m. § 562 Abs. 1 und § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).1. Der angefochtene Beschluss ordnet das Begehren des Antragstellers zutreffend als konkreten Feststellungsantrag ein, der zulässig ist (a). Das Bestehen des geltend gemachten Mitbestimmungsrechts misst das Oberverwaltungsgericht allerdings zu Unrecht ausschließlich an § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG (b). Überdies ist seiner Auffassung nicht zu folgen, dass das Betreiben einzelner Seiten bzw. Kanäle durch die Dienststelle auch angesichts der damit verbundenen Kommentarfunktion (unabhängig von den konkreten tatsächlichen Umständen) keine mitbestimmungspflichtige Maßnahme darstellen könne. Weil es sich dabei entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts jeweils um eine technische Einrichtung (im Sinne von § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a. F. bzw. § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG) handeln kann, hängt die Mitbestimmungspflichtigkeit vielmehr davon ab, ob der Betrieb des jeweiligen sozialen Mediums nach den konkreten Umständen des Einzelfalles geeignet ist, zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Beschäftigten zu dienen (c).a) Das Oberverwaltungsgericht hat das Begehren des Antragstellers, mit dem er sein Mitbestimmungsrecht aus Anlass der Bereitstellung der Kommentarfunktion bei den vom Beteiligten betriebenen sozialen Medien festgestellt wissen möchte, zu Recht als konkreten Feststellungsantrag aufgefasst. Dieser Antrag hat eine doppelte Zielrichtung. Mit ihm macht der Antragsteller zunächst geltend, dass seine Zustimmung bereits vor Bereitstellung der Kommentarfunktion hätte eingeholt werden müssen. Weil die Kommentarfunktion über einen längeren Zeitraum bereitsteht und der in Rede stehende Mitbestimmungstatbestand der Anwendung einer technischen Überwachungseinrichtung auch wesentliche Veränderungen der tatsächlichen Umstände erfasst, erstreckt sich sein Antrag bei verständigem, am Rechtsschutzziel orientierten Verständnis auch auf die Feststellung, dass der Betrieb der Seiten bzw. Kanäle während seines gesamten (bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts als letzter Tatsacheninstanz anhaltenden) Betriebs der Mitbestimmungspflicht unterlag oder diese - sofern sie nicht von vornherein bestand - zumindest während des Betriebes begründet worden ist. Von diesem Begehren umfasst ist dementsprechend auch die Überprüfung, ob - soweit der Mitbestimmungstatbestand etwaige nachfolgende Änderungen in der Anwendung einer technischen Überwachungseinrichtung erfasst - mitbestimmungsrechtlich erhebliche tatsächliche Änderungen nach der erstmaligen Bereitstellung eingetreten sind.Der so verstandene Antrag ist zulässig. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Bezug. Der Fortbestand des Feststellungs- bzw. Rechtsschutzinteresses ist darüber hinaus auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zweifelhaft. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Beteiligte die Auftritte der Deutschen Rentenversicherung Bund in den sozialen Medien nicht mehr betreibt oder die Kommentarfunktion nicht mehr verfügbar ist und sich die Maßnahmen deshalb erledigt haben könnten. Soweit der Antragsteller etwaige Änderungen in der Anwendung der sozialen Medien nicht konkret bezeichnet hat, entfällt dadurch nicht sein Feststellungs- bzw. Rechtsschutzinteresse, zumal die mögliche rechtliche Relevanz derartiger Änderungen in der Rechtsprechung bislang nicht geklärt war und erst durch die vorliegende Entscheidung einer Klärung zugeführt wird.b) Das Bestehen des beanspruchten Mitbestimmungsrechts beurteilt sich sowohl nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a. F. als auch nach § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG und nicht - wie das Oberverwaltungsgericht angenommen hat - ausschließlich nach der letztgenannten Vorschrift.aa) Soweit der Antragsteller geltend macht, die Bereitstellung der Kommentarfunktion sei nur mit seiner vorherigen Zustimmung zulässig gewesen, richtet sich das Bestehen des Mitbestimmungsrechts nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a. F. Auch im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren bestimmt sich die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach dem materiellen Recht (BVerwG, Beschlüsse vom 27. April 2022 - 5 P 8.20 - PersV 2023, 25 Rn. 12 und vom 3. Mai 2022 - 5 P 1.22 - PersV 2022, 465 Rn. 15). Geht es im Rahmen eines konkreten Feststellungsantrags - wie hier - darum, ob eine bestimmte, von der Dienststellenleitung in der Vergangenheit beabsichtigte (und ggf. durchgeführte) Maßnahme mitbestimmungspflichtig war, kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem die Willensbildung aufseiten der Dienststellenleitung abgeschlossen war (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Juli 2021 - 5 PB 11.20 - PersV 2022, 29 Rn. 9 und vom 3. Mai 2022 - 5 P 1.22 - PersV 2022, 465 Rn. 15). Denn diese Frage ist auf die Vergangenheit bezogen und daher nach dem damals geltenden Recht zu beurteilen. Für die Einführung (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2021 - 5 P 2.20 - BVerwGE 173, 165 Rn. 13) einer technischen Einrichtung, die mit ihrer erstmaligen Anwendung einen einheitlichen Mitbestimmungstatbestand bildet (BAG, Beschlüsse vom 14. November 2006 - 1 ABR 4/06 - BAGE 120, 146 Rn. 36 und vom 8. März 2022 - 1 ABR 20/21 - BB 2022, 2299 Rn. 26), kommt es mithin auf die zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage an. Dies ist hier § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a. F., da der Beteiligte bereits vor dem Inkrafttreten der Neufassung des Bundespersonalvertretungsgesetzes (vom 9. Juni 2021) am 15. Juni 2021 entschlossen war, die Seiten in den fraglichen sozialen Medien mitsamt der Kommentarfunktion erstmals zu betreiben und er diesen Entschluss überdies bis zu diesem Zeitpunkt auch umgesetzt hat. Unter Anwendung im Sinne dieses Mitbestimmungstatbestandes ist dabei die allgemeine Handhabung der Einrichtung zu verstehen (Dierßen, in: Altvater/Baden/Baunack/Berg/Dierßen/Herget/Kröll/Lenders/Noll, BPersVG, 11. Aufl. 2023, § 80 Rn. 198) bzw. die Art und Weise, wie die Einrichtung tatsächlich zur Kontrolle verwendet wird (Rehak, in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Hebeler/Ramm/Sachadae, BPersVG, Stand: März 2023, § 75 Rn. 682; Kaiser/Annuß, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, § 75 Rn. 547).bb) Soweit der konkrete Feststellungsantrag auch die der Einführung und erstmaligen Anwendung einer technischen Einrichtung nachfolgende Anwendung derselben umfasst, ist zu differenzieren: Etwaige Änderungen in der Anwendung der sozialen Medien sind anhand von § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a. F. zu beurteilen, sofern sie bis zum 14. Juni 2021 eingetreten sind, und für die nachfolgende Zeit an der seither geltenden inhaltsgleichen (vgl. BT-Drs. 19/26820 S. 126) Vorschrift des § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG zu messen. Dabei ist zu beachten, dass das Merkmal der Anwendung einer technischen Einrichtung - wovon auch das Oberverwaltungsgericht an anderer Stelle (Beschluss vom 1. Februar 2023 - OVG 62 PV 6/22 - juris Rn. 37) ausgeht - nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die (erneute) Mitbestimmung bei jeder späteren (wesentlichen) Veränderung ihrer Handhabung, beispielsweise bei Änderungen im Betriebssystem oder der eingesetzten Programme (BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2011 - 6 P 10.10 - Buchholz 251.2 § 85 BlnPersVG Nr. 17 Rn. 16) oder einer gegenständlichen Erweiterung der Kontrolle oder Einführung einer anderen Art und Weise der Überwachung (BVerwG, Beschluss vom 13. August 1992 - 6 P 20.91 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 80 S. 89), auslöst. Deshalb kommt es für die Frage des anzuwendenden Rechts nicht - wie das Oberverwaltungsgericht hier meint - allein auf den ""in die Zukunft offenen Zeitraum der Nutzung"" an, also die tagtägliche Nutzung der technischen Einrichtung, sondern auf den Zeitpunkt etwaiger rechtserheblicher Änderungen ihrer Handhabung nach ihrer erstmaligen Inbetriebnahme. Unabhängig von den vorgenannten, unmittelbar auf Entscheidungen der Dienststellenleitung beruhenden Veränderungen kann sich eine Änderung der Anwendung der technischen Einrichtung auch aus einer der Dienststellenleitung zuzurechnenden Veränderung der sonstigen tatsächlichen Verhältnisse ergeben, sofern hierdurch die objektive Zweckbestimmung der Einrichtung beeinflusst wird. Soweit der Antrag auf alle seit Einführung und erstmaliger Anwendung der technischen Einrichtung eingetretenen mitbestimmungsrelevanten Änderungen in der Anwendung der Einrichtung gerichtet ist, ist daher auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts (als letzter Tatsacheninstanz) abzustellen, wobei Rechtsänderungen während des Rechtsbeschwerdeverfahrens in gleicher Weise zu beachten sind, wie sie die Vorinstanz berücksichtigen müsste, wenn sie im Zeitpunkt der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde entschiede (BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 2022 - 5 P 1.22 - PersV 2022, 465 Rn. 15).c) Das Betreiben der in Rede stehenden Seiten und Kanäle in den sozialen Medien (Facebook, Instagram und Twitter) kann wegen der damit nach den für den Senat verbindlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts jeweils untrennbar verbundenen Kommentarfunktion das sich aus § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a. F. bzw. § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG ergebende Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung begründen. Nach diesen Vorschriften, die regelmäßig nicht anders als die vergleichbare betriebsverfassungsrechtliche Regelung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auszulegen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 1987 - 6 P 32.84 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 53 S. 20), hat der Personalrat mitzubestimmen bei Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen.Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts ist hier das Vorliegen von technischen Einrichtungen im Sinne dieses Mitbestimmungstatbestandes nicht deshalb von Rechts wegen zu verneinen, weil durch das Betreiben der in Rede stehenden sozialen Medien weder die Datenerhebung noch die Datenauswertung ganz oder teilweise automatisch erfolge und sie deshalb keine selbstständige Leistung erbrächten (aa). Ebenso wenig ist es rechtlich ausgeschlossen, davon auszugehen, dass das Betreiben der genannten sozialen Medien durch die Dienststelle zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Beschäftigten im Sinne des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a. F. bzw. § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG ""bestimmt"" ist (bb). Ob dieser Mitbestimmungstatbestand eingreift, hängt aber in tatsächlicher Hinsicht davon ab, ob im konkreten Fall bei objektiver Betrachtung eine nach Maßgabe seines Schutzzwecks hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür gegeben ist, dass durch den Betrieb des sozialen Mediums mit Kommentarfunktion in so beachtlichem Umfang Nutzerkommentare über das Verhalten oder die Leistung von Beschäftigten zu erwarten sind oder im Verlaufe des Betriebs tatsächlich eingestellt werden, dass durch deren Speicherung und etwaige Auswertung durch die Dienststellenleitung ein Überwachungsdruck für die Beschäftigten erzeugt werden kann (cc).aa) Sind die zuletzt genannten tatsächlichen Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt, erweisen sich die hier vom Beteiligten betriebenen Kanäle bzw. Seiten bei Facebook, Instagram und Twitter aufgrund ihrer Kommentarfunktion als technische Einrichtungen im Sinne des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a. F. bzw. § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG. Als solche sind Anlagen oder Geräte anzusehen, die unter Verwendung nicht menschlicher, sondern anderweit erzeugter Energie mit den Mitteln der Technik, insbesondere der Elektronik, eine selbstständige Leistung erbringen (BVerwG, Beschluss vom 31. August 1988 - 6 P 35.85 - BVerwGE 80, 143 <144>). Indem eine technische Einrichtung verhaltens- oder leistungsbezogene Angaben zu einzelnen Beschäftigten speichert, verarbeitet sie Daten und erbringt damit eine selbstständige Leistung. Das trifft auch auf die von der Dienststelle betriebenen Seiten und Kanäle der genannten sozialen Medien zu. Sie schließen die für alle Nutzer bestehende Möglichkeit ein, eingestellte Beiträge unabhängig von deren Themensetzung zu kommentieren und sich dabei auch zu dem Verhalten oder der Leistung eines benannten, anderweitig individualisierten oder aufgrund der geschilderten Umstände individualisierbaren (vgl. BAG, Beschluss vom 13. Dezember 2016 - 1 ABR 7/15 - BAGE 157, 220 Rn. 24, 27; Kascherus, in: Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 15. Aufl. 2023, § 80 Rn. 189; Dierßen, in: Altvater/Baden/Baunack/Berg/Dierßen/Herget/Kröll/Lenders/Noll, BPersVG 11. Aufl. 2023, § 80 Rn. 196) Beschäftigten zu äußern. Im Übrigen ist es nicht erforderlich, dass die zur Datenverarbeitung eingesetzte technische Einrichtung im Eigentum des Dienstherrn steht oder sich in den Räumen der Dienststelle befindet (BVerwG, Beschluss vom 29. August 2001 - 6 P 10.00 - Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 8 S. 17).Dabei liegt bereits in dem bloßen Speichern von Nutzerkommentaren mit verhaltens- oder leistungsbezogenen Angaben zu einzelnen Beschäftigten eine selbstständige Leistung der technischen Einrichtung. Diese Sichtweise ist deshalb geboten, weil schon das bloße Speichern der Nutzerkommentare diese für lange Zeiträume recherchierbar macht und sie damit für die Dienststellenleitung verfügbar bleiben, was grundsätzlich als (Teil der) Überwachung im Sinne des Mitbestimmungstatbestandes anzusehen ist. Der Begriff der ""Überwachung"" umfasst nach seiner sprachlichen Bedeutung sowohl das Sammeln von Informationen als auch die Auswertung bereits vorliegender Informationen im Hinblick auf eine Beurteilung der Beschäftigten (BVerwG, Beschlüsse vom 9. Dezember 1992 - 6 P 16.91 - BVerwGE 91, 276 <280> und vom 29. August 2001 - 6 P 10.00 - Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 8 S. 17; BAG, Beschluss vom 14. September 1984 - 1 ABR 23/82 - BAGE 46, 367 <377 ff.>). Dieses Verständnis folgt aus dem Schutzzweck des Mitbestimmungstatbestandes. Dieser besteht darin, durch eine weitreichende und gleichberechtigte Beteiligung der Personalvertretung sicherzustellen, dass die Beeinträchtigungen und Gefahren für den Schutz der Persönlichkeit der Beschäftigten am Arbeitsplatz, welche von der Technisierung der Verhaltens- und Leistungskontrolle ausgehen, auf das erforderliche Maß beschränkt bleiben. Dahinter steht die Überlegung, dass ein Beschäftigter, der befürchten muss, während der Arbeit mithilfe technischer oder elektronischer Kontrolleinrichtungen jederzeit beobachtet oder in anderer Weise kontrolliert zu werden, unter einen Überwachungsdruck geraten kann, der ihn in der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit behindert (BVerwG, Beschluss vom 31. August 1988 - 6 P 35.85 - BVerwGE 80, 143 <145>). Dieser Schutzzweck gebietet eine Beteiligung der Personalvertretung schon dann, wenn die Dienststellenleitung eine technische Einrichtung betreibt, die verhaltens- oder leistungsbezogene Daten der Beschäftigten speichert. Denn schon allein die Speicherung dieser Daten birgt grundsätzlich die Gefahr in sich, dass sie auch ausgewertet werden und damit möglicherweise in die Persönlichkeitssphäre der Beschäftigten eingegriffen wird (BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 1987 - 6 P 32.84 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 53 S. 21).Der Einordnung von der Dienststelle genutzter sozialer Medien als technische Einrichtungen im Sinne des Mitbestimmungstatbestandes steht auch die Gesetzgebungsgeschichte nicht entgegen. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Einführung des § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG durch das Gesetz vom 9. Juni 2021. Aus den Gesetzesmaterialien geht vielmehr hervor, dass der Gesetzgeber gegenüber der bisherigen Regelung des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a. F. keine inhaltlichen Änderungen hat vornehmen wollen (vgl. BT-Drs. 19/26820 S. 126). Damit hat er auch den bisherigen Inhalt der Vorschrift, wie er unter anderem in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts konkretisiert worden ist, beibehalten wollen. Da dem Gesetzgeber bei der Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes auch die für das Personalvertretungsrecht bedeutsame aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Mitbestimmungspflicht bei dem Betrieb von Facebook-Seiten durch Arbeitgeber (BAG, Beschluss vom 13. Dezember 2016 - 1 ABR 7/15 - BAGE 157, 220 Rn. 24 ff.) nicht verschlossen geblieben und damit die rechtliche Problematik bekannt gewesen ist, hätte sich für ihn im Rahmen der Novellierung die Möglichkeit ergeben oder gar aufdrängen müssen, die Nutzung sozialer Medien durch die Dienststellen durch eine gesonderte Regelung entweder durchweg für mitbestimmungspflichtig zu erklären oder diesen Sachverhalt insgesamt von der Mitbestimmungspflicht auszunehmen. Dass er Letzteres mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wie auch des Bundesarbeitsgerichts nicht getan hat, spricht dafür, dass er sich zu einer Einordnung des Betreibens sozialer Medien mit Kommentarfunktion als (zur Überwachung der Beschäftigten geeigneter) technische Einrichtungen im Sinne des Mitbestimmungstatbestands nicht hat verhalten wollen.bb) Die sozialen Medien können im Hinblick auf die Kommentarfunktion auch im Sinne des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a. F. bzw. § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG zur Überwachung ""bestimmt"" sein. Ein abweichender gesetzgeberischer Wille ist - entsprechend den vorgenannten Darlegungen - auch insoweit nicht feststellbar.Bei der Auslegung, ob eine technische Einrichtung im Sinne des Mitbestimmungstatbestandes dazu bestimmt ist, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von einer objektiv-finalen Betrachtungsweise auszugehen. Somit unterliegen diejenigen technischen Einrichtungen der Mitbestimmung des Personalrats, die nach ihrer Konstruktion oder konkreten Verwendungsweise eine Überwachung von Verhalten oder Leistung der Beschäftigten ermöglichen. Der Mitbestimmungstatbestand erstreckt sich daher auch auf solche technischen Einrichtungen, die zur Überwachung lediglich objektiv geeignet sind, ohne dass die Dienststellenleitung bei ihrer Einführung und Anwendung subjektiv die Absicht hat, sie zu diesem Zweck einzusetzen (BVerwG, Beschlüsse vom 23. September 1992 - 6 P 26.90 - BVerwGE 91, 45 <49>, vom 26. September 2006 - 6 PB 10.06 - juris Rn. 4 und vom 14. Juni 2011 - 6 P 10.10 - Buchholz 251.2 § 85 BlnPersVG Nr. 17 Rn. 16). Die objektiv-finale Betrachtungsweise dient generell dazu, aufgrund der objektiven und für die Beschäftigten erkennbaren Gegebenheiten auf die der Anlage und ihren Einsatzbedingungen innewohnende Zweckbestimmung zu schließen. Sie ist keine nur objektive, sondern eine objektiv-finale und dient der Beantwortung der Frage, ob nach den gesamten derzeit feststehenden Umständen einschließlich der speziellen Einsatzbedingungen - losgelöst von den Vorstellungen der Dienststellenleitung aus der Sicht eines objektiven Betrachters - die Anlage zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Beschäftigten ""geeignet"" und daher grundsätzlich hierzu ""bestimmt"" ist (BVerwG, Beschluss vom 23. September 1992 - 6 P 26.90 - BVerwGE 91, 45 <53>). Dabei erfährt der Maßstab der abstrakten Überwachungseignung eine Korrektur anhand der Sichtweise eines vernünftigen Betrachters, der nach den objektiv feststehenden und erkennbaren Bedingungen für den konkreten Einsatz der Anlage Anlass zur Befürchtung einer Überwachung haben muss (BVerwG, Beschluss vom 26. September 2006 - 6 PB 10.06 - juris Rn. 5).Soweit Kommentare gespeichert werden, die Dritte zu Beiträgen verfassen, die die Dienststellenleitung auf von ihr betriebenen Seiten in sozialen Medien eingestellt hat, und die Angaben zum Verhalten oder zur Leistung einzelner Beschäftigter enthalten, ist diese (durch eine technische Einrichtung herbeigeführte) Speicherung zur Überwachung geeignet, weil ihre spätere Auswertung nicht ausgeschlossen ist. Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass die fraglichen Daten von Nutzern sozialer Medien manuell eingegeben werden. In der Rechtsprechung sowohl des Bundesverwaltungsgerichts (Beschlüsse vom 16. Dezember 1987 - 6 P 32.84 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 53 S. 22, vom 9. Dezember 1992 - 6 P 16.91 - BVerwGE 91, 276 <280> und vom 29. August 2001 - 6 P 10.00 - Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 8 S. 16) als auch des Bundesarbeitsgerichts (Beschlüsse vom 14. September 1984 - 1 ABR 23/82 - BAGE 46, 367 <374 f.> und vom 23. April 1985 - 1 ABR 39/81 - juris Rn. 36) ist geklärt, dass es für die Mitbestimmungspflichtigkeit der Maßnahme nicht darauf ankommt, ob die leistungs- und verhaltensbezogenen Daten unmittelbar auf technischem Weg, also durch die Einrichtung selbst, erhoben werden oder ob sie dem System zum Zwecke der Speicherung und Verarbeitung eingegeben werden müssen (mittelbare Datenerfassung). Dieser Rechtsprechung lagen zwar Fallgestaltungen zugrunde, in denen die Beschäftigten im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen oder dienstlichen Verpflichtungen die Daten, etwa durch Ausfüllen von Erhebungsbögen, selbst manuell erfassten und diese Datenerhebung sowie die nachfolgende Datenauswertung durch eine elektronische Datenverarbeitungsanlage innerhalb eines Gesamtvorgangs zielgerichtet aufeinander abgestimmt waren. Bei einer am Schutzzweck des Mitbestimmungstatbestandes ausgerichteten Betrachtungsweise, die auch die Sicht der Beschäftigten zu berücksichtigen hat (BVerwG, Beschlüsse vom 23. September 1992 - 6 P 26.90 - BVerwGE 91, 45 <50> und vom 26. September 2006 - 6 PB 10.06 - juris Rn. 4), bestehen indes zur vorliegenden Fallgestaltung - sofern die eingangs genannten tatsächlichen Voraussetzungen für die Überwachungseignung vorliegen - keine in der Weise rechtlich erheblichen Unterschiede, die einer entsprechenden Einordnung der in Rede stehenden sozialen Medien entgegenstünden:(1) Dies gilt zunächst, soweit hier nicht die Beschäftigten, sondern Dritte die relevanten Daten eingeben, indem sie die fraglichen Kommentare verfassen. Wegen des dargestellten Schutzzwecks des Mitbestimmungstatbestandes (BVerwG, Beschlüsse vom 31. August 1988 - 6 P 35.85 - BVerwGE 80, 143 <145 f.> und vom 23. September 1992 - 6 P 26.90 - BVerwGE 91, 45 <50>) kommt es nicht auf die Urheberschaft, sondern auf den Inhalt und Informationsgehalt der Daten an, nämlich darauf, ob sie über Verhalten und Leistung der Beschäftigten Auskunft geben können.(2) Unerheblich ist auch, dass die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die manuelle Dateneingabe ""jedenfalls"" dann als ausreichend für den Mitbestimmungstatbestand angesehen hat, wenn sie und eine anschließende automatisierte Auswertung einen aufeinander abgestimmten Gesamtvorgang bilden. Dies schließt bereits dem Wortlaut nach nicht aus, dass auch andere Fallkonstellationen der Mitbestimmung unterliegen können. Entscheidend ist insoweit, dass die Speicherung verhaltens- oder leistungsbezogener Daten individualisierter oder individualisierbarer Beschäftigter einen späteren Zugriff auf die Daten ermöglicht. Es kommt also nicht darauf an, ob bei der Speicherung eine Auswertung schon ins Werk gesetzt, geplant oder noch gar nicht absehbar ist. Für das Bestimmtsein reicht es vielmehr aus, dass die Datenspeicherung objektiv zur Überwachung geeignet ist. Soweit demnach eine spätere Auswertung nicht ausgeschlossen erscheint, hängt die objektive Überwachungseignung einer technischen Einrichtung, deren Einsatz in jeder Phase dieses Überwachungsvorgangs (BVerwG, Beschluss vom 31. August 1988 - 6 P 35.85 - BVerwGE 80, 143 <147>) und somit auch nur als ein Teil dieses Vorgangs (BAG, Beschlüsse vom 10. Dezember 2013 - 1 ABR 43/12 - juris Rn. 20 und vom 13. Dezember 2016 - 1 ABR 7/15 - BAGE 157, 220 Rn. 22) mitbestimmungsrelevant ist, nicht davon ab, ob eine Auswertung durch die technische Einrichtung selbst, eine andere technische Einrichtung oder sogar manuell durchgeführt werden könnte.(3) Schließlich steht der Annahme einer objektiven Überwachungseignung sozialer Medien mit Kommentarfunktion nicht von vornherein entgegen, dass nicht die Beschäftigten Angaben im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen oder dienstlichen Verpflichtungen zu machen haben, sondern die Nutzer sozialer Medien mit der Dienststelle außerhalb eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses kommunizieren. Hierbei nutzen sie nämlich ein von der Dienststelle eigens zum Zwecke der Kommunikation zur Verfügung gestelltes Medium, weshalb der Dienststelle die Nutzerkommentare mitbestimmungsrechtlich zuzurechnen sind.cc) Unter Berücksichtigung des dargelegten Schutzzwecks des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a. F. bzw. § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG ergeben sich aber - gerade unter Berücksichtigung des oben genannten tatsächlichen Umstands, dass etwaige Verhaltens- oder Leistungsdaten von Dritten eingegeben werden - für die vorliegende Fallkonstellation des Betriebs von sozialen Medien mit Kommentarfunktion differenzierte Anforderungen an die Ermittlung der Überwachungseignung, welche den jeweiligen tatsächlichen Besonderheiten Rechnung zu tragen haben. In dieser Konstellation hängt die Mitbestimmungspflicht in tatsächlicher Hinsicht davon ab, ob im konkreten Fall bei objektiver Betrachtung eine nach Maßgabe des Schutzzwecks des Mitbestimmungstatbestandes hinreichende Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass durch den Betrieb des jeweiligen sozialen Mediums mit Kommentarfunktion Nutzerkommentare über das Verhalten oder die Leistung von Beschäftigten in einem Umfang zu erwarten sind oder - sofern dies nicht von vornherein der Fall ist - im Verlaufe des Betriebs tatsächlich eingestellt werden, dass durch deren Speicherung und etwaige Auswertung durch die Dienststelle ein Überwachungsdruck für die Beschäftigten erzeugt werden kann.Die vorliegende Fallkonstellation, in der Dritte gegebenenfalls personenbezogene Äußerungen über Beschäftigte einstellen, unterscheidet sich dadurch in tatsächlicher Hinsicht von bisher in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entschiedenen Fällen, in denen die Mitbestimmungspflicht (nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a. F.) bejaht worden ist, dass in jenen Fallkonstellationen verhaltens- oder leistungsbezogene Daten von den Beschäftigten selbst im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen oder dienstlichen Verpflichtungen (tagtäglich) eingegeben, also regelmäßig anfallen und gespeichert werden, was ihre spätere Auswertung ermöglichte. Demgegenüber ist es bei von der Dienststelle selbst verantworteten Auftritten in sozialen Netzwerken ungewiss, ob und in welcher Häufigkeit Dritte überhaupt Kommentare mit verhaltens- oder leistungsbezogenen Angaben zu einzelnen Beschäftigten erstellen werden, weshalb es sowohl an einer entsprechenden Dateneingabe überhaupt oder jedenfalls an einem permanenten Datenanfall und einer Speicherung solcher Daten fehlen kann. Wird eine Kommentarfunktion zur Verfügung gestellt, können Nutzer sozialer Medien zwar derartige Kommentare verfassen. Ob und in welchem Umfang dies tatsächlich erfolgt, steht aber bei der Bereitstellung des sozialen Mediums nicht fest und kann sich im Laufe seiner Anwendung erheblich ändern. Mit dem regelmäßigen Anfall verhaltens- oder leistungsbezogener Daten und ihrer ebenso regelmäßigen Speicherung sind Kommentare Dritter, also außerhalb eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses stehender Personen aber nur dann wertungsmäßig vergleichbar, wenn ihr Anfall aufgrund der speziellen Einsatzbedingungen (BVerwG, Beschluss vom 23. September 1992 - 6 P 26.90 - BVerwGE 91, 45 <53>), also nach Konstruktion oder konkreter Verwendungsweise (BVerwG, Beschlüsse vom 23. September 1992 - 6 P 26.90 - BVerwGE 91, 45 <49> und vom 26. September 2006 - 6 PB 10.06 - juris Rn. 4) der sozialen Medien im Einzelfall in der Weise hinreichend wahrscheinlich ist, dass er bei den Beschäftigten die Befürchtung einer - mit der potenziellen Auswertung der Daten durch die Dienststelle verbundenen - Überwachung begründen kann. Demgegenüber würden, sofern die Strukturierung der Seite bzw. des Kanals objektiv nicht auf eine Mitteilung verhaltens- oder leistungsbezogener Daten angelegt ist, lediglich sporadische Kommentare auch für die Beschäftigten erkennbar von vornherein keine taugliche Grundlage für die Befürchtung einer überwachenden Beurteilung ihres Verhaltens oder ihrer Leistung durch die Dienststellenleitung bieten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. August 2001 - 6 P 10.00 - Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 8). Ist also nicht zu erwarten, dass einschlägige Nutzerkommentare in beachtlichem Umfang eingestellt werden oder zeigt auch die weitere Entwicklung, dass solche Kommentare entweder nicht angebracht werden oder ihre Anbringung eine eher atypische Ausnahmeerscheinung bleibt, ist eine Mitbestimmung nach dem dargelegten Schutzzweck nicht veranlasst. Dabei ist im Hinblick auf das hier geltend gemachte Begehren bei der tatsächlichen Bewertung der Sachlage zu unterscheiden zwischen der zunächst zu prüfenden Mitbestimmungspflicht der jeweiligen Maßnahme zum Zeitpunkt der erstmaligen Inbetriebnahme der Einrichtung ((1)) und der - insbesondere sofern die Mitbestimmungspflicht nicht bereits zu diesem Zeitpunkt einsetzte - noch weiter zu prüfenden Frage, ob in dem Folgezeitraum bis zum Zeitpunkt der Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz tatsächliche Änderungen eingetreten sind, welche die Mitbestimmungspflicht begründeten ((2)).(1) Da das Mitbestimmungsverfahren durchzuführen ist, wenn die Dienststellenleitung die Maßnahme ""beabsichtigt"" (§ 69 Abs. 2 BPersVG a. F./§ 70 Abs. 2 BPersVG), also ihren Willensbildungsprozess mit Blick auf den Gegenstand des Mitbestimmungsrechts abgeschlossen hat (BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 2022 - 5 P 1.22 - PersV 2022, 465 Rn. 17), ist eine prognostische Einschätzung erforderlich, ob zu diesem Zeitpunkt unter Würdigung aller relevanten Einzelfallumstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass einschlägige Nutzerkommentare in beachtlichem Umfang eingestellt und daher potenziell von der Dienststellenleitung zur Kenntnis genommen und verwertet werden können. Diese Prognose ist insbesondere von der objektiven Bewertung der Konzeption des von der Dienststellenleitung verantworteten Auftritts der Dienststelle in den sozialen Medien, also dem jeweiligen Erscheinungsbild abhängig. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Verfassens verhaltens- oder leistungsbezogener Kommentare zu einzelnen Beschäftigten durch Dritte wird in der Regel beispielsweise dann anzunehmen sein, wenn die Dienststelle selbst im Rahmen der Personalgewinnung über konkrete Beschäftigte und deren Tätigkeitsfeld berichtet, hierdurch den Blick des Publikums auf das dienstliche Verhalten und die Leistung von Beschäftigten lenkt und deshalb auch hierauf bezogene Nutzerkommentare erwartet werden können. Demgegenüber wird von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für die Anbringung entsprechender Kommentare regelmäßig nicht auszugehen sein, wenn Auftritte der Dienststelle in sozialen Medien sachbezogen in allgemeiner Form lediglich über Aufgaben der Dienststelle oder etwa ohne Bezüge zu bestimmten Beschäftigten in Form von Pressemitteilungen über die Tätigkeit der Dienststelle informieren.(2) Zur Klärung der Frage, ob ein konkreter Auftritt der Dienststelle in sozialen Medien im Laufe der Zeit - insbesondere, wenn er auf der Grundlage der anfänglichen Sachverhaltswürdigung im soeben beschriebenen Sinne zu Beginn nicht der Mitbestimmung unterlag - mitbestimmungspflichtig geworden ist, ist zu prüfen, ob im Folgezeitraum (im Falle gerichtlicher Prüfung bis zur Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz) tatsächliche Änderungen eingetreten sind, welche die Mitbestimmungspflicht begründen. Dabei ist nicht nur eine Änderung der Konzeption zu berücksichtigen, sondern auch das tatsächliche Verhalten der Nutzer in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Kommt es insbesondere erst im Verlaufe des Betriebs zu einer nennenswerten Zahl verhaltens- oder leistungsbezogener Nutzerkommentare, kann die Überwachungseignung eine gegenüber der ursprünglichen Prognose andere Relevanz erhalten und zu bejahen sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Betrachters das Entstehen eines Überwachungsdrucks deshalb nicht anzunehmen ist, weil die Dienststellenleitung derartige Kommentare ohne vorherige Auswertung schnellstmöglich löscht. Dies ist von Bedeutung, weil die Speicherung verhaltens- oder leistungsbezogener Daten im Hinblick auf die Gefahr ihrer späteren Auswertung mitbestimmungsrelevant ist. Deshalb ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, ob und wie die Dienststellenleitung auf derartige Kommentare reagiert. Lässt sie den Dingen freien Lauf und unternimmt nichts, tritt sie der aus Sicht der Beschäftigten objektiv berechtigten Befürchtung nicht entgegen, die Kommentare möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt auszuwerten. Obgleich der Mitbestimmungstatbestand ausschließlich die Überwachung durch die Dienststellenleitung betrifft, verstärkt die Öffentlichkeit der Nutzerkommentare diesen Eindruck, weil sie die Befürchtung nährt, die Dienststellenleitung könnte sich durch eine öffentliche Diskussion von Verhalten oder Leistung einzelner Beschäftigter zu einer Auswertung der Nutzerkommentare veranlasst sehen. Aus der maßgeblichen Sicht eines vernünftigen Beobachters ist jedoch die hinreichende Gefahr einer späteren Auswertung nicht begründet, wenn diese nach den objektiv feststehenden und erkennbaren Bedingungen für den Einsatz der technischen Anlage nicht stattfindet und aus der Sicht eines ""objektiven Betrachters"" auch keine Veranlassung zu einer solchen Befürchtung besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. September 1992 - 6 P 26.90 - BVerwGE 91, 45 <53>). Als nicht ausreichend wird es dabei regelmäßig anzusehen sein, wenn die Dienststellenleitung dritte Stellen, namentlich die Betreiber sozialer Medien, erst um Löschung ersuchen muss (vgl. LAG Hamburg, Beschluss vom 13. September 2018 - 2 TaBV 5/18 - BB 2020, 699) und deshalb eine tatsächliche und zeitnahe Löschung ungewiss bleibt. Ob und in welcher Weise eine Dienststellenleitung im Hinblick auf die Öffentlichkeit der Kommentare sowie allgemein auf die Datenverarbeitung in sozialen Medien (vgl. hierzu Spitzlei, PersV 2022, 334 <338 f.>) aus anderen Gründen (insbesondere der Fürsorgepflicht) zum Schutz Beschäftigter gehalten sein könnte, auf entsprechende Nutzerkommentare zu reagieren (vgl. BAG, Beschluss vom 14. September 1984 - 1 ABR 23/82 - BAGE 46, 367 <379>), ist dagegen keine Frage des Personalvertretungsrechts. Unter welchen Voraussetzungen von einem im vorbenannten Sinne mitbestimmungsrechtlich beachtlichen Umfang entsprechender Nutzerkommentare oder ausreichenden Löschungsbemühungen der Dienststellenleitung auszugehen ist, entzieht sich einer verallgemeinernden Festlegung. Dies ist im gerichtlichen Verfahren eine der tatrichterlichen Sachverhaltsfeststellung und -würdigung vorbehaltene Fallfrage.2. Das Oberverwaltungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder Feststellungen zur Konzeption der fraglichen Auftritte in den sozialen Medien noch zum tatsächlichen Aufkommen von Kommentaren, die Angaben zu Verhalten oder Leistung individualisierter oder individualisierbarer Beschäftigter enthalten, oder zu etwaigen Löschungsbemühungen des Beteiligten getroffen. Damit fehlt es an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen für eine abschließende Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, ob die Voraussetzungen für ein Eingreifen des Mitbestimmungstatbestands vorliegen. Das gilt sowohl für die Entscheidung, ob die Mitbestimmungspflicht bereits gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a. F. eingriff, als der Beteiligte beschloss, die jeweilige technische Einrichtung erstmals zu betreiben und dies umsetzte, als auch - insbesondere sofern die Mitbestimmungspflicht nicht bereits zu diesem Zeitpunkt eingriff und fortbestand - für die Entscheidung, ob in dem Folgezeitraum bis zum Entscheidungszeitpunkt der letzten Tatsacheninstanz tatsächliche Änderungen eingetreten sind, welche die Mitbestimmungspflicht (in der Zeit bis 14. Juni 2021) nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a. F. und (für die Zeit ab dem 15. Juni 2021) nach § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG begründet haben. Die Sache ist daher zur Nachholung der entsprechenden tatsächlichen Feststellungen und ihrer tatrichterlichen Würdigung sowie zu einer dies berücksichtigenden erneuten Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen." bverwg_2023-38,16.05.2023,"Pressemitteilung Nr. 38/2023 vom 16.05.2023 EN Schließung von Einrichtungen des Freizeitsports mit zugelassener Ausnahme durch die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 30. Oktober 2020 war rechtmäßig, die weitergehende Schließung von Fitnessstudios rechtswidrig Die durch eine Ausnahme abgemilderte Schließung von Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs durch die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 30. Oktober 2020 hatte im Infektionsschutzgesetz eine verfassungsgemäße Grundlage und war verhältnismäßig. Die Schließung von Fitnessstudios ohne diese Ausnahme war unvereinbar mit dem Gleichheitssatz. Die Schließung von Gastronomiebetrieben und das Verbot von Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke waren nicht zu beanstanden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Antragstellerin betreibt ein Sport- und Freizeitcenter, zu dem u. a. ein Restaurant, ein Hotel, ein Fitness- und ein Ballsportbereich gehören. Ihr Normenkontrollantrag, mit dem sie die Feststellung begehrt hat, dass § 4 Abs. 1 Nr. 4, 6, 16 und 18 SächsCoronaSchVO* unwirksam waren, blieb vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts geändert und die Schließung von Fitnessstudios in Nr. 4 der Vorschrift für unwirksam erklärt. Im Übrigen hatte die Revision der Antragstellerin keinen Erfolg. Die infektionsschutzrechtliche Generalklausel war bei Erlass der Verordnung und auch während ihrer zweiwöchigen Geltungsdauer eine verfassungsgemäße Grundlage für die angegriffenen Maßnahmen (vgl. PM Nr. 37/2023). Die Verbote waren ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zur pandemischen Lage, insbesondere zu deren dynamischer Entwicklung im Oktober/November 2020, verhältnismäßig und damit notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Das hat das Oberverwaltungsgericht ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen. Dass Individualsport allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand in Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs, nicht aber in Fitnessstudios zulässig blieb, war unvereinbar mit dem Gleichheitssatz. Einen tragfähigen Grund, der die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt; er ist auch weder vom Antragsgegner vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Fußnote: Auszug aus der SächsCoronaSchVO vom 30. Oktober 2020 § 4 Schließung von Einrichtungen und Angeboten (1) Verboten sind die Öffnung und das Betreiben mit Ausnahme zulässiger Onlineangebote von: … 4. Fitnessstudios und ähnlichen Einrichtungen, soweit sie nicht medizinisch notwendiger Behandlungen dienen, … 6. Anlagen und Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs mit Ausnahme des Individualsports allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand und des Schulsports. Dies gilt nicht für das für Individualsportarten organisierte Training sowie deren Sportwettkämpfe ohne Publikum sowie für Sportlerinnen und Sportler, a) für die ein Arbeitsvertrag besteht, der sie zu einer sportlichen Leistung gegen ein Entgelt verpflichtet und dieses überwiegend zur Sicherung des Lebensunterhalts dient, oder b) die dem Bundeskader (Olympiakader, Perspektivkader, Nachwuchskader 1) und Nachwuchskader 2 des Deutschen Olympischen Sportbundes oder dem Spitzenkader des Deutschen Behindertensportverbandes angehören oder die Kader in einem Nachwuchsleistungszentrum im Freistaat Sachsen; … 16. Busreisen und Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke sowie Schulfahrten, … 18. Gastronomiebetrieben sowie Bars, Kneipen und ähnlichen Einrichtungen. Ausgenommen ist die Lieferung und Abholung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken sowie der Betrieb von Kantinen und Mensen, … Auszug aus dem Infektionsschutzgesetz a.F. § 28 Schutzmaßnahmen (1) Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige … festgestellt ..., so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, … soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. … § 32 Erlass von Rechtsverordnungen Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. … BVerwG 3 CN 6.22 - Urteil vom 16. Mai 2023 Vorinstanz: OVG Bautzen, OVG 3 C 54/20 - Urteil vom 30. Juni 2022 -","Urteil vom 16.05.2023 - BVerwG 3 CN 6.22ECLI:DE:BVerwG:2023:160523U3CN6.22.0 EN Schließung u. a. von Fitnessstudios und Sporteinrichtungen anlässlich der Corona-Pandemie Leitsätze: 1. § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG i. d. F. vom 27. März 2020 war eine verfassungsgemäße Grundlage für die Schließung von Fitnessstudios, Sporteinrichtungen und Gastronomiebetrieben und das Verbot von Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke durch § 4 Abs. 1 Nr. 4, 6, 16 und 18 der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 30. Oktober 2020. 2. Die Schließung von Fitnessstudios durch § 4 Abs. 1 Nr. 4 SächsCoronaSchVO ohne die für Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs in § 4 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 SächsCoronaSchVO vorgesehene Ausnahme für den Individualsport war mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar. Rechtsquellen GG Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 und 4 Satz 1 IfSG i. d. F. des Gesetzes vom 27. März 2020 § 28 Abs. 1, § 32 Satz 1 IfSG i. d. F. des Gesetzes vom 22. April 2021 § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 SächsCoronaSchVO vom 30. Oktober 2020 § 4 Abs. 1 Nr. 4, 6, 16, 18, § 12 Abs. 1 SächsCoronaSchVO vom 10. November 2020 § 11 Abs. 1 Satz 2 Instanzenzug OVG Bautzen - 30.06.2022 - AZ: 3 C 54/20 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 16.05.2023 - 3 CN 6.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:160523U3CN6.22.0] Urteil BVerwG 3 CN 6.22 OVG Bautzen - 30.06.2022 - AZ: 3 C 54/20 In der Normenkontrollsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Sinner und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hellmann am 16. Mai 2023 für Recht erkannt: Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2022 wird geändert. Es wird festgestellt, dass § 4 Abs. 1 Nr. 4 der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 30. Oktober 2020 (SächsGVBl. S. 557) unwirksam war. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt drei Viertel, der Antragsgegner ein Viertel der Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit des Verbots der Öffnung von Fitnessstudios, Anlagen des Freizeit- und Amateursportbetriebs, Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke sowie Gastronomiebetrieben und Bars durch § 4 Abs. 1 Nr. 4, 6, 16 und 18 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 (Sächsische Corona-Schutz-Verordnung - SächsCoronaSchVO) vom 30. Oktober 2020 (SächsGVBl. S. 557). 2 Die Verordnung war gestützt auf § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000, § 28 i. d. F. des Gesetzes vom 27. März 2020. Sie galt vom 2. bis einschließlich 12. November 2020 (§ 11 Abs. 1 SächsCoronaSchVO vom 30. Oktober 2020 i. V. m. § 11 Abs. 1 Satz 2 SächsCoronaSchVO vom 10. November 2020, SächsGVBl. S. 574). Die angegriffenen Vorschriften lauteten wie folgt: § 4 Schließung von Einrichtungen und Angeboten (1) Verboten sind die Öffnung und das Betreiben mit Ausnahme zulässiger Onlineangebote von: 1. - 3. [...] 4. Fitnessstudios und ähnlichen Einrichtungen, soweit sie nicht medizinisch notwendiger Behandlungen dienen, 5. [...] 6. Anlagen und Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs mit Ausnahme des Individualsports allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand und des Schulsports. Dies gilt nicht für das für Individualsportarten organisierte Training sowie deren Sportwettkämpfe ohne Publikum sowie für Sportlerinnen und Sportler, a) für die ein Arbeitsvertrag besteht, der sie zu einer sportlichen Leistung gegen ein Entgelt verpflichtet und dieses überwiegend zur Sicherung des Lebensunterhalts dient, oder b) die dem Bundeskader (Olympiakader, Perspektivkader, Nachwuchskader 1) und Nachwuchskader 2 des Deutschen Olympischen Sportbundes oder dem Spitzenkader des Deutschen Behindertensportverbandes angehören oder die Kader in einem Nachwuchsleistungszentrum im Freistaat Sachsen, 7. - 15. [...] 16. Busreisen und Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke sowie Schulfahrten, 17. [...] 18. Gastronomiebetrieben sowie Bars, Kneipen und ähnlichen Einrichtungen. Ausgenommen ist die Lieferung und Abholung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken sowie der Betrieb von Kantinen und Mensen, [...] 3 Die Antragstellerin betreibt in Chemnitz ein ""Gesundheits-, Sport- und Freizeitcenter"". Sie hat am 3. November 2020 einen Normenkontrollantrag anhängig gemacht, zu dessen Begründung sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre Berufsausübungsfreiheit sowie einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz geltend gemacht hat. 4 Mit Urteil vom 30. Juni 2022 hat das Oberverwaltungsgericht den Normenkontrollantrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Der Antrag sei zulässig. Dem stehe nicht entgegen, dass die angegriffene Verordnung außer Kraft getreten sei, denn die Antragstellerin könne sich auf ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen der kurzen Geltungsdauer der Regelungen sowie wegen eines gewichtigen Eingriffs in ihr Grundrecht auf Berufsausübung und einer möglichen Verletzung des Gleichbehandlungsgebots berufen. Der Normenkontrollantrag sei aber unbegründet. Ermächtigungsgrundlage für die angegriffenen Normen sei § 32 i. V. m. § 28 IfSG in der Fassung vom 27. März 2020. Diese Vorschriften hätten bei Erlass der Verordnung dem Vorbehalt des Gesetzes sowie den Bestimmtheitserfordernissen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprochen. In Anbetracht der teilweise unvorhersehbaren Entwicklungen bzw. dynamischen Änderung der Sachlage sei der Rückgriff auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG auch in dem streitgegenständlichen Zeitraum bis Mitte November 2020 gerechtfertigt gewesen. Es lasse sich nicht feststellen, dass sich für die in Betracht kommenden Maßnahmen bereits typisierende Standards entwickelt hätten. Die Voraussetzungen von § 28 IfSG seien bei Erlass und während der Geltung der angegriffenen Verordnungsregelungen erfüllt gewesen. Die Betriebsuntersagungen hätten nicht unverhältnismäßig in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin eingegriffen. Das von ihr betriebene Center habe nicht nur Ansammlungen von Menschen hervorgerufen, sondern zusätzliche Kontaktmöglichkeiten auf dem Weg zu und von der Einrichtung geschaffen, denen mit Hygienekonzepten und Antigentests nicht hätte begegnet werden können. Die angeordneten Schließungen seien geeignet, erforderlich und angemessen gewesen in Bezug auf das Ziel, Kontakte zwischen Menschen zu reduzieren, um weitere Infektionen mit dem hochansteckenden Virus einzudämmen und damit die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwer- und schwerstkranker Menschen sicherzustellen. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin dargelegten finanziellen Auswirkungen. Die Begrenzung des Betriebsverbots auf einen Zeitraum von - ursprünglich - vier Wochen lasse den Eingriff bereits in einem milderen Licht erscheinen. Der Eingriff sei ferner durch staatliche Hilfeleistungen abgemildert worden. Auch ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot liege nicht vor. Die von § 4 SächsCoronaSchVO erfassten Einrichtungen hätten nicht der Versorgung der Bevölkerung mit Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs oder der notwendigen Versorgung gedient, sondern ließen sich insgesamt der Freizeitgestaltung zuordnen. Das Regelungskonzept des Verordnungsgebers sei insgesamt schlüssig gewesen und rechtfertige die Ungleichbehandlung von geschlossenen und weiterhin geöffneten Betrieben und Einrichtungen. Es liege auch keine Ungleichbehandlung von Fitnessstudios gegenüber Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs vor, soweit in letzteren Individualsport allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand oder im Rahmen des Schulsports möglich gewesen sei. Dieser Sport habe nicht in einer gewerblichen Einrichtung und nur innerhalb eines von vornherein konkret bestimmten Personenkreises stattgefunden. Auch gegenüber der weiteren Ausnahme, wonach ein organisiertes Training für Individualsportarten sowie die Durchführung von Sportwettkämpfen in Individualsportarten ohne Publikum möglich geblieben sei, liege kein wesensgleicher Sachverhalt vor. Training meine ein planmäßiges Üben zur Leistungssteigerung. Athleten, die ein solches Training in Anspruch nähmen, hätten durch eine Trainingspause von einem Monat in ihrer Leistungsentwicklung erheblich zurückgeworfen werden können. Der Verordnungsgeber habe in Rechnung stellen dürfen, dass breite gesellschaftliche Schichten sportlichen Wettkämpfen sowie einer erfolgreichen Wettkampfbeteiligung auch von Amateurathleten besondere Bedeutung beimäßen. 5 Die Antragstellerin trägt zur Begründung der vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision vor: § 28 Abs. 1 i. V. m. § 32 IfSG sei keine geeignete Ermächtigungsgrundlage für die angegriffenen Verordnungsregelungen gewesen. Das belege die Einfügung des § 28a IfSG im November 2020, mit dem der Gesetzgeber Handlungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen bei der Bekämpfung von SARS-CoV-2 präzisiert habe. Er hätte jedoch früher - bis zur Sommerpause oder jedenfalls unmittelbar danach - handeln müssen, worauf eine Vielzahl von Gerichten hingewiesen habe. Die Gefahrenprognose des Verordnungsgebers sei nicht sachgerecht gewesen. Das Verbot der Ausübung ihres Gewerbebetriebs sei nicht mehr erforderlich gewesen, weil ihr mildere Beschränkungen hätten auferlegt werden können, die gleichermaßen zur Verhinderung von Neuinfektionen geeignet gewesen wären. Die Angemessenheitsprüfung dürfe sich nicht in einer abstrakten Rechtsgüterabwägung erschöpfen, dass die Berufsfreiheit hinter Leben und Gesundheit als höchsten Verfassungsgütern zurücktreten müsse. Das gelte auch hinsichtlich der Ungleichbehandlung gegenüber anderen in diesem Zeitraum geöffneten Gewerbebetrieben. Das Oberverwaltungsgericht habe keine Belege für seine Sachkunde bei der Annahme angeführt, dass der Betrieb ihrer Einrichtungen und Anlagen zusätzliche Kontaktmöglichkeiten auf dem Weg zu und von den Einrichtungen geschaffen habe. Der wesentliche Unterschied zwischen der Offenhaltung z. B. eines Möbelhauses im Verhältnis zur Schließung eines Hotels erschließe sich nicht. Freizeitsportler könnten bis heute nicht verstehen, warum sie nicht hätten trainieren dürfen. 6 Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2023 hat die Antragstellerin gerügt, das Oberverwaltungsgericht habe die gebotene Amtsermittlung hinsichtlich der durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachten Gefahrenlage unterlassen, und beantragt, ein Sachverständigengutachten zu ihrer Behauptung einzuholen, Einrichtungen wie die von ihr betriebenen seien nicht ""Treiber"" der Pandemie gewesen, und es habe Möglichkeiten/Maßnahmen gegeben, das Infektionsrisiko innerhalb dieser Einrichtungen so weit zu reduzieren, dass eine Schließung nicht veranlasst gewesen sei. Zudem habe das Oberverwaltungsgericht ihr Akteneinsichtsgesuch vom 11. Dezember 2020 nicht beschieden. 7 Der Antragsgegner verteidigt das angegriffene Urteil. II 8 Die zulässige Revision ist überwiegend unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat den zulässigen (1.) Normenkontrollantrag, soweit er gegen die Schließung von Anlagen und Einrichtungen des Amateur- und Freizeitsports (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 SächsCoronaSchVO), von Gastronomiebetrieben und Bars (§ 4 Abs. 1 Nr. 18 SächsCoronaSchVO) und das Verbot von Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke (§ 4 Abs. 1 Nr. 16 SächsCoronaSchVO) gerichtet war, ohne Bundesrechtsverstoß abgewiesen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die angegriffenen Regelungen - auch die Schließung von Fitnessstudios durch § 4 Abs. 1 Nr. 4 SächsCoronaSchVO - konnten auf die infektionsschutzrechtliche Generalklausel gestützt werden (2.). Die Generalklausel war in dieser Auslegung verfassungsgemäß (3.). Die Regelungen der Verordnung waren auf der Grundlage der im Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen verhältnismäßig (4.). Die Schließung von Fitnessstudios ohne die für Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs in § 4 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 SächsCoronaSchVO vorgesehene Ausnahme für den Individualsport war aber unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG; insoweit ist die Revision begründet (5. a und b). Im Übrigen waren die angegriffenen Regelungen mit dem Gleichheitssatz vereinbar (5. c). 9 1. Der gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthafte Normenkontrollantrag ist zulässig. Dass die angegriffenen Rechtsvorschriften außer Kraft getreten sind, hat ihn nicht unzulässig werden lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 8 ff. m. w. N.). 10 a) Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Zwar geht § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO vom Regelfall der noch geltenden Rechtsvorschrift aus (vgl. auch § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Ist die angegriffene Norm während der Anhängigkeit des Normenkontrollantrags außer Kraft getreten, bleibt er aber zulässig, wenn der Antragsteller weiterhin geltend machen kann, durch die zur Prüfung gestellte Norm oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt (worden) zu sein. Darüber hinaus muss er ein berechtigtes Interesse an der Feststellung haben, dass die Rechtsvorschrift unwirksam war (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 9 m. w. N.). 11 b) Diese Voraussetzungen liegen vor. 12 aa) Die Antragstellerin hat den Normenkontrollantrag während der Geltungsdauer der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung anhängig gemacht. Nach deren Außerkrafttreten mit Ablauf des 12. November 2020 kann sie weiterhin geltend machen, durch die angegriffenen Vorschriften jedenfalls in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG) verletzt worden zu sein. Die Berufsfreiheit ist ihrem Wesen nach auf die Antragstellerin als inländische juristische Person des Privatrechts in der Form der GmbH anwendbar (Art. 19 Abs. 3 GG, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. März 2022 - 1 BvR 1295/21 - juris Rn. 2, 17). Nach dem Vortrag der Antragstellerin erscheint es möglich, dass sie durch sämtliche angegriffene Regelungen in ihrer Berufsausübungsfreiheit verletzt worden ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts umfasste ihr Betrieb u. a. einen Fitness- und einen Ballsportbereich. Dass für den Fitnessbereich § 4 Abs. 1 Nr. 4 SächsCoronaSchVO und für den Ballsportbereich § 4 Abs. 1 Nr. 6 SächsCoronaSchVO galt, sie also von beiden Vorschriften betroffen war, hat das Oberverwaltungsgericht nicht in Frage gestellt. Da ihr Betrieb zudem ein Hotel und ein Restaurant umfasste, war sie auch von § 4 Abs. 1 Nr. 16 und 18 SächsCoronaSchVO betroffen. Außerdem erscheint nach ihrem Vortrag eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG) möglich, weil Fitnessstudios ohne die für Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs in § 4 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 SächsCoronaSchVO vorgesehene Ausnahme für den Individualsport allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand geschlossen waren. 13 bb) Die Antragstellerin hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, dass die Verordnungsregelungen unwirksam gewesen sind. 14 Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Die Gerichte sind verpflichtet, bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten und den Zugang zu den eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes ist es grundsätzlich vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen und bei Erledigung des Verfahrensgegenstandes einen Fortfall des Rechtsschutzinteresses anzunehmen. Trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels kann ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung aber fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage in besonderer Weise schutzwürdig ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht trotz Erledigung unter anderem dann fort, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <85 f.> m. w. N.; Kammerbeschlüsse vom 11. April 2018 - 2 BvR 2601/17 - juris Rn. 32 ff. und vom 26. Januar 2021 - 2 BvR 676/20 - juris Rn. 30 f.; BVerwG, Urteile vom 12. November 2020 - 2 C 5.19 - BVerwGE 170, 319 Rn. 15 und vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 13 m. w. N.). 15 Danach ist ein schützenswertes Interesse der Antragstellerin an der nachträglichen gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verordnungsregelungen anzuerkennen. Die zur Prüfung gestellten Normen hatten eine kurze Geltungsdauer. Die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 30. Oktober 2020 ist am 2. November 2020 in Kraft und mit Ablauf des 12. November 2020 außer Kraft getreten. 16 Die Antragstellerin macht Beeinträchtigungen ihrer Rechte geltend, die ein Gewicht haben, das die nachträgliche Klärung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Regelungen rechtfertigt. Auch wenn das Gewicht des Eingriffs in die Berufsfreiheit durch staatliche Hilfsprogramme gemindert wurde, kann eine finanzielle Kompensation für sich genommen dem Bedeutungsgehalt dieses Grundrechts nicht gerecht werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. März 2022 - 1 BvR 1295/21 - NJW 2022, 1672 Rn. 28) und die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Vorschriften nicht erübrigen. Das Feststellungsinteresse wegen eines gewichtigen Grundrechtseingriffs und das Feststellungsinteresse wegen einer präjudiziellen Wirkung für eine beabsichtigte Schadensersatz- oder Entschädigungsklage stehen unabhängig nebeneinander (so auch BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2023 - 3 CN 4.22 - Rn. 18). 17 2. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die angegriffenen Regelungen auf § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), § 28 i. d. F. des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) – im Folgenden: IfSG - gestützt werden konnten. 18 a) § 32 Satz 1 IfSG ermächtigt die Landesregierungen, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen (u. a.) nach § 28 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Nach § 32 Satz 2 IfSG können die Landesregierungen die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Hiervon hat die Staatsregierung des Freistaates Sachsen in § 7 Abs. 1 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung und des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zur Regelung der Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz und für die Kostenerstattung für Impfungen und andere Maßnahmen der Prophylaxe (Infektionsschutzgesetz-Zuständigkeitsverordnung - IfSGZuVO) vom 9. Januar 2019 (SächsGVBl. S. 83) i. d. F. der Änderungsverordnung vom 13. März 2020 (SächsGVBl. S. 82) Gebrauch gemacht und die Zuständigkeit für den Verordnungserlass dem Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt übertragen. 19 b) Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG kann die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen von Satz 1 Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. Die Grundrechte der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) werden insoweit eingeschränkt (§ 28 Abs. 1 Satz 4, § 32 Satz 3 IfSG). 20 c) Die Voraussetzungen, unter denen nach diesen Vorschriften Verbote zur Bekämpfung einer übertragbaren Krankheit erlassen werden können, lagen vor. Bei Erlass der Verordnung waren unstreitig - auch in Sachsen - Kranke festgestellt worden (UA Rn. 30 ). Regelungen zur Beschränkung von Kontakten und zur Schließung von Einrichtungen und Betrieben, die - wie hier - unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht im betroffenen Betrieb zur Verhinderung der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit angeordnet werden, können notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 21 ff.). Notwendige Schutzmaßnahmen in diesem Sinne müssen an dem Ziel ausgerichtet sein, die Verbreitung der Krankheit zu verhindern, und sie müssen verhältnismäßig sein, das heißt geeignet und erforderlich, den Zweck zu erreichen, sowie verhältnismäßig im engeren Sinne (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 2.21 - NVwZ 2023, 1011 Rn. 12). 21 3. § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG war in dieser Auslegung bei Erlass der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 30. Oktober 2020 und auch während ihrer Geltungsdauer vom 2. bis 12. November 2020 eine verfassungsgemäße Grundlage für die Schließung von Gastronomiebetrieben und Bars durch § 4 Abs. 1 Nr. 18 SächsCoronaSchVO. Die Generalklausel genügte in der maßgeblichen Zeit (c) sowohl den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) (a) als auch denen des Parlamentsvorbehalts als einer Ausformung des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips (b). Entschädigungs- und Ausgleichszahlungen an die von Schließungen betroffenen Inhaber von Gastronomiebetrieben musste das Infektionsschutzgesetz nicht regeln (d). 22 a) Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG können durch Gesetz (u. a.) die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Nach Satz 2 müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. 23 Das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG soll gewährleisten, dass der parlamentarische Gesetzgeber durch die Ermächtigung selbst entscheidet, welche Fragen durch die Rechtsverordnung geregelt werden können oder sollen. Dazu muss er die Grenzen der Ermächtigung festlegen und angeben, welchem Ziel sie dienen soll. Er muss der ermächtigten Stelle darüber hinaus ein ""Programm"" an die Hand geben, das mit der Ermächtigung verwirklicht werden soll. Bereits aufgrund der Ermächtigung soll vorhersehbar sein, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt allerdings nicht, dass die Ermächtigung in ihrem Wortlaut so genau wie nur irgend möglich gefasst ist. Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung müssen auch nicht ausdrücklich im Gesetzestext bestimmt sein; sie müssen jedoch durch Auslegung des ermächtigenden Gesetzes zu ermitteln sein. Das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit gesetzlicher Ermächtigungen verwehrt es dem Gesetzgeber daher nicht, in der Ermächtigungsnorm Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden. Es genügt, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 19. September 2018 - 2 BvF 1/15 u. a. - BVerfGE 150, 1 Rn. 201 ff.; Kammerbeschluss vom 28. April 2009 - 1 BvR 224/07 - BVerfGK 15, 377 = juris Rn. 14, jeweils m. w. N.). 24 Der Grad der im konkreten Fall erforderlichen Bestimmtheit hängt zum einen von den Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes ab, insbesondere davon, in welchem Umfang er einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist. Bei vielgestaltigen, komplexen Lebenssachverhalten oder absehbaren Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse sind geringere Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen als bei einfach gelagerten und klar vorhersehbaren Lebenssachverhalten (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 19. September 2018 - 2 BvF 1/15 u. a. - BVerfGE 150, 1 Rn. 204 m. w. N.). Maßgebend ist zudem, wie intensiv die Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen sind. Insoweit berühren sich das Bestimmtheitsgebot und der Verfassungsgrundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, der fordert, dass der Gesetzgeber die entscheidenden Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs, die den Freiheits- und Gleichheitsbereich wesentlich betreffen, selbst festlegt. Greift die Regelung erheblich in die Rechtsstellung des Betroffenen ein, müssen höhere Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung gestellt werden, als wenn es sich um einen Regelungsbereich handelt, der die Grundrechtsausübung weniger tangiert (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18. Juli 2005 - 2 BvF 2/01 - BVerfGE 113, 167 = juris Rn. 276 und vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - BVerfGE 161, 299 Rn. 126, jeweils m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 36 f.). 25 Bei einem neuartigen Virus wie dem Coronavirus SARS-CoV-2 ist der Grad der erforderlichen Bestimmtheit einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung auch vom erreichten Stand der Kodifikationsreife abhängig (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 41 f.). 26 b) Das Demokratie- (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebieten, dass der parlamentarische Gesetzgeber in allen grundlegenden Bereichen die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft und nicht anderen Normgebern oder der Exekutive überlässt. Darunter fällt insbesondere die Regelung der Fragen, die wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte sind (stRspr, vgl. u. a. BVerfG, Urteile vom 19. September 2018 - 2 BvF 1/15 u. a. - BVerfGE 150, 1 Rn. 190 ff. und vom 22. Februar 2023 - 2 BvE 3/19 - NJW 2023, 831 Rn. 182 f., jeweils m. w. N.). Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Entscheidungen von besonderer Tragweite aus einem Verfahren hervorgehen, das sich durch Transparenz auszeichnet, die Beteiligung der parlamentarischen Opposition gewährleistet und auch den Betroffenen und der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten (vgl. u. a. BVerfG, Urteile vom 19. September 2018 - 2 BvF 1/15 u. a. - BVerfGE 150, 1 Rn. 192 und vom 22. Februar 2023 - 2 BvE 3/19 - NJW 2023, 831 Rn. 182, jeweils m. w. N.). 27 Aus der Einstufung eines Regelungsgegenstandes als ""wesentlich"" ergeben sich auch Anforderungen an die Bestimmtheit der gesetzlichen Regelung. Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können. Des Weiteren sollen die betroffenen Grundrechtsträger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen können (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 19. September 2018 - 2 BvF 1/15 u. a. - BVerfGE 150, 1 Rn. 196 m. w. N.). Für eine Delegation an den Verordnungsgeber sind die damit verbundenen Bestimmtheitsanforderungen in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich normiert. Aus dem Parlamentsvorbehalt ergeben sich keine weitergehenden Anforderungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. September 2018 - 2 BvF 1/15 u. a. - a. a. O. Rn. 190, 198 ff. m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 46). 28 c) Ob und unter welchen Voraussetzungen die landesweite Schließung von Gastronomiebetrieben zur Bekämpfung einer übertragbaren Krankheit wie COVID-19 angeordnet werden kann, ist eine wesentliche Frage im vorgenannten Sinne, die der parlamentarische Gesetzgeber selbst regeln muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 41 und 46). 29 Das hat er durch die infektionsschutzrechtliche Generalklausel in § 32 Satz 1 i. V. m § 28 Abs. 1 IfSG in einer Weise getan, die auch beim Erlass der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 30. Oktober 2020 und während der Geltungsdauer von § 4 Abs. 1 Nr. 18 SächsCoronaSchVO vom 2. bis zum Ablauf des 12. November 2020 den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) und des Parlamentsvorbehalts entsprach (ebenso zu vergleichbarem Landesverordnungsrecht: VerfGH Thüringen, Vorlagebeschluss vom 19. Mai 2021 - 110/20 - juris Rn. 52 ff. für den dort entscheidungserheblichen Zeitraum bis zum 31. Oktober 2020; OVG Bremen, Urteil vom 23. März 2022 - 1 D 349/20 - juris Rn. 39 ff. für die Zeit bis Mitte November 2020; OVG Bautzen, Urteil vom 30. Juni 2022 - 3 C 54/20 - juris Rn. 27 f. für die Zeit bis Mitte November 2020; OVG Lüneburg, Urteil vom 25. November 2021 - 13 KN 389/20 - juris Rn. 37 für die Zeit bis zum 1. November 2020; a. A. LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. März 2021 - LVG 25/20 - juris Rn. 65; VGH Mannheim, Urteil vom 2. Juni 2022 - 1 S 1067/20 - juris Rn. 106, 138: Übergangszeitraum im Herbst 2020 abgelaufen). 30 aa) Im Infektionsschutzrecht ist eine Generalklausel wie die des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sachgerecht. Sie trägt den Besonderheiten dieses Regelungsbereichs Rechnung. Der Gesetzgeber kann nicht vorhersehen, welche übertragbaren Krankheiten neu auftreten und welche Schutzmaßnahmen zu ihrer Bekämpfung erforderlich sein werden. Die Generalklausel gewährleistet, dass die zuständigen Behörden - und damit vermittelt durch § 32 Satz 1 IfSG der Verordnungsgeber - auch auf Infektionsgeschehen schnell und angemessen reagieren können, die durch das Auftreten neuartiger Krankheitserreger ausgelöst werden, für deren Bekämpfung die ausdrücklich normierten Schutzmaßnahmen nicht ausreichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 39 m. w. N.). 31 Bei der Prüfung, inwieweit es möglich und erforderlich war, dem Verordnungsgeber Voraussetzungen und Grenzen von grundrechtsbeschränkenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorzugeben, sind die Spielräume zu berücksichtigen, die dem Gesetzgeber in Bezug auf ein legislatorisches Tätigwerden zustehen. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass dem Gesetzgeber bei Gesetzen, mit denen er von ihm angenommenen Gefahrenlagen für die Allgemeinheit oder für Rechtsgüter Einzelner begegnen will, sowohl hinsichtlich seiner Einschätzung zum Vorliegen einer solchen Gefahrenlage als auch hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Grundlagen, aus denen er diese Gefahrenlage abgeleitet hat oder ableiten durfte, ein Spielraum zusteht, der verfassungsgerichtlich lediglich in begrenztem Umfang überprüft werden kann (so im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 170 f. m. w. N. ""Bundesnotbremse I""). Einen solchen Spielraum hat der parlamentarische Gesetzgeber auch hinsichtlich der Frage, zu welchem Zeitpunkt er von einer hinreichend verlässlichen und damit tragfähigen tatsächlichen Grundlage für weitergehende gesetzliche Vorgaben ausgehen kann. Diese Spielräume sind auch von den Verwaltungsgerichten zu beachten, wenn sie zu prüfen haben, ob der Gesetzgeber mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) und den Parlamentsvorbehalt zu über eine bestehende Generalklausel hinausgehenden detaillierteren Vorgaben an den Verordnungsgeber verpflichtet gewesen wäre. 32 Das Bestehen einer solchen Pflicht kann in Bezug auf einzelne Teilaspekte, die Gegenstand der gesetzgeberischen Ausgestaltung einer Verordnungsermächtigung sein können, unterschiedlich zu beurteilen sein. Ob und welche (Teil-)Kodifikationen dann geboten sind, hängt aber auch von dem vom Gesetzgeber verfolgten legislatorischen Gesamtkonzept ab. 33 Der Verordnungsgeber kann seine Regelungen erst dann nicht mehr auf eine bestehende gesetzliche Generalklausel stützen, wenn der Gesetzgeber mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) und des Parlamentsvorbehalts zum Erlass ergänzender gesetzlicher Regelungen verpflichtet war. Allein der Umstand, dass dem Gesetzgeber eine Konkretisierung möglich gewesen wäre, genügt hierfür nicht. 34 bb) Ausgehend davon reichte in der hier maßgeblichen Zeit (Ende Oktober bis Mitte November 2020) die infektionsschutzrechtliche Generalklausel als gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die in § 4 Abs. 1 Nr. 18 SächsCoronaSchVO angeordnete Schließung von Gastronomiebetrieben und Bars aus. 35 (1) Wann und inwieweit Kodifikationsreife im Sinne einer Pflicht des Gesetzgebers zum Tätigwerden besteht, hängt wesentlich von den tatsächlichen Umständen des Pandemiegeschehens ab. Bei der Bewertung ist im Infektionsschutzrecht als einer speziellen Ausprägung des Gefahrenabwehrrechts - wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 22. November 2022 hervorgehoben hat - eine ex-ante-Betrachtung maßgeblich; es ist auf den Erkenntnisstand des Gesetz- und des Verordnungsgebers zum Zeitpunkt des Erlasses und während der Zeit der Geltung der angegriffenen Maßnahmen abzustellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 34, 64 und - 3 CN 2.21 - NVwZ 2023, 1011 Rn. 17). 36 Ausgehend davon setzt Kodifikationsreife im Sinne der Rechtsprechung des Senats voraus, dass sich in der maßgeblichen Zeit auch die tatsächlichen Grundlagen für eine Entscheidung des Gesetzgebers soweit geklärt hatten, dass ihm eine fundierte Entscheidung über die Ergänzung oder Modifizierung der bestehenden infektionsschutzrechtlichen Generalklausel möglich war. Der Senat hat dazu im Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - ausgeführt, dass dann, wenn sich der Erkenntnisstand in Bezug auf einen neuen Krankheitserreger verbessert, sich geeignete Parameter herausgebildet hätten, um die Gefahrenlage zu beschreiben und zu bewerten, und ausreichende Erkenntnisse über die Wirksamkeit möglicher Schutzmaßnahmen vorlägen, der Gesetzgeber gehalten sein könne, für die jeweilige übertragbare Krankheit zu konkretisieren, unter welchen Voraussetzungen welche Schutzmaßnahmen ergriffen werden können (NVwZ 2023, 1000 Rn. 41). 37 Dass der Gesetzgeber mit einer ""zweiten Corona-Welle"" im Herbst 2020 rechnen musste, genügte nicht, um eine Kodifizierungspflicht für den parlamentarischen Gesetzgeber auszulösen. Mit Blick auf die in Betracht zu ziehenden und gegebenenfalls zu regelnden Schutzmaßnahmen waren darüber hinaus hinreichend belastbare Erkenntnisse dazu erforderlich, welche Eigenschaften das Virus bei dieser ""zweiten Welle"" haben werde. Je höher die Ansteckungsgefahr und je gravierender mögliche Infektionsverläufe bei dem für den Herbst zu erwartenden Infektionsgeschehen sein würden, desto eingriffsintensiver durften auch mögliche Grundrechtsbeschränkungen sein, zu denen der Gesetzgeber ermächtigen durfte. Weitere Faktoren für die Regelung eines Katalogs möglicher Maßnahmen waren die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Krankheitsfall sowie - mit Blick auf das Ziel, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 50 f.) – die für eine Behandlung in den Kliniken, bei schweren Verläufen namentlich in Intensivstationen, an Personal und sächlicher Ausstattung zur Verfügung stehenden Kapazitäten. Darüber hinaus war von Bedeutung, ob und in welchem Umfang die Bevölkerung durch Impfung gegen eine COVID-19-Infektion geschützt werden konnte. Außerdem setzte die Pflicht zur Regelung eines Maßnahmenkatalogs durch den Gesetzgeber nicht nur eine Analyse des zu erwartenden Infektionsgeschehens, sondern auch voraus, dass die Wirksamkeit der in Betracht kommenden Schutzmaßnahmen für sich genommen und zum anderen im Vergleich mit möglichen Alternativmaßnahmen eingeschätzt werden konnte; das war für seine Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Schutzmaßnahme wegen der mit ihr verbundenen Freiheitsbeschränkungen von Bedeutung. 38 (2) Der Gesetzgeber durfte berücksichtigen, dass etliche der mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und den Parlamentsvorbehalt bedeutsamen Fragen in der maßgeblichen Zeit bereits im Rahmen der bestehenden Generalklausel geklärt waren, und er musste die Festlegung konkreter Eingriffsschwellen für die Schließung von Gastronomiebetrieben weder im Sommer 2020 noch bis zum Ablauf des hier maßgebenden Zeitraums am 12. November 2020 als kodifikationsreif ansehen. 39 Zutreffend ist, dass bereits im Frühjahr 2020 während der sogenannten ersten Welle der Corona-Pandemie in nahezu allen Bundesländern auch die Schließung von Gastronomiebetrieben im Verordnungswege angeordnet worden war. Die dabei gewonnenen Erfahrungen hätten dem parlamentarischen Gesetzgeber Anlass geben können, nun auch ausdrücklich zu regeln, dass die landesweite Schließung von Gastronomiebetrieben zur Verhinderung der weiteren Verbreitung von COVID-19 unabhängig von einem konkreten Infektionsgeschehen in den von der Schließung betroffenen Gastronomiebetrieben zulässig sein solle. Dass der Gesetzgeber eine solche Konkretisierung der Verordnungsermächtigung mit Blick auf die infektionsschutzrechtliche Generalklausel und ihre bisherige Anwendung in der Corona-Pandemie noch nicht vorgenommen hatte, hielt sich indes für den hier zu betrachtenden Zeitraum innerhalb seines Beurteilungsspielraums. 40 (2.1) Dass auf der Grundlage der bestehenden Generalklausel auch die Schließung von Gastronomiebetrieben und Bars angeordnet werden konnte, zeigt bereits deren Entstehungsgeschichte (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 23 ff.). Damit hätte sich aus einer darüber hinausgehenden Regelung dieser Frage durch den parlamentarischen Gesetzgeber kein mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz und den Parlamentsvorbehalt bedeutsamer ""Zugewinn"" für den Verordnungsgeber und für die durch die Schließung in ihren Grundrechten betroffenen Betriebsinhaber ergeben. 41 Die infektionsschutzrechtliche Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ist die Nachfolgeregelung der vorherigen Generalklausel in § 34 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG 1979, die durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes vom 18. Dezember 1979 (BGBl. I S. 2248) in das Bundesseuchengesetz eingefügt worden war. Über diese Generalklausel wollte der Gesetzgeber, wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, eine sinnvolle und wirksame Bekämpfung übertragbarer Krankheiten sicherstellen. Die bisherigen enumerativen Regelungen erschienen ihm dafür zu eng, da die Fülle der Maßnahmen, die bei Ausbruch einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen könnten, nicht im Vorhinein absehbar sei. Die generelle Ermächtigung auch für Maßnahmen gegenüber ""Nichtstörern"" sollte gewährleisten, dass die zuständigen Behörden ""für alle Fälle gewappnet"" seien (Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468 S. 27 zu Nummer 29 und 30). § 43 BSeuchG sollte entfallen, weil die dort genannten Schutzmaßnahmen künftig auch auf die Generalklausel des § 34 Abs. 1 Satz 1 gestützt werden könnten (BT-Drs. 8/2468 S. 27 f. und S. 29 zu Nummer 35). Nach dem durch die damals aufgenommene Generalklausel abgelösten § 43 BSeuchG konnte die zuständige Behörde beim Auftreten einer meldepflichtigen übertragbaren Krankheit (§ 3 Abs. 1 und 2 BSeuchG) in epidemischer Form Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen, insbesondere Veranstaltungen in Theatern, Filmtheatern, Versammlungsräumen, Vergnügungs- oder Gaststätten und ähnlichen Einrichtungen, sowie die Abhaltung von Märkten, Messen, Tagungen, Volksfesten und Sportveranstaltungen beschränken oder verbieten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit erforderlich war. Mit der Generalklausel wollte der Gesetzgeber das bisherige Instrumentarium nicht verkürzen, sondern im Gegenteil erweitern. 42 Danach konnte es für die Betroffenen auch unter der ""neuen"" infektionsschutzrechtlichen Generalklausel des § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht überraschend sein, dass es im Pandemiefall zu Gastronomieschließungen kommen konnte. Das findet in der Folgezeit seine Bestätigung darin, dass die Schließung von Gastronomiebetrieben jeweils auch zu den Schutzmaßnahmen gehörte, die der Gesetzgeber sowohl im nicht abschließenden Katalog des § 28a IfSG i. d. F. des Gesetzes vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397 ) als auch in der ""Bundesnotbremse"" (§ 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 IfSG i. d. F. des Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 ) gesetzlich verankert hat. 43 (2.2) Ebenso wenig musste der parlamentarische Gesetzgeber im Sommer oder Herbst 2020 eine ergänzende Regelung dazu treffen, dass Gastronomiebetriebe auch unabhängig von einem im betroffenen Betrieb konkret festgestellten Infektionsgeschehen geschlossen werden durften, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern oder jedenfalls zu verlangsamen. Wie der Senat bereits entschieden und mit dem vorliegenden Urteil bestätigt hat, ergibt die Auslegung der infektionsschutzrechtlichen Generalklausel in § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG, dass die Schließung von Einrichtungen und Betrieben auch unabhängig von einem auf den jeweiligen Betrieb bezogenen Krankheits- oder Ansteckungsverdacht eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG sein kann (BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 21 ff.). 44 (2.3) Dass der Verordnungsgeber zur Verhinderung der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus und der Krankheit COVID-19 eine landesweite Schließung von Gastronomiebetrieben nur dann anordnen darf, wenn diese Maßnahme den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügt, war ebenfalls bereits der infektionsschutzrechtlichen Generalklausel zu entnehmen (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ""... trifft ... die notwendigen Schutzmaßnahmen ..., soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; ...""). 45 Die Beschränkung der Regelungsbefugnis des Verordnungsgebers durch die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergibt sich im Übrigen auch unabhängig von dieser Bestimmung bereits unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG. Von einer Ersetzung dieser durch langjährige Rechtsprechung ausgeformten Anforderungen durch andere abstrakte Rechtsbegriffe wäre kaum ein relevanter Zugewinn an Rechtssicherheit zu erwarten gewesen, sondern eher Unsicherheit darüber, ob und inwieweit der Gesetzgeber von diesen Maßstäben abweichen wolle. 46 (2.4) Ein Feld für zusätzliche gesetzgeberische Vorgaben zur Zulässigkeit der Schließung von Gastronomiebetrieben wäre die Festlegung konkreter Eingriffsschwellen gewesen. 47 Unter Berücksichtigung des dem parlamentarischen Gesetzgeber auch insoweit zuzuerkennenden Spielraums ist jedoch für den hier maßgeblichen Zeitraum von Ende Oktober bis Mitte November 2020 nicht zu beanstanden, dass er die Erfahrungen mit dem Erreger SARS-CoV-2 und der Entwicklung des Pandemiegeschehens noch nicht für ausreichend hielt, um hinreichend konkret jedenfalls für eine gewisse Dauer zu regeln, unter welchen Voraussetzungen Gastronomiebetriebe zur Bekämpfung von COVID-19 geschlossen werden dürfen. 48 Im maßgeblichen Zeitraum wurden, wie insbesondere die auf den Konferenzen der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder gefassten Beschlüsse zeigen, Schutzmaßnahmen auf der Grundlage von regional bezogenen Sieben-Tage-Inzidenzen erlassen, die auf die Zahl der Neuinfektionen je 100 000 Einwohner abstellten. Diese Zahlen wurden vom Robert Koch-Institut tagesaktuell ermittelt und veröffentlicht. Das Anknüpfen von Maßnahmen an diesen Maßstab, den der Bundesgesetzgeber dann auch seinen gesetzlichen Regelungen in § 28a und § 28b IfSG zugrunde gelegt hat, hat das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet. Nach der auf tragfähigen Erkenntnissen beruhenden Einschätzung des Gesetzgebers handele es sich um den frühesten Indikator für ein zunehmendes Infektionsgeschehen. Zudem gestatte die Inzidenz, die mit einem gewissen Zeitversatz eintretende Belastung des Gesundheitssystems und die Anzahl der zu erwartenden Todesfälle unter Berücksichtigung der jeweils vorherrschenden Virusvariante frühzeitig abzuschätzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 199). Aussagekräftige Erfahrungen mit der ""zweiten Corona-Welle"" und ihren Auswirkungen unter anderem auf das Gesundheitssystem konnte der Gesetzgeber aber erst ab Oktober 2020 gewinnen, als die Zahl der Neuinfektionen stark anstieg (vgl. dazu etwa den Täglichen Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 [COVID-19] vom 28. Oktober 2020). Danach ist es nicht zu beanstanden, dass er im hier maßgeblichen Zeitraum noch davon abgesehen hatte, solche Schwellenwerte festzulegen. 49 Am 3. November 2020 hatten die Regierungsfraktionen den Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (BT-Drs. 19/23944) in den Bundestag eingebracht, der in dem neu einzufügenden § 28a IfSG einen nicht abschließenden Katalog von Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dabei in dessen Absatz 1 Nummer 13 auch die Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von gastronomischen Einrichtungen vorsah. In Absatz 2 des Entwurfs wurde die Anordnung von Schutzmaßnahmen an bestimmten Schwellenwerten ausgerichtet, ohne dass aber die einzelnen im Katalog aufgeführten Schutzmaßnahmen den in Absatz 2 vorgesehenen Kategorien genau zugeordnet worden wären. Im parlamentarischen Verfahren - die erste Lesung fand am 6. November 2020 statt (BT-PlProt 19/190 S. 23951 ff.) – war in dem hier maßgeblichen Zeitraum die Diskussion über den genauen Inhalt des Maßnahmenkatalogs und die Höhe möglicher Schwellenwerte noch nicht abgeschlossen. Der Gesetzentwurf wurde auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit vom 16. November 2020 (BT-Drs. 19/24334) am 18. November 2020 in geänderter Fassung angenommen (vgl. BT-PlProt 19/191 S. 24045 <24096>). Das Gesetz ist am 19. November 2020 in Kraft getreten (BGBl. I S. 2397). 50 Unter den gegebenen Umständen und angesichts der nach wie vor bestehenden Unsicherheiten namentlich hinsichtlich der für das Gesundheitssystem zu erwartenden Belastungen durch die neue ""Corona-Welle"" war es vom Spielraum des Gesetzgebers gedeckt und daher nicht zu beanstanden, dass er in dem für den Erlass der angegriffenen Regelung maßgeblichen Zeitraum die Lage zunächst noch beobachtet und konkrete Schwellenwerte für die Schließung von Gastronomiebetrieben noch nicht festgelegt hat. 51 Dementsprechend geht der Einwand der Antragstellerin fehl, gerade die bestehenden Unsicherheiten hätten den parlamentarischen Gesetzgeber dazu veranlassen müssen, schon im Sommer 2020 bestimmte Maßnahmen, namentlich die Schließung von Gastronomiebetrieben, in einen Katalog der dem Verordnungsgeber eröffneten Schutzmaßnahmen aufzunehmen. 52 d) Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, § 4 Abs. 1 Nr. 18 SächsCoronaSchVO habe auf die infektionsschutzrechtliche Generalklausel gestützt werden können, ist auch nicht deshalb unzutreffend, weil der parlamentarische Gesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses und während der Geltungsdauer der Vorschrift keine gesetzlichen Regelungen zu Entschädigungs- und Ausgleichszahlungen an die Gastronomiebetreiber im Infektionsschutzgesetz getroffen hatte (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2023 - 3 CN 4.22 - Rn. 60 ff.). 53 e) Für Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen (Nr. 4), Anlagen und Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs (Nr. 6) sowie Übernachtungsangebote für touristische Zwecke (Nr. 16 des § 4 Abs. 1 SächsCoronaSchVO) ergibt sich wegen der gleichgelagerten Schutzrichtung und der vergleichbaren Eingriffsintensität nichts Abweichendes. 54 4. Die Schließungen von Einrichtungen und Angeboten durch § 4 Abs. 1 Nr. 4, 6, 16 und 18 SächsCoronaSchVO waren verhältnismäßig und damit notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG. Die Regelungen hatten ein legitimes Ziel (a), waren zu dessen Erreichung geeignet (b) und erforderlich (c) sowie verhältnismäßig im engeren Sinne (d). Die tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend. Die Antragstellerin hat gegen sie keine zulässigen Revisionsgründe vorgebracht. Die Rügen, das Oberverwaltungsgericht habe seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt und ihren Antrag auf Akteneinsicht (§ 100 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht beschieden, hat sie nicht - wie gemäß § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO erforderlich - innerhalb der bis zum 18. Oktober 2022 verlängerten Revisionsbegründungsfrist erhoben. Neue Tatsachen kann das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren nicht feststellen und deshalb auch nicht - wie beantragt - Beweis über die damalige pandemische Lage und die Wirkung von Hygienekonzepten erheben. 55 a) Der Verordnungsgeber verfolgte mit der Schließung von Einrichtungen und Angeboten durch § 4 Abs. 1 Nr. 4, 6, 16 und 18 SächsCoronaSchVO ein Ziel, das mit dem Zweck der Verordnungsermächtigung im Einklang stand. 56 aa) Der Sächsischen Corona-Schutzverordnung vom 30. Oktober 2020 lag das in der Beratung der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit der Bundeskanzlerin vom 28. Oktober 2020 beschlossene Maßnahmenkonzept zugrunde, wonach es zur Vermeidung einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage erforderlich sei, durch eine erhebliche Reduzierung der Kontakte in der Bevölkerung insgesamt das Infektionsgeschehen aufzuhalten und die Zahl der Neuinfektionen wieder in die nachverfolgbare Größenordnung von unter 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in der Woche zu senken (UA Rn. 36, 40 ). Das hat das Oberverwaltungsgericht für das Revisionsverfahren verbindlich festgestellt (vgl. für tatsächliche Feststellungen: § 137 Abs. 2 VwGO; für die Auslegung irrevisiblen Landesrechts: § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO). Dieses Ziel entsprach - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (UA Rn. 39) – dem Zweck der Verordnungsermächtigung, übertragbare Krankheiten zu bekämpfen (§ 32 Satz 1 IfSG) und ihre Verbreitung zu verhindern (§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG). 57 bb) Die Annahme des Verordnungsgebers, dass dieses Ziel ohne die erlassenen Verbote gefährdet und die Gefahr wegen einer möglichen Überlastung des Gesundheitssystems dringlich war, hatte eine tragfähige tatsächliche Grundlage (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 177; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 52). 58 (1) Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, nach dem Lagebericht des Robert Koch-Instituts (RKI) zu COVID-19 (Stand: 10. November 2020) seien seinerzeit im Bundesgebiet ca. 246 000 Menschen infiziert gewesen. Mehr als 11 500 Menschen seien im Zusammenhang mit der Erkrankung verstorben. In Sachsen seien seinerzeit rund 13 000 Menschen infiziert gewesen und 408 Menschen infolge der Erkrankung verstorben. In den vorausgegangenen sieben Tagen hätten sich 168 Menschen pro 100 000 Einwohner infiziert. In einigen Landkreisen Sachsens sei der Inzidenzwert deutlich höher gewesen. So habe er sich etwa im Landkreis Bautzen auf 321,3 Menschen pro 100 000 Einwohner belaufen, womit dieser Landkreis bundesweit an dritter Stelle gelegen habe. Am 5. November 2020 hätten sich in Sachsen 1 278 an COVID-19 erkrankte Menschen in stationärer Behandlung befunden, von denen 266 Personen eine intensivmedizinische Betreuung benötigt hätten. Noch am 20. Oktober 2020 seien nur 314 Erkrankte in stationärer Behandlung gewesen, von denen 45 intensivmedizinisch betreut worden seien. In seiner Risikobewertung vom 26. Oktober 2020 sei das RKI davon ausgegangen, dass weltweit und in Deutschland eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation vorliege. Dabei sei bei einem zunehmenden Anteil der Fälle die Infektionsquelle unbekannt. Die Zahl der Patienten, die auf einer Intensivstation behandelt werden müssten, habe sich in den vorausgegangenen zwei Wochen mehr als verdoppelt. Es gebe zudem nach wie vor keine zugelassenen Impfstoffe. Die Therapie schwerer Krankheitsverläufe sei komplex und langwierig. Daher habe das RKI die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen als sehr hoch (UA Rn. 30 ). 59 (2) Diese Feststellungen tragen die vom Verordnungsgeber angenommene Gefährdungslage. Der Verordnungsgeber und das Oberverwaltungsgericht konnten sich insbesondere auf die Risikobewertung und weiteren Erkenntnisse des RKI stützen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 56 f.). 60 b) Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Bundesrechtsverstoß angenommen, der Verordnungsgeber habe die in § 4 Abs. 1 Nr. 4, 6, 16 und 18 SächsCoronaSchVO angeordneten Schließungen von Einrichtungen und Angeboten als geeignet ansehen dürfen, um das mit der Verordnung verfolgte Ziel zu erreichen. 61 aa) Für die Eignung reicht es aus, wenn die Verordnungsregelung den verfolgten Zweck fördern kann. Bereits die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 185; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 59, jeweils m. w. N.). 62 bb) Ausgehend von seinen Feststellungen zur Übertragbarkeit des Virus (UA Rn. 30 ) ist die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die angeordneten Schließungen geeignet waren, physische Kontakte zwischen Menschen zu reduzieren, um weitere Infektionen mit dem hochansteckenden Virus SARS-CoV-2 einzudämmen und damit den Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwer- und schwerstkranker Menschen sicherzustellen (UA Rn. 41), revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. 63 c) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die in § 4 Abs. 1 Nr. 4, 6, 16 und 18 SächsCoronaSchVO angeordneten Schließungen von Einrichtungen und Angeboten zur Zweckerreichung erforderliche Maßnahmen waren. 64 aa) An der Erforderlichkeit einer Maßnahme fehlt es, wenn dem Verordnungsgeber eine andere, gleich wirksame Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Zwecks zur Verfügung steht, die weniger in die Grundrechte der Betroffenen eingreift und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahme zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 203 m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 63). 65 Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit hatte der Verordnungsgeber angesichts der auch im hier maßgeblichen Zeitraum noch fehlenden Erfahrungen mit dem SARS-CoV-2-Virus und den Wirkungen von Schutzmaßnahmen einen tatsächlichen Einschätzungsspielraum, der sich darauf bezog, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 204). Ein solcher Spielraum hat jedoch Grenzen. Die Einschätzung des Verordnungsgebers muss auf ausreichend tragfähigen Grundlagen beruhen. Das Ergebnis der Prognose muss einleuchtend begründet und damit plausibel sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 64). Das unterliegt der gerichtlichen Überprüfung (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 2.21 - NVwZ 2023, 1011 Rn. 17 ff.). 66 bb) Das Oberverwaltungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht mit bindender Wirkung (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass der Betrieb der Antragstellerin nicht nur Ansammlungen von Menschen hervorgerufen, sondern zusätzliche Kontaktmöglichkeiten auf dem Weg zu und von den Einrichtungen geschaffen hätte, denen auch mit dem Hygienekonzept der Antragstellerin und einem ""PoC-Antigentest"" nicht hätte begegnet werden können (UA Rn. 41). Wenn die Benutzung der Einrichtungen aufgrund des Hygienekonzepts und der Tests für sich betrachtet infektiologisch unbedeutend wäre (zu diesem Kriterium vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 2.21 - NVwZ 2023, 1011 Rn. 21), könnte angesichts der sonst zugelassenen Mobilität indes fraglich sein, ob allein der Umstand, dass der Besuch der Einrichtungen als Grund für das Verlassen der Wohnung entfällt, einen relevanten Beitrag zur Kontaktreduzierung leisten kann. Die Antragstellerin selbst ist offenbar davon ausgegangen, dass das Oberverwaltungsgericht auch die gleiche Wirksamkeit des Hygienekonzepts und der Tests in der Einrichtung verneint hat, denn sie hat mit Schriftsatz vom 26. April 2023 - wie dargelegt revisionsrechtlich unbeachtlich - eine Studie zum Ansteckungsrisiko beim Sport in Fitnessstudios vorgelegt. Die Bezugnahme des Oberverwaltungsgerichts auf die Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte (UA Rn. 42: OVG Magdeburg, Beschlüsse vom 10. November 2020 - 3 R 219/20 - juris Rn. 72 ff. und - 3 R 223/20 - juris Rn. 55 ff. ; OVG Saarlouis, Beschluss vom 10. November 2020 - 2 B 308/20 - juris Rn. 17 ; OVG Bremen, Urteil vom 23. März 2022 - 1 D 349/20 - juris Rn. 83 ; OVG Münster, Beschlüsse vom 6. November 2020 - 13 B 1657/20.NE - juris Rn. 36 und 9. November 2020 - 13 B 1656/20.NE - juris Rn. 35 ) lässt erkennen, dass es eine der Schließung von Einrichtungen vergleichbare Wirksamkeit von Hygienekonzepten und Tests auch für Kontakte in den Einrichtungen verneint hat. Damit bestand kein Anlass, die Wirkungsprognose des Verordnungsgebers in Frage zu stellen. 67 d) Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die in § 4 Abs. 1 Nr. 4, 6, 16 und 18 SächsCoronaSchVO angeordneten Schließungen von Einrichtungen und Angeboten angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinne waren, steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang. 68 aa) Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 216 m. w. N.). In einer Abwägung sind Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits und die Bedeutung der Maßnahme für die Zweckerreichung andererseits gegenüberzustellen. Angemessen ist eine Maßnahme dann, wenn bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt wird. Dabei ist ein angemessener Ausgleich zwischen dem Gewicht des Eingriffs und dem verfolgten Ziel sowie der zu erwartenden Zielerreichung herzustellen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 75 m. w. N.). Von diesem Maßstab ist auch das Oberverwaltungsgericht der Sache nach ausgegangen (vgl. UA Rn. 38 f., 42 f.). 69 bb) Die Schließung von Fitnessstudios und Sporteinrichtungen durch § 4 Abs. 1 Nr. 4 und 6 SächsCoronaSchVO war ein gewichtiger Eingriff in die Berufsausübungsübungsfreiheit der Antragstellerin (Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG). Er wurde dadurch verstärkt, dass es sich bereits um die zweite Schließung nach dem ersten ""Lockdown"" in Sachsen vom 23. März bis zum 17. Mai 2020 gehandelt hat und die Betreiber der Einrichtungen in der Zwischenzeit in Hygienemaßnahmen investiert hatten. Gemildert wurde der Eingriff durch die in der Verordnung vorgesehene Begrenzung der Maßnahme auf ursprünglich vier Wochen, dann 11 Tage, durch Ausnahmen für medizinisch notwendige Behandlungen sowie durch das Offenhalten der Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs für den Individualsport. Das Eingriffsgewicht wurde ferner durch die für die von den Schließungen betroffenen Betriebe vorgesehenen staatlichen Hilfsprogramme gemindert. Zwar ist das Grundrecht der Berufsfreiheit in erster Linie persönlichkeitsbezogen, konkretisiert also im Bereich der individuellen beruflichen Leistung und Existenzerhaltung das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Daher kann eine finanzielle Kompensation für sich genommen dem Bedeutungsgehalt der Berufsfreiheit nicht gerecht werden. Gleichwohl verminderten Hilfsprogramme die Wahrscheinlichkeit einer existenzbedrohenden Lage und unterstützten die Betroffenen darin, die ausgeübte Tätigkeit künftig weiterhin wirtschaftlich ausüben zu können (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23. März 2022 - 1 BvR 1295/21 - NJW 2022, 1672 Rn. 28 m. w. N.; zur Erforderlichkeit gesetzlicher Entschädigungsregelungen vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2022 - 3 CN 4.22 - Rn. 60 ff. m. w. N.). Auch wenn die staatlichen Hilfsmaßnahmen zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses noch nicht in Kraft gesetzt waren, durfte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass diese Hilfen, die Teil des am 28. Oktober 2020 zwischen der Bundeskanzlerin und den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder beschlossenen Maßnahmenpakets waren, den betroffenen Betrieben alsbald zur Verfügung gestellt würden. Daher hat das Oberverwaltungsgericht das Kurzarbeitergeld, die nichtrückzahlungspflichtige Überbrückungshilfe II (sog. Novemberhilfe) sowie die anschließende sog. Dezemberhilfe, das KfW-Kreditprogramm und die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zutreffend als eingriffsmildernd bewertet (UA Rn. 43). 70 Das Verbot von Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke und die Schließung der Gastronomieeinrichtungen stellten ebenfalls gewichtige Eingriffe in die Berufsausübungsübungsfreiheit der Antragstellerin dar. Sie wurden allerdings durch die auch unter Geltung des § 4 Abs. 1 Nr. 16 SächsCoronaSchVO fortbestehende Möglichkeit der Übernachtungen für nichttouristische Zwecke, insbesondere für die Berufsausübung, sowie die Möglichkeit der Lieferung und Abholung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken in § 4 Abs. 1 Nr. 18 SächsCoronaSchVO gemildert. 71 cc) Diesen durch die Schließung von Einrichtungen und Angeboten bewirkten, gewichtigen Grundrechtseingriffen standen Gemeinwohlbelange von überragender Bedeutung gegenüber. Ziel der Verordnung war es, die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus und der dadurch verursachten bedrohlichen COVID-19-Erkrankung (vgl. § 2 Nr. 3a IfSG) zu verlangsamen und damit die Bevölkerung vor Lebens- und Gesundheitsgefahren zu schützen. Die Rechtsgüter Leben und Gesundheit haben eine überragende Bedeutung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG; stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 231 m. w. N.; BVerwG, Urteile vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 80 und - 3 CN 2.21 - NVwZ 2023, 1011 Rn. 32). Der Verordnungsgeber durfte bei Erlass der Regelungen davon ausgehen, dass dringlicher Handlungsbedarf bestand. Das RKI schätzte die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts weiterhin als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch ein (UA Rn. 30 ). Wegen der stark ansteigenden Zahl der Neuinfektionen und der COVID-19-Patienten in Krankenhäusern und Intensivstationen hatte die Verlangsamung der Ausbreitung ein hohes Gewicht. Nach dem - plausiblen - Schutzkonzept des Verordnungsgebers war die Schließung von Einrichtungen und Angeboten des Sports, der Gastronomie und des Tourismus - neben der Schließung von Einrichtungen auch in den Bereichen Kultur und Freizeit, der Kontaktbeschränkung im öffentlichen und im privaten Raum (§ 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO), der Pflicht, in bestimmten Situationen eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, der Anordnung von Hygieneregeln und der Kontaktdatenerhebung in den offen gehaltenen Einrichtungen - ein zentrales Mittel zur Zielerreichung. 72 dd) Der Verordnungsgeber hat für den zu beurteilenden Zeitraum mit den angegriffenen Regelungen einen angemessenen Ausgleich zwischen den mit ihnen verfolgten besonders bedeutsamen Gemeinwohlbelangen und den schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigungen gefunden. Das Bundesverfassungsgericht hat durch Kammerbeschluss vom 23. März 2022, mit dem es die Verfassungsbeschwerde einer Gastronomin gegen das Verbot der Öffnung von Gaststätten nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 IfSG i. d. F. des Gesetzes vom 22. April 2021 nicht zur Entscheidung angenommen hat, bestätigt, dass die dortige Schließung von gastronomischen Einrichtungen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie verhältnismäßig im engeren Sinn war. Es hat den Eingriff in die Berufsfreiheit als gerechtfertigt angesehen. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist es von einem erheblichen Eingriffsgewicht ausgegangen, das allerdings durch die staatlichen Hilfsprogramme für die von den Schließungen betroffenen Betriebe gemindert worden sei. Dem Eingriff in die Berufsfreiheit sei gegenüberzustellen, dass angesichts der Dynamik des Infektionsgeschehens im April 2021 eine besondere Dringlichkeit bestanden habe, zum Schutz der überragend bedeutsamen Rechtsgüter Leben und Gesundheit sowie der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems tätig zu werden. Das Bundesverfassungsgericht hat die Abwägung des Gesetzgebers nicht beanstandet. Die Vorschrift und die sie begleitenden staatlichen Hilfsprogramme hätten für einen hinreichenden Ausgleich zwischen den verfolgten besonders bedeutsamen Gemeinwohlbelangen und den erheblichen Grundrechtsbeeinträchtigungen gesorgt. Belastungsmindernd hat das Bundesverfassungsgericht berücksichtigt, dass der Außer-Haus-Verkauf sowie die Lieferung von Speisen und Getränken möglich blieben und die Regelung befristet war (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. März 2022 - 1 BvR 1295/21 - NJW 2022, 1672 Rn. 19 ff.). Es ist nicht ersichtlich, warum für den hier maßgeblichen Zeitraum und die hier in Rede stehenden Maßnahmen - auch im Hinblick auf die Schließung von Fitnessstudios, Anlagen und Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs sowie Übernachtungsangebote für touristische Zwecke (§ 4 Abs. 1 Nr. 4, 6 und 16 SächsCoronaSchVO) – die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne anders zu beurteilen sein sollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 84). 73 ee) Die Abwägung des Verordnungsgebers ist auch dann nicht zu beanstanden, wenn man nicht nur die Eingriffe in die Berufsfreiheit der Betriebsinhaber, sondern zusätzlich die Folgen der Betriebsschließungen für die Nutzer der Einrichtungen in die Abwägung einstellt. Viele Sporttreibende konnten den Verlust der Sportstätten durch Bewegung zu Hause oder im Freien nicht ausgleichen - mit möglichen negativen Folgen für ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit. Die Schließung von Restaurants (zu einem hiergegen gerichteten Normenkontrollantrag eines Besuchers vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 11, 82 f.) und das Verbot von Übernachtungsangeboten zu touristischen Zwecken schränkten die Möglichkeiten privater Lebensgestaltung potentieller Besucher ebenfalls erheblich ein. Der Verordnungsgeber hat mit der Einschätzung, das Ziel, die weitere Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus zu verlangsamen, habe angesichts des Standes der Pandemie im maßgeblichen Zeitraum ein so hohes Gewicht, dass es auch die negativen Folgen der Maßnahmen für die Nutzer der geschlossenen Einrichtungen überwiege, seinen Einschätzungs- und Bewertungsspielraum nicht überschritten. 74 5. Die Schließung von Fitnessstudios ohne die für die Schließung von Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs in § 4 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 SächsCoronaSchVO vorgesehene Ausnahme für den Individualsport allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand war unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die gegenteilige Auffassung des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; a, b). Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Vereinbarkeit der angegriffenen Vorschriften mit dem Gleichheitssatz ohne Bundesrechtsverstoß bejaht (c). 75 a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (BVerfG, Beschlüsse vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 = juris Rn. 63 f., 68 f. und vom 21. Juli 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. - BVerfGE 162, 378 Rn. 155 f., jeweils m. w. N.). Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen (UA Rn. 45). 76 b) Anlagen und Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs durften für den Individualsport allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand öffnen (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 SächsCoronaSchVO). Für Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 SächsCoronaSchVO) war eine solche Ausnahme nicht vorgesehen. Das war mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht vereinbar. 77 Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, es handele sich insoweit bereits nicht um wesensgleiche Sachverhalte. Anders als in Fitnessstudios und ähnlichen Einrichtungen habe der in Anlagen und Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs ausgeübte Individualsport im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 6 SächsCoronaSchVO nicht in einer gewerblichen Einrichtung und nur innerhalb eines von vornherein konkret bestimmten Personenkreises - allein, zu zweit, mit dem eigenen Hausstand, Schulklasse - stattgefunden (UA Rn. 52). Das rechtfertigt die Ungleichbehandlung der Einrichtungen nicht. Das Kriterium der Gewerblichkeit ist hier kein sachgerechtes Abgrenzungs- und Differenzierungskriterium. Auch Anlagen und Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs können gewerblich betrieben werden. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, welche Bedeutung der Gewerblichkeit für das Schutzkonzept der Verordnung zukommen sollte. Wäre Individualsport auch in Fitnessstudios und ähnlichen Einrichtungen lediglich allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand zugelassen worden, hätte er auch dort nur innerhalb dieses konkret bestimmten Personenkreises stattfinden können. 78 Der Antragsgegner hat in der Revisionsverhandlung ausgeführt, Individualsport finde nur in Außenanlagen statt. Tatsächliche Feststellungen, die diese Annahme tragen könnten, hat das Oberverwaltungsgericht nicht getroffen. Hierfür ist auch nichts ersichtlich. Für die Annahme, der Verordnungsgeber habe den Individualsport allein, zu zweit oder mit Angehörigen des eigenen Hausstands nur auf Außenanlagen zulassen wollen, findet sich im Wortlaut des § 4 Abs. 1 Nr. 6 SächsCoronaSchVO ebenfalls kein Anhalt. 79 Der Antragsgegner hat weiter geltend gemacht, Einrichtungen des Amateur- und Freizeitsportbetriebs seien nach Fläche und Volumen größer als Fitnessstudios; der Aerosolausstoß sei hingegen in Fitnessstudios größer. Ob diese nicht durch Tatsachen unterlegte Annahme von der Typisierungsbefugnis des Verordnungsgebers gedeckt wäre, erscheint fraglich. Jedenfalls ist weder dargelegt noch ersichtlich, warum es auf die Größe der Einrichtung und den Aerosolausstoß bei ihrer Nutzung ankommen sollte, wenn die Nutzung nur allein, zu zweit und mit dem eigenen Hausstand zugelassen ist. 80 Weitere Gründe für die Ungleichbehandlung hat der Antragsgegner nicht angeführt; sie sind auch nicht ersichtlich. 81 Der dargelegte Gleichheitsverstoß führt zur Feststellung, dass § 4 Abs. 1 Nr. 4 SächsCoronaSchVO unwirksam war. Auf andere Weise kann der Verstoß nicht beseitigt werden. Dass § 4 Abs. 1 Nr. 4 SächsCoronaSchVO nur mit Ausnahme des Individualsports allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand gilt, hätte nur der Verordnungsgeber regeln können. Die Feststellung der Unwirksamkeit ist auf Nr. 4 des § 4 Abs. 1 SächsCoronaSchVO zu begrenzen. Eine Regelungslücke, die das Gesamtkonzept des Verordnungsgebers in Frage stellt, entsteht ohne die spezielle Regelung für Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen nicht (zur insoweit notwendigen und zulässigen Auslegung der landesrechtlichen Verordnung durch das Revisionsgericht vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 - 4 CN 4.01 - BVerwGE 116, 296 <300>). Sie wären als Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs von § 4 Abs. 1 Nr. 6 SächsCoronaSchVO erfasst worden (vgl. z. B. § 1a Abs. 6 Nr. 7 CoronaVO Baden-Württemberg i. d. F. vom 1. November 2020 und § 16 Abs. 1 Niedersächsische Corona-Verordnung i. d. F. vom 8. Mai 2021). 82 c) Ansonsten hat das Oberverwaltungsgericht die Vereinbarkeit der angegriffenen Vorschriften mit dem Gleichheitssatz ohne Bundesrechtsverstoß bejaht. 83 aa) Dass die in § 4 SächsCoronaSchVO genannten Einrichtungen und damit Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen, Sporteinrichtungen, Gastronomiebetriebe und Übernachtungsangebote für touristische Zwecke schließen mussten, dort nicht genannte Einrichtungen, also etwa Groß- und Einzelhandelsgeschäfte einschließlich der von der Antragstellerin hervorgehobenen Möbelhäuser mit Hygienekonzept und Kontaktdatenerhebung (§ 5 SächsCoronaSchVO) aber weiter öffnen durften, war mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (UA Rn. 49, 51). 84 Der Handel dient der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Bedarfsgegenständen und sonstigen Waren und Gütern. Sporteinrichtungen, Vor-Ort-Gastronomie und das Angebot von Übernachtungen für touristische Zwecke dienen im Wesentlichen der Freizeitgestaltung, wobei Sporteinrichtungen auch der Erhaltung der körperlichen Gesundheit dienen können. Dass der Verordnungsgeber diese Zwecke mit Blick auf ihre Notwendigkeit unterschiedlich bewertet hat, ist nicht zu beanstanden. Der Verzicht auf eine Differenzierung innerhalb des Handels zwischen verschiedenen Sortimenten im Hinblick auf die Dringlichkeit des Bedarfs war in der damaligen Pandemie-Situation von der Typisierungsbefugnis des Verordnungsgebers gedeckt. 85 bb) Dass Anlagen und Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1, Satz 2 Halbs. 1 SächsCoronaSchVO in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts für das für Individualsportarten organisierte Training und deren Sportwettkämpfe ohne Publikum öffnen durften, nicht aber für den organisierten Individualsport zum Zweck der Fitness und Gesunderhaltung, ist mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. 86 Das Oberverwaltungsgericht versteht unter ""organisiertem Training"" nicht ein bloßes organisiertes Betreiben von Individualsport zum Zwecke der Fitness und Gesunderhaltung, sondern ein planmäßiges Üben gerade mit dem Ziel der sportlichen Leistungsentwicklung (UA Rn. 53). An diese Auslegung des Landesrechts ist der Senat gebunden (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO). Organisiertes Training dient in dieser Auslegung der Vorbereitung auf Sportwettkämpfe. Der Verordnungsgeber hat dem Wettkampfbetrieb einschließlich dem organisierten, auf diese Wettkämpfe vorbereitenden Training eine im Vergleich zum Training für Fitness und Gesundheit besondere Bedeutung beigemessen und deshalb, soweit es um Individualsportarten geht, eine Ausnahme von der Schließung zugelassen. Zwar kann die Sportausübung auch für ""bloße"" Freizeitsportler eine große Bedeutung haben. Die vorübergehende Schließung von Trainingseinrichtungen kann die Gesundheit und das Wohlbefinden - gegebenenfalls auch dauerhaft - beeinträchtigen; Trainingsrückstände lassen sich häufig, wenn überhaupt, nur durch hohen Einsatz wieder aufholen. Gleichwohl ist die Ungleichbehandlung beider Bereiche noch vertretbar. Der Verordnungsgeber durfte berücksichtigen, dass die Zulassung des organisierten Trainings auch für alle Freizeitsportler sein Schutzkonzept in Frage gestellt hätte, Kontaktmöglichkeiten im Freizeitbereich einzuschränken, um in anderen Bereichen von größerer Bedeutung Kontakte unter besonderen Hygienevorkehrungen zu tolerieren (vgl. UA Rn. 40 ). Im Hinblick auf die Gewichtung des öffentlichen Interesses an bestimmten Tätigkeiten hatte der Verordnungsgeber einen Spielraum. Er durfte die Erhaltung der Strukturen im Amateurwettkampfsport in der Pandemie-Situation als besonders schutzwürdig ansehen. 87 Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO." bverwg_2023-39,17.05.2023,"Pressemitteilung Nr. 39/2023 vom 17.05.2023 EN Beschlagnahme und Einziehung des Grundstücks eines Dritten im Rahmen eines Vereinsverbots Eine mit einer vereinsrechtlichen Verbotsverfügung verbundene Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung in Bezug auf die Sache eines Dritten, der durch ihre Überlassung an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen gefördert hat, setzt voraus, dass der Dritte vorsätzlich gehandelt hat. Der Vorsatz muss sich auf alle objektiven Merkmale, also auch auf die Überlassung an einen Verein beziehen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin wandte sich gegen die Beschlagnahme und Einziehung ihres mit einem Wohn- und Wirtschaftsgebäude bebauten Grundstücks im Rahmen eines Vereinsverbots. Mit Bescheid vom 2. Juli 2014 stellte das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr fest, dass das ""Freie Netz Süd“ eine Ersatzorganisation der verbotenen Vereinigung ""Fränkische Aktionsfront“ sei, verbot die Vereinigung und löste sie auf. Die Behörde beschlagnahmte hierbei zugleich das dem Verein von der Klägerin überlassene Grundstück und ordnete dessen Einziehung zugunsten des Freistaats Bayern an. Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Beschlagnahme und Einziehung des Grundstücks gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof beide Anordnungen aufgehoben, da jedenfalls der Nachweis fehle, dass der Vorsatz der Klägerin auch die Vereinseigenschaft des ""Freien Netzes Süd"" umfasst habe. Die hiergegen eingelegte Revision des Freistaats Bayern ist vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolglos geblieben. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Satz 2 VereinsG ist mit einem Vereinsverbot in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung von Sachen Dritter zu verbinden, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat. Diese Rechtsgrundlage ist hier anzuwenden, da das betroffene Grundstück im Eigentum der Klägerin als Dritte steht und nicht als Vereinsvermögen i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG anzusehen ist. Zwar ist das Vereinsvermögen nicht zivilrechtlich, sondern wirtschaftlich und damit weit zu verstehen. Maßgeblich ist das tatsächliche Herrschaftsverhältnis im Sinne eines Vereinsgewahrsams. Ausgenommen vom Begriff des Vereinsvermögens sind jedoch Sachen im Eigentum Dritter.        Zu Recht hat das Berufungsgericht sämtliche Merkmale des objektiven Tatbestandes als Bezugspunkt des Vorsatzes angesehen. Insbesondere muss sich der Vorsatz des Dritten auch darauf beziehen, dass die Überlassung seiner Sache an den Verein dessen verbotswürdige Tätigkeit gefördert hat. Dies erfordert, dass er bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre um die Existenz dieser Vereinigung und ihrer verfassungswidrigen Bestrebungen weiß und deren Förderung zumindest billigend in Kauf nimmt. Ausgehend von diesem zutreffend erkannten Maßstab hat das Berufungsgericht nach Anhörung der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, ihr fehle das Wissen, dass sie das Grundstück an das ""Freie Netz Süd"" als Verein überlassen habe. Denn sie habe keine zumindest laienhafte Vorstellung davon entwickelt, dass die verfassungswidrigen Aktivitäten in organisierter Form von einem Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG vorgenommen worden seien. An diese Tatsachenfeststellung ist das Bundesverwaltungsgericht mangels von dem Beklagten erhobener Verfahrensrügen gebunden. BVerwG 6 C 5.21 - Urteil vom 17. Mai 2023 Vorinstanzen: VGH München, VGH 4 B 20.124 - Urteil vom 30. Juni 2020 - VG Bayreuth, VG B 1 K 16.23 - Urteil vom 07. Juni 2018 -","Urteil vom 17.05.2023 - BVerwG 6 C 5.21ECLI:DE:BVerwG:2023:170523U6C5.21.0 EN Vereinsrechtliche Beschlagnahme und Einziehung eines Grundstücks eines Dritten Leitsätze: 1. Das Vereinsvermögen ist grundsätzlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bestimmen. Ausgenommen vom Vereinsvermögen sind jedoch - abgesehen von Treuhandkonstellationen - Sachen, die erkennbar im Eigentum Dritter stehen. 2. Der vereinsrechtliche Zugriff auf Sachen Dritter, die dem Verein zur Förderung dessen verfassungswidriger Bestrebungen überlassen worden sind, erfordert den Gewahrsam des Vereins an diesen Sachen noch im Verbotszeitpunkt. 3. Für den Förderungsvorsatz des Dritten reicht Eventualvorsatz aus. Er muss sich auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen einschließlich der Überlassung der Sache an einen Verein. Rechtsquellen GG Art. 9 Abs. 2, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO § 42 Abs. 2, § 44 VereinsG § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 Alt. 1, § 8 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2, § 10 Abs. 2, § 11 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 und § 12 Abs. 2 Alt. 1 Instanzenzug VG Bayreuth - 07.06.2018 - AZ: B 1 K 16.23 VGH München - 30.06.2020 - AZ: 4 B 20.124 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 17.05.2023 - 6 C 5.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:170523U6C5.21.0] Urteil BVerwG 6 C 5.21 VG Bayreuth - 07.06.2018 - AZ: B 1 K 16.23 VGH München - 30.06.2020 - AZ: 4 B 20.124 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp für Recht erkannt: Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juni 2020 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin wendet sich gegen eine ihr Grundstück betreffende Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung in einer vereinsrechtlichen Verbotsverfügung. 2 Die Klägerin erwarb im Mai 2010 das mit einem Wohn- und Wirtschaftsgebäude bebaute Grundstück in ..., Ortsteil O. Sie überließ es ihrem Sohn T., der dort - bis auf den Zeitraum seiner Haft von April 2011 bis zum Mai 2013 - zusammen mit zwei Freunden wohnte. Die Bewohner waren für die Vereinigung ""Freies Netz Süd"" (FNS) tätig, die Veranstaltungen auf dem Anwesen durchführte und von dort aus ihre Aktivitäten koordinierte. Mit notariellem Vertrag vom 10. Februar 2014 veräußerte die Klägerin das Grundstück an ihren Sohn. Der Vertrag sieht einen sofortigen Besitzübergang an den Sohn vor. In der Folgezeit kam der Sohn der Pflicht zur Zahlung der vereinbarten Raten nicht nach. Im Grundbuch ist unverändert die Klägerin als Eigentümerin eingetragen. 3 Mit Verfügung vom 2. Juli 2014 - gegen Empfangsbekenntnisse zugestellt und mit dem verfügenden Teil im Bundesanzeiger veröffentlicht am 23. Juli 2014 - stellte das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr unter Ziffer 1 fest, dass die Vereinigung FNS eine Ersatzorganisation der durch seine Verfügung vom 19. Dezember 2003 verbotenen Vereinigung ""Fränkische Aktionsfront"" (F.A.F.) ist. In Ziffer 2 der Verbotsverfügung verbot es die Vereinigung und löste sie auf. Unter Ziffer 7 verfügte die Behörde die Beschlagnahme von Sachen Dritter und ihre Einziehung zugunsten des Freistaates Bayern, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an das FNS dessen verfassungswidrige Bestrebungen gefördert habe oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt gewesen seien. In Ziffer 7.1 der Verfügung wird insbesondere das dem FNS von der Klägerin überlassene, im Einzelnen näher bezeichnete Grundstück samt Wohn- und Wirtschaftsgebäude in O. beschlagnahmt und zugunsten des Freistaates Bayern eingezogen. Die gegen das unter Ziffer 1 und 2 verfügte Vereinsverbot des FNS erhobenen Klagen der Klägerin und weiterer 40 Kläger wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 20. Oktober 2015 - 4 A 14.17 87 - ab. 4 Die gegen die Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung in Ziffer 7.1 der Verbotsverfügung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 30. Juni 2020 die angefochtene Verfügung in Ziffer 7.1 aufgehoben. Die Anfechtungsklage sei zulässig und begründet. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 10 Abs. 2, § 12 Abs. 2 Alt. 1, § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 VereinsG sähen in der Regel mit dem Vereinsverbot die Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter vor, wenn der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert habe. Diese Voraussetzungen müssten zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Verbotsverfügung vorliegen. Daran fehle es hier. 5 Ob die objektiven Anforderungen der Befugnisnormen zu diesem Zeitpunkt vorgelegen hätten, sei zweifelhaft. Zu den der Beschlagnahme und Einziehung unterliegenden Sachen Dritter gehörten auch neutrale Gegenstände wie etwa Grundstücke, wenn diese für die Aktivitäten des Vereins zur Verfügung gestellt worden seien. Die Überlassung erfordere eine bewusste und rechtserhebliche Übertragung des Gewahrsams an den Verein. Dies sei auch dann gegeben, wenn der Eigentümer nur über eine Zwischenperson mit dem Verein in Kontakt trete. Deswegen dürfte die Anwendung der Vorschriften nicht schon daran scheitern, dass die Klägerin ihr Grundstück lediglich ihrem Sohn und zwei seiner Freunde überlassen habe, nicht aber unmittelbar dem FNS. Es sei aber nicht erwiesen, dass der Sohn die Immobilie auch noch im maßgeblichen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage zumindest gelegentlich dem FNS und nicht ausschließlich anderen Nutzern - der inzwischen gegründeten Partei ""Der Dritte Weg"" – zur Verfügung gestellt habe. Gesichert sei allein die Überlassung an das FNS bis zum Herbst 2013. Die Historie sowie Sinn und Zweck der § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG sowie verfassungsrechtliche Erwägungen sprächen dafür, dass es für die Anwendbarkeit der Normen auf den Fortbestand des Gewahrsams bis zum Verbotszeitpunkt ankomme. Dies könne allerdings ebenso offenbleiben wie die Frage, wer zuletzt Gewahrsam an dem Anwesen innegehabt habe. 6 Denn jedenfalls lasse sich der erforderliche Vorsatz der Klägerin nicht feststellen. Eine vorsätzliche Förderung setze voraus, dass der Eigentümer die verfassungswidrigen Bestrebungen des Vereins gekannt und gewollt oder - im Sinne eines bedingten Vorsatzes - zumindest billigend in Kauf genommen habe, dass diesen Bestrebungen durch die Überlassung der Sache Vorschub geleistet werde. Nicht erforderlich sei, dass der Überlassende die ihm bekannten Aktivitäten des Vereins in verfassungs- und vereinsrechtlicher Hinsicht exakt bestimme. Es reiche aus, dass er aufgrund einer sogenannten Parallelwertung in der Laiensphäre auf der Grundlage seines Wissens über die tatsächlichen Vereinsaktivitäten den sozialen Sinngehalt der Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG und damit den Begriff der ""verfassungswidrigen Bestrebungen"" zutreffend erfasst habe. Er müsse zudem eine zumindest laienhafte Vorstellung davon entwickelt haben, dass die verfassungswidrigen Aktivitäten nicht von (wechselnden) Einzelpersonen ausgingen, sondern in organisierter Form erfolgten und damit einem Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG zuzurechnen seien, der den Gewahrsam an der Sache ausübe. Die Befragung der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung habe zwar ihre Kenntnis davon ergeben, dass ihr Sohn die Räumlichkeiten nicht nur zum Wohnen, sondern auch für verfassungswidrige Aktivitäten genutzt und zur Verfügung gestellt habe. Ihr sei bekannt gewesen, dass sich ihr Sohn dort mit Gesinnungsgenossen getroffen habe. Es habe sich aber nicht belegen lassen, dass sie um die Nutzung durch eine Personenvereinigung gewusst habe. 7 Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision. Er ist der Ansicht, das Berufungsgericht verlange zu Unrecht die Kenntnis konkreter Vereinsstrukturen. Der Wortlaut von § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 VereinsG fordere nicht zwingend, dass der Förderungsvorsatz die Vereinsstruktur umfassen müsse. Nach dem Normzweck solle der Zugriff auf dem Vereinsvermögen vergleichbar ""bemakelte"" Sachen ermöglicht werden. Nach den Gesetzgebungsmaterialien handele es sich bei einer Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung um eine Sicherungsmaßnahme. Zudem komme der Einziehung eine strafähnliche Wirkung zu, weshalb sie eine Parallelvorschrift zu § 74a Nr. 1 StGB darstelle. Im Übrigen sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unerheblich, ob das FNS zum Zeitpunkt der Verbotsverfügung noch Gewahrsam an dem Grundstück gehabt habe. Es genüge, dass die Sache der Vereinigung in der Vergangenheit zur Verfügung gestanden habe. Dies folge aus dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der Normen. 8 Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. II 9 Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet und deshalb nach § 144 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts ohne Verletzung von Bundesrecht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO stattgegeben. Er hat die Klage zutreffend als zulässig (1.) und begründet (2.) erachtet. 10 1. Die Klägerin begehrt in gemäß § 44 VwGO zulässiger objektiver Klagehäufung die Aufhebung der Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung. Es handelt sich dabei um zwei Nebenentscheidungen zu einem Vereinsverbot, die jeweils Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG bzw. der entsprechenden landesrechtlichen Regelung des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG darstellen und selbständig anfechtbar sind. Die Anfechtungsklage ist somit statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist die Klägerin klagebefugt, § 42 Abs. 2 VwGO. Es besteht die Möglichkeit, dass die im Tenor und in der Begründung der Verbotsverfügung konkret auf ihr Grundstück in O. bezogene Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung sie in ihrem durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Eigentum verletzt (vgl. zur Verneinung der Klagebefugnis in Fallgestaltungen, in denen es an einer solchen Konkretisierung in der Verbotsverfügung mangelt: BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2020 - 6 A 1.19 - BVerwGE 167, 293 Rn. 29). Die Klägerin ist unverändert Eigentümerin des bebauten Grundstücks und als solche im Grundbuch eingetragen. Obschon sie das Grundstück mit notariellem Kaufvertrag vom 10. Februar 2014 an ihren Sohn verkauft hat, hat ein dinglicher Rechtsübergang bis zum Erlass der Verbotsverfügung nicht stattgefunden. 11 2. Die Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung. Dabei können - wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht - zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Januar 2016 - 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 17 m. w. N.). Anzuwenden ist deshalb das Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 5. August 1964 (BGBl. I S. 593) in der durch Art. 5 des Sechzigsten Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 30. November 2020 (BGBl. I S. 2600) geänderten Fassung. 12 Die Befugnis für den Erlass einer Beschlagnahmeanordnung folgt aus § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Satz 2 VereinsG. Ermächtigungsgrundlage für die Einziehungsanordnung ist § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Satz 2 VereinsG. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 VereinsG ist das gegenüber einem Verein ergehende Verbot in der Regel mit der Beschlagnahme und der Einziehung von Sachen Dritter zu verbinden, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat. Nach dem im Kern wortgleichen § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG werden Sachen Dritter eingezogen, wenn der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 VereinsG gelten die §§ 3 bis 7 sowie §§ 10 bis 13 VereinsG für Ersatzorganisationen entsprechend. 13 Trotz des missverständlichen Wortlauts in § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG (""Beschlagnahme"" und ""Einziehung"") sind die Beschlagnahme sowie die Einziehung als solche nicht Prüfgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Vielmehr geht es allein um die akzessorische Anordnung dieser Vollzugsmaßnahmen in der Verbotsverfügung (vgl. Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 3 Rn. 2). Akzessorisch bedeutet, dass es sich um Anordnungen handelt, die nur im Zusammenhang mit einem Vereinsverbot als Nebenentscheidungen ausgesprochen werden können und von dessen Bestand abhängig sind (vgl. BT-Drs. IV/430 S. 12, 20). Insofern ist die vereinsrechtliche Feststellung, dass eine bestimmte Vereinigung als Verein verboten ist, ein nach materiellem Recht vorgreifliches Rechtsverhältnis im Sinne des § 94 VwGO (vgl. VGH München, Beschluss vom 14. Juli 2015 - 4 C 15.10 90 - juris Rn. 8 ff.). Im vorliegenden Fall sind die Ziffern 1 und 2 der Verbotsverfügung des Beklagten vom 2. Juli 2014, zu denen die im Streit stehende Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung akzessorisch ist, nach Abweisung der hiergegen gerichteten Klagen bestandskräftig. Damit steht fest, dass das FNS als Ersatzorganisation der F.A.F. verboten und aufgelöst ist. 14 Zu recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass die materiellen Voraussetzungen der Befugnisnormen für den Erlass einer Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung im maßgeblichen Zeitpunkt nicht vorgelegen haben. Die § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Satz 2 VereinsG sehen sowohl objektive als auch subjektive Anforderungen für den Erlass einer Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung vor. In objektiver Hinsicht ist erforderlich, dass es sich um Sachen Dritter handelt, die von den - einer Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung gleichermaßen unterliegenden - Forderungen Dritter (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VereinsG) sowie dem Vereinsvermögen in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG abgegrenzt werden müssen. Der Berechtigte muss durch die Überlassung an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen gefördert haben. In subjektiver Hinsicht verlangen die Vorschriften vorsätzliches Handeln im Sinne eines Förderungsvorsatzes, dessen Reichweite sich nur anhand des objektiven Tatbestands (dazu a.) ermitteln lässt. Ausgehend vom objektiven Tatbestand der § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG ist der vom Berufungsgericht aufgestellte rechtliche Maßstab für die Anforderungen an den Förderungsvorsatz mit Bundesrecht vereinbar (b.). Auch gegen die Anwendung dieser Rechtssätze im Fall der Klägerin bestehen keine revisionsgerichtlichen Bedenken (c.). Mangels durchgreifender Verfahrensrügen des Beklagten ist der Senat als Revisionsgericht an die Tatsachenfeststellung des Berufungsgerichts gebunden, § 137 Abs. 2 VwGO. Die tatrichterliche Würdigung im angefochtenen Urteil, der Klägerin lasse sich kein Vorsatz nachweisen, hat der Senat deshalb seiner Entscheidung zugrunde zu legen (d.). 15 a. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 12 Abs. 2 VereinsG ermöglichen den staatlichen Zugriff auf Sachen Dritter. Hiervon zu unterscheiden sind nicht nur die in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VereinsG genannten Forderungen Dritter, sondern auch das Vereinsvermögen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG). 16 aa. Das Vereinsvermögen ist nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Interesse der Effektivität der Gefahrenabwehr und insbesondere der Bekämpfung der Vermögenstarnung nicht im eigentumsrechtlichen, sondern im wirtschaftlichen Sinne und damit weit zu verstehen. Zum Vereinsvermögen gehören danach die Forderungen und Rechte, deren Inhaber der Verein ist, sowie die beweglichen und unbeweglichen Sachen, die im Eigentum des Vereins stehen oder die der Verein einem Dritten zu treuen Händen übertragen bzw. die ein Dritter als Treuhänder für den Verein erworben hat (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3 und § 11 Abs. 1 Satz 2 VereinsG). Darüber hinaus zählt die Gesamtheit der Vermögenswerte dazu, derer sich der Verein im wirtschaftlichen Sinne während seines Bestehens zur Erreichung seiner Zwecke tatsächlich bedient hat oder bedienen wollte und deren Einsatz im Wesentlichen von seinem Willen oder dem Willen der Vereinsführung abhing; insoweit sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Bei Sachen kommt es in der Regel nicht auf das rechtliche Verhältnis, sondern auf das tatsächliche Herrschaftsverhältnis im Sinne eines Vereinsgewahrsams an (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 1 A 14.16 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 75 Rn. 26 m. w. N.). 17 An diesem wirtschaftlichen Vereinsvermögensbegriff ist ungeachtet der Differenzierung der Beschlagnahme- und Einziehungsobjekte in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 VereinsG seit den Änderungen durch das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung und anderer Gesetze vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I 3186 - Verbrechensbekämpfungsgesetz) im Grundsatz festzuhalten. Die neue Systematik des Vereinsgesetzes gibt insbesondere keinen Anlass, die Abgrenzung, ob es sich um Sachen des Vereins oder eines Dritten handelt, nunmehr nur noch anhand der zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse vorzunehmen (so aber OVG Bautzen, Beschluss vom 19. Februar 2018 - 3 A 580/16 - juris Rn. 10; Albrecht, JöR (Bd. 68) 2020, 271 <288 f.>; kritisch zum weiten Vereinsvermögensbegriff auch Peter, ThürVBl. 2018, 156 <157 f.>). Hiergegen spricht, dass das öffentliche Vereinsrecht zum Zwecke der Gefahrenabwehr in § 2 Abs. 1 VereinsG von einem eigenständigen, insbesondere von den zivilrechtlichen Rechtsformen unabhängigen Begriff eines Vereins ausgeht, der deutlich über den zivilrechtlichen Vereinsbegriff hinausgeht. Dahinter steht der Gedanke, dass es auf die tatsächlichen Verhältnisse einer Personengruppe ankommt (vgl. BT-Drs. IV/430 S. 10). Tatsachenfeststellungen zu einer im Einzelfall schwierigen Klärung der Rechtsform oder Rechtsfähigkeit der Vereinigung sind deswegen entbehrlich. Dies dient der effektiven Abwehr der von der Vereinigung ausgehenden Gefahren. Demgegenüber drohen bei einer ausschließlich anhand zivilrechtlicher Kriterien vorgenommenen Bestimmung des Vereinsvermögens Schutzlücken, etwa dann, wenn sich der Personenzusammenschluss wegen §§ 134, 138 BGB nicht wirksam konstituiert hat und Gesamthandsvermögen deshalb möglicherweise nicht entstanden ist (zu den Grenzen der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft BGH, Urteil vom 21. März 2005 - II ZR 310/03 - NJW 2005, 1784 <1785> m. w. N.; kritisch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 6 III 3; Schäfer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 705 Rn. 345 m. w. N.). 18 Mit Blick auf die nunmehr in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG eigenständig geregelte Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter hat der Gesetzgeber allerdings zum Ausdruck gebracht, dass auf diese - von den gesondert geregelten Treuhandfällen nach § 10 Abs. 1 Satz 3 VereinsG abgesehen - nur unter gegenüber dem Zugriff auf Sachen im Vereinsvermögen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG erschwerten Voraussetzungen zugegriffen werden kann. Bis zur Änderung durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz bestimmte § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG a. F. lediglich, dass in der Verbotsverfügung in der Regel die Beschlagnahme und Einziehung ""des Vereinsvermögens"" anzuordnen war. Zwar sah schon § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. vor, dass auch Sachen Dritter eingezogen werden konnten, wenn der Berechtigte durch die Überlassung die verfassungswidrigen Bestrebungen des Vereins vorsätzlich gefördert hat. Allerdings galt das nach dem klaren Wortlaut der Norm nur dann, wenn die Sachen Dritter ""im Gewahrsam des Vereins"" standen. Aufgrund der Beschlagnahme konnten Sachen im Gewahrsam des Vereins und auf der Grundlage einer besonderen Anordnung Sachen ""des Vereinsvermögens"" im Gewahrsam Dritter sichergestellt werden (§ 10 Abs. 2 VereinsG a. F.). Mit der Zielsetzung, künftig auch auf Sachen Dritter im Gewahrsam Dritter zugreifen zu können, hat der Gesetzgeber sodann die Änderungen in § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG sowie redaktionelle Anpassungen in § 10 Abs. 2 und § 12 Abs. 2 VereinsG vorgenommen (BT-Drs. 12/6853 S. 45 f.). Seitdem gibt es für die Anordnung der Beschlagnahme und der Einziehung von Sachen Dritter - ebenso wie schon zuvor (nur) für die Einziehung von Sachen Dritter in § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. – in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Diese nimmt einerseits die zuvor in § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. normierten Fallgestaltungen auf (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 VereinsG) und ermöglicht andererseits erstmalig den Zugriff auf Sachen Dritter, die zur Förderung verfassungswidriger Bestrebungen der Vereinigung bestimmt sind (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 VereinsG). Bei § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG handelt es sich somit ersichtlich um eine lex specialis gegenüber der das Vereinsvermögen betreffenden Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG. 19 Infolgedessen ist die Zuordnung von Sachen zum Vereinsvermögen zwar unverändert nicht zivilrechtlich, sondern grundsätzlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmen. Das Vereinsvermögen erfasst deswegen nicht nur Sachen, die im Eigentum der Vereinigung stehen oder die der Verein einem Dritten zu treuen Händen übertragen bzw. die ein Dritter als Treuhänder für den Verein erworben hat (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3 und § 11 Abs. 1 Satz 2 VereinsG). Es schließt darüber hinaus auch Sachen ein, hinsichtlich derer die Eigentumsverhältnisse nicht ohne Weiteres erkennbar sind, an denen aber nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ein Vereinsgewahrsam festgestellt werden kann. Gerade in der Einbeziehung dieses ""Graubereichs"" in das Vereinsvermögen liegt der gefahrenabwehrrechtliche Mehrwert gegenüber einer rein zivilrechtlich orientierten Betrachtungsweise. Hingegen sind Sachen, die - von den Konstellationen des § 10 Abs. 1 Satz 3 VereinsG abgesehen - ersichtlich im Eigentum Dritter stehen, aufgrund der Spezialregelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG vom Begriff des Vereinsvermögens ausgenommen. 20 Welcher Art die ""Sachen"" Dritter nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG sind, ist unerheblich. Es kann sich um solche Sachen handeln, durch die der Verein erst in die Lage versetzt wird, seine verbotswürdigen Bestrebungen zu verfolgen (etwa Waffen, Fahrzeuge oder Propagandamaterial, vgl. BT-Drs. IV/430 S. 21) oder auch um scheinbar ""neutrale"" Sachen ohne objektiven Bezug zum Vereinszweck und Verbotsgrund wie beispielsweise Räumlichkeiten oder Grundstücke. 21 bb. Der Begriff des ""Dritten"" im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 12 Abs. 2 VereinsG ist vom Verein abzugrenzen und umfasst sowohl Mitglieder als auch Nichtmitglieder der Vereinigung (ebenso Seidl, in: Albrecht/Roggenkamp, Vereinsgesetz, 1. Aufl. 2014, § 12 Rn. 22; Groh, VereinsG, 1. Aufl. 2012, § 12 Rn. 7; Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand April 2023, VereinsG § 12 Rn. 9). Dieses Begriffsverständnis lag bereits § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. zugrunde (Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 12 Rn. 11). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber im Zuge des Verbrechensbekämpfungsgesetzes hieran etwas ändern wollte, lassen sich der Begründung zum Gesetzentwurf nicht entnehmen (vgl. BT-Drs. 12/6853 S. 45 f.). Aus ihr wird im Gegenteil deutlich, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der zweiten Alternative des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG vor allem an den Zugriff auf Sachen von Vereinsmitgliedern gedacht hat und die ""Dritten"" gerade nicht auf außenstehende Personen begrenzen wollte (BT-Drs. 12/6853 S. 46 zu § 12 Abs. 2 VereinsG). 22 cc. Die Normen fordern eine ""Überlassung"" der Sache des Dritten ""an den Verein"". Dies setzt ein bewusstes und rechtserhebliches Übertragen des Gewahrsams an der Sache voraus (Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 12 Rn. 12; Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, VereinsG § 12 Rn. 25; Groh, VereinsG, 1. Aufl. 2012, § 12 Rn. 7; Seidl, in: Albrecht/Roggenkamp, Vereinsgesetz, 1. Aufl. 2014, § 12 Rn. 22). Der Empfänger der tatsächlichen Sachherrschaft an der Sache muss die Vereinigung sein, womit inhaltlich auf § 2 Abs. 1 VereinsG Bezug genommen und verdeutlicht wird, dass es sich um vereinsrechtliche Nebenentscheidungen handelt, die akzessorisch an ein Vereinsverbot anknüpfen. Die Art der Überlassung ist ohne Bedeutung. Erfasst werden sowohl rechtsgeschäftliche als auch rein tatsächliche Gebrauchsüberlassungen (ebenso Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 12 Rn. 12; enger offenbar Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, VereinsG § 12 Rn. 25 sowie Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand April 2023, VereinsG § 12 Rn. 9: ""Vertragsverhältnis""). Die Gewahrsamsübertragung an die Vereinigung kann unmittelbar durch den Berechtigten selbst oder mittelbar durch einen dazwischengeschalteten Dritten erfolgen, solange diese Weitergabe dem Berechtigten noch objektiv zurechenbar ist. Die Überlassung muss ""dessen"" verfassungswidrige Bestrebungen gefördert haben, also nicht irgendwelche verfassungsfeindlichen Aktivitäten, sondern diejenigen des Vereins, an den die Sache überlassen worden ist. 23 dd. In der Verwendung des Tatbestandsmerkmals der ""verfassungswidrigen Bestrebungen"" liegt im Übrigen keine Beschränkung des Gesetzgebers auf den Verbotsgrund der Unvereinbarkeit mit der verfassungsmäßigen Ordnung (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 29. März 2018 - 3 A 214/17 - DVBl 2018, 1024 = juris Rn. 25; Albrecht, JöR (Bd. 68) 2020, 271 <314>; Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 12 Rn. 2 a. E.). Denn die ""verfassungswidrigen Bestrebungen"" im Sinne des Vereinsgesetzes werden seit seinem Inkrafttreten durch einen Klammerzusatz in § 8 Abs. 1 VereinsG definiert, in welchem auf Art. 9 Abs. 2 GG Bezug genommen wird. In der Begründung zu dem Entwurf des Vereinsgesetzes ist hervorgehoben worden, dass unter ""verfassungswidrigen"" Bestrebungen alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen gemeint seien; dies ergebe sich - da in dem Entwurf der Klammerzusatz noch nicht enthalten war – ""aus dem Zusammenhang"" (BT-Drs. IV/430 S. 18). In Art. 9 Abs. 2 GG werden die drei Verbotsgründe genannt, eine Beschränkung auf nur einen Verbotsgrund beabsichtigt die Formulierung ""verfassungswidrige Bestrebungen"" somit ganz offenkundig nicht (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 7. Januar 2016 - 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 3 und 18; dazu auch BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 2019 - 1 BvR 1099/16 - juris Rn. 9 ff.). Die Überlassung der Sache des Dritten ""fördert"" jene Bestrebungen, wenn sie objektiv geeignet ist, die verfassungswidrigen Aktivitäten des Vereins zu ermöglichen, zu verstärken oder ihre Durchführung zu erleichtern (vgl. Groh, VereinsG, 1. Aufl. 2012, § 12 Rn. 7; Albrecht, JöR (Bd. 68) 2020, 271 <311, 315>). Auf einen feststellbaren Förderungserfolg kann es hierbei mit Blick auf den gefahrenabwehrrechtlichen Sinn und Zweck der Normen nicht ankommen, obschon der von der zweiten Alternative des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG abweichende Wortlaut der ersten Alternative (""gefördert hat"") zunächst darauf hinzudeuten scheint (so aber wohl Albrecht, JöR (Bd. 68) 2020, 271 <315>). 24 ee. Die Vereinigung muss ferner im Verbotszeitpunkt noch Gewahrsam an der überlassenen Sache innehaben. Der Wortlaut der § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG ist zwar offen und ließe auch ein abweichendes Verständnis zu. Allerdings führen die historische Auslegung (1) sowie der Sinn und Zweck der Vorschriften (2) zu diesem Ergebnis. Vor allem fordert Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ein solches Normverständnis (3). 25 (1) Wie ausgeführt, nimmt § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 VereinsG seit 1994 die frühere Regelung in § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. auf, die sich ausdrücklich auf ""Sachen Dritter im Gewahrsam des Vereins"" bezog. Im Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. bestand kein Zweifel, dass die Sache des Dritten im Verbotszeitpunkt im Gewahrsam des Vereins stehen, die Überlassung mithin noch andauern musste (vgl. Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 12 Rn. 11). Anhaltspunkte dafür, dass hieran im Zuge der gesetzgeberischen Änderungen des Verbrechensbekämpfungsgesetzes etwas inhaltlich geändert werden sollte, lassen sich den Gesetzgebungsmaterialien nicht entnehmen. Vielmehr hat der Gesetzgeber im Vereinsrecht vordringlich das Ziel verfolgt, den staatlichen Zugriff künftig auch auf die Sachen Dritter im Gewahrsam Dritter zu erweitern (siehe BT-Drs. 12/6853 S. 45 f.). Hierfür hat er die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2, § 12 Abs. 2 Alt. 2 VereinsG geschaffen. Um ihren Anwendungsbereich nicht zu konterkarieren, ist das bisher in § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. enthaltene Gewahrsamserfordernis des Vereins für § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG gestrichen worden. Die Streichung ist ausdrücklich als bloße notwendige ""Folgeänderung"" bezeichnet worden (BT-Drs. 12/6853 S. 46), ebenso wie die sprachliche Anpassung des § 10 Abs. 2 Satz 1 an den neuen § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG durch die Streichung der Wörter ""des Vereinsvermögens"". Es ginge am Willen des Gesetzgebers vorbei, diesen redaktionellen Anpassungen eine inhaltliche Bedeutung beizumessen. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass in dem Anwendungsbereich der § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG künftig auch längst beendete Überlassungen in der Vergangenheit einbezogen werden sollten. 26 (2) Hinzu kommen teleologische Gründe, die den Gewahrsam des Vereins an den ihm überlassenen Sachen auch noch im Verbotszeitpunkt erfordern. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 12 Abs. 2 VereinsG erlauben den staatlichen Zugriff auf vereinsfremdes Vermögen zum Zwecke der Gefahrenabwehr. Die Normen erfassen in den beiden Alternativen auf unterschiedliche Weise ""bemakelte"" Sachen Dritter, weil der Dritte mit ihrer Überlassung die verfassungswidrigen Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat (Alt. 1) oder seine Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt waren (Alt. 2). In beiden Konstellationen geht es um die Abwehr künftiger Gefahren, die mit diesen Sachen verbunden sind. Denn nach dem Verbot eines Vereins ist damit zu rechnen, dass die in ihm organisierten verfassungsfeindlichen Kräfte versuchen, entweder den Verein illegal fortzusetzen oder sich neu zu gruppieren, um ihre Ziele in anderen Organisationsformen und auf anderem Wege zu erreichen. Deswegen kommt dem Entzug der materiellen Mittel des Vereins als Sicherungsmaßnahme eine große Bedeutung zu (BT-Drs. IV/430 S. 18 f.). Dies bestätigt auch § 11 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 VereinsG, wonach von der Einziehung im Ermessenswege nur abgesehen werden kann, wenn im Einzelfall keine Gefahr besteht, dass Vermögenswerte des Vereins erneut zur Förderung von Handlungen oder Bestrebungen der in Art. 9 Abs. 2 GG genannten Art verwendet werden. 27 Resultiert aber die abzuwendende Gefahr bei den Sachen Dritter im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG aus der vorsätzlichen Überlassung an den Verein zur Förderung dessen verfassungswidriger Bestrebungen, muss diese Gefahr im Verbotszeitpunkt auch tatsächlich noch bestehen. Der vereinsrechtliche Zugriff auf die Sache ist nur gerechtfertigt, wenn sie von dem Verein weiter zur Verwirklichung der Verbotstatbestände benutzt wird oder benutzt werden könnte. Dies ist lediglich dann der Fall, wenn der Verein weiterhin Gewahrsam an der Sache hat, weil er dann jederzeit über sie verfügen und mit ihr die verfassungswidrigen Bestrebungen fortführen kann. Hat der Verein die tatsächliche Sachherrschaft an der Sache - aus welchen Gründen auch immer - zwischenzeitlich verloren, besteht die den Zugriff auf die Sache des Dritten rechtfertigende Gefahr hingegen nicht mehr fort. 28 (3) Überdies gebieten verfassungsrechtliche Erwägungen ein solches Normverständnis. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG stellen Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar (OVG Münster, Beschluss vom 31. Mai 2006 - 5 A 4410/04 - juris Rn. 13 ff.; VGH München, Urteil vom 26. November 2007 - 4 B 07.10 4 - juris Rn. 19 ff.; zu § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG: BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2004 - 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 87 sowie Beschluss vom 29. Januar 2013 - 6 B 40.12 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 60 Rn. 28). Diese bedürfen einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung und dürfen weder weiter gehen, als es ihr Grund, der Schutz des Gemeinwohls, erfordert, noch - gemessen am sozialen Bezug und an der sozialen Bedeutung des Eigentumsobjekts sowie im Hinblick auf den Regelungszweck - zu einer übermäßigen Belastung führen und den Eigentümer im vermögensrechtlichen Bereich unzumutbar treffen (BVerfG, Beschlüsse vom 12. Dezember 1967 - 2 BvL 14/62 u. a. - BVerfGE 22, 387 <422 f.> und vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95 - BVerfGE 110, 1 <28> m. w. N.). 29 Das Vereinsverbot bezweckt die Abwehr von Gefahren, die von der Vereinigung als solcher ausgehen; die besondere Gefährdung folgt somit gerade aus dem Zusammenschluss in kollektiver Form (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2012 - 6 A 6.11 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 59 Rn. 51 und vom 7. Januar 2016 - 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 38). Auch die hier in Rede stehenden vereinsrechtlichen Nebenentscheidungen sind diesem Zweck verpflichtet. Mit ihnen werden Gefahren für Rechtsgüter der Gemeinschaft abgewendet, die mit den verbotswürdigen Aktivitäten des kollektiven Personenzusammenschlusses in einem Zusammenhang stehen und von der Sache des Dritten ausgehen (vgl. in diesem Zusammenhang BVerfG, Beschluss vom 17. November 1966 - 1 BvL 10/61 - BVerfGE 20, 351 <359>). Die Maßnahmen dienen der Verhütung weiteren Rechtsmissbrauchs (BT-Drs. IV/430 S. 19). Fehlt es an dem Zusammenhang der Sache mit der spezifischen Gefahrenlage, ließe sich der entschädigungslose Rechtsverlust für den Dritten nicht legitimieren, sondern überstiege die Beschränkung des Eigentums die Zumutbarkeitsgrenze im vermögensrechtlichen Bereich. Kann aber eine Vereinigung nur dann verboten werden, sofern ihre Aktivitäten im Verbotszeitpunkt einen Verbotsgrund verwirklichen, erfordert auch der Zugriff auf die Sache des Dritten, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch im Gewahrsam der Vereinigung steht. Lediglich dann birgt sie das gesteigerte Gefahrenpotential, das zum Schutze des Gemeinwohls abzuwenden ist. Für die Zeit vor Erlass der Verbotsverfügung kann das Agieren der Vereinigung noch nicht als rechtswidrig oder illegal angesehen werden. Erst das Verbot durch die Verbotsbehörde wirkt konstitutiv, vorher dürfen die Vereinigung nicht als verboten behandelt und die allgemein erlaubte Betätigung für die Vereinigung nicht als Unrecht bewertet werden (BVerwG, Urteile vom 6. Februar 1975 - 2 C 68.73 - BVerwGE 47, 330 <351> und vom 21. Oktober 1986 - 1 C 44.84 - BVerwGE 75, 86 <97 f.>). Auf die Sache eines Dritten, die der Vereinigung im Zeitpunkt des Verbots nicht mehr zur freien Verfügung steht, darf deshalb mit vereinsrechtlichen Mitteln nicht zugegriffen werden. 30 b. Ausgehend von diesem Verständnis des objektiven Tatbestands ist der im angefochtenen Urteil aufgestellte rechtliche Maßstab zum Förderungsvorsatz mit revisiblem Recht vereinbar. Das Berufungsgericht geht zu recht davon aus, dass für § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG bedingter Vorsatz ausreicht (aa.). Es nimmt weiter an - ohne dies ausdrücklich auszusprechen –, dass sich der Vorsatz auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen muss. Auch hiergegen ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden (bb.). 31 aa. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG verlangen ein vorsätzliches Fördern. Hierfür genügt Eventualvorsatz (ebenso Seidl, in: Albrecht/Roggenkamp, VereinsG, 1. Aufl. 2014, § 12 Rn. 22; Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, VereinsG § 12 Rn. 26). Denn nach dem Wortlaut ist ""Absicht"" oder ein ""absichtliches"" Fördern nicht erforderlich, so dass alle Arten von Vorsatz und damit auch dessen schwächste Form, dolus eventualis, erfasst werden. Zudem sprechen der Sinn und Zweck von § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG dafür, bedingten Vorsatz ausreichen zu lassen. Ihrem gefahrenabwehrrechtlichen Zweck ist es dienlich, schon bei bedingtem Vorsatz des Überlassenden auszuschließen, dass er weiter Gelegenheit erhält, die Sache anderen Vereinigungen zur Förderung verfassungswidriger Bestrebungen zu überlassen. Dies unterbindet im Sinne einer effektiven Verbotsdurchsetzung zuverlässig weiteren Rechtsmissbrauch. 32 Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den tatbestandlichen Erfolg als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles Willen zumindest mit dem Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und er ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten. Beide Elemente müssen tatsachenfundiert getrennt voneinander geprüft werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 10. Januar 1980 - 1 D 56.79 - juris Rn. 13, vom 20. Oktober 1981 - 5 C 16.80 - Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr. 3 S. 4 sowie vom 18. September 2003 - 2 WD 3.03 - juris Rn. 6; BGH, Urteile vom 29. Dezember 2017 - VI ZR 128/16 - NJW 2018, 1751 <1752> sowie vom 24. Juni 2021 - 4 StR 79/20 - SVR 2021, 471 <473 f.>). 33 bb. Das Berufungsgericht geht ferner ersichtlich davon aus, dass sich der Vorsatz auf alle Merkmale des objektiven Tatbestands beziehen muss. Denn es verhält sich näher zu den Anforderungen an den Vorsatz hinsichtlich der ""Förderung"" der ""verfassungswidrigen Bestrebungen"" durch die ""Überlassung"" der Sache des Dritten. Darüber hinaus bezieht es das Vorsatzerfordernis der Sache nach auch auf die Überlassung ""an den Verein"" sowie auf ""dessen"" verfassungswidrige Bestrebungen. Auch dies ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Dass Bezugspunkt des Vorsatzes sämtliche Merkmale des objektiven Tatbestands sind, entspricht nicht nur im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht allgemeiner Auffassung (vgl. Kudlich, in: BeckOK StGB, Stand 1. Mai 2023, § 15 Rn. 4 f.; Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl. 2023, § 15 Rn. 4; Rengier, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 10 Rn. 3). Auch im Bereich des Zivilrechts gilt, dass sich der Vorsatz auf den gesamten Haftungstatbestand erstrecken muss (vgl. Stadler, in: Jauernig, BGB, 18. Aufl. 2021, § 276 Rn. 19 m. w. N.). Anhaltspunkte dafür, dass für § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG Abweichendes gelten soll, sind nicht ersichtlich. 34 (1) Somit muss der Vorsatz zum einen darauf bezogen sein, dass die Überlassung der Sache verfassungswidrige Bestrebungen fördert. Da es sich bei den verfassungswidrigen Bestrebungen um ein normatives Tatbestandsmerkmal handelt, ist es sachgerecht, mit dem Verwaltungsgerichtshof auf das Wissen des Eigentümers über die tatsächlichen Aktivitäten des Vereins und eine Parallelwertung in der Laiensphäre abzustellen. Denn bei Tatbestandsmerkmalen, die Wertungen und juristische Subsumtionen erfordern, gehört die rechtlich richtige Beurteilung nicht zum Tatvorsatz, sondern genügt eine laienhafte Vorstellung, die eine ausreichende Bedeutungskenntnis beinhaltet (vgl. für das Zivilrecht BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - VI ZR 266/16 - WM 2017, 1400 <1402> und für das Strafrecht BGH, Beschluss vom 26. März 2018 - 4 StR 408/17 - WM 2018, 787 <791> jeweils m. w. N.). 35 (2) Zum anderen muss sich der Vorsatz auch darauf beziehen, dass die Sache ""an den Verein"" überlassen wird und dadurch ""dessen"" verfassungswidrige Bestrebungen gefördert werden. Obwohl der Verwaltungsgerichtshof nur das Wissenselement des Vorsatzes anspricht (""zumindest laienhafte Vorstellung davon entwickelt haben...""), ergibt sich aus dessen vorangegangenen Sätzen im Berufungsurteil hinreichend deutlich, dass das Gericht Vorsatz als Wissen und Wollen der objektiven Tatbestandsmerkmale versteht. Mit diesem zutreffenden Verständnis ist die Auffassung des Beklagten unvereinbar, es genüge, dass dem Dritten die Nutzung der Sache egal gewesen sei und er jede beliebige Verwendung - auch durch (irgend-)eine Vereinigung - billigend in Kauf genommen habe. 36 Bereits der Wortlaut von § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG lässt erkennen, dass sich das vorsätzliche Fördern auf ""dessen"" verfassungswidrige Bestrebungen bezieht, womit nur der konkret verbotene Verein gemeint sein kann, ""an den"" die Sachen überlassen worden sind. Auch die Entstehungsgeschichte der Normen stützt dieses Verständnis. Denn die sprachlichen Änderungen bei der Übernahme des § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 VereinsG (von ""die verfassungswidrigen Bestrebungen des Vereins"" zu ""dessen verfassungswidrige Bestrebungen"") waren - wie angeführt - lediglich redaktioneller Natur. Insofern bezieht sich ""dessen"" weiterhin auf den Verein und nicht, wie der Beklagte meint, auf die verfassungswidrigen Bestrebungen und muss der Vorsatz - was in § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. deutlicher wurde - auf die verfassungswidrigen Bestrebungen des Vereins bezogen sein. 37 Hinzu kommt, dass ein Vereinsverbot der Abwehr der von der konkreten Vereinigung als solcher ausgehenden Gefahren dient, weil gerade aus dem Zusammenschluss in kollektiver Form eine besondere Gefährdung folgt. Deswegen muss der Dritte dieses gesteigerte Gefahrenpotential bewusst und gewollt fördern. Das auf die Vereinigung bezogene Vorsatzerfordernis hat darüber hinaus eine den staatlichen Zugriff begrenzende Funktion, auf die mit Blick auf den grundrechtlichen Eigentumsschutz durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht verzichtet werden kann. Die Inhalts- und Schrankenbestimmung durch § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG rechtfertigt sich nicht nur aus dem gefahrenabwehrrechtlichen Sicherungsgedanken, das Vereinsverbot prospektiv effektiv umzusetzen, sondern auch aus der infolge seines Vorsatzes herabgesetzten Schutzwürdigkeit des Dritten (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, VereinsG § 3 Rn. 144). 38 Aus dem vom Beklagten angeführten § 74a StGB lässt sich im vorliegenden Zusammenhang nichts herleiten, weil diese Norm an eine Tat als Strafsanktion anknüpft. Anders als der vereinsrechtliche Zugriff auf Sachen Dritter verfolgt die Norm eine repressive Zielsetzung. 39 Auch die Frage, ob eine Vereinigung im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG vorliegt, ist mit Wertungen und Subsumtionen verbunden, so dass eine Parallelwertung in der Laiensphäre genügt. Ausreichend, aber auch notwendig für das Wissenselement ist die laienhafte Erkenntnis, dass es sich um einen freiwilligen Zusammenschluss einer Mehrheit von Personen zu einem gemeinsamen Zweck handelt, die sich einer organisierten Willensbildung unterworfen haben. Dies muss sich im konkreten Fall aufgrund von Tatsachen ebenso wie das Wollenselement feststellen lassen, um Vorsatz bejahen zu können. Praktische Schwierigkeiten bei der Ermittlung der tatsächlichen Anhaltspunkte für beide Elemente des Vorsatzes dürfen nicht dazu führen, Abstriche bei den gesetzlichen Anforderungen an den Förderungsvorsatz vorzunehmen. Die Kenntnis konkreter Vereinsstrukturen, einzelner Abläufe oder von Details der internen Willensbildung ist allerdings nicht vonnöten. Ein solches Erfordernis ist im objektiven Tatbestand nicht angelegt und würde Schutzlücken bei Vereinigungen nach sich ziehen, die ihre Strukturen bewusst verheimlichen. 40 c. Die Anwendung des bundesrechtlichen Maßstabs lässt gleichfalls keinen Verstoß gegen revisibles Recht erkennen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in rechtlicher Hinsicht keine abweichenden Anforderungen an den Vorsatz der Klägerin gestellt. Entgegen der Einschätzung des Beklagten bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er seinen Maßstab zum kognitiven Element des Vorsatzes überzogen hat. Soweit in dem Berufungsurteil etwa von einer Personenvereinigung mit ""festen Strukturen und einer organisierten Willensbildung"" die Rede ist, werden lediglich die tatbestandlichen Voraussetzungen des Vereins im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG umschrieben. Ebenso liegt es bei dem ""Einblick in die internen Strukturen"", die das angefochtene Urteil nicht fordert, um Vorsatz bejahen zu können. Vielmehr sieht es den fehlenden Einblick als ein Indiz an, dass die Klägerin um die Überlassung an das FNS nicht wusste. So verhält es sich auch, wenn bezüglich der Klägerin ""nähere Kenntnis von den Organisationsstrukturen"" verneint wird. 41 Auch sonst rückt der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf das Wissenselement des Vorsatzes nicht davon ab, dass eine Parallelwertung in der Laienspähre über das Bestehen einer vereinsmäßigen Organisation ausreichend, aber auch erforderlich ist. Es genügt hierfür in der Tat nicht, dass die Klägerin die Nutzung des Anwesens für die Zusammenkünfte von Gesinnungsgenossen ihres Sohns kannte. Daraus allein lässt sich noch nicht auf das Vorliegen einer Vereinigung gemäß § 2 Abs. 1 VereinsG schließen. Es hätte ihr zumindest auch bekannt sein müssen, dass es sich - jedenfalls im Kern - immer wieder um denselben Personenkreis handelt, was auf einen Zusammenschluss dieser Personen im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG hingedeutet hätte. Darüber hinaus lässt das Nutzen des Anwesens durch Gesinnungsgenossen des Sohns auch nicht unmittelbar auf eine organisierte Willensbildung schließen, die § 2 Abs. 1 VereinsG ebenfalls fordert. Auch hierfür hätte es weiterer Anhaltspunkte bedurft. 42 d. An die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Klägerin das Wissenselement des Vorsatzes nicht nachgewiesen werden könne, ist der Senat als Revisionsgericht gebunden und hat sie seiner Entscheidung zugrunde zu legen (§ 137 Abs. 2 VwGO). 43 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es in der prozessrechtlich zwischen Tatsachengericht und Revisionsinstanz vorgesehenen Kompetenzverteilung Sache des Tatsachengerichts, sich im Wege der freien Beweiswürdigung die Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Der in § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO niedergelegte Grundsatz der freien Beweiswürdigung eröffnet dem Tatrichter dafür einen Wertungsrahmen. Die tatrichterliche Beweiswürdigung ist von dem Bundesverwaltungsgericht nicht daraufhin nachzuprüfen, ob die Gewichtung einzelner Umstände und deren Gesamtwürdigung überzeugend erscheinen. Sie wird dementsprechend nicht schon dadurch in Frage gestellt, dass ein Beteiligter aus dem vorliegenden Tatsachenmaterial andere Schlüsse ziehen will als das Tatsachengericht. Der Überzeugungsgrundsatz setzt geradezu voraus, dass auch eine andere Überzeugung hätte gewonnen werden können. Ein nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO beachtlicher Mangel bei der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn der gerügte Fehler sich hinreichend deutlich von der materiell-rechtlichen Subsumtion, das heißt der korrekten Anwendung des sachlichen Rechts abgrenzen lässt und der Tatrichter den ihm bei der Tatsachenfeststellung durch den Grundsatz freier Beweiswürdigung eröffneten Wertungsrahmen verlassen hat. Eine Überschreitung dieses Wertungsrahmens kann etwa in einer Nichtbeachtung der Denkgesetze, gesetzlicher Beweisregeln oder allgemeiner Erfahrungssätze oder auch in einer objektiv willkürlichen oder aktenwidrigen Sachverhaltswürdigung bestehen (BVerwG, Urteile vom 21. Juli 2010 - 6 C 22.09 - BVerwG 137, 275 Rn. 36, vom 14. Dezember 2020 - 6 C 11.18 - BVerwGE 171, 59 Rn. 40 und vom 2. März 2022 - 6 C 7.20 - BVerwGE 175, 76 Rn. 40 sowie Beschlüsse vom 5. Oktober 2018 - 6 B 148.18 - juris Rn. 9 f., vom 9. Juli 2019 - 6 B 2.18 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 31 Rn. 22 und vom 31. März 2021 - 6 B 55.20 - juris Rn. 4 f.). 44 Bei einer solchen Überschreitung des durch § 108 Abs. 1 VwGO gesetzten Rahmens handelt es sich nach der Rechtsprechung des Senats um einen Verfahrensmangel, der nur auf Rüge des Revisionsklägers zu prüfen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 2. März 2022 - 6 C 7.20 - BVerwGE 175, 76 Rn. 41 m. w. N.). Eine Verfahrensrüge hat der Beklagte jedoch nicht erhoben. 45 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2023-40,24.05.2023,"Pressemitteilung Nr. 40/2023 vom 24.05.2023 EN Tübingen darf Verpackungssteuer erheben Die Tübinger Verpackungssteuer ist im Wesentlichen rechtmäßig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Seit Januar 2022 gilt in Tübingen materialunabhängig eine Steuer auf Einwegverpackungen. Damit sollen Einnahmen für den städtischen Haushalt erzielt, die Verunreinigung des Stadtbilds durch im öffentlichen Raum entsorgte Verpackungen verringert und ein Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen gesetzt werden. Besteuert werden Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck, ""sofern Speisen und Getränke darin bzw. damit für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle oder als mitnehmbares take-away-Gericht oder -Getränk verkauft werden"". Die Steuer beträgt für jede Einwegverpackung 0,50 Euro, für jedes Einwegbesteck(-set) 0,20 Euro. Der Steuersatz pro Einzelmahlzeit ist auf maximal 1,50 Euro begrenzt. Die Antragstellerin, Inhaberin eines Schnellrestaurants im Stadtgebiet der Antragsgegnerin, stellte gegen die Satzung einen Normenkontrollantrag, der vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg Erfolg hatte. Der VGH erklärte die Satzung insgesamt für unwirksam und begründete dies mit der fehlenden Örtlichkeit der Steuer, ihrer Unvereinbarkeit mit dem Bundesabfallrecht sowie der mangelnden Vollzugstauglichkeit der Obergrenze der Besteuerung. Auf die Revision der Antragsgegnerin hat das Bundesverwaltungsgericht die kommunale Steuer für überwiegend rechtmäßig erklärt. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz handelt es sich bei der Verpackungssteuer um eine örtliche Verbrauchsteuer im Sinn des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, für deren Einführung die Stadt Tübingen zuständig war. Bei den zum unmittelbaren Verzehr, sei es an Ort und Stelle oder als ""take-away"", verkauften Speisen und Getränken ist der Steuertatbestand so begrenzt, dass ihr Konsum – und damit der Verbrauch der zugehörigen Verpackungen – bei typisierender Betrachtung innerhalb des Gemeindegebiets stattfindet. Damit ist der örtliche Charakter der Steuer hinreichend gewahrt. Die kommunale Verpackungssteuer steht als Lenkungssteuer auch nicht im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes. Sie bezweckt die Vermeidung von Verpackungsabfall im Stadtgebiet und verfolgt damit auf lokaler Ebene kein gegenläufiges, sondern dasselbe Ziel wie der Unions- und der Bundesgesetzgeber. Die Abfallvermeidung steht in der Abfallhierarchie an oberster Stelle, wie sich aus der EU-Verpackungsrichtlinie, der EU-Einwegkunststoffrichtlinie, dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und dem Verpackungsgesetz ergibt; erst danach folgen Wiederverwendung, Verwertung und Beseitigung des Abfalls. Kommunale Steuern, die Einwegverpackungen verteuern, werden durch die verschiedenen unions- und bundesrechtlichen Vorgaben zum Abfallrecht nicht ausgeschlossen. Soweit das Bundesverfassungsgericht vor 25 Jahren seine gegenteilige Ansicht zur damaligen Kasseler Verpackungssteuer auf ein abfallrechtliches ""Kooperationsprinzip"" gestützt hat (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991/95 u.a. - BVerfGE 98, 106 <117 ff.>), lässt sich ein solches dem heutigen Abfallrecht nur noch in - hier nicht maßgeblichen - Ansätzen entnehmen. Zwar erweisen sich die zu unbestimmte Obergrenze der Besteuerung von 1,50 Euro pro ""Einzelmahlzeit"" (§ 4 Abs. 2 der Satzung) und das der Stadtverwaltung ohne zeitliche Begrenzung gewährte Betretungsrecht im Rahmen der Steueraufsicht (§ 8 der Satzung) als rechtswidrig. Diese punktuellen Verstöße lassen jedoch die Rechtmäßigkeit der Satzung im Übrigen unberührt. Fußnote: Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG lautet: Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. BVerwG 9 CN 1.22 - Urteil vom 24. Mai 2023 Vorinstanz: VGH Mannheim, VGH 2 S 3814/20 - Urteil vom 29. März 2022 -","Urteil vom 24.05.2023 - BVerwG 9 CN 1.22ECLI:DE:BVerwG:2023:240523U9CN1.22.0 EN Kommunale Verpackungssteuer Leitsätze: 1. Eine kommunale Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen, Einweggeschirr und Einwegbesteck kann auch dann eine örtliche Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG sein, wenn die darin bzw. damit verkauften Speisen und Getränke ""als mitnehmbares take-away-Gericht"" angeboten werden. 2. Die Erhebung einer solchen Verpackungssteuer steht nicht im Widerspruch zur Gesamtkonzeption des geltenden Abfallrechts oder zu konkreten abfallrechtlichen Regelungen. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2a Satz 1 KrWG §§ 6, 10, 24, 33, 46 VerpackG §§ 1, 2 Abs. 5, §§ 7, 33 f. KAG BW § 9 Abs. 4 EU-Einwegkunststoffrichtlinie Instanzenzug VGH Mannheim - 29.03.2022 - AZ: 2 S 3814/20 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 24.05.2023 - 9 CN 1.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:240523U9CN1.22.0] Urteil BVerwG 9 CN 1.22 VGH Mannheim - 29.03.2022 - AZ: 2 S 3814/20 In der Normenkontrollsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler, Dr. Martini und Dr. Dieterich sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Schübel-Pfister für Recht erkannt: Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29. März 2022 wird geändert. § 4 Abs. 2 und § 8 der Satzung der Universitätsstadt Tübingen über die Erhebung einer Verpackungssteuer (Verpackungssteuersatzung) vom 30. Januar 2020 in der Fassung der Änderungssatzung vom 27. Juli 2020 werden für unwirksam erklärt. Im Übrigen wird der Normenkontrollantrag der Antragstellerin abgelehnt. Die weitergehende Revision der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt 9/10, die Antragsgegnerin 1/10 der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gründe I 1 Die Antragstellerin ist Inhaberin eines im Stadtgebiet der Antragsgegnerin gelegenen Schnellrestaurants mit Drive-in-Schalter, das sie selbständig und auf eigene Rechnung betreibt. Sie wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die Verpackungssteuersatzung der Antragsgegnerin. Deren Gemeinderat beschloss in seiner Sitzung vom 30. Januar 2020 den Erlass einer Satzung über die Erhebung einer Verpackungssteuer (Verpackungssteuersatzung), die ursprünglich am 1. Januar 2021 in Kraft treten sollte (im Folgenden auch: ""Satzung"" oder ""VStS""). Mit Änderungsbeschluss vom 27. Juli 2020 wurde das Inkrafttreten auf den 1. Januar 2022 verschoben. Durch die auf Einwegverpackungen unabhängig von ihrer stofflichen Zusammensetzung erhobene Steuer sollen Einnahmen für den städtischen Haushalt erzielt, die Verunreinigung des Stadtbilds durch im öffentlichen Raum entsorgte Verpackungen verringert und ein Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen gesetzt werden. 2 § 1 der Satzung (""Steuererhebung, Steuergegenstand"") lautet: ""(1) Die Universitätsstadt Tübingen erhebt nach Maßgabe der folgenden Vorschriften auf nicht wiederverwendbare Verpackungen (Einwegverpackungen) und nicht wiederverwendbares Geschirr (Einweggeschirr) sowie auf nicht wiederverwendbares Besteck (Einwegbesteck) eine Steuer, sofern Speisen und Getränke darin bzw. damit für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle oder als mitnehmbares take-away-Gericht verkauft werden (z. B. warme Speisen und Getränke, Eis von der Eisdiele, Salat mit Soße und Besteck, Getränke 'to go'). (2) Nicht wiederverwendbar im Sinne von Abs. 1 sind insbesondere Einwegverpackungen (wie z. B. Einwegdosen, -flaschen, -becher und sonstige Einwegbehältnisse), Einweggeschirr (Essgeschirr ohne Essbesteck) und Einwegbesteck (wie z. B. Messer, Gabel, Löffel), die keiner Pfandpflicht unterliegen. Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck sind dazu bestimmt, nur einmal oder nur kurzzeitig für den unmittelbaren Verzehr von Speisen und Getränken verwendet zu werden (wie z. B. Fast-Food-Verpackungen oder Boxen für Mahlzeiten, Sandwiches, Salat oder sonstige Lebensmittel oder Getränkebehälter)."" 3 § 2 bestimmt als Steuerschuldner die Endverkäufer der besagten Speisen und Getränke; § 3 regelt Steuerbefreiungen für bestimmte Steuergegenstände. Nach § 4 Abs. 1 beträgt der Steuersatz 0,50 € für jede Einweggetränke- und Einweglebensmittelverpackung und 0,20 € für Einwegbesteck; der Steuersatz pro Einzelmahlzeit ist nach § 4 Abs. 2 auf maximal 1,50 € begrenzt. Die §§ 5 bis 7 enthalten Regelungen über Entstehung, Festsetzung und Fälligkeit, über die Vorauszahlung sowie über Aufbewahrungs- und Aufzeichnungspflichten. § 8 sieht im Rahmen der Steueraufsicht ein Betretungsrecht der Stadtverwaltung für die Geschäftsräume der Steuerschuldner vor. Ergänzend hat die Verwaltung der Antragsgegnerin ""Auslegungshinweise"" zur Verpackungssteuersatzung (Stand Oktober 2021) erlassen, welche die konkrete Handhabung der neuen Besteuerung in der Praxis erleichtern sollen. 4 Auf den Normenkontrollantrag der Antragstellerin vom 27. November 2020 erklärte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Verpackungssteuersatzung mit Urteil vom 29. März 2022 für unwirksam. Zur Begründung führte er aus, es liege keine örtliche Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG vor, soweit die Satzung die Besteuerung von take-away-Einwegverpackungen vorsehe. Ein Verbleib und Verzehr der darin enthaltenen Gerichte und Getränke sowie ein Verbrauch der Verpackung im Gemeindegebiet seien nicht gewährleistet. Dies führe zur Gesamtunwirksamkeit der Satzung. Zudem stehe die Verpackungssteuer in ihrer Ausgestaltung als Lenkungssteuer im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes; sie widerspreche dem Gesamtkonzept sowie Einzelvorgaben namentlich des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und des Verpackungsgesetzes. Die dortigen bundesrechtlichen Regelungen seien abschließend und ließen keinen Raum für kommunale Zusatzregelungen. Der die Obergrenze der Besteuerung definierende Begriff der ""Einzelmahlzeit"" in § 4 Abs. 2 der Satzung sei nicht ausreichend vollzugsfähig und verstoße damit gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die übrigen im Normenkontrollantrag aufgeworfenen Fragen bedürften daher keiner Entscheidung. 5 Mit ihrer vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision macht die Antragsgegnerin geltend, die Verpackungssteuer sei, soweit sie ""take-away""-Einwegverpackungen betreffe, eher als Aufwandsteuer zu qualifizieren, da mit Einwegverpackungen höhere Flexibilität und Bequemlichkeit gewährt würden. Örtlicher Bezug sei daher der Erwerbsvorgang im Gemeindegebiet und nicht der Ort des Verzehrs der Ware; ggf. sei eine verfassungskonforme geltungserhaltende Auslegung oder eine Lösung über die gemeindlichen Auslegungshinweise möglich. Der angenommene Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes bestehe nicht. Der Verwaltungsgerichtshof lege einen zu strengen Maßstab bei der Betrachtung des Abfallrechts und bei der Prüfung der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung an. Zudem habe er die geänderte abfallrechtliche Rechtslage seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Kasseler Verpackungssteuer aus dem Jahr 1998 verkannt. Die Begrenzung des Steuersatzes gemäß § 4 Abs. 2 sei vollzugsfähig und insgesamt nicht zu beanstanden. 6 Die Antragsgegnerin beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29. März 2022 aufzuheben und den Normenkontrollantrag abzulehnen. 7 Die Antragstellerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und vertieft ihre Rügen aus dem Normenkontrollverfahren. 9 Die Vertreterin des Bundesinteresses beteiligt sich nicht am Verfahren. II 10 Die zulässige Revision der Antragsgegnerin ist weitgehend begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Normenkontrollantrag zu Unrecht vollumfänglich stattgegeben. Seine Annahme, die Verpackungssteuersatzung verstoße aus mehreren, selbständig tragenden Gründen insgesamt gegen höherrangiges Recht, steht mit Bundesrecht nicht im Einklang (1.). Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar, weil die übrigen, im Normenkontrollurteil nicht erörterten Rügen gegen die Satzung ebenfalls nicht oder nur partiell durchgreifen und nur zur Teilunwirksamkeit der Satzung führen (2.). 11 1. Die vom Verwaltungsgerichtshof geprüften Vorschriften der Verpackungssteuersatzung erweisen sich mit nur einer Ausnahme als rechtmäßig. Bei der Verpackungssteuer in der vorliegenden Ausgestaltung handelt es sich um eine örtliche Verbrauchsteuer, die von der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG gedeckt ist (a). Die Kompetenzausübungsschranke der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung steht dem zumindest beim gegenwärtigen Stand des Abfallrechts nicht entgegen (b). Die vom Normenkontrollgericht zutreffend festgestellte Rechtswidrigkeit des § 4 Abs. 2 VStS zur Obergrenze der Besteuerung lässt die Wirksamkeit der Satzung im Übrigen unberührt (c). 12 a) Die Antragsgegnerin war für den Erlass der angegriffenen Satzung zuständig, weil die Verpackungssteuer eine örtliche Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG ist, die nach § 9 Abs. 4 KAG BW von den Gemeinden erhoben werden kann. 13 aa) Wie der Verwaltungsgerichtshof in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zu Recht annimmt, stellt die Verpackungssteuer eine Verbrauchsteuer und keine Aufwandsteuer dar. 14 (1) Verbrauchsteuern sind Warensteuern, die den Verbrauch vertretbarer, regelmäßig zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs belasten (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 <123 f.> m. w. N.). Als indirekte Steuern werden sie zwar auf der Ebene des Verteilers oder Herstellers des verbrauchsteuerbaren Gutes erhoben; sie sind aber auf eine Überwälzung auf den privaten Endverbraucher angelegt, dessen - in der Einkommensverwendung zu Tage tretende - wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sie abschöpfen sollen (vgl. zur Kernbrennstoffsteuer als einer überörtlichen Verbrauchsteuer BVerfG, Beschluss vom 13. April 2017 - 2 BvL 6/13 - BVerfGE 145, 171 Rn. 119 m. w. N.). Ein Verbrauch ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Besteuerungsgegenstand nach Abschluss des konkreten Verwendungsvorgangs gemäß dem Sinn und Zweck des Gesetzes verbrauchsteuerrechtlich als nicht mehr existent angesehen oder funktions- und wertlos werden soll (BVerfG, Beschluss vom 13. April 2017 - 2 BvL 6/13 - BVerfGE 145, 171 Rn. 129). 15 Im Unterschied dazu stellen Aufwandsteuern nicht auf einen (einmaligen) Verbrauchsvorgang, sondern auf den Gebrauch von - in der Regel nicht verbrauchsfähigen, also nach dem Gebrauch noch existenten - Gütern und Dienstleistungen ab (vgl. Christ, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2. Aufl. 2022, Abschn. C. Rn. 268 mit Fn. 281). Sie besteuern die durch den Erwerb, das Innehaben oder die Benutzung von Konsumgegenständen zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1994 - 8 N 1.93 - BVerwGE 96, 272 <281>). Anders als die Verbrauchsteuern zeichnen sich Aufwandsteuern durch die Bezugnahme auf eine gewisse Dauerhaftigkeit der Nutzung aus. 16 (2) Hieran gemessen ist die Verpackungssteuer der Antragsgegnerin den Verbrauchsteuern zuzuordnen. Die der Besteuerung nach § 1 Abs. 1 und 2 VStS unterliegenden nicht wiederverwendbaren Objekte (Einwegverpackungen, Einweggeschirr und Einwegbesteck) sind zu einer einmaligen und kurzfristigen Verwendung bestimmt und stellen damit jeweils ein verbrauchsfähiges Gut dar. Sie sind nach dem Verzehr der darin enthaltenen bzw. mit ihrer Hilfe konsumierten Speisen und Getränke funktions- und wertlos geworden, also verbraucht (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 <124> zur damaligen Kasseler Verpackungssteuer). Dieser nach der Zahl der jeweiligen Einheiten bemessene (§ 4 Abs. 1 VStS) Verbrauch - und nicht der vorangegangene (Mit-)Verkauf des Einwegzubehörs - bildet den Gegenstand der Besteuerung. Der Verkaufsvorgang wird lediglich aus steuererhebungstechnischen Gründen als Ersatzanknüpfungspunkt herangezogen (vgl. § 5 Abs. 1 VStS). Die beim Endverkäufer als dem Steuerschuldner erhobene Steuer (vgl. § 2 VStS) ist auf Überwälzung auf den privaten Endverbraucher angelegt. Dieser soll wirtschaftlich gesehen durch die indirekte Steuer belastet werden; er ist damit Steuerträger. 17 Die Verpackungssteuer ist nicht, wie die Antragsgegnerin erstmals im Revisionsverfahren vorgetragen hat, teilweise - nämlich bezüglich des Verkaufs als mitnehmbares take-away-Gericht oder -Getränk - als eine Aufwandsteuer zu verstehen. Sie zielt auch insoweit nicht auf die Besteuerung eines länger andauernden Gebrauchs als eines die Leistungsfähigkeit indizierenden Zustandes, sondern knüpft an den kurzfristigen Verbrauch durch eine den wirtschaftlichen Wert ""eliminierende"" einmalige Nutzung an (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1994 - 8 N 1.93 - BVerwGE 96, 272 <282> m. w. N.). In § 1 Abs. 1 VStS wird nicht danach differenziert, ob der Verkauf der Speisen und Getränke für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle oder als mitnehmbares take-away-Produkt erfolgt, d. h. auf welche Art und Weise der Konsum stattfindet. Die von der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang angesprochenen Motive für die Wahl von take-away-Produkten, wie etwa die dadurch ermöglichte Flexibilität und Mobilität, stellen lediglich mittelbare Folgen dieser Verbrauchsmodalität dar; sie sind für die Einstufung als Verbrauch- oder Aufwandsteuer irrelevant. 18 bb) Entgegen der Ansicht der Vorinstanz erfüllt die Verpackungssteuer in der Ausgestaltung, die ihr die Antragsgegnerin gegeben hat, die Voraussetzungen einer ""örtlichen"" Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG. Die Formulierung des § 1 Abs. 1 VStS ""sofern Speisen und Getränke darin bzw. damit für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle oder als mitnehmbares take-away-Gericht oder -Getränk verkauft werden"" stellt den örtlichen Bezug hinreichend sicher. Die Wendung orientiert sich teilweise an dem vom Bundesverfassungsgericht gebilligten Wortlaut der Kasseler Verpackungssteuersatzung aus dem Jahr 1991; teilweise geht sie - um den gewandelten Konsumgewohnheiten bezüglich der take-away-Produkte Rechnung zu tragen - über den damaligen Wortlaut hinaus. Insoweit kann aber die örtliche Radizierung der Steuer durch eine verfassungskonforme Auslegung sichergestellt werden. 19 (1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der örtliche Charakter einer Steuer anzunehmen, wenn sie an örtliche Gegebenheiten, z. B. die Belegenheit einer Sache oder einen Vorgang im Gemeindegebiet, anknüpft und es wegen der Begrenztheit der unmittelbaren Wirkungen der Steuer auf das Gemeindegebiet nicht zu einem die Wirtschaftseinheit berührenden Steuergefälle kommen kann (so bereits BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 1963 - 2 BvL 11/61 - BVerfGE 16, 306 <327> zu Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG a. F.). Danach muss sich die örtliche Radizierung (auch) aus der normativen Gestaltung des Steuertatbestands selbst ergeben; sie kann nicht (allein) aus der natürlichen Beschaffenheit des Gegenstands abgeleitet werden (BVerfG a. a. O. <327 f.>; ebenso BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 - 2 BvR 1275/79 - BVerfGE 65, 325 <349> zu einer Aufwandsteuer; aus der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 9 BN 1.16 - juris Rn. 12 m. w. N.). Für Verpackungen bedeutet das Erfordernis der örtlichen Begrenzung, dass sie dann nicht auf kommunaler Ebene besteuert werden dürfen, wenn darin Waren in einer Weise ""zum Mitnehmen"" – insbesondere in verschlossenen Flaschen oder Dosen - verkauft werden, dass der Verbrauch der Waren und der Verpackung nicht mit hoher Sicherheit im örtlichen Bereich der steuererhebenden Gemeinde erfolgt (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1994 - 8 N 1.93 - BVerwGE 96, 272 <282>). Der Steuertatbestand muss also typisierend darauf abstellen, dass die Verpackung im Gemeindegebiet verbraucht wird. Besonderheiten einzelner Verbrauchsformen stellen danach die Örtlichkeit der Steuer in ihrem auf das Gemeindegebiet bezogenen Typus nicht in Frage (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 <124>). 20 (2) Nach diesen Maßstäben weist die Verpackungssteuer der Antragsgegnerin insgesamt die erforderliche örtliche Radizierung auf. Die normative Gestaltung des Steuertatbestands gewährleistet bei sachgerechtem Verständnis die verfassungsrechtlich geforderte Begrenzung auf das Gemeindegebiet. 21 (a) Die in § 1 Abs. 1 VStS enthaltene Wendung ""für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle oder als mitnehmbares take-away-Gericht oder -Getränk"" bringt bereits zum Ausdruck, dass die Abgabe von Einwegverpackungen, Einweggeschirr und Einwegbesteck nur in bestimmten Fällen der Steuerpflicht unterliegt. Beispielhaft wird dies in der Satzung durch einen Klammerzusatz erläutert (""z. B. warme Speisen und Getränke, Eis von der Eisdiele, Salat mit Soße und Besteck, Getränke to go""). Den dort aufgezählten Produkten ist gemeinsam, dass sich ihre Beschaffenheit (Temperatur, Konsistenz oder Frische) bei längerem Transport nachteilig verändert; sie sind daher zum (möglichst) sofortigen Verbrauch bestimmt. Wegen der geringen Haltbarkeit der exemplarisch aufgeführten Speisen und Getränke findet in aller Regel auch der Verbrauch der zugehörigen Einwegverpackungen, des Einweggeschirrs und des Einwegbestecks innerhalb kurzer Zeit in räumlicher Nähe zum Abgabeort und damit noch im Gemeindegebiet statt. 22 Dass nur solche zeit- und ortsnahen Verbrauchsvorgänge mit dem Tatbestandsmerkmal der ""take-away-Gerichte oder -Getränke"" gemeint sind, steht ersichtlich auch im Einklang mit dem unionsrechtlichen Begriffsverständnis, wie es sich insbesondere aus dem Anhang zur Einwegkunststoffrichtlinie ergibt (Richtlinie 2019/904 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt, ABl. L 155 S. 17 ff.). Zu den dort aufgezählten Einwegkunststoffartikeln gehören Verpackungen für Lebensmittel, die ""a) dazu bestimmt sind, unmittelbar vor Ort verzehrt oder als Take-away-Gericht mitgenommen zu werden; b) in der Regel aus der Verpackung heraus verzehrt werden; und c) ohne weitere Zubereitung wie Kochen, Sieden oder Erhitzen verzehrt werden können"" (vgl. Teile A, B, E und G des Anhangs). In allen diesen Fällen geht es um Produkte, die so zubereitet und verpackt sind, dass sie bereits unmittelbar nach dem Erwerb verbraucht werden können. 23 (b) Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der Bezeichnung als ""mitnehmbares take-away-Gericht oder -Getränk"" sei ebenso wie dem ""to go""-Begriff die Möglichkeit eines längeren Transports immanent, sodass der Steuertatbestand typischerweise auch auf einen Verbrauch außerhalb des Gemeindegebiets abziele (ebenso Uschkereit, GewArch 2020, 438 <440>; Kahl, EurUP 2019, 321 <326>; Feurich, Plastik als Rechtsproblem, 2020, S. 145 ff., insbes. S. 151), beruht hiernach auf einem zu weiten Verständnis dieses Tatbestandsmerkmals; sie lässt die Möglichkeit einer engeren, verfassungskonformen Auslegung außer Betracht. Die erklärte Absicht des Satzungsgebers, durch die Erhebung der Verpackungssteuer die zunehmende Vermüllung des Stadtbilds durch die im öffentlichen Raum entsorgten ""to go""-Verpackungen zu verringern (vgl. die vom Verwaltungsgerichtshof zitierte Sitzungsvorlage sowie die Äußerungen im Revisionsverfahren), lässt bereits deutlich erkennen, dass die Produkte zum Mitnehmen nicht generell und undifferenziert von der Besteuerung erfasst werden sollen. Befinden sich die Speisen und Getränke in fest verschlossenen bzw. fabrikmäßig abgepackten Behältnissen, sind sie nicht für den unmittelbaren Verzehr bestimmt, sondern können ohne Qualitätsverlust auch über weitere Strecken transportiert bzw. für längere Zeit aufbewahrt werden. Solche typischen Supermarkt- und Automatenprodukte unterliegen, wie die Antragsgegnerin in ihren Auslegungshinweisen klargestellt hat, von vornherein nicht der Besteuerung. Erfasst wird das Einwegzubehör vielmehr nur für solche Speisen und Getränke, die typischerweise entweder schon in bzw. an der Verkaufsstelle oder - als ""take away"" – zumindest in einem näheren räumlichen Umkreis verzehrt werden. In beiden Fällen erfolgt der Konsum zeitnah und damit regelmäßig ortsnah innerhalb des Gemeindegebiets. Dass die betreffenden Produkte im Einzelfall auch über längere Strecken mitgenommen werden und dabei unter Umständen die Gemeindegrenze überschreiten, ist bei der gebotenen typisierenden Betrachtung unschädlich. Das Gleiche gilt für den Einwand der Antragstellerin, wegen ihrer speziellen Ortsrandlage würden insbesondere die im Bereich des ""Drive-In"" verkauften Waren vielfach außerhalb des Gemeindegebiets verbraucht. Besondere, also nicht allgemein ortsübliche Verbrauchsformen wie ein solcher Schalterverkauf an Autofahrer stellen die Örtlichkeit der Verbrauchsteuer nicht in Frage (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 <124>). 24 b) Die Verpackungssteuer steht nicht im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes. Unter Zugrundelegung des vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstabs der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (aa) lässt sich zumindest bei der gegenwärtigen Ausgestaltung des Abfallrechts ein solcher Widerspruch nicht feststellen (bb). 25 aa) In seinem Urteil zur Kasseler Verpackungssteuer hat das Bundesverfassungsgericht speziell für den Bereich des Steuerrechts den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als Kompetenzausübungsschranke entwickelt (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 <118 ff.>). Danach benötigt der Steuergesetzgeber zwar, wie das Gericht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1994 - 8 N 1.93 - BVerwGE 96, 272 <287 ff.>) klargestellt hat, für eine mit der Steuererhebung beabsichtigte Lenkungswirkung grundsätzlich selbst dann keine (zusätzliche) Sachgesetzgebungskompetenz, wenn der außerfiskalische Lenkungszweck gleichgeordneter Zweck neben der Finanzierungsfunktion oder sogar Hauptzweck ist (BVerfG a. a. O. <118>). Die Ausübung der Steuergesetzgebungskompetenz zur Lenkung in einem anderweitig geregelten Sachbereich ist aber nur unter der Voraussetzung zulässig, dass dadurch die Rechtsordnung nicht widersprüchlich wird. Dies ist der Fall, wenn den Normadressaten gegenläufige Regelungen erreichen (BVerfG a. a. O. <119>). Der kommunale Satzungsgeber darf durch eine Lenkungssteuer nicht in den Regelungsbereich des Bundesgesetzgebers einwirken, wenn dieser den steuerlich verfolgten Lenkungszweck ausgeschlossen oder gegenläufige Lenkungswirkungen oder Handlungsmittel vorgeschrieben hat (BVerfG a. a. O. <120>). 26 Der im damaligen Urteil aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit der bundesstaatlichen Ordnung der Gesetzgebungskompetenzen abgeleitete (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106<118 f.>), später ergänzend auf Art. 31 GG gestützte (BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 - BVerfGE 141, 1 Rn. 81) Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ist im Schrifttum unter Hinweis auf seine wenig präzise normative Herleitung und seine unklare Reichweite überwiegend auf Ablehnung gestoßen (vgl. nur Sendler, NJW 1998, 2875 ff.; Schmidt/Diederichsen, JZ 1999, 37 ff.; Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1 ff.; Jarass, AöR 126 <2001>, 588 ff.; Brüning, NVwZ 2002, 33 ff.; Kahl, EurUP 2019, 321 <325 mit Fn. 69>). Ungeachtet dieser nachvollziehbaren Bedenken hat der Senat die tragenden verfassungsrechtlichen Entscheidungsgründe des damaligen Urteils im Rahmen der Bindungswirkung nach § 31 BVerfGG seiner weiteren Prüfung zugrunde zu legen (vgl. Bethge, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Stand Januar 2022, § 31 Rn. 96 ff. m. w. N.). Dass es sich bei der streitgegenständlichen Verpackungssteuer nach dem Willen des Normgebers um eine Lenkungssteuer handelt, die demgemäß am Grundsatz der Widerspruchsfreiheit zu messen ist, hat das Normenkontrollgericht in Auslegung des Ortsrechts mit bindender Wirkung festgestellt (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO). 27 bb) Nach dem Urteil zur Kasseler Verpackungssteuer darf der Steuergesetzgeber nur insoweit lenkend und damit mittelbar gestaltend in den Kompetenzbereich eines Sachgesetzgebers übergreifen, als die Lenkung weder der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung noch konkreten Einzelregelungen zuwiderläuft (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 <119>). Ein solcher Widerspruch, wie ihn das Bundesverfassungsgericht aus damaliger Sicht angenommen hat, lässt sich jedenfalls für den hier maßgeblichen Beurteilungszeitraum (1) angesichts einer wesentlich veränderten Rechtslage weder hinsichtlich der Gesamtkonzeption des Abfallrechts (2) noch bezüglich konkreter Einzelregelungen (3) feststellen. 28 (1) Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit unter dem Gesichtspunkt der Widerspruchsfreiheit ist nicht allein der Zeitpunkt der Revisionsentscheidung maßgebend, sondern ebenso der vorangegangene Zeitraum seit Erlass der Verpackungssteuersatzung. Hätte die Satzung bei ihrem Erlass oder zu einem späteren Zeitpunkt gegen höherrangiges Recht verstoßen, bliebe es bei der daraus folgenden Unwirksamkeit auch dann, wenn aus heutiger Sicht wegen einer geänderten Rechtslage kein Verstoß mehr vorläge. Insoweit kann hier nichts anderes gelten als beim Zusammentreffen von zwei Sachgesetzgebungskompetenzen im Bund-Länder-Verhältnis nach Art. 72 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 - NVwZ 2022, 861 Rn. 83 m. w. N.). Umgekehrt kann die Satzung, auch wenn sie bei ihrem Erlass rechtmäßig war, durch eine nachträgliche Änderung des abfallrechtlichen Rahmens rechtswidrig und damit unwirksam geworden sein (vgl. BVerfG a. a. O. Rn. 83); auch solche Änderungen sind daher bei der Beurteilung der Verpackungssteuersatzung in den Blick zu nehmen. Zukünftige Rechtsänderungen wie etwa das in seinen wesentlichen Teilen zum 1. Januar 2024 in Kraft tretende Einwegkunststofffondsgesetz vom 11. Mai 2023 (BGBl. I Nr. 124), das eine Sonderabgabe für die Hersteller bestimmter Einwegkunststoffprodukte vorsieht, können dagegen nicht Prüfungsmaßstab sein. Hieran zeigt sich, dass der vom Bundesverfassungsgericht postulierte Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung auch in der praktischen Handhabung Probleme aufwirft. 29 (2) Mit der kommunalen Verpackungssteuer bezweckt die Antragsgegnerin, wie sich aus der vom Verwaltungsgerichtshof zitierten Sitzungsvorlage ergibt, die Menge des in ihrem Stadtgebiet anfallenden Verpackungsabfalls zu verringern. Sie verfolgt damit auf lokaler Ebene kein widersprüchliches, sondern dasselbe Ziel wie der Bundes- und der Unionsgesetzgeber (a) und bedient sich dabei auch nicht eines dem staatlichen Recht widersprechenden Handlungsmittels (b). 30 (a) Die von der Antragsgegnerin verfolgte Zielsetzung steht im Einklang mit der sog. Abfallhierarchie, die eine Prioritätenrangfolge beim Umgang mit Abfällen festlegt. 31 (aa) Das 2012 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz - KrWG) vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 2. März 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 56), räumt im Rahmen einer fünfstufigen Abfallhierarchie der Abfallvermeidung den höchsten Rang ein (§ 6 Abs. 1 KrWG). Der zentrale Stellenwert der Abfallvermeidung beruht auf einem Paradigmenwechsel gegenüber dem - den Prüfungsschwerpunkt des Urteils zur Kasseler Verpackungssteuer bildenden - Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (Abfallgesetz) vom 27. August 1986 (BGBl. I S. 1410) - AbfG 1986 -, das lediglich eine allgemeine Pflicht zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung vorsah (§ 1a AbfG 1986). Auch in dem speziell für Verpackungsabfälle geltenden Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die hochwertige Verwertung von Verpackungen (Verpackungsgesetz - VerpackG) vom 5. Juli 2017 (BGBl. I S. 2234), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 11. Mai 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 124), das die aus dem Jahr 1991 stammende Verpackungsverordnung abgelöst hat, wird die Abfallvermeidung als vorrangiges Ziel benannt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 VerpackG). Die bundesrechtlich normierte Abfallhierarchie folgt den unionsrechtlichen Vorgaben der Abfallrahmenrichtlinie (vgl. Art. 4 Abs. 1 RL 2008/98/EG vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien), der Verpackungsrichtlinie (vgl. Art. 1 Abs. 2 RL 94/62/EG vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle) und der Einwegkunststoffrichtlinie (vgl. Art. 1 RL 2019/904 vom 5. Juni 2019 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt). So ist etwa in Art. 1 Abs. 2 der Verpackungsrichtlinie ausdrücklich von der ""erste[n] Priorität"" für die Vermeidung von Verpackungsabfall die Rede. 32 (bb) Da die streitgegenständliche Satzung auf die Verringerung des anfallenden Verpackungsabfalls und damit ebenfalls auf Abfallvermeidung abzielt, steht sie mit der Gesamtkonzeption des Abfallrechts in Einklang (so auch Kahl, EurUP 2019, 321 <325>; Kalscheuer/von Rochow, DÖV 2019, 955 <957>; Klinger/Krebs, ZUR 2015, 664 <666 f>; a. A. Uschkereit, GewArch 2020, 438 <441 f.>). Die dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch. 33 Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, der bundesgesetzliche Vorrang der Abfallvermeidung begründe für die Kommunen nicht die Zuständigkeit, diese abfallwirtschaftliche Zielsetzung eigenständig ""voranzutreiben"" (S. 49 f.), verkennt die Bedeutung der Widerspruchsfreiheit als einer bloßen Kompetenzausübungsschranke. Maßgeblich ist nicht - wie bei der Abgrenzung konkurrierender Sachgesetzgebungskompetenzen nach Art. 72, 74 GG –, ob die bundesrechtlichen Regelungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und des Verpackungsgesetzes als abschließend anzusehen sind und daher Sperrwirkung gegenüber einem Nachbessern in Form von ausschnittsbezogenen kommunalen Zusatzregelungen entfalten. Die Steuergesetzgebungskompetenz ergibt sich bereits aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, ohne dass es für die Verfolgung von Lenkungszwecken einer hinzutretenden Sachgesetzgebungskompetenz bedürfte. 34 An der Ausübung ihrer Kompetenz wäre die Antragsgegnerin nur gehindert, wenn sie eine dem Bundesrecht widersprechende Regelung erlassen würde. Ein kommunales ""Draufsatteln"" bei der Verfolgung des gemeinsamen Ziels der Abfallvermeidung ist hingegen erlaubt, zumal sich das damit zusammenhängende, aus Art. 20a GG abzuleitende Verfassungsgebot der Ressourcenschonung (dazu Murswiek, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 20a Rn. 37 f.) an alle staatlichen Ebenen und damit auch an die Kommunen richtet. Diesen dürfen auch wegen der Bedeutung der kommunalen Finanzhoheit aus Art. 28 Abs. 2 GG bei der Gestaltung ihrer örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern keine allzu engen kompetenzrechtlichen Grenzen gesetzt werden, da es sich dabei um den einzigen steuerlichen Bereich handelt, in dem sie sich nach Maßgabe des Landesrechts eigenständig Einnahmen verschaffen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. März 2022 - 1 BvR 2868/15 u. a. - NVwZ 2022, 1038 Rn. 103 ff.). Dass ""Insellösungen"" zur Eindämmung des Verpackungsmüllproblems die Betriebsabläufe bundesweit tätiger Unternehmen in der Systemgastronomie erschweren können, wie die Antragstellerin vorträgt, ist einer örtlichen Steuer in einem föderalen System immanent. 35 (b) Aus dem Kooperationsprinzip als bundesrechtlich vorgesehenem Handlungsmittel zur Erreichung abfallwirtschaftlicher Ziele folgt aus heutiger Sicht ebenfalls kein Widerspruch der Verpackungssteuersatzung zur Gesamtkonzeption des Bundesrechts. 36 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts lief die Kasseler Verpackungssteuersatzung einem im damaligen Abfallrecht durchgängig angelegten Kooperationsprinzip zuwider, das deutlichen Ausdruck in § 14 AbfG 1986 und der darauf basierenden Verpackungsverordnung als einem Ergebnis der kooperativen Beteiligung der betroffenen Kreise gefunden habe (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 <126 ff.>). Der Verwaltungsgerichtshof hält die Kernthesen aus dem damaligen Urteil für übertragbar, weil sich seither keine entscheidungserhebliche Rechtsänderung ergeben habe. Dieser Einschätzung kann nicht gefolgt werden. Kooperative Handlungsformen lassen sich dem heutigen Abfallrecht nur noch in - hier nicht maßgeblichen - Detailregelungen entnehmen. 37 Nach der Subsidiaritätsklausel des § 14 Abs. 2 AbfG 1986 durfte die Bundesregierung von der in Absatz 1 enthaltenen Ermächtigung zum Erlass abfallrechtlicher Rechtsverordnungen erst Gebrauch machen, wenn nach Anhörung der beteiligten Kreise Zielfestlegungen zur Vermeidung oder Verringerung von Abfallmengen nicht erreichbar waren. Als Resultat des Scheiterns dieser Kooperationsbemühungen (vgl. Bothe, NJW 1998, 2333 <2334>) wurde die (später mehrfach geänderte) Verpackungsverordnung 1991 erlassen, auf deren Grundlage das Duale System eingeführt wurde. Eine mit § 14 AbfG 1986 vergleichbare Regelung enthält das gegenwärtige Abfallrecht nicht mehr. Die Verordnungsermächtigung nach § 26 KrWG bezieht sich lediglich auf die Rücknahme von Produkten bzw. deren Abfällen, betrifft also die Abfallverwertung und nicht die rechtlich vorrangige Abfallvermeidung (vgl. Feurich, Plastik als Rechtsproblem, 2020, S. 165). Gleiches gilt für andere im Verfahren diskutierte Ermächtigungsgrundlagen wie § 10 KrWG und §§ 24 f. KrWG, die daher einer Lenkungssteuer zur Abfallvermeidung ebenfalls nicht entgegenstehen können. 38 Soweit im Abfallrecht noch einzelne kooperative Instrumente vorhanden sind, lässt sich daraus kein allgemeines, überwölbendes Prinzip ableiten. Dies gilt etwa für Nebenpflichten wie die Informations- und Beratungspflichten öffentlicher Stellen nach § 46 Abs. 1 KrWG, die sich zwar auch auf Abfallvermeidungsmaßnahmen beziehen, aber nur punktuelle Regelungen darstellen. Im Verpackungsgesetz ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs eine Kooperation der beteiligten Kreise nicht in einer gegenüber der Verpackungsverordnung unveränderten Form enthalten. Ungeachtet der Frage, ob ein auf staatlichem Druck beruhendes Handeln überhaupt Ausdruck einer echten (normvorbereitenden oder normausfüllenden) Kooperation sein kann, verfolgt das Verpackungsgesetz jedenfalls keinen durchgehend kooperativen Ansatz, wie insbesondere durch die mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Zentrale Stelle nach §§ 24 ff. VerpackG deutlich wird (vgl. Kahl, EurUP 2019, 321 <325>; Kalscheuer/von Rochow, DÖV 2019, 955 <957>). 39 (3) Konkrete abfallrechtliche Einzelregelungen stehen der Einführung einer Verpackungssteuer durch die Antragsgegnerin ebenfalls nicht entgegen. 40 (a) Die in § 33 KrWG normierte Verpflichtung zur Aufstellung von Abfallvermeidungsprogrammen schließt das Instrument einer kommunalen Verpackungssteuer nicht aus (so auch Faßbender, AbfallR 2011, 165 <172>; Klinger/Krebs, ZUR 2015, 664 <667>; a. A. Uschkereit, GewArch 2020, 438 <441>). Ein solches Programm kann nach § 33 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. j, Nr. 3 i. V. m. Nr. 3 Buchst. a Anl. 4 KrWG auch wirtschaftliche Instrumente wie Anreize oder Aufpreise für Verpackungsartikel vorsehen. Eine Sperrwirkung für die Erhebung kommunaler Steuern ist mit den in Nr. 3 Buchst. a Anl. 4 KrWG beispielhaft aufgezählten Abfallvermeidungsmaßnahmen ersichtlich nicht verbunden. Auch aus dem Umstand, dass das Abfallvermeidungsprogramm des Bundes 2013 die gesetzliche Einführung einer bundesweiten Verbrauchsteuer nicht empfohlen hat, lässt sich kein Argument gegen eine entsprechende gemeindliche Lenkungssteuer ableiten. Es geht hierbei nicht um die - für die föderale Kompetenzabgrenzung nach Art. 70 ff. GG maßgebende - Frage, ob ein absichtsvoller Regelungsverzicht des Bundesgesetzgebers die Länder am Erlass entsprechender Sachregelungen hindert, sondern darum, ob damit die Verfolgung eines abfallrechtlichen Nebenzwecks im Rahmen einer kommunalen Lenkungssteuer unzulässig wird. Dies ist mit Blick auf die originäre Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG zu verneinen. Die auf unionsrechtlichen Vorgaben beruhenden inhaltlichen Vorgaben für Abfallvermeidungsprogramme zeigen vielmehr, dass wirtschaftliche Instrumente, zu denen man auch Steuern auf Einwegverpackungen rechnen kann, zur Erzielung von Lenkungswirkungen allgemein anerkannt sind (vgl. Feurich, Plastik als Rechtsproblem, 2020, S. 168 f.; Kahl, EurUP 2019, 321 <325>; Kalscheuer/Harding, NordÖR 2017, 113 <115>; Ludwig/Hentschel, AbfallR 2020, 12 <17 f.>; Rodi, ZUR 2016, 531 <534>). 41 (b) § 2 Abs. 5 VerpackG steht der Einführung einer Verpackungssteuer auf kommunaler Ebene ebenfalls nicht entgegen. Mit der Vorschrift hat der Gesetzgeber die frühere Regelung des § 2 Abs. 3 VerpackV 1998 übernommen, die als Reaktion auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 23. April 1997 - 11 C 4.96 - BVerwGE 104, 331 <334 f.>) eingeführt worden war. Nach § 2 Abs. 5 VerpackG bleibt die Befugnis von Bund, Ländern, Kreisen und Gemeinden, Dritte bei der Nutzung ihrer Einrichtungen oder Grundstücke sowie der Sondernutzung öffentlicher Straßen zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen zu verpflichten, von den Bestimmungen des Verpackungsgesetzes unberührt. Der Verwaltungsgerichtshof zieht hieraus den Schluss, die Kommunen dürften mangels einer vergleichbaren Öffnungsklausel keine abfallvermeidenden Maßnahmen auf dem Gebiet der Steuergesetzgebung treffen. Dies überzeugt nicht. Die vom Normgeber bewusst nicht als ""Öffnungs-"", sondern als ""Unberührtheitsklausel"" bezeichnete Bestimmung (vgl. BT-Drs. 18/11274 S. 80 f. und bereits BT-Drs. 13/10943 S. 22 zur Vorgängernorm des § 2 Abs. 3 VerpackV) stellt lediglich klar, dass den Kommunen - ebenso wie den anderen Gebietskörperschaften - eine (begrenzte) Sachregelungskompetenz für Benutzungsregelungen ihrer öffentlichen Einrichtungen und Straßen zukommt. Zur Steuerkompetenz für Lenkungssteuern, die keine hinzutretende Sachgesetzgebungskompetenz erfordert, trifft die Vorschrift keine Aussage. 42 (c) Entgegen der Ansicht des Normenkontrollgerichts stellt die seit dem 1. Januar 2023 geltende Pflicht zum Angebot einer Mehrwegalternative für Letztvertreiber von Serviceverpackungen aus Kunststoff nach §§ 33 und 34 VerpackG keine ""konzeptionelle Entscheidung"" des Bundesgesetzgebers zur Vermeidung von Verpackungsabfällen dar, die kommunale Zusatzregelungen ausschließen würde. Die genannte Neuregelung bezweckt die Zurückdrängung von Einwegverpackungen zugunsten von Mehrwegprodukten und verfolgt damit dieselbe Stoßrichtung wie die örtliche Verpackungssteuer, die im Übrigen eine größere Bandbreite an Verpackungsmaterialien erfasst als die der Umsetzung der Einwegkunststoffrichtlinie dienende Bundesnorm. Die Beschränkung der Pflicht, Mehrwegalternativen anzubieten, auf Kunststoffverpackungen und deren Erweiterung auf weitere Verpackungsmaterialien lediglich für Getränkebecher (vgl. hierzu BT-Drs. 19/27634 S. 82) lässt angesichts des vorrangigen, nicht nach Materialien differenzierenden Ziels der Abfallvermeidung, welches auch in § 2 Abs. 5 VerpackG seinen Ausdruck findet, nicht den Schluss zu, der Bundesgesetzgeber wolle grundsätzlich nur Kunststoffabfälle verringern. Das in § 33 Abs. 1 Satz 2 VerpackG enthaltene Verbot, die Verkaufseinheit aus Ware und Mehrwegverpackung zu einem höheren Preis oder zu schlechteren Bedingungen anzubieten als die Einwegverpackung, lässt einen Zuschlag für Einwegverpackungen, wie er durch die Erhebung einer Verpackungssteuer entsteht, ohne Weiteres zu. 43 (d) Die von der Vorinstanz offen gelassene Frage eines Verstoßes gegen die zur Umsetzung der Art. 5 und 14 der Einwegkunststoffrichtlinie ergangene Einwegkunststoffverbotsverordnung vom 20. Januar 2021 ist zu verneinen. Die am 3. Juli 2021 in Kraft getretene Verordnung verbietet das Inverkehrbringen von bestimmten Einwegkunststoffprodukten und von Produkten aus oxo-abbaubarem Kunststoff; hierzu zählen Einwegkunststoffprodukte wie Besteck, Teller und Lebensmittelbehälter aus expandiertem Polystyrol (§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 7). Mit dem Regelungsziel des Verordnungsgebers und den zugrunde liegenden unionsrechtlichen Vorgaben steht die Verpackungssteuersatzung nicht im Widerspruch. 44 (e) Auch die von der Antragstellerin in den Vordergrund gerückte Systembeteiligungspflicht nach §§ 7 ff. VerpackG steht der Erhebung einer Verpackungssteuer in der vorliegenden Form nicht entgegen. Insbesondere liegt in der Steuerbefreiung bei Rücknahme und stofflicher Verwertung der Einwegprodukte (§ 3 Nr. 1 VStS) kein Widerspruch zu den bundesrechtlichen Vorschriften dergestalt, dass den Normadressaten gegenläufige Regelungen erreichen würden (so auch Kalscheuer/von Rochow, DÖV 2019, 955 <958>). 45 Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 VerpackG haben sich die Hersteller (vgl. § 3 Abs. 14 Satz 1 VerpackG) bestimmter Verpackungen (§ 3 Abs. 8 VerpackG) zur Gewährleistung der flächendeckenden Rücknahme an einem (dualen) System zu beteiligen. Ausgenommen sind gemäß § 7 Abs. 2 VerpackG die Hersteller von Serviceverpackungen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a VerpackG), die ""vorlizenzierte"" Verpackungen erwerben können und dann von der Entsorgungsverantwortung befreit sind. Von dieser Möglichkeit hat auch die Antragstellerin Gebrauch gemacht; ihre Lizenzierungskosten belaufen sich auf jährlich ca. 5 500 €. 46 Dieses bundesrechtliche Regelungsgefüge, das den Herstellern von Verpackungen anstelle von Rücknahmepflichten eine finanzielle Beteiligung an kollektiven Systemen auferlegt, wird durch die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 1 VStS nicht konterkariert. In der dem Steuerschuldner eröffneten Möglichkeit, sich durch bestimmte Entsorgungsmaßnahmen der Besteuerung zu entziehen, liegt lediglich ein Anreiz zur Rücknahme der Einwegverpackungen; ein rechtlicher Zwang wird damit nicht ausgeübt. Aus den Vorschriften der §§ 7 ff. VerpackG ergibt sich auch nicht, dass die hiervon erfassten Hersteller von Verpackungen über die bundesgesetzlich vorgesehenen Entgelte hinaus mit keinen weiteren Kosten belastet werden dürften. 47 c) Mit dem Verwaltungsgerichtshof geht der Senat davon aus, dass § 4 Abs. 2 VStS gegen höherrangiges Recht verstößt (aa). Von der Unwirksamkeit dieser Norm bleiben allerdings die übrigen Satzungsbestimmungen unberührt (bb). 48 aa) Gemäß § 4 Abs. 2 VStS wird der Steuersatz pro Einzelmahlzeit auf maximal 1,50 € begrenzt. Die Vorschrift beschränkt den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 VStS, der für jede einzelne Lebensmittelverpackung, jedes Einweggeschirrteil und jedes Einwegbesteck(-set) einen gesonderten Steuersatz von 0,50 € bzw. 0,20 € festlegt. Die in Absatz 2 enthaltene Deckelung des für eine Mahlzeit anfallenden Gesamtbetrags der Verpackungssteuer wurde, wie sich aus den Satzungsunterlagen ergibt, erst nachträglich auf Vorschlag einer Stadtratsfraktion zur Abfederung sozialer Härten in den Satzungsentwurf aufgenommen. Die damit beabsichtigte Festlegung einer Obergrenze der steuerlichen Belastung, die auch gleichheitsrechtliche Fragen aufwirft, durfte jedenfalls nicht anhand der Bemessungsgrundlage einer ""Einzelmahlzeit"" erfolgen. Dieser in der Satzung nicht weiter erläuterte Terminus ist nicht hinreichend bestimmt. Insbesondere bei Sammel-, Groß- und Nachbestellungen in der Systemgastronomie muss die Feststellung, um wie viele Einzelmahlzeiten es sich handelt, zu unlösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Da sich dieses Problem nahezu flächendeckend bei einer Hauptzielgruppe der Verpackungssteuer und nicht nur punktuell stellt, verstößt die Vorschrift des § 4 Abs. 2 VStS gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Bestimmtheitsgebot. 49 Selbst wenn man die Formulierung in dem von der Antragsgegnerin gewünschten Sinne einer Gleichsetzung von Einzelmahlzeit und Einzelbestellung interpretieren könnte, würde dies an der Rechtswidrigkeit der Vorschrift nichts ändern. Denn dann bliebe es den Bestellern überlassen, selbst Sammelbestellungen als Einzelmahlzeiten zu deklarieren und sich damit der Steuerpflicht teilweise zu entziehen; dies würde gegen den Grundsatz der steuerlichen Belastungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen (vgl. allgemein zu den Voraussetzungen eines solchen strukturellen Vollzugsdefizits BVerfG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 BvR 1493/89 - BVerfGE 84, 239 <268 ff.>; Beschluss vom 22. März 2022 - 1 BvR 2868/15 u. a. - NVwZ 2022, 1038 Rn. 143 ff.). 50 bb) Die Unwirksamkeit des § 4 Abs. 2 VStS lässt die übrigen Satzungsbestimmungen, insbesondere die Bemessungsgrundlage und den Steuersatz nach § 4 Abs. 1 VStS, unberührt. Aus bundesrechtlicher Sicht bestimmt sich die Teilbarkeit einer Satzung entsprechend § 139 BGB danach, ob die ohne den unwirksamen Teil bestehende Restregelung sinnvoll bleibt und ob mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne den zur Unwirksamkeit führenden Teil erlassen worden wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2012 - 9 CN 1.11 - BVerwGE 143, 301 Rn. 30). Beides lässt sich hier bejahen. Auch ohne die - den Zielsetzungen der Verpackungssteuer ohnehin zuwiderlaufende - Sonderbestimmung des § 4 Abs. 2 VStS enthält die Satzung ein geschlossenes und vollzugsfähiges Regelungskonzept. Wäre dem Satzungsgeber die Rechtswidrigkeit der anhand von ""Einzelmahlzeiten"" zu ermittelnden Deckelung des Steuersatzes bewusst gewesen, hätte er folglich auf diese punktuelle Regelung verzichtet. 51 2. Das dem Normenkontrollantrag in vollem Umfang stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichtshofs stellt sich nicht gemäß § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig dar. Die von der Antragstellerin zu Recht geltend gemachte Rechtswidrigkeit des § 8 VStS führt nur zur Teilunwirksamkeit der Satzung (a). Die übrigen Rügen gegen die Satzung greifen nicht durch (b und c). 52 a) Das behördliche Betretungsrecht gemäß § 8 VStS erweist sich als rechtswidrig, weil es nicht auf die üblichen Betriebs- und Geschäftszeiten beschränkt ist. Nach dieser Satzungsbestimmung ist die Stadtverwaltung berechtigt, ""jederzeit zur Nachprüfung der Steuererklärungen und zur Feststellung von Steuertatbeständen nach dieser Satzung die Geschäftsräume des Steuerschuldners/der Steuerschuldnerin zu betreten und Geschäftsunterlagen einzusehen sowie Kopien davon anzufordern"". Betretungsbefugnisse für Geschäftsräume setzen nicht nur eine besondere gesetzliche Vorschrift als Rechtsgrundlage voraus; das Betreten der Räume und die Vornahme der Besichtigung und Prüfung ist auch nur in den Zeiten statthaft, zu denen die Räume normalerweise für die jeweilige geschäftliche oder betriebliche Nutzung zur Verfügung stehen (vgl. bereits BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 1971 - 1 BvR 280/66 - BVerfGE 32, 54 <76 f.>). Das Fehlen dieser zeitlichen Begrenzung der Betretungsbefugnis macht das satzungsrechtlich geregelte Betretungsrecht unwirksam (vgl. VGH München, Urteil vom 3. November 2014 - 4 N 12.20 74 - BayVBl. 2015, 455 Rn. 26). 53 Eine teleologische Reduktion des § 8 VStS im Hinblick auf die in § 99 AO und § 200 Abs. 3 Satz 2 AO vorgesehenen, auf die üblichen Geschäftszeiten beschränkten steueraufsichtlichen Betretungsrechte kommt nicht in Betracht (vgl. auch OVG Greifswald, Urteil vom 9. November 2018 - 1 K 180/15 - NordÖR 2019, 64 <69>). Zwar sind die Betretungsbefugnisse nach der Abgabenordnung samt ihren einschränkenden Kautelen über die Verweisungsnorm in § 3 KAG BW entsprechend anwendbar, sodass es einer entsprechenden Regelung in der Abgabensatzung nicht bedurft hätte. Angesichts des eindeutigen Satzungswortlauts (""jederzeit"") können aber die verfassungsrechtlich gebotenen zeitlichen Beschränkungen nicht im Wege der Auslegung in die ortsrechtliche Bestimmung hineingelesen werden. 54 Die Unwirksamkeit des § 8 VStS betrifft neben dem Betretungsrecht auch die damit verknüpften Rechte zur Nachprüfung der Steuererklärungen, zur Feststellung von Steuertatbeständen und zur Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen. Erst die Betretungsbefugnis ermöglicht die Ausübung der genannten Prüfungsbefugnisse und des - als Holschuld ausgestalteten (vgl. § 7 Abs. 1 VStS) – Einsichtsrechts, die daher isoliert betrachtet nicht in der bisherigen Form fortbestehen können. Auch insoweit kann die Antragsgegnerin aber im Verwaltungsvollzug auf die entsprechenden Vorschriften der Abgabenordnung zurückgreifen. Die übrigen Bestimmungen der Verpackungssteuersatzung bleiben daher nach dem hypothetischen Willen des Satzungsgebers von der Unwirksamkeit des § 8 VStS unberührt. 55 b) Die Höhe der Steuer gibt keinen Anlass zu Bedenken. Sie beträgt nach § 4 Abs. 1 VStS für jede Einweggetränkeverpackung und jede Einweglebensmittelverpackung 0,50 €, für jedes Einwegbesteck(-set) 0,20 €. Auch unter Berücksichtigung des Wegfalls der Obergrenze des § 4 Abs. 2 VStS ist diese Steuerhöhe nicht zu beanstanden. 56 aa) Aus Sicht der Endverkäufer, die Steuerschuldner im Sinne des § 2 VStS sind, liegt ein Eingriff in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit vor (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 <117>). Die Steuererhebung weist objektiv eine berufsregelnde Tendenz auf, weil sie unvermeidlich dazu führt, dass sich die Produkte verteuern. Der darin liegende Eingriff in die berufliche Tätigkeit der Endverkäufer ist jedoch verhältnismäßig und damit gerechtfertigt. Die Satzung verfolgt die legitimen Zwecke der Einnahmeerzielung und der Abfallvermeidung; hierzu ist sie geeignet und erforderlich. An der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne bestehen angesichts der Möglichkeiten der Substitution und Umstrukturierung sowie der Abwälzbarkeit der indirekten Steuer auf die Kunden keine Zweifel. Hierbei reicht es aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist, auch wenn dies - etwa bei Franchise-Konzepten - nicht in jedem Einzelfall gelingt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 9 C 7.16 - BVerwGE 159, 216 Rn. 44 m. w. N.); insbesondere können kommunale Handlungs- und Finanzierungsspielräume nicht durch die individuelle Ausgestaltung eines Geschäftsmodells begrenzt werden. Darüber hinaus müssen Außerhausverkäufe wegen des geringeren Mehrwertsteuersatzes schon bislang gesondert erfasst werden. Anhaltspunkte für eine erdrosselnde Wirkung der Steuer in Bezug auf durchschnittlich ertragsstarke Betriebe im Gemeindegebiet sind weder substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich. 57 bb) Auch aus Sicht der Endverbraucher, die wirtschaftlich gesehen durch die Verbrauchsteuer belastet werden, liegt kein unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff vor. Aus den von der Antragstellerin gebildeten Beispielen einer Verteuerung von Produkten der Automatenwirtschaft lässt sich - soweit sie überhaupt der Steuer unterfallen können - schon wegen der geringen Höhe der Steuersätze eine erdrosselnde Wirkung für die Endverbraucher nicht ableiten. Diese können im Übrigen auf nichtbesteuerte (Mehrweg-)Alternativen ausweichen, wie dies § 33 VerpackG mit dem verpflichtenden Angebot einer Mehrwegalternative ermöglicht. 58 c) Die von der Antragstellerin geltend gemachten Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG sind ebenfalls nicht gegeben. 59 In der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 1 VStS liegt keine unzulässige Ungleichbehandlung von Betrieben, die Produkte (auch) zum Mitnehmen anbieten, und reinen Präsenzrestaurants, die eine solche Möglichkeit nicht offerieren. Wie oben dargelegt, privilegiert die Befreiungsregelung Steuerschuldner, die zur Rücknahme und stofflichen Verwertung außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung bereit sind. Dies stellt einen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG dar, weil Verpackungen, die einem privaten Verwertungssystem zugeführt werden, nicht die kommunale Abfallentsorgung der Antragsgegnerin belasten. Die an die Rücknahmebereitschaft anknüpfende Steuerbefreiung ist daher durch den Lenkungszweck der Steuer gerechtfertigt. Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass auch in Präsenzrestaurants teilweise - nämlich für Speisereste - Verpackungen ausgegeben würden, stellt sich die Frage einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 1 VStS nicht. Dieser Fall wird von der Satzung nicht erfasst, weil es sich dabei nicht um Speisen für den Sofortverzehr im Sinne von § 1 Abs. 1 VStS handelt, sondern um die noch verwertbaren Reste nicht vollständig verzehrter Mahlzeiten, die von den Gästen typischerweise erst zu Hause konsumiert werden. Eine relevante Ungleichbehandlung ist darin - ebenso wie in der sonstigen Nichtberücksichtigung unterschiedlicher faktischer Auswirkungen der Regelung - nicht zu sehen. 60 3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO." bverwg_2023-41,25.05.2023,"Pressemitteilung Nr. 41/2023 vom 25.05.2023 EN Keine Ausweisung eines noch nie in das Bundesgebiet eingereisten visumpflichtigen Ausländers Ein visumpflichtiger Drittstaatsangehöriger, der sich noch nie in Deutschland aufgehalten hat, kann auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG nicht ausgewiesen werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, ist noch nie in das Bundesgebiet eingereist. Im Februar 2018 beantragte er bei der deutschen Botschaft in Ankara ein Visum zum Zwecke des Familiennachzuges zu seiner in Deutschland lebenden deutschen Ehefrau. Im Rahmen der Identitätsprüfung wurde festgestellt, dass gegen ihn eine Interpol-Ausschreibung wegen des Verdachts der Beteiligung an terroristischen Straftaten im Zusammenhang mit dem Bau einer Sprengfalle im Irak vorlag. Der Visumantrag wurde abgelehnt; das dagegen eingeleitete Klageverfahren ruht. Im März 2019 wies die Beklagte den Kläger auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG aus dem Bundesgebiet aus und verhängte ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen ihn. Das Verwaltungsgericht hat diesen Bescheid aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten und der Landesanwaltschaft Bayern hat der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Obwohl sich der Kläger noch nie im Bundesgebiet aufgehalten habe, könne die Ausweisung auf die §§ 53 ff. AufenthG gestützt werden, weil er seine Einreise konkret beabsichtige und betreibe. Wegen der Verwirklichung besonders schwerwiegender Ausweisungsinteressen im Ausland sei es geboten, den Kläger durch die Ausweisung und das Einreise- und Aufenthaltsverbot vom Bundesgebiet fernzuhalten. Das wegen der Verwirklichung einer schweren staatsgefährdenden Straftat (§ 89a StGB) bestehende Ausweisungsinteresse überwiege das ebenfalls schwerwiegende Bleibeinteresse des Klägers wegen der ehelichen Lebensgemeinschaft. Auch das zuletzt auf 13 Jahre befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot erweise sich als rechtmäßig. Auf die Revision des Klägers hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt. Der angefochtene Bescheid entbehrt einer gesetzlichen Grundlage. Nach § 53 Abs. 1 AufenthG sind im Rahmen der Entscheidung über eine Ausweisung die Interessen an der Ausreise des Ausländers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet abzuwägen. Daraus wird deutlich, dass eine Ausweisung an einen Aufenthalt des Ausländers im Inland anknüpft. Dieses Ergebnis wird von gesetzessystematischen Erwägungen gestützt. So beginnt die Frist für das mit einer Ausweisung zu verbindende Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Ausreise des Ausländers (§ 11 Abs. 2 Satz 4 AufenthG); die Regelung setzt damit einen der Ausweisung vorangehenden Aufenthalt in Deutschland voraus. Entsprechendes folgt aus der Gesetzgebungsgeschichte sowie dem daraus abzuleitenden Sinn und Zweck der §§ 53 ff. AufenthG, die vor allem auf die Abwehr von Gefahren für die in § 53 Abs. 1 AufenthG genannten Rechtsgüter, aber auch auf die Berücksichtigung der Bleibeinteressen des Ausländers gerichtet sind. Besteht hingegen bei einem noch nie eingereisten visumpflichtigen Ausländer ein Ausweisungsinteresse, ist dem nach der Konzeption des Aufenthaltsgesetzes in erster Linie im Rahmen der Entscheidung über die Erteilung eines Visums Rechnung zu tragen (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 AufenthG). Ob es in solchen Fällen darüber hinaus einer Möglichkeit bedarf, den Ausländer auszuweisen oder ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen, bleibt der Entscheidung des Gesetzgebers vorbehalten. BVerwG 1 C 6.22 - Urteil vom 25. Mai 2023 Vorinstanzen: VGH München, VGH 10 B 21.1451 - Urteil vom 07. Dezember 2021 - VG München, VG M 24 K 19.1932 - Urteil vom 07. November 2019 -","Urteil vom 25.05.2023 - BVerwG 1 C 6.22ECLI:DE:BVerwG:2023:250523U1C6.22.0 EN Ausweisung eines noch nie eingereisten Ausländers Leitsätze: 1. §§ 53 ff. AufenthG bieten keine Rechtsgrundlage für die Ausweisung eines visumpflichtigen drittstaatsangehörigen Ausländers, der noch nie in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und sich dort aufgehalten hat. 2. Einer beteiligten Landesanwaltschaft können Kosten des Revisionsverfahrens nur auferlegt werden, wenn sie selbst Revision eingelegt hat. Rechtsquellen AufenthG § 11 Abs. 2 Satz 4, § 53 Abs. 1 und 2, § 54 Abs. 1 Nr. 2, § 55 StGB § 89a VwGO § 154 Abs. 1 Instanzenzug VG München - 07.11.2019 - AZ: M 24 K 19.1932 VGH München - 07.12.2021 - AZ: 10 B 21.1451 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 25.05.2023 - 1 C 6.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:250523U1C6.22.0] Urteil BVerwG 1 C 6.22 VG München - 07.11.2019 - AZ: M 24 K 19.1932 VGH München - 07.12.2021 - AZ: 10 B 21.1451 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Mai 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß, Dollinger und Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fenzl für Recht erkannt: Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Dezember 2021 wird geändert. Die Berufungen der Beklagten und der Landesanwaltschaft Bayern gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 7. November 2019 werden zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte und die Landesanwaltschaft Bayern jeweils zur Hälfte. Gründe I 1 Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger und wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet sowie gegen ein Einreise- und Aufenthaltsverbot. 2 Der Kläger ist noch nie in das Bundesgebiet eingereist. Er lebt nach einem längeren Aufenthalt in der Türkei nunmehr in Sri Lanka. In der Türkei heiratete er 2017 eine in ... lebende deutsche Staatsangehörige. Am 19. Februar 2018 beantragte er bei der deutschen Botschaft in ... die Erteilung eines nationalen Visums zum Zwecke des Familiennachzugs zu seiner deutschen Ehefrau. Nach Versagung der Zustimmung durch die Beklagte lehnte das Bundesverwaltungsamt die Visumerteilung ab. Das dagegen beim Verwaltungsgericht Berlin eingeleitete Klageverfahren ruht. 3 Bei der Identitätsprüfung im Visumerteilungsverfahren wurde festgestellt, dass die vom Kläger bei der Antragstellung abgegebenen Fingerabdrücke nebst Lichtbildern und einer Personenbeschreibung Bestandteil einer im Oktober 2015 durch die Sicherheitsbehörden der USA veranlassten Interpol-Ausschreibung wegen des Verdachts terroristischer Straftaten sind. Die der Ausschreibung zugrunde liegenden Fingerabdrücke, zu denen ausweislich der Ausschreibung 46 Aliaspersonalia existieren, wurden dem Kläger anlässlich seiner Verhaftung durch die amerikanischen Streitkräfte im Jahr 2007 im Irak abgenommen. Nach Erkenntnissen des FBI seien die Fingerabdrücke auf einer im Jahr 2006 im Irak geborgenen Sprengfalle festgestellt worden. Der Inhaber der Fingerabdrücke sei auch am Waffenhandel und Schwarzhandel mit Treibstoff beteiligt gewesen. Er sei verdächtig, anführendes Mitglied einer Zelle für Sprengfallen der schiitischen Miliz Jaish al-Mahdi zu sein und habe über Anti-Koalitionsstreitkräfte-Propaganda verfügt. Im Rahmen der Anhörung zum Erlass einer Ausweisungsverfügung bestritt der Kläger die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. 4 Mit Bescheid vom 21. März 2019, geändert durch Bescheid vom 24. September 2019, wies die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus, ordnete gegen den Kläger ein sofort vollziehbares Einreise- und Aufenthaltsverbot an und befristete dieses beginnend ab der Zustellung der Ausweisungsverfügung am 23. März 2019 auf 13 Jahre. Die Ausweisung finde ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 1 AufenthG. Der Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet stelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Die über den Kläger bekannt gewordenen Erkenntnisse zur Beteiligung an der Herstellung oder am Aufbau einer Sprengfalle im Irak im Jahre 2006, zur Mitgliedschaft in der Jaish al-Mahdi, zur Funktion als Anführer in einer paramilitärischen Zelle dieser Miliz, zur Beteiligung am illegalen Waffenhandel und am Schwarzhandel mit Treibstoff sowie zur beträchtlichen Verwendung von Aliaspersonalia zur Identitätsverschleierung rechtfertigten die Annahme, dass er sich im Bundesgebiet unter Verschleierung seiner wahren Identität und unter Ausnutzung seines Spezialwissens im Umgang mit Waffen und Sprengstoff oder seiner Verbindungen erneut am illegalen Handel mit Waffen oder auch mit Sprengstoff beteiligen würde. Es sei ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 1 AufenthG gegeben, ohne dass zugleich eine der Varianten des § 54 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 AufenthG vorliegen müsse. Vom Kläger gehe weiterhin eine konkrete Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus, weil er sich von seinem sicherheitsgefährdenden Verhalten nicht erkennbar und glaubhaft distanziert habe. Im Hinblick auf das Ausmaß der von ihm verwendeten Aliaspersonalia und der damit beabsichtigten Identitätsverschleierung beruhe die Ausweisung auch auf generalpräventiven Erwägungen. Im Übrigen habe der Kläger zwar aufgrund seiner - trotz räumlicher Trennung anzunehmenden - ehelichen Lebensgemeinschaft mit einer im Bundesgebiet lebenden Deutschen ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG und könne für sich zudem verbuchen, dass er über deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau A1 verfüge. Dieses Bleibeinteresse müsse aber nach den Umständen des Einzelfalles im Rahmen der Abwägung gegenüber dem öffentlichen Ausweisungsinteresse zurücktreten. Die Erkenntnisse über den Kläger ließen ein persönliches Verhalten erkennen, das im Falle eines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland eine schwerwiegende Sicherheitsgefahr für hochrangige Rechtsgüter darstellen würde. Zu seinen Lasten falle jedoch aus, dass er sich noch nie im Bundesgebiet aufgehalten habe und dementsprechend mit den hiesigen Lebensverhältnissen bislang nicht unmittelbar in Berührung gekommen sei. Mildere, gleich wirksame Mittel zur Verhinderung einer Aufenthaltsbegründung durch den Kläger im Bundesgebiet seien nicht gegeben. Auch das Einreise- und Aufenthaltsverbot sei rechtmäßig. 5 Auf die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 7. November 2019 den Bescheid vom 21. März 2019 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. September 2019 aufgehoben. Es sei nicht hinreichend durch Tatsachen belegt, dass der Kläger die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährde oder eine konkrete Gefahr für hochrangige Individualrechtsgüter darstelle. 6 Mit Urteil vom 7. Dezember 2021 hat der Verwaltungsgerichtshof auf die Berufung der Beklagten und der Landesanwaltschaft das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Die Ausweisung des Klägers sei zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt rechtmäßig. Die Vorschriften der §§ 53 ff. AufenthG seien anwendbar, auch wenn der Kläger sich bisher noch nie im Bundesgebiet aufgehalten habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Urteil vom 31. März 1998 - 1 C 28.97 - geklärt, dass die Ausweisung nicht den Aufenthalt des betroffenen Ausländers im Bundesgebiet voraussetze. Die Ausweisung sei ein Instrument zum dauerhaften Fernhalten von Ausländern vom Bundesgebiet aus gefahrenabwehrrechtlichen Gründen. In Übertragung dieser Erwägungen dürfe ein Ausländer, der sich noch nie im Bundesgebiet aufgehalten habe, (jedenfalls dann) ausgewiesen werden, wenn er konkret seine Einreise und Aufenthaltsbegründung beabsichtige und betreibe. Es könne allein wegen im Ausland verwirklichter Ausweisungsinteressen geboten sein, den Ausländer durch die Ausweisung und das damit verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot vom Bundesgebiet fernzuhalten. Durch die Anwendung der Ausweisungsvorschriften könnte dem präventiven Fernhalteinteresse sachgerecht praktische Wirksamkeit verschafft werden. Andere Maßnahmen zur Einreiseverhinderung hätten nicht gleich effektive Rechtswirkungen, um dem gefahrenabwehrrechtlichen Fernhalteinteresse zu genügen. Die Ablehnung des Visumantrags sei nicht gleichermaßen wirksam, weil sie nicht mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot verbunden werden könne. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot dürfe zudem nicht isoliert, sondern nur bei einem ausgewiesenen, zurückgeschobenen oder abgeschobenen Ausländer angeordnet werden. Eine schengenweite Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung könne nur bei Ausweisung, Zurückschiebung, Abschiebung oder Verhängung einer Rückkehrentscheidung im Einklang mit der Richtlinie 2008/115/EG erfolgen. Der Wortlaut des § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG, der auf ""Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet"" und auf ""Interesse an der Ausreise"" abstelle, gehe zwar vom ""Normalfall"" des Inlandsaufenthalts des auszuweisenden Ausländers aus, schließe die Anwendung der Ausweisung auf abweichende Sachverhaltskonstellationen aber nicht aus. Der Aufenthalt des Klägers gefährde die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland. Er verwirkliche ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse. Hinreichende Anhaltspunkte rechtfertigten die Annahme, der Kläger habe im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 AufenthG eine schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Abs. 1 und 2 StGB vorbereitet, indem er an der Fertigung einer Sprengfalle zumindest mitgewirkt habe. Die unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorzunehmende Abwägung führe zu einem Überwiegen des Ausweisungsinteresses gegenüber dem Bleibeinteresse des Klägers. Er habe zwar ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse aufgrund seiner ehelichen Lebensgemeinschaft mit einer Deutschen. Im Ergebnis wiege dieses Interesse jedoch weniger schwer als das Ausweisungsinteresse. Die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sei ebenfalls rechtmäßig. 7 Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision macht der Kläger unter anderem geltend, das Berufungsurteil verletze Bundesrecht, soweit es davon ausgehe, dass eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern zulässig sei, die sich noch nie im Bundesgebiet oder im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates aufgehalten hätten. 8 Die Beklagte und die Landesanwaltschaft verteidigen das angefochtene Urteil. Die Vertreterin des Bundesinteresses teilt die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass § 53 Abs. 1 AufenthG weder den gegenwärtigen noch den vorherigen Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet jedenfalls dann voraussetze, wenn der Ausländer konkret seine Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet beabsichtige und betreibe. In einem solchen Fall könne auch wegen im Ausland verwirklichter Ausweisungsinteressen eine Fernhaltung vom Bundesgebiet durch eine Ausweisung und das damit verbundene, zwingend zu erlassende Einreise- und Aufenthaltsverbot geboten sein. II 9 Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), indem es die Ausweisung des noch nie in das Bundesgebiet eingereisten visumpflichtigen drittstaatsangehörigen Klägers als von den §§ 53 ff. AufenthG gedeckt ansieht (1.). Erweist sich die angefochtene Ausweisungsverfügung deshalb als rechtswidrig und ist aufzuheben, fehlt es schon deswegen für das verhängte Einreise- und Aufenthaltsverbot an einer Grundlage (2.). Dies führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen, der Klage stattgebenden Urteils. 10 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung und des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 8 m. w. N.; zum maßgeblichen tatsächlichen Zeitpunkt: BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 13). Der Entscheidung ist daher das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Artikel 1 und 5 des Gesetzes vom 21. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2847) zugrunde zu legen. 11 1. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, die Ausweisung eines Ausländers, der sich noch nie im Bundesgebiet aufgehalten hat, sei nach §§ 53 ff. AufenthG jedenfalls dann zulässig, wenn er konkret seine Einreise in die Bundesrepublik Deutschland und seine Aufenthaltnahme im Bundesgebiet beabsichtige und betreibe, entbehrt einer gesetzlichen Grundlage. Mangels einer anderen Rechtsgrundlage für die gegenüber dem Kläger verfügte Ausweisung kann sich das Berufungsurteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellen (§ 144 Abs. 4 VwGO). 12 a) Die Ausweisung soll den weiteren Aufenthalt eines Ausländers im Inland verhindern. Sie gebietet ihm, das Inland zu verlassen, und verbietet ihm - jedenfalls nach bisheriger Rechtsprechung –, es erneut zu betreten (BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 1975 - 1 C 46.69 - BVerwGE 49, 202 <207 f.>, Beschluss vom 9. September 1992 - 1 B 71.92 - Buchholz 402.22 Art. 32, 33 GK Nr. 7). Dabei gehört es nicht zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausweisung, dass sich der Ausländer bei Erlass der Ausweisungsverfügung noch im Bundesgebiet aufhält. Die Ausländerbehörde darf sich des Mittels der Ausweisung auch allein zu dem Zweck bedienen, den Ausländer vom Bundesgebiet fernzuhalten. Erfüllt der Ausländer einen Ausweisungsgrund, besteht Anlass für eine Gefahrenprognose und eine abwägende Ermessensentscheidung, bei der die für den Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet sprechenden Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Als ordnungsrechtliches Instrument muss die Ausweisung nicht nur in Fällen eines über einen längeren Zeitraum andauernden Aufenthalts, sondern namentlich auch dann zur Verfügung stehen, wenn der Ausländer grundsätzlich die Möglichkeit hat, wiederholt ein- und auszureisen und seinen Tätigkeiten in Deutschland anlässlich von Kurzaufenthalten nachzugehen (BVerwG, Urteil vom 31. März 1998 - 1 C 28.97 - BVerwGE 106, 302 <304, 306>, in dem die Frage der Zulässigkeit der Ausweisung eines noch nie eingereisten Ausländers ausdrücklich offengelassen wurde). 13 b) Darüber hinaus bieten die §§ 53 ff. AufenthG keine Rechtsgrundlage für die Ausweisung eines visumpflichtigen drittstaatsangehörigen Ausländers, der noch nie in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und sich dort aufgehalten hat. Dies gilt auch dann, wenn der Ausländer im Ausland ein Ausweisungsinteresse verwirklicht hat und die Einreise in das Bundesgebiet beabsichtigt. 14 aa) Nach dem Wortlaut des § 53 Abs. 1 AufenthG als zentrale Norm des Ausweisungsrechts wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Diese Formulierung spricht für das Erfordernis eines vorherigen Aufenthalts. Der Begriff ""Aufenthalt"" enthält zwar keine zeitliche Dimension und kann einen vergangenen, aktuellen oder zukünftigen Aufenthalt erfassen. Die in der Abwägung zu berücksichtigenden ""Interessen an der Ausreise"" können allerdings nur bestehen, wenn sich der Ausländer im Inland aufhält oder aufgehalten hat und von dort ausreist. Noch deutlicher streiten die ""Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet"" für das Erfordernis eines vorherigen Aufenthalts. 15 bb) Dieser Befund wird durch die Systematik des Gesetzes gestützt. Nach § 53 Abs. 1 AufenthG sind im Rahmen der Entscheidung über eine Ausweisung die Interessen an der Ausreise des Ausländers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet abzuwägen. Dabei sind gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG nach den Umständen des Einzelfalles neben seinen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bemühungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, den Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie dem rechtstreuen Verhalten die Dauer seines Aufenthalts zu berücksichtigen. Die Aufenthaltsdauer stellt damit einen erheblichen Abwägungsbelang im Rahmen der nach Maßgabe von § 55 AufenthG zu berücksichtigenden Bleibeinteressen dar. Schon die Bezeichnung als ""Bleibeinteresse"" deutet auf die Erforderlichkeit eines Voraufenthalts. Damit hat der Gesetzgeber die Verfestigung des Aufenthalts als Bleibeinteresse gesetzlich festgelegt und damit zu erkennen gegeben, dass sein Regelungskonzept der Ausweisung auf einem Voraufenthalt basiert und nicht auf Fälle erstreckt werden kann, in denen noch überhaupt kein Aufenthalt bestanden hat. 16 Auch die systematische Stellung der Ausweisungsvorschriften der §§ 53 ff. AufenthG in Abschnitt 1 ""Begründung der Ausreisepflicht"" und dort im Kapitel 5 ""Beendigung des Aufenthalts"" spricht ebenfalls für das Erfordernis eines Voraufenthalts, da ohne einen solchen eine Aufenthaltsbeendigung nicht möglich ist. Für einen nicht im Bundesgebiet aufhältigen Ausländer kann auch keine Verpflichtung zur Meldung bei polizeilichen Dienststellen nach § 56 Abs. 1 AufenthG bestehen, die es nur im Bundesgebiet gibt. 17 Eine Ausweisung ohne vorherigen Aufenthalt steht in systematischer Hinsicht auch nicht im Einklang mit § 11 Abs. 2 Satz 4 AufenthG, wonach die Frist für das gegen den ausgewiesenen Ausländer zu erlassende Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Ausreise beginnt. Dieser normative Anknüpfungspunkt zeigt, dass mit der gesetzlichen Systematik eine Ausweisung mit einem Inlandsaufenthalt verbunden ist. Die von der Beklagten für richtig gehaltene Festlegung des Fristbeginns auf den Zeitpunkt der Zustellung der Ausweisungsverfügung widerspricht dem eindeutigen Wortlaut von § 11 Abs. 2 Satz 4 AufenthG. 18 cc) Zweck der Ausweisung als ordnungsrechtliche Maßnahme ist es, künftigen Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder Beeinträchtigungen sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Verhaltens des Ausländers im Inland vorzubeugen (BVerwG, Urteil vom 31. März 1998 - 1 C 28.97 - BVerwGE 106, 302 <305>), wobei gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG die in § 55 AufenthG genannten Bleibeinteressen zu berücksichtigen sind. Sie dient grundsätzlich der Beendigung des Aufenthalts und der Verhinderung einer Wiedereinreise (vgl. Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, Vorb. zu den §§ 53-56 AufenthG Rn. 21). Der bereits oben (Rn. 12 ff.) dargestellte Regelungsgehalt der §§ 53 ff. AufenthG setzt damit einen Voraufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet voraus, der nicht notwendigerweise legal sein muss (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. November 1980 - 1 C 46.74 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 76, S. 150 f. und vom 31. März 1998 - 1 C 28.97 - BVerwGE 106, 302 <305>). 19 Diese Zwecksetzung zielt in erster Linie auf die Abwehr von Gefahren für die in § 53 Abs. 1 AufenthG genannten Rechtsgüter, aber auch auf die Berücksichtigung von Bleibeinteressen des Ausländers. Sie beansprucht auch dann Geltung, wenn ein visumpflichtiger Ausländer im Ausland ein Ausweisungsinteresse verwirklicht hat und seine - erstmalige - Einreise in das Bundesgebiet betreibt. Auch wenn ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zur Durchsetzung eines Fernhalteinteresses gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nur mit einer Ausweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung verbunden werden kann, rechtfertigt es dies nicht, den Anwendungsbereich der Ausweisung auf noch nicht eingereiste visumpflichtige Ausländer mit dem Ziel zu erstrecken, um in derartigen Fällen ein Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen zu können. Dem Berufungsgericht ist daher nicht darin zu folgen, es könne auch wegen (allein) im Ausland verwirklichter Ausweisungsinteressen ""geboten sein"", den Ausländer durch eine Ausweisung und das damit verbundene, zwingend anzuordnende Einreise- und Aufenthaltsverbot vom Bundesgebiet fernzuhalten und es bei Vorliegen eines solchen Fernhalteinteresses auch ""sachgerecht"" sei, diesem durch das Rechtsinstrument der Ausweisung und die damit zu verbindende Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots im Sinne effektiver präventiver Gefahrenabwehr ""praktische Wirksamkeit zu verschaffen"" (UA S. 13). 20 Dem Zweck des Fernhaltens eines noch nie eingereisten visumpflichtigen Ausländers, der im Ausland Ausweisungsinteressen verwirklicht hat, wird vielmehr durch die Grundkonzeption des Aufenthaltsgesetzes hinreichend Rechnung getragen. Gemäß § 4 Abs. 1 AufenthG bedarf es für die Einreise und den Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels. Bei Vorliegen von Ausweisungsinteressen besteht eine Titelerteilungssperre (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG), die Einreise ohne den nach § 4 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel gilt als unerlaubt (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) und ein Ausländer, der unerlaubt an den für eine legale Einreise allein zugelassenen Grenzübergangsstellen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen (§ 15 Abs. 1 AufenthG). Bei visumpflichtigen Drittstaatsangehörigen, die sich noch nie im Inland aufgehalten haben, drohen - anders als bei von der Visumpflicht befreiten oder uneingeschränkt einreiseberechtigten Ausländern - keine wiederholten Ein- und Ausreisen. Beabsichtigt ein Ausländer, bei dem Ausweisungsinteressen bestehen, konkret die Einreise in das Bundesgebiet, ist die Versagung des Visums mit der entsprechenden Eintragung in die Visadatei und das Visa-Informationssystem auf Grundlage von Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über das Visa-Informationssystem (VIS) und den Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten über Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt (VIS-Verordnung), das gemäß Art. 2 Buchst. e auch der Identifizierung von Personen dient, die die Voraussetzungen für eine Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder den dortigen Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllen, nach der Konzeption des Aufenthaltsgesetzes das geeignete, erforderliche und angemessene Mittel zur Einreiseverhinderung, ohne dass es der Ausweisung bedarf. Die tatsächliche unerlaubte Einreise unter Verletzung der Visumpflicht vermag auch ein mit einer Ausweisung erlassenes Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht zu verhindern. 21 dd) Dieses Verständnis der §§ 53 ff. AufenthG entspricht den Regelungsintentionen des Gesetzgebers. In der Begründung des dem geltenden § 53 AufenthG als zentrale Ausweisungsnorm zugrunde liegenden Entwurfs eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 25. Februar 2015, mit dem das Ausweisungsrecht grundlegend neu geordnet wurde, wird der weitere Aufenthalt des Ausländers als tatbestandliche Voraussetzung für die Ausweisung gesehen. Erforderlich ist die Prognose, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet ein Schaden an einem der Schutzgüter eintreten wird und dass - auch im Falle einer auf generalpräventive Erwägungen gestützten Ausweisung - das Interesse an der Ausreise das Interesse am weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet überwiegt (BT-Drs. 18/4097 S. 49). Hierdurch wird hinreichend deutlich, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Senats im Urteil vom 31. März 1998 - 1 C 28.97 - (BVerwGE 106, 302) zur Rechtslage nach dem Ausländergesetz 1990 bei der Ausweisung einen Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet voraussetzt, der fortgesetzt werden soll. Ob darüber hinaus eine Ausweisung auch in Fällen möglich sein soll, in denen sich ein Ausländer noch nie im Bundesgebiet aufgehalten hat, muss der Entscheidung des Gesetzgebers vorbehalten bleiben. 22 2. Ist die Ausweisungsverfügung mangels einer Rechtsgrundlage rechtswidrig und deshalb aufzuheben, fehlt es schon deswegen für das gleichzeitig gegen den Kläger verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot an der nach § 11 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Grundlage. Es kann offenbleiben, ob ein solches Einreise- und Aufenthaltsverbot überhaupt auf § 11 Abs. 1 AufenthG gestützt werden kann (verneinend bei einer inlandsbezogenen Ausweisung: VGH Mannheim, Urteil vom 2. Januar 2023 - 12 S 1841/22 - juris Rn. 156). 23 3. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Da die Landesanwaltschaft keine Revision eingelegt hat, können ihr im Revisionsverfahren keine Kosten auferlegt werden (vgl. Wöckel, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 154 Rn. 8; Hug, in: Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 154 Rn. 10; Olbertz, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand 43. EL August 2022, § 154 Rn. 7; Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 154 Rn. 12a; Just, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 154 VwGO Rn. 22). Die Kosten des Berufungsverfahrens sind der Beklagten und der Landesanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 VwGO aufzuerlegen, die diese Kosten gemäß § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO jeweils zur Hälfte zu tragen haben." bverwg_2023-42,25.05.2023,"Pressemitteilung Nr. 42/2023 vom 25.05.2023 EN Klage gegen den Neubau der Staustufe Obernau (Main) erfolglos Der Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der Staustufe Obernau (Main) ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der von der Eigentümerin sowie der Betreiberin und Stromvermarkterin eines an die bestehende Staustufe angegliederten Wasserkraftwerks angegriffene Planfeststellungsbeschluss sieht eine Neuerrichtung der Stauanlage vor, die nach mehr als 90 Jahren Betrieb erhebliche Abnutzungserscheinungen aufweist. Über eine Fischaufstiegs- und Fischabstiegsanlage soll die ökologische Durchgängigkeit des betroffenen Flussabschnitts verbessert werden. Dass in der Umweltverträglichkeitsprüfung die Auswirkungen des Vorhabens auf das globale Klima nicht thematisiert wurden, ist unschädlich, weil dies nach der maßgeblichen Fassung des UVPG nicht geboten war. Belange des globalen Klimaschutzes und der Sicherheit der Energieversorgung können die Klägerinnen auch nicht in der Abwägung als eigene Belange geltend machen. Im Schwerpunkt haben sie gerügt, dass sie durch den zu erwartenden mehrmonatigen Stillstand des Kraftwerks während der Bauzeit und auch dauerhaft wirtschaftliche Beeinträchtigungen erwarten, weil wegen der geplanten Fischaufstiegs- und Fischabstiegsanlage und anderer Veränderungen weniger Wasser zur Stromherstellung zur Verfügung stehen wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit keinen beachtlichen Abwägungsfehler gesehen. In der Abwägung sind die wesentlichen Beeinträchtigungen der Klägerinnen auch in Bezug auf ein bestehendes wasserrechtliches Altrecht gesehen worden und in die Entscheidung mit dem gebotenen Gewicht eingegangen. Aus der Gesamtschau des wasserrechtlichen Altrechts und der zwischen den Beteiligten geltenden Vereinbarungen ergibt sich, dass die Klägerinnen eine überschaubare Reduzierung der Wassermenge aufgrund der erforderlichen Neubaumaßnahme entschädigungslos hinzunehmen haben. Ins Gewicht fällt dabei auch das gesetzlich vorgegebene Bewirtschaftungsziel für das Gewässer, welches die Durchgängigkeit für Fische verlangt. BVerwG 7 A 7.22 - Urteil vom 25. Mai 2023","Urteil vom 25.05.2023 - BVerwG 7 A 7.22ECLI:DE:BVerwG:2023:250523U7A7.22.0 EN Auswirkungen einer bundeswasserstraßenrechtlichen Planfeststellung (Neuerrichtung einer Staustufe) auf den Betrieb eines Wasserkraftwerks Leitsätze: 1. Für die Beurteilung der Frage, ob einem Kläger, der einen Planfeststellungsbeschluss angreift, ein Vollüberprüfungsanspruch zusteht, kommt es auf die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bzw. im Zeitpunkt des Schlusses der (letzten) mündlichen Verhandlung an. 2. Eine auf die Erreichung eines guten ökologischen Potenzials im Sinne des § 27 Abs. 2 Nr. 2 WHG gerichtete, technisch nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand anders durchführbare Sanierungsmaßnahme, die nicht unverhältnismäßig zu Lasten einer Nutzung im Sinne des § 28 Nr. 1 WHG geht, kann im Maßnahmenprogramm für ein als erheblich verändert eingestuftes Oberflächengewässer ausgewiesen werden. 3. Einschränkungen und Umgestaltungen eines alten Wasserrechts im Sinne von § 20 WHG sind im Rahmen einer fachplanerischen Abwägungsentscheidung grundsätzlich möglich; ob dem Rechtsinhaber ein Anspruch auf Schutzvorkehrungen oder ersatzweise Entschädigung zusteht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Rechtsquellen GG Art. 14 Abs. 1, Abs. 3 WRRL Art. 2 Nr. 23, Art. 4, 11 und 13, Anh. V. Nr. 1.2.5 und 1.4.2 VwGO § 42 Abs. 2, § 50 Abs. 1 Nr. 6, § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 WaStrG § 14 Abs. 1 Satz 2 und 4, § 14b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 3 und 6, §§ 14c, 14e Abs. 1 und 5, Nr. 4 der Anlage 2 WHG § 10 Abs. 2, § 13 Abs. 2, §§ 20, 27 Abs. 2 Nr. 2, §§ 28, 34 Abs. 3, § 35 Abs. 2, § 83 VwVfG § 73 Abs. 4 Satz 3, § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 und 3, § 75 Abs. 1 Satz 2, Abs. 1a Satz 1 und 2 UmwRG §§ 5, 7 Abs. 4 UVPG § 74 Abs. 2 Nr. 1 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 25.05.2023 - 7 A 7.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:250523U7A7.22.0] Urteil BVerwG 7 A 7.22 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Mai 2023 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther, Dr. Löffelbein, Dr. Wöckel und Dr. Seidel für Recht erkannt: Die Klagen werden abgewiesen. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses vom 22. Februar 2022 für den Neubau der Staustufe Obernau am Main. 2 Die Staustufe besteht aus einem dreifeldrigen Wehr, einem auf der linken Mainseite angeordneten Wasserkraftwerk mit zwei Turbinen und einem Wehrsteg, der beide Ufer miteinander verbindet. An der rechten Mainseite grenzt an das Wehr eine Schiffsschleusenanlage mit Betriebsgebäude und Vorhäfen und eine Bootsschleuse mit integrierter Fischtreppe. Wesentlicher Teil des Wasserstraßenausbauvorhabens ist der Neubau einer um 160 m stromabwärts versetzten Wehranlage mit integrierter Fischabstiegsanlage im Bereich des bestehenden Wasserkraftwerks und einer wasserseitig verschobenen Schiffsschleuse. Die Gesamtbauzeit wird von der Beklagten auf 9,5 Jahre geschätzt. Das Kraftwerkgrundstück steht im Eigentum der Klägerin zu 1, deren Gesellschaftsanteile zu 77,49 % von der U. Holding GmbH, einer Tochtergesellschaft der U. SE, gehalten werden. Im Dezember 2022 hat die Beklagte zur Sicherstellung der Energieversorgung in Deutschland ca. 99 % der Anteile der U. SE erworben. Die Klägerin zu 2, deren Anteile zu 100 % die U. SE innehat, ist nach Maßgabe von Verträgen, die zwischen den Rechtsvorgängerinnen der Klägerinnen beginnend in den Jahren 1927/1928 geschlossen wurden, Abnehmerin des im Wasserkraftwerk produzierten und nicht für den Betrieb der Staustufe benötigten Stroms, den sie vermarktet. Nach einem zwischen den Rechtsvorgängerinnen der Klägerinnen geschlossenen Vertrag aus dem Jahr 1995 und weiteren Nachtragsvereinbarungen hierzu ist der Klägerin zu 2 zudem der technische Betrieb des Wasserkraftwerks übertragen. 3 Die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 (R. AG) wurde im Anschluss an den am 13. Juni 1921 erfolgten Abschluss des ""Vertrags zwischen dem Reiche und Bayern über die Ausführung der Main-Donau-Wasserstraße"" (im Folgenden: ""Main-Donau-Staatsvertrag"") gegründet. In diesem ist zur Realisierung einer Main-Donau-Wasserstraße vorgesehen, dass eine zu gründende Aktiengesellschaft über einen noch abzuschließenden Vertrag die Verpflichtung übernehmen soll, bestimmte Wasserstraßen auszubauen, um als Gegenleistung das Recht zur Ausnutzung der Wasserkräfte für 100 Jahre zu erhalten. Nach Zeitablauf sollen die Kraftwerke unentgeltlich an das Deutsche Reich (zurück-)fallen. 4 In dem am 30. Dezember 1921 geschlossenen ""Vertrag zwischen dem Reich, Bayern, Baden und der R. Aktiengesellschaft über die Durchführung der Großschiffahrtsstraße Aschaffenburg-Passau-Grenze und Kelheim-Ulm und die Ausnutzung der Wasserkräfte"" (im Folgenden: ""Konzessionsvertrag"") übernahm die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 u. a. die Verpflichtung, die Großschifffahrtsstraße von Aschaffenburg bis zur Reichsgrenze bei Passau gemäß den Vorgaben des Main-Donau-Staatsvertrags auszubauen. In diesem Vertrag ist weiter geregelt, dass das Reich und Bayern der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 zur Erlangung der erforderlichen behördlichen Genehmigungen für Wasserkraftanlagen im Konzessionsbereich jede Unterstützung und Erleichterung gewähren werden (II.4. Abs. 4). Die Dauer der Erlaubnis wird auf 100 Jahre, beginnend mit der vollständigen oder teilweisen Inbetriebnahme des einzelnen Werkes begrenzt. Die Auslauffrist wird für die zunächst in Angriff genommenen Werke bis zum Ablauf der Erlaubniszeit der später in Betrieb genommenen Werke verlängert, endet für alle Werke aber spätestens am 31. Dezember 2050 (II.5. Satz 2 und 3). 5 Das Bezirksamt Aschaffenburg erteilte der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 mit Bescheid vom 15. Juni 1937 unter Ziffer I. eine ""Erlaubnis zur Wasserbenützung"" zum Zwecke der Errichtung und des Betriebs des Stau- und Kraftwerks Obernau sowie unter Ziffer II. die wasser- und gewerbepolizeiliche Genehmigung zur Errichtung der Stau- und Triebwerksanlage. Unter Ziffer I.1. Abs. 2 des Bescheids wird das verliehene Wasserbenutzungsrecht dahingehend konkretisiert, dass ""nach Abzug jener Wassermengen, die für den Betrieb der Schiffsschleusenanlage und der Kahnschleuse sowie für die Beschickung"" eines gemäß Ziffer I.9. Abs. 1 zu errichtenden und instand zu haltenden ""Fischpasses [...] benötigt werden, die an der Wehrstelle jeweils vorhandene Wassermenge des Mains im Höchstmass von 175 cbm/sek. genutzt werden"" darf. Ziffer I.2. Abs. 2 erklärt für den Inhalt der Erlaubnis den Konzessionsvertrag vom 30. Dezember 1921 als maßgebend. Gemäß Bescheidziffer I.3. Abs. 3 Satz 1 ist der ""Betrieb der Gesamtanlage [...] so zu führen, dass die ordnungsgemäße Wasserwirtschaft des Flusses, besonders die Ausübung der Schiffahrt und der Flösserei nicht gestört wird."" Laut Satz 2 der Regelung hat die Inhaberin des Wasserbenutzungsrechts hierdurch bedingte Minderungen der Kraftleistung ohne Anspruch auf Entschädigung zu dulden; Satz 3 verpflichtet das Deutsche Reich, den Wehr- und Schleusenbetrieb so zu führen, dass eine möglichst vollständige und wirtschaftliche Ausnutzung der Wasserkraft gewährleistet ist. Ziffer I.4. Abs. 5 sieht im Zusammenhang mit Vorgaben zur Regulierung der Stauhöhe vor, dass die Rechtsinhaberin eine ""Absenkung des Staus, die im Interesse einer geordneten Flussinstandhaltung, der Instandhaltung der Bauteile der gesamten Anlage sowie der Hochwasser- und Eisabführung etwa notwendig wird, [...] ohne Anspruch auf Entschädigung, besonders für einen Leistungsentgang, jederzeit zu dulden"" hat. Gemäß Ziffer I.13. Satz 1 bleiben weitere Anordnungen vorbehalten, die sich bei der Ausführung, der Unterhaltung oder beim Betrieb der Gesamtanlage aus Gründen des öffentlichen Interesses oder des Interesses des Reiches oder des Landes Bayern noch als notwendig erweisen sollten. Die Bescheidziffer I.15. enthält eine Haftungsausschlussklausel, wonach die Rechtsinhaberin ""gegen das Reich oder Bayern keine Entschädigungsansprüche für Schäden"" hat, ""die ihren Anlagen durch Baumassnahmen des Reiches oder Bayerns durch Unterlassung von Flussinstandhaltungs- oder ähnlichen Maßnahmen oder durch Anlagen, die vom Reich oder Bayern genehmigt oder angeordnet werden, entstehen."" 6 In einem von der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 und der Beklagten unterzeichneten Protokoll zur ""Schlußverhandlung vom 29. Mai 1956 über die Übergabe der Teilstrecke Aschaffenburg - Würzburg der Rhein-Main-Donau-Großschiffahrtsstraße"" (im Folgenden ""Schlussverhandlung"") wird bekräftigt, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 weiterhin auch bei Ausfall des Kraftwerksbetriebs die für den Betrieb der Wehr- und Schleusenanlage benötigte Energie ohne Entgelt zu liefern hat. Weiterhin beinhaltet diese Vereinbarung u. a. eine gegenseitige Unterstützung zur Ermöglichung und Förderung des Betriebes, der Unterhaltung und der Erneuerung der Schifffahrts- und Kraftwerksanlagen in freundnachbarlicher Weise sowie ein gegenseitiges Mitbenutzungsrecht an den betroffenen Anlagen. 7 Am 4. Juni 1992 schlossen die Beklagte, der Freistaat Bayern und die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 einen Vertrag ""über die konzessionsrechtliche Energielieferung"", mit dem unter Ersetzung vorangegangener vertraglicher Regelungen die Verpflichtung der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 zur unentgeltlichen Lieferung von Strom aus Kraftwerken u. a. des auf dem Main-Donau-Staatsvertrag fußenden Konzessionsbereichs dauerhaft geregelt wurde. 8 Mit ihren Klagen wenden sich die Klägerinnen gegen das planfestgestellte Vorhaben und tragen u. a. vor, sowohl die Sicherheit der Energieversorgung als auch der globale Klimaschutz seien in der Planungsentscheidung unzureichend berücksichtigt. Durch die geplanten Anlagen zum Fischaufstieg und Fischabstieg werde die Stromproduktion dauerhaft eingeschränkt. Zudem sei während der mehrjährigen Bauphase mit nicht kalkulierbaren erheblichen Einschränkungen der Wasserkraftnutzung zu rechnen. Hierdurch werde ihr Eigentumsgrundrecht einschließlich des hiervon umfassten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb unzulässig beschränkt. Die Alternativenprüfung leide an Abwägungsmängeln. Die Beklagte habe rechtsirrig eine Verpflichtung angenommen, Anlagen zur Verbesserung der ökologischen Durchgängigkeit mit einzuplanen. Der Planfeststellungsbeschluss, der auf einen gesetzlich nicht gedeckten Teilwiderruf des wasserrechtlichen Altrechts hinauslaufe, lege zu Unrecht Duldungspflichten aus dem Bescheid aus dem Jahr 1937 zugrunde und übersehe, dass § 10 Abs. 2 WHG nicht auf alte Wasserrechte anwendbar sei. Er enthalte keine hinreichenden Regelungen zum Bauablauf. Zudem sei künftig mit einem erhöhten Treibgutanfall am Kraftwerk zu rechnen. Zumindest sei die Regelung einer Entschädigung zu ihren Gunsten geboten gewesen. Der Planfeststellungsbeschluss gehe rechtsirrig davon aus, der künftig höhere Strombedarf der Stauanlage sei unentgeltlich durch das Kraftwerk zu decken und die hierfür erforderliche technische Aufrüstung sei von ihnen - den Klägerinnen - auf eigene Kosten vorzunehmen. 9 In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den Planfeststellungsbeschluss um Informationspflichten des Vorhabenträgers gegenüber den Klägerinnen zum Bauablauf und um einen Entscheidungsvorbehalt der Planfeststellungsbehörde im Konfliktfall ergänzt. 10 Die Klägerinnen beantragen, den Planfeststellungsbeschluss der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt vom 22. Februar 2022 in der Fassung, die er in der Ergänzung in der mündlichen Verhandlung gefunden hat, für den Neubau der Staustufe Obernau aufzuheben, hilfsweise für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären, weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss in der Fassung, die er in der Ergänzung in der mündlichen Verhandlung gefunden hat, dahingehend zu ergänzen, dass nachteilige Auswirkungen des Vorhabens auf den Betrieb und die Stromproduktion des Wasserkraftwerks Obernau vermieden werden, weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über Schutzanordnungen gegen nachteilige Auswirkungen des Vorhabens auf den Betrieb und die Stromproduktion des Wasserkraftwerks Obernau unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, weiter hilfsweise, für den Fall, dass Schutzvorkehrungen nicht ausreichend sein sollten, eine nachteilige Betroffenheit der Klägerinnen zu vermeiden, die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss dahingehend zu ergänzen, dass die Klägerinnen für nachteilige Auswirkungen des Vorhabens auf den Betrieb und die Stromproduktion des Wasserkraftwerks Obernau angemessen entschädigt werden, weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über die Pflicht zur Entschädigung der Klägerinnen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. 11 Die Beklagte beantragt, die Klagen abzuweisen. 12 Die Klagen seien bereits unzulässig, weil den Klägerinnen die Klagebefugnis fehle. Im Übrigen tritt die Beklagte dem Vorbringen der Klägerinnen in der Sache entgegen. II 13 Die Klagen haben keinen Erfolg. 14 A. Die Anfechtungsklagen sowie die hilfsweise erhobenen Verpflichtungsklagen, für die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i. V. m. § 14e Abs. 1 WaStrG und der lfd. Nr. 4 der Anlage 2 zu § 14e Abs. 1 WaStrG erstinstanzlich zuständig ist, sind zulässig. 15 1. Die Klägerinnen sind gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. 16 a) Die Klägerin zu 1 kann sich auf eine abwägungsrelevante Betroffenheit ihres zivilrechtlichen Eigentums am Kraftwerksgrundstück (§ 903 BGB) berufen. 17 Darüber hinaus ergibt sich ihre Klagebefugnis aus einer möglicherweise nicht hinreichend berücksichtigten Betroffenheit in ihrem Interesse an einer möglichst weitreichenden wirtschaftlichen Ausnutzung des ihrer Rechtsvorgängerin im Jahr 1937 verliehenen altrechtlichen Wasserbenutzungsrechts (zu dessen Qualität als subjektives Recht vgl. VGH München, Urteil vom 5. Juli 2005 - 8 B 04.356 - NuR 2006, 177 <179>; Riederer/Sieder, Bayerisches Wassergesetz, 1957, Art. 42 Rn. 12; zum Übergang von wasserrechtlichen Altrechten auf den Rechtsnachfolger vgl. Riederer/Sieder a. a. O. Art. 42 Rn. 18; Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Januar 2023, § 20 WHG Rn. 35, § 8 WHG Rn. 66). 18 b) Die Klägerin zu 2 hat hinreichend dargelegt, dass ihre wirtschaftlichen Interessen an einer Vermarktung des von der Klägerin zu 1 abgenommenen Stroms möglicherweise in der Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt worden sind. Dieser Belang gehört zum Abwägungsmaterial; weder ist er objektiv geringwertig noch fehlt ihm die Schutzwürdigkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 30.10 - NVwZ 2012, 573 Rn. 16). 19 Aufgrund der langfristigen und inhaltlich engen vertraglichen Bindungen mit der Klägerin zu 1 als Kraftwerkseigentümerin und Rechtsnachfolgerin der Adressatin des Bescheids vom 15. Juni 1937 und ihrer hieraus folgenden Einbeziehung in die Stromerzeugung und Stromvermarktung treffen nachteilige Auswirkungen der streitgegenständlichen Planung unmittelbar auch die Klägerin zu 2. Sie partizipiert als Alleinvermarkterin des im Wasserkraftwerk produzierten Stroms an der wirtschaftlichen Ausnutzung des Wasserbenutzungsrechts. § 14b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b WaStrG stellt zudem klar, dass jede mit erheblichen Nachteilen einhergehende Beeinträchtigung der auf einer Erlaubnis beruhenden Gewässerbenutzung schutzwürdig und daher in der Abwägung zu berücksichtigen ist (zu einer landesrechtlichen Vorgängerregelung vgl. VGH München, Urteil vom 5. Juli 2005 - 8 B 04.356 - NuR 2006, 177 <178>). Die Klägerin zu 2 ist im Übrigen nicht mit einer schlichten Strombezugskundin zu vergleichen, die jederzeit mit betrieblichen Veränderungen ihres Stromlieferanten zu rechnen hat. Im Verhältnis zur Klägerin zu 1 hat sie aufgrund der vertraglich verfestigten Stellung als exklusive (Langzeit-)Strombezieherin und -vermarkterin und aufgrund der im Betriebsführungsvertrag 1995 übernommenen Wartung und Pflege der Kraftwerksanlagen und deren technischen Betriebssteuerung eine einem Pächter angenäherte Position inne (zur Antragsbefugnis eines Pächters gemäß § 47 Abs. 2 VwGO vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2019 - 4 BN 11.19 - juris Rn. 6). 20 Die Abwägungsrelevanz ihres wirtschaftlichen Interesses ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin zu 2 ihre Betroffenheit nicht bereits im Planungsverfahren vorgebracht hat. Bei grundsätzlich schutzwürdigen planbedingten Betroffenheiten beschränkt sich die Abwägungsbeachtlichkeit zwar auf solche, die für die planende Stelle bei der Entscheidung über den Plan als abwägungsbeachtlich erkennbar sind, weil sie offenkundig sind oder weil sie von den Betroffenen im Zuge ihrer Beteiligung vorgetragen wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 808). An der Offenkundigkeit der Abwägungsrelevanz der wirtschaftlichen Interessen der Klägerin zu 2 bestehen vorliegend aber keine Zweifel. 21 2. Trotz gesellschaftsrechtlicher Verflechtungen zwischen den Klägerinnen und der Beklagten liegt kein unzulässiger Insichprozess vor, bei dem wegen Personenidentität auf Kläger- und Beklagtenseite die Klagebefugnis bzw. das Rechtsschutzinteresse fehlte. Als Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind beide Klägerinnen als juristische Personen (§ 13 GmbHG) von der Beklagten rechtlich personenverschieden und zudem nicht einer gemeinsamen Verwaltungsspitze unterstellt, die im Streitfall für alle Beteiligten verbindlich entscheiden könnte bzw. über die in Form einer behördlichen Weisung eine interne Einigung herbeizuführen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. März 1996 - 7 C 35.95 - BVerwGE 101, 47 <50>). 22 B. Die Klagen sind sowohl mit den Hauptanträgen als auch den Hilfsanträgen unbegründet. 23 Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an formellen oder materiellen Fehlern, die die Klägerinnen rügen können und die zu seiner Aufhebung oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führen. Die Klägerinnen haben auch keinen Anspruch darauf, dass der Planfeststellungsbeschluss um Schutzmaßnahmen bzw. um eine Entschädigungsregelung zu ihren Gunsten ergänzt wird oder dass die Beklagte über eine Planergänzung um Schutzauflagen und/oder eine Entschädigungsregelung erneut entscheidet. 24 1. Die Klägerinnen sind mit ihren Einwendungen gegen die streitgegenständliche Planung, die sie im gerichtlichen Verfahren rechtzeitig unter Wahrung der zehnwöchigen Klagebegründungsfrist (§ 14e Abs. 5 Satz 1 WaStrG) vorgebracht haben, nicht präkludiert. 25 Das gilt auch für die Klägerin zu 2, die im behördlichen Planungsverfahren nicht ausdrücklich selbst Einwendungen erhoben hat. Ein solcher Einwendungsausschluss könnte sich hier allenfalls aus dem Gedanken des Rechtsmissbrauchs oder der Unredlichkeit ergeben (§ 5 UmwRG). Der Fall eines missbräuchlichen oder unredlichen Vorbringens kann nach den Gesetzesmaterialien etwa dann vorliegen, wenn der Rechtsbehelfsführer im Verwaltungsverfahren erklärt oder auf andere Weise deutlich gemacht hat, dass entsprechende Einwendungen nicht bestehen (BT-Drs. 18/9526 S. 41). Gemeint ist damit ein widersprüchliches und treuwidriges Verhalten. Hierfür genügt eine bloße Nichtbeteiligung im Verwaltungsverfahren nicht (BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2019 - 9 A 2.18 - BVerwGE 166, 1 Rn. 38 f.). Gemessen daran liegt ein Fall des § 5 UmwRG hier nicht vor. Selbst die Beklagte hat beide Klägerinnen im Verwaltungsverfahren im Hinblick auf Einwendungen der Klägerin zu 1 als Einheit betrachtet. 26 2. Den Klägerinnen steht kein Vollüberprüfungsanspruch zu. Sie können daher in Anwendung von § 113 Abs. 1 und 5 VwGO nur die Verletzung gerade sie schützender Normen sowie in Bezug auf die Vorgaben des Abwägungsgebots (s. u. 7.) ausschließlich eine nicht ordnungsgemäße Abwägung ihrer eigenen geschützten Belange rügen (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. November 2017 - 7 A 1.17 - Buchholz 445.5 § 12 WaStrG Nr. 4 Rn. 19, 48 und vom 2. Juli 2020 - 9 A 19.19 - BVerwGE 169, 94 Rn. 92). 27 Grundsätzlich haben Betroffene, deren durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Grundeigentum ganz oder teilweise für ein Planvorhaben in Anspruch genommen werden soll, wegen der enteignungsrechtlichen Vorwirkungen des Planfeststellungsbeschlusses (hier gemäß § 44 Abs. 2 WaStrG) einen Anspruch darauf, von einer Entziehung ihres Grundeigentums verschont zu bleiben, die nicht dem Wohl der Allgemeinheit dient, insbesondere nicht gesetzmäßig ist (Art. 14 Abs. 3 GG) und auf eine dahingehende umfassende gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 16, 31; Beschluss vom 29. Juli 2022 - 7 B 23.21 - juris Rn. 8). 28 Den Klägerinnen ist vorliegend aber die Berufung auf Art. 14 GG und damit der Vollüberprüfungsanspruch verwehrt. Gemischtwirtschaftliche (inländische) juristische Personen des Privatrechts, die vollständig oder - wie die Klägerinnen - mehrheitlich vom Staat beherrscht werden, können sich wie inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht auf materielle Grundrechte berufen, sofern sie nicht ausnahmsweise unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet sind (vgl. BVerfG, Urteile vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u. a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 190 und vom 7. November 2017 - 2 BvE 2/11 - BVerfGE 147, 50 Rn. 241 ff.; Kammerbeschluss vom 18. August 2020 - 1 BvQ 82/20 - NVwZ 2020, 1500 Rn. 8 ff.). Anders als in Fällen, in denen die öffentliche Hand nur einen untergeordneten Anteil an einem privaten Unternehmen hält, handelt es sich bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, bei denen der Staat zu mehr als 50 % beteiligt ist, nicht mehr um private Aktivität unter Beteiligung des Staates, sondern um gemäß Art. 1 Abs. 3 GG grundrechtsgebundene staatliche Aktivität. Kann sich aber ein gegen einen Planfeststellungsbeschluss klagendes gemischtwirtschaftliches Unternehmen aufgrund staatlicher Beherrschung nicht (mehr) auf Art. 14 GG berufen, so steht ihm auch ein aus Art. 14 Abs. 3 GG abzuleitender Anspruch auf verwaltungsgerichtliche Vollüberprüfung des Planfeststellungsbeschlusses nicht zu (ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 1. Februar 2023 - 14 S 370/22 - juris Rn. 56 ff.; für den Fall einer klagenden Gemeinde, deren Grundstück unmittelbar von einem Planfeststellungsbeschluss betroffen ist vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 - 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <391 f.>; Beschlüsse vom 28. Februar 2013 - 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 10 und vom 14. Februar 2017 - 4 VR 18.16 - juris Rn. 7). 29 Dafür kommt es, korrespondierend zur Beurteilung der Klagebefugnis (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 1992 - 7 B 180.92 - NVwZ 1993, 889), auf die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 25. Mai 2023 an. Zwar ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Planfeststellungsbeschlüssen grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses abzustellen (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 21). Allerdings geht es vorliegend nicht um die Frage der Rechtmäßigkeitsbewertung, sondern um den aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO folgenden Aufhebungsanspruch. Hierfür ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts bzw. der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung entscheidend (vgl. Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 56). Die unstreitig mehrheitliche Anteilsübertragung an den Bund im Dezember 2022 führte vorliegend zum nachträglichen Erlöschen eines ursprünglich bestehenden Vollüberprüfungsanspruchs. Dass die Beklagte beabsichtigt, die U. SE künftig durch Veräußerung der staatlichen Anteile wieder zu (re-)privatisieren, ist irrelevant. 30 3. Verfahrensmängel haften dem Planfeststellungsbeschluss nicht an. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Verfahrensvorgaben des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) vor. 31 Das planfestgestellte Vorhaben ist UVP-pflichtig (§ 2 Abs. 4 Nr. 1, § 6 UVPG i. V. m. Nr. 14.2.1 der Anlage 1 zum UVPG). Dass in der Umweltverträglichkeitsprüfung die Auswirkungen des Vorhabens auf das globale Klima nicht näher thematisiert wurden, begründet keinen Fehler des Planfeststellungsbeschlusses, weil dies nach der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht geboten war. 32 Die aktuellen Anforderungen zur Berücksichtigung des globalen Klimaschutzes gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 16 Abs. 3 UVPG i. V. m. Nr. 4 Buchst. b und c Doppelbuchst. gg der Anlage 4 zum UVPG finden auf das vorliegende Planfeststellungsverfahren keine Anwendung. Die Umweltverträglichkeitsprüfung durfte aufgrund der Übergangsregelung des § 74 Abs. 2 Nr. 1 UVPG die Auswirkungen auf das globale Klima und insbesondere auf die Entwicklung von Treibhausgasemissionen und den menschengemachten Klimawandel ausblenden, weil das Verfahren zur Unterrichtung über voraussichtlich beizubringende Unterlagen vor dem 16. Mai 2017, nämlich im Rahmen eines Scopings 2007/2008 (PFB S. 69, 85 f., 99, 101) nach § 5 Abs. 1 UVPG in der damalig geltenden Fassung eingeleitet wurde. Zwar hatte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UVPG in der vor dem 16. Mai 2017 geltenden Fassung die Umweltverträglichkeitsprüfung auch die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf das Klima zu umfassen. Dazu zählten aber gerade nicht die Auswirkungen auf das großräumige und globale Klima und den Klimawandel (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2019 - 9 A 14.18 - NVwZ 2020, 719 Rn. 28 m. w. N.). 33 4. Die Planrechtfertigung für das Ausbauvorhaben ist gegeben. 34 Das für jede Fachplanung geltende ungeschriebene Erfordernis der Planrechtfertigung ist als Ausprägung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns grundsätzlich auch bei gegen einen Planfeststellungsbeschluss erhobenen Klagen von Drittbetroffenen, die keinen Vollüberprüfungsanspruch haben, im Rahmen der Begründetheit zu prüfen (BVerwG, Urteil vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 33). Weil die Planrechtfertigung jedenfalls zu bejahen ist, kann dahingestellt bleiben, ob dies auch für die vorliegende Fallgestaltung gilt, in der sich die Klägerinnen als vom Staat beherrschte Gesellschaften nicht (mehr) auf Grundrechte berufen können (bezweifelnd VGH Mannheim, Urteil vom 1. Februar 2023 - 14 S 370/22 - juris Rn. 70). 35 Dass für das streitgegenständliche Vorhaben keine gesetzlich bindende positive Bedarfsvorgabe gemäß § 1 des Bundeswasserstraßenausbaugesetzes (WaStrAbG) i. V. m. der Anlage zu § 1 Abs. 1 WaStrAbG besteht, schließt den Nachweis eines Bedarfs im Einzelfall nicht aus, vgl. § 2 Abs. 2 WaStrAbG. 36 Nach den Untersuchungsergebnissen der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) weist die bestehende Staustufe aufgrund ihres Alters erhebliche Abnutzungserscheinungen auf und bedarf aufgrund schwindender Standsicherheit und Betriebssicherheit einer Grundsanierung (vgl. PFB S. 87 ff.). Soweit mit dem Neubauvorhaben die Verkehrsfunktion des Mains unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit aufrechterhalten werden soll und eine Förderung des Binnenschiffsverkehrs im allgemeinen öffentlichen Interesse verfolgt wird, entspricht dies ohne Weiteres den gesetzlichen Zwecken und Zielen gemäß § 12 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 WaStrG, Nr. 33 der Anlage 1 zum WaStrG und gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt (BinSchAufgG). 37 5. Die Klägerinnen rügen ohne Erfolg einen Verstoß gegen § 14b Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a WaStrG. 38 Hiernach ist die Planfeststellung zu versagen, wenn von dem Ausbau oder Neubau eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten ist, die nicht durch Auflagen verhütet oder ausgeglichen werden kann. Es kann offenbleiben, ob dies hier der Fall ist, weil - wie die Klägerinnen meinen - die Planfeststellung auf Kosten der Produktion von Strom durch Wasserkraft und deshalb auf Kosten des Klimaschutzes und der Sicherheit der Energieversorgung gehe. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob die Regelung neben dem allgemeinen planungsrechtlichen Abwägungsgebot eine eigenständige Bedeutung als zwingende Verbotsnorm des Fachrechts hat (ablehnend VGH Mannheim, Urteil vom 1. Februar 2023 - 14 S 370/22 - juris Rn. 92). Da den Klägerinnen kein Vollüberprüfungsanspruch zusteht (s. o. 2.), können sie sich von vornherein nicht mit Erfolg auf eine Verletzung dieser Vorschrift berufen, die allein dem Schutz des Wohls der Allgemeinheit dient. 39 6. Dem Planfeststellungsbeschluss steht auch nicht § 14b Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b WaStrG entgegen. 40 Danach ist eine Planfeststellung zu versagen, wenn von dem Ausbau oder Neubau nachteilige Wirkungen auf das Recht eines anderen oder der in § 14b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaStrG bezeichneten Art zu erwarten sind, die nicht durch Auflagen verhütet oder ausgeglichen werden können, der Berechtigte fristgemäß Einwendungen erhoben hat und der Ausbau oder Neubau nicht dem Wohl der Allgemeinheit dient. 41 Hier fehlt es jedenfalls am zuletzt genannten (negativen) Tatbestandsmerkmal. Die Planung beinhaltet kein rein privatnütziges Ausbauvorhaben. Es handelt sich um eine Planung, die dem Wohl der Allgemeinheit dient (s. o. 4.; vgl. VGH München, Urteil vom 19. November 1996 - 8 B 95.11 34 - BeckRS 1996, 15652; Friesecke, WaStrG, 7. Aufl. 2020, § 14b Rn. 77). Ob die konkrete Planung im Verhältnis zu konfligierenden öffentlichen und privaten Belangen ausgewogen und deshalb rechtmäßig ist, bestimmt sich bei der Planfeststellung einer Einzelmaßnahme grundsätzlich nur nach den einzelfallbezogenen Anforderungen des Abwägungsgebots gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 WaStrG (hierzu unten 7.). 42 Dass die Planung nicht dem Wohl der Allgemeinheit dient, kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines ausnahmsweise durch überragend gewichtige Belange von vornherein gebundenen Abwägungsergebnisses angenommen werden. Die von den Klägerinnen geltend gemachten Belange des Klimaschutzes und der Sicherung der Energieversorgung prägen die Abwägung nicht derart vor, dass die mit der vorliegenden Planung verfolgten Interessen von vornherein als nachrangig zurücktreten müssten. 43 Der Rechtsordnung ist kein pauschaler Vorrang des globalen Klimaschutzes gegenüber anderen öffentlichen Belangen zu entnehmen. Ein solcher lässt sich weder aus Art. 20a GG noch aus § 13 des Bundes-Klimaschutzgesetzes - KSG – oder § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WHG ableiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 85 f. unter Rekurs auf BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18 u. a. - BVerfGE 157, 30 Rn. 198; Uechtritz, DVBl. 2022, 1241 <1245 f.>; zur Stromproduktion durch Wasserkraft vgl. Steenhoff, UPR 2022, 6 f.). Die von den Klägerinnen vertretene Rechtsansicht, eine Beeinträchtigung der Stromproduktion im Wasserkraftwerk Obernau sei selbst im Verhältnis zum Bundeswasserstraßenausbau und zur Sicherung und Förderung der ökologischen Durchgängigkeit von Bundeswasserstraßen unter keinen Umständen hinnehmbar, findet im Gesetz keine Stütze. Soweit gemäß § 2 Satz 2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes - EEG - in der aktuellen Fassung erneuerbare Energien als vorrangiger Belang in behördlich vorzunehmende Schutzgüterabwägungen eingebracht werden sollen, ist diese Regelung gemäß Art. 20 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor vom 20. Juli 2022 (BGBl. I S. 1237, 1324) erst am 29. Juli 2022 und damit nach Erlass des streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses in Kraft getreten. Zudem macht die Formulierung als Sollvorschrift deutlich, dass die Stromerzeugung durch erneuerbare Energien sich nicht zwingend durchsetzen muss. 44 Es lässt sich schließlich nicht ausmachen, dass die Sicherheit der Energieversorgung in Deutschland damit steht und fällt, dass gerade die Stromproduktion im betroffenen Wasserkraftwerk Obernau bis zum Auslauf der wasserrechtlichen Erlaubnis, den die Beteiligten in Anwendung von Ziffer I.2. Abs. 2 des Bescheids vom 15. Juni 1937 i. V. m. Ziffer II.5. des Konzessionsvertrags übereinstimmend auf den Ablauf des 31. Dezember 2050 datieren, ohne jede Einschränkung fortbesteht. Hinzu kommt, dass der von der Klägerseite als Auslöser einer Energieversorgungskrise ausgemachte Ukrainekrieg erst am 24. Februar 2022 und damit zwei Tage nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses als maßgeblichem Zeitpunkt für die Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit begann. Im Übrigen ist auch hier zu berücksichtigen, dass aufgrund des maroden Zustands ohne eine Grundsanierung oder einen Neubau die Standsicherheit und Betriebssicherheit der Staustufe gefährdet wäre und das Vorhaben deshalb die regenerative Energiegewinnung aus Wasserkraft an diesem Standort mit gewissen Modifizierungen auf viele weitere Jahre sichert, vgl. unten 7. g) bb) (3). 45 7. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinen erheblichen Mängeln der fachplanerischen Abwägung, auf die sich die Klägerinnen berufen können. 46 Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 WaStrG sind bei der Planfeststellung für den Ausbau von Bundeswasserstraßen die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das fachplanungsrechtliche Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, – zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und - drittens - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Diese beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots daher auf die Frage, ob die Verwaltungsbehörde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie - auf der Grundlage des derart zutreffend ermittelten Abwägungsmaterials - die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat. Hierfür kommt es maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses an (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 23 f.). 47 a) Soweit mit den Klagen mit Blick auf baubedingte und dauerhafte Beeinträchtigungen der Stromproduktion durch Wasserkraft Abwägungsfehler wegen nicht hinreichender Berücksichtigung globaler Klimabelange sowie der Sicherheit der Energieversorgung geltend gemacht werden, berufen sich die Klägerinnen auf Belange der Allgemeinheit, nicht aber auf eigene Belange. Hierfür fehlt ihnen die Rügebefugnis. 48 b) Die Planfeststellungsbehörde hat sich mit der Inanspruchnahme des Grundeigentums der Klägerin zu 1, mit temporären Einschränkungen des Kraftwerksbetriebs während der Bauphase sowie mit dauerhaften Beeinträchtigungen der Stromerzeugung aufgrund des Wasserbedarfs der künftigen Anlagen für den Fischauf- und -abstieg eingehend befasst (PFB S. 94 ff., 275 ff.). Ein Abwägungsausfall zulasten der Klägerinnen liegt nicht vor. Auch hat die Beklagte gesehen und zugrunde gelegt, dass bei Umsetzung der Planung Maßnahmen direkt an der Bausubstanz des Wasserkraftwerks notwendig werden und dass im Rahmen der Bauarbeiten das Wasserkraftwerk zeitweise außer Betrieb genommen werden muss bzw. nur mit reduzierter Leistung betrieben werden kann (PFB S. 94 ff., 288 ff.; Erläuterungsbericht/Beilage Nr. 1A S. 62 f.). Die von der Beklagten erkannte dauerhafte Belastungswirkung aufgrund des Wasserbedarfs der Anlagen für den Fischauf- und -abstieg spiegelt sich in § 21 der Anordnungen (PFB S. 54 f.) wider. Soweit dort ausgeführt wird, dass die wasserrechtliche Erlaubnis vom 15. Juni 1937 unter Anpassung von Ziffer I.1. Abs. 2 (dort fälschlich: ""Abs. 3"") hinsichtlich der hinzunehmenden Wasserabzugsmengen modifiziert weiter gilt, wird deklaratorisch die Reichweite der Gestaltungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4, § 14c WaStrG i. V. m. § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG angesprochen. Insofern wird richtig erfasst, dass der Baubetrieb temporäre und der Wasserentzug durch die künftigen Anlagen zum Fischauf- und -abstieg dauerhafte nachteilige Auswirkungen auf das Wasserbenutzungsrecht der Klägerin zu 1 sowie auf die Gewässerbenutzung durch die Klägerin zu 2 mit sich bringen. Dass die Beklagte tatsächlich abgewogen hat, zeigt sich auch darin, dass nach ihren Ausführungen die von ihr als ""unstrittig gewichtig"" eingestuften Betroffenheiten ""mit vollem Gewicht"" in die Abwägung einzustellen gewesen seien (PFB S. 94). 49 c) Die Abwägungsentscheidung verkennt ferner nicht, dass das im Jahr 1937 verliehene und von den Auswirkungen der Planung betroffene Recht auf Wasserbenutzung für den Kraftwerksbetrieb ein wasserrechtliches Altrecht gemäß § 20 Abs. 1 WHG darstellt. 50 Der Planfeststellungsbeschluss setzt sich insoweit mit dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Juli 2005 - 8 B 04.356 - zur Plangenehmigung für den Bau eines Umgehungsgerinnes an der Staustufe Randersacker auseinander, in dem es um die vergleichbare Betroffenheit eines alten Wasserrechts für den Betrieb eines Wasserkraftwerks ging. In diesem Zusammenhang stellt der Planfeststellungsbeschluss die historische Bedeutung des Wasserbenutzungsrechts mit Blick auf den Main-Donau-Staatsvertrag vom 13. Juni 1921 und den Konzessionsvertrag vom 30. Dezember 1921 als vertragliche Gegenleistung für den von der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 durchgeführten Ausbau der Wasserstraßen nicht infrage (PFB S. 95 f.; hierzu VGH München, Urteil vom 5. Juli 2005 - 8 B 04.356 - NuR 2006, 177 <179 ff.>). Es wird nicht verkannt, dass Ziffer II.4. Abs. 1 und 4 des Konzessionsvertrags zu entnehmen ist, dass Genehmigungsanträge der Wasserkraftbetreiberin für entsprechende Vorhaben unter Berücksichtigung der in § 56 Abs. 3 und 4 WaStrG gesetzlich bestätigten Bindungen im Rahmen von Ermessensentscheidungen als sich mit dem Vertragsziel deckend und gemeinwohlverträglich anzusehen sind und dass deshalb die Klägerin zu 1 im Rahmen wasserrechtlicher Verfahren förderlich zu behandeln ist (PFB S. 96; vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1962 - 4 C 38.62 - BVerwGE 14, 209 <217 f.>; VGH München, Beschluss vom 27. Mai 1983 - 8 B 82 A.2939 - juris Rn. 71 f.). Unter § 21 der Anordnungen (PFB S. 54) werden die Fortgeltung der Verträge über die Ausführung der Main-Donau-Wasserstraße unter Einschluss der Vereinbarungen gemäß der Schlussverhandlung vom 29. Mai 1956 mit der gegenseitigen Pflicht zur Unterstützungsgewährung in freundnachbarlicher Weise vom Planfeststellungsbeschluss bestätigt. 51 d) Die Beklagte hat den Umfang der dauerhaften Belastungswirkungen der Planumsetzung für die Stromerzeugung hinreichend erfasst. 52 aa) Hinsichtlich des Umfangs der Belastungswirkung aufgrund eines dauerhaft verminderten Wasserdargebots für den Turbinenbetrieb ist im Verfügungsteil des Planfeststellungsbeschlusses unter § 2 Abs. 22 (PFB S. 30) geregelt, dass die vorgegebene Durchflussmenge für die Fischaufstiegsanlage von mindestens 1,59 m³/s an 300 Tagen und für die Fischabstiegsanlage von mindestens 2,56 m³/s ganzjährig einzuhalten ist. Soweit an anderer Stelle die geplanten Abflüsse bei Kraftwerksbetriebszeiten (kein Hochwasserabfluss, aber Wehrbetrieb) mit maximal ""rund 4,6 m³/s"" sowie mit ""im Mittel 3,89 m³/s"" beziffert werden (PFB S. 283), ist hierin kein Widerspruch zur Anordnung nach § 2 Abs. 22 zu sehen. Dass die Summe der in der Anordnung angegebenen Wassermengen von 4,15 m³/s (1,59 m³/s + 2,56 m³/s) an bestimmten Tagen übertroffen werden kann, erklärt sich nicht nur damit, dass die Durchflussmengen als bloße Mindestvorgaben festgesetzt sind. Dies ergibt sich vielmehr auch daraus, dass bei den in § 2 Abs. 22 der Anordnung thematisierten Abflussmengen die je nach Wasserstand im Oberwasser variierende Wassermenge für die Zusatzdotation am Einstieg I nicht berücksichtigt wurde (zu dieser Zusatzdotation vgl. die planfestgestellten Pläne Beilage Nr. 9A ""Staustufe Lageplan Gesamtanlage"" und Beilage Nr. 16A ""Fischaufstiegsanlage, Lageplan, Querschnitte und Details""; vgl. auch PFB S. 28, 280 ff., Erläuterungsbericht/Beilage Nr. 1A S. 30 ff. sowie das der Planung zugrundeliegende Gutachten ""Fischaufstiegsanlage Konzeption, Stand 23. Januar 2017""). Hinsichtlich des angegebenen Durchflussmittelwerts (3,89 m³/s) ist zu berücksichtigen, dass die vorgegebene Mindestdurchflussmenge für die Fischaufstiegsanlage nur an 300 Tagen im Jahr einzuhalten ist und damit in den verbleibenden 65 Tagen auch weniger als 1,59 m³/s betragen darf, sodass die Gesamtabflussmenge an diesen Tagen geringer als 4,15 m³/s sein kann. 53 bb) Es begründet weder ein Ermittlungs- noch ein Abwägungsdefizit, dass für die mitgeplanten Anlagen zum Fischauf- und -abstieg nach dem Vorschlag eingeholter Sachverständigengutachten (""Fischabstiegsanlage Konzeption, Stand 20.12.2016""; ""Fischaufstiegsanlage Konzeption, Stand 23. Januar 2017"") näher reglementierte Monitoringmaßnahmen vorgesehen sind (PFB S. 28 f., Anordnungen § 22 Abs. 14, 15, 17; vgl. auch die Darlegungen des Vorhabenträgers im Erörterungstermin am 17. Juli 2018, Protokoll S. 26 ff. sowie PFB S. 283). Die Klägerinnen sehen zu Unrecht einen Planungsfehler darin, dass die Planfeststellung insofern auf ""trial and error"" setze, statt den ökologischen Nutzen der mitgeplanten Fischaufstiegs- und Fischabstiegsmaßnahmen präziser zu ermitteln und zu bewerten. Die Anordnung eines Monitorings stellt ein im Fachplanungsrecht übliches Instrument zulässiger Konfliktlösung dar, das dazu dient, bei verbleibenden Zweifeln an der Funktionsfähigkeit festgesetzter Schutzmaßnahmen deren Wirksamkeit laufend zu überprüfen und gegebenenfalls gegensteuern zu können (vgl. z. B. – dort zum Artenschutzrecht in der Planfeststellung - BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 55). 54 cc) Es begründet keinen Abwägungsfehler, dass die Beklagte die maßgeblichen dauerhaften Beeinträchtigungen der Stromproduktion allein im Wasserkraftverlust durch den Wasserbedarf der Anlagen für den Fischauf- und -abstieg, nicht aber zusätzlich in allgemein veränderten Anströmungsverhältnissen am Kraftwerk gesehen hat. 55 Die zu prognostizierenden Einflüsse auf die planungsbedingten hydraulischen Abflussverhältnisse und die Auswirkungen auf die Kraftwerksanlage waren Gegenstand des von der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) erstellten ""Gutachtens über die Einflüsse des Wehrneubaus an der Mainstaustufe Obernau auf das Wasserkraftwerk, die Schifffahrt und den Fischaufstieg"" vom 9. Juni 2016. Das Gutachten ist auf Basis von Modelluntersuchungen und aufbauend auf der physikalischen Grundannahme, dass grundsätzlich von einer zumindest gleichbleibenden Leistungsfähigkeit des Kraftwerks ausgegangen werden kann, wenn keine Fallhöhenverluste im Vergleich zwischen dem Bestand und den in Betracht gezogenen Planungsvarianten festzustellen sind (Gutachten S. 7), zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Verschlechterung für das Kraftwerk zu erwarten ist. Entgegen den Ausführungen der Klagebegründung ist der oberwasserseitige Zufluss in die gutachterliche Analyse mit einbezogen worden (Gutachten S. 25 f.). Im Erörterungstermin am 17. Juli 2018 (vgl. Protokoll S. 27) wurde das Gutachten von einem sachverständigen Mitverfasser weiter erläutert. Bei planerischen Entscheidungen, die nicht allein auf der Erfassung eines gegenwärtigen Zustands, sondern auch auf einer Einschätzung in der Zukunft liegender Tatsachen beruhen, liegt es in der Natur der Sache, dass die Richtigkeit der Prognose gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob eine geeignete fachspezifische Methode gewählt wurde, ob die Prognose nicht auf unrealistischen Annahmen beruht und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 42 und vom 28. Mai 2021 - 7 C 4.20 - BVerwGE 172, 383 Rn. 37). Dass dem Gutachten vom 9. Juni 2016 und den ergänzenden sachverständigen Darlegungen des Gutachters im Protokoll des Erörterungstermins vom 17. Juli 2018 als Grundlagen, auf die sich die Planung gestützt hat (PFB S. 284), Fehler dieser Art anhaften, ist weder ersichtlich noch wird dies von den Klägerinnen in der Klagebegründung substantiiert vorgebracht. Die Planfeststellungsbehörde konnte daher im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses ohne Weiteres davon ausgehen, dass diesbezüglich keine weiteren Ermittlungen erforderlich waren. Das Recht nötigt nicht zu einem Ermittlungsaufwand, der keine zusätzlichen Erkenntnisse verspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 162). 56 e) Die Erwägung der Beklagten, im Rahmen der Neuplanung der Stauanlage Anlagen für den Fischauf- und Fischabstieg als Maßnahmen zur Gewährleistung und Verbesserung der ökologischen Durchgängigkeit auch zulasten des Kraftwerksbetriebs einbeziehen zu müssen (PFB S. 89 f., 96 f., 218, 281, 283 f., 287, 290 f., 299), ist auf Grundlage des von der Planfeststellungsbehörde ausdrücklich zitierten § 34 Abs. 3 WHG sowie wegen § 12 Abs. 7 Satz 1 WaStrG nicht rechtsfehlerhaft. Die Beklagte hat entgegen der Ansicht der Klägerinnen nicht rechtsirrig die gesetzlichen Anforderungen an die Bewirtschaftung oberirdischer Gewässer (§ 27 WHG), die die Vorgaben der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 327 S. 1) - Wasserrahmenrichtlinie - (WRRL), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2014/101/EU der Kommission vom 30. Oktober 2014 (ABl. L 311 S. 32), umsetzen sollen, überdehnt. Ein Abwägungsfehler in Form einer Abwägungsfehleinschätzung zulasten der Klägerinnen liegt insofern nicht vor. 57 aa) Nach § 34 Abs. 3 WHG führt die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes bei Stauanlagen an Bundeswasserstraßen, die von ihr errichtet oder betrieben werden, die nach § 34 Abs. 1 und 2 WHG erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele bei oberirdischen Gewässern (§§ 27 bis 31 WHG) im Rahmen ihrer Aufgaben nach dem Bundeswasserstraßengesetz hoheitlich durch. § 34 Abs. 3 WHG regelt eine Sonderzuständigkeit und gesetzliche Pflichtaufgabe des Bundes als Annex der Bundeswasserstraßenverwaltung in Abgrenzung von den Aufgaben- und Kompetenzen der ansonsten für die Durchsetzung der wasserrechtlichen Bewirtschaftungsziele zuständigen Landesbehörden (vgl. BT-Drs. 16/12275 S. 61; zur Verfassungskonformität vgl. Durner, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Januar 2023, § 34 WHG Rn. 37 ff.). Daneben sind gemäß § 12 Abs. 7 Satz 1 WaStrG beim Ausbau einer Bundeswasserstraße im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 WaStrG die Bewirtschaftungsziele gemäß §§ 27 bis 31 WHG strikt zu beachten (vgl. BT-Drs. 19/26827 S. 31 f.; BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 478 im Anschluss an EuGH, Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​433] - NVwZ 2015, 1041 Rn. 29 ff.). Hiervon ausgehend war die Planfeststellungsbehörde sowohl wegen § 34 Abs. 3 WHG als auch wegen § 12 Abs. 7 Satz 1 WaStrG gehalten, Anlagen für den Fischaufstieg und den Fischabstieg bei der Neuplanung der Stauanlage vorzusehen, um den wasserhaushaltsrechtlichen Bewirtschaftungszielen und hier speziell den gesetzlichen Anforderungen des Verbesserungsgebots gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 2 WHG nachzukommen. 58 bb) Der vom Planfeststellungsbeschluss betroffene oberirdische Wasserkörper ist gemäß § 28 WHG als erheblich verändert eingestuft (vgl. Bewirtschaftungsplan für den bayerischen Teil des Rheingebietes/Bewirtschaftungszeitraum 2022 - 2027, Stand Dezember 2021, S. 14, Tabelle 1 - 6; Fachbeitrag Wasserrahmenrichtlinie/Beilage Nr. 39 zum PFB, S. 9; Wasserkörpersteckbrief des Bayerischen Landesamtes für Umwelt ""Main von der Staustufe Wallstadt bis Landesgrenze HE/BY bei Kahl ""). Erheblich veränderte oberirdische Gewässer sind so zu bewirtschaften, dass eine Verschlechterung ihres ökologischen Potenzials und ihres chemischen Zustands vermieden wird (Verschlechterungsverbot, § 27 Abs. 2 Nr. 1 WHG) und dass ein gutes ökologisches Potenzial und ein guter chemischer Zustand erhalten oder erreicht werden (Verbesserungsgebot, § 27 Abs. 2 Nr. 2 WHG). 59 Vorliegend ging es der Beklagten darum, mit den geplanten Maßnahmen die ökologische Durchgängigkeit im Vergleich zum Status quo weiter zu verbessern. Das Verbesserungsgebot ist in erster Linie durch die wasserwirtschaftliche Planung zu verwirklichen, also über die Maßnahmenprogramme (Art. 11 WRRL; § 82 WHG) und die Bewirtschaftungspläne (Art. 13 WRRL, § 83 WHG). Bei der Entwicklung und Auswahl der Bewirtschaftungsmaßnahmen verfügen die Mitgliedstaaten über einen weiten Handlungsspielraum, der es ihnen u. a. ermöglicht, die Besonderheiten und Merkmale der Wasserkörper in ihrem Hoheitsgebiet zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 585, unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 - NVwZ 2015, 1041 Rn. 34, 42). 60 Im Bewirtschaftungsplan für den bayerischen Teil des Rheingebietes/Bewirtschaftungszeitraum 2022 - 2027, Stand Dezember 2021 werden für die betroffene Großregion und auch speziell für den hier betroffenen Oberflächenwasserkörper UMN_PEo2 Defizite hinsichtlich hydromorphologischer Veränderungen bzw. Belastungen durch Dämme, Querbauwerke und Schleusen sowie deshalb die Notwendigkeit ökologischer Durchgängigkeitsmaßnahmen diagnostiziert (S. 29. ff., Tabelle 2 - 3, S. 58 ff., Abbildung 4-4 , S. 82 f., 93 f., 113 ff., Tabelle 7 - 4). Im Maßnahmenprogramm für den bayerischen Anteil am Flussgebiet Rhein/Bewirtschaftungszeitraum 2016 - 2021 sind als ergänzende Maßnahmen unter 4.6 (S. 26 ff.) Maßnahmen zur hydromorphologischen Verbesserung der Gewässer vorgesehen. Speziell für den hier betroffenen Flussabschnitt 2_F146 werden in Anhang 4, S. 61 i. V. m. Anhang 2 Nr. 69.3 des Maßnahmenprogramms für den Bewirtschaftungszeitraum 2016 - 2021 als geplante Maßnahmen ""Passierbares BW (Umgehungsgewässer, Fischauf- und/oder -abstiegsanlage) an einem Wehr/Absturz/Durchlassbauwerk anlegen"" angeführt. Fortschreibend hierzu sieht das ""Maßnahmenprogramm für den bayerischen Anteil am Flussgebiet Rhein - Aktualisierung zum 3. Bewirtschaftungszeitraum, Stand Dezember 2021"" auf S. 11 ff. auch für die hier betroffene Planungseinheit weiterhin Verbesserungsbedarf (S. 13, Tabelle 3 - 2) und verweist zu gebotenen ergänzenden Maßnahmen auf den Wasserkörpersteckbrief (s. o.). In diesem sind Maßnahmen zur Herstellung/Verbesserung der linearen Durchgängigkeit u. a. an Staustufen gefordert. 61 cc) Es ist weder ersichtlich noch von den Klägerinnen dargetan, dass der Plangeber bei der Maßnahmenplanung seinen Gestaltungsspielraum fehlerhaft ausgefüllt hat, weil er seinem Planungsauftrag offensichtlich nicht gerecht wurde. 62 Bei erheblich veränderten Gewässern haben sowohl das Verschlechterungsverbot als auch das Verbesserungsgebot mit ihrer Bezugsgröße des ""ökologischen Potenzials"" (§ 27 Abs. 2 Nr. 1 WHG) bzw. des ""guten ökologische Potenzials"" (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 WHG) im Vergleich zum ""(guten) ökologischen Zustand"" als Maßstab des § 27 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WHG ein abgesenktes Anforderungsprofil (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 485). Leitbild des Verbesserungsgebots am Maßstab des § 27 Abs. 2 Nr. 2 WHG ist ein hypothetischer ökologischer Gewässerzustand, der erreichbar ist, ohne dass jene Nutzungen eingestellt oder Eingriffe rückgängig gemacht werden sollen, die die Einstufung als künstlich oder erheblich verändert nach § 28 WHG legitimiert haben (Durner, in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Januar 2023, § 27 WHG Rn. 37). Art. 2 Nr. 23 WRRL verweist zur Begriffsbestimmung ""gutes ökologisches Potenzial"" auf seinen Anhang, wonach hiermit ein Zustand eines erheblich veränderten oder künstlichen Wasserkörpers gemeint ist, der nach den einschlägigen Bestimmungen des Anhangs V entsprechend eingestuft wurde. Nach Anhang V Nr. 1.4.2 Ziff. ii WRRL gibt es vier Zustandsklassen zur Darstellung des ökologischen Potenzials: gut und besser, mäßig, unbefriedigend, schlecht. Genauer bestimmt werden die Qualitätskomponenten für drei Zustandsklassen (höchstes ökologisches Potenzial, gutes ökologisches Potenzial und mäßiges ökologisches Potenzial) gemäß Anhang V Nr. 1.2.5 WRRL. Dabei dient das ""höchste ökologische Potenzial"" als Referenz, das unter Zugrundelegung des betreffenden Optimums eines Vergleichsgewässers durch denjenigen Zustand definiert wird, der nach Durchführung aller in Betracht kommenden Maßnahmen erreichbar wäre, um - speziell in Bezug auf hydromorphologische Komponenten - die beste Annäherung an die ökologische Durchgängigkeit, insbesondere hinsichtlich der Wanderungsbewegungen der Fauna und angemessener Laich- und Aufzuchtgründe, sicherzustellen. Es handelt sich hierbei um einen hypothetischen Zustand, bei dem unter Beachtung derjenigen nutzungsbedingten Einwirkungen, die gemäß § 28 WHG zu seiner Einstufung als ""erheblich verändert"" geführt haben, zur Beurteilung die Qualitätskomponenten eines weitgehend vergleichbaren Oberflächengewässertyps zugrunde zu legen sind, wobei das gemäß § 27 Abs. 2 WHG statuierte Ziel des ""guten ökologischen Potenzials"" sich hieran orientiert, aber von diesem (lediglich) geringfügig abweicht, vgl. Anhang V Nr. 1.2.5 WRRL sowie Anlage 4, Tabelle 6 Oberflächengewässerverordnung - OGewV – (Schmid, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl. 2017, § 27 Rn. 72; Ginzky, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand Juli 2020, § 27 WHG Rn. 17). 63 Die im Bewirtschaftungsplan sowie im Maßnahmenprogramm vorgesehene Schaffung von Durchgängigkeitsmaßnahmen bei Vorhaben der vorliegenden Art im betreffenden Flussabschnitt hält sich innerhalb des vorbezeichneten Rahmens. Die nach § 28 Nr. 1 Buchst. d WHG privilegierte Wasserkraftnutzung (""Stromerzeugung"") bleibt auch nach der Umsetzung der Planung weiterhin - wenn auch mit gewissen Einschränkungen - in nennenswertem Umfang möglich. Dem angenommenen Wasserbedarf von 4,6 m³/s für die Fischaufstiegs- und Fischabstiegsanlage steht eine maximale Menge an Wasser von 175 m³/s für die Stromproduktion gegenüber. 64 Die im Maßnahmenprogramm vorgesehenen Durchgängigkeitsmaßnahmen, schießen auch nicht deshalb über das Ziel des Erreichens des guten ökologischen Potenzials hinaus, weil die mit ihnen einhergehenden temporären und dauerhaften Beschränkungen der Stromproduktion mit mehr als bagatellartigen Nachteilen für eine gemäß § 28 Nr. 1 Buchst. d WHG privilegierte Nutzung einhergehen. 65 Die Klägerinnen berufen sich zu Unrecht darauf, das Sanierungspotenzial für den Oberflächenwasserkörper sei nach den zugrundeliegenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. ii i. V. m. Abs. 3 Buchst. a WRRL) sowie nach dem systematischen Verhältnis zwischen § 27 Abs. 2 Nr. 2 und § 28 Nr. 1 WHG bereits dann ausgeschöpft, wenn eine Sanierung nur mit solchen Gegenmaßnahmen möglich sei, die mit signifikant nachteiligen Auswirkungen auf die in § 28 Nr. 1 WHG genannten Nutzungen einhergingen. Soweit derartige Einschränkungen des Sanierungsbedarfs zur Erreichung eines guten ökologischen Potenzials von der Kommission vertreten werden (CIS-Leitfaden Nr. 4: Identification and Designation of Heavily Modified and Artificial Water Bodies, 2003, S. 20) und sich entsprechende Ansätze auch in der Literatur finden (vgl. Schmid, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl. 2017, § 27 Rn. 72, 75, 80; Durner, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Januar 2023, § 27 WHG Rn. 37; Ginzky, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand Juli 2020, § 27 WHG Rn. 17), bedarf es jedenfalls für Kompensationsmaßnahmen zum Erhalt oder zur Verbesserung der ökologischen Durchgängigkeit aus rechtssystematischen Gründen einer Korrektur. Denn behördliche Anordnungsbefugnisse gemäß § 13 Abs. 1 und 2 Nr. 2 Buchst. a oder d, § 34 Abs. 2 WHG, die für eine Anpassung an die Bewirtschaftungsziele durch nachträgliche Verbesserung der ökologischen Durchgängigkeit anwendbar sind, kommen insbesondere für Wasserkraftwerke mit Stauanlagen in Betracht, die typischerweise an bzw. in einem als erheblich verändert eingestuften oberirdischen Gewässer liegen. Da Fischaufstiegs- und Fischabstiegsanlagen aufgrund ihres Wasserbedarfs regelmäßig eine fühlbare, mehr als bagatellhafte Beeinträchtigung der Stromproduktion zur Folge haben, liefen solche Anordnungsbefugnisse bei solchen Fallgestaltungen mit besonderem Regelungsbedarf ansonsten weitgehend leer. Insoweit darf sich die rechtssystematische Betrachtung für die Bestimmung der Reichweite des Sanierungspotenzials im Anwendungsbereich des § 27 Abs. 2 Nr. 2 WHG nicht auf das Verhältnis zu § 28 Nr. 1 WHG begrenzen, sondern muss sich dem Wortlaut der Norm entsprechend auf § 28 WHG insgesamt erstrecken (vgl. Schmid, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl. 2017, § 28 Rn. 22 ff., 30 f.). Nach der gemäß § 28 Nr. 2 WHG vorzunehmenden Subsidiaritätsprüfung ist bei der Einstufungsentscheidung danach zu fragen, ob für eine an sich die Einstufung als erheblich verändertes Gewässer rechtfertigende privilegierte Nutzung nach Nr. 1 eine ""bessere Umweltoption"" im Sinne einer gleich geeigneten, technisch durchführbaren und nicht mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbundenen Alternative zur Verfügung steht. Ist dies der Fall, steht dies einer Einstufung eines Oberflächengewässers als erheblich verändert entgegen. Daraus folgt bezogen auf die Anordnung von Sanierungsmaßnahmen, dass eine auf die Erreichung eines guten ökologischen Potenzials im Sinne des § 27 Abs. 2 Nr. 2 WHG gerichtete, technisch nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand anders durchführbare Sanierungsmaßnahme, die nicht unverhältnismäßig zulasten einer Nutzung im Sinne des § 28 Nr. 1 WHG geht, im Maßnahmenprogramm für ein als erheblich verändert eingestuftes Oberflächengewässer ausgewiesen werden kann. 66 f) Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen das Gebot der Konfliktbewältigung, soweit er keinen konkreten, datumsmäßig fixierten Bauzeitplan vorgibt, aus dem die Klägerinnen im Vorhinein ersehen können, in welchen genauen Zeiträumen das Kraftwerk baubedingt stillzulegen ist bzw. nur eingeschränkt betrieben werden darf und der Kraftwerksbetrieb etwa durch Inanspruchnahme von Teilen des Kraftwerksgrundstücks für Baustellenmaßnahmen sonstigen Einschränkungen unterliegt. 67 Fragen der Bauausführung dürfen in der Regel aus der Planfeststellung ausgeklammert werden, sofern nach dem Stand der Technik zur Problembewältigung geeignete Lösungen zur Verfügung stehen und die Wahrung der entsprechenden Regelwerke sichergestellt ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 95 Rn. 169, vom 16. März 2021 - 4 A 10.19 - NVwZ 2021, 1615 Rn. 68 und vom 23. Juni 2021 - 7 A 10.20 - NVwZ 2021, 1696 Rn. 43). Der Planfeststellungsbeschluss gibt insoweit im Verfügungsteil unter Ziffer V. § 1 Abs. 1 Satz 1 vor, dass die gesamten Baumaßnahmen nach den geltenden technischen Bestimmungen und anerkannten Regeln der Baukunst auszuführen sind (PFB S. 23). Dass es insofern Umsetzungsprobleme geben könnte, die hierdurch nicht gelöst werden könnten, ist nicht auszumachen und wurde auch von den Klägerinnen nicht substantiiert aufgezeigt. 68 Vorkehrungen im Planfeststellungsbeschluss können aber nach Maßgabe des Gebots der Problembewältigung erforderlich sein, wenn und soweit im Zusammenhang mit der Bauausführung konkrete abwägungsbeachtliche Belange berührt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 50). Dies betrifft vorliegend das Interesse der Klägerinnen, in möglichst geringem Umfang von bau- bzw. bauzeitenbedingten Einschränkungen des Kraftwerksbetriebs betroffen zu sein. Zur diesbezüglichen Konfliktlösung finden sich in den Anordnungen für die Bauphase unter ""V. Anordnungen"" (PFB S. 23 ff.) entsprechende Begleitregelungen: Der Vorhabenträger hat der Klägerin zu 1 (u. a. neben der Planfeststellungsbehörde) ausreichende Zeit vor Beginn der Baumaßnahme einen für die jeweilige Baumaßnahme gültigen Bauzeitenplan (inklusive Beginn und Abschluss der Arbeiten) zu übermitteln (Ziffer V. § 1 Abs. 3 Satz 1). Die Ausführungsplanung für die Fischaufstiegsanlage ist mit ""der R./U."" abzustimmen, soweit es die betrieblichen Belange des Kraftwerks an der Staustufe Obernau betrifft; der Beginn der Bauarbeiten muss ""der R./U. rechtzeitig vorher angekündigt"" werden (Ziffer V. § 2 Abs. 16). Zum Schutz der Stromproduktion im Kraftwerk an der Staustufe sind die Baumaßnahmen so zu planen und auszuführen, dass Stillstandzeiten im Kraftwerk möglichst vermieden werden. Soweit Stillstandzeiten im Kraftwerk aus technischen oder betrieblichen Gründen nicht zu vermeiden sind, sind die notwendigen Arbeiten so zu planen, dass der Schaden für die Betreiberin des Kraftwerks möglichst gering ist. Der Vorhabenträger hat der ""R./U."" den Beginn und das Ende der Arbeiten sowie Einschränkungen des Wasserkraftwerk-Betriebes rechtzeitig mitzuteilen (Ziffer V. § 2 Abs. 20). Mit Blick auf baubedingte Erschütterungen ist ein baubegleitendes Beweissicherungs- und Monitoringkonzept geregelt, in das auch das Wasserkraftwerk eingebunden ist (Ziffer V. § 5). Im Übrigen ist gemäß Anordnung Ziffer V. § 17 ein Beweissicherungsverfahren unter Einschluss des Wasserkraftwerks zur Erfassung baubedingter Schäden vorgesehen. 69 Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf die im Erläuterungsbericht (Beilage Nr. 1A S. 62 f.) aufgelisteten problematischen Bauabschnitte im Einzelnen plausibel und glaubhaft dargelegt, dass und warum diese Phasen, in denen der Wasserzulauf für das Kraftwerk bautechnisch unterbrochen oder vermindert wird, während der mehrjährigen Bauphase insgesamt eine ungefähre Größenordnung von 8,5 Monaten, die so im Planfeststellungsbeschluss grob veranschlagt werden (PFB S. 94), nicht überschreiten. 70 Sofern eine verbindlichere Bauzeitenplanung ausnahmsweise dennoch grundsätzlich als erforderlich angesehen werden sollte, weil durch konkrete Baumaßnahmen abwägungsbeachtliche Belange betroffen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 96), hat die Beklagte den Anforderungen planerischer Konfliktlösung jedenfalls durch die in der mündlichen Verhandlung erfolgte Planergänzung um Informationspflichten des Vorhabenträgers und um einen Auflagenvorbehalt hinreichend Rechnung getragen. Dieser ist hiernach verpflichtet, die die Klägerinnen betreffende Ausführungsplanung mit Bauzeitenplan sowie sich hierzu ergebende wesentliche Änderungen den Klägerinnen zur Freigabe vorzulegen. Er hat den Klägerinnen zudem Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; sollten sich Konflikte abzeichnen, hat der Vorhabenträger dies der Planfeststellungsbehörde zu berichten, die sodann unter Berücksichtigung aller Belange entscheidet. 71 Diese zu Protokoll des Gerichts erklärten Änderungen sind dem Planfeststellungsbeschluss unmittelbar angewachsen und mit ihm zu einer Einheit verschmolzen, die den Gegenstand der rechtlichen Beurteilung durch das Gericht bildet (BVerwG, Urteile vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - NVwZ 2014, 1008 Rn. 15 und vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 97). Nach § 74 Abs. 3 VwVfG (hier i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 4, § 14b Abs. 1 WaStrG) besteht die Möglichkeit, die abschließende Entscheidung über das betreffende Planungselement im Planfeststellungsbeschluss vorzubehalten, wenn sich bezogen auf den Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses die für die Bewältigung des Problems notwendigen Kenntnisse nicht mit vertretbarem Aufwand beschaffen lassen und das offen gehaltene Problem so gelöst werden kann, dass die bereits getroffenen Festlegungen nicht nachträglich als unabgewogen erscheinen (BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 50 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des ergänzten Auflagenvorbehalts erfüllt. Die genauen Stillstandzeiten bzw. Zeiten eines eingeschränkten Kraftwerksbetriebs konnten von der Beklagten angesichts einer veranschlagten Bauzeit von fast 10 Jahren und Unwägbarkeiten wie Witterung, Wasserstand und einer stets situationsbedingten Abstimmung der Gewerke im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses datumsmäßig nicht sicher prognostiziert und festgelegt werden (vgl. PFB S. 288; Protokoll zum Erörterungstermin am 17. Juli 2018 S. 31). Mit dem (nachträglichen) Auflagenvorbehalt ist nicht mehr ungeregelt, was zu gelten hat, wenn die Beteiligten im Rahmen zeitlicher Abstimmungen für bestimmte Baumaßnahmen, die zu Kraftwerksstillständen bzw. einem eingeschränkten Kraftwerksbetrieb führen, keine Einigung erzielen oder darüber streiten, ob eine angekündigte Bauausführung mit Einschränkungen für den Kraftwerksbetrieb den abstrakt formulierten Rücksichtnahmeanforderungen gemäß Ziffer V. § 2 Abs. 20 (PFB S. 29) oder den konkretisierungsbedürftigen zeitlichen Vorgaben für die Vorabinformation gemäß Ziffer V. § 1 Abs. 3 Satz 1, § 2 Abs. 16 sowie 20 (PFB S. 23, 29) genügt (vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 1. Februar 2023 - 14 S 370/22 - juris Rn. 221 ff. m. w. N.). Mit der nunmehr vorgesehenen Entscheidung der Planfeststellungsbehörde im Konfliktfall besteht die Möglichkeit, Ausführungsphasen am Kraftwerk oder in dessen Nähe zum Schutz der Turbinen oder der Bausubstanz im Streitfall durch die Planfeststellungsbehörde zu steuern (zum Erschütterungsschutz vgl. Ziffer V. § 5, PFB S. 36 ff.). Aufgrund des konkretisierten Konfliktschlichtungsprogramms erscheint die im Erläuterungsbericht (Beilage Nr. 1A S. 63) geäußerte Einschätzung, wonach ohnehin erforderliche Kontroll-, Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen am Kraftwerk, bei denen das Kraftwerk sowieso nur mit reduzierter Leistung oder überhaupt nicht zur Stromproduktion betrieben werden kann, gegebenenfalls mit einem geschätzten Zeitumfang von 3,25 Monaten in entsprechende kritische Bauphasen gelegt werden könnten, nicht unrealistisch. 72 g) Sonstige Schutzvorkehrungen im Sinne von § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, die mit dem Zweck des Vorhabens - einschließlich der Verbesserung der ökologischen Durchgängigkeit - vereinbar wären, sind weder ersichtlich noch von den Klägerinnen konkret benannt worden. Die mithin bei Umsetzung des Planfeststellungsbeschlusses unvermeidbaren (temporären und dauerhaften) Beeinträchtigungen des Kraftwerksbetriebs stehen auch ohne Gewährung einer Entschädigung (§ 14 Abs. 1 Satz 4, § 14b Abs. 1 Satz 1 WaStrG, § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG) nicht außer Verhältnis zu den mit der Planung verfolgten Allgemeininteressen. Die Grenze zur Abwägungsdisproportionalität ist erst erreicht, wenn Belastungen so massiv ins Gewicht fallen, dass dem Betroffenen ein unzumutbares Opfer abverlangt wird (BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 404 und vom 19. Dezember 2017 - 7 A 10.17 - UPR 2018, 302 Rn. 47). Das ist bei den Klägerinnen nicht der Fall. Dies hat der Planfeststellungsbeschluss der Sache nach fehlerfrei erkannt. 73 aa) Auch bei wasserrechtlichen Altrechten sind Inhalts- und Schrankenbestimmungen durch oder aufgrund eines Gesetzes in den Grenzen des Übermaßverbots nicht ausgeschlossen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Es ist nicht von vornherein von Abwägungsdisproportionalität auszugehen, wenn über die Gestaltungs- und Duldungswirkung einer Planfeststellung Nutzungsmöglichkeiten aus einem alten Wasserrecht eingeschränkt werden. 74 § 10 Abs. 2 WHG, mit dem der Gesetzgeber Oberflächengewässer einer vom Grundeigentum losgelösten öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung unterworfen und der Allgemeinheit zugeordnet hat, um im Sinne einer weitgehenden Sozialbindung eine geordnete Bewirtschaftung des Wassers nach Menge und Beschaffenheit sicherzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1970 - 4 C 102.67 - BVerwGE 36, 248 <249 f.>; BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 - III ZR 48/08 - NVwZ 2009, 1244 Rn. 15; für das Grundwasser vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 - BVerfGE 58, 300 <328, 338 ff.>), findet auf das vor Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes mit Bescheid vom 15. Juni 1937 verliehene Altrecht auf Wasserbenutzung keine Anwendung (vgl. Knopp/Müller, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, Stand Februar 2022, § 10 Rn. 57 m. w. N.). Im Gegensatz zu einer nach dem Wasserhaushaltsgesetz erteilten Erlaubnis oder Bewilligung (vgl. Knopp/Müller a. a. O.) beinhaltet ein solches Altrecht ein subjektiv-öffentliches Recht auf Nutzung einer bestimmten (hier: Höchst-)Wassermenge und begründet mithin einen Anspruch des Inhabers - hier der Klägerin zu 1 - darauf, grundsätzlich nicht durch Nutzungen anderer und auch nicht durch die Erteilung konkurrierender Wasserbenutzungserlaubnisse beeinträchtigt zu werden (Riederer/Sieder, Bayerisches Wassergesetz, 1957, Art. 42 Rn. 14). 75 Auch wenn ein altes Wasserrecht gemäß § 20 WHG einen besonderen (Bestands-)Schutz vermittelt und grundsätzlich dem Schutz des Art. 14 GG unterfällt, darf der Gesetzgeber die nach altem Recht begründeten Wasserrechte z. B. einer gesetzlichen Neuregelung angleichen, selbst wenn dabei die bisher mit dem Recht verbundenen Befugnisse eingeschränkt werden (BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 - 7 C 16.04 - NVwZ 2005, 1076 <1077>). In § 20 Abs. 2 WHG hat der Gesetzgeber die zuständigen Landesbehörden zudem mit ordnungsrechtlichen Befugnissen zur Aufhebung oder Beschränkung wasserrechtlicher Altrechte ausgestattet. Neben Möglichkeiten zum Widerruf mit und ohne Entschädigung nach Maßgabe von § 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 WHG enthält § 20 Abs. 2 Satz 3 WHG eine gesetzliche Ermächtigung zur behördlichen Regelung nachträglicher Anforderungen und Maßnahmen in entsprechender Anwendung von § 13 Abs. 2 WHG (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 2022 - 7 B 14.21 - juris; VGH München, Urteil vom 5. Juli 2005 - 8 B 04.356 - NuR 2006, 177 <179 f.> und Beschluss vom 9. Januar 2018 - 8 ZB 16.24 96 - juris; VGH Mannheim, Urteil vom 24. März 2021 - 3 S 2506/18 - VBlBW 2022, 107 ff.). Vor diesem Hintergrund sind auch im Rahmen einer fachplanerischen Abwägungsentscheidung Einschränkungen bzw. Umgestaltungen eines alten Wasserrechts grundsätzlich möglich und zulässig. 76 bb) Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die von den Klägerinnen eingeforderte Regelung über eine Entschädigung zu ihren Gunsten nach Maßgabe des Abwägungsgebots rechtlich nicht geboten war. 77 Vorliegend streiten mit den mit der Planung verfolgten Zielen der gefahrfreien Aufrechterhaltung der Bundeswasserstraße Main als Verkehrsweg für die Schifffahrt - s. o. 4. – sowie der Gewährleistung ökologischer Durchgängigkeit - s. o. 7. e) – bedeutende öffentliche Belange für die planfestgestellte Neuerrichtung der Stauanlage einschließlich der mitgeplanten Anlagen für den Fischauf- und Fischabstieg. Diese sind für sich bereits derart gewichtig, dass ihre mit der Planfeststellung erfolgte Durchsetzung auf Kosten der widerstreitenden Interessen der Klägerinnen nicht als grundsätzlich unverhältnismäßig zu bewerten ist. 78 Ansprüche auf Entschädigung in Geld gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG sind dadurch gekennzeichnet, dass sie an die Stelle von Schutzmaßnahmen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG treten, wenn diese untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind. § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG hat Surrogatcharakter. Sein Anwendungsbereich reicht nicht weiter als die Primärregelung des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Greift § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, der den Anspruch auf Schutzvorkehrungen regelt, tatbestandlich nicht ein, so ist auch für die Anwendung von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG kein Raum (BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 7 A 11.11 - BVerwGE 143, 249 Rn. 73; Beschluss vom 28. Januar 2016 - 4 B 43.14 - Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 15 Rn. 17). So liegt es hier. 79 Die Planfeststellungsbehörde ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Verwirklichung des planfestgestellten Vorhabens nicht zu einer derart nachhaltig verschlechterten Situation der Klägerinnen führt, dass diese nur bei kompensatorischer Entschädigung hinnehmbar und mit dem Abwägungsgebot vereinbar wäre. Ebenso wie der Anspruch auf Festsetzung von Schutzvorkehrungen gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG ist auch der ersatzweise auf Entschädigung gerichtete Anspruch gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG in der allgemeinen planerischen Abwägung verankert. Nicht jeglicher Rechtsnachteil ist mit einem Anspruch auf Schutzvorkehrungen bzw. ersatzweise Entschädigung auszugleichen, sondern nur ein solcher, der nach den jeweiligen Einzelfallumständen die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle überschreitet und deshalb ohne eine entsprechende kompensatorische Regelung allein durch eine gerechte Abwägung nicht überwindbar wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2011 − 7 A 9.09 - NVwZ 2012, 47 Rn. 34 f.; Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 74 Rn. 172; Wickel, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 74 VwVfG Rn. 33 ff.). 80 Die besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls führen hier dazu, dass eine kompensatorische Entschädigung für die planbedingten - temporären und dauerhaften - Beschränkungen des Kraftwerksbetriebs und die hieraus resultierenden Nachteile der Klägerinnen für die Stromproduktion und die Stromvermarktung vom Abwägungsgebot nicht geboten ist. Das gilt angesichts der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) unabhängig davon, dass die wirtschaftlichen Interessen der Klägerinnen im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses noch vom grundrechtlichen Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs aus Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 2004 - 9 A 16.03 - juris Rn. 25, vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 23 und vom 14. März 2018 - 4 A 11.17 - juris Rn. 15) umfasst waren. 81 (1) Die Beklagte durfte bei der Abwägung und der Gewichtung der betroffenen Belange der Klägerinnen zugrunde legen, dass bereits mit Bescheiderlass am 15. Juni 1937 von Anfang an damit zu rechnen war, dass während der jahrzehntelangen Rechtsbeziehung zwischen dem Inhaber des Wasserbenutzungsrechts und (nunmehr) der Beklagten ein grundlegender Sanierungsbedarf an der Staustufe auftreten kann und dass in der Folge Baumaßnahmen zur Neuerrichtung wesentlicher Teile der Gesamtanlage erforderlich werden, die mit einem temporären Stillstand der Stromerzeugung oder einem nur eingeschränkt möglichen Kraftwerksbetrieb einhergehen. 82 Ziffer I.3. Abs. 3 des Bescheids vom 15. Juni 1937 steht im systematischen Zusammenhang mit den voranstehenden Regelungen zur Instandhaltung und zur Aufrechterhaltung des Betriebs der bestehenden Gesamtanlage. Bei einer wie hier geplanten grundlegenden Umgestaltung mit einem Neubau und einer räumlichen Verlagerung der Stau- und Schleusenanlage und neuen Zusatzanlagen für die ökologische Durchgängigkeit sowie einer Neukonzeption des Kraftwerkszu- und -abflusses handelt es sich allerdings nicht mehr um eine identitätswahrende Instandhaltungsmaßnahme. Eine unmittelbare, von einer abwägenden bzw. gestaltenden Planfeststellungsentscheidung unabhängige Pflicht zur entschädigungslosen Duldung der Auswirkungen der Planung in direkter Anwendung der Bescheidklausel I.3. Abs. 3 besteht vorliegend mithin nicht. Dasselbe gilt für die ebenfalls auf temporäre Instandhaltungsmaßnahmen ausgerichtete Duldungspflicht gemäß Ziffer I.4. Abs. 5 des Bescheids sowie auch für die in Ziffer I.15. vorgesehene Haftungsausschlussklausel. Letztere enthält ersichtlich keine über die haftungsrechtliche Sekundärebene hinausgehende Regelung für die Zulässigkeit von Eingriffsmaßnahmen. 83 Im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Konzessionsvertrags sowie im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 15. Juni 1937 ist die Notwendigkeit eines vollständigen Ersatzbaus offenbar nicht als regelungsbedürftig erkannt worden, obwohl ein möglicher Bedarf hierfür innerhalb der laut Konzessionsvertrag auf zumindest 100 Jahre ausgerichteten Rechtsbeziehung der Beteiligten nahelag. Hinzu kommt, dass eine Instandsetzungsmaßnahme bei Infrastrukturbauten, die auf eine dauerhafte und jahrzehntelange Nutzung ausgerichtet sind, regelmäßig und typischerweise auf einen zumindest partiellen Neubau unter Erneuerung der Bausubstanz hinausläuft. Insoweit liegt die Sache anders als im eher kleinräumig ausgerichteten Bauordnungsrecht, wo im Fall einer nicht genehmigten Auswechslung von (insbesondere tragenden) Bauteilen je nach Einzelfallbeurteilung ein bisheriger Bestandsschutz erlöschen kann (vgl. z. B. VGH München, Beschluss vom 20. Juli 2022 - 1 ZB 22.722 - juris Rn. 9). Den oben genannten, hier nicht unmittelbar einschlägigen Regelungen im Bescheid aus dem Jahr 1937 sowie dem ihm zugrunde liegenden, auf 100 Jahre angelegten Konzessionsvertrag ist eine von den Beteiligten gleichsam als ""Geschäftsgrundlage"" implizit zugrunde gelegte Risikoverteilung zulasten des Inhabers des verliehenen Wasserbenutzungsrechts zu entnehmen, wonach dieser auch für den Fall eines umfangreicheren Sanierungsbedarfs temporäre Nachteile für den Kraftwerksbetrieb und die Stromproduktion in Rechnung zu stellen hatte. Es ist davon auszugehen, dass für den Fall, dass im Jahr 1937 die Notwendigkeit einer Neuerrichtung der Stau- und Schleusenanlage bedacht worden wäre, im Bescheid eine entsprechende Risikoverteilungsregelung zulasten des Kraftwerksbetriebs jedenfalls für den Fall aufgenommen worden wäre, dass mit der Neuerrichtung - wie hier - auch der Kraftwerksbetrieb weiter ermöglicht werden soll. 84 Diese begrenzte Schutzwürdigkeit hat die Beklagte der Sache nach ihrer Abwägungsentscheidung zugrunde gelegt. Soweit sie zur Begründung, warum die Planungsfolgen entschädigungslos hinzunehmen sind, auf Ziffer I.3. Abs. 3 und I.15. des Bescheids vom 15. Juni 1937 rekurriert (PFB S. 94 f., zu Ziffer I.15. des Bescheids auch PFB S. 289, 291), werden diese Regelungen nicht rechtsirrig als unmittelbar einschlägig, sondern als Kriterien der Abwägung herangezogen. Der Planfeststellungsbeschluss zeigt anhand dieser Regelungen ""beispielsweise"" auf, dass und warum dem verliehenen Wasserbenutzungsrecht nach der ""Historie der Wasserkraftnutzung"" (PFB S. 94) sowie einer im Konzessionsvertrag angelegten und im Protokoll zur Schlussverhandlung aus dem Jahr 1956 klarstellend formulierten gegenseitigen Pflicht zur freundnachbarlichen Unterstützung (PFB S. 95) von vornherein nur ein eingeschränkter Schutzstatus zukommt. Dass die Klägerinnen unter Berücksichtigung der Langzeitbeziehung der Beteiligten mit temporären Einschränkungen des Kraftwerksbetriebs für den Fall eines grundlegenden Sanierungsbedarfs der Gesamtanlage rechnen mussten, ergibt sich im Übrigen aus dem in Ziffer I.13. des Bescheids vom 15. Juni 1937 geregelten Anordnungsvorbehalt. Dieser eröffnet eine behördliche Befugnis für die Regelung weiterer Anordnungen, die sich bei der Ausführung, der Unterhaltung oder beim Betrieb der Gesamtanlage aus Gründen des öffentlichen Interesses des Reiches oder des Landes Bayern noch als notwendig erweisen sollten. 85 Zudem halten sich die bauzeitbedingten Beschränkungen des Kraftwerksbetriebs bzw. der Stromproduktion im Verhältnis zur Gesamtlaufzeit des alten Wasserrechts in den Klägerinnen zumutbaren Grenzen. Vom Beginn der Wasserkraftnutzung am 15. März 1930 (vgl. S. 12 der Klagebegründung vom 17. August 2022) bis zum Auslaufen der Genehmigung, die die Beteiligten übereinstimmend auf den Ablauf des Jahres 2050 datieren, wird das Wasserkraftwerk rund 120 Jahre in Betrieb gewesen sein und damit über die Ergänzungsbestimmungen in Ziffer II.5. Satz 2 und 3 des Konzessionsvertrags vom 30. Dezember 1921 etwa 20 Jahre länger laufen als die in Ziffer II.5. Satz 1 dieses Vertrags anvisierte Mindestlaufzeit von 100 Jahren. Unter Berücksichtigung der im Bescheid angelegten Risikoverteilung erscheinen die prognostizierten und in der mündlichen Verhandlung durch die Beklagte plausibilisierten Zeiten eines baubedingten Kraftwerksstillstands bzw. eines nur eingeschränkt möglichen Kraftwerksbetriebs in einer Größenordnung von etwa 8,5 Monaten bei Beachtung des Übermaßverbots auch ohne kompensierende Entschädigung hinnehmbar. 86 (2) Auch die dauerhaften Beeinträchtigungen der Stromproduktion aufgrund des Betriebs der vorgesehenen Anlagen zum Fischauf- und -abstieg verlangen unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit keine kompensatorische Entschädigung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4, § 14b Abs. 1 WaStrG i. V. m. § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG. Die Beklagte nimmt insofern sachgerecht auf die behördliche Verpflichtung aus § 34 Abs. 3 WHG und die sich hieraus auch ergebende Sozialbindung des Eigentums Bezug (PFB S. 89, 97, 281, 283 f., 287, 290 f.). Der Planfeststellungsbeschluss verweist zudem zu Recht darauf, dass sich insofern die Rechtslage im Vergleich zum Jahr 2005, in dem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof über einen ähnlichen Sachverhalt zu entscheiden hatte (vgl. VGH München, Urteil vom 5. Juli 2005 - 8 B 04.356 - NuR 2006, 177 ff.), geändert hat (PFB S. 97). Nach heutiger Rechtslage haben Betreiber von Kraftwerken an Stauanlagen des Bundes kraft Gesetzes mit nachträglichen Maßnahmen der Beklagten zur Verbesserung der ökologischen Durchgängigkeit und damit auch mit einem entsprechenden Wasserkraftentzug zum Betrieb von Fischwechselanlagen zu rechnen. 87 Dass vorliegend nicht die Kompensationsgrenze des § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG überschritten ist, ergibt sich vor allem aus der bereits unter (1) herangezogenen Risikoverteilung zum Altrecht. In nicht zu beanstandender Weise hat die Beklagte darauf abgestellt, dass die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten derart ausgestaltet sind, dass die Folgen eines erforderlichen Baubedarfs und variierender Wassermengen in der Sphäre der Klägerinnen liegen. 88 Entsprechendes ergibt sich aus der Erwägung, dass Betreiber von Wasserkraftwerken an Stauanlagen - unabhängig von einer wasserstraßenrechtlichen Fachplanung - auch dann mit landesbehördlichen Anordnungen ohne Entschädigung belastet werden können, wenn die Wasserbenutzung für den Turbinenbetrieb auf einem wasserrechtlichen Altrecht beruht, § 20 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a oder d WHG; s. o. g) aa). Ein wasserstraßenrechtlicher Planfeststellungsbeschluss, dessen Umsetzung durch den Vorhabenträger auf einen vergleichbaren Zustand hinausläuft wie die Umsetzung einer (nicht entschädigungspflichtigen) Anordnung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 13 Abs. 2 WHG, kann entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht mit einem entschädigungspflichtigen (Teil-)Widerruf des Altrechts gleichgesetzt werden. Im Übrigen stand das mit dem Bescheid vom 15. Juni 1937 begründete Wasserbenutzungsrecht gemäß der Bescheidregelung in Ziffer I.13. seit jeher unter einem weitreichenden Anordnungsvorbehalt. Jedenfalls hiernach hatte der Inhaber des Wasserbenutzungsrechts schon seit Bescheiderlass im Jahr 1937 stets damit zu rechnen, dass der Betrieb der Wasserkraftanlage nachträglich und dynamisch an aktuelle gesetzliche Anforderungen angepasst werden kann. 89 Zudem treffen Betreiber von Bestands-Wasserkraftanlagen gemäß § 35 Abs. 2 WHG gesetzliche Nachrüstungspflichten zum Schutz der Fischpopulation, wenn die Bestandsanlage den materiellen Anforderungen des § 35 Abs. 1 WHG nicht genügt. Das gilt auch, wenn die betroffene Wasserkraftanlage vor Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes genehmigt worden ist (BT-Drs. 16/12275 S. 61). 90 Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass das Wasserbezugsrecht gemäß Ziffer I.1. Abs. 2 des Bescheids vom 15. Juni 1937 von vornherein inhaltlich nicht auf einen Turbinendurchfluss von konstant 175 m³/s ausgerichtet, sondern lediglich als von weiteren Variablen abhängiges Recht auf Nutzung in einem entsprechenden Höchstmaß ausgestaltet ist. Soweit sich der Bezugsberechtigte nach der inhaltsbestimmenden Bescheidregelung den Abzug von Wassermengen für die Beschickung des in Ziffer I.9. des Bescheids vom 15. Juni 1937 geregelten Fischpasses gefallen lassen muss, sollten hiermit zwar nur Belange der Fischerei geschützt werden. Dennoch zeigt die Regelung, dass die Stromproduktion grundsätzlich schon seit jeher Rücksicht darauf zu nehmen hatte, dass ein Fischwechsel zwischen Unter- und Oberwasser möglich bleibt. 91 Die dauerhaften Beeinträchtigungen des Kraftwerksbetriebs aufgrund des Wasserbedarfs der Fischaufstiegs- und der Fischabstiegsanlage halten sich in ihren Auswirkungen in zumutbaren Grenzen. Insgesamt werden bei Ansatz eines verminderten Wasserdargebots von maximal 4,6 m³/s nur rund 2,6 % der höchstzulässigen Wassernutzung für den Turbinenbetrieb (175 m³/s) entzogen. Dabei bleibt vernachlässigt, ob und in welchem Umfang Zeiten verbleiben, in denen die beiden Turbinen mit der genehmigten Höchstlast von zusammen 175 m³/s betrieben werden können. Auch wenn sich die Wasserkraftverluste über die verbleibenden 27 Jahre der Restlaufzeit (bis Jahresende 2050) auf einen nicht unerheblichen entgangenen Gewinn summieren werden, sind die diesbezüglichen Belastungen der Klägerinnen überschaubar. Dies gilt insbesondere, weil auch insoweit zu berücksichtigen ist, dass das Wasserkraftwerk bis zum Ablauf des Jahres 2050 auch unter Abzug baubedingter Stillstandzeiten bzw. Zeiten eines nur reduziert möglichen Kraftwerksbetriebs weit mehr als die bei Vertragsschluss (1921) anvisierte Mindestlaufzeit von 100 Jahren betrieben sein wird. 92 (3) Die Beklagte hat die Zumutbarkeit der Belastungswirkung aufgrund der bauzeitbedingten und dauerhaften Beschränkungen des Kraftwerksbetriebs schließlich sachgerecht damit begründet, dass der planfestgestellte Neubau der baufälligen Staustufe nicht nur einer ordnungsgemäßen Wasserwirtschaft dient, sondern dass durch ihn - wenngleich zu veränderten Bedingungen - tatsächlich weiterhin die Möglichkeit eröffnet wird, die Wasserkraft überhaupt zur Stromproduktion am Kraftwerk weiter zu nutzen (PFB S. 98). Im Fall der Aufgabe der Stauanlage durch die Beklagte und einer dann aus Gründen der Standsicherheit gebotenen Beseitigung der maroden Bausubstanz wäre ein Weiterbetrieb des Kraftwerks nicht mehr auf Jahre hin möglich. Damit hat die Planungsmaßnahme keinen ausschließlichen Eingriffscharakter zulasten der Klägerinnen, sondern trägt - zu ihren Gunsten - jedenfalls auch dazu bei, dass das alte Wasserrecht bis zum vorgesehen Fristablauf Ende 2050 tatsächlich ausgenutzt werden kann. Auch vor diesem Hintergrund ist ein pekuniärer Kompensationsbedarf gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG nicht ersichtlich. 93 cc) Soweit in der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses die entschädigungslose Hinnahme der Beschränkung des Wasserbenutzungsrechts ergänzend auch auf § 10 Abs. 2 WHG gestützt wird, obwohl diese Regelung für Altrechte nicht gilt, sind diese Erwägungen im Verhältnis zu den voranstehenden (Haupt-)Erwägungen nur von untergeordneter Bedeutung. Ein hierauf beruhender Abwägungsfehler wäre für das Abwägungsergebnis ersichtlich nicht von Einfluss gewesen und daher gemäß § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG nicht erheblich. 94 h) Soweit die Klägerinnen darauf abstellen, dass die vorliegende Planfeststellung Vorbild für künftige vergleichbare Maßnahmen im Bereich weiterer Staustufen und Wasserkraftwerke u. a. am Main sein könne, sodass sie zukünftig mit vergleichbaren Beeinträchtigungen zu rechnen hätten, war dies nicht in die Abwägung einzustellen. Es ist schon keine weitere konkrete Planung ersichtlich, nach der das Ausmaß der von den Klägerinnen befürchteten Summationswirkungen verlässlich absehbar wäre (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2011 - 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 Rn. 40 und vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 116). Im Zusammenhang mit eventuellen künftigen Planungen auftretende Konflikte wären im diesbezüglichen Planungsverfahren zu lösen. 95 i) Die Alternativenprüfung ist nicht zu beanstanden. 96 Das fachplanerische Abwägungsgebot verlangt, sich ernsthaft anbietende Alternativlösungen bei der Zusammenstellung des abwägungserheblichen Materials zu berücksichtigen und mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange einzustellen. Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit wären nur überschritten, wenn der Behörde beim Auswahlverfahren infolge fehlerhafter Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen wäre oder sich eine andere Variante unter Berücksichtigung aller Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 2021 - 7 A 13.20 - BVerwGE 173, 296 Rn. 69 m. w. N.). 97 aa) Mit dem Hinweis auf - unstreitig - bestehende Abnutzungsschäden und zunehmende Sicherheitsdefizite der bestehenden Anlage hat die Planfeststellungsbehörde sachgerecht und damit abwägungsfehlerfrei ausgeführt, dass ein gänzlicher Verzicht auf den Neubau der Staustufe keine anderweitige Lösungsmöglichkeit darstellt (PFB S. 91; Erläuterungsbericht/Beilage Nr. 1A S. 13). 98 Auch wenn nach Maßgabe eines der Planfeststellung zugrundeliegenden Gutachtens des Wasserstraßen-Neubauamts (WNA) Aschaffenburg vom 26. Mai 2004 (WNA-Gutachten) die marode Bestandsanlage durch eine Grundinstandsetzung für eine Restnutzungsdauer von 30 Jahren weiter genutzt werden könnte, begründet die Entscheidung der Beklagten hiergegen ebenfalls keinen Abwägungsfehler. Nach dem WNA-Gutachten, dessen Ergebnisse von den Klägerinnen nicht infrage gestellt werden, ist die Grundinstandsetzung bei einer erreichbaren Restnutzungszeit von etwa 30 Jahren nicht nur um einige Millionen Euro teurer als diverse Neuerrichtungsvarianten. Die Expertise zeigt auch eindrücklich auf, welche langfristigen Probleme und Behinderungen für den Schifffahrtsverkehr während der mehrjährigen Bautätigkeit bei dieser Variantenwahl zu erwarten wären (vgl. WNA Gutachten, S. 2, 27, 37 ff., 47 f.). Vor diesem Hintergrund sind die hierauf gestützten Erwägungen der Planfeststellungsbehörde gegen eine Grundinstandsetzung (PFB S. 91; vgl. auch die entsprechenden Ausführungen im Erläuterungsbericht/Beilage Nr. 1A S. 14) nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Erwägungen auch die Verkehrsbedeutung des betroffenen Mainabschnitts nicht fehlerhaft dem transeuropäischen Verkehrsnetz zugeordnet und deshalb dessen Verkehrsbedeutung im Rahmen der Alternativenwahl überbewertet. Auch wenn in Anhang II Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1315/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 661/2010/EU (ABl. L 348 S. 1) – TEN-V-VO - nur der Binnenhafen Aschaffenburg als Knotenpunkt des Gesamtnetzes aufgeführt wird, ergibt sich die Zugehörigkeit des Mains als solchem zum Gesamt- und Kernnetz des transeuropäischen Verkehrsnetzes aus Anhang I Karte Nr. 5.1 der TEN-V-VO i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 Buchst. a TEN-V-VO. 99 Soweit die Beklagte diverse Planungsvarianten zur Neuerrichtung des Schleusenkanals oder der gesamten Schleusenanlage auf der linken Mainseite sowie mit einer weiträumigeren Standortverlagerung flussauf- und flussabwärts verwirft (PFB S. 92 f.; Erläuterungsbericht/Beilage Nr. 1A S. 15 f.), werden die diesbezüglichen Erwägungen von den Klägerinnen nicht substantiiert infrage gestellt. 100 bb) Der Variantenprüfung haftet auch kein Abwägungsfehler an, soweit hinsichtlich der verbleibenden beiden Grundvarianten die Wahl nicht auf die Alternative mit einem Neubau der neuen Schleusen landseitig am rechten Mainufer (landseitige Variante), sondern auf eine Bauausführung mit einem wasserseitigen Schleusenneubau (wasserseitige Variante) fiel. Keinesfalls drängt sich die landseitige Alternative als eindeutig besser auf. 101 Die von der Beklagten für die wasserseitige Variante als ausschlaggebend angesehenen Erwägungen, dass bei Umsetzung der verworfenen landseitigen Variante auf mehr private Grundstücke zurückgegriffen werden müsste und dass in diesem Fall sowohl für die Bauphase als auch für den späteren Schleusenbetrieb (insbesondere auch nachts) höhere Lärmbetroffenheiten zulasten naheliegender Wohnnutzungen zu prognostizieren seien (PFB S. 93 f.; Erläuterungsbericht/Beilage Nr. 1A S. 16 f.), sind hinsichtlich ihrer Tatsachengrundlagen unbestritten. Sie sind mit Blick auf eine ansonsten komplexere Konfliktlösung unter Einbeziehung von Nachbarschaftsinteressen sowie der Betroffenheit einer Vielzahl einzelner Grundstückseigentümer für sich gesehen auch sachgerecht. 102 Der Einwand der Klägerinnen, dass bei der abgelehnten landseitigen Bauweise die Fischaufstiegsanlage womöglich nicht am kraftwerksseitigen Mainufer errichtet worden wäre und dass dann auch die dauerhaften Beeinträchtigungen des Kraftwerksbetriebs durch Wasserkraftentzug geringer ausfallen würden, beruht auf nicht realistischen Annahmen. Denn die Differenzierung zwischen landseitiger und wasserseitiger Ausbauvariante betrifft nur die Lage der Schleusen, nicht aber die Lage der Fischaufstiegsanlage. Es ist nicht ersichtlich, dass im Fall der Wahl der landseitigen Bauvariante eine Positionierung der Fischaufstiegsanlage am rechten Mainufer ernsthaft in Betracht gekommen wäre. Die von mehreren Ingenieurbüros erstellte Konzeption der Fischaufstiegsanlage (""Fischaufstiegsanlage Konzeption, Stand 23. Januar 2017"") beruht u. a. auch auf der von der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) und der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BFG) herausgegebenen ""Arbeitshilfe Fischaufstiegsanlagen an Bundeswasserstraßen (AH FAA)"" vom Juni 2015 sowie auf dem vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) herausgegebenen ""Praxishandbuch Fischaufstiegsanlagen in Bayern"" (2. Aufl. 2016). Hiernach soll im Fall einer mit einem Wasserkraftwerk kombinierten Wehranlage der Einstieg der Fischaufstiegsanlage grundsätzlich in der Nähe des Turbinenausgangs des Kraftwerks liegen, damit er über die von ihm ausgehende Leitströmung in Konkurrenz der Strömung am Ausgang der Kraftwerksturbinen von wandernden Fischen überhaupt gefunden werden kann (vgl. Arbeitshilfe S. 27; Praxishandbuch S. 17 f., 30, 38 f.). Vor diesem Hintergrund hatte die Beklagte mit Blick auf die landseitige Ausführungsvariante keinen Anlass, der Frage nachzugehen, ob eine Fischaufstiegsanlage überhaupt auf der rechten Mainseite hätte errichtet werden können und ob dies hinsichtlich dauerhafter Wasserkraftverluste eine geringere Belastung für die Klägerinnen bedeutet hätte. 103 Soweit die Klägerinnen schließlich rügen, der Alternativenprüfung habe im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses kein belastbarer Baukostenvergleich zugrunde gelegen, weil ausweislich des Erläuterungsberichts (Beilage Nr. 1A S. 17 f.) die Baukosten letztmalig 2012 ermittelt worden und insofern veraltete Entscheidungsgrundlagen zugrunde gelegt worden seien, begründet dies keinen Ermittlungsfehler hinsichtlich der Alternativenauswahl. Es kann offenbleiben, ob sich die Klägerinnen, denen kein Vollüberprüfungsanspruch zusteht, überhaupt auf einen unkorrekten Baukostenvergleich zur Begründung eines Abwägungsfehlers zur Variantenwahl berufen könnten. Für die Auswahlentscheidung kommt es in der Sache auf das ungefähre Verhältnis der Kosten für die jeweils zur Auswahl stehenden Varianten an. Für die Prüfung von Entscheidungsvarianten genügt daher eine überschlägige Ermittlung der Kosten der ernsthaft in Betracht kommenden Varianten. Zwar dürften sich die Baukosten nach Ablauf einer Dekade nicht unerheblich erhöht haben. Dies gilt aber für beide Ausführungsalternativen. Es ist weder von den Klägerinnen dargelegt worden noch ersichtlich, dass die vormalige Aussage zu den Baukosten - hinsichtlich der jeweiligen Größenordnung und als Basis eines Kostenvergleichs der Varianten untereinander - nicht mehr hinreichend aussagekräftig wäre. 104 j) Der Planfeststellungsbeschluss leidet weder an einem Ermittlungsdefizit noch an einem Verstoß gegen das Gebot der Konfliktbewältigung in Bezug auf einen von den Klägerinnen befürchteten verstärkten Treibgutanfall im Kraftwerksbereich. 105 Der Sachverständige der BAW führte im Erörterungstermin am 17. Juli 2018 auf die Einwendung der Klägerin zu 1 aus, es seien bei frontal angeströmten Kraftwerken keine überwiegenden Nachteile bekannt und dass für das Kraftwerk modelltechnische Versuche erbracht hätten, die Neubauvariante sei diesbezüglich ebenso gut wie der aktuelle Bestand (Protokoll S. 28). Dem ist die Klägerseite im Folgenden nicht substantiiert entgegengetreten. Für die Beklagte bestand daher kein Anlass, der Frage einer planungsbedingt verstärkten Anschwemmung von Treibgut im Kraftwerksbereich weiter nachzugehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 808). Die auf die protokollierten Darlegungen des Sachverständigen im Erörterungstermin verweisenden Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss sind mithin nach dem Sachstand im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses sachgerecht (PFB S. 284 f.). Im Übrigen sind auch auf Basis der später in der Klageerwiderung vom 24. November 2022 (S. 51 f.) von der Beklagten thematisierten Szenarien die künftigen Anströmungsverhältnisse für die Treibgutansammlung und die Anschwemmung von Sedimenten überwiegend als vorteilhaft anzusehen, wobei hiernach mit Blick auf die jeweiligen Wetterbedingungen allenfalls für wenige Tage im Jahr - und dann auch nur eventuell - gewisse Nachteile bestehen könnten, deren Abwägungsrelevanz und Regelungsbedarf aufgrund einer allenfalls bagatellartigen Betroffenheit nicht ersichtlich ist. 106 k) Schließlich ist der Planfeststellungsbeschluss nicht abwägungsfehlerhaft, weil die Höhe des künftigen Strombedarfs der Stauanlage und die für die Strombedarfsdeckung anfallenden Kosten für die technische Aufrüstung der Kraftwerksanlage mit einem neuen Transformator und einer Notstromversorgungsanlage für die Fischaufstiegsanlage nicht hinreichend in der Abwägung berücksichtigt worden sind. Dasselbe gilt für den Einwand, die Beklagte sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Deckung des künftig zusätzlichen Strombedarfs und der Tragung der Kosten für die technische Aufrüstung des Kraftwerks Sache der Klägerin zu 1 sei. 107 Diese Einwände betreffen keine abwägungsrelevanten Umstände im Sinne von § 14b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaStrG. ""Anlagen"" im Sinne dieser Norm sind aufgrund des systematischen Zusammenhangs mit § 14b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaStrG nur solche, die gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, § 14b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaStrG nachteilige Wirkungen der bisherigen planfeststellungsbedürftigen Gesamtanlage vermeiden bzw. kompensieren sollen. Gemäß § 14b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaStrG hat der Vorhabenträger für bereits vorhandene Anlagen, die die Funktion der Nachteilsvermeidung im Sinne von § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, § 14b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaStrG übernehmen sollen, zu diesem Zweck aber geändert oder ersetzt werden müssen, die Mehrkosten der Unterhaltung zu tragen (vgl. Ferk, in: Ziekow, Handbuch des Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 2014, § 16 Rn. 126). Eventuelle Mehrkosten für die Deckung eines künftig höheren Strombedarfs der neuen Stauanlage sowie für die Ausstattung des Kraftwerks, um diesen decken zu können, haben damit nichts zu tun und sind daher vom Anwendungsbereich des § 14b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaStrG nicht umfasst. 108 Die Frage der Kostentragung eines künftig erhöhten Strombedarfs hat für die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses keine Relevanz. Insoweit trifft er keine Regelung und kann dies mangels Regelungskompetenz der Planfeststellungsbehörde auch nicht. 109 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO." bverwg_2023-43,01.06.2023,"Pressemitteilung Nr. 43/2023 vom 01.06.2023 EN Grundsätzlich keine Ergänzungen von Anträgen auf Linienverkehrsgenehmigung nach Fristablauf Wird ein Antrag auf Genehmigung des eigenwirtschaftlichen Betriebs eines Buslinienbündels fristgerecht gestellt, ohne alle Anforderungen der Vorabbekanntmachung des Aufgabenträgers zu erfüllen, kommt seine nachträgliche Ergänzung grundsätzlich nicht in Betracht, wenn ein anderer fristgerechter, eigenwirtschaftlicher Antrag sämtliche Anforderungen erfüllt und auch sonst genehmigungsfähig ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung für den Betrieb eines Buslinienbündels nach dem Personenbeförderungsgesetz. Der beklagte Kreis als Aufgabenträger hatte in einer Vorabbekanntmachung zur Abgabe entsprechender Angebote an das ebenfalls beklagte Land als Genehmigungsbehörde aufgefordert und eine verbindliche Zusicherung zu bestimmten Qualitätsstandards verlangt. Die Klägerin und die Beigeladene reichten binnen der gesetzten Frist Anträge ein. Der Antrag der Klägerin enthielt alle geforderten Zusicherungen, jener der Beigeladenen nicht. Letztere reichte die fehlende Zusicherung nach Fristablauf unaufgefordert nach. Die Beklagten berücksichtigten die Ergänzung bei der Prüfung der Anträge. Die Beigeladene erhielt die beantragte Genehmigung, weil ihr ergänzter Antrag die bessere Verkehrsbedienung anbot. Der Antrag der Klägerin wurde abgelehnt. Die Klägerin hat gegen beide Entscheidungen nach erfolglosem Widerspruch Klage erhoben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Ergänzung des Antrags der Beigeladenen habe nach § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG berücksichtigt werden dürfen. Die Norm ermögliche die Zulassung verspäteter Anträge und - erst recht - die Ergänzung rechtzeitiger Anträge nach Fristablauf. Rechte der Klägerin würden hierdurch nicht verletzt. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte Erfolg. Das beklagte Land durfte die Ergänzung des Genehmigungsantrags der Beigeladenen nicht berücksichtigen. Die Ermächtigung zur Zulassung verspäteter Anträge nach § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG ist auf nachträgliche Antragsergänzungen jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG wenigstens ein die Voraussetzungen der Vorabbekanntmachung erfüllender und auch ansonsten genehmigungsfähiger eigenwirtschaftlicher Antrag eingeht. Ob in solchen Fällen eine Ergänzung nach § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG in Betracht kommt, bedurfte vorliegend keiner Entscheidung. Denn nachträgliche Ergänzungen von Anträgen sind hiernach nur zulässig, wenn sie von der Genehmigungsbehörde im öffentlichen Verkehrsinteresse angeregt worden sind. An einer solchen Anregung fehlte es. Ohne die Ergänzung war der Antrag der Beigeladenen auch nicht nach § 13 Abs. 2a Satz 2 und 3 PBefG genehmigungsfähig. Nach dieser Vorschrift kann die Genehmigungsbehörde zwar im Einvernehmen mit dem Aufgabenträger Abweichungen von den Anforderungen der Vorabbekanntmachung zulassen. Dies darf aber nur in Übereinstimmung mit dem Zweck der Ermächtigung geschehen. Er besteht darin, dem Aufgabenträger eine gemeinwirtschaftliche Vergabe zu ersparen, wenn kein fristgerechter und auch sonst genehmigungsfähiger Antrag die Anforderungen der Vorabbekanntmachung erfüllt. Das war hier wegen des Antrags der Klägerin nicht der Fall. BVerwG 8 C 3.22 - Urteil vom 01. Juni 2023 Vorinstanzen: OVG Münster, OVG 13 A 4149/18 - Urteil vom 30. März 2022 - VG Münster, VG 10 K 4438/16 - Urteil vom 24. September 2018 -","Urteil vom 01.06.2023 - BVerwG 8 C 3.22ECLI:DE:BVerwG:2023:010623U8C3.22.0 EN Erfolgreiche Klage auf Erteilung der Genehmigung zum Betrieb eines eigenwirtschaftlichen Linienverkehrs Leitsätze: 1. § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG ermächtigt nicht dazu, nachträgliche Ergänzungen oder Änderungen nach Satz 1 der Vorschrift fristgerecht eingereichter Anträge zuzulassen, wenn bei Fristablauf mindestens ein die Anforderungen der Vorabbekanntmachung erfüllender und auch im Übrigen genehmigungsfähiger eigenwirtschaftlicher Antrag vorlag. Die nachträgliche Antragsergänzung darf dann auch nicht als neuer verspäteter Antrag behandelt und zugelassen werden. 2. Die Berücksichtigung von Ergänzungen und Änderungen gemäß § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG setzt eine allen Antragstellern gegenüber bekannt gemachte Anregung der Genehmigungsbehörde voraus. 3. Der Aufgabenträger darf das Einvernehmen zu Abweichungen von den Anforderungen der Vorabbekanntmachung gemäß § 13 Abs. 2a Satz 2 PBefG nicht in der Weise erteilen, dass er nur gegenüber einem von mehreren Antragstellern, die nach § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG fristgerechte eigenwirtschaftliche Anträge eingereicht haben, auf die Erfüllung solcher Anforderungen verzichtet. Rechtsquellen PBefG § 12 Abs. 5 und 6, § 13 Abs. 2a VwGO §§ 44a, 139 Abs. 3 GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 Instanzenzug VG Münster - 24.09.2018 - AZ: 10 K 4438/16 OVG Münster - 30.03.2022 - AZ: 13 A 4149/18 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 01.06.2023 - 8 C 3.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:010623U8C3.22.0] Urteil BVerwG 8 C 3.22 VG Münster - 24.09.2018 - AZ: 10 K 4438/16 OVG Münster - 30.03.2022 - AZ: 13 A 4149/18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10 Mai 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller, Dr. Meister und Dr. Naumann am 1. Juni 2023 für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. März 2022 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 24. September 2018 werden teilweise geändert. Der Beklagte zu 1 wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 7. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2016 sowie seines Bescheides vom 11. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2016 verpflichtet, der Klägerin die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines eigenwirtschaftlichen Linienverkehrs auf den Linien 311, 312, 316, R 11 und R 15 antragsgemäß für die Laufzeit bis zum 6. Januar 2025 zu erteilen. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen diese zu 1/6, der Beklagte zu 1 zu 2/3 und die Beigeladene zu 1/6. Darüber hinaus trägt die Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 sowie 1/6 der im Revisionsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Eine weitergehende Kostenerstattung findet nicht statt. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung für den Betrieb eines Buslinienbündels nach dem Personenbeförderungsgesetz. 2 Mit Vorabbekanntmachung vom 7. August 2015 rief der Beklagte zu 2 im Amtsblatt der Europäischen Union zur Beantragung einer Genehmigung für den eigenwirtschaftlichen Verkehr für das Buslinienbündel Warendorf 8 auf. Dieses umfasst die Linien 311, 312, 316, R 11 und R 15. Teil der Bekanntmachung waren Liniensteckbriefe mit einer Bewertungsmatrix, Anforderungen/Bemerkungen sowie weitere Anlagen. Unter anderem wurde verlangt: ""Im Genehmigungsantrag muss gemäß § 12 Abs. 1a PBefG eine verbindliche Zusicherung gegeben werden, dass die geforderten Qualitätsstandards (Anlage 4) und ggf. zusätzlich angebotene Qualitätsversprechen eingehalten werden."" Anträge auf die Erteilung der Genehmigung sollten gemäß § 8a Abs. 2 Satz 2 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) i. V. m. § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG innerhalb von drei Monaten nach Vorabbekanntmachung bei dem Beklagten zu 1 eingereicht werden. 3 Die Beigeladene beantragte bei dem Beklagten zu 1 am 4. November 2015 die Erteilung der Genehmigung. Sie erklärte die verbindliche Zusicherung von 23 einzeln aufgeführten Angebotsbestandteilen. Eine verbindliche Zusicherung hinsichtlich sämtlicher in der Vorabbekanntmachung geforderter Qualitätsstandards gemäß Anlage 4 enthielt der Antrag nicht. Auch die Klägerin beantragte die Genehmigung. Ihr Antrag sicherte die in Anlage 4 geforderten Qualitätsstandards verbindlich zu. Beide Anträge leitete der Beklagte zu 1 dem Beklagten zu 2 per E-Mail zur Stellungnahme zu. Unter dem 18. Januar 2016 teilte die Beigeladene dem Beklagten zu 1 schriftlich mit, sie habe versehentlich versäumt, eine explizite Erklärung über die Einhaltung der Qualitätsstandards gemäß Anlage 4 der Vorabbekanntmachung abzugeben. Dies werde nunmehr durch entsprechende Ergänzung ihres eingereichten Genehmigungsantrags nachgeholt. Mit E-Mail, deren Betreff ""Ergänzung zum Genehmigungsantrag ..."" lautete, übermittelte der Beklagte zu 1 dem Beklagten zu 2 dieses Schreiben der Beigeladenen ""zur Kenntnis"". Der Beigeladenen teilte der Beklagte zu 1 mit, zurzeit nicht beurteilen zu können, inwieweit sich ihre Nachreichungen auf das Ergebnis der Prüfung der vorliegenden Anträge auswirkten. 4 Mit Zwischenbescheiden vom 26. Januar 2016 verlängerte der Beklagte zu 1 die eigene Entscheidungsfrist bis zum 9. Mai 2016. Unter dem 8. März 2016 übermittelte der Beklagte zu 2 dem Beklagten zu 1 schriftlich seine fachliche Bewertung und führte aus, die Anträge der Klägerin und der Beigeladenen erfüllten jeweils die Mindestanforderungen, sodass alle Zusatzangebote gewertet werden könnten. Die Beigeladene erreiche nach der Auswertung anhand der Bewertungsmatrix 12 982 Punkte, die Klägerin 11 874. Das Angebot der Beigeladenen sei daher besser als jenes der Klägerin. Daraufhin lehnte der Beklagte zu 1 den Genehmigungsantrag der Klägerin mit Bescheid vom 7. April 2016 mit der Begründung ab, ihr Angebot habe gegenüber jenem der Beigeladenen einen um ca. 8 % geringeren Leistungsumfang. Anschließend leitete er das Anhörungsverfahren gemäß § 14 PBefG ein und teilte den beteiligten Verbänden und Unternehmen mit, die zwei Anträge erfüllten alle Mindestvorgaben. Nach Vorabstimmung mit dem Beklagten zu 2 sei beabsichtigt, der Beigeladenen die Genehmigung zu erteilen. 5 Die Klägerin legte gegen die Versagung vom 7. April 2016 Widerspruch ein. Nach Akteneinsicht rügte sie im Wesentlichen die fehlende Genehmigungsfähigkeit des Konkurrenzantrags der Beigeladenen. Mangels Zusicherung im Hinblick auf die geforderten Qualitätsstandards gemäß Anlage 4 habe dieser nicht die aufgestellten Mindestanforderungen erfüllt. Die erst nach Ablauf der Antragsfrist abgegebene Zusicherung könne keine Berücksichtigung mehr finden. 6 Mit E-Mail vom 8. Juli 2016 teilte der Beklagte zu 2 dem Beklagten zu 1 mit, er habe die Zusicherung der Beigeladenen vom 18. Januar 2016 seinerzeit als Ergänzung zum Antrag genommen. Bedenken habe der Beklagte zu 1 ihm gegenüber nicht geäußert. Diese hätten gegebenenfalls eine Neubewertung erforderlich gemacht. Am 8. September 2016 erteilte der Beklagte zu 2 gegenüber dem Beklagten zu 1 schriftlich ""ausdrücklich sein Einvernehmen gemäß § 13 Abs. 2a S. 2 PBefG hinsichtlich der Abweichung des Antrages der WB bzgl. der verbindlichen Zusicherung zu den geforderten Qualitätsstandards"". Dies geschehe auch in der Überzeugung, dass eine Vielzahl der dort aufgeführten Standards seit langem gang und gäbe seien und sie jedenfalls aufgrund der nachgereichten Erklärung faktisch ohnehin eingehalten würden. Unter Hinweis auf dieses Einvernehmen wies der Beklagte zu 1 den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 15. September 2016 zurück. An das Einvernehmen, das konkludent schon mit Schreiben vom 8. März 2016 erteilt worden sei, sehe er sich gebunden. 7 Unter dem 11. November 2016 erteilte der Beklagte zu 1 der Beigeladenen die verfahrensgegenständliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Linienbündels Warendorf 8 für die Dauer vom 9. Januar 2017 bis zum 6. Januar 2025. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte zu 1 mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2016 zurück. Die Klägerin legte am 23. Mai 2017 gegen das am 8. September 2016 erteilte Einvernehmen Widerspruch ein. Diesen wies der Beklagte zu 2 mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2017 als unzulässig zurück. 8 Die Klage auf Erteilung der Genehmigung, in der Folge erweitert um die Anfechtung der Genehmigung der Beigeladenen sowie des Einvernehmens des Beklagten zu 2, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. 9 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die Anfechtungsklage gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung und die Verpflichtungsklage auf Erteilung der Genehmigung seien unbegründet. Der Beklagte zu 1 sei zutreffend davon ausgegangen, dass auch der Antrag der Beigeladenen genehmigungsfähig sei. Er habe deren Antragsergänzung gemäß § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG im Einvernehmen mit dem Aufgabenträger zulassen dürfen. Dass die Voraussetzungen des § 12 Abs. 5 PBefG nicht vorlägen sei unerheblich, da diese Vorschrift durch Absatz 6 als Spezialregelung verdrängt werde. Dies ergebe sich aus Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte der Norm und deren Zweck, die Vergabe einer gemeinwirtschaftlichen Verkehrsleistung abschließend zu regeln. Stets könne nur eine der beiden Fristen laufen. 10 § 12 Abs. 6 PBefG gelte nicht nur bei verspäteter Antragstellung, sondern erst recht für Ergänzungen rechtzeitiger Anträge nach Fristablauf. Auch die wirtschaftlichen Interessen konkurrierender Bewerber stünden dem nicht entgegen. Diese seien von § 12 Abs. 6 PBefG nicht geschützt. Mitbewerber könnten lediglich beanspruchen, dass die Entscheidung über die Berücksichtigung verspäteter Anträge oder Antragsergänzungen oder -änderungen fair und chancengleich getroffen werde. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG seien auch erfüllt. Der Beklagte zu 2 habe bereits mit Schreiben vom 8. März 2016 konkludent sein Einvernehmen zur Berücksichtigung der verspätet eingegangenen Antragsergänzung erteilt. Infolge dieses Einvernehmens habe der Beklagte zu 1 die nachträgliche Antragsänderung konkludent zugelassen. Aufgrund der beiden genehmigungsfähigen Anträge habe der Beklagte zu 1 nach § 13 Abs. 2b PBefG ermessensfehlerfrei den Unternehmer ausgewählt, der die beste Verkehrsbedienung anbiete. Die Anfechtungsklage gegen das vom Beklagten zu 2 erteilte Einvernehmen habe das Verwaltungsgericht zu Recht als unzulässig abwiesen. 11 Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt die Klägerin im Wesentlichen eine Verletzung von § 12 Abs. 5 und 6, § 13 Abs. 2a PBefG und von Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG. Ihr stehe ein Anspruch auf Erteilung der Linienverkehrsgenehmigung zu. Der Antrag der Beigeladenen sei nicht genehmigungsfähig gewesen. Die nachträglich erklärten Zusicherungen seien verspätet erfolgt. § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG erlaube bei Vorliegen eines genehmigungsfähigen Antrags nicht die nachträgliche Zulassung verspäteter Anträge oder die verspätete Ergänzung von unvollständigen Anträgen. Die Ergänzung von Anträgen richte sich nach § 12 Abs. 5 PBefG, dessen Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Jedenfalls fehlten das gemäß § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG erforderliche, wirksame Einvernehmen des Beklagten zu 2 und eine Zulassungsentscheidung des Beklagten zu 1. Die Beigeladene habe schon keinen Antrag auf Genehmigung einer Abweichung im Sinne des § 13 Abs. 2a PBefG gestellt. Im Übrigen verletze das seitens des Beklagten zu 2 erteilte Einvernehmen das Gebot der Chancengleichheit. 12 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. März 2022 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 24. September 2018 zu ändern und 1. den Beklagten zu 1 unter Aufhebung seines Bescheides vom 7. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2016 sowie seines Bescheides vom 11. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2016 zu verpflichten, ihr die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines eigenwirtschaftlichen Linienverkehrs auf den Linien 311, 312, 316, R 11 und R 15 antragsgemäß für die Laufzeit bis zum 6. Januar 2025 zu erteilen; 2. den Bescheid des Beklagten zu 2 vom 8. September 2016 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2017 aufzuheben. 13 Der Beklagte zu 1 beantragt, die Revision zurückzuweisen. 14 Er verteidigt das Berufungsurteil. Ergänzend trägt er vor, der Antrag der Beigeladenen sei wegen zulässiger Ergänzung nach § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG, jedenfalls aber gemäß § 13 Abs. 2a PBefG genehmigungsfähig. 15 Der Beklagte zu 2 beantragt, die Revision zu verwerfen, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich der gegen ihn erhobenen Klage richtet, und die Revision im Übrigen zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zurückzuweisen. 16 Die Revision sei, soweit sie die Klage gegen ihn betreffe, mangels ausreichender Begründung gemäß § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO unzulässig; jedenfalls verletze das Berufungsurteil kein Bundesrecht. 17 Die Beigeladene beantragt, die Revision zurückzuweisen. 18 Sie verteidigt das Berufungsurteil. II 19 Die zulässige Revision ist überwiegend begründet. Hinsichtlich der Klage gegen den Beklagten zu 1 beruht das angegriffene Urteil auf der fehlerhaften Anwendung von § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG und erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Dagegen steht die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2 als unzulässig im Ergebnis mit Bundesrecht in Einklang. 20 1. Die Klägerin hat ihre Revision insgesamt, auch hinsichtlich der Klage gegen den Beklagten zu 2, ordnungsgemäß begründet (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Sie wendet sich gegen die berufungsgerichtliche Annahme, hinsichtlich des von dem Beklagten zu 2 erteilten Einvernehmens sei die Anfechtungsklage unstatthaft und schließe § 44a VwGO die selbstständige Anfechtung aus. Die Bezugnahme der Revisionsbegründung auf die Schriftsätze der Klägerin in erster und zweiter Instanz ist als ergänzende Inbezugnahme zur Konkretisierung dieses Vorbringens unschädlich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 1984 - 9 C 41.84 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr. 65 S. 6 f.). Nur für sich genommen hätte sie mangels Auseinandersetzung mit dem angegriffenen Urteil als Revisionsbegründung nicht ausgereicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 1981 - 5 C 57.80 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr. 56). 21 2. Hinsichtlich der Klage gegen den Beklagten zu 1 beruht das angegriffene Urteil auf einer fehlerhaften Anwendung von Bundesrecht. Es bestätigt die angegriffene Auswahlentscheidung gemäß § 13 Abs. 2b PBefG in der Annahme, der Antrag der Beigeladenen sei wegen rechtmäßiger Zulassung der nachträglichen Antragsergänzung ebenso genehmigungsfähig wie der Antrag der Klägerin. Dabei stützt es sich auf eine nicht zutreffende Auslegung des § 12 Abs. 6 PBefG. Diese Vorschrift ermächtigt nicht dazu, nachträgliche Ergänzungen nach § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG fristgerecht eingereichter, die Anforderungen der Vorabbekanntmachung aber nicht erfüllender Anträge zuzulassen, wenn bei Fristablauf mindestens ein diese Anforderungen erfüllender und auch im Übrigen genehmigungsfähiger Antrag vorlag. 22 a) Zu Recht geht das Oberverwaltungsgericht davon aus, dass die Veröffentlichung einer Vorabbekanntmachung ausschließlich die Frist des § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG und nicht parallel auch jene des § 12 Abs. 5 Satz 1 PBefG in Lauf setzt. Dafür sprechen Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck der Vorschrift. Gemäß § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG ist der Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für einen eigenwirtschaftlichen Verkehr mit Straßenbahnen, Obussen oder Kraftfahrzeugen im Linienverkehr spätestens drei Monate nach der Vorabbekanntmachung zu stellen, wenn die zuständige Behörde die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages nach Art. 5 Abs. 2 bis 4 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 oder nach dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beabsichtigt. Danach und mangels Bezugnahme auf die abweichende, in § 12 Abs. 5 Satz 1 PBefG normierte Jahresfrist läuft im Falle einer Vorabbekanntmachung, die gemäß § 8a Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 PBefG nicht mehr als 27 Monate vor Betriebsbeginn erfolgen soll und für die das Gesetz keinen spätestmöglichen Zeitpunkt normiert, ausschließlich die Frist des § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG. Die Annahme, bei Eingang eines eigenwirtschaftlichen Antrags innerhalb der Dreimonatsfrist öffne sich zusätzlich das Zeitfenster des § 12 Abs. 5 Satz 1 PBefG (so Wittig/Donhauser, KommunalPraxis spezial 2013, 76 <80 f.>), überzeugt nicht, weil dann die verfassungsrechtlich für den Genehmigungswettbewerb geforderte und mit der Neuregelung des § 12 Abs. 5 und 6 PBefG bezweckte Transparenz fehlte (vgl. BT-Drs. 17/8233 S. 15). Für potentielle Mitbewerber ist schon nicht ersichtlich, ob ein Antrag binnen der Dreimonatsfrist bei der Genehmigungsbehörde eingegangen ist. Eine Pflicht dies zu veröffentlichen, kennt das Personenbeförderungsgesetz nicht. Im Übrigen bliebe bei doppeltem Fristablauf derjenige Antragsteller, der den eigenwirtschaftlichen Antrag innerhalb der Dreimonatsfrist eingereicht hat, über einen potentiell sehr langen Zeitraum im Ungewissen darüber, ob er die Genehmigung erhalten wird. Zugleich würde die mit der kurzen Frist des § 12 Abs. 6 PBefG bezweckte Planungssicherheit des Aufgabenträgers verfehlt. 23 b) Das Oberverwaltungsgericht hätte die Ergänzung des Antrags der Beigeladenen nach Ablauf der Antragsfrist gemäß § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG jedoch nicht gemäß § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG für berücksichtigungsfähig erachten dürfen. Nach § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG kann die Genehmigungsbehörde im Einvernehmen mit dem Aufgabenträger verspätete Anträge zulassen. Hieraus folgt entgegen der Annahme des Oberverwaltungsgerichts nicht, dass sie auch Ergänzungen von innerhalb der Antragsfrist gestellten Anträgen stets im Einvernehmen mit dem Aufgabenträger zulassen darf. Die Ermächtigung zur Zulassung verspäteter Anträge nach § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG ist auf nachträgliche Antragsergänzungen jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn innerhalb der Dreimonatsfrist des § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG wenigstens ein die Voraussetzungen der Vorabbekanntmachung erfüllender und auch ansonsten genehmigungsfähiger eigenwirtschaftlicher Antrag eingegangen ist. Das ergibt sich aus dem Wortlaut, der Systematik und dem entstehungsgeschichtlich belegten Regelungszweck. 24 Dem Wortlaut nach ermächtigt § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG ausschließlich zur Zulassung verspäteter Anträge. Darin unterscheidet er sich von § 12 Abs. 5 PBefG, der neben der Zulassung verspäteter Anträge (vgl. Satz 2 der Vorschrift) in Satz 5 auch die Änderung und Ergänzung fristgerechter Anträge regelt. Ob § 12 Abs. 6 PBefG eine solche Befugnis durch den vom Oberverwaltungsgericht gezogenen Schluss a maiore ad minus entnommen werden kann oder ob § 12 Abs. 6 PBefG eine planwidrige Lücke aufweist, die durch entsprechende Anwendung seines Satzes 2 zu schließen wäre, kann hier dahinstehen. Jedenfalls ergibt sich wegen der Gesetzessystematik und des Regelungszwecks daraus keine Befugnis, eine nachfristige Ergänzung oder Änderung eines die Anforderungen der Vorabbekanntmachung verfehlenden Antrags zuzulassen, wenn bei Fristablauf bereits mindestens ein diese Anforderungen erfüllender und auch sonst genehmigungsfähiger Antrag vorlag. Die nachträgliche Antragsergänzung darf dann auch nicht als neuer verspäteter Antrag behandelt und zugelassen werden. 25 In diesem Fall ist die in § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG vorausgesetzte Absicht des Aufgabenträgers, eine gemeinwirtschaftliche Vergabe durchzuführen, wegen des Vorrangs eigenwirtschaftlicher Verkehrsbedienung gemäß § 8a Abs. 1 Satz 1 und 2 PBefG nicht mehr rechtmäßig zu verwirklichen (vgl. BT-Drs. 17/8233 S. 26 zu Nr. 9, re. Sp.). Auch der Sinn und Zweck des § 12 Abs. 6 PBefG rechtfertigt es unter diesen Voraussetzungen nicht, nachfristige Änderungen oder Ergänzungen fristgerechter, aber hinter den Anforderungen der Vorabbekanntmachung zurückbleibender Anträge zuzulassen. 26 Ausweislich der Gesetzesbegründung bezweckt § 12 Abs. 6 PBefG, dem Aufgabenträger nach fruchtlosem Ablauf der dreimonatigen Antragsfrist die Vorbereitung des Vergabeverfahrens zu ermöglichen, ohne dass spätere eigenwirtschaftliche Anträge seine Auswahlentscheidung im Vergabeverfahren gefährden können (vgl. BT-Drs. 17/8233 S. 15). Zugleich ermächtigt § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG die Genehmigungsbehörde, im Einvernehmen mit dem Aufgabenträger einen verspäteten Antrag zuzulassen, damit auch nach Ablauf der Dreimonatsfrist eine gemeinwirtschaftliche Vergabe vermieden werden kann, ohne auf eine Verkehrsbedienung verzichten zu müssen, die den Anforderungen der Vorabbekanntmachung genügt. Mit Eingang eines diese Anforderungen erfüllenden und auch sonst genehmigungsfähigen Antrags hat sich die doppelte Zielsetzung des § 12 Abs. 6 PBefG erledigt. Weder kann ein gemeinwirtschaftliches Vergabeverfahren eingeleitet werden, noch bedarf es der Zulassung verspäteter Anträge zur Vermeidung einer gemeinwirtschaftlichen Vergabe. Die weiteren Ziele des Gesetzgebers, einen fairen Genehmigungswettbewerb zu sichern und einen ruinösen Wettlauf durch unbeschränktes Nachreichen oder Ergänzen von Genehmigungsanträgen zu verhindern (vgl. BT-Drs. 17/8233 S. 15), sprechen gegen die Zulassung verspäteter Anträge oder Antragsergänzungen. Weder aus der Gesetzesbegründung noch ansonsten ist ersichtlich, dass diese Zwecksetzung der Neuregelung allein für den ausschließlich eigenwirtschaftlichen Genehmigungswettbewerb gemäß § 12 Abs. 5 PBefG und nicht auch für eigenwirtschaftliche Anträge gelten sollte, die nach einer Vorabbekanntmachung in der Frist des § 12 Abs. 6 PBefG gestellt werden. Die Neuregelung wurde getroffen, um die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an das Genehmigungsverfahren umzusetzen. Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG verpflichten den Gesetzgeber, dieses Verfahren chancengleich auszugestalten. Das gilt für Verfahren nach § 12 Abs. 6 PBefG, in denen eigenwirtschaftliche Anträge eingereicht werden, ebenso wie für den ausschließlich eigenwirtschaftlichen Genehmigungswettbewerb nach § 12 Abs. 5 PBefG. 27 Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG gewährleisten, dass jeder Bewerber eine faire Chance erhält, entsprechend den gesetzlich geregelten Genehmigungsvoraussetzungen zum Zuge zu kommen. Die Verfahrensgestaltung muss dabei sowohl der Berufsfreiheit der Antragsteller angemessen Rechnung tragen als auch den chancengleichen Zugang zur beruflichen Tätigkeit gewährleisten. Entscheidet sich die Behörde im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben für eine Verfahrensgestaltung, die Veränderungen der Angebote nach Ablauf der Angebotsfrist zulässt, setzt ein chancengleicher Wettbewerb voraus, dass allen Antragstellern diese Änderungsmöglichkeit transparent gemacht wird (vgl. zur alten Fassung des PBefG BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 2010 - 1 BvR 1425/10 - NVwZ 2011, 113 <114>). 28 Danach kommt es hier nicht darauf an, ob die Fristbestimmung des § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG generell drittschützende Wirkung entfaltet. Satz 2 der Vorschrift ist schon mit Rücksicht auf das Gebot der Chancengleichheit keine Befugnis zu entnehmen, nachfristige Ergänzungen unzureichender Anträge zuzulassen, wenn bei Fristablauf ein den Anforderungen der Vorabbekanntmachung entsprechender und auch im Übrigen genehmigungsfähiger Antrag vorlag. 29 Aus diesen Gründen durften die Beklagten die Ergänzung des Antrags der Beigeladenen mit E-Mail vom 18. Januar 2016 nicht nach § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG berücksichtigen. Die Frist des § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG war zu diesem Zeitpunkt abgelaufen und mit dem Antrag der Klägerin lag ein fristgerechter, die Voraussetzungen der Vorabbekanntmachung erfüllender und auch sonst genehmigungsfähiger Antrag vor. 30 c) Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der fehlerhaften Rechtsanwendung. Eine selbstständig tragende Alternativbegründung ist in dem Urteil nicht enthalten. 31 3. Es stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). 32 a) Die Ergänzung des Antrags der Beigeladenen konnte nicht in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG berücksichtigt werden. 33 (1) § 12 Abs. 6 PBefG enthält anders als § 12 Abs. 5 PBefG keine Regelung über Anregungen der Behörde zu Änderungen oder Ergänzungen fristgerecht eingereichter Genehmigungsanträge. Wird § 12 Abs. 6 PBefG als abschließende Regelung des eigenwirtschaftlichen Genehmigungswettbewerbs nach Veröffentlichung einer Vorabbekanntmachung verstanden, schließt dies den Rückgriff auf § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG aus. Bei diesem Verständnis scheidet auch eine analoge Anwendung mangels planwidriger Regelungslücke aus. 34 (2) Zum selben Ergebnis gelangt man, wenn § 12 Abs. 6 PBefG nicht als abschließende Regelung des Genehmigungsverfahrens nach Vorabbekanntmachung verstanden wird, sondern nur als Regelung der Anforderungen an eine gemeinwirtschaftliche Vergabe. Dann könnte zwar ein Rückgriff auf § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG in Betracht kommen, wenn - wie hier - eine Vergabe wegen des fristgerechten Eingangs eines genehmigungsfähigen eigenwirtschaftlichen Antrags nicht mehr zulässig wäre und die Zulässigkeit von Antragsänderungen und -ergänzungen beurteilt werden müsste. Auch bei Anwendbarkeit der Vorschrift dürfte die Antragsergänzung der Beigeladenen aber nicht berücksichtigt werden, weil die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt sind. Danach sind Ergänzungen und Änderungen von Anträgen nur dann zulässig, wenn sie von der Genehmigungsbehörde im öffentlichen Verkehrsinteresse angeregt worden sind. 35 Wegen des nach der Bewertungsmatrix - unstreitig - besseren Angebots der Beigeladenen hätte der Beklagte zu 1 vorliegend ein öffentliches Verkehrsinteresse an einer solchen Anregung annehmen können. Den Begriff des öffentlichen Interesses verwendet das Personenbeförderungsgesetz an zahlreichen Stellen, ohne ihn zu definieren. Es umfasst neben der Sicherstellung einer befriedigenden Verkehrsbedienung auch deren wesentliche Verbesserung. In Fällen, in denen eine Vorabbekanntmachung erfolgt ist, definiert deren Inhalt im öffentlichen Verkehrsinteresse liegende Mindestanforderungen. Angesichts der vom Personenbeförderungsgesetz angestrebten bestmöglichen Verkehrsbedienung (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b, § 13 Abs. 2b Satz 1 PBefG) sind diese Anforderungen jedoch nicht abschließend. Aufgrund der umfassenden verkehrspolitischen Wertungen und Priorisierungen, die der Begriff des öffentlichen Verkehrsinteresses umfasst, besteht ein Beurteilungsspielraum der zuständigen Behörde (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 - 3 C 14.09 - BVerwGE 137, 199 Rn. 21). Seine Grenzen müssen hier nicht geprüft werden. Eine Berücksichtigung der Antragsergänzung vom 18. Januar 2016 scheitert jedenfalls am Fehlen einer Anregung des Beklagten zu 1. Nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG sind Ergänzungen und Änderungen von Anträgen ""nur"" zulässig, wenn sie von der Genehmigungsbehörde ""angeregt"" worden sind. Das Anregungserfordernis soll dabei insbesondere einem ruinösen Wettlauf von Genehmigungsanträgen vorbeugen (vgl. BT-Drs. 17/8233, S. 15). Deshalb schließt es eigeninitiative Nachbesserungen in Abkehr zur alten Rechtslage aus. Dies ermöglicht ein geordnetes, durch die Genehmigungsbehörde strukturiertes Genehmigungsverfahren und stellt insbesondere sicher, dass Ergänzungen und Änderungen von Anträgen nach Fristablauf nur in einer transparenten und allen Antragstellenden gleichermaßen offenstehenden Weise zugelassen werden (Saxinger, GewArch 2014, 377 <381>). 36 b) Das Angebot der Beigeladenen war auch nicht nach § 13 Abs. 2a Satz 2 PBefG genehmigungsfähig. Danach ist die Genehmigung zu versagen, wenn ein in der Frist des § 12 Abs. 6 PBefG gestellter Antrag die in der Vorabbekanntmachung beschriebenen Anforderungen nicht erfüllt, es sei denn, die zuständige Behörde erteilt gegenüber der Genehmigungsbehörde ihr Einvernehmen zu den beantragten Abweichungen. Hier kann offen bleiben, ob dem fristgerechten, aber unvollständigen Antrag der Beigeladenen ein konkludenter Antrag auf Zulassung von Abweichungen zu entnehmen war (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992 - 4 C 27.91 - BVerwGE 91, 234 <241> zu § 31 BauGB), weil das von dem Beklagten zu 2 als zuständiger Behörde erteilte Einvernehmen rechtswidrig ist. Die Rechtmäßigkeit dieser gemäß § 44a VwGO nicht isoliert anfechtbaren Verfahrenshandlung ist im Rahmen der Konkurrentenklage inzident zu prüfen (vgl. Stelkens/Schenk, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand März 2023, § 44a Rn. 21). 37 Der Beklagte zu 2 hat sein Einvernehmen im Widerspruch zum Zweck der Ermächtigung und damit ermessensfehlerhaft erteilt (vgl. § 40 VwVfG). Dieser Zweck wird im Personenbeförderungsgesetz nicht ausdrücklich definiert, ergibt sich aber aus der Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, der die Ergänzung des Absatzes 2a vorschlug. Danach sollten Antragskonkurrenzen zwischen unternehmensinitiierten und aufgabenträgerinitiierten Verkehren geregelt werden (BT-Drs. 17/8233 S. 26 zu Nr. 9; vgl. auch Winnes, in: Saxinger/Winnes, Recht des öffentlichen Personenverkehrs, Stand November 2022, § 13 Abs. 2a Rn. 1 ff.). Dem Aufgabenträger wird ermöglicht, nachträglich auf Anforderungen der Vorabbekanntmachung zu verzichten, um sich eine sonst erforderlich werdende gemeinwirtschaftliche Vergabe zu ersparen. Nicht vom Regelungszweck umfasst ist es dagegen, nur gegenüber einem von mehreren Antragstellern auf die Erfüllung der Anforderungen der Vorabbekanntmachung zu verzichten. Ein solcher Eingriff in den Genehmigungswettbewerb zwischen eigenwirtschaftlichen Anträgen widerspricht dem Ziel des Gesetzes, ein transparentes und faires Genehmigungsverfahren zu gewährleisten. Dieses Verständnis des § 13 Abs. 2a Satz 2 PBefG wird durch § 12 Abs. 6 Satz 3 PBefG bestätigt. Letzterer hat ebenfalls zum Ziel, bei einem nachträglichen Verzicht auf Anforderungen der Vorabbekanntmachung Mitbewerbern einen chancengerechten Marktzugang zu ermöglichen. 38 Es trägt auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung (vgl. oben Rn. 26 f.). Sie gestatten der Behörde nicht, nur gegenüber einzelnen Antragstellern nachträglich auf zuvor von ihr für verbindlich erklärte Anforderungen zu verzichten. Durch einen solchen Verzicht wird in den fairen und chancengerechten Wettbewerb eingegriffen. Danach kann § 13 Abs. 2a Satz 2 PBefG nicht dahin ausgelegt werden, dass es im Ermessen des Aufgabenträgers stünde, zugunsten einzelner Antragsteller auf zuvor verbindlich vorgegebene Anforderungen zu verzichten, ohne den übrigen die Möglichkeit einzuräumen, ihr Angebot unter Verzicht auf diese Anforderungen neu zu fassen. Ob es darüber hinaus in dieser Situation erforderlich ist, im Amtsblatt der Europäischen Union eine Korrektur der Vorabbekanntmachung zu veröffentlichen (so Winnes, in: Saxinger/Winnes, Recht des öffentlichen Personenverkehrs, Stand November 2022, § 13 Abs. 2a Rn. 57), bedarf hier keiner Entscheidung. 39 c) Das Angebot der Beigeladenen war auch nicht gemäß § 13 Abs. 2a Satz 3 und 4 PBefG genehmigungsfähig. Eine unwesentliche Abweichung im Sinne des § 13 Abs. 2a Satz 3 PBefG scheidet gemäß Satz 4 der Vorschrift schon deshalb aus, weil die verlangte verbindliche Zusicherung auch Fragen der Barrierefreiheit betraf. 40 d) Der Senat kann gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO auf der Grundlage der insoweit ausreichenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts über die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegen den Beklagten zu 1 in der Sache selbst entscheiden. Danach steht fest, dass der Antrag der Klägerin die Voraussetzungen der Vorabbekanntmachung erfüllt und auch ansonsten genehmigungsfähig ist. Da die Klägerin den einzig genehmigungsfähigen Antrag vorgelegt hat, steht ihr ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung für die Zukunft zu. 41 4. Im Ergebnis zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht die Klage gegen den Beklagten zu 2 als unzulässig abgewiesen. Allerdings fehlt für die Klage gegen das durch den Beklagten zu 2 nach § 13 Abs. 2a PBefG erteilte Einvernehmen nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Es wäre nur zu verneinen, wenn ein Erfolg ihrer Klage der Klägerin offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3>). Dies lässt sich nicht mit materiell-rechtlichen Erwägungen zu den Erfolgsaussichten des Begehrens oder eines anderen Antrags im selben Verfahren begründen. 42 Das Berufungsurteil beruht jedoch nicht auf der fehlerhaften Erwägung, weil es selbstständig tragend und zutreffend darauf abstellt, das Einvernehmen des Beklagten zu 2 sei nach § 44a VwGO nicht selbstständig anfechtbar. Behördliche Verfahrenshandlung im Sinne der Vorschrift ist jede behördliche Maßnahme, die im Zusammenhang mit einem schon begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren steht und die der Vorbereitung einer regelnden Sachentscheidung dient (BVerwG, Urteil vom 1. September 2009 - 6 C 4.09 - BVerwGE 134, 368 Rn. 21). Hierunter fällt das Einvernehmen des Aufgabenträgers, weil es mit dem Genehmigungsverfahren über den Linienverkehr, welches im Zeitpunkt der Erteilung des Einvernehmens nicht abgeschlossen ist, in Zusammenhang steht und die abschließende Sachentscheidung der Genehmigungsbehörde vorbereitet. Die von der Klägerin betonte besondere Bedeutung des Einvernehmens des Aufgabenträgers führt zu keiner anderen Beurteilung. § 44a VwGO knüpft im Interesse der Rechtsklarheit an das formale Kriterium der Verfahrenshandlung und nicht an die wertungsabhängige Bestimmung von deren Bedeutung an. 43 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, 2 und 3, § 155 Abs. 1 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die instanzübergreifend einheitliche Kostenteilung entspricht dem Grundsatz der Kosteneinheit und berücksichtigt, dass die Beigeladene nur in der Revisionsinstanz einen eigenen Antrag gestellt hat. Die ihr entstandenen Kosten sind nur insoweit aus Billigkeitsgründen erstattungsfähig, sie ist aber auch nur insoweit an der Kostentragung zu beteiligen." bverwg_2023-47,13.06.2023,"Pressemitteilung Nr. 47/2023 vom 13.06.2023 EN Bewohnerparkgebührensatzung der Stadt Freiburg im Breisgau unwirksam Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Bewohnerparkgebührensatzung der Stadt Freiburg im Breisgau vom 14. Dezember 2021 unwirksam ist. Früher erhob die Stadt Freiburg für das Ausstellen eines Parkausweises für Bewohner von Bewohnerparkgebieten auf der Grundlage der Gebührenordnung des Bundesverkehrsministeriums für Maßnahmen im Straßenverkehr eine Gebühr in Höhe von jährlich 30 €. Seit dem 1. April 2022 werden nach der angegriffenen Satzung Gebühren nach einem Stufentarif erhoben. Diese betragen je nach Länge des Fahrzeugs 240 € (bis 4,20 m), 360 € (von 4,21 bis 4,70 m) oder 480 € (ab 4,71 m). Personen, die bestimmte Sozialleistungen erhalten, und Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 sowie Inhaberinnen und Inhaber eines orangefarbenen Parkausweises für besondere Gruppen schwerbehinderter Personen zahlen ermäßigte Gebühren in Höhe von 60 €, 90 € und 120 €. Denjenigen Personen, die im Besitz eines blauen Parkausweises für Menschen mit schwerer Behinderung sind, wird die Gebühr erlassen. Gestützt ist die Bewohnerparkgebührensatzung auf die 2020 in Kraft getretene bundesrechtliche Regelung des § 6a Abs. 5a Straßenverkehrsgesetz (StVG) und § 1 der landesrechtlichen Delegationsverordnung zur Erhebung von Parkgebühren (ParkgebVO). § 6a Abs. 5a StVG ermächtigt die Landesregierungen, Gebührenordnungen für das Ausstellen von Bewohnerparkausweisen zu erlassen und die Ermächtigung durch Rechtsverordnung weiter zu übertragen. Mit § 1 ParkgebVO hat die baden-württembergische Landesregierung die Ermächtigung zum Erlass von Gebührenordnungen auf die örtlichen und unteren Straßenverkehrsbehörden weiter übertragen, wobei Gemeinden die Gebührenordnungen als Satzungen auszugestalten haben. Der Antragsteller wohnt in der Stadt Freiburg im Bereich eines Bewohnerparkgebiets. Er ist Halter eines Kraftfahrzeugs, für das er bereits bisher über einen Bewohnerparkausweis verfügte. Sein Normenkontrollantrag gegen die Bewohnerparkgebührensatzung vom 14. Dezember 2021 blieb vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg erfolglos. Auf die Revision des Antragstellers hin hat das Bundesverwaltungsgericht die Satzung für unwirksam erklärt. Die Gemeinden sind in Bezug auf Bewohnerparkgebühren, bei denen es sich um bundesrechtlich geregelte Gebühren nach dem Straßenverkehrsgesetz handelt, an die Vorgaben des Bundesgesetzgebers gebunden. Die Parkgebührenverordnung ist danach keine taugliche Rechtsgrundlage für den Erlass einer Satzung, weil § 6a Abs. 5a StVG ausschließlich zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt. Darüber hinaus verletzt der Stufentarif den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die damit verbundenen starken Gebührensprünge bilden den je nach Fahrzeuglänge unterschiedlichen Vorteil nicht mehr angemessen ab. Im Extremfall kann ein Längenunterschied von 50 cm zu einer Verdoppelung der Gebühr führen. Die mit diesen Sprüngen einhergehende beträchtliche Ungleichbehandlung ist auch unter dem Gesichtspunkt der - hier allenfalls geringfügigen - Verwaltungsvereinfachung nicht zu rechtfertigen. Für die Ermäßigung und den Erlass der Gebühren aus sozialen Gründen fehlt ebenfalls eine Rechtsgrundlage. Denn nach der maßgeblichen Norm des § 6a Abs. 5a StVG dürfen bei der Gebührenbemessung nur die Gebührenzwecke der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs berücksichtigt werden. Eine Bemessung der Gebühren nach sozialen Zwecken hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Dies wäre nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch erforderlich gewesen. Nicht beanstandet hat das Bundesverwaltungsgericht indes die Höhe der ""Regelgebühr"" in Höhe von 360 €. Angesichts des erheblichen Wertes eines wohnungsnahen Parkplatzes steht sie weder in einem groben Missverhältnis zum Gebührenzweck des Ausgleichs der mit dem Parkausweis verbundenen Vorteile noch ist sie vollständig von den zu deckenden Kosten der Ausweisausstellung abgekoppelt. Fußnote: § 6a Abs. 5a StVG lautet: Für das Ausstellen von Parkausweisen für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel können die nach Landesrecht zuständigen Behörden Gebühren erheben. Für die Festsetzung der Gebühren werden die Landesregierungen ermächtigt, Gebührenordnungen zu erlassen. In den Gebührenordnungen können auch die Bedeutung der Parkmöglichkeiten, deren wirtschaftlicher Wert oder der sonstige Nutzen der Parkmöglichkeiten für die Bewohner angemessen berücksichtigt werden. In den Gebührenordnungen kann auch ein Höchstsatz festgelegt werden. Die Ermächtigung kann durch Rechtsverordnung weiter übertragen werden.   Die Parkgebührenverordnung vom 14. Juli 2021 lautet: § 1 (Bewohnerparkausweise) (1) Die Ermächtigung nach § 6a Absatz 5a Satz 2 des Straßenverkehrsgesetzes zum Erlass von Gebührenordnungen für das Ausstellen von Parkausweisen für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel wird auf die örtlichen und unteren Straßenverkehrsbehörden übertragen. Die Gebührenordnungen sind als Rechtsverordnungen, bei Zuständigkeit der Gemeinden als örtliche oder untere Straßenverkehrsbehörden als Satzungen auszugestalten. BVerwG 9 CN 2.22 - Urteil vom 13. Juni 2023 Vorinstanz: VGH Mannheim, VGH 2 S 808/22 - Urteil vom 13. Juli 2022 -","Urteil vom 13.06.2023 - BVerwG 9 CN 2.22ECLI:DE:BVerwG:2023:130623U9CN2.22.0 EN Ungültigkeit der Bewohnerparkgebührensatzung der Stadt Freiburg im Breisgau Leitsätze: 1. Bei den Gebühren für das Ausstellen von Parkausweisen für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel nach § 6a Abs. 5a Satz 1 StVG handelt es sich um Verwaltungsgebühren. 2. Soweit § 6a Abs. 5a Satz 2 StVG die Landesregierungen ermächtigt, für die Festsetzung der Gebühren Gebührenordnungen zu erlassen, ermächtigt er zum Erlass von Rechtsverordnungen nach Art. 80 Abs. 1 GG. 3. Wird die Ermächtigung nach § 6a Abs. 5a Satz 5 StVG auf Gemeinden als örtliche oder untere Straßenverkehrsbehörden weiter übertragen, können die Gemeinden die Gebührenordnungen nur als Rechtsverordnungen erlassen; soweit eine Delegationsverordnung stattdessen die Ausgestaltung als Satzung vorschreibt, ist sie ungültig. 4. § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG regelt die Kriterien und Zwecke, nach denen die Gebühren für das Ausstellen von Bewohnerparkausweisen festgesetzt werden können, abschließend und beschränkt diese auf die Zwecke der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs; klimapolitische Lenkungszwecke und soziale Zwecke können daher zur Rechtfertigung der Gebührenhöhe nicht herangezogen werden. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 20a, Art. 74 Abs. 1 Nr. 22, Art. 80 Abs. 1, Art. 84 Abs. 1 VwGO § 47 Abs. 5 Satz 2 StVG § 6a Abs. 5a KSG §§ 1, 13 Abs. 1 ParkgebVO § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 BewParkgebS § 4 Abs. 1 bis 3, § 5 Abs. 1 bis 3 GebOSt Nr. 265 der Anlage zu § 1 Instanzenzug VGH Mannheim - 13.07.2022 - AZ: 2 S 808/22 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 13.06.2023 - 9 CN 2.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:130623U9CN2.22.0] Urteil BVerwG 9 CN 2.22 VGH Mannheim - 13.07.2022 - AZ: 2 S 808/22 In der Normenkontrollsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler, Dr. Martini und Dr. Dieterich sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking für Recht erkannt: Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13. Juli 2022 wird geändert. Die Satzung der Stadt Freiburg im Breisgau über die Erhebung von Bewohnerparkgebühren (Bewohnerparkgebührensatzung) vom 14. Dezember 2021 wird für unwirksam erklärt. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Normenkontrollantrag richtet sich gegen die Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Bewohnerparkgebühren (Bewohnerparkgebührensatzung - BewParkgebS) vom 14. Dezember 2021. 2 Der Antragsteller wohnt in einem städtischen Quartier der Antragsgegnerin mit erheblichem Parkraummangel, das gemäß § 45 Abs. 1b Nr. 2a StVO als Bewohnerparkgebiet ausgewiesen ist. Er ist Halter eines Kraftfahrzeugs, das er mangels eines privaten Stellplatzes regelmäßig auf parkraumbewirtschafteten öffentlichen Verkehrsflächen parkt. Bereits in der Vergangenheit war er deshalb Inhaber eines Bewohnerparkausweises, für dessen Ausstellung die Antragsgegnerin bisher nach Nr. 265 der Anlage zu § 1 Abs. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) vom 25. Januar 2011 (BGBl. I S. 98) eine jährliche Gebühr von 30 € erhoben hat. 3 Auf der Grundlage des durch Art. 2 Nr. 1 des Achten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 29. Juni 2020 (BGBl. I S. 1528) in das Straßenverkehrsgesetz eingefügten § 6a Abs. 5a StVG und des § 1 der Delegationsverordnung der baden-württembergischen Landesregierung zur Erhebung von Parkgebühren (ParkgebVO) vom 14. Juli 2021 (GBl. BW S. 605) erließ die Antragsgegnerin die Bewohnerparkgebührensatzung vom 14. Dezember 2021, die am 1. April 2022 in Kraft trat. Danach werden für das Ausstellen eines Bewohnerparkausweises für ein Jahr nunmehr je nach Fahrzeuglänge Gebühren in Höhe von 240 €, 360 € oder 480 € erhoben, die für bestimmte Personengruppen ermäßigt oder vollständig erlassen werden. Die betreffenden Regelungen lauten: § 4 Gebührenhöhe (1) Für ein Jahr beträgt die Höhe der Gebühr für die Ausstellung 360 Euro. (2) Misst das Fahrzeug, für das der Bewohnerparkausweis beantragt wird, in der Länge weniger als 4,21 m, so beträgt abweichend von Abs. 1 die Höhe der einjährigen Gebühr 240 Euro. (3) Misst das Fahrzeug, für das der Bewohnerparkausweis beantragt wird, in der Länge mehr als 4,70 m, so beträgt abweichend von Abs. 1 die Höhe der einjährigen Gebühr 480 Euro. (4) Für sechs Monate beträgt die Höhe der Gebühr für die Ausstellung die Hälfte der in den Absätzen 1 bis 3 festgelegten Gebührenhöhen. ... § 5 Gebührenermäßigung (1) Für Personen, die Leistungen nach SGB II, SGB XII, Kriegsopferfürsorge (Bundesversorgungsgesetz) und AsylbLG sowie Personen, die Wohngeld erhalten, wird eine Gebühr in Höhe von 25 % der in § 4 Abs. 1 bis 4 genannten Gebührenhöhe festgesetzt. Die Leistungsberechtigung ist mit dem Antrag nachzuweisen. (2) Für Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 (Merkzeichen unerheblich) sowie Inhaber_innen einer Parkerleichterung für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen (""orangefarbener Parkausweis"") gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO (Ausnahmegenehmigung und Erlaubnis) wird eine Gebühr in Höhe von 25 % der in § 4 Abs. 1 bis 4 genannten Gebührenhöhe festgesetzt. Die Berechtigung zur Ermäßigung ist mit dem Antrag nachzuweisen. (3) Personen, die im Besitz einer Parkerleichterung für Menschen mit schweren Behinderungen (""blauer Parkausweis"") gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO (Ausnahmegenehmigung und Erlaubnis) sind, wird die Gebühr für die Ausstellung eines Bewohnerparkausweises erlassen. ... 4 Am 1. April 2022 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, die Bewohnerparkgebührensatzung für unwirksam zu erklären. Sein gleichzeitig gestellter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO blieb ohne Erfolg (VGH Mannheim, Beschluss vom 24. Juni 2022 - 2 S 809/22 - juris). 5 Mit Urteil vom 13. Juli 2022 lehnte der Verwaltungsgerichtshof den Normenkontrollantrag ab. Die Bewohnerparkgebührensatzung sei formell und materiell rechtmäßig. § 6a Abs. 5a StVG und § 1 ParkgebVO, die die Antragsgegnerin zum Erlass einer Gebührenordnung ermächtigten, seien mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Bewohnerparkgebührensatzung sei von dieser Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Sie sei auch hinsichtlich der Gebührenbemessung, der Gebührenermäßigungen und des Gebührenerlasses rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere verstoße sie weder gegen das Äquivalenzprinzip noch gegen den Gleichheitssatz. 6 Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision führt der Antragsteller sinngemäß aus: Der Bewohnerparkgebührensatzung fehle die Rechtsgrundlage. § 1 Abs. 1 Satz 2 ParkgebVO sei unwirksam, soweit die Gemeinden danach die Gebührenordnung als Satzung auszugestalten hätten. Art. 80 Abs. 1 GG ermächtige auch im Falle der Subdelegation nur zum Erlass einer Rechtsverordnung. Auch § 1 Abs. 2 Satz 2 ParkgebVO sei unwirksam. Er sei mit § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG nicht vereinbar, weil danach bei der Gebührenbemessung neben den Kosten der Ausweisausstellung nur Bedeutung, wirtschaftlicher Wert und sonstiger Nutzen der Parkmöglichkeiten berücksichtigt werden dürften. Eine Berücksichtigung von Gesichtspunkten des Klimaschutzes sei hingegen nicht vorgesehen. Die Gebührenhöhe nach § 4 BewParkgebS verletze das Äquivalenzprinzip und lasse sich nicht durch den Verweis auf die Kosten anderer Parkmöglichkeiten rechtfertigen. Die Gebührenstaffelung nach der Fahrzeuglänge verstoße gegen das Gebot der Belastungsgleichheit. Die Grenzen zulässiger Pauschalierung seien überschritten. Die Ermäßigungen und der Gebührenerlass nach § 5 BewParkgebS seien durch die nach § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG berücksichtigungsfähigen Kriterien nicht gedeckt und mit dem Grundsatz der Privilegienfeindlichkeit des Straßenverkehrsrechts nicht vereinbar. 7 Der Antragsteller beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13. Juli 2022 aufzuheben und die Satzung der Stadt Freiburg im Breisgau über die Erhebung von Bewohnerparkgebühren vom 14. Dezember 2021 für unwirksam zu erklären. 8 Die Antragsgegnerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. 9 Sie hält die Satzungsermächtigung nach § 1 Abs. 1 Satz 2 ParkgebVO für mit Art. 80 Abs. 1 GG und § 6a Abs. 5a StVG vereinbar. Im Übrigen verteidigt sie das angefochtene Urteil. II 10 Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Bewohnerparkgebührensatzung der Antragsgegnerin vom 14. Dezember 2021 ist ungültig und deshalb unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären. 11 Zwar bejaht der Verwaltungsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit von § 6a Abs. 5a StVG, der die Landesregierungen zum Erlass von Gebührenordnungen für das Ausstellen von Bewohnerparkausweisen ermächtigt, im Ergebnis zu Recht (1.). § 1 der landesrechtlichen Delegationsverordnung (ParkgebVO), der die Ermächtigung auf die unteren und örtlichen Straßenverkehrsbehörden weiter überträgt, steht aber mit Bundesrecht nicht im Einklang, soweit die als örtliche und untere Straßenverkehrsbehörden zuständigen Gemeinden die Gebührenordnungen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 ParkgebVO als Satzungen ausgestalten müssen (2.). Damit ist die Bewohnerparkgebührensatzung schon mangels Satzungsermächtigung ungültig; darüber hinaus verstoßen die Gebührenstaffelung nach § 4 BewParkgebS sowie die Gebührenermäßigungen und der Gebührenerlass nach § 5 BewParkgebS gegen Art. 3 Abs. 1 GG (3.). Das Bundesverwaltungsgericht kann nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Sache selbst entscheiden (4.). 12 1. Der Verwaltungsgerichtshof geht im Ergebnis ohne Verstoß gegen Bundesrecht von der Verfassungsmäßigkeit der bundesrechtlichen Ermächtigungsnorm (§ 6a Abs. 5a StVG) aus. 13 Dem Bund steht nach Art. 84 Abs. 1 i. V. m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG die Gesetzgebungskompetenz für § 6a Abs. 5a StVG zu, nach dessen Absatz 1 die nach Landesrecht zuständigen Behörden Gebühren für das Ausstellen von Parkausweisen für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel erheben können. Hierbei handelt es sich allerdings entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtshofs schon nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut nicht um Straßenbenutzungs-, sondern um Verwaltungsgebühren, die nicht an die Benutzung der Straßenfläche zum Parken, sondern an die im Ausstellen des Bewohnerparkausweises liegende Amtshandlung anknüpfen. Dass die Gesetzesbegründung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur von einer ""Gebühr für eine Flächennutzung"" spricht (BT-Drs. 19/19132 S. 12), ist unbeachtlich, da es für die Auslegung auf den objektivierten Willen des Gesetzgebers, nicht jedoch auf die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder ankommt (vgl. nur BVerfG, Kammerbeschluss vom 31. März 2016 - 2 BvR 1576/13 - NVwZ-RR 2016, 521 Rn. 63; BVerwG, Urteil vom 14. September 2022 - 9 C 24.21 - NVwZ 2023, 596 Rn. 45, jeweils m. w. N.). Die Erhebung von Verwaltungsgebühren als Teil des Verwaltungsverfahrens kann der Bundesgesetzgeber nach Art. 84 Abs. 1 GG regeln, wenn er wie hier auch über eine Gesetzgebungsbefugnis für das materielle Recht verfügt (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 - 3 CN 1.13 - BVerwGE 150, 129 Rn. 11 f.). 14 Dies vorangestellt, steht vorliegend hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit von § 6a Abs. 5a StVG allein in Streit, ob der Gesetzgeber einen Gebührenhöchstsatz hätte festlegen müssen. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof, wenngleich unter Zugrundelegung eines falschen Prüfungsmaßstabs (a), im Ergebnis zu Recht verneint (b). 15 a) Maßstab für die verfassungsrechtliche Überprüfung der der streitgegenständlichen Satzung zugrundeliegenden Ermächtigungsnorm ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht der allgemeine, aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgende Vorbehalt des Gesetzes, sondern Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Danach müssen in dem Gesetz, durch das nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung bestimmt werden. 16 Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG konkretisiert als bereichsspezifische Ausprägung des Rechtsstaats-, des Gewaltenteilungs- und des Demokratieprinzips die Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes für gesetzliche Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen durch die Exekutive (BVerfG, Urteil vom 19. September 2018 - 2 BvF 1, 2/15 - BVerfGE 150, 1 Rn. 199). Er geht daher dem allgemeinen Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes als spezielle Regelung vor (BVerfG, Urteil vom 19. September 2018 - 2 BvF 1, 2/15 - BVerfGE 150, 1 Rn. 200). 17 Die Vorschrift des § 6a Abs. 5a Satz 2 StVG, wonach (u. a.) die Landesregierungen ermächtigt werden, für die Festsetzung der Gebühren Gebührenordnungen zu erlassen, stellt eine Verordnungsermächtigung im Sinne des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG dar. Damit räumt der Bundesgesetzgeber den benannten Organen der Exekutive das Recht zur Schaffung von untergesetzlichem Recht ein. Auch wenn mit dem Begriff der ""Gebührenordnung"" eine bestimmte Rechtsform nicht ausdrücklich benannt wird, kann es sich der Sache nach insoweit nur um eine Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen handeln. Denn die Landesregierungen können Rechtsnormen nur in dieser Form erlassen. Im Übrigen ist die Bezeichnung ""Gebührenordnung"" gerade auch für Rechtsverordnungen gebräuchlich, die Gebührenregelungen treffen. Dies zeigt die auf § 6a Abs. 2 Satz 1 StVG beruhende Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr. 18 b) Soweit nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen, soll bereits auf Grund der Ermächtigung vorhersehbar sein, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können, so dass sich die Normunterworfenen mit ihrem Verhalten darauf einstellen können (BVerfG, Urteil vom 19. September 2018 - 2 BvF 1, 2/15 - BVerfGE 150, 1 Rn. 201 f. m. w. N.). Das im konkreten Fall erforderliche Maß an Bestimmtheit hängt von der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ab; von Bedeutung sind dabei insbesondere die Komplexität und Veränderlichkeit der Lebenssachverhalte und tatsächlichen Verhältnisse sowie die Intensität und Grundrechtsrelevanz der Maßnahme (vgl. im Einzelnen etwa BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2005 - 2 BvF 2/01 - BVerfGE 113, 167 <269> und Urteil vom 19. September 2018 - 2 BvF 1, 2/15 - BVerfGE 150, 1 Rn. 204 m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 37). 19 Diesen Anforderungen genügt § 6a Abs. 5a StVG auch ohne Festlegung eines Gebührenhöchstsatzes. Bei der Gebührenbemessung dürfen nach § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG neben dem Personal- und Sachaufwand für das Ausstellen der Parkausweise auch die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert oder der sonstige Nutzen der den Bewohnern hierdurch eröffneten Parkmöglichkeiten berücksichtigt werden. Zweck der Gebührenerhebung ist damit neben der Kostendeckung der Ausgleich der mit den Parkausweisen verbundenen Vorteile. Einer darüber hinausgehenden Bestimmung des Ausmaßes der Gebührenerhebung durch die Festlegung eines Gebührenhöchstsatzes bedurfte es nach der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts nicht. Grund für die Verordnungsermächtigung zugunsten der Landesregierung und die Möglichkeit ihrer Weiterübertragung war, dass es den Landesregierungen und Kommunen ermöglicht werden sollte, die Gebühren nach den örtlichen Verhältnissen festzusetzen (BT-Drs. 19/19132 S. 12). Angesichts deren Uneinheitlichkeit wäre es für den Bundesgesetzgeber nur schwer möglich, einen angemessenen Gebührenhöchstsatz für das gesamte Bundesgebiet festzulegen. Es ist deshalb sachgerecht, die Bestimmung einer solchen Gebührenobergrenze, wie in § 6a Abs. 5a Satz 4 StVG geschehen, dem Verordnungsgeber zu überlassen. Dies gefährdet auch nicht die Vorhersehbarkeit und Justiziabilität der Gebührenhöhe, da die betroffenen Bewohner die Möglichkeit haben, sich über die örtlichen Verhältnisse, wie die Mieten für private Stellplätze oder die üblichen Gebühren für das Parken auf öffentlichen Straßen und Plätzen, zu informieren. Die zulässige Gebührenhöhe wird zudem durch das Äquivalenzprinzip als gebührenrechtliche Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit begrenzt (s. dazu näher unter 3.). 20 2. Die landesrechtliche Delegationsverordnung in § 1 ParkgebVO entspricht, soweit es vorliegend darauf ankommt, hingegen nur teilweise § 6a Abs. 5a StVG. 21 § 1 ParkgebVO lautet: § 1 Bewohnerparkausweise (1) Die Ermächtigung nach § 6a Absatz 5a Satz 2 des Straßenverkehrsgesetzes zum Erlass von Gebührenordnungen für das Ausstellen von Parkausweisen für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel wird auf die örtlichen und unteren Straßenverkehrsbehörden übertragen. Die Gebührenordnungen sind als Rechtsverordnungen, bei Zuständigkeit der Gemeinden als örtliche oder untere Straßenverkehrsbehörden als Satzungen auszugestalten. (2) In den Gebührenordnungen können hinsichtlich der Bewohnerparkausweise neben den Kosten des Verwaltungsaufwands auch die Bedeutung der Parkmöglichkeiten, deren wirtschaftlicher Wert oder der sonstige Nutzen der Parkmöglichkeiten für die Bewohner angemessen berücksichtigt werden. So können auch gestaffelte Gebühren differenziert insbesondere nach folgenden Kriterien festgelegt werden: 1. die Größe des parkenden Fahrzeugs, 2. die Anzahl der Fahrzeuge pro Haushalt oder Halter, 3. die Lage der Parkmöglichkeit, 4. das Vorliegen einer Parkerleichterung für schwerbehinderte Menschen gemäß § 46 Absatz 1 Nummer 11 der Straßenverkehrs-Ordnung. 22 a) Die Übertragung der Regelungsbefugnis auf die örtlichen und unteren Straßenbehörden durch § 1 Abs. 1 Satz 1 ParkgebVO steht grundsätzlich mit § 6a Abs. 5a Satz 5 StVG im Einklang (aa). Jedoch ist § 1 Abs. 1 Satz 2 ParkgebVO insoweit unwirksam, als danach Gemeinden Gebührenordnungen für das Ausstellen von Parkausweisen als Satzungen erlassen (bb). Dies lässt allerdings die Wirksamkeit von § 1 ParkgebVO im Übrigen unberührt (cc). 23 aa) Gemäß § 6a Abs. 5a Satz 5 StVG kann die Ermächtigung zum Erlass von Gebührenordnungen für das Ausstellen von Parkausweisen durch Rechtsverordnung weiter übertragen werden. Von dieser Möglichkeit macht § 1 Abs. 1 Satz 1 ParkgebVO Gebrauch. Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei den örtlichen und unteren Straßenverkehrsbehörden um staatliche Behörden oder um Gemeinden handelt. Denn § 6a Abs. 5a Satz 5 StVG schränkt in Übereinstimmung mit Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. September 2018 - 2 BvF 1, 2/15 - BVerfGE 150, 1 Rn. 207 zu Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG) den Kreis derer, auf die die Ermächtigung übertragen werden darf, nicht weiter ein. Sie kann daher insbesondere auf Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts übertragen werden, die wie die örtlichen und unteren Straßenverkehrsbehörden auch als Gemeinden der ermächtigten Landesregierung nachgeordnet sind (vgl. nur Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 80 Rn. 65; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand Januar 2023, Art. 80 Rn. 83). 24 bb) Nicht von § 6a Abs. 5a Satz 5 StVG gedeckt ist hingegen, dass die Gebührenordnungen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 ParkgebVO bei Zuständigkeit der Gemeinden als Satzungen auszugestalten sind. 25 (1) Dies folgt schon aus dem Wortlaut von § 6a Abs. 5a StVG. Nach dessen Satz 2 werden die Landesregierungen ermächtigt, für die Festsetzung der Gebühren für das Ausstellen von Parkausweisen Gebührenordnungen zu erlassen, nach Satz 5 kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung weiter übertragen werden. Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei den genannten Gebührenordnungen um Rechtsverordnungen. Nach § 6a Abs. 5a Satz 5 StVG weiter übertragen werden kann ""die Ermächtigung"", also die den Landesregierungen erteilte Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen. Diese kann nur ""weiter übertragen"" werden, nicht aber bei der Übertragung in eine Ermächtigung zum Erlass einer Satzung umgewandelt werden. 26 (2) Einem solchen Normverständnis steht auch der Sinn und Zweck nicht entgegen, den die Gesetzesbegründung § 6a Abs. 5a StVG beimisst. Danach soll die Regelung es den Landesregierungen und den Stellen, an die sie die Ermächtigung weiter übertragen, und insbesondere den Kommunen ermöglichen, die Gebühren für die Ausstellung von Bewohnerparkausweisen eigenständig und den örtlichen Verhältnissen entsprechend zu regeln (BT-Drs. 19/19132 S. 12 f.). Diesem Gesetzeszweck wird § 6a Abs. 5a Satz 5 StVG ohne Weiteres auch dann gerecht, wenn die Gemeinden von der Ermächtigung nicht durch Satzung, sondern nur durch Rechtsverordnung Gebrauch machen können. Auch im Übrigen enthalten die Gesetzesmaterialien keinen Anhaltspunkt dafür, dass im Fall einer Weiterübertragung der Verordnungsermächtigung auf die Gemeinden ein Erlass der Gebührenordnung als Satzung ermöglicht werden sollte. Die Gesetzesbegründung führt lediglich aus, die Landesregierungen könnten die Ermächtigung nach § 6a Abs. 5a Satz 5 StVG unter anderem auf die Kommunen weiterübertragen, die dann ihrerseits eigene Gebührenordnungen erlassen könnten (BT-Drs. 19/19132 S. 12). An keiner Stelle ist davon die Rede, dass dies in Form kommunaler Satzungen erfolgen könne. 27 (3) Das vorstehende Ergebnis entspricht auch Art. 80 Abs. 1 GG und der verfassungsrechtlichen Unterscheidung von Rechtsverordnungen und Satzungen als verschiedenen Formen untergesetzlicher Rechtssetzung. 28 Die durch Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG ermöglichte Weiterübertragung liegt nur vor, wenn die Befugnis zum Erlass einer Rechtsverordnung übertragen wird (BVerfG, Urteil vom 19. September 2018 - 2 BvF 1, 2/15 - BVerfGE 150, 1 Rn. 206 f.). Anhaltspunkte dafür, dass der Landesgesetzgeber bei einer Weiterübertragung einer Verordnungsermächtigung auf Gemeinden die Befugnis zum Erlass einer Rechtsverordnung eigenmächtig durch eine Ermächtigung zum Erlass einer Satzung ersetzen dürfte, sind Art. 80 Abs. 1 GG nicht zu entnehmen. Die einzige Ausnahme für einen solchen ""Rechtsformwechsel"" enthält Art. 80 Abs. 4 GG: Wenn durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt sind, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder auch zu einer Regelung durch Gesetz befugt. 29 Dies trägt der strikten Unterscheidung des Grundgesetzes zwischen Rechtsverordnungen und Satzungen als verschiedenen Formen untergesetzlicher Rechtssetzung Rechnung. Rechtsverordnungen dürfen nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 4 GG nur erlassen werden, wenn der parlamentarische Gesetzgeber die Exekutive dazu durch Gesetz ermächtigt und ihr dadurch seine eigene Gesetzgebungsbefugnis partiell übertragen hat (Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2007, § 105 Rn. 38). Es handelt sich daher beim Erlass von Rechtsverordnungen um heteronome, vom Gesetzgeber abgeleitete staatliche Rechtssetzung, die nur kraft der Ermächtigung und innerhalb von deren gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmten Grenzen erfolgen darf. Im Falle der Weiterübertragung der Verordnungsermächtigung muss sich die auf ihrer Grundlage erlassene Verordnung im Rahmen der Ermächtigung halten, die ihr durch die nach Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG subdelegierende Verordnung erteilt worden ist, wobei Letztere ihrerseits den gesetzlichen Ermächtigungsrahmen wahren muss (BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 2019 - 1 BvR 587/17 - BVerfGE 151, 173 Rn. 23). 30 Satzungen sind demgegenüber Rechtsvorschriften, die von einer dem Staat eingeordneten juristischen Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der ihr gesetzlich verliehenen Autonomie erlassen werden (BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1972 - 1 BvR 518/62 und 1 BvR 308/64 - BVerfGE 33, 125 <156>). Für die Gemeinden folgt das Recht, Satzungen zu erlassen, dabei aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, der ihnen das Recht gewährleistet, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Als Ausdruck der gemeindlichen Selbstverwaltung sind Satzungen autonomes Recht der Gemeinde (Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2007, § 105 Rn. 37). Die Gemeinden dürfen ihre eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze frei bestimmen und nach ihrem Dafürhalten gestalten (Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl. 2002, § 10 Rn. 278). Sie müssen sich dabei zwar im Rahmen der Gesetze halten und unterliegen dem Vorbehalt des Gesetzes insofern, als der Gesetzgeber - vor allem mit Blick auf mögliche Grundrechtseingriffe - auch der Satzungsgewalt von Selbstverwaltungsorganen sachangemessene Grenzen setzen muss. Die Anforderungen, die Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG an die Bestimmtheit von Inhalt, Zweck und Ausmaß von Verordnungsermächtigungen stellt, gelten aber für kommunale Satzungen nicht (BVerfG, Beschluss vom 10. März 1998 - 1 BvR 178/97 - BVerfGE 97, 332 <343>). Auch das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG findet keine Anwendung (BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1974 - 7 C 22.73 - BVerwGE 45, 277 <278>). 31 Die unterschiedlichen Anforderungen, die das Grundgesetz an Rechtsverordnungen und Satzungen stellt, schließen es aus, dass bei der Weiterübertragung einer Verordnungsermächtigung auf Gemeinden an die Stelle einer subdelegierten Rechtsverordnung eine gemeindliche Satzung tritt. Der Erlass einer Satzung würde in solchen Fällen wegen der Unanwendbarkeit des Zitiergebots des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG das Risiko erhöhen, dass die Grenzen, die sich nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG aus der Ermächtigungsgrundlage für Inhalt, Zweck und Ausmaß der exekutiven Normsetzung ergeben, nicht beachtet und die gerichtliche Kontrolle ihrer Einhaltung sowie die Effektivität des Rechtsschutzes beeinträchtigt werden. Das Zitiergebot ist keine bloße Formsache. Es hat vielmehr rechtsschützende Funktion und zwingt den Verordnungsgeber festzulegen, von welcher Verordnungsermächtigung er Gebrauch macht. Dies macht zugleich den Ermächtigungsrahmen transparent und fördert so die interne und externe Überprüfung, ob sich die Verordnung im Rahmen der erteilten Ermächtigung hält: Der Verordnungsgeber wird angehalten, sich selbst der Reichweite seiner Rechtssetzungsbefugnis zu vergewissern, und der Öffentlichkeit, den Verordnungsadressaten sowie den Gerichten die Prüfung erleichtert, ob die getroffenen Regelungen den gesetzlichen Ermächtigungsrahmen wahren (BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 2019 - 1 BvR 587/17 - BVerfGE 151, 173 Rn. 22). Diese Funktionen des Zitiergebots sind nicht gewährleistet, wenn statt einer Rechtsverordnung eine Satzung erlassen werden könnte, die ihre Rechtsgrundlagen nicht zu nennen braucht. 32 (4) Eine andere Auffassung ist auch nicht durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geboten. Die Erhebung von Gebühren für das Ausstellen von Parkausweisen ist keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft und unterliegt daher nicht der Satzungsautonomie der Gemeinden nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG. Vielmehr gehören die Aufgaben der unteren und örtlichen Straßenverkehrsbehörden seit jeher zu den staatlichen Aufgaben (BVerwG, Urteil vom 20. April 1994 - 11 C 17.93 - BVerwGE 95, 333 <335 f.> m. w. N.). Aus § 4 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 Alt. 2 des baden-württembergischen Landesgebührengesetzes (LGebG), demzufolge die Gemeinden Gebührenregelungen durch Satzung treffen, folgt schon auf Grund des Vorrangs des Bundesrechts (Art. 31 GG) keine Kompetenz zum Satzungserlass. 33 cc) Ist damit § 1 Abs. 1 Satz 2 ParkgebVO von § 6a Abs. 5a Satz 5 StVG nicht gedeckt und deshalb ungültig, so lässt dies die Wirksamkeit von § 1 Abs. 1 Satz 2 und § 1 ParkgebVO im Übrigen unberührt. 34 Die insoweit verbleibende Restregelung ist mit höherrangigem Recht vereinbar und stellt auch ohne § 1 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 ParkgebVO eine sinnvolle Regelung dar, denn von der verbleibenden Ermächtigung zum Erlass von Gebührenordnungen kann von den Gemeinden auch durch Rechtsverordnung Gebrauch gemacht werden. Schließlich ist mit Sicherheit anzunehmen, dass der Verordnungsgeber § 1 ParkgebVO auch ohne die problematische Satzungsermächtigung erlassen hätte. Denn der Landesregierung ging es nach der Verordnungsbegründung vor allem darum, den örtlichen und unteren Straßenverkehrsbehörden einen größeren Handlungsspielraum zur eigenständigen, an den örtlichen Verhältnissen orientierten Festsetzung der Gebühren (Begründung der Parkgebührenverordnung S. 3 und 6 f.) zu eröffnen. Die vorgesehene Verpflichtung der Gemeinden zur Ausgestaltung der Gebührenordnungen gerade als Satzungen beruhte auf der unzutreffenden Vorstellung, die Gemeinden hätten auch die Gebührenordnungen nach § 6a Abs. 5a Satz 2 und 5 StVG gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 Alt. 2 LGebG als Satzung zu erlassen (Begründung zur ParkgebVO S. 4 und 13). 35 b) Im Ergebnis zutreffend nimmt der Verwaltungsgerichtshof an, dass auch § 1 Abs. 2 Satz 1 ParkgebVO bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist, soweit er die Gebührenzwecke der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs verfolgt, und dass die Ermächtigung zur Staffelung der Gebühren nach der Größe des Fahrzeugs gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ParkgebVO hiervon gedeckt ist (aa). Mit § 6a Abs. 5a Satz 5 StVG und Art. 80 Abs. 1 GG unvereinbar ist hingegen die Annahme der Vorinstanz, § 1 Abs. 2 ParkgebVO ermögliche die Verfolgung darüber hinausgehender Gebührenzwecke (bb). 36 aa) Soweit gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 ParkgebVO in den Gebührenordnungen hinsichtlich der Bewohnerparkausweise neben den Kosten des Verwaltungsaufwands auch die Bedeutung der Parkmöglichkeiten, deren wirtschaftlicher Wert oder der sonstige Nutzen der Parkmöglichkeiten für die Bewohner angemessen berücksichtigt werden können, entspricht dies den Vorgaben von § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG und dessen Zweck, mit der Gebührenbemessung über die Kostendeckung hinaus einem Vorteilsausgleich Rechnung zu tragen. 37 Jedenfalls im Ergebnis mit Bundesrecht im Einklang geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass auch § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ParkgebVO, wonach insbesondere nach der Größe des Fahrzeugs gestaffelte Gebühren festgelegt werden können, hiervon gedeckt ist. Die Größe der parkenden Fahrzeuge ist Ausdruck der Bedeutung, die die durch den Parkausweis eröffneten Parkmöglichkeiten für den jeweiligen Bewohner haben. Da es sich - wie dargelegt - bei der Gebühr für das Ausstellen eines Bewohnerparkausweises nicht um eine Flächennutzungsgebühr handelt, lässt sich dies zwar nicht ohne Weiteres damit begründen, dass der wirtschaftliche Wert der Parkmöglichkeit mit der Größe der zum Parken in Anspruch genommenen Fläche steigt. Es ergibt sich aber daraus, dass ein Fahrzeug umso mehr Parkraum benötigt, je größer es ist, und dass es deshalb umso schwieriger ist, einen geeigneten Parkplatz zu finden. Je größer das Fahrzeug ist, desto wichtiger wird daher eine Parkmöglichkeit in einem Gebiet, in dem nur dessen Bewohner um den begrenzten Parkraum konkurrieren. 38 Ob auch die weiteren in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ParkgebVO genannten Kriterien von § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG gedeckt sind, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da die streitige Bewohnerparkgebührensatzung keine Gebührenstaffelung hiernach vorgenommen hat. Zudem ließe eine etwaige Unwirksamkeit dieser Bemessungskriterien die Gültigkeit von § 1 ParkgebVO im Übrigen unberührt, da die verbleibenden Regelungen ein sinnvolles, anwendbares Regelwerk darstellen und der Verordnungsgeber dieses Regelwerk ohne den ungültigen Teil erlassen hätte und auch hätte erlassen können (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 27. März 2014 - 2 C 50.11 - BVerwGE 149, 244 Rn. 11 m. w. N.). Die Weiterübertragung der Ermächtigung zum Erlass einer Gebührenordnung auf die örtlichen und unteren Straßenverkehrsbehörden stellt gemeinsam mit den Bestimmungen zu den zulässigen Bemessungskriterien und zur Gebührenstaffelung in § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 ParkgebVO auch ohne die nur beispielhaft genannten weiteren Staffelungskriterien eine sinnvoll anwendbare Regelung dar, die, wie ausgeführt, mit höherrangigem Recht im Einklang steht. Es ist daher mit Sicherheit anzunehmen, dass der Verordnungsgeber diese Regelungen auch ohne die in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ParkgebVO ausdrücklich nur beispielhaft genannten Kriterien (vgl. Begründung der Parkgebührenverordnung S. 12 f.) für eine Gebührenstaffelung erlassen hätte. 39 bb) Die Parkgebührenverordnung ermächtigt die Straßenverkehrsbehörden nicht, der Festsetzung der Gebühren über die genannten Zwecke der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs hinaus weitere Kriterien wie beispielsweise den Klimaschutz oder soziale Gesichtspunkte zugrunde zu legen. Schon § 1 Abs. 2 ParkgebVO lässt dies nicht zu (1). Die gegenteilige Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht bindend, zumal sie § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG und damit auch Art. 80 Abs. 1 GG widerspricht (2). Die Parkgebührenverordnung ist demnach (nur) in der vorgenannten Auslegung mit höherrangigem Recht vereinbar. 40 (1) Mit § 1 Abs. 2 Satz 1 ParkgebVO werden ausschließlich die Gebührenzwecke der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs verfolgt. 41 Dies entspricht dem Wortlaut der Vorschrift, der keine anderweitigen Anhaltspunkte enthält, sowie dessen Sinn und Zweck. Die Bemessungskriterien und Gebührenzwecke sollten übereinstimmend mit der bundesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in § 6a Abs. 5a StVG geregelt werden (Begründung zur Parkgebührenverordnung S. 1), die ebenfalls allein die Berücksichtigung der vorgenannten Gebührenzwecke ermöglicht (hierzu nachfolgend unter (2)). Soweit in der Verordnungsbegründung von positiven Auswirkungen auf den Klima- und Umweltschutz die Rede ist, bezieht sich dies auf § 2 Abs. 2 ParkgebVO, der eine andere Verordnungsermächtigung bezüglich des Parkens auf öffentlichen Wegen und Plätzen betrifft. Bei dieser soll mit der Möglichkeit der Ermäßigung oder Befreiung von Parkgebühren für Elektro- oder Carsharing-Fahrzeuge die Attraktivität der Nutzung solcher Fahrzeuge gesteigert werden. Zu den Gebühren für das Ausstellen von Bewohnerparkausweisen führt die Verordnungsbegründung hingegen nichts Vergleichbares aus. Angesprochen werden allenfalls mittelbar mögliche positive Auswirkungen höherer Gebühren auf das Klima. Soweit nach dem Begleitschreiben des baden-württembergischen Ministeriums für Verkehr zur Delegationsverordnung der Landesregierung zur Erhebung von Parkgebühren vom 6. Juli 2021 durch eine Gebührenstaffelung nach der Fahrzeuggröße indirekte preisliche Anreize für klimaschonendere Fahrzeuge gesetzt werden können und das Bewohnerparken bei entsprechender Umsetzung wesentlich zur Erfüllung der kommunalen Klimaschutz- und Verkehrsziele beitragen kann, gilt Ähnliches. Hier werden lediglich mögliche positive Folgewirkungen für den Klimaschutz beschrieben; es geht aber nicht um primäre Gebührenzwecke. 42 An dieser eigenständigen Bewertung der Regelungsabsicht des Verordnungsgebers ist das Bundesverwaltungsgericht nicht durch die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs gehindert, die Landesregierung habe nach der Verordnungsbegründung beim Erlass der Parkgebührenverordnung auch klimapolitische Erwägungen angestellt und eine Reduktion der CO2-Emissionen im Verkehrssektor beabsichtigt. Denn bei den sich aus der Verordnungsbegründung ergebenden Erwägungen und Absichten des Verordnungsgebers handelt es sich um generelle, der allgemeinen Auslegung einer Rechtsnorm dienende Tatsachen, die für die Entscheidung erheblich sind, ob die vom Revisionsgericht anzuwendende untergesetzliche Norm sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung hält. Solche Tatsachen werden von der Bindung an die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil nach § 137 Abs. 2 VwGO nicht erfasst und dürfen vom Revisionsgericht im Zweifel selbst aufgeklärt werden (BVerwG, Urteile vom 20. März 2012 - 5 C 5.11 - BVerwGE 142, 145 Rn. 25 und vom 15. Oktober 2014 - 9 C 8.13 - BVerwGE 150, 225 Rn. 33; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 137 Rn. 44). 43 Sollten der Weiterübertragung der Verordnungsermächtigung als Motiv auch klimapolitische Beweggründe zugrunde gelegen haben, wäre das im Übrigen unschädlich. Denn bei der richterlichen Kontrolle von untergesetzlichen Normen kommt es auf deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, nicht aber auf die Motive dessen an, der an ihrem Erlass mitwirkt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. Mai 1995 - 1 B 222.93 - Buchholz 451.45 § 113 HwO Nr. 2 S. 1 f. und vom 19. August 2013 - 9 BN 1.13 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 56 Rn. 3). 44 (2) Insoweit ermöglicht § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG allein, bei der Festsetzung der Gebühren neben den Verwaltungskosten den mit der Ausstellung des Bewohnerparkausweises vermittelten Vorteil zu berücksichtigen (a). Die Verfolgung weiterer Gebührenzwecke ist danach entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs ausgeschlossen und auch nicht im Hinblick auf das Klimaschutzgebot oder das Sozialstaatsprinzip geboten (b). 45 (a) § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG regelt die bei der Gebührenbemessung zu berücksichtigenden Kriterien abschließend. 46 (aa) Dafür spricht bereits der Gesetzeswortlaut. Soweit danach in den Gebührenordnungen ""auch"" die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert oder der sonstige Nutzen der Parkmöglichkeiten für die Bewohner angemessen berücksichtigt werden können, knüpft der Gesetzgeber an den (selbstverständlichen) Gebührenzweck der Kostendeckung an, neben den nunmehr auch der Vorteilsausgleich tritt (vgl. auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, Einzelfragen zur Ausgestaltung von Gebührenordnungen nach § 6a Abs. 5a StVG, WD 7 - 3000 - 034/21 S. 5 und Berücksichtigungsfähige Aspekte bei der Festlegung von Bewohnerparkgebühren, WD 7 - 3000 - 014/22 S. 9). Anhaltspunkte dafür, dass damit die zulässigen Bemessungskriterien und Gebührenzwecke nur beispielhaft geregelt und etwa auch Zwecke der Verhaltenslenkung oder soziale Zwecke als Gebührenzwecke zugelassen werden sollten, sind nicht ersichtlich; hierfür hätte die für beispielhafte Aufzählungen typische Formulierung ""insbesondere"" nahegelegen. § 6a Abs. 5a StVG sollte erstmals die Möglichkeit eröffnen, bei der Gebührenbemessung neben dem Verwaltungsaufwand für das Ausstellen von Bewohnerparkausweisen auch die Bedeutung, den wirtschaftlichen Wert oder sonstigen Nutzen der durch die Parkausweise eröffneten Parkmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl. BT-Drs. 19/19132 S. 13). Es spricht daher nichts dafür, dass der Gebührenerhebung weitere Gesichtspunkte, wie etwa klimaschutzpolitische oder soziale Belange, zugrunde gelegt werden dürften (vgl. zur bisherigen Nichtberücksichtigung von Klimaschutzbelangen im materiellen Straßenverkehrsrecht Klinski, Verfassungsrechtliche und grundsätzliche Aspekte einer Reform des Straßenverkehrs, Texte des Umweltbundesamtes 66/2023). 47 Solche Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht daraus, dass Mitglieder des Verkehrsausschusses die Auffassung vertreten haben, § 6a Abs. 5a StVG ermögliche Regelungen, die der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Anwohner Rechnung trügen, etwa wenn sie den öffentlichen Straßenraum für das Abstellen mehrerer PKW nutzten (BT-Drs. 19/19132 S. 10). Abgesehen davon, dass diese Äußerungen in der Gesetzesbegründung selbst (BT-Drs. 19/19132 S. 11 ff.) keinen Niederschlag gefunden haben, ist, wie bereits dargelegt, die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung einer Gesetzesbestimmung für deren Auslegung ohnehin nicht entscheidend. 48 (bb) Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass als sachliche Gründe für die Gebührenbemessung neben den Zwecken der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs grundsätzlich auch verhaltenslenkende sowie soziale Zwecke anerkannt sind (stRspr, vgl. nur BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9, 10, 11, 12/98 - BVerfGE 108, 1 <18> und BVerwG, Urteil vom 29. April 2021 - 9 C 1.20 - BVerwGE 172, 292 Rn. 16). Diese können nicht beliebig, sondern nur dann zur Rechtfertigung der konkreten Gebührenbemessung herangezogen werden, wenn sie nach der tatbestandlichen Ausgestaltung der konkreten Gebührenregelung von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9, 10, 11, 12/98 - BVerfGE 108, 1 <19 f.>; Beschluss vom 6. November 2012 - 2 BvL 51, 52/06 - BVerfGE 132, 334 Rn. 50; BVerwG, Urteile vom 29. März 2019 - 9 C 4.18 - BVerwGE 165, 138 Rn. 21 f. und vom 29. April 2021 - 9 C 1.20 - BVerwGE 172, 292 Rn. 20). Der Gesetzgeber hat dabei auch den rechtsstaatlichen Grundsatz der Normenklarheit zu beachten. Der Gebührenpflichtige muss erkennen können, für welche öffentliche Leistung die Gebühr erhoben wird und welche Zwecke der Gesetzgeber mit der Gebührenbemessung verfolgt. Wählt dieser - wie vorliegend - einen im Wortlaut eng begrenzten Gebührentatbestand, kann nicht geltend gemacht werden, er habe auch noch weitere, ungenannte Gebührenzwecke verfolgt. Zur Normenklarheit gehört auch Normenwahrheit (BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9, 10, 11, 12/98 - BVerfGE 108, 1 <20>). 49 (b) Ein anderes Verständnis von § 6a Abs. 5a StVG ist weder im Hinblick auf das Klimaschutzgebot nach Art. 20a GG oder den Schutz der Grundrechte vor den Gefahren des Klimawandels noch durch das Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1 GG geboten. 50 (aa) Das in Art. 20a GG enthaltene Klimaschutzgebot zielt im Kern auf die Einhaltung einer Temperaturschwelle, die derzeit in verfassungsrechtlich zulässiger Weise nach § 1 Satz 3 des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur begrenzt (BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18 und 78, 96, 288/20 - BVerfGE 157, 30, Rn. 198 und 208). Die Erhebung von Gebühren mit dem Lenkungsziel, im Interesse des Klimaschutzes den Kraftfahrzeugverkehr und die damit einhergehenden Treibhausgasemissionen zu reduzieren, kann zwar grundsätzlich verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein (vgl. zum Klimaschutz als verfassungsrechtlich legitimer Zweck BVerfG, Beschlüsse vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18 und 78, 96, 288/20 - BVerfGE 157, 30, Rn. 185 und vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 - NVwZ 2022, 861 Rn. 98 ff., 103 ff.). Der Klimaschutz erfolgt allerdings nach Art. 20a GG in erster Linie durch den Gesetzgeber und nur nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt. Ein Verordnungsgeber, der eine Gebührenordnung erlässt, ist daher auch hinsichtlich des Klimaschutzes an die Vorgaben der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gebunden, die nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung regelt. Da § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG als Gebührenzwecke nur die Kostendeckung und den Vorteilsausgleich zulässt, kann der Verordnungsgeber die Gebührenbemessung nicht nach Art. 20a GG mit klimapolitischen Lenkungszielen rechtfertigen. 51 (bb) Etwas anderes folgt auch nicht aus § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG. Danach haben die Träger öffentlicher Aufgaben bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck des Bundes-Klimaschutzgesetzes und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele zu berücksichtigen, wobei es Zweck des Bundes-Klimaschutzgesetzes nach § 1 Abs. 1 Satz 1 KSG ist, zum Schutz vor den Auswirkungen des weltweiten Klimawandels die Erfüllung der nationalen Klimaschutzziele und die Einhaltung der europäischen Zielvorgaben zu gewährleisten. Dieses Berücksichtigungsgebot begründet selbst keine neuen Handlungs- oder Entscheidungsspielräume, sondern setzt das Bestehen derartiger Spielräume auf Grund anderer gesetzlicher Regelungen voraus (BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 62). Einen solchen Spielraum, der es ermöglichen würde, die Zwecke des Bundes-Klimaschutzgesetzes bei der Gebührenfestsetzung zu berücksichtigen, eröffnet § 6a Abs. 5a StVG angesichts der Beschränkung der Gebührenzwecke auf die Kostendeckung und den Vorteilsausgleich dem Verordnungsgeber aber gerade nicht. 52 (cc) Schließlich enthält auch das in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip kein zwingendes Gebot, die in § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG auf die Zwecke der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs beschränkten Gebührenzwecke um soziale Zwecke zu erweitern. Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen. Dem Gesetzgeber kommt dabei allerdings ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE, Beschluss vom 13. Januar 1982 - 1 BvR 848, 1074/77 u. a. - BVerfGE 59, 231 <263>). Zwingend ist lediglich, dass der Staat die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger schafft und auch dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zu dem Betrag nicht entziehen darf, der dem Existenzminimum entspricht (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 1 BvL 20, 26/84 und 4/86 - BVerfGE 82, 60 <80, 85>). Dies zugrunde gelegt, gebietet es das Sozialstaatsprinzip nicht, dass § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG auch soziale Gebührenzwecke vorsieht. 53 3. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht, soweit es von der Wirksamkeit der Bewohnerparkgebührensatzung der Antragsgegnerin vom 14. Dezember 2021 ausgeht. Denn nach dem Vorstehenden ist die Satzung bereits deshalb ungültig, weil es ihr an der erforderlichen Rechtsgrundlage fehlt. Sie hätte nicht in Form einer Satzung ergehen dürfen. 54 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof zwar die Höhe der Gebühr nach § 4 Abs. 1 BewParkgebS zu Recht nicht beanstandet (a); es verletzt aber Bundesrecht, dass er die Gebührenstaffelung nach § 4 Abs. 1 bis 3 BewParkgebS (b) und die Ermäßigungs- und Erlassregelungen nach § 5 Abs. 1 bis 3 BewParkgebS als wirksam angesehen hat (c). 55 a) Die Höhe der Gebühr, die nach § 4 Abs. 1 BewParkgebS für ein Jahr 360 € beträgt, steht mit Bundesrecht im Einklang. 56 Der Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, der dem Gesetzgeber und dem zum Erlass von Gebührenordnungen ermächtigten Verordnungsgeber bei der Gebührenbemessung zukommt, ist überschritten, wenn die Gebührenregelung gegen das Äquivalenzprinzip als gebührenrechtliche Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verstößt. Das Äquivalenzprinzip ist verletzt, wenn die Gebührenregelung in einem groben Missverhältnis zu den mit ihr verfolgten Gebührenzwecken steht (BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9, 10, 11, 12/98 - BVerfG 108, 1 <19>; Beschluss vom 6. November 2012 - 2 BvL 51, 52/06 - BVerfGE 132, 334 Rn. 51). Darüber hinaus dürfen Gebühren nicht völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden (stRspr, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 - BVerfGE 50, 217 <227>; BVerwG, Urteil vom 29. April 2021 - 9 C 1.20 - BVerwGE 172, 292 Rn. 30 m. w. N.). Dies gilt auch dann, wenn neben dem Zweck der Kostendeckung weitere Gebührenzwecke verfolgt werden, insbesondere zum Zweck des Vorteilsausgleichs der wirtschaftliche Wert der gebührenpflichtigen Amtshandlung in Rechnung gestellt wird. Auch in solchen Fällen dürfen sich die Gebühren hinsichtlich ihrer Höhe nicht vollständig von den Kosten des Verwaltungsaufwands lösen (BVerwG, Urteile vom 30. April 2003 - 6 C 4.02 - BVerwGE 118, 123 <127> und vom 29. April 2021 - 9 C 1.20 - BVerwGE 172, 292 Rn. 30). Erforderlich ist eine wertende Beurteilung des Verhältnisses zwischen den Kosten des Verwaltungsaufwands und der Gebührenhöhe im jeweiligen Einzelfall. Dabei ist die vom Äquivalenzprinzip gezogene Obergrenze jedenfalls dann überschritten, wenn die Kosten der öffentlichen Leistung ohne jegliche Auswirkungen auf die Höhe der Gebühren bleiben (BVerwG, Urteil vom 30. April 2003 - 6 C 4.02 - BVerwGE 118, 123 <126 f.>). 57 Dies zugrunde gelegt, verstößt die jährliche Gebühr von 360 € nicht gegen das Äquivalenzprinzip. Weder steht sie in einem groben Missverhältnis zu den Gebührenzwecken (aa) noch ist sie völlig unabhängig von den gebührenpflichtigen Kosten festgesetzt worden (bb). 58 aa) Die Gebührenhöhe nach § 4 Abs. 1 BewParkgebS steht in keinem groben Missverhältnis zum Gebührenzweck des Vorteilsausgleichs. 59 Kriterien für die Bemessung des auszugleichenden Vorteils sind nach § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert und der sonstige Nutzen der Parkmöglichkeiten für die Bewohner, wobei sich insbesondere der als Geldbetrag zu beziffernde wirtschaftliche Wert der Bewohnerparkmöglichkeiten als Maßstab für die Prüfung eines groben Missverhältnisses anbietet. Dieser lässt sich anhand derjenigen Kosten abschätzen, die den Bewohnern entstünden, wenn sie nicht über die durch den Bewohnerparkausweis eröffneten Parkmöglichkeiten verfügten. Zu diesen Kosten gehören etwa die Mietkosten für private Dauerparkplätze, die Kosten für die Herstellung und Unterhaltung eines eigenen privaten Stellplatzes oder die Parkgebühren für das Parken auf öffentlichen Wegen und Plätzen, von denen die Inhaber eines Bewohnerparkausweises befreit sind (vgl. § 42 Abs. 2 i. V. m. Anlage 3 Zeichen 314 Nr. 2 Buchst. c und e, Zeichen 314.1 Nr. 2 und 3, Zeichen 315 Nr. 2 Buchst. c und e StVO). Davon ist der Verwaltungsgerichtshof ohne Verstoß gegen Bundesrecht ausgegangen. 60 Danach steht die Gebühr in Höhe von 360 € zu dem Gebührenzweck des Vorteilsausgleichs nicht in einem groben Missverhältnis. Nach den vom Antragsteller nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und deshalb nach § 137 Abs. 2 VwGO für das Bundesverwaltungsgericht bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs liegen die marktüblichen Jahresmieten für private Stellplätze in den Freiburger Parkhäusern zwischen 900 € und 2 280 € und betragen damit das 2,5- bis 6,3-Fache der Jahresgebühr nach § 4 Abs. 1 BewParkgebS. Zwar bieten Dauerstellplätze in einem Parkhaus im Vergleich zu Bewohnerparkplätzen eine Reihe von Vorzügen wie beispielsweise eine jederzeitige Verfügbarkeit und einen besseren Witterungsschutz. Darauf kommt es aber nicht an, wenn man den wirtschaftlichen Wert pauschalierend nach den Kosten bemisst, die einem Bewohner, der auf der Suche nach einer wohnungsnahen Parkmöglichkeit ist, durch Anmieten eines Stellplatzes entstünden. Im Übrigen steht die Gebührenhöhe im Hinblick darauf, dass die vom Verwaltungsgerichtshof festgestellten Jahresmieten ein Mehrfaches der Jahresgebühr nach § 4 Abs. 1 BewParkgebS betragen, jedenfalls nicht in einem groben Missverhältnis zum Gebührenzweck des Vorteilsausgleichs. 61 Nichts anderes gilt, wenn man den wirtschaftlichen Wert nach den Parkgebühren bemisst, die ohne einen Bewohnerparkausweis zu entrichten wären. Diese betragen in Freiburg nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs bei sechs gebührenpflichtigen Tagen pro Woche in Parkgebührenzone 3 bei einem Tagesentgelt von 7,50 € für ein Jahr 2 340 €, in Parkgebührenzone 2 bei einem Tagesentgelt von 15 € für ein Jahr 4 680 € und damit das 6,5- bzw. 13-Fache der Jahresgebühr nach § 4 Abs. 1 BewParkgebS. Dies schließt ein grobes Missverhältnis zwischen der Gebührenhöhe und dem Gebührenzweck des Vorteilsausgleichs ebenso aus wie die Überlegung, dass die Jahresgebühr von 360 € einer Tagesgebühr von weniger als 1 € entspricht. 62 Auch die Kosten eines eigenen Parkplatzes übersteigen die Jahresgebühr von 360 € um ein Vielfaches. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs liegen allein die Grundstückskosten für einen oberirdischen Stellplatz in den bewirtschafteten Parkzonen der Antragsgegnerin deutlich über 10 000 €. Sie belaufen sich also auf mehr als das 27,8-Fache der Jahresgebühr nach § 4 Abs. 1 BewParkgebS. 63 bb) Die Gebühr nach § 4 Abs. 1 BewParkgebS löst sich in ihrer Höhe auch nicht völlig vom Verwaltungsaufwand für das Ausstellen von Bewohnerparkausweisen, denn die Kosten des Ausstellens der Bewohnerparkausweise bleiben nicht ohne jegliche Auswirkungen auf die Höhe der Gebühren. 64 Feststellungen zu dem mit der Ausweisausstellung verbundenen Verwaltungsaufwand hat der Verwaltungsgerichtshof nicht getroffen. Legt man deshalb den Gebührenrahmen nach Nr. 265 der Anlage zu § 1 GebOSt zugrunde, der für das Ausstellen von Bewohnerparkausweisen von 10,20 € bis 30,70 € pro Jahr vorsieht und nach § 6a Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 StVG so festzulegen ist, dass der mit dieser Amtshandlung verbundene Personal- und Sachaufwand gedeckt wird, so belaufen sich die Kosten bei einem Verwaltungsaufwand von 10,20 € bzw. 30,70 € auf 2,8 % bzw. 8,5 % der Jahresgebühr nach § 4 Abs. 1 BewParkgebS. Diese beträgt dementsprechend das 35,3-Fache bzw. 11,7-Fache der zu deckenden Kosten. Dadurch wird die durch das Verbot der vollständigen Abkopplung der Gebührenhöhe von den Kosten der öffentlichen Leistung gezogene Obergrenze der Gebührenbemessung nicht überschritten. 65 Das Bundesverfassungsgericht hat zwar Gebühren als verfassungswidrig angesehen, die das 5- oder 12-Fache des Verwaltungsaufwands betrugen (BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9, 10, 11, 12/98 - BVerfGE 108, 1 <23>; Kammerbeschluss vom 20. Januar 2010 - 1 BvR 1801/07 u. a. - NVwZ 2010, 831 <832>) oder ihn um mehr als 100 % überstiegen (BVerfG, Beschlüsse vom 6. November 2012 - 2 BvL 51, 52/06 - BVerfGE 132, 334 Rn. 66 und vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 2, 3, 4, 5/14 - BVerfGE 144, 369 Rn. 93). Es handelte sich dabei aber jeweils um Fälle, in denen - anders als vorliegend - die Kostendeckung der alleinige Gebührenzweck war. 66 Soweit das Bundesverwaltungsgericht einen Verstoß gegen das Abkopplungsverbot bejaht hat, weil die Gebühr den Verwaltungsaufwand um ungefähr das 4 444-Fache überstieg (BVerwG, Urteil vom 30. April 2003 - 6 C 4.02 - BVerwGE 118, 123 <127>), geht die Gebühr nach § 4 Abs. 1 BewParkgebS in weit geringerem Maß über die zu deckenden Kosten hinaus. Berücksichtigt man außerdem, dass die Höhe dieser Gebühr nicht in einem groben Missverhältnis zu dem sie rechtfertigenden Zweck des Vorteilsausgleichs steht, ist das Abkopplungsverbot nicht verletzt. Der mit dem Ausstellen der Bewohnerparkausweise verbundene Verwaltungsaufwand ist auch nicht ohne jegliche Auswirkungen auf die Gebührenhöhe geblieben. Bei Gebühren von 360 € leisten Kosten in einer Größenordnung von 10,20 € und 30,70 € einen spürbaren Beitrag zur Gebührenhöhe, der sich nicht erst ""hinter dem Komma"" auswirkt. 67 b) Bundesrecht verletzt jedoch die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs, die Gebührenstaffelung in § 4 Abs. 1 bis 3 BewParkgebS sei mit Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsgleichheit vereinbar. 68 aa) Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Normgeber nicht jede Ungleichbehandlung. Differenzierungen bedürfen allerdings stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (stRspr, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 BvR 1656/09 - BVerfGE 135, 126 Rn. 52 und BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 2021 - 9 C 9.20 - BVerwGE 173, 324 Rn. 54, jeweils m. w. N.). Bei der Erhebung von Gebühren, bei der es sich in der Regel um Massenverfahren handelt, lässt der Gleichheitssatz grundsätzlich auch generalisierende, typisierende und pauschalisierende Regelungen zu, die verlässlich und effizient vollzogen werden können (BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9, 10, 11, 12/98 - BVerfGE 108, 1 <19>). Solche Regelungen können unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt sein. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung der Typisierung auf die Abgabepflichtigen darf ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit der Belastung stehen (vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668, 2104/10 - BVerfGE 137, 1 Rn. 50 und vom 26. März 2019 - 1 BvR 673/17 - BVerfGE 151, 101 Rn. 116 und 118). 69 Können wie hier Gebühren nach der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistung erhoben werden, so entspricht eine Differenzierung der Gebührenhöhe nach dem durch die gebührenpflichtige Leistung vermittelten Vorteil grundsätzlich dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn Gebührenpflichtige mit gleichem Vorteil gleich hohe und Gebührenschuldner mit unterschiedlichem Vorteil ihren unterschiedlichen Vorteilen entsprechend verschieden hohe Gebühren zu entrichten haben. Weicht die Gebührenhöhe davon ab, so ist die jeweilige Gebührenhöhe nicht mehr durch den Gebührenzweck des Vorteilsausgleichs gerechtfertigt. Es bedarf daher zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung eines besonderen Grundes. Ein solcher Grund kann sich dabei insbesondere aus anderen Gebührenzwecken (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 - BVerfGE 138, 136 Rn. 124 zu steuerlichen Lenkungszwecken) oder dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 BvR 1656/09 - BVerfGE 135, 126 Rn. 71 ff.; BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2017 - 9 C 11.16 - BVerwGE 161, 119 Rn. 20 ff. jeweils zu einem Zweitwohnungssteuerstufentarif). 70 bb) Dies zugrunde gelegt, ist die Gebührenstaffelung nach § 4 Abs. 1 bis 3 BewParkgebS mit Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsgleichheit nicht vereinbar. 71 § 4 Abs. 1 bis 3 BewParkgebS führt zu einer Ungleichbehandlung der Gebührenschuldner. Die Regelung sieht - nach Fahrzeuglänge gestaffelt - unterschiedliche Gebühren in Höhe von 240 €, 360 € oder 480 € vor und beeinträchtigt damit die Gebührenschuldner in deutlich unterschiedlichem Ausmaß in ihrer durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten persönlichen Freiheitsentfaltung im vermögensrechtlichen Bereich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668, 2104/10 - BVerfGE 137, 1 Rn. 37). Denn die Sprünge zwischen den Gebührenstufen sind beträchtlich. Sie betragen jeweils 120 €, wobei die Gebühren der mittleren Stufe diejenigen der niedrigsten Stufe um die Hälfte und die Gebühren der höchsten Stufe diejenigen der mittleren Stufe um ein Drittel übersteigen. 72 Diese mit dem Stufentarif einhergehende Ungleichbehandlung ist nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Denn sie genügt nicht den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Sie ist weder durch das Ziel gerechtfertigt, die Gebühren nach den unterschiedlichen Vorteilen der Parkmöglichkeiten für die Bewohner zu bemessen und abzustufen (1), noch aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung (2); etwaige weitere Lenkungsziele sind nicht zu berücksichtigen (3). 73 (1) Der mit der vorliegenden Gebührenordnung verfolgte Zweck des Vorteilsausgleichs ist zwar grundsätzlich ein legitimes Unterscheidungsmerkmal, die Ungleichbehandlung ist hier jedoch nicht geeignet, das Differenzierungsziel zu erreichen. 74 Dies gilt unabhängig davon, ob eine Differenzierung nach der Fahrzeuglänge als solche nach den örtlichen Verhältnissen in Freiburg - etwa im Hinblick auf die Anzahl markierter Parkplätze, einzelner Parkbuchten und senkrecht zur Fahrbahn gelegener Parkplätze - überhaupt ein taugliches Mittel wäre, die Gebühren in einer Weise abzustufen, die den verschiedenen, mit den Parkmöglichkeiten verbundenen Vorteilen zumindest typisierend gerecht wird. Denn jedenfalls bildet der an die Fahrzeuglänge anknüpfende Stufentarif die unterschiedlichen Vorteile der Parkmöglichkeiten für die Bewohner nicht angemessen ab. 75 Bei der Beurteilung, welchen Wert und Nutzen der Bewohnerparkausweis für den einzelnen Anwohner hat, spielt die konkrete Länge seines Fahrzeugs gemessen an dem Vorteil, überhaupt als Bewohner (ohne Entrichtung einer Parkgebühr) privilegiert parken zu dürfen, eine eher untergeordnete Rolle. Demgegenüber sieht der gewählte Stufentarif teilweise beträchtliche Gebührenunterschiede und -sprünge vor, die in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Fahrzeuglänge stehen. Er führt dazu, dass einerseits die Gebührenschuldner innerhalb einer Tarifstufe trotz unterschiedlicher Fahrzeuglängen mit gleich hohen Gebühren belastet werden und andererseits Gebührenschuldner mit nach der Fahrzeuglänge nahezu gleichem Vorteil Gebühren in völlig unterschiedlicher Höhe zu entrichten haben. So schuldet ein Bewohner, dessen Fahrzeug 4,21 m lang ist, mit 360 € eine Gebühr, die die Gebühr für ein Fahrzeug mit einer Länge von 4,20 m um 50 % übersteigt. Die Gebühr in Höhe von 480 € für ein Fahrzeug, das 4,71 m lang ist, ist um ein Drittel höher als die Gebühr für ein Fahrzeug mit einer Länge von 4,70 m. Schließlich beträgt die Gebühr von 480 € für ein 4,71 m langes Kraftfahrzeug das Doppelte der Gebühr von 240 € für ein Fahrzeug mit einer Länge von 4,20 m, obwohl der in der Fahrzeuglänge zum Ausdruck kommende Vorteil angesichts eines Längenunterschieds von nur 51 cm nicht annähernd doppelt so hoch ist. Ein solcher Stufentarif gewährleistet - gerade vor dem Hintergrund der ohnehin untergeordneten Bedeutung des gewählten Differenzierungsmerkmals der Fahrzeuglänge - keine vorteilsgerechte Gebührenbelastung. 76 (2) Die mit dem Stufentarif einhergehende Ungleichbehandlung ist auch nicht aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt. 77 Dahingestellt bleiben kann, ob die vorgesehene Gebührenstaffelung überhaupt geeignet und erforderlich ist, zur Verwaltungsvereinfachung beizutragen. Denn jedenfalls steht eine etwaige mit dem Stufentarif bezweckte Vereinfachung außer Verhältnis zu der bewirkten Ungleichbehandlung. Der dargestellten beträchtlichen Ungleichbehandlung steht nur ein geringer Vereinfachungsvorteil gegenüber. Die Festsetzung der Gebühr erfordert die Ermittlung der Fahrzeuglänge und die Zuordnung der ermittelten Fahrzeuglänge zu einem der drei Gebührensätze der Satzung. Wählte man stattdessen einen linearen Tarif, der die Gebühren entsprechend der Fahrzeuglänge anhand eines Gebührensatzes von x €/cm Fahrzeuglänge staffelte, müsste ebenfalls die Fahrzeuglänge ermittelt werden; hinzu käme lediglich die (einfache) Multiplikation der Fahrzeuglänge mit dem Gebührensatz. 78 (3) Die Ungleichbehandlung kann entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht durch klimaschutz- und gesundheitspolitische Lenkungsziele gerechtfertigt werden. Wie ausgeführt, können sie ohne eine entsprechende Ausgestaltung der konkreten Ermächtigungsgrundlage nicht zur Rechtfertigung der Gebührenhöhe herangezogen werden. 79 c) Bundesrecht verletzt darüber hinaus, dass der Verwaltungsgerichtshof die Ermäßigungs- und Erlassregelungen nach § 5 Abs. 1 bis 3 BewParkgebS als wirksam angesehen hat. Denn auch diese Bestimmungen verstoßen gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsgleichheit und sind daher ungültig. 80 Nach § 5 Abs. 1 und 2 BewParkgebS erhalten die dort im Einzelnen benannten Leistungsempfänger sowie Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 und Inhaber des sog. Orangenen Parkausweises eine Gebührenermäßigung von 75 %. Für Inhaber des sog. Blauen Parkausweises ist der Bewohnerparkausweis nach § 5 Abs. 3 BewParkgebS gebührenfrei. Diese Gebührenermäßigungen und -erlasse beinhalten eine Ungleichbehandlung gegenüber den übrigen Gebührenschuldnern, die ebenfalls am Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu messen ist. 81 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs lassen sich die Differenzierungen nicht unter Hinweis auf das Sozialstaatsprinzip mit der reduzierten Leistungsfähigkeit der Empfänger der genannten Sozialleistungen bzw. mit dem Nachteilsausgleich für Personen, die wegen ihrer Behinderung in besonderem Maß auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesenen sind, rechtfertigen. Die Staffelung von Gebühren nach sozialen oder einkommensabhängigen Gesichtspunkten ist weder kosten- noch leistungsbezogen und widerspricht damit dem Grundsatz der verhältnismäßigen Gleichheit der Gebührenschuldner. Soweit soziale Gesichtspunkte gleichwohl als Bemessungskriterien zulässig sind - insbesondere wenn es etwa um Einrichtungen mit sozialer, kultureller oder sportlicher Zweckbindung geht - bedarf es hierfür grundsätzlich entsprechender gesetzlicher Regelungen (vgl. Vetter, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht 2. Aufl. 2022, D Rn. 28). Denn auch die Verfolgung sozialer Zwecke rechtfertigt die konkrete Gebührenbemessung nur, wenn dieser Gebührenzweck von einer erkennbaren Entscheidung des Gesetzgebers getragen ist, die im Tatbestand der Gebührennorm zum Ausdruck kommt (BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9, 10, 11, 12/98 - BVerfGE 108, 1 <19 f.>. Dies ist hier - wie dargelegt - nicht der Fall. 82 Soweit der Antragsteller darüber hinaus auf den Grundsatz der Privilegienfeindlichkeit des Straßenverkehrsrechts verweist, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht einen Verstoß verneint. Das Straßenverkehrsrecht ist seiner Gesamtausrichtung nach zwar prinzipiell präferenz- und privilegienfeindlich, so dass alle Verkehrsteilnehmer grundsätzlich gleichberechtigt am Straßenverkehr teilnehmen können (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Mai 1998 - 3 C 11.97 - BVerwGE 107, 38 <44> und vom 23. September 2010 - 3 C 37.09 - BVerwGE 138, 21 Rn. 49). Dies verbietet aber nur gezielte Privilegierungen, nicht jedoch Folgewirkungen von straßenverkehrsrechtlichen Gebührenregelungen, die sich allenfalls mittelbar auf die Straßennutzung auswirken können. 83 4. Das Bundesverwaltungsgericht kann nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Sache selbst entscheiden, da es weiterer Tatsachenfeststellungen, die eine Zurückverweisung der Sache an den Verwaltungsgerichtshof nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO erforderlich machen würden, zur Klärung der Gültigkeit der streitgegenständlichen Satzung nicht bedarf. 84 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2023-49,21.06.2023,"Pressemitteilung Nr. 49/2023 vom 21.06.2023 EN Untersagung von Versammlungen durch die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 17. April 2020 war unverhältnismäßig Die Regelungen der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 17. April 2020 (SächsCoronaSchVO) über die Zulässigkeit von Versammlungen waren mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO waren alle Veranstaltungen, Versammlungen und sonstigen Ansammlungen untersagt. Im Einzelfall konnten Ausnahmegenehmigungen auf Antrag insbesondere für Versammlungen im Sinne des Sächsischen Versammlungsgesetzes vom zuständigen Landkreis oder der zuständigen Kreisfreien Stadt erteilt werden, wenn dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar war (§ 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO). Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat den Antrag einer Privatperson, festzustellen, dass diese Vorschriften unwirksam waren, abgelehnt. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts geändert und festgestellt, dass § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO unwirksam war, soweit er Versammlungen untersagt hat. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass Untersagungen von Versammlungen auf § 28 Abs. 1 i. V. m. § 32 des Infektionsschutzgesetzes in der Fassung des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (IfSG) gestützt werden konnten (vgl. zu Kontaktbeschränkungen und der Schließung von Gastronomiebetrieben und Sportstätten Urteil des Senats vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - PM Nr. 69/2022). Auch durfte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass Schutzauflagen - z. B. Abstandsgebote - das Ziel, physische Kontakte zu vermeiden, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verlangsamen, nicht ebenso wirksam erreicht hätten wie ein generelles Versammlungsverbot. Dieser Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung standen jedoch außer Verhältnis zur Schwere des Grundrechtseingriffs. Die Untersagung aller Versammlungen durch § 3 Abs. 1 SächsCoronaSchVO war ein schwerer Eingriff in die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG*), die für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung konstituierend ist. Der Ausnahmevorbehalt in § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO minderte das Gewicht des Eingriffs nur unwesentlich. Die Vorschrift ließ nicht erkennen, unter welchen Voraussetzungen Versammlungen infektiologisch vertretbar sein könnten, und selbst für infektiologisch vertretbare Versammlungen stellte sie die Erteilung der Genehmigung in das Ermessen der Behörde. Eine nachträgliche Konkretisierung der Genehmigungsvoraussetzungen durch die Rechtsprechung könnte daran für die auf zwei Wochen begrenzte Geltungsdauer der Verordnung nichts mehr ändern. Auf der anderen Seite durfte der Verordnungsgeber das Risiko für Leben und Gesundheit im Zusammenhang mit COVID-19 weiterhin als hoch einschätzen. Er sah angesichts der Verlangsamung der Infektionsgeschwindigkeit in Sachsen aber Spielraum für schrittweise Lockerungen gegenüber den Beschränkungen durch die Verordnung vom 31. März 2020. In dieser Situation wurde ein generelles Versammlungsverbot, das lediglich durch einen nicht konkretisierten Ausnahmevorbehalt geöffnet war, der Bedeutung der Versammlungsfreiheit für ein freiheitliches Staatswesen nicht gerecht. Der Verordnungsgeber hätte selbst regeln müssen, unter welchen Voraussetzungen Versammlungen infektiologisch vertretbar sein können, um zumindest Versammlungen unter freiem Himmel mit begrenzter Teilnehmerzahl unter Beachtung von Schutzauflagen wieder möglich zu machen. Nur so hätte er die erforderliche Rechtssicherheit für Bürger und Behörden schaffen können. Den Antrag festzustellen, dass das Gebot, im öffentlichen Raum einen Mindestabstand von 1,5 m außer zu bestimmten Personen einzuhalten (§ 2 Abs. 2 SächsCoronaSchVO), unwirksam war, hat das Oberverwaltungsgericht hingegen ohne Bundesrechtsverstoß abgelehnt. Insoweit hatte die Revision des Antragstellers keinen Erfolg. Fußnote: Auszug aus der SächsCoronaSchVO vom 17. April 2020 § 2 Kontaktbeschränkung (1) Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist ausschließlich alleine oder in Begleitung der Partnerin oder des Partners beziehungsweise mit Angehörigen des eigenen Hausstandes oder mit einer weiteren nicht im Hausstand lebenden Person oder zur Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts gestattet. (2) Im öffentlichen Raum ist ein Mindestabstand von 1,5 Metern außer zu den in Absatz 1 genannten Personen einzuhalten. § 3 Verbot von Ansammlungen von Menschen (1) Alle Veranstaltungen, Versammlungen und sonstige Ansammlungen sind untersagt. … (2) Ausgenommen sind ... (3) Im Einzelfall können Ausnahmegenehmigungen auf Antrag insbesondere für Versammlungen im Sinne des Sächsischen Versammlungsgesetzes vom zuständigen Landkreis oder der zuständigen Kreisfreien Stadt erteilt werden, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Auszug aus dem Infektionsschutzgesetz a.F. § 28 Schutzmaßnahmen (1) Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige … festgestellt ..., so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, … soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten … . … Die Grundrechte …, der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), … werden insoweit eingeschränkt. … § 32 Erlass von Rechtsverordnungen Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. … Die Grundrechte …, der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz), … können insoweit eingeschränkt werden. Auszug aus dem Grundgesetz Artikel 8 (1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. BVerwG 3 CN 1.22 - Urteil vom 21. Juni 2023 Vorinstanz: OVG Bautzen, OVG 3 C 20/20 - Urteil vom 16. Dezember 2021 -","Urteil vom 21.06.2023 - BVerwG 3 CN 1.22ECLI:DE:BVerwG:2023:210623U3CN1.22.0 EN Untersagung von Versammlungen anlässlich der Corona-Pandemie Leitsätze: 1. § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG i. d. F. des Gesetzes vom 27. März 2020 war eine verfassungsgemäße Grundlage für die Untersagung von Versammlungen durch die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 17. April 2020. 2. § 3 Abs. 1 Satz 1 der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 17. April 2020 war unverhältnismäßig, soweit er Versammlungen untersagte. Rechtsquellen GG Art. 2 Abs. 1 und 2 Satz 1, Art. 8, 19 Abs. 2 und 4 Satz 1 IfSG i. d. F. des Gesetzes vom 27. März 2020 § 28 Abs. 1, § 32 VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1 SächsCoronaSchVO vom 17. April 2020 § 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 12 Abs. 1 Instanzenzug OVG Bautzen - 16.12.2021 - AZ: 3 C 20/20 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 21.06.2023 - 3 CN 1.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:210623U3CN1.22.0] Urteil BVerwG 3 CN 1.22 OVG Bautzen - 16.12.2021 - AZ: 3 C 20/20 In der Normenkontrollsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Sinner und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hellmann am 21. Juni 2023 für Recht erkannt: Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2021 wird geändert. Es wird festgestellt, dass § 3 Abs. 1 Satz 1 der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 17. April 2020 (SächsGVBl. S. 170) unwirksam war, soweit er Versammlungen untersagt hat. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen. Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Gründe I 1 Der Antragsteller ist deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz im Freistaat Sachsen. Er begehrt mit seinem Normenkontrollantrag die Feststellung, dass § 2 Abs. 2 und § 3 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 (Sächsische Corona-Schutz-Verordnung - SächsCoronaSchVO) vom 17. April 2020 (SächsGVBl. S. 170) unwirksam waren. 2 Die Verordnung war gestützt auf § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vom 20. Juli 2000 in der Fassung des Gesetzes vom 27. März 2020. Sie galt vom 20. April bis 3. Mai 2020 (§ 12 Abs. 1 SächsCoronaSchVO). 3 Die angegriffenen Vorschriften lauteten wie folgt: § 2 Kontaktbeschränkung (1) Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist ausschließlich alleine oder in Begleitung der Partnerin oder des Partners beziehungsweise mit Angehörigen des eigenen Hausstandes oder mit einer weiteren nicht im Hausstand lebenden Person oder zur Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts gestattet. (2) Im öffentlichen Raum ist ein Mindestabstand von 1,5 Metern außer zu den in Absatz 1 genannten Personen einzuhalten. § 3 Verbot von Ansammlungen von Menschen (1) Alle Veranstaltungen, Versammlungen und sonstige Ansammlungen sind untersagt. [...] (2) Ausgenommen sind [...] (3) Im Einzelfall können Ausnahmegenehmigungen auf Antrag insbesondere für Versammlungen im Sinne des Sächsischen Versammlungsgesetzes vom zuständigen Landkreis oder der zuständigen Kreisfreien Stadt erteilt werden, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. 4 Zur Begründung seines am 22. April 2020 anhängig gemachten Normenkontrollantrags hat der Antragsteller ausgeführt: Er sei mit vielen in der Verordnung vorgesehenen grundrechtseinschränkenden Maßnahmen nicht einverstanden gewesen. Er habe mit fünf weiteren Personen seine Meinung dazu vor dem Haupteingang des zuständigen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt kundtun wollen. Zudem habe er sich mit zwei Personen in seiner Wohnung zusammensetzen wollen, um über die Maßnahmen zu debattieren und ein politisches Engagement zu planen. Beides sei ihm ohne vorherige Beantragung einer Ausnahmegenehmigung verwehrt gewesen. Den Mindestabstand habe er einhalten wollen. Da dies aber nicht ausnahmslos möglich gewesen sei, habe der Verordnungsgeber lediglich eine Soll-Regelung vorsehen dürfen. 5 Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag mit Urteil vom 16. Dezember 2021 abgelehnt. Der Antrag sei zulässig. Der Antragsteller habe trotz des Außerkrafttretens der Verordnung ein Feststellungsinteresse. Es ergebe sich hinsichtlich des Versammlungsverbots daraus, dass es sich um einen gewichtigen Grundrechtseingriff durch eine sich typischerweise kurzfristig erledigende Rechtsvorschrift gehandelt habe. Ob dies auch hinsichtlich des Mindestabstandsgebots gelte, könne offenbleiben, da insoweit jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein Feststellungsinteresse bestehe. Der Antrag sei aber unbegründet. § 28 Abs. 1 i. V. m. § 32 Satz 1 IfSG sei als Verordnungsermächtigung hinreichend bestimmt gewesen. Auf ihrer Grundlage hätten auch unter den Schutz der Versammlungsfreiheit fallende Menschenansammlungen verboten oder - als weniger beeinträchtigende Maßnahme - unter einen Genehmigungsvorbehalt gestellt werden dürfen. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG hätten vorgelegen. Bei COVID-19 handele es sich um eine übertragbare Krankheit. Dem Verordnungsgeber habe für seine Maßnahmenkonzeption ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zugestanden, der durch das Oberverwaltungsgericht nur auf seine vertretbare Ausfüllung zu prüfen sei. Es beständen keine Anhaltspunkte, dass der Verordnungsgeber bei seiner Gefahreneinschätzung oder bei der Ausgestaltung der angegriffenen Schutzmaßnahmen und dem Ausgleich mit widerstreitenden Grundrechten von fehlerhaften Erwägungen ausgegangen oder die von ihm zugrunde gelegte Gefahrenprognose nicht sachgerecht gewesen sei. Die Regelung über den Mindestabstand sei nicht zu beanstanden. Durch die in § 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO geregelten Ausnahmen und die Nichtgeltung des Gebots für zufällige oder individuell unvermeidbare Kontakte sei unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sichergestellt gewesen, dass vom Adressaten nichts Unmögliches verlangt werde. Auch der in § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO festgelegte Genehmigungsvorbehalt für Versammlungen sei (verfassungs-)rechtlich unbedenklich. Ausgehend von dem Zweck, andere als notwendige Kontakte zum Schutz vor Infektionen weitestgehend zu vermeiden, sei der Begriff der Ansammlung als Zusammentreffen von mindestens zwei Personen zu jedwedem gemeinsamen Zweck zu verstehen. Der Genehmigungsvorbehalt habe nicht gegen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit verstoßen. Er habe sich lediglich auf die Einhaltung infektionsschutzrechtlicher Vorgaben gerichtet und Versammlungen nicht einer umfassenden und damit verfassungswidrigen Vorprüfung unterstellt. Sonstige vor einer Genehmigung zu erfüllende Voraussetzungen seien nicht aufgestellt worden. Auch habe er entsprechend der zeitlichen Geltung der Verordnung nur für 13 Tage bestanden. Der Eingriff in die Versammlungsfreiheit sei verhältnismäßig gewesen. Bei der Ermessensausübung habe der Wertgehalt von Art. 8 Abs. 1 GG hinreichend berücksichtigt werden müssen. Vor dem Hintergrund der damaligen Infektionslage seien auch Eil- und Spontanversammlungen unter den Genehmigungsvorbehalt gestellt worden, um der zuständigen Behörde eine vorherige infektionsschutzrechtliche Überprüfung zu ermöglichen. Angesichts der seinerzeit herrschenden Unsicherheit über die Übertragungswege und die Gefährlichkeit einer Infektion mit dem Coronavirus, fehlender Gegenmittel und der grundsätzlich empfohlenen Kontaktbeschränkung als Basisschutzmaßnahme habe es sich bei den in den nachfolgenden Verordnungen festgelegten Beschränkungen von Versammlungen in Ablauf und Umfang nicht offensichtlich um gleich geeignete, aber mildere Maßnahmen gehandelt. Schließlich sei auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG festzustellen, soweit die in § 3 Abs. 2 SächsCoronaSchVO aufgeführten Zusammenkünfte, die aus sozialen, privaten oder wirtschaftlichen zwingenden Gründen privilegiert worden seien, keiner Genehmigung bedurften. Bei Gottesdiensten mit bis zu 15 Personen seien im Gegensatz zu sonstigen Versammlungen typischerweise nur geringe Infektionsgefahren zu erwarten gewesen. 6 Der Antragsteller führt zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision aus, das Abstandsgebot in § 2 Abs. 2 SächsCoronaSchVO verlange Unmögliches von den Adressaten und sei unverhältnismäßig. Die im Grundsatz der Kontaktreduzierung in § 1 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO enthaltene Beschränkung (""wo immer möglich"") sei nicht auf § 2 Abs. 2 SächsCoronaSchVO zu übertragen. Der Adressat könne nicht erkennen, was von ihm verlangt werde. Hinsichtlich des Versammlungsverbots liege wegen einer Verletzung des Parlamentsvorbehalts keine wirksame Ermächtigungsgrundlage vor. Der Gesetzgeber hätte rechtzeitig eine hinreichend konkrete Ermächtigungsgrundlage schaffen müssen. § 28 Abs. 1 IfSG sehe Einschränkungen von Versammlungen nicht vor, eine Versammlung sei kein Unterfall einer sonstigen Veranstaltung oder Ansammlung. § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO sei unbestimmt, denn der Erlaubnisvorbehalt kombiniere ein Ermessen auf der Rechtsfolgenseite mit einem unbestimmten Rechtsbegriff auf der Tatbestandsseite, wonach die Versammlung aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar sein müsse. Das generelle Versammlungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt habe die Wesensgehaltsgarantie im Hinblick auf die Versammlungsfreiheit verletzt. Es sei nicht erforderlich gewesen, insbesondere nicht für Versammlungen mit reduzierten zwischenmenschlichen Kontakten wie Fahrraddemos und Autokorsos. Eine Anmeldepflicht mit der Möglichkeit, Auflagen zu erteilen oder ein Verbot auszusprechen, hätte ein milderes Mittel dargestellt. Der Verordnungsgeber hätte zudem eine Pflicht zur Genehmigung beim Fehlen infektionsschutzrechtlicher Untersagungsgründe normieren können. Das Schutzkonzept der Verordnung sei nicht konsistent gewesen, da sie in anderen Bereichen kleinere Zusammenkünfte nicht verboten habe. Die Regelung sei auch unverhältnismäßig im engeren Sinne gewesen, da es an einer unmittelbaren Gefahr für ein gleichgewichtiges Rechtsgut gefehlt habe. 7 Der Antragsgegner verteidigt das angegriffene Urteil. II 8 Der Senat entscheidet über die Revision auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 2023. Der Schriftsatz des Antragsgegners vom 16. Juni 2023 gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung gemäß § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO wiederzueröffnen. Eine Schriftsatzfrist gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 283 ZPO ist dem Antragsgegner nicht eingeräumt worden. 9 Die zulässige Revision des Antragstellers ist teilweise begründet. Die Ablehnung des zulässigen (1.) Normenkontrollantrags steht mit Bundesrecht in Einklang, soweit der Antragsteller die Feststellung begehrt, dass § 2 Abs. 2 SächsCoronaSchVO unwirksam war. Insoweit bleibt die Revision ohne Erfolg (2.). Das Urteil beruht aber auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, die Untersagung von Versammlungen durch § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO sei verhältnismäßig gewesen (3.). 10 1. Der gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthafte Normenkontrollantrag ist zulässig. Dass die angegriffenen Rechtsvorschriften außer Kraft getreten sind, hat ihn nicht unzulässig werden lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 8 ff.). 11 a) Der Antragsteller hat den Normenkontrollantrag während der Geltungsdauer der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung anhängig gemacht. Er kann - wie geschehen - nach deren Außerkrafttreten mit Ablauf des 3. Mai 2020 weiterhin geltend machen, durch das Abstandsgebot jedenfalls in seinem Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) und durch die Untersagung von Versammlungen in seiner Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) verletzt worden zu sein. 12 b) Der Antragsteller hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, dass die Verordnungsregelungen unwirksam gewesen sind. 13 Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes ist es zwar grundsätzlich vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen und bei Erledigung des Verfahrensgegenstandes einen Fortfall des Rechtsschutzinteresses anzunehmen. Trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels kann ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung aber fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage in besonderer Weise schutzwürdig ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht trotz Erledigung unter anderem dann fort, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 13 m. w. N.). 14 Danach ist ein schützenswertes Interesse des Antragstellers an der nachträglichen gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verordnungsregelungen anzuerkennen. Die zur Prüfung gestellten Normen hatten eine kurze Geltungsdauer (20. April bis 3. Mai 2020), innerhalb derer gerichtlicher Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden konnte. Nicht nur der Eingriff in die Versammlungsfreiheit durch die Untersagung von Versammlungen in § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO, sondern auch der Eingriff in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit durch das Abstandsgebot in § 2 Abs. 2 SächsCoronaSchVO hatten ein Gewicht, das die nachträgliche Klärung von deren Rechtmäßigkeit rechtfertigt. Ob sich ein schützenswertes Interesse des Antragstellers im Hinblick auf das Abstandsgebot - wie das Oberverwaltungsgericht angenommen hat (UA Rn. 15) – auch aus einer Wiederholungsgefahr ergibt, kann somit offenbleiben. 15 2. Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag festzustellen, dass das Gebot des § 2 Abs. 2 SächsCoronaSchVO, im öffentlichen Raum einen Mindestabstand von 1,5 m außer zu bestimmten Personen einzuhalten, unwirksam war, ohne Bundesrechtsverstoß abgelehnt. Seine Auslegung der Norm ist weder willkürlich (a) noch verstößt sie gegen das Bestimmtheitsgebot (b). Das Abstandsgebot war verhältnismäßig (c). 16 a) Das Oberverwaltungsgericht hat § 2 Abs. 2 SächsCoronaSchVO dahin ausgelegt, dass die Abstandspflicht unter dem Vorbehalt des Möglichen stand (UA Rn. 34, 32 ). Diese Auslegung des (irrevisiblen) Landesrechts, an die der Senat gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO gebunden ist, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Das das Gebot einschränkende Auslegungsergebnis der Vorinstanz überschreitet nicht die Auslegungsgrenzen, indem es deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut der Vorschrift dokumentierte Entscheidungen abänderte oder ohne ausreichende Rückbindung an Aussagen des Normgebers neue Regelungen schaffte (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - BVerfGE 126, 286 <306> und Kammerbeschluss vom 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06 u. a. - BVerfGK 19, 89 <102 f.>). Das Oberverwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Möglichkeitsvorbehalt in der Grundsatzregelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO enthalten ist, wonach ""wo immer möglich"" ein Mindestabstand zu anderen Personen außer zu den Angehörigen des eigenen Hausstandes von 1,5 m einzuhalten ist. Diese Regelung bezeichnet der Klammerzusatz im Sinne einer Legaldefinition als ""Kontaktbeschränkung"". 17 b) § 2 Abs. 2 SächsCoronaSchVO genügte in dieser Auslegung auch dem in Art. 20 Abs. 3 GG gründenden rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot. Danach müssen Rechtsnormen so gefasst sein, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten daran auszurichten vermag. Es genügt, wenn sich der Regelungsgehalt einer Norm mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden feststellen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. März 2013 - 2 BvF 1/05 - BVerfGE 133, 241 Rn. 84; BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2019 - 3 C 7.17 - BVerwGE 164, 253 Rn. 23, jeweils m. w. N). Dass vom Antragsteller als Adressaten der Rechtsverordnung nichts Unmögliches verlangt werden kann und verlangt wurde, lag - wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen hat (UA Rn. 34) – angesichts der Grundsatzregelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO nahe. Der Verordnungsgeber durfte auch davon ausgehen, dass es den Betroffenen in der Regel keine Schwierigkeiten bereiten würde, zu erkennen, wo die Einhaltung des Mindestabstands möglich war und wo nicht. Die Möglichkeit der Abstandswahrung hing von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten ab. Deshalb musste der Verordnungsgeber angesichts der Vielzahl von Fallkonstellationen auch keine Regelbeispiele in die Vorschrift aufnehmen. Schwierig zu beurteilende Einzelfälle mögen denkbar sein, führen aber nicht zur Unbestimmtheit der Regelung. 18 c) Die Regelung in § 2 Abs. 2 SächsCoronaSchVO war ausgehend von der Auslegung des Landesrechts und den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts verhältnismäßig und damit eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Der Senat hat bereits entschieden, dass die durch die Kontaktbeschränkungen in § 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO bewirkten Eingriffe in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gerechtfertigt waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 47 ff.). Für das Abstandsgebot in § 2 Abs. 2 SächsCoronaSchVO ergibt sich nichts Abweichendes. 19 3. Soweit das Oberverwaltungsgericht die Untersagung von Versammlungen durch § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO für rechtmäßig gehalten hat, beruht sein Urteil dagegen auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Untersagungen von Versammlungen konnten zwar auf § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) i. d. F. des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) – im Folgenden: IfSG - gestützt werden (a). § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG war auch eine verfassungsgemäße Grundlage für den Erlass einer Verordnungsregelung zur Beschränkung von Versammlungen (b). Die Untersagung von Versammlungen in § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO schränkte jedoch trotz des Genehmigungsvorbehalts in § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) unverhältnismäßig ein (c). Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob die Verordnungsregelung auch den Wesensgehalt des Grundrechts im Sinne des Art. 19 Abs. 2 GG angetastet hat (d), und ob gegenüber den Ausnahmen in § 3 Abs. 2 SächsCoronaSchVO eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Versammlungen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt (e). 20 a) Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Untersagung von Versammlungen in § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO auf § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG gestützt werden konnte. 21 aa) § 32 Satz 1 IfSG ermächtigt die Landesregierungen, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen (u. a.) nach § 28 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Nach § 32 Satz 2 IfSG können die Landesregierungen die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Hiervon hat die Staatsregierung des Freistaates Sachsen durch § 7 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung und des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zur Regelung der Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz und für die Kostenerstattung für Impfungen und andere Maßnahmen der Prophylaxe (Infektionsschutzgesetz-Zuständigkeitsverordnung - IfSGZuVO) vom 9. Januar 2019 (SächsGVBl. S. 83) i. d. F. der Änderungsverordnung vom 13. März 2020 (SächsGVBl. S. 82) Gebrauch gemacht und die Zuständigkeit für den Verordnungserlass dem Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt übertragen (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 15. Oktober 2021 - 3 C 15/20 - Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 ). 22 bb) Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG kann die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen von Satz 1 Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 IfSG genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. Die Grundrechte der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) und der Unverletzlichkeit der Wohnung werden insoweit eingeschränkt (§ 28 Abs. 1 Satz 4, § 32 Satz 3 IfSG). 23 cc) Die Voraussetzungen, unter denen nach diesen Vorschriften Verbote zur Bekämpfung einer übertragbaren Krankheit erlassen werden können, lagen unstreitig vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 19 f. zur hier inmitten stehenden Verordnung). Dass Regelungen zur Beschränkung von Kontakten, die - wie hier die Versammlungsuntersagung - unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht an jeden im Geltungsbereich der Verordnung gerichtet sind, notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG sein können, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. BVerwG, a. a. O. Rn. 21 ff.). Notwendige Schutzmaßnahmen in diesem Sinne müssen an dem Ziel ausgerichtet sein, die Verbreitung der Krankheit zu verhindern, und sie müssen verhältnismäßig sein, das heißt geeignet und erforderlich, den Zweck zu erreichen, sowie verhältnismäßig im engeren Sinne (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 2.21 - NVwZ 2023, 1011 Rn. 12). 24 dd) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass die Vorschriften auch zur Untersagung von Versammlungen im Verordnungswege ermächtigen. Der Begriff ""Ansammlung von Menschen"" in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG stellt in diesem Zusammenhang den Oberbegriff dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 210), der neben Veranstaltungen auch solche Zusammenkünfte von Menschen umfasst, die unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallen. Dieses Grundrecht schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - BVerfGE 128, 226 <250>). Dass § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG auch Versammlungen erfasst, wird durch § 28 Abs. 1 Satz 4 und § 32 Satz 3 IfSG bestätigt, die nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG (Zitiergebot) die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) als eines der Grundrechte nennen, die durch Schutzmaßnahmen eingeschränkt werden können. Darüber hinaus sprechen sowohl die Gesetzgebungshistorie, wonach alle Zusammenkünfte von Menschen, die eine Verbreitung von Krankheitserregern begünstigen können, von der Generalklausel erfasst werden sollten (vgl. BT-Drs. 14/2530 S. 75), als auch der Sinn und Zweck der Vorschrift, die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern, für eine grundsätzliche Einschränkbarkeit (auch) von Versammlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG auf der Grundlage von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG. 25 b) § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG war in dieser Auslegung im hier maßgeblichen Zeitraum vom 17. April bis 3. Mai 2020 eine verfassungsgemäße Grundlage für die Untersagung von Versammlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG durch die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 17. April 2020. 26 aa) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG (Maßnahmen gegen übertragbare Krankheiten bei Menschen). Das Infektionsschutzgesetz trifft Regelungen zu Versammlungen - wie zu Gaststätten oder Schulen - ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Infektionsschutzes. § 28 Abs. 1 IfSG enthält deshalb keine Regelungen auf dem Gebiet des Versammlungsrechts, für das der Bund nach dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) keine Gesetzgebungskompetenz mehr hat. 27 bb) Der Senat hat bereits entschieden, dass die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG als Grundlage für Rechtsverordnungen zur Bekämpfung von COVID-19 bei Erlass der Verordnung am 17. April 2020 und auch während ihrer Geltungsdauer den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) sowie des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 2 und 3 GG) entsprach (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 34 ff. zu Kontaktbeschränkungen und der Schließung von Gastronomiebetrieben und Sportstätten). Im Hinblick auf Untersagungen von Versammlungen ergibt sich nichts Abweichendes. 28 Der Bundesgesetzgeber hat die Möglichkeit der Beschränkung und des Verbots von Veranstaltungen oder sonstigen Ansammlungen von Menschen in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG - anknüpfend an § 34 Abs. 1 Satz 2 BSeuchG - ausdrücklich vorgesehen und damit selbst die Entscheidung getroffen, dass auch Versammlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG auf Grundlage dieser Ermächtigung aus Gründen des Infektionsschutzes beschränkt oder verboten werden können (Art. 1 des Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften vom 20. Juli 2000, BGBl. I S. 1045; Gesetzentwurf BT-Drs. 14/2530 S. 16, 74 f.). Diese Entscheidung hat er im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie durch die Streichung der Wortgruppe ""einer größeren Anzahl von Menschen"" in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587; Gesetzentwurf BT-Drs. 19/18111 S. 9 f., 24) bestätigt. Dass der Gesetzgeber dabei auch durch das Grundrecht der Versammlungsfreiheit geschützte Versammlungen im Blick hatte, ergibt sich - wie erwähnt - daraus, dass § 28 Abs. 1 Satz 4 und § 32 Satz 3 IfSG in Erfüllung des Zitiergebots (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG) Art. 8 GG als eingeschränktes Grundrecht ausdrücklich nennen. 29 c) Die Untersagung von Versammlungen in § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO unter dem Vorbehalt einer Ausnahmegenehmigung in § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO war nicht verhältnismäßig und damit keine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG. Die Regelung hatte zwar ein legitimes Ziel (aa) und war zu dessen Erreichung auch geeignet und erforderlich (bb). Sie schränkte aber die durch Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistete Versammlungsfreiheit unangemessen ein (cc). 30 aa) Der Verordnungsgeber verfolgte mit der Untersagung von Versammlungen ein Ziel, das mit dem Zweck der Verordnungsermächtigung im Einklang stand. 31 (1) Die Untersagung diente dem Ziel, die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 und der Krankheit COVID-19 zu verlangsamen. Mit der Verlangsamung des Infektionsgeschehens sollte sichergestellt werden, dass die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwer- und schwerstkranker Menschen erhalten blieb (UA Rn. 23 i. V. m. Rn. 22 ). Das hat das Oberverwaltungsgericht für das Revisionsverfahren verbindlich festgestellt (vgl. für tatsächliche Feststellungen: § 137 Abs. 2 VwGO; für die Auslegung irrevisiblen Landesrechts: § 137 Abs. 1, § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO); es ergibt sich auch aus der Verordnungsbegründung. Das Ziel entsprach dem Zweck der Verordnungsermächtigung, übertragbare Krankheiten zu bekämpfen (§ 32 Satz 1 IfSG) und ihre Verbreitung zu verhindern (§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG; vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 49 ff.). 32 (2) Die Annahme des Verordnungsgebers, dass dieses Ziel ohne die erlassene Untersagung gefährdet und die Gefahr wegen einer möglichen Überlastung des Gesundheitssystems dringlich war, hatte eine tragfähige tatsächliche Grundlage (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 177; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 52). 33 (aa) Zur Risikobewertung, den erforderlichen Infektionsschutzmaßnahmen und der empfohlenen Strategie zur Bekämpfung der Ausbreitung des Virus verweist das Oberverwaltungsgericht auf die Risikoeinschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) vom 26. März 2020, das die Gefährdung für die Gesundheit durch das hochansteckende Virus SARS-CoV-2 nach wie vor als hoch einschätze. Dies gelte insbesondere, aber nicht nur für ältere Menschen mit Vorerkrankungen. In Fragen der Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen komme den Empfehlungen des RKI eine vorrangige Bedeutung zu (UA Rn. 23 i. V. m. Rn. 22 ). Auch die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, deren Expertise in der Beratung von Politik und Öffentlichkeit ebenfalls eine große Bedeutung zukomme, empfehle Lockerungen mit Bedacht und mit begleitenden Maßnahmen vorzunehmen. Vordringliche Voraussetzung für eine solche allmähliche Lockerung sei dabei, dass sich die Neuinfektionen auf niedrigem Niveau stabilisierten und das Gesundheitssystem nicht überlastet werde. Ferner müssten Infizierte zunehmend identifiziert und die Schutzmaßnahmen (Hygienemaßnahmen, Mund-Nasen-Schutz, Distanzregeln) diszipliniert eingehalten werden (UA Rn. 23 i. V. m. Rn. 22 ). Das Oberverwaltungsgericht hat darüber hinaus festgestellt, in dem in Rede stehenden Zeitraum seien weder eine Impfung oder eine spezifische Medikation noch ein infektionsmedizinisch hinreichend sicherer Mund-Nasen-Schutz verfügbar gewesen. In Sachsen seien am 20. April 2020 4 323 Menschen infiziert und 111 Menschen infolge der Erkrankung verstorben gewesen. An diesem Tag hätten sich 365 Patienten im Krankenhaus befunden, 63 davon auf einer Intensivstation (UA Rn. 23). 34 (bb) Diese Feststellungen tragen die vom Verordnungsgeber angenommene Gefährdungslage. Der Verordnungsgeber und das Oberverwaltungsgericht konnten sich insbesondere auf die Risikobewertung und weiteren Erkenntnisse des RKI stützen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 56 f.). Der Antragsteller hat gegen sie keine durchgreifenden Revisionsgründe vorgebracht (§ 137 Abs. 2 VwGO). 35 bb) Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Bundesrechtsverstoß angenommen, dass der Verordnungsgeber die in § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO angeordnete Untersagung von Versammlungen als geeignet (1) und erforderlich (2) ansehen durfte, um das mit der angegriffenen Regelung verfolgte Ziel zu erreichen. 36 (1) Für die Eignung reicht es aus, wenn die Verordnungsregelung den verfolgten Zweck fördern kann. Bereits die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 185; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 59, jeweils m. w. N.). Das Oberverwaltungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass dem Verordnungsgeber wegen der damals in der Fachwissenschaft vorhandenen Ungewissheiten über die Eigenschaften des Virus SARS-CoV-2 (vgl. UA Rn. 25) bei der Beurteilung der Eignung einer Regelung ein tatsächlicher Einschätzungsspielraum zustand (UA Rn. 28), der in Bezug auf die Einhaltung seiner Grenzen verwaltungsgerichtlicher Kontrolle unterliegt (BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 59 m. w. N.). Es hat keine Anhaltspunkte gesehen, dass die Einschätzung des Verordnungsgebers, durch eine Reduzierung physischer Kontakte und die Einhaltung bestimmter Abstände zu anderen Personen könne die Ausbreitung des besonders leicht von Mensch zu Mensch übertragbaren Virus verlangsamt und die Infektionsdynamik verzögert werden, nicht auf tragfähigen tatsächlichen Annahmen beruht hätte oder das Prognoseergebnis nicht plausibel gewesen wäre (UA Rn. 28, 50). Der Antragsteller hat dagegen keine begründeten Revisionsgründe vorgebracht (§ 137 Abs. 2 VwGO). Dafür ist auch nichts ersichtlich. 37 (2) An der Erforderlichkeit einer Maßnahme fehlt es, wenn dem Verordnungsgeber eine andere, gleich wirksame Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Zwecks zur Verfügung steht, die weniger in die Grundrechte der Betroffenen eingreift und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahme zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 203 m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 63). 38 Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit hatte der Verordnungsgeber angesichts der im hier maßgeblichen Zeitraum fehlenden Erfahrungen mit dem SARS-CoV-2-Virus und den Wirkungen von Schutzmaßnahmen einen tatsächlichen Einschätzungsspielraum, der sich darauf bezog, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 204). Ein solcher Spielraum hat jedoch Grenzen. Die Einschätzung des Verordnungsgebers muss auf ausreichend tragfähigen Grundlagen beruhen. Das Ergebnis der Prognose muss einleuchtend begründet und damit plausibel sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 64 m. w. N.). Das unterliegt der gerichtlichen Überprüfung (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 2.21 - NVwZ 2023, 1011 Rn. 17 ff.). 39 Danach ist die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die angegriffene Versammlungsuntersagung sei zur Zweckerreichung erforderlich gewesen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Prognose des Verordnungsgebers, aufgrund der seinerzeitigen Infektions- und Erkenntnislage sei grundsätzlich davon auszugehen, dass keine Schutzmaßnahmen getroffen werden könnten, die gleich effektiv, aber weniger eingriffsintensiv wären, als die Versammlung nicht durchzuführen, beruhte nach den im angefochtenen Urteil getroffenen, für das Revisionsverfahren verbindlichen (§ 137 Abs. 2 VwGO) Tatsachenfeststellungen auf tragfähigen Annahmen und war plausibel. 40 (aa) Die Versammlungsuntersagung ging nicht deshalb über das erforderliche Maß hinaus, weil sie keine ausdrücklichen Ausnahmen für bestimmte Versammlungsformen - etwa Fahrraddemos oder Autokorsos - vorsah, bei denen möglicherweise geringere Infektionsrisiken bestanden als bei herkömmlichen Versammlungen. Im Rahmen der ihm zustehenden Typisierungsbefugnis darf ein Normgeber sich am Regelfall orientieren und dabei von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - BVerfGE 161, 299 Rn. 190). Dementsprechend konnte der Verordnungsgeber darauf abstellen, dass Versammlungen in aller Regel zu physischen, mit einem Infektionsrisiko verbundenen Kontakten führten und musste Sonderformen nicht ausdrücklich von der Geltung ausnehmen. Außerdem enthielt § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO mit dem Genehmigungsvorbehalt für infektiologisch vertretbare Versammlungen einen Tatbestand, der diese Sonderformen von Versammlungen erfassen konnte. 41 (bb) Der Verordnungsgeber durfte auch davon ausgehen, dass Schutzauflagen - z. B. Abstandsgebote, Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung, Teilnehmerbeschränkung - das Ziel, die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 und der Krankheit COVID-19 zu verlangsamen, nicht ebenso wirksam erreicht hätten wie das generelle Versammlungsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO (vgl. UA Rn. 50). Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts wurde seinerzeit die Tröpfcheninfektion als Hauptübertragungsweg für das SARS-CoV-2-Virus angesehen (UA Rn. 23 i. V. m Rn. 22 ; Rn. 33 i. V. m. Rn. 32 ). Das Risiko einer Infektion bestand nach der maßgeblichen ex-ante-Sicht auch bei Versammlungen unter freiem Himmel und bei einer begrenzten Teilnehmerzahl. Ein Schutz durch Impfung, eine spezifische Medikation oder eine infektionsmedizinisch hinreichend sichere Mund-Nase-Bedeckung standen nicht zur Verfügung. Dass der Verordnungsgeber - und ihm folgend das Oberverwaltungsgericht - Verhaltens- und Hygieneregeln für Kontakte im öffentlichen Raum nicht als gleich wirksame Maßnahmen wie die Reduzierung der physischen Kontakte angesehen hat, ist danach plausibel (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 67 m. w. N.). 42 (cc) Auch die vorherige Anzeige der Versammlung wäre zwar ein milderes, aber kein gleich wirksames Mittel gewesen. Die unter einem Genehmigungsvorbehalt stehende Versammlungsuntersagung stellte sicher, dass eine Versammlung nicht stattfinden durfte, solange sie nicht genehmigt, die infektionsschutzrechtliche Prüfung also nicht mit positivem Ergebnis abgeschlossen war. Bei einer bloßen Anzeigepflicht hätte die Versammlung dagegen stattfinden können, solange die Behörde sie nicht untersagt hätte. Hätte sie unter den erschwerten Arbeitsbedingungen der Behörden in der Situation der Pandemie nicht rechtzeitig ein Verbot erlassen oder Auflagen verfügt, wäre dies zu Lasten des Infektionsschutzes gegangen. Insoweit ist die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Verordnungsgeber habe eine infektionsschutzrechtliche Vorprüfung von Versammlungen als erforderlich ansehen dürfen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. 43 dd) Dagegen steht die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Untersagung von Versammlungen in § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO unter dem Vorbehalt einer Ausnahmegenehmigung in § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO sei auch verhältnismäßig im engeren Sinne gewesen, nicht mit Bundesrecht in Einklang. Der mit der Regelung verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung standen außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit. 44 (1) Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 216 m. w. N.). In einer Abwägung sind Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits und die Bedeutung der Maßnahme für die Zweckerreichung andererseits gegenüberzustellen. Angemessen ist eine Maßnahme dann, wenn bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt wird. Dabei ist ein angemessener Ausgleich zwischen dem Gewicht des Eingriffs und dem verfolgten Ziel sowie der zu erwartenden Zielerreichung herzustellen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 75 m. w. N.) 45 (2) Die Untersagung aller Versammlungen durch § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO war ein schwerer Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Art. 8 Abs. 1 GG schützt - wie gezeigt - die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen. Als Abwehrrecht, das auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, gewährleistet Art. 8 GG den Grundrechtsträgern das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung. Schon in diesem Sinne gebührt dem Grundrecht in einem freiheitlichen Staatswesen ein besonderer Rang; das Recht, sich ungehindert und ohne besondere Erlaubnis mit anderen zu versammeln, galt seit jeher als Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit des selbstbewussten Bürgers (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 u. a. - BVerfGE 69, 315 <343>). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 u. a. - BVerfGE 69, 315 <344>; Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - BVerfGE 128, 226 <250>). Das gilt auch in der Situation einer Pandemie. Die Beschränkungen der Versammlungsfreiheit durch § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO waren zwar nicht darauf gerichtet, die kollektive Meinungskundgabe einer inhaltlichen Beschränkung zu unterwerfen (UA Rn. 47). Physische Kontakte wurden in anderen Lebensbereichen durch die Verordnung ebenfalls beschränkt. Gleichwohl wurde die kollektive Meinungskundgabe behindert, was bei Versammlungen unter freiem Himmel besonders schwer wog. Die Sichtbarkeit von Versammlungen unter freiem Himmel - und damit ihre Wirksamkeit für die Meinungsbildung - konnte durch andere Formen der Kommunikation nur zum Teil ersetzt werden. 46 Das Gewicht des Grundrechtseingriffs wurde dadurch erhöht, dass Versammlungen in Sachsen bereits seit dem 23. März 2020 untersagt worden waren, zunächst aufgrund der Ausgangsbeschränkung in Nr. 1 der Allgemeinverfügung vom 22. März 2020 (Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, Az. 15-5422/10), dann durch die Ausgangsbeschränkung in § 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO vom 31. März 2020 (SächsGVBl. S. 86). 47 Der Vorbehalt einer ausnahmsweisen Genehmigung in § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO minderte das Gewicht des Eingriffs nur unwesentlich. Er änderte nichts daran, dass sich die Grundrechtsträger nicht mehr ohne weiteres versammeln durften, sondern nur, wenn der zuständige Landkreis oder die kreisfreie Stadt ihnen das gestattet hatte. Sie mussten die Genehmigung beantragen und ihre Erteilung ggf. gerichtlich durchsetzen. Gelang ihnen dies vor der Erledigung des Versammlungszwecks nicht, so war der Zweck der Versammlung vereitelt. Das Risiko für die Durchführung der Versammlung verblieb unter diesen Umständen beim Bürger. Im Hinblick auf den Freiheitsgebrauch bedeutet es einen wesentlichen Unterschied, ob eine Genehmigung für etwas grundsätzlich Verbotenes zu beantragen und ggf. vor den Gerichten zu erstreiten ist oder ob etwas grundsätzlich Erlaubtes ggf. beschränkt oder verboten werden kann. Die Versammlungsfreiheit ist in diesem Sinne mehr und anderes als eine Summe von Genehmigungsansprüchen (Gusy in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 8 Rn. 35). 48 Zudem ließ die Vorschrift nicht erkennen, unter welchen Voraussetzungen Versammlungen infektiologisch vertretbar sein könnten, und selbst für infektiologisch vertretbare Versammlungen stellte sie die Erteilung der Genehmigung in das Ermessen der Behörde. Das Oberverwaltungsgericht hat lediglich angenommen, dass das Fehlen infektionsschutzrechtlicher Bedenken ""bis zu einer Ermessensreduzierung auf Null"" führen ""konnte"" (UA Rn. 52). Insgesamt war der Vorbehalt einer Ausnahmegenehmigung in § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO damit nicht geeignet, eine reale Chance für die Durchführung von Versammlungen zu eröffnen. Eine nachträgliche Konkretisierung der Genehmigungsvoraussetzungen durch die Rechtsprechung konnte daran mit Blick auf die kurze Laufzeit der Verordnung nichts mehr ändern. 49 (3) Den durch die Untersagung von Versammlungen bewirkten, gewichtigen Grundrechtseingriffen standen Gemeinwohlbelange von überragender Bedeutung gegenüber. Ziel der Verordnung war es, die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus und der dadurch verursachten bedrohlichen COVID-19-Erkrankung (vgl. § 2 Nr. 3a IfSG) zu verlangsamen und damit die Bevölkerung vor Lebens- und Gesundheitsgefahren zu schützen. Die Rechtsgüter Leben und Gesundheit haben eine überragende Bedeutung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG; stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 231 m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 2.21 - NVwZ 2023, 1011 Rn. 32). Der Verordnungsgeber durfte bei Erlass des generellen Versammlungsverbots davon ausgehen, dass dringlicher Handlungsbedarf bestand. Das RKI schätzte die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland immer noch als hoch ein (UA Rn. 22 ). 50 In die Prüfung der Angemessenheit ist über die Bedeutung des verfolgten Zwecks hinaus einzustellen, in welchem Maße er durch die in Rede stehende Maßnahme gefördert wird. Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Weimar vom 10. April 2020 - 3 EN 248/20 - BeckRS 2020, 6395 Rn. 40 ausgeführt, es sei zum einen nicht zwingend möglich, Versammlungen unter Beachtung der auch für andere Veranstaltungen geltenden Sicherheitsauflagen und allgemeinen Hygieneauflagen gefahrmindernd durchzuführen, zum anderen ergebe sich ein kaum kontrollierbarer Bereich von möglichen Ansammlungen bei ankommendem und abfahrendem Verkehr, also beim Betreten und Verlassen des Versammlungsbereichs (UA Rn. 48 Satz 1 i. V. m. Rn. 47). Danach durfte der Verordnungsgeber zugrunde legen, dass die Maßnahme einen qualitativ und quantitativ erheblichen Beitrag zur Erreichung des Ziels leisten konnte, physische Kontakte zu reduzieren und dadurch die Verbreitung von COVID-19 zu verhindern. 51 Der Verordnungsgeber bewertete die Gefahr allerdings nicht mehr als so dringlich wie noch bei Erlass der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 31. März 2020. Angesichts der Verlangsamung der Infektionsgeschwindigkeit in Sachsen sah er Spielraum für schrittweise Lockerungen gegenüber den dort verordneten Beschränkungen. So hob er die bisherige Ausgangsbeschränkung auf. Ladengeschäfte des Einzelhandels jeder Art bis zu einer Verkaufsfläche von 800 qm, soweit sie sich nicht in Einkaufszentren und großflächigem Einzelhandel befanden, durften wieder öffnen (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 SächsCoronaSchVO). Gottesdienste mit bis zu 15 Besuchern waren wieder zugelassen (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 SächsCoronaSchVO). Insoweit sah der Verordnungsgeber Abstands- und Hygieneregeln für den Infektionsschutz als ausreichend an. 52 (4) In dieser Situation trug die generelle Untersagung von Versammlungen in § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO, die lediglich durch den nicht näher konkretisierten Vorbehalt einer Ausnahmegenehmigung in § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO geöffnet war, der Bedeutung der Versammlungsfreiheit für ein freiheitliches Staatswesen nicht angemessen Rechnung. Auch der Verordnungsgeber ging offenbar davon aus, dass der Versammlungsfreiheit eine besondere Bedeutung zukommt, denn für Versammlungen im Sinne des Sächsischen Versammlungsgesetzes sah er einen Genehmigungsvorbehalt vor, für sonstige Ansammlungen nicht. Um dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit hinreichend Rechnung zu tragen, hätte er jedoch jedenfalls regeln müssen, unter welchen Voraussetzungen Versammlungen infektiologisch vertretbar und damit genehmigungsfähig sein können, um zumindest Versammlungen unter freiem Himmel mit begrenzter Teilnehmerzahl unter Beachtung von Schutzauflagen wieder zu ermöglichen (vgl. z. B. die gegenständliche Beschränkung der Untersagung von Versammlungen in § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO vom 30. April 2020 ). Auch den Anspruch auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung bei infektiologischer Unbedenklichkeit der beabsichtigten Versammlung hätte der Verordnungsgeber selbst ausdrücklich festschreiben müssen. Nur so hätte er die erforderliche Rechtssicherheit für Bürger und Behörden schaffen können. Weitergehende Schutzauflagen hätte die zuständige Behörde dann im Einzelfall, soweit dies aus Gründen des Infektionsschutzes geboten war, auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 IfSG oder einer entsprechenden Verordnungsregelung (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 3 SächsCoronaSchVO vom 30. April 2020) anordnen können. 53 d) Da § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO danach bereits wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unwirksam war, soweit er Versammlungen untersagte, kann offenbleiben, ob diese Vorschrift auch den Wesensgehalt der Versammlungsfreiheit angetastet hat und damit gegen die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG verstieß (vgl. BVerfG, Urteile vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 - BVerfGE 109, 133 <156> und vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08 u. a. - BVerfGE 128, 326 <372 f.>). 54 e) Ebenso kann dahinstehen, ob der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt wurde, weil § 3 Abs. 2 SächsCoronaSchVO bestimmte Lebenssachverhalte von dem Verbot der Ansammlungen von Menschen in § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO ausgenommen hat, während § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Versammlungen untersagt und unter einen Genehmigungsverhalt gestellt hat (vgl. UA Rn. 53). 55 Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO." bverwg_2023-5,24.01.2023,"Pressemitteilung Nr. 5/2023 vom 24.01.2023 EN Normenkontrollantrag des BUND gegen den vorhabenbezogenen Bebauungsplan für die Lindauer Therme zulässig Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag eines Umweltverbandes gegen einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan entfällt nicht mit der Fertigstellung und Inbetriebnahme des Vorhabens. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Antragsteller wendet sich gegen den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 110 „Therme und Freizeitbad, Eissporthalle“ der Antragsgegnerin. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag mit Beschluss vom 10. Dezember 2020 abgelehnt. Dieser sei nachträglich unzulässig geworden. Es fehle das für ein Normenkontrollverfahren erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil die Therme nahezu fertiggestellt sei. Die Revision war erfolgreich und führte zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an den Verwaltungsgerichtshof. Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Dem Antragsteller kann insbesondere das Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden. Zwar ist auch für einen Umweltverband ein Rechtsschutzbedürfnis zu fordern. Dieses ist aber bei der hier nach § 2 Abs. 1 UmwRG bestehenden Antragsbefugnis grundsätzlich gegeben. Es entfällt auch nicht ausnahmsweise deshalb, weil die Therme zwischenzeitlich fertiggestellt und in Betrieb genommen worden ist. Sollte der Normenkontrollantrag erfolgreich sein, besteht die Möglichkeit einer erneuten Bauleitplanung. Auf eine solche Neuplanung kann ein Umweltverband wegen seiner ihm durch geltendes Recht eingeräumten besonderen Stellung hinwirken. Die Neuplanung kann zu einer Verbesserung des Umweltschutzes beitragen. Für sie können die Erkenntnisse aus dem Normenkontrollverfahren nutzbar gemacht werden. Folglich ist eine Entscheidung in der Sache nicht nutzlos. BVerwG 4 CN 8.21 - Urteil vom 24. Januar 2023 Vorinstanz: VGH München, VGH 2 N 18.632 - Beschluss vom 10. Dezember 2020 -","Urteil vom 24.01.2023 - BVerwG 4 CN 8.21ECLI:DE:BVerwG:2023:240123U4CN8.21.0 EN Rechtsschutzbedürfnis eines Umweltverbandes für einen Normenkontrollantrag gegen einen bereits umgesetzten Bebauungsplan Leitsatz: Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO eines nach § 2 Abs. 1 UmwRG antragsbefugten Umweltverbandes entfällt nicht deshalb, weil der angegriffene Bebauungsplan bereits vollständig umgesetzt ist. Rechtsquellen VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 UmwRG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4, § 2 Abs. 1 Instanzenzug VGH München - 10.12.2020 - AZ: 2 N 18.632 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 24.01.2023 - 4 CN 8.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:240123U4CN8.21.0] Urteil BVerwG 4 CN 8.21 VGH München - 10.12.2020 - AZ: 2 N 18.632 In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Decker und Prof. Dr. Külpmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger für Recht erkannt: Auf die Revision des Antragstellers wird der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Dezember 2020 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Antragsteller, eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung, wendet sich gegen den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 110 ""Therme und Freizeitbad, Eissporthalle"" der Antragsgegnerin. 2 Der am 13. Dezember 2017 als Satzung beschlossene und am 24. Februar 2018 bekannt gemachte Bebauungsplan überplant ein ca. 8,3 ha großes, östlich der Insel L. zwischen der Bahnlinie L.-B. und dem Bo. gelegenes Gebiet. Er ermöglicht den Bau einer Therme mit Saunalandschaft (inklusive weitläufig gestaltetem Außenbereich), Hallen- und Freibad, drei Restaurantbetrieben und Fitnessbereich und schreibt eine Eissporthalle fest. Festgesetzt wird ein Sondergebiet. 3 Mit Bescheid vom 23. Februar 2018 erteilte die Antragsgegnerin der T. GmbH die Baugenehmigung für das Vorhaben ""Neubau eines Hallen- und Freibades mit Rutschenanlage, Außensauna, Freibadgebäude und Parkplatz"". Die hiergegen vom Antragsteller eingeleiteten Eil- und Klageverfahren blieben erfolglos. 4 Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag abgelehnt. Er sei nachträglich unzulässig geworden. Dem Antragsteller fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Mit der bestandskräftigen Baugenehmigung sei der angegriffene vorhabenbezogene Bebauungsplan vollständig ausgefüllt. Eine weitere Genehmigung könne nicht erteilt werden. Das Bauvorhaben sei zwar noch nicht vollständig verwirklicht. Die Fertigstellung befinde sich jedoch in der Endphase. Es sei nicht vorgetragen oder ersichtlich, inwiefern sich die Rechtsstellung des Antragstellers verbessern könne, wenn der Bebauungsplan für unwirksam erklärt werde. 5 Mit seiner Revision rügt der Antragsteller, dass der angefochtene Beschluss das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis zu Unrecht verneine und das Gebot des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG i. V. m. Unions- und Völkerrecht verletze. Ferner habe der Verwaltungsgerichtshof nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen. 6 Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Das Vorhaben sei inzwischen vollständig umgesetzt und in Betrieb. II 7 Die zulässige Revision ist begründet. Der angefochtene Beschluss verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag zu Unrecht als unzulässig abgelehnt. Da bisher keine Feststellungen zur Begründetheit getroffen worden sind, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 8 1. Das Rechtsschutzbedürfnis liegt vor. 9 Das Erfordernis eines allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses soll verhindern, dass ein Gericht mit einem nutzlosen Anliegen befasst wird. Das lässt sich aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben, dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte und dem gleichfalls für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns ableiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99 u. a. - BVerfGE 104, 220 <232>). Insoweit ist das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis eine für alle der Verwaltungsgerichtsordnung unterliegenden Verfahren einheitliche, ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung (statt vieler: Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 42 Rn. 335; Ziekow, ebenda, § 47 Rn. 128). Bei Normenkontrollanträgen gilt es gleichermaßen für natürliche und juristische Personen wie für Behörden (Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 47 VwGO Rn. 55) und auch für einen anerkannten Umweltverband. Das folgt bereits aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 UmwRG, wonach eine Umweltvereinigung (nur) ""Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung"" einlegen kann. 10 Aus Unions- oder Völkervertragsrecht ergibt sich nichts Gegenteiliges. Soweit Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012 L 26 S. 1) - UVP-Richtlinie - und Art. 9 Abs. 2 und 3 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 25. Juni 1998 (Aarhus-Konvention - AK, BGBl. 2006 II S. 1251) Rechtsschutzmöglichkeiten für Umweltverbände einfordern, ist dieser Verpflichtung durch § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 UmwRG in Bezug auf Bebauungspläne, die nach der UVP-Richtlinie einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197 S. 30) - SUP-Richtlinie - einer Strategischen Umweltprüfung bedürfen, Genüge getan. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bleibt es nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten diesen überlassen, im Rahmen der Ausgestaltung ihres Prozessrechts die Verfahrensmodalitäten für derartige Rechtsbehelfe zu normieren. Begrenzt wird die mitgliedstaatliche Befugnis bei der Regelung von Zulässigkeitsvoraussetzungen allerdings durch den Äquivalenzgrundsatz und den Effektivitätsgrundsatz (EuGH, Urteile vom 8. März 2011 - C-240/09 [ECLI:​EU:​C:​2011:​125], Zoskupenie - Rn. 48, vom 12. Mai 2011 - C-115/09 [ECLI:​EU:​C:​2011:​289], BUND - Rn. 43 und vom 29. Juli 2019 - C-411/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​622], Inter-Environnement Wallonie - Rn. 171). 11 Diese Grenzen sind hier nicht überschritten. Ein Konflikt mit dem Grundsatz der Äquivalenz als dem Gebot, unionsrechtliche Sachverhalte nicht ungünstiger als gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art zu regeln, ist bei verfahrensartübergreifenden allgemeinen Zulässigkeitserfordernissen ausgeschlossen. Der Grundsatz der Effektivität verlangt, dass die Anwendung mitgliedstaatlicher Rechtsvorschriften die Ausübung der durch die Unionsrechtsverordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert. Das steht hier nicht zu befürchten, wenn die Nutzlosigkeit der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes an der Funktion der Umweltverbandsklage gemessen wird. 12 An das Rechtsschutzbedürfnis für Normenkontrollanträge von Umweltverbänden sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es ist bei einer nach § 2 Abs. 1 UmwRG bestehenden Antragsbefugnis grundsätzlich gegeben. Anders als bei einem Antrag eines Antragstellers nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 VwGO, der eine Rechtsverletzung geltend machen muss, entfällt es nicht ausnahmsweise dann, wenn der angegriffene Bebauungsplan bereits vollständig vollzogen ist und die Rechtsstellung des Antragstellers durch einen erfolgreichen Angriff auf den Bebauungsplan nicht mehr aktuell verbessert werden kann. Diese in der Rechtsprechung zu Plannachbarn entwickelte Fallgruppe (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2020 - 4 CN 5.18 - BVerwGE 169, 29 Rn. 19 m. w. N.) ist auf den Normenkontrollantrag eines Umweltverbandes nicht übertragbar. Das folgt aus der besonderen Rolle, die Umweltverbänden im deutschen Prozessrecht - in Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben - eingeräumt wird. Sie können, auch ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG einlegen, wenn die in § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Damit bedarf es für die Einleitung eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegen einen Bebauungsplan - anders als bei natürlichen oder juristischen Personen - keiner Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Daran anknüpfend ist es nicht gerechtfertigt, für das Rechtsschutzbedürfnis eines Umweltverbandes maßgeblich darauf abzustellen, ob sich durch den Erfolg im Normenkontrollverfahren ""seine Rechtsstellung verbessert"". Denn der Umweltverband wird nicht im eigenen Interesse, sondern altruistisch zur Förderung der Ziele des Umweltschutzes tätig. Es geht mithin nicht um seine ""Rechtsstellung"", die er durch einen Normenkontrollantrag verbessern möchte, sondern darum, ob der Umweltverband noch Verbesserungen zum Schutz der Umwelt erreichen kann. 13 Das ist auch dann grundsätzlich zu bejahen, wenn der angefochtene Bebauungsplan bereits vollständig umgesetzt wurde. Denn sollte der Normenkontrollantrag erfolgreich sein, besteht die Möglichkeit einer erneuten Bauleitplanung. Auf eine solche Neuplanung kann ein Umweltverband bei UVP- oder SUP-pflichtigen Bebauungsplänen hinwirken. Eine Neuplanung kann zu einer Verbesserung des Umweltschutzes beitragen, weil nicht ausgeschlossen ist, dass sich der Plangeber bei Unwirksamkeit des Bebauungsplans für eine für die Umwelt günstigere Planung entscheidet (vgl. auch BVerwG, Urteile vom 23. April 2002 - 4 CN 3.01 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 156 S. 88 und vom 13. Dezember 2018 - 4 CN 3.18 - BVerwGE 164, 74 Rn. 15) und etwa zusätzliche Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen aufgrund der Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§ 1a Abs. 3 Satz 2, § 9 Abs. 1a, § 200a BauGB) festsetzt. In die Neuplanung können zudem die Erkenntnisse aus dem Normenkontrollverfahren einfließen. 14 2. Das angefochtene Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Da der Verwaltungsgerichtshof bisher nicht zur Begründetheit des Normenkontrollantrages verhandelt und folglich hierzu auch keine Feststellungen getroffen hat, zwingt dies zur Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO)." bverwg_2023-50,22.06.2023,"Pressemitteilung Nr. 50/2023 vom 22.06.2023 EN Keine Pflicht zur Umstellung des Betriebs einer LNG-Anbindungsleitung auf grünen Wasserstoff vor dem 31. Dezember 2043 Eine LNG-Anbindungsleitung darf nach der Entscheidung des Gesetzgebers bis zum 31. Dezember 2043 zum Transport von Erdgas genutzt werden. Eine Regelung in einem Planfeststellungsbeschluss, wonach schon zu einem früheren Zeitpunkt ausschließlich sogenannter grüner Wasserstoff oder Derivate hiervon durchgeleitet werden dürfen, wäre daher unzulässig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie vom 19. August 2022 für die Errichtung und den Betrieb der LNG-Anbindungsleitung von Wilhelmshaven nach Etzel. Die ca. 26 km lange Rohrleitung dient zum Transport regasifizierten Flüssigerdgases (Liquefied Natural Gas – LNG). Die Leitung bindet eine schwimmende Speicher- und Regasifizierungseinheit (Floating Storage and Regasification Unit – FSRU) sowie künftig ein landgebundenes Gasterminal an das Gasfernleitungsnetz an. Der Kläger begehrt unter Verweis auf verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Klimaschutzziele eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine Regelung, wonach die Leitung spätestens ab dem Jahr 2033 nur noch zum Transport grünen Wasserstoffs oder Derivaten hiervon genutzt werden darf. Der Beklagte ist zu einer solchen Planergänzung nicht berechtigt. Ihr stehen zwingende Vorgaben des Gesetzes zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases (LNG-Beschleunigungsgesetz – LNGG) entgegen. Das Gesetz ist in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ergangen. Es soll den schnellstmöglichen Aufbau einer von russischen Erdgaslieferungen unabhängigen nationalen Gasversorgung durch zügige Einbindung verflüssigten Erdgases in das bestehende Fernleitungsnetz ermöglichen. Hierzu enthält das Gesetz Vorschriften zur beschleunigten Zulassung der Errichtung und Inbetriebnahme von LNG-Terminals sowie LNG-Anbindungsleitungen und sieht unter anderem vor, dass der Betrieb der Terminals mit verflüssigtem Erdgas spätestens am 31. Dezember 2043 einzustellen ist. Ein späterer Weiterbetrieb ist nur noch mit klimaneutralem Wasserstoff und Derivaten hiervon zulässig, wofür bis zum 1. Januar 2035 ein Genehmigungsantrag gestellt sein muss. Mit diesen Regelungen will der Gesetzgeber absichern, dass Terminals und Anbindungsleitungen ""wasserstoff-ready"" geplant werden, um in Einklang mit den Klimaschutzzielen eine möglichst frühzeitige Umstellung auf Wasserstoff zu ermöglichen. Zugleich soll damit für Planungssicherheit bei den Anlagenbetreibern gesorgt werden, indem es ihnen ermöglicht wird, die Befristung des fossilen Betriebs bereits im Vorhinein kalkulatorisch zu berücksichtigen. Dies schließt es aus, dass eine Behörde in einem Genehmigungs- oder Planfeststellungsverfahren eine kürzere Frist zur zwingenden Umstellung des Anlagenbetriebs ausschließlich mit grünem Wasserstoff oder Derivaten hiervon bestimmt. Ein weitergehender Spielraum ist den Beklagten auch nicht durch das fachplanerische Abwägungsgebot eröffnet, das auf die Berücksichtigung vorhabenbezogener Emissionen beschränkt ist. An einem Vorhabenbezug fehlt es, soweit Treibhausgasemissionen beim späteren Verbrauch des transportierten Gases entstehen. Das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot aus Art. 20a GG steht diesem Ergebnis nicht entgegen, weil der Gesetzgeber unter Ausnutzung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums das Ziel der Minderung dieser Emissionen in anderer Weise verfolgt, etwa durch das Emissionshandelsrecht. BVerwG 7 A 9.22 - Urteil vom 22. Juni 2023","Urteil vom 22.06.2023 - BVerwG 7 A 9.22ECLI:DE:BVerwG:2023:220623U7A9.22.0 EN Planfeststellung einer LNG-Anbindungsleitung Leitsätze: 1. Der Ausschluss einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach § 4 LNGG verstößt nicht gegen Unionsrecht. 2. Der Auffangtatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG erfasst auch die Zulassung von Vorhaben, die deshalb keiner Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind, weil eine nach dem UVPG an sich bestehende UVP-Pflicht oder UVP-Vorprüfungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 LNGG ausgeschlossen ist. 3. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 LNGG ist der Betrieb von LNG-Terminals mit verflüssigtem Erdgas bis zum 31. Dezember 2043 grundsätzlich zulässig, sodass es der Genehmigungsbehörde verwehrt ist, im Genehmigungsbescheid einen früheren Zeitpunkt für die Beendigung eines LNG-basierten Betriebs zu verfügen. Entsprechendes gilt in der Folge auch für die Planfeststellungsbehörde bei der Planfeststellung einer LNG-Anbindungsleitung. 4. Das fachplanerische Abwägungsgebot gilt vorhabenbezogen und deshalb nur im Hinblick auf solche Auswirkungen, die dem jeweiligen Vorhaben bei wertender Betrachtung zurechenbar sind, weil sich in ihnen ein vorhabenspezifisches Risiko realisiert, dessen Bewältigung das gesetzliche Planfeststellungserfordernis zu dienen bestimmt ist. 5. Zu den abwägungserheblichen Umweltauswirkungen einer LNG-Anbindungsleitung gehören nicht die Treibhausgasemissionen, die beim späteren Verbrauch des transportierten Gases entstehen. 6. Das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG begründet keine neuen Handlungs- und Entscheidungsspielräume, sondern setzt das Bestehen derartiger Spielräume aufgrund gesetzlicher Regelungen voraus (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 61 f.). Rechtsquellen Richtlinie 2011/92/EU Art. 2 Abs. 4 GG Art. 20a EnWG § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 3, § 43e Abs. 3 KSG §§ 1, 3, 4 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 LNGG § 2 Abs. 1 Nr. 3, §§ 4, 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2, § 12 Satz 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 UmwRG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 5, § 2 Abs. 1 und 4, §§ 4, 6 VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 6 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 22.06.2023 - 7 A 9.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:220623U7A9.22.0] Urteil BVerwG 7 A 9.22 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2023 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Löffelbein, Dr. Wöckel, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seidel für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gründe I 1 Der Kläger, eine nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für die Errichtung und den Betrieb der LNG-Anbindungsleitung von Wilhelmshaven nach Etzel. Die etwa 26 km lange Rohrleitung dient zum Transport regasifizierten Flüssigerdgases (Liquefied Natural Gas - LNG). Die Leitung bindet eine schwimmende Speicher- und Regasifizierungseinheit (Floating Storage and Regasification Unit - FSRU) sowie künftig ein landgebundenes Terminal an das Gasfernleitungsnetz an. Der Kläger begehrt eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine Regelung zum künftigen Betrieb der Leitung ausschließlich mit sogenanntem grünen Wasserstoff oder Derivaten hiervon. 2 Unter dem 29. April 2022 beantragte die Beigeladene die Feststellung des Plans. Am 1. Juni 2022 trat das Gesetz zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases (LNGG) in Kraft. Der Beklagte nahm dies zum Anlass, von einer ursprünglich beabsichtigten Umweltverträglichkeitsprüfung abzusehen. Mit Beschluss vom 19. August 2022 stellte er den Plan für das Vorhaben fest. 3 Der Kläger hat am 16. September 2022 Klage erhoben. Der Beklagte habe die gebotene Ermittlung der klimarelevanten Auswirkungen des Vorhabens unterlassen. Beim Verbrauch des durch die Leitung transportierten Erdgases würden jährlich mindestens 45 Mio. t Kohlendioxid freigesetzt. Dies entspreche - bezogen jeweils auf das Jahr 2030 - mehr als 40 % der Jahresemissionsmenge für den Energiesektor, knapp 40 % der Jahresemissionsmenge für den Industriesektor und knapp 70 % der Jahresemissionsmenge für den Gebäudesektor. Binnen zehn Jahren würden 15 % des deutschen CO2-Budgets aufgebraucht, das nach Berechnung des Sachverständigenrates für Umweltfragen maximal noch zur Verfügung stehe, um das 1,5°C-Ziel des Pariser Klimaschutzübereinkommens mit 50%iger Wahrscheinlichkeit zu erreichen. Angesichts dieser Größenordnung hätte eine abwägungsfehlerfreie Berücksichtigung der Klimaschutzziele zu einer zeitlichen Begrenzung des Betriebs mit fossilem Gas führen müssen. Das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG sei sektorübergreifend im Sinne einer Gesamtbilanz zu verstehen. Es erstrecke sich deshalb auch auf die klimarelevanten Emissionen des Gasverbrauchs, die andernfalls in behördlichen Entscheidungsprozessen vollständig ausgeblendet blieben. Zur verfassungsrechtlich gebotenen rechtzeitigen Einleitung des Übergangs zur Klimaneutralität bedürfe es eines hinreichenden Maßes an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit, woraus auch der Exekutive eine aktive Steuerungsrolle zuwachse. Beklagter und Beigeladene müssten dazu beitragen, dass schnellstmöglich, jedenfalls aber ab Beginn der 2030er Jahre, weitgehend eine Versorgung mit Wasserstoff gewährleistet sei. Die unbefristete Zulassung eines Betriebs mit fossilem Gas setze gegenteilige Anreize. 4 Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss vom 19. August 2022 zu ergänzen um eine Verpflichtung der Beigeladenen, wonach die planfestgestellte Gasversorgungsleitung Nr. 104 bei Außerbetriebnahme der am Standort Voslapper Groden in Wilhelmshaven beabsichtigten Floating Storage and Regasification Unit (FSRU), spätestens aber ab 1. Januar 2033 nicht mehr mit fossilem Gas, sondern nur mit durch Elektrolyse unter Zuhilfenahme von erneuerbar erzeugtem Strom erzeugtem Wasserstoff sowie dessen Derivaten betrieben werden darf, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden über eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses vom 19. August 2022 um eine Verpflichtung der Beigeladenen, wonach die planfestgestellte Gasversorgungsleitung Nr. 104 ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr mit fossilem Gas, sondern nur mit durch Elektrolyse unter Zuhilfenahme von erneuerbar erzeugtem Strom erzeugtem Wasserstoff sowie dessen Derivaten betrieben werden darf. 5 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils, die Klage abzuweisen. 6 Der Beklagte macht geltend, der Gasverbrauch sei nicht Gegenstand des Vorhabens und rechtfertige daher keine behördlichen Beschränkungen des Leitungsbetriebs. Nur durch das Vorhaben selbst verursachte Emissionen seien nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG sektorübergreifend zu berücksichtigen. Es sei nicht verlässlich zu prognostizieren, zu welchem Zeitpunkt die Leitung nicht mehr für den Transport von Erdgas benötigt werde. Wegen der gesetzlichen Befristung von Genehmigungen für den Betrieb der Terminals mit fossilem Gas bis Ende 2043 gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LNGG könne für eine Anbindungsleitung nicht ein deutlich früheres Ende des fossilen Betriebs vorgegeben werden. 7 Die Beigeladene hält die Klage für unzulässig, weil der Kläger zuvor keinen entsprechenden Antrag beim Beklagten gestellt habe, jedenfalls aber für unbegründet. § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG ändere nichts am Vorhabenbezug der fachplanerischen Abwägung und erstrecke sich daher nicht auf Auswirkungen des Gasverbrauchs. Verbrauchsbedingte Emissionen seien dem Leitungsvorhaben nicht zuzurechnen. Für sie bestehe in anderem Kontext ein umfassender Regelungskomplex zur Einhaltung der Klimaschutzziele. Die gesetzgeberische Entscheidung zugunsten der Zulässigkeit eines fossilen Betriebs der Terminals bis Ende des Jahres 2043 stehe der begehrten Planergänzung entgegen. Auch der Netzentwicklungsplan Gas gehe von einer künftigen Energieversorgung mit Erdgas aus. Es lasse sich nicht belastbar prognostizieren, ab wann eine Umstellung auf grünen Wasserstoff zu wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen möglich sei. 8 Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht stellt keinen Antrag. II 9 Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht als erstinstanzlich zuständiges Gericht zu entscheiden hat, ist zulässig, aber sowohl mit dem Hauptantrag als auch mit dem Hilfsantrag unbegründet. 10 A. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i. V. m. § 12 Satz 1 des Gesetzes zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases (LNG-Beschleunigungsgesetz - LNGG) vom 24. Mai 2022 (BGBl. I S. 802), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Oktober 2022 (BGBl. I S. 1726). Danach entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten über Vorhaben nach § 2 LNGG. Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung und den Betrieb der LNG-Anbindungsleitung von Wilhelmshaven nach Etzel. Dabei handelt es sich um ein Vorhaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 LNGG i. V. m. Nr. 2.5 der Anlage zum LNGG. Die Leitung dient zur Anbindung der Floating Storage and Regasification Unit (FSRU) am Standort Voslapper Groden in Wilhelmshaven sowie eines ebenda geplanten landgebundenen Terminals an das Gasfernleitungsnetz. 11 B. Die Klage, die auf Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine Regelung zum künftigen Betrieb der Leitung nur noch mit klimaneutralem Wasserstoff und Derivaten hiervon gerichtet ist, ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. 12 1. Als eine nach § 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) anerkannte Umweltvereinigung ist der Kläger gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG klagebefugt. 13 Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann eine anerkannte Umweltvereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG einlegen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG gehören hierzu auch Verwaltungsakte, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden. So liegt es hier. 14 a) Gegenstand des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses sind die Errichtung und der Betrieb einer LNG-Anbindungsleitung (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung vom 7. Juli 2005 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Mai 2023 ) und damit die Zulassung eines Vorhabens im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG (vgl. zum Begriff der Vorhabenzulassung BVerwG, Urteil vom 8. November 2022 - 7 C 7.21 - NVwZ 2023, 745 Rn. 18 f. m. w. N.). Der Planfeststellungsbeschluss ergeht unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften (vgl. § 1 Abs. 4 UmwRG) des Bundesrechts. Das gilt namentlich im Hinblick auf das fachplanungsrechtliche Abwägungsgebot gemäß § 43 Abs. 3 EnWG, das die Berücksichtigung auch von Belangen des Umweltschutzes fordert (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 9 A 18.11 - BVerwGE 144, 243 Rn. 12), in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 1 des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2513), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. August 2021 (BGBl. I S. 3905), insbesondere solcher des Klimaschutzes. 15 b) Durch den Planfeststellungsbeschluss wird im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ein ""andere[s] als in den Nummern 1 bis 2b genannte[s] Vorhaben"" zugelassen. 16 Der Rückgriff auf Nummer 5 des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG ist insbesondere nicht im Hinblick auf Nummer 1 dieser Vorschrift ausgeschlossen. Danach ist das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anzuwenden auf Rechtsbehelfe gegen Zulassungsentscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 6 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die unter anderem nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bestehen kann. 17 Zwar handelt es sich bei dem Planfeststellungsbeschluss um eine Zulassungsentscheidung im Sinne von § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG. Auch sind Vorhaben der hier in Rede stehenden Art grundsätzlich einer allgemeinen Vorprüfung zur Feststellung der UVP-Pflicht unterworfen (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 UVPG i. V. m. Nr. 19.12.3 der Anlage 1 zum UVPG), sodass dafür im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG eine UVP-Pflicht bestehen kann. Nachdem die Beigeladene die Durchführung einer UVP beantragt und der Beklagte dies als zweckmäßig erachtet hatte, bestand für das streitige Vorhaben ursprünglich sogar eine UVP-Pflicht unabhängig von einer Vorprüfung (§ 7 Abs. 3 UVPG). 18 Im Nachgang hierzu ist aber am 1. Juni 2022 das LNG-Beschleunigungsgesetz in Kraft getreten, das auf das zu diesem Zeitpunkt bereits begonnene, aber noch nicht abgeschlossene Planfeststellungsverfahren Anwendung findet (§ 13 Abs. 1 Satz 1 LNGG). Gemäß § 4 Abs. 1 LNGG ist das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung hier nicht anzuwenden, sodass weder eine UVP noch eine UVP-Vorprüfung durchzuführen war (aa). Diese Regelung verstößt nicht gegen Unionsrecht (bb) und hat zur Folge, dass der Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG eröffnet ist (cc). 19 aa) § 4 Abs. 1 LNGG bestimmt, dass abweichend von § 1 Abs. 4 UVPG die für die Zulassungsentscheidung zuständige Behörde bei Vorhaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 und 5 LNGG das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 des § 4 LNGG nicht anzuwenden hat, wenn eine beschleunigte Zulassung des konkreten Vorhabens geeignet ist, einen relevanten Beitrag zu leisten, um eine Krise der Gasversorgung zu bewältigen oder abzuwenden. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses maßgeblichen Zeitpunkt seines Erlasses erfüllt waren. 20 (1) Unter den in § 4 Abs. 1 LNGG genannten Voraussetzungen gilt es nach Einschätzung des Gesetzgebers auch eine in Monaten oder Wochen gemessene Verfahrensverzögerung und daraus potenziell resultierende Gasversorgungslücken unbedingt zu vermeiden (vgl. hierzu und zum Folgenden BT-Drs. 20/1742 S. 18). Von einem relevanten Beitrag zur Bewältigung oder Abwendung einer Gasversorgungskrise ist regelmäßig auszugehen, wenn über die konkrete Anlage mehr als nur geringfügig LNG eingespeist werden kann und soll und eine Gasmangellage vorliegt oder droht. Für eine Gasmangellage ist eine Gaswarnstufe nach dem Notfallplan Gas nach der Verordnung (EU) 2017/1938 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 994/2010 (ABl. L 280 S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2022/1032 vom 29. Juni 2022 (ABl. L 173 S. 17, L 245 S. 70), ein Indiz. Eine Gasmangellage entfällt, wenn die Versorgung zwischenzeitlich durch andere neu hinzugekommene sichere Bezugsquellen dauerhaft gesichert ist. Von einem mengenmäßig relevanten Beitrag kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn das Vorhaben eine jährliche Regasifizierungskapazität von zumindest 5 Mrd. m³ erreicht oder überschreitet. Anbindungsleitungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 LNGG leisten regelmäßig einen relevanten Beitrag dazu, eine Krise der Gasversorgung abzuwenden, wenn sie zur Anbindung einer Anlage, für die die Behörde nach ihrer Einschätzung von einem solchen Beitrag ausgeht, an das Fernleitungsnetz benötigt werden. 21 Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Beklagte zutreffend bejaht. Der Kläger zieht dies nicht in Zweifel. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat am 30. März 2022 die Frühwarnstufe und am 23. Juni 2022 die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Nach dem von dem damaligen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf der Grundlage von Art. 8 der Verordnung (EU) 2017/1938 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017 beschlossenen Notfallplan Gas rechtfertigen unter anderem gravierende Reduzierungen von Gasströmen an wichtigen physischen Einspeisepunkten und der Ausfall von wichtigen Aufkommensquellen, die Ausrufung der Alarmstufe. Sowohl im Zeitpunkt der Anordnung der Alarmstufe als auch im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses lagen beide Voraussetzungen vor, nachdem Russland seine Gaslieferungen deutlich reduziert hatte. In ihrem Lagebericht Gasversorgung vom 19. August 2022 beschrieb die Bundesnetzagentur die Lage als angespannt; eine weitere Verschlechterung der Situation könne nicht ausgeschlossen werden (https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Gasversorgung/Archiv/start.html). Die streitgegenständliche Gasleitung leistet auch einen relevanten Beitrag zur Abwendung einer Gasversorgungskrise. Sie bindet die FSRU in Wilhelmshaven mit einer Regasifizierungskapazität von ca. 7,5 Mrd. m3 pro Jahr an die Norddeutsche Erdgas-Transversale (NETRA) an. 22 (2) Die verfahrensrechtlichen Maßgaben zur Beteiligung der Öffentlichkeit sowie zur Unterrichtung der Europäischen Kommission gemäß § 4 Abs. 4 und 5 LNGG sind beachtet worden. Die Europäische Kommission hat die unionsrechtliche Zulässigkeit des Vorgehens bestätigt. 23 bb) § 4 LNGG steht mit Unionsrecht, namentlich mit der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung (ABl. L 26 S. 1) in der durch die Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 (ABl. L 124 S. 1) geänderten Fassung (UVP-RL) im Einklang. 24 Nach Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 1 UVP-RL können Mitgliedstaaten unbeschadet des Art. 7 der Richtlinie in Ausnahmefällen ein bestimmtes Projekt von den Bestimmungen der Richtlinie ausnehmen, wenn sich die Anwendung dieser Bestimmungen nachteilig auf den Zweck des Projekts auswirken würde, jedoch unter der Voraussetzung, dass die Ziele der Richtlinie verwirklicht werden. In diesem Fall müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 2 UVP-RL prüfen, ob eine andere Form der Prüfung angemessen ist (Buchst. a), der betroffenen Öffentlichkeit bestimmte Informationen zugänglich machen (Buchst. b) sowie die Europäische Kommission vor Erteilung der Genehmigung unterrichten (Buchst. c). 25 Ein Ausnahmefall kommt danach insbesondere bei einer Gefährdung der Energieversorgungssicherheit in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Juli 2019 - C-411/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​622] - juris Rn. 97, 101 f.), wie sie § 4 Abs. 1 LNGG mit einer Krise der Gasversorgung, die es zu bewältigen oder abzuwenden gilt, in Bezug nimmt. Vernünftige Zweifel an der richtigen Anwendung der unionsrechtlichen Vorgaben und der Vereinbarkeit des § 4 LNGG hiermit, die Anlass zu einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union geben würden, resultieren nicht daraus, dass nach Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 1 UVP-RL nur ""in Ausnahmefällen ein bestimmtes Projekt"" von den Bestimmungen der Richtlinie ausgenommen werden kann, während § 4 Abs. 1 LNGG das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung hinsichtlich aller Vorhaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 und 5 LNGG unter bestimmten Voraussetzungen für nicht anwendbar erklärt. Denn die Ausnahme nach § 4 Abs. 1 LNGG gilt nach § 2 Abs. 2 LNGG lediglich für die in der Anlage zum LNGG nach ihrem Standort spezifizierten Vorhaben und setzt überdies voraus, dass für jedes einzelne Vorhaben und damit für jedes ""bestimmte Projekt"" im Sinne des Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 1 UVP-RL geprüft wird, ob die beschleunigte Zulassung geeignet ist, einen relevanten Beitrag zu leisten, um eine Krise der Gasversorgung zu bewältigen oder abzuwenden. Danach bedarf es in jedem Einzelfall einer Prüfung und Entscheidung der jeweils zuständigen Behörde, ob hinsichtlich des ""konkreten Vorhabens"" (so ausdrücklich § 4 Abs. 1 LNGG) eine Ausnahme von der Durchführung einer UVP oder UVP-Vorprüfung in Betracht kommt. Die Kritik, dass § 4 Abs. 1 LNGG einen Verzicht für abstrakt-generell beschriebene, nur mittels des Standorts näher konkretisierte Projekte und damit für eine ganze Projektkategorie anordne (so Schlacke/Wentzien/Römling, NVwZ 2022, 1577 <1585 f.> und Kment/Fimpel, NuR 2022, 599 <604>) überzeugt deshalb nicht. Durch die Einzelfallprüfung der Eignung nach § 4 Abs. 1 LNGG wird sichergestellt, dass nur solche Vorhaben von der Anwendung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung ausgenommen werden, bei denen sich diese nachteilig auf den Zweck des Projekts auswirken würde. Daher ist die Regelung in § 4 Abs. 1 LNGG auch nicht mit einer Ausnahmeregelung vergleichbar, die pauschal an bestimmte Schwellenwerte anknüpft (vgl. dazu EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 13. November 2014 - C-570/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2374] - Rn. 60). 26 cc) Der Ausschluss des Vorhabens vom Anwendungsbereich des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung führt zur Anwendbarkeit des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG. 27 § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG dient, wie auch die Nummern 4 und 6 des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG, dem Ziel einer vollständigen Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Konvention - AK -, BGBl. 2006 II S. 1251; vgl. BVerwG, Urteil vom 8. November 2022 - 7 C 7.21 - NVwZ 2023, 745 Rn. 19 m. w. N.). Die Norm hat Auffangcharakter und ist mit Blick auf die den mitgliedstaatlichen Gerichten obliegende Verpflichtung, das nationale Recht so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 AK als auch mit dem Ziel eines effektiven Rechtsschutzes zu interpretieren, weit auszulegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. November 2022 - 7 C 7.21 - NVwZ 2023, 745 Rn. 19 m. w. N.). Mit Blick darauf ist das nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG bestehende Exklusivitätsverhältnis zwischen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 5 UmwRG nach der Rechtsprechung des Senats einschränkend dahin zu verstehen, dass es nur solche Vorhaben betrifft, bei denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird und die mithin gemäß § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwRG einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle unterliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. November 2022 - 7 C 7.21 - NVwZ 2023, 745 Rn. 24 m. w. N.). Der Auffangtatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG erfasst deshalb auch solche Vorhaben, bei denen nach Durchführung einer UVP-Vorprüfung keine erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten sind und deshalb eine UVP-Pflicht nicht besteht, obwohl wegen der aus der UVP-Vorprüfungspflicht resultierenden Möglichkeit einer UVP-Pflicht auch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG erfüllt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 - 7 C 5.18 - BVerwGE 166, 321 Rn. 19, 25, 41). Er greift ferner dann ein, wenn eine gebotene UVP-Vorprüfung unterbleibt und deshalb nicht feststeht, ob eine UVP-Pflicht besteht oder nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. November 2022 - 7 C 7.21 - NVwZ 2023, 745 Rn. 25). 28 Ausgehend davon findet § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG auch Anwendung auf Zulassungsentscheidungen für Vorhaben, die deshalb keiner UVP zu unterziehen und mithin nach § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwRG einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle entzogen sind, weil eine nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung an sich bestehende UVP-Pflicht oder UVP-Vorprüfungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 LNGG ausgeschlossen ist. 29 c) Auch im Übrigen sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UmwRG erfüllt. Insbesondere rügt der Kläger einen Verstoß gegen § 43 Abs. 3 EnWG i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG und damit eine Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften, die für den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss von Bedeutung sein können (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 UmwRG). § 4 Abs. 1 Satz 10 KSG, wonach subjektive Rechte und klagbare Rechtspositionen durch oder aufgrund des Bundes-Klimaschutzgesetzes nicht begründet werden, steht der Rügebefugnis einer nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltvereinigung, die eine unzureichende Berücksichtigung von Klimaschutzbelangen in der fachplanerischen Abwägung geltend macht, nicht entgegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 70). 30 2. Entgegen der Einschätzung der Beigeladenen ist die Klage nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger vor Klageerhebung keinen erfolglosen Antrag beim Beklagten auf Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um die erstrebte Regelung gestellt hat. Der Kläger begehrt nicht isoliert den Erlass eines Verwaltungsakts, sondern wendet sich gegen den der Beigeladenen auf deren Antrag erteilten Planfeststellungsbeschluss, den er ohne die erstrebte Regelung für rechtswidrig hält. Wenn er sich dabei auf eine Verpflichtungsklage auf Planergänzung beschränkt, so entspricht dies dem Grundsatz der Planerhaltung (vgl. § 43 Abs. 4, § 43d EnWG i. V. m. § 75 Abs. 1a VwVfG). Danach kommt die gerichtliche Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses oder die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit nicht in Betracht - eine darauf gerichtete Klage wäre unbegründet –, wenn sich ein dem Planfeststellungsbeschluss anhaftender Rechtsfehler durch schlichte Planergänzung beheben lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 22, 24). Der Grundsatz der Planerhaltung rechtfertigt es nicht, dem durch einen - unterstellt - rechtswidrigen Planfeststellungsbeschluss in seinen Rechten Betroffenen oder einer ohne eigene Rechtsbetroffenheit klagebefugten Umweltvereinigung abzuverlangen, vor Klageerhebung zunächst bei der Planfeststellungsbehörde um Fehlerkorrektur nachzusuchen. Im Übrigen liefe dies auf ein Vorverfahren hinaus, dessen Durchführung es nach dem Gesetz nicht bedarf (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i. V. m. § 74 Abs. 1 Satz 2 und § 70 VwVfG). 31 C. Die Klage ist sowohl mit dem Hauptantrag als auch mit dem Hilfsantrag unbegründet. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht deshalb gegen für ihn bedeutsame umweltbezogene Rechtsvorschriften (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG), weil er die von dem Kläger begehrte Regelung nicht enthält oder der Beklagte zumindest über eine entsprechende Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses zu entscheiden hätte. 32 Der Kläger begehrt in erster Linie die Verpflichtung des Beklagten zur Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine Regelung, wonach die Anbindungsleitung ab dem Zeitpunkt der Außerbetriebnahme der FSRU am Standort Voslapper Groden in Wilhelmshaven, spätestens aber ab dem 1. Januar 2033 nicht mehr mit fossilem Gas, sondern nur noch mit klimaneutralem Wasserstoff und Derivaten hiervon betrieben werden darf. Hilfsweise begehrt er die Verpflichtung des Beklagten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine Regelung zu entscheiden, nach der die Anbindungsleitung ab einem bestimmten künftigen Zeitpunkt nur noch in der beschriebenen Weise betrieben werden darf; ausweislich des Vorbringens des Klägers muss dieser ""bestimmte künftige Zeitpunkt"" jedenfalls (deutlich) vor Ablauf des Jahres 2043 liegen. 33 Der Beklagte ist zu einer derartigen Planergänzung nicht berechtigt. Ihr stehen zwingende Vorschriften des LNG-Beschleunigungsgesetzes entgegen (1.). Das fachplanerische Abwägungsgebot eröffnet auch in Verbindung mit dem klimaschutzrechtlichen Berücksichtigungsgebot gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG dem Beklagten insoweit keinen Entscheidungsspielraum (2.). Das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot steht diesem Ergebnis nicht entgegen (3.). 34 1. Nach dem LNG-Beschleunigungsgesetz ist der Betrieb von LNG-Terminals mit verflüssigtem Erdgas bis zum 31. Dezember 2043 grundsätzlich zulässig, sodass es der Genehmigungsbehörde - vorbehaltlich eines entsprechend beschränkten Genehmigungsantrags - verwehrt ist, im Genehmigungsbescheid einen früheren Zeitpunkt für die Beendigung eines LNG-basierten Betriebs zu verfügen (a). Entsprechendes gilt in der Folge auch für die Planfeststellungsbehörde bei der Planfeststellung einer LNG-Anbindungsleitung (b). 35 a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LNGG ist das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) mit der Maßgabe anzuwenden, dass für Anlagen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LNGG (LNG-Terminals) die Genehmigung nach § 4 BImSchG mit der Bestimmung zu erteilen ist, dass der Betrieb der Anlage mit verflüssigtem Erdgas spätestens am 31. Dezember 2043 einzustellen ist. Soll eine derartige Anlage über den 31. Dezember 2043 hinaus betrieben werden, kann nach § 5 Abs. 2 LNGG die Genehmigung zum Weiterbetrieb nur für einen Betrieb mit klimaneutralem Wasserstoff und Derivaten hiervon erteilt werden (Satz 1) und ist dies bis zum Ablauf des 1. Januar 2035 zu beantragen (Satz 2). Mit diesen Regelungen will der Gesetzgeber rechtlich absichern, dass die LNG-Terminals und die LNG-Anbindungsleitungen bereits ""wasserstoff-ready"" geplant werden, um in Einklang mit den Klimaschutzzielen des Bundes-Klimaschutzgesetzes und Vorgaben des Klimaschutzbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18 u. a. - (BVerfGE 157, 30) eine möglichst frühzeitige Umstellung auf Wasserstoff zu ermöglichen (vgl. BT-Drs. 20/1742 S. 16). Sie schließen es aus, dass eine Behörde im Genehmigungs- oder Planfeststellungsverfahren eine kürzere Frist als bis zum 31. Dezember 2043 zur zwingenden Umstellung des Anlagenbetriebs auf grünen Wasserstoff oder Derivaten hiervon bestimmt. 36 § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LNGG regelt für den Betrieb der LNG-Terminals mit verflüssigtem Erdgas eine maximal zulässige Höchstfrist bis zum 31. Dezember 2043. Der Gesetzeswortlaut gibt keinen Anhalt dafür, dass die Genehmigungsbehörde eine kürzere Frist als bis zum 31. Dezember 2043 anordnen dürfte, wenn ein Genehmigungsantragsteller die Höchstfrist auszuschöpfen gedenkt. Ein diesbezüglicher behördlicher Entscheidungsspielraum widerspräche dem gebundenen Charakter der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 6 Abs. 1 BImSchG, an dem auch das klimaschutzrechtliche Berücksichtigungsgebot gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG, das keine neuen Handlungs- oder Entscheidungsspielräume eröffnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 62 sowie unten Rn. 43), nichts ändert. Dafür spricht ferner § 5 Abs. 2 Satz 1 LNGG, der sachlich an die Befristungsregelung in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LNGG anknüpft. Wenn danach ein Weiterbetrieb von LNG-Terminals über den 31. Dezember 2043 hinaus nur mit klimaneutralem Wasserstoff und Derivaten hiervon genehmigt werden kann, so bedeutet dies im Umkehrschluss, dass ein Anlagenbetrieb mit verflüssigtem Erdgas bis zum 31. Dezember 2043 genehmigungsfähig ist. Für diese Sichtweise streitet schließlich auch der in der Entwurfsbegründung zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers, mit der Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 1 LNGG ""den Betreibern [...] bereits vor Inbetriebnahme der Anlage ein[en] Weg zur Nutzung über das Jahr 2043 hinaus"" aufzuzeigen und sowohl hierdurch als auch durch die Befristung des fossilen Betriebs nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LNGG zu ihren Gunsten für kalkulatorische Planungssicherheit zu sorgen (vgl. BT-Drs. 20/1742 S. 21). 37 b) In entsprechender Weise ist es im Rahmen der Planfeststellung einer LNG-Anbindungsleitung der Planfeststellungsbehörde verwehrt, den Betrieb der Leitung mit fossilem Gas auf einen Zeitpunkt vor dem 31. Dezember 2043 zu befristen, soweit sie damit hinter dem Antrag des Vorhabenträgers zurückbliebe. Zwar beziehen sich die für die Befristung eines fossilen Betriebs maßgeblichen Regelungen in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 LNGG unmittelbar nur auf die Zulassung von Terminals nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LNGG, nicht hingegen auch auf die Zulassung von Anbindungsleitungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 LNGG. Bei diesen handelt es sich aber um eine notwendige ""Hilfsinfrastruktur"", ohne die ein Betrieb der Terminals praktisch nicht möglich wäre. Angesichts des dienenden, akzessorischen Charakters der Anbindungsleitungen bedurfte es keiner Erstreckung der Befristungsregelungen in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 LNGG auch auf sie. Denn sobald ein fossiler Betrieb der Terminals eingestellt wird, kommt es auch nicht mehr zur Durchleitung fossilen Gases durch eine Anbindungsleitung. Umgekehrt müssen Anbindungsleitungen aber für die gesamte Dauer des zulässigen fossilen Betriebs der angebundenen Terminals für die Durchleitung fossilen Gases tatsächlich und rechtlich zur Verfügung stehen. Andernfalls würde auch das mit § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 LNGG vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, zugunsten der Anlagenbetreiber für Planungssicherheit zu sorgen, konterkariert. Diese Vorschriften enthalten deshalb auch für die Planfeststellung einer Anbindungsleitung eine zwingende gesetzliche Vorgabe zur zulässigen Dauer eines Betriebs mit fossilem Gas, die im Rahmen der fachplanerischen Abwägung nicht überwunden werden kann. 38 2. Das fachplanerische Abwägungsgebot eröffnet dem Beklagten auch deshalb keinen weitergehenden Spielraum für zeitliche Beschränkungen eines fossilen Leitungsbetriebs, weil es auf vorhabenbedingte Auswirkungen beschränkt ist und sich daher nicht auf die - von dem Kläger innerhalb der Klagebegründungsfrist und auch später ausschließlich thematisierten - Treibhausgasemissionen beim Verbrauch des durch die Anbindungsleitung transportierten Gases erstreckt (a). Aus dem klimaschutzrechtlichen Berücksichtigungsgebot gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG ergibt sich nichts anderes (b). 39 a) Nach § 43 Abs. 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Hierin kommt der Vorhabenbezug der fachplanerischen Abwägung zum Ausdruck. Sie dient der optimalen Gestaltung des Vorhabens im Hinblick auf die mit ihm verfolgten Ziele sowie der Bewältigung der durch das Vorhaben ausgelösten Konflikte. Das Vorhaben in diesem Sinne besteht vorliegend aus der Errichtung und dem Betrieb der Anbindungsleitung. Der Leitungsbetrieb umfasst den Transport des Erdgases, nicht hingegen auch einen späteren Gasverbrauch. Zwar sind auch mittelbare Auswirkungen eines Vorhabens in die Abwägung einzustellen. Stets muss es sich aber um Auswirkungen gerade des Vorhabens handeln. Das setzt voraus, dass die jeweiligen Auswirkungen dem Vorhaben bei wertender Betrachtung zurechenbar sind, weil sich in ihnen ein vorhabenspezifisches Risiko realisiert, dessen Bewältigung das gesetzliche Planfeststellungserfordernis zu dienen bestimmt ist. Das ist in der Rechtsprechung etwa im Rahmen der fernstraßenrechtlichen Planfeststellung bei einem eindeutigen Ursachenzusammenhang zwischen einem Straßenbauvorhaben und der zu erwartenden Verkehrszunahme auf einer anderen, nicht vom Planfeststellungsbeschluss umfassten Straße angenommen worden (BVerwG, Urteil vom 17. März 2005 - 4 A 18.04 - BVerwGE 123, 152 <157>), ferner dann, wenn sich die Auswirkungen eines Vorhabens auf die Aufgabenerfüllung einer anderen Behörde dauerhaft erheblich auswirken können (BVerwG, Urteile vom 28. April 2016 - 9 A 11.15 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 171 Rn. 13 und - 9 A 8.15 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 170 Rn. 15 sowie vom 28. Februar 2019 - 3 A 4.16 - BVerwGE 165, 33 Rn. 28). Eine solche oder eine vergleichbare Konstellation liegt hier nicht vor (in diesem Sinne auch BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2021 - 4 B 25.20 - juris Rn. 22). Die bestimmungsgemäße Nutzung der Anbindungsleitung liegt im Gastransport und erschöpft sich darin. Der spätere Verbrauch des Gases findet an anderer Stelle statt und unterliegt eigenen Regulierungen gerade auch mit dem Ziel einer Reduktion damit verbundener Treibhausgasemissionen, insbesondere durch das einschlägige Anlagenzulassungsrecht, das Treibhausgas-Emissionshandelsrecht sowie rechtliche Vorgaben für den Energieeinsatz in Gebäuden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2023 - 7 VR 3.23 - juris Rn. 45). 40 Zudem spricht eine normative Bewertung dieser mittelbaren Auswirkungen des Vorhabens dagegen, sie der Anbindungsleitung zuzurechnen. Das folgt bereits aus dem sektorspezifischen Ansatz des Bundes-Klimaschutzgesetzes, welches nach § 4 Abs. 1 Satz 1 KSG jährliche Minderungsziele für die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft und Sonstiges vorsieht. Das durch das Gasfernleitungsnetz transportierte Gas ist aber sektorneutral und kann in jedem der genannten Sektoren Verwendung finden. Eine Zuordnung zu einem dieser Sektoren kann daher erst mit dem klimarelevanten Verbrauch des Gases, nicht aber mit seinem Transport erfolgen (BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2023 - 7 VR 3.23 - juris Rn. 46). 41 In ähnlicher Weise setzt auch das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen vom 21. Juli 2011 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. August 2021 ) in seinem § 4 Abs. 1 Satz 1 bei der Emission von Treibhausgasen und nicht bei dem Transport fossiler Brennstoffe an. Der durch die genannte Vorschrift in Bezug genommene Anhang 1 Teil 2 Nummer 1 bis 32 führt lediglich Treibhausgas emittierende Anlagen auf. Transportleitungen werden allein in Nummer 31 erwähnt. Dort geht es aber um Leitungen zur Beförderung von Treibhausgasen, die zum Zwecke der geologischen Speicherung - und nicht zu einem späteren Verbraucher - transportiert werden (BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2023 - 7 VR 3.23 - juris Rn. 47). 42 b) An dem Vorhabenbezug der Abwägung ändert auch § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG nichts. 43 Danach haben die Träger öffentlicher Aufgaben bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck dieses Gesetzes und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele zu berücksichtigen. Dieses Berücksichtigungsgebot ist Ausfluss und Konkretisierung der aus Art. 20a GG folgenden staatlichen Verpflichtung zum Klimaschutz einschließlich des Ziels der Herstellung von Klimaneutralität. Es soll nach dem Willen des Gesetzgebers bei allen Planungen und Entscheidungen der Exekutive zum Tragen kommen, soweit im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften Entscheidungsspielräume bestehen. § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG begründet selbst keine neuen Handlungs- und Entscheidungsspielräume, sondern setzt das Bestehen derartiger Spielräume aufgrund gesetzlicher Regelungen voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 61 f. m. w. N.). Rechtlicher Anknüpfungspunkt dafür ist vorliegend das fachplanerische Abwägungsgebot und der dem Beklagten als Planfeststellungsbehörde insoweit eröffnete Gestaltungsspielraum. Wegen des Vorhabenbezugs der Abwägung ist das Berücksichtigungsgebot jedoch - wie dargelegt - auf Klimaauswirkungen beschränkt, die dem Vorhaben zurechenbar sind. Es erstreckt sich deshalb nicht auf Klimaauswirkungen des Verbrauchs des durch die Leitung transportierten Erdgases. 44 Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist eine andere Einschätzung nicht deshalb veranlasst, weil das Berücksichtigungsgebot nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sektorübergreifend im Sinne einer Gesamtbilanz zu verstehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 83). Danach ist mit Blick auf Zweck und Ziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes eine Berücksichtigung der klimarelevanten Auswirkungen eines Vorhabens über alle in der Anlage 1 des Bundes-Klimaschutzgesetzes genannten Sektoren hinweg geboten. Die Betrachtung darf sich also nicht auf einzelne Sektoren beschränken. Dementsprechend sind nicht nur die in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 KSG genannten, potenziell emissionsverursachenden Sektoren in den Blick zu nehmen, sondern auch der positiv für die Gesamtbilanz wirkende Beitrag des Sektors der Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft nach § 3a KSG, wenn durch das Vorhaben Klimasenken beeinträchtigt oder zerstört werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 83 f., 99). Daraus ergibt sich indes nichts für die vorgelagerte Frage, ob es sich bei bestimmten klimarelevanten Auswirkungen um solche des Vorhabens handelt. Nur soweit dies der Fall ist, greift das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG ein. Die Vorschrift ist keine Zurechnungsnorm für anderweitig verursachte Klimafolgen. Sie gebietet die Berücksichtigung der klimarelevanten Auswirkungen des geplanten Vorhabens über alle Sektoren hinweg, nicht aber eine sektorübergreifende Zurechnung von Treibhausgasemissionen aus anderen Quellen. 45 3. Das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot steht diesem Ergebnis nicht entgegen. 46 Art. 20a GG verpflichtet den Staat - auch in Verantwortung für künftige Generationen - zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen; dies umfasst die Verpflichtung zum Klimaschutz einschließlich des Ziels der Herstellung von Klimaneutralität (vgl. grundlegend BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78, 96 und 288/20 - BVerfGE 157, 30 Rn. 197 f.). Zu den Adressaten des Schutzgebots gehört die vollziehende Gewalt ""nach Maßgabe von Gesetz und Recht"". Das bedeutet, dass die Staatsziele des Art. 20a GG für die Verwaltung grundsätzlich dort Bedeutung entfalten, wo die Gesetze ihr Entscheidungsspielräume überlassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 61). Konkretisierung und Ausgestaltung des Klimaschutzgebots obliegen aber in erster Linie dem Gesetzgeber, dem sich dabei ein erheblicher Gestaltungsspielraum eröffnet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78, 96 und 288/20 - BVerfGE 157, 30 Rn. 205, 207, 213, 249). Er hat mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz den maßgeblichen Rechtsrahmen für die nationale Klimapolitik geschaffen und das Klimaschutzziel des Grundgesetzes in § 1 Satz 3 KSG näher bestimmt (BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78, 96 und 288/20 - BVerfGE 157, 30 Rn. 197, 208 f.; BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 62). Zu diesem Zweck sieht das Gesetz als nationale Klimaschutzziele eine schrittweise Minderung der Treibhausgasemissionen vor (§ 3 KSG) und legt dafür durch Vorgabe von Jahresemissionsmengen jährliche Minderungsziele für verschiedene Sektoren fest (§ 4 KSG). Diese Festlegungen richten sich in erster Linie an den Gesetzgeber selbst, in dessen Entscheidung es liegt, wie er innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit in den einzelnen Sektoren die Klimaschutzziele erreichen will (BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 97). Auf bestimmte einzelne Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele ist er von Verfassungs wegen nicht festgelegt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Dezember 2022 - 1 BvR 2146/22 - NVwZ 2023, 158 Rn. 5). Er überschreitet seinen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er - wie im vorliegenden Kontext bezogen auf den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2043 - das Ziel einer sukzessiven Minderung von Treibhausgasemissionen aufgrund des Verbrauchs fossilen Gases nicht durch einschränkende Vorgaben für die Betriebszulassung von Anlagen der Gasversorgungsinfrastruktur verfolgt, sondern regulatorisch am Gasverbrauch ansetzt, insbesondere durch das insoweit einschlägige Anlagenzulassungsrecht, das Treibhausgas-Emissionshandelsrecht oder rechtliche Vorgaben für den Energieeinsatz in Gebäuden. Die vom Kläger in den Fokus gerückte maximale Transportkapazität der planfestgestellten Anbindungsleitung hindert den Gesetzgeber nicht, wirksame verbrauchsbezogene Emissionsminderungsmaßnahmen zu ergreifen. Die Beigeladene hat keinen Anspruch auf eine bestimmte Durchleitungsmenge fossilen Gases bis zum 31. Dezember 2043 und kann auch nicht berechtigterweise darauf vertrauen, dass die Anbindungsleitung noch bis zu diesem Zeitpunkt für den Gastransport tatsächlich benötigt wird und wirtschaftlich betrieben werden kann. Es ist gegenwärtig auch nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber mit Rücksicht auf die erklärtermaßen als Brückenlösung und mit der Perspektive einer Umstellung auf klimaneutralen Wasserstoff und Derivaten hiervon konzipierte LNG-Infrastruktur (vgl. BT-Drs. 20/1742 S. 16, 20 f.) von weiteren Anstrengungen zur Reduzierung des Einsatzes fossilen Gases Abstand nehmen und seine selbst gesetzten Klimaschutzziele deshalb verfehlen könnte. Schließlich ist es auch nicht Aufgabe der Planfeststellungsbehörde, im Rahmen des Berücksichtigungsgebots des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG eine dem Gesetzgeber zukommende Entscheidung über die Frage, ob Erdgas als Energieträger benutzt wird, zu revidieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 97; Beschluss vom 22. Juni 2023 - 7 VR 3.23 - juris Rn. 48). Die Regelungen in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 LNGG sind Ausdruck einer gesetzgeberischen Entscheidung, dass die davon erfassten Anlagen noch bis zum 31. Dezember 2043 jedenfalls auch mit Erdgas betrieben werden dürfen (vgl. BT-Drs. 20/1742 S. 21). 47 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2023-51,22.06.2023,"Pressemitteilung Nr. 51/2023 vom 22.06.2023 EN Weisung zur Weiterqualifizierung zum Notfallsanitäter mangels Beteiligung des Personalrats rechtswidrig Beamte können durch Weisung des Dienstherrn zur Teilnahme an Maßnahmen der dienstlichen Qualifizierung verpflichtet werden, sofern es sich um bloße Anpassungsfortbildungen handelt. Dabei muss er gegebenenfalls ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Auswahl der Teilnehmer beachten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist Hauptbrandmeister (Besoldungsgruppe A9 HmbBesO) bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten. Zu deren Aufgaben gehört unter anderem der Rettungsdienst. Aufgrund seiner Ausbildung als Rettungsassistent ist der Kläger - gemeinsam mit einem Rettungssanitäter - in der Vergangenheit in der Notfallrettung eingesetzt worden. Der Kläger nahm dabei die Aufgabe des Betreuers der Patienten wahr. Aufgrund einer Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen sind seit Ende Juli 2017 bei der Notfallrettung Krankenkraftwagen mit Notfallsanitätern anstelle von Rettungsassistenten zu besetzen. Wegen des hierdurch gestiegenen Bedarfs an entsprechend qualifiziertem Personal erteilte die Beklagte dem Kläger im September 2018 die Weisung, ab Januar 2019 an einem fünfwöchigen Ergänzungslehrgang zum Notfallsanitäter und der anschließenden Ergänzungsprüfung teilzunehmen. Der Kläger nahm am Ergänzungslehrgang nicht teil. Widerspruch, Klage und Berufung gegen die ihm erteilten Weisungen sind ohne Erfolg geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision des Klägers die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtswidrigkeit der Weisung festgestellt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Weisung ist zwar hinreichend bestimmt, allerdings ist die Beteiligung des Personalrats unterblieben. Der Personalrat hat nach dem einschlägigen Landesgesetz ein Mitbestimmungsrecht bei der Auswahl von Teilnehmern an Maßnahmen der dienstlichen Qualifizierung. Eine Auswahl hat auch stattgefunden, weil nicht sämtliche hierfür in Betracht kommenden Rettungsassistenten verpflichtet worden sind. Ungeachtet dessen konnte der Kläger als Rettungsassistent durch Weisung zur Teilnahme an einem Ergänzungslehrgang mit dem Ziel der Weiterqualifizierung zum Notfallsanitäter verpflichtet werden. Denn der Kläger sollte hierdurch in die Lage versetzt werden, den gestiegenen Anforderungen an seinen Dienstposten weiterhin gerecht zu werden. BVerwG 2 C 2.22 - Urteil vom 22. Juni 2023 Vorinstanzen: OVG Hamburg, OVG 5 Bf 152/20 - Urteil vom 20. Januar 2022 - VG Hamburg, VG 20 K 6000/18 - Urteil vom 16. Juni 2020 -","Urteil vom 22.06.2023 - BVerwG 2 C 2.22ECLI:DE:BVerwG:2023:220623U2C2.22.0 EN Leitsätze: 1. Die an einen Beamten gerichtete Weisung, an einem Ergänzungslehrgang zum Erwerb der Berufsbezeichnung Notfallsanitäter teilzunehmen und im Erfolgsfall die erworbene Urkunde zum Führen der Berufsbezeichnung vorzulegen, ist ein Verwaltungsakt. 2. Die Mitbestimmung des Personalrats bei der Auswahl von Beamten für Maßnahmen der Berufsbildung nach § 88 Abs. 1 Nr. 18 HmbPersVG gilt auch für Weisungen, mit denen Beamte zur Teilnahme verpflichtet werden. 3. Feuerwehrbeamte, zu deren dienstlichen Aufgaben die Betreuung von Patienten in Rettungswagen gehört, können zur Teilnahme am Ergänzungslehrgang und der hierauf bezogenen Prüfung zur Qualifizierung als Notfallsanitäter verpflichtet werden. Rechtsquellen GG Art. 12 Abs. 1 BeamtStG § 35 Abs. 1 Satz 2 HmbBG § 22 Satz 2 HmbPersVG § 80 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, § 88 Abs. 1 Nr. 18 Instanzenzug VG Hamburg - 16.06.2020 - AZ: 20 K 6000/18 OVG Hamburg - 20.01.2022 - AZ: 5 Bf 152/20 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 22.06.2023 - 2 C 2.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:220623U2C2.22.0] Urteil BVerwG 2 C 2.22 VG Hamburg - 16.06.2020 - AZ: 20 K 6000/18 OVG Hamburg - 20.01.2022 - AZ: 5 Bf 152/20 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hartung, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hissnauer für Recht erkannt: Die Urteile des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Januar 2022 und des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 16. Juni 2020 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Weisung der Behörde für Inneres und Sport der Freien und Hansestadt Hamburg vom 17. September 2018 und der Widerspruchsbescheid des Personalamts des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg vom 19. November 2018 rechtswidrig waren. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen. Gründe I 1 Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Weisung, mit der ihm eine Weiterqualifizierung zum Notfallsanitäter aufgegeben worden ist. 2 Der Kläger ist Beamter im mittleren feuerwehrtechnischen Dienst der Beklagten und hat seit 2015 das Amt eines Hauptbrandmeisters (Besoldungsgruppe A 9 Anlage I HmbBesG) inne. Aufgrund seiner Ausbildung ist er berechtigt, die Berufsbezeichnung Rettungsassistent zu führen. Die Beklagte setzt ihn als Betreuer der Notfallpatienten in Rettungswagen ein. Da künftig nur noch Notfallsanitäter als Betreuer der Notfallpatienten verwendet werden dürfen und die Beklagte den Kläger weiterhin als Betreuer der Patienten einsetzen will, erteilte sie ihm unter dem 17. September 2018 die Weisung, in der Zeit vom 7. Januar 2019 bis 8. Februar 2019 an einem Ergänzungslehrgang zum Erwerb der Berufsbezeichnung Notfallsanitäter teilzunehmen. Des Weiteren wies sie ihn an, die Zulassung zur Ergänzungsprüfung zu beantragen, die hierfür notwendigen Unterlagen einzureichen, an der Ergänzungsprüfung teilzunehmen und die Urkunde zum Führen der Berufsbezeichnung Notfallsanitäter zu beantragen und nach Aushändigung dem zuständigen Personalreferat vorzulegen. Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch; krankheitsbedingt nahm er am Ergänzungslehrgang nicht teil. 3 Die nach erfolglos durchgeführtem Vorverfahren erhobene Klage ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Weisung sei hinreichend bestimmt und der Personalrat nicht zu beteiligen gewesen. Die Weisung konkretisiere die beamtenrechtliche Fortbildungspflicht und verletze den Kläger weder in seiner Berufs- noch in seiner Gewissensfreiheit. 4 Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er beantragt, die Urteile des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Januar 2022 und des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 16. Juni 2020 aufzuheben und festzustellen, dass die Weisung der Behörde für Inneres und Sport der Freien und Hansestadt Hamburg vom 17. September 2018 und der Widerspruchsbescheid des Personalamts des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg vom 19. November 2018 rechtswidrig waren. 5 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 6 Die Revision des Klägers ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 sowie § 191 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Die als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässige Klage (1.) ist begründet, weil die Anordnung mangels Mitbestimmung des Personalrats rechtswidrig war (2.). Zutreffend hat das Berufungsgericht dagegen festgestellt, dass die Weisung keinen materiell-rechtlichen Bedenken ausgesetzt ist (3.). 7 1. Der Kläger kann sein Begehren im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO verfolgen, weil die angegriffene Weisung einen Verwaltungsakt darstellt (a), der sich durch Zeitablauf erledigt hat (b), und der Kläger ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit geltend machen kann (c). 8 a) Die dem Kläger erteilte Weisung vom 17. September 2018 ist auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet und als Verwaltungsakt i. S. v. § 35 Satz 1 HmbVwVfG zu bewerten. 9 Auch wenn die Anordnungen auf eine behördeninterne Wirkung abzielen, nämlich die Möglichkeit, den Kläger nach erfolgreichem Abschluss der Ergänzungsprüfung zum Erwerb der Berufsbezeichnung als Notfallsanitäter weiterhin als Betreuer der Notfallpatienten in Rettungswagen einsetzen zu können, greift die Weisung zwangsläufig in die subjektive Rechtsstellung des Klägers ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 34). 10 Der Kläger wird nicht nur in seiner innerdienstlichen Funktion als Beamter im mittleren feuerwehrtechnischen Dienst angesprochen, um die Modalitäten seiner Dienstausübung festzulegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 - 2 C 3.05 - BVerwGE 125, 85 Rn. 10). Vielmehr wird ihm die Verpflichtung auferlegt, an einer berufsqualifizierenden Prüfung teilzunehmen und im Erfolgsfall die erworbene Urkunde vorzulegen. Gegenstand der Weisung ist damit nicht die organisationsinterne Art und Weise der Aufgabenerledigung und eine darauf bezogene Fortbildungsmaßnahme, sondern die Erlangung persönlicher Qualifizierungen, die der Dienstherr zukünftig nutzen möchte. Diese Qualifizierungen muss der Kläger erst - im Außenrechtsverhältnis - erwerben; genau hierauf ist die Weisung nach ihrem objektiven Sinngehalt gerichtet (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Mai 1980 - 2 C 30.78 - BVerwGE 60, 144 <145> und vom 15. Februar 1989 - 6 A 2.87 - BVerwGE 81, 258 <260>). 11 b) Der Verwaltungsakt hat sich jedoch durch Zeitablauf erledigt (§ 43 Abs. 2 HmbVwVfG), weil der für die Durchführung des Ergänzungslehrgangs vorgesehene und in der Weisung benannte Zeitraum verstrichen ist. 12 c) Der Kläger verfügt über das erforderliche Interesse an der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der ihm gegenüber ergangenen Weisung, weil mit einer Wiederholung der erledigten Maßnahme unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen zu rechnen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 42 und vom 24. Mai 2022 - 6 C 9.20 - BVerwGE 175, 346 Rn. 12). Die Beklagte hat auch im Revisionsverfahren ihre Absicht bekräftigt, den Kläger zur Teilnahme am Ergänzungslehrgang anzuweisen und ihn zukünftig im Rettungsdienst als Notfallsanitäter einzusetzen. 13 2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg, weil die Anordnung rechtswidrig war. Sie hätte der Mitbestimmung des Personalrats nach § 88 Abs. 1 Nr. 18 des Hamburgischen Personalvertretungsgesetzes (HmbPersVG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 8. Juli 2014 (HmbGVBl. S. 299), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 3. Mai 2023 (HmbGVBl. S. 193), bedurft. 14 Die Weisung hält in formeller Hinsicht einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Zweifel an der Bestimmtheit der Weisung bestehen zwar nicht (a). Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Ansicht des Berufungsgerichts, es handele sich bei der Weisung nicht um eine Maßnahme im Sinne des Personalvertretungsrechts (b). 15 a) Die dem Kläger unter dem 17. September 2018 erteilte Weisung war hinreichend bestimmt (§ 37 Abs. 1 HmbVwVfG). 16 Ihr konnte klar entnommen werden, welche und wessen Anordnung der Kläger zu befolgen hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. November 2014 - 2 C 24.13 - BVerwGE 150, 366 Rn. 32 und vom 20. September 2018 - 2 C 45.17 - BVerwGE 163, 129 Rn. 20). Der Festlegung weiterer organisatorischer Einzelheiten der Teilnahme - wie Schulungsraum, tägliche Dauer etc. – bedurfte es nicht. 17 b) Unter Verletzung revisiblen Rechts ist das Berufungsgericht indes davon ausgegangen, die Weisung zur Teilnahme am Ergänzungslehrgang stelle bereits keine Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinne dar und unterliege auch unabhängig hiervon nicht der Mitbestimmung. 18 aa) Anwendung und Auslegung landespersonalvertretungsrechtlicher Vorschriften unterliegen nach § 127 Nr. 2 BRRG der revisionsgerichtlichen Überprüfung, soweit sie einen beamtenrechtlichen Inhalt haben und deshalb materiell dem Beamtenrecht zuzuordnen sind. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn - wie hier - geregelt wird, ob und in welcher Weise der Personalrat an beamtenrechtlichen Maßnahmen zu beteiligen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 1. Dezember 1982 - 2 C 59.81 - BVerwGE 66, 291 <292>, vom 28. August 1986 - 2 C 67.85 - juris Rn. 16 und vom 23. Juni 2016 - 2 C 18.15 - Buchholz 421.20 Hochschulpersonalrecht Nr. 58 Rn. 26; Beschlüsse vom 30. April 2013 - 2 B 10.12 - juris Rn. 7 und vom 3. Juli 2023 - 2 B 37.22 -). 19 bb) Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 HmbPersVG bestimmt der Personalrat mit bei allen personellen, sozialen, organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Maßnahmen, die die Angehörigen des öffentlichen Dienstes der Dienststelle insgesamt, Gruppen oder Einzelne von ihnen betreffen oder sich auf sie auswirken. Hingegen unterliegt nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 HmbPersVG eine Maßnahme schon grundsätzlich nicht den Regelungen zur Mitbestimmung, wenn es sich um Weisungen an einzelne oder mehrere Angehörige des öffentlichen Dienstes handelt, die die Erledigung dienstlicher Obliegenheiten oder zu leistender Arbeit regeln. 20 Dieser Ausschlusstatbestand greift vorliegend nicht ein. Dem Berufungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass in der Begründung des zugrundeliegenden Gesetzentwurfs auf Weisungen nach § 35 BeamtStG ausdrücklich Bezug genommen wird (Bü-Drs. 20/10838 S. 61). Diese Einschränkung findet im Wortlaut der Regelung aber keinen Niederschlag. Im Übrigen sind nach der Begründung des Gesetzentwurfs nur Weisungen erfasst, die ""regelmäßig auftreten, im Rahmen des Dienstverhältnisses üblich sind, oder in ihrer Wirkung nur zu einer geringfügigen Beeinträchtigung der oder des Angehörigen des öffentlichen Dienstes führen"" (Bü-Drs. 20/10838 S. 61). Diesen Kategorien unterfallen Weisungen, die die subjektive Rechtsstellung des Beamten berühren, nicht. 21 cc) Der Personalrat war an der Auswahl der Feuerwehrbeamten mit der Qualifikation als Rettungsassistent für eine Teilnahme am Ergänzungslehrgang mit dem Ziel der Weiterqualifizierung zum Notfallsanitäter nach Maßgabe des § 88 Abs. 1 Nr. 18 HmbPersVG zur Mitbestimmung berechtigt. 22 Danach hat der Personalrat mitzubestimmen bei der Auswahl von Angehörigen des öffentlichen Dienstes für Maßnahmen der Berufsbildung (Berufsausbildung, berufliche Fort- und Weiterbildung sowie berufliche Umschulung). Das Mitbestimmungserfordernis soll gewährleisten, dass die Auswahl unter den Beamten einer Dienststelle gerecht gestaltet wird (Wahrung der Chancengleichheit) und die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen nicht zu einer unverhältnismäßigen Mehrbelastung der Beschäftigten in der Dienststelle führt (vgl. Kersten, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, § 76 BPersVG Rn. 115 m. w. N.; Else, in: Ricken, BeckOK BPersVG, Stand Juli 2023, § 78 Rn. 88). Diese Erwägungen gelten nicht nur hinsichtlich der Auswahl zwischen an der Fortbildungsveranstaltung interessierten Beamten. Vielmehr ergibt sich auch bei zur Fortbildung verpflichtenden Maßnahmen ein Bedürfnis und von Gesetzes wegen eine Berechtigung des Personalrats zur Mitbestimmung. 23 An einer mitbestimmungspflichtigen Auswahlentscheidung fehlt es dagegen, wenn eine Fortbildungsmaßnahme von allen hierfür in Betracht kommenden Beamten wahrgenommen werden soll (vgl. Kersten, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, § 76 BPersVG Rn. 118) und Auswahlerwägungen damit nicht anzustellen sind. Vorliegend hat die Beklagte jedoch nicht alle Feuerwehrbeamten mit der Qualifikation als Rettungsassistent und einer entsprechenden Tätigkeit von über fünf Jahren zur Teilnahme an einem Ergänzungslehrgang mit dem Ziel der Weiterqualifizierung zum Notfallsanitäter herangezogen. Vielmehr hat die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - wie zuvor schriftsätzlich - erläutert, es gebe entsprechende Beamte, die aufgrund einer zusätzlichen Qualifikation nicht zur Fortbildung angewiesen worden seien. Welche Qualifikation zur Ausnahme von der Weisung geführt haben und welche Erwägungen hierfür maßgeblich waren, konnte sie nicht weiter präzisieren. Dies kann auch dahinstehen, weil die Beklagte damit jedenfalls eine Auswahl unter den Beamten für die Verpflichtung zur Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme getroffen hat. 24 3. Unabhängig hiervon begegnet die angegriffene Weisung keinen materiell-rechtlichen Bedenken. Die Beklagte war berechtigt, den Kläger kraft Weisung zur Teilnahme am Ergänzungslehrgang und den hiermit in Zusammenhang stehenden Vorbereitungs- und im Nachgang gebotenen Handlungen zu verpflichten. 25 a) Die Weisungsbefugnis des Dienstherrn (§ 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) ist das Instrument, mit dem die Dienstleistungspflicht des Beamten konkretisiert und gesteuert wird. Der Beamte ist zur Befolgung der Anordnungen seines Vorgesetzten verpflichtet, sofern diese im Anwendungs- und Aufgabenbereich der dienstlichen Weisungsbefugnis liegen und die grundrechtlich geschützte Sphäre des Beamten nicht verletzen. Verstößt der Beamte gegen eine solche Weisung, verhält er sich pflichtwidrig und begeht bei schuldhaftem Handeln ein Dienstvergehen, das disziplinarisch geahndet werden kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. November 2014 - 2 C 24.13 - BVerwGE 150, 366 Rn. 30 f. m. w. N. und vom 20. September 2018 - 2 C 45.17 - BVerwGE 163, 129 Rn. 19). Dabei bedürfen Anordnungen, die den Beamten in seiner persönlichen Rechtsstellung betreffen, einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. 26 Eine solche Grundlage liegt mit § 22 Satz 2 HmbBG vor, wonach Beamte verpflichtet sind, an der dienstlichen Fortbildung teilzunehmen und sich selbst fortzubilden. Die Kenntnisse und Fähigkeiten, die der Beamte in seiner Ausbildung erworben hat, müssen erhalten und an aktuelle Entwicklungen angepasst werden, damit er den sich ändernden dienstlichen Anforderungen gerecht werden kann. In einer sich fortschreitenden veränderten Umwelt mit ihren verschiedenartigsten Einflüssen und Pflichtbereichen, mit ihrer Fülle von ständig neuen, zu verarbeitenden Informationen, ergibt sich auch für Beamte eine Verpflichtung zu kontinuierlicher Fort- und Weiterbildung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. November 1980 - 2 BvL 7/76 u. a. - BVerfGE 55, 207 <240 f.>). Sie ist Ausfluss der Pflicht des Beamten, sich mit vollem persönlichem Einsatz dem Beruf zu widmen. 27 b) Fortbildungen sind Maßnahmen, die an vorhandenes Wissen anknüpfen, fachliche sowie berufliche Kenntnisse vertiefen und aktualisieren und die ein Mehr an Kenntnissen vermitteln, als für den Eintritt in die Laufbahn bzw. für die Befähigung zur Ausübung der dem Beschäftigten übertragenen Arbeit erforderlich ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. November 1991 - 6 P 7.90 - Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 23 S. 30 m. w. N., vom 17. Oktober 2002 - 6 P 3.02 - Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 10 S. 26, und vom 16. Oktober 2013 - 6 PB 20.13 - juris Rn. 4). Traditionell wird dabei zwischen Anpassungs- und Förderungsfortbildungen differenziert (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 BLV). 28 Anpassungsfortbildungen bezwecken die Aufrechterhaltung und Fortentwicklung einer schon erworbenen Qualifikation. Mit ihr erhält und verbessert der Beamte seine Qualifikation, um die Aufgaben seines bisherigen Dienstpostens oder gleichbewertete Tätigkeiten (auch und insbesondere bei einer Veränderung der Anforderungen aufgrund der ständigen Entwicklung des fachlichen, methodischen und sozialen Wissens) ordnungsgemäß erledigen zu können. Dies schließt Fortbildungen aufgrund veränderter Anforderungen an die Laufbahnbefähigung ein (vgl. Seckelmann/Humberg, VerwArch 2022, 97 <117 f.>). An derartigen Fortbildungen hat der Beamte auf Verlangen des Dienstherrn teilzunehmen, sofern nicht im Einzelfall in der Person des Beamten liegende schützenswerte Gründe einer (unmittelbaren) Teilnahme entgegenstehen (vgl. § 47 Abs. 2 BLV). 29 Förderungsfortbildungen dienen hingegen dazu, die Befähigung des Beamten für höherbewertete Tätigkeiten oder Führungsaufgaben zu fördern, damit er diese Aufgaben künftig übernehmen kann. Da der Beamte aufgrund seiner Vor- und Ausbildung grundsätzlich geeignet ist, sämtliche amtsangemessene Aufgaben seiner Laufbahn wahrzunehmen, beziehen sich Förderungsfortbildungen auf die Tätigkeit in höherbewerteten Dienstposten oder den Aufstieg in eine höhere Laufbahngruppe. 30 Eine Verpflichtung zur Teilnahme an (reinen) Förderungsfortbildungen lässt sich durch Weisung des Dienstherrn nicht begründen. Art. 33 Abs. 5 GG schützt den Anspruch eines Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung. Daraus folgt nicht nur, dass ein Beamter eine gegen seinen Willen ausgesprochene dauerhafte Übertragung einer höherwertigen Beschäftigung abwehren kann, sondern ebenso, dass eine Grundlage für die Verpflichtung eines Beamten, sich mit dem Ziel einer Beförderung zu bewerben, nicht besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2016 - 2 C 14.15 - BVerwGE 155, 182 Rn. 24). Demzufolge kann ein Beamter auch nicht zur Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen verpflichtet werden, die darauf gerichtet sind, Grundlagen und Voraussetzungen für seinen weiteren Aufstieg innerhalb einer Laufbahn oder laufbahnübergreifend zu schaffen. 31 c) Die Teilnahme am Ergänzungslehrgang, mit dem der Kläger zum Notfallsanitäter weiterqualifiziert werden sollte, stellt keine Förderungs-, sondern eine Anpassungsfortbildung dar. 32 Nach § 3 Abs. 1 Buchst. c des Feuerwehrgesetzes Hamburg vom 23. Juni 1986 (HmbGVBl. S. 137) gehört der Rettungsdienst zu den Aufgaben der Berufsfeuerwehr. Folgerichtig sieht die Aufgabenbeschreibung für die Beamten im mittleren feuerwehrtechnischen Dienst die Wahrnehmung der hierzu erforderlichen Aufgaben vor; dazu gehört auch der Einsatz als Betreuer für Patienten auf Rettungswagen. Entsprechend ist der Kläger bislang eingesetzt worden. 33 Die Anforderungen für die Wahrnehmung dieser Aufgabe haben sich geändert. Während der auf Krankenkraftwagen eingesetzte Betreuer nach § 21 Abs. 2 des Rettungsdienstgesetzes Hamburg vom 9. Juni 1992 (HmbGVBl. S. 117) in der Fassung vom 14. Dezember 2007 (HmbGVBl. 2008 S. 11) die Qualifikation als Rettungsassistent aufweisen musste, sind die Voraussetzungen nachfolgend an die Maßgaben des am 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters vom 22. Mai 2013 (BGBl. I S. 1348; NotSanG) angepasst worden. Gemäß § 21 Abs. 2 des Rettungsdienstgesetzes Hamburg in der Fassung vom 20. Juli 2017 (HmbGVBl. S. 228) muss der Krankenkraftwagen bei der Notfallrettung mit einem Notfallsanitäter als Betreuer der Patienten besetzt sein; entsprechendes sieht die aktuell geltende Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Rettungsdienstgesetzes Hamburg vom 30. Oktober 2019 (HmbGVBl. S. 367; zuletzt geändert am 12. Juni 2020, HmbGVBl. S. 331) vor. Die in § 35 Abs. 5 des Rettungsdienstgesetzes Hamburg normierte Übergangsregelung läuft zum 31. Dezember 2023 aus. 34 Die Fortbildung zum Notfallsanitäter ist daher erforderlich, damit der Kläger seine bisherigen dienstlichen Aufgaben auch nach dem 31. Dezember 2023 vollumfänglich wahrnehmen kann. 35 d) Die dem Kläger mit der Weisung auferlegten Verpflichtungen sind auch zumutbar. 36 Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist dabei unerheblich, dass die Qualifizierung zum Notfallsanitäter eine eigenständige Berufsausbildung darstellt. Entsprechendes galt im Übrigen bereits für die Ausbildung des Klägers zum Rettungsassistenten. Der Kläger wird nicht in seiner negativen Berufswahlfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG berührt; er hat vielmehr den Beruf als Lebenszeitbeamter im mittleren feuerwehrtechnischen Dienst der Beklagten inne. Hieran ändert sich durch die Fortbildung nichts. Der Kläger soll mit dem Ergänzungslehrgang und der hierauf bezogenen Prüfung in die Lage versetzt werden, diesen Beruf und die damit verbundenen Aufgaben auch künftig in vollem Umfang wahrnehmen zu können. 37 Die Fortbildung ist dem Kläger auch nicht deswegen unzumutbar, weil ihr Inhalt auf den Erwerb einer neuen Berufsqualifikation gerichtet wäre. Zwar unterscheidet sich die Ausbildung zum Notfallsanitäter wegen der weiterentwickelten Anforderungen und Kompetenzen ""wesentlich von der bisherigen Ausbildung zum Beruf des Rettungsassistenten"" (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 17/11689 S. 15). Der Erwerb der neuen Berufsbezeichnung setzt auch für Personen, die bereits als Rettungsassistenten tätig waren, eine ""zusätzliche Nachqualifikation"" voraus (BT-Drs. 17/11689 S. 16). Schon diese Begrifflichkeit macht indes deutlich, dass die Ergänzungsschulung nach den Vorstellungen des Gesetzgebers an die im Fall des Rettungsassistenten bereits vorhandene Qualifikation anknüpft und diese lediglich in einer weiterführenden Nachschulung im Hinblick auf die gestiegenen Anforderungen aktualisiert. Die Nachqualifikation ist folgerichtig als ""Durchstieg"" des Rettungsassistenten zum Beruf des Notfallsanitäters konzipiert (BT-Drs. 17/11689 S. 16). Die unmittelbare Anknüpfung an die Vorbildung als Rettungsassistent kommt auch im Gesetzeswortlaut selbst zum Ausdruck, der in § 32 Abs. 2 Satz 1 NotSanG für Personen, die eine mindestens fünfjährige Tätigkeit als Rettungsassistent nachweisen, nur eine ""Ergänzungsprüfung"" vorsieht. Die bei Rettungsassistenten vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeit werden damit nur ""ergänzt"". Der für Rettungsassistenten überwiegende Fortbildungscharakter der vorgesehenen Nachqualifizierung wird schließlich daran deutlich, dass die eigentlich auf drei Jahre angelegte Ausbildung hier auf einen Ergänzungslehrgang im zeitlichen Umfang von 480 Stunden reduziert ist. 38 Der zeitliche Umfang des von der Weisung in Bezug genommenen Lehrgangs von knapp fünf Wochen begegnet keinen Bedenken. Der Kläger hat auch keine individuellen Gesichtspunkte vorgebracht, die einer entsprechenden Verpflichtung entgegenstehen könnten. 39 Die Weisung ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil dem Kläger nicht nur die Teilnahme an einem Ergänzungslehrgang, sondern auch diejenige an der hierauf bezogenen Prüfung auferlegt worden ist. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr den Erfolg eines von ihm zulässigerweise für notwendig erachteten Fortbildungsbedarfs einer Überprüfung unterzieht. Dies gilt im vorliegenden Fall schon deshalb, weil der weitere Einsatz des Klägers als Betreuer in Rettungswagen nicht nur eine fachliche Schulung, sondern die formale Qualifikation als Notfallsanitäter voraussetzt. Der Kläger kann nicht angewiesen werden, die Ergänzungsprüfung zu bestehen. Er ist aber verpflichtet, sich der Fortbildung nicht zu verschließen; dies umfasst auch den Versuch, den entsprechenden Leistungsnachweis zu erwerben. 40 Eine Verletzung der Gewissensfreiheit i. S. v. Art. 4 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich. Die vom Kläger befürchtete berufliche Überforderung reicht hierfür nicht aus. Soweit der Kläger eine Verlagerung seines Tätigkeitsbereichs von der Brandbekämpfung hin zum Rettungswesen beklagt, mag dies nachvollziehbar sein. Abgesehen davon, dass derartiges nicht Regelungsgegenstand der streitigen Weisung ist, kommt dem Beamten grundsätzlich kein Recht auf Übertragung eines bestimmten Dienstpostens oder bestimmter dienstlicher Aufgaben zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2015 - 2 A 6.13 - BVerwGE 153, 246 Rn. 16 ff.). 41 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2023-55,04.07.2023,"Pressemitteilung Nr. 55/2023 vom 04.07.2023 EN Grünes Licht für den Weiterbau der B 169 bei Riesa Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute die Klage mehrerer Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe gegen den Neubau der Bundesstraße B 169 vom Knotenpunkt mit der B 6 bei Riesa bis südwestlich von Salbitz abgewiesen. Nach Auffassung des Senats steht die Planrechtfertigung für das Vorhaben, die sich aus der Festlegung des Gesetzgebers im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ergibt, auch nach dem bereits erfolgten Bau von anderen Ortsumgehungen in der Region nicht in Zweifel. Das FFH-Gebiet ""Jahnaniederung"" wird nach den Planunterlagen nicht erheblich beeinträchtigt; das haben die Kläger nicht mit Rügen angegriffen. Es ist ferner nicht zu beanstanden, dass die Planfeststellungsbehörde sich im Interesse des überregionalen Verkehrs, dem der Ausbau der Bundesfernstraße in erster Linie dienen soll, für eine direkte Trassenführung und gegen eine mit Umwegen verbundene, weniger leistungsfähige Parallelführung zu vorhandenen Bundes- und Landesstraßen entschieden hat. BVerwG 9 A 5.22 - Urteil vom 04. Juli 2023","Urteil vom 04.07.2023 - BVerwG 9 A 5.22ECLI:DE:BVerwG:2023:040723U9A5.22.0 EN Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 04.07.2023 - 9 A 5.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:040723U9A5.22.0] Urteil BVerwG 9 A 5.22 In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini und Dr. Dieterich sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Sieveking und Prof. Dr. Schübel-Pfister für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zu 1/5. Gründe I 1 Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für das Vorhaben ""B 169 Cottbus - Plauen, Verlegung Salbitz - Riesa, 3. Bauabschnitt"". 2 Die Kläger zu 1, 2, 4 und 5 sind Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und Eigentümer von Grundstücken, die für das Vorhaben benötigt werden. Die Klägerin zu 3, eine Kommanditgesellschaft, ist Pächterin von für das Vorhaben benötigten Flächen; Komplementär der Gesellschaft ist der Kläger zu 4. 3 Die B 169 führt von der A 72 bei Plauen über Chemnitz, Döbeln und Riesa zur A 15 bei Cottbus. Der 1. und 2. Ausbauabschnitt zwischen Riesa und Salbitz sind vom Stadtgebiet Riesa bis zum Knotenpunkt mit der B 6 fertiggestellt und stehen unter Verkehr. Im streitgegenständlichen 3. Abschnitt soll der Bau bis südwestlich von Salbitz fortgeführt werden. Ein 4. Bauabschnitt befindet sich noch im Verwaltungsverfahren. 4 Die neue Trasse der Bundesstraße soll im Bereich des Vorhabens nordwestlich der bisherigen Trasse durch überwiegend landwirtschaftlich genutzte Flächen verlaufen. Die Straße durchquert das FFH-Gebiet ""Jahnaniederung"" und verläuft südlich zweier Biogasanlagen. Die Biogasanlage R. wird gemeinsam von den Klägern zu 3 und 4 betrieben; der Bioenergiepark R. wird von einem Dritten betrieben, der nicht Verfahrensbeteiligter ist. 5 Der Vorhabenträger beantragte mit Schreiben vom 21. November 2006 die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens. Infolge der ersten Planänderung im Jahr 2015 wurde die Trasse im Bereich des FFH-Gebiets um etwa 250 m in Richtung Norden verlegt. Die Kläger beteiligten sich am Verwaltungsverfahren und erhoben Einwendungen. Unter dem 20. Juni 2022 stellte der Beklagte den Plan fest. Die Auslegung erfolgte vom 22. August bis zum 5. September 2022. 6 Am 30. September 2022 haben die Kläger Klage erhoben. Sie bezweifeln die Planrechtfertigung, weil die Verkehrszahlen seit dem Beginn der Planung bereits erheblich zurückgegangen seien, ein weiterer Rückgang zu erwarten und durch andere inzwischen verwirklichte Ortsumfahrungen bereits eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse erreicht worden sei. Ferner rügen sie einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das FFH-Gebiet und sind der Auffassung, die Einhaltung des für den Störfall gebotenen Abstands der Straße zu den beiden Biogasanlagen sei nicht nachgewiesen. Schließlich halten sie andere Trassenvarianten, die landwirtschaftliche Flächen weniger durchschneiden, für vorzugswürdig. 7 Die Kläger beantragen, den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 20. Juni 2022 für das Vorhaben B 169 Cottbus - Plauen, Verlegung Salbitz - Riesa, 3. Bauabschnitt, aufzuheben, hilfsweise für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären. 8 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 9 Er verteidigt den Plan und tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen. II 10 Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. 11 A. Die Klage ist zulässig. 12 1. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 5 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Beschleunigung der Planungen für Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin (Verkehrswegebeschleunigungsgesetz - VerkPBG) vom 16. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2174), zuletzt geändert durch Art. 464 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474). Der planfestgestellte Ausbauabschnitt ist Teil einer Bundesfernstraße im Land Sachsen. Das Verfahren ist nach den Bestimmungen des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes zu Ende zu führen, weil das Planfeststellungsverfahren vor Ablauf des 16. Dezember 2006 nach den Vorschriften dieses Gesetzes begonnen worden ist (§ 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VerkPBG, § 24 Abs. 1 Satz 2 FStrG; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 23. November 2022 - 7 A 9.21 - NVwZ 2023, 1090 Rn. 11). 13 2. Die Kläger sind klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Zahlreiche Grundstücke der Kläger zu 1, 2, 4 und 5 sollen nach dem Grunderwerbsverzeichnis vorhabenbedingt in Anspruch genommen werden. Der Klägerin zu 3 steht als Pächterin verschiedener beanspruchter Grundstücke ein Besitzrecht an den gepachteten Flächen zu, das den Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG genießt und Gegenstand der enteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses sein kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1993 - 1 BvR 208/93 - BVerfGE 89, 1 <6 f.>; BVerwG, Urteile vom 1. September 1997 - 4 A 36.96 - BVerwGE 105, 178 <180> und vom 16. März 2021 - 4 A 12.19 - juris Rn. 17). Sie kann sich deshalb einem Eigentümer gleichgestellt gegen den Planfeststellungsbeschluss wenden. 14 B. Die Klage ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Rechtsfehler des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses aufgezeigt, der zu seiner Aufhebung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder Rechtswidrigkeitserklärung (§ 17c FStrG i. V. m. § 75 Abs. 1a VwVfG) führen würde. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben steht nicht in Zweifel (1.). Rechtsverstöße bei der FFH-Prüfung sind ebenso wenig dargelegt (2.) wie eine unzureichende Berücksichtigung der vorhandenen Biogasanlagen (3.). Die Trassenwahl ist ebenfalls nicht zu beanstanden (4.). Schließlich zeigt auch das Vorbringen zur Existenzgefährdung keine Abwägungsfehler auf (5.). 15 1. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben folgt aus der gesetzlichen Bedarfsfeststellung; das hierauf bezogene Vorbringen der Kläger geht dagegen von einem falschen Maßstab aus. Der Ausbau der B 169 im planfestgestellten Abschnitt ist im Bedarfsplan 2016 zum Bundesverkehrswegeplan (Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 2 Fernstraßenausbaugesetz - FStrAbG - in der Fassung vom 23. Dezember 2016 - BGBl. I S. 3354) als laufende Nummer 1177 als ""Vordringlicher Bedarf"" aufgeführt. 16 Die gesetzliche Bedarfsfeststellung ist für die Planfeststellung und das gerichtliche Verfahren verbindlich und schließt im Grundsatz die Nachprüfung aus, ob für die geplante Straße ein Verkehrsbedarf vorhanden ist. Der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ist eingebettet in die gesamtstaatliche Bundesverkehrswegeplanung und stellt eine verkehrspolitische Leitentscheidung auf einer der konkreten Planung weit vorgelagerten Ebene dar, die von zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Faktoren bestimmt wird; die gerichtliche Prüfung der sachlichen Rechtfertigung dieser Entscheidung ist auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. Anhaltspunkte für eine Ermessensüberschreitung liegen nur dann vor, wenn die Bedarfsfeststellung evident unsachlich ist, weil es für die Aufnahme des Vorhabens in den Bedarfsplan im Hinblick auf die bestehende oder künftig zu erwartende Verkehrsbelastung oder auf die verkehrliche Erschließung eines zu entwickelnden Raumes an jeglicher Notwendigkeit fehlt, oder wenn sich die Verhältnisse seit der Bedarfsentscheidung des Gesetzgebers so grundlegend gewandelt haben, dass das angestrebte Planungsziel unter keinen Umständen auch nur annähernd erreicht werden könnte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2013 - 9 A 16.12 - BVerwGE 146, 254 Rn. 21 und vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 17). 17 Die gesetzgeberische Bedarfsfeststellung wird vorliegend getragen durch das Ziel der Schaffung einer dem weiträumigen Verkehr dienenden schnellen und direkten Verbindung zwischen der A 13 in Brandenburg, der Stadt Riesa und der A 14 mit dem Anschluss insbesondere in Richtung Chemnitz und Erzgebirge; ferner sollen die bisher zahlreichen Ortsdurchfahrten der Bundesstraße vom Durchgangsverkehr, insbesondere dem Schwerlastverkehr, entlastet werden. Im streitgegenständlichen Abschnitt werden die Ortslagen Stauchitz, Seerhausen und Plotitz der Gemeinde Stauchitz sowie die Ortsteile Hof und Salbitz der Gemeinde Naundorf gegenwärtig von der Bestandstrasse mit hohen Verkehrsaufkommen durchquert (PFB S. 39 f.). 18 Diese Planungsziele sind noch nicht erreicht und weiterhin erreichbar. Der Hinweis der Kläger auf einen prognostizierten Rückgang der Verkehrsmengen um 16 % bis zum Jahre 2030 und auf schon eingetretene Entlastungen durch andere fertiggestellte Umgehungsstraßen besagt nicht, dass keinerlei Verkehrsbedarf für die geplante weiträumige Verbindung mehr besteht. Vielmehr werden nach der neuesten in das Planfeststellungsverfahren eingeflossenen Verkehrsuntersuchung bereits ohne den Bau der neuen Straße im Planungsabschnitt Verkehrsmengen zwischen 12 000 und 16 000 Kfz/24 Stunden erwartet. Daher ist trotz eventueller Veränderungen in den Verkehrsverhältnissen seit Beginn der Planung die vom Gesetzgeber getroffene, noch im Jahr 2016 bestätigte Bedarfsfeststellung nicht evident unsachlich. 19 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die B 169 im streitgegenständlichen Abschnitt nach dem vom Beklagten bestätigten Vortrag der Kläger im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits seit rund sechs Monaten wegen Bauarbeiten gesperrt war. Dass die Verkehrsteilnehmer auf dem Weg etwa von Brandenburg in Richtung Erzgebirge aufgrund dieser Sperrung andere Straßen nutzen müssen, stellt das Planungsziel einer dem weiträumigen Verkehr dienenden schnellen und direkten Verbindung zwischen der A 13 in Brandenburg und der A 14 mit dem Anschluss insbesondere in Richtung Chemnitz und Erzgebirge nicht in Frage. Die Bedarfsfeststellung leitet sich hier nicht allein aus der bestehenden oder zu erwartenden Verkehrsbelastung, sondern auch aus dem Ziel der verkehrlichen Erschließung eines zu entwickelnden Raumes her (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 18). 20 2. Die Kläger haben keinen Rechtsverstoß der FFH-Verträglichkeitsprüfung dargelegt. Sie sind der Auffassung, die Prüfung werde den strengen Anforderungen für einen Eingriff in das FFH-Gebiet ""Jahnaniederung"" nicht gerecht; wegen des Vorliegens von Trassenalternativen bestünden keine zwingenden Gründe, das FFH-Gebiet in Anspruch zu nehmen. Die Kläger gehen auch insoweit von einem unzutreffenden Prüfungsmaßstab aus. 21 Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG sind Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie u. a. geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen. Wenn die Prüfung der Verträglichkeit ergibt, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es grundsätzlich unzulässig (§ 34 Abs. 2 BNatSchG) und darf nur aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses (§ 34 Abs. 3 BNatSchG) zugelassen werden, soweit zumutbare Alternativen nicht gegeben sind. 22 Der Beklagte legt zu Grunde, dass vom Vorhabenträger geplante oder im Rahmen der Planfeststellung angeordnete Schutz- und Kompensationsmaßnahmen berücksichtigt werden dürfen, wenn sie sicherstellen, dass erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele des Gebiets verhindert werden (PFB S. 98). Hierauf gestützt kommt er zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben bereits zu keiner erheblichen Beeinträchtigung des FFH-Gebiets führt. Diese Vorgehensweise entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zuletzt Urteil vom 7. Juli 2022 - 9 A 1.21 - BVerwGE 176, 94 Rn. 53). Der Planfeststellungsbeschluss verneint danach bereits eine erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebiets, weshalb es auf die von den Klägern allein in den Blick genommenen Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 BNatSchG nicht ankommt. 23 Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, Vorgaben der TA Luft zum Schutz des FFH-Gebiets seien nicht eingehalten, geht ebenfalls fehl. Im Planfeststellungsbeschluss (S. 101 ff.) wird dargestellt, dass durch das Vorhaben hervorgerufene Stickstoffeinträge in das FFH-Gebiet unter Zugrundelegung des vom Umweltbundesamt herausgegebenen Handbuchs für Emissionsfaktoren nach dem von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannten Konzept der sogenannten Critical Loads überprüft werden. Die TA Luft findet dafür keine Anwendung (so ausdrücklich PFB S. 265). Damit setzen sich die Kläger nicht auseinander. 24 3. Ohne Erfolg beanstanden die Kläger eine unzureichende Berücksichtigung der beiden in der Nähe der Straßentrasse vorhandenen Biogasanlagen. Dies gilt sowohl unter dem Aspekt der Anlagensicherheit (a) als auch unter dem Aspekt befürchteter Restriktionen für etwaige spätere Erweiterungen der Anlagen (b). 25 a) Ein unzureichender Abstand der Anlagen zur geplanten Straße (aa) ist nicht substantiiert geltend gemacht (bb). 26 aa) Der Planfeststellungsbeschluss (S. 164) geht davon aus, dass nach § 50 Satz 1 Alt. 2 BImSchG die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen sind, dass die Auswirkungen von Störfällen (§ 2 Nr. 7 der 12. BImSchV) soweit wie möglich vermieden werden. Für die Beurteilung, ob im Einzelfall angemessene Sicherheitsabstände gewahrt werden, zieht er den Leitfaden ""Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung - Umsetzung § 50 BImSchG"" der Kommission für Anlagensicherheit (KAS-18) und die Arbeitshilfe ""Szenarienspezifische Fragestellungen zum Leitfaden KAS-18 der Kommission für Anlagensicherheit"" (KAS-32) heran. Zur Ausfüllung der dortigen Empfehlungen holte der Vorhabenträger auf Einwendungen im Verwaltungsverfahren hin (PFB S. 165) ein Sachverständigengutachten der S. GmbH ein. Die Biogasanlage R. unterfällt danach mit ihrer Größe bereits nicht dem Anwendungsbereich der Störfallverordnung, für den Bioenergiepark R. kam das Gutachten zu dem Ergebnis, dass der angemessene Abstand der Straßentrasse zu dieser Anlage sichergestellt ist. Die G. GmbH bestätigte dieses Ergebnis bei einer ihr von der Planfeststellungsbehörde aufgetragenen Plausibilitätsprüfung des Gutachtens. 27 bb) Hiermit setzen sich die Kläger nicht hinreichend auseinander. Mit der Pflicht zur Begründung einer Klage in Verfahren mit Vertretungszwang gemäß § 67 Abs. 4 VwGO geht die Pflicht des Bevollmächtigten zur Sichtung und rechtlichen Einordnung der Tatsachen, auf die die Klage gestützt werden soll, einher. Dabei muss er sich mit dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss auseinandersetzen; eine lediglich pauschale Bezugnahme auf im Planfeststellungsverfahren erhobene Einwände oder deren Wiederholung ohne Würdigung des Planfeststellungsbeschlusses genügen ebenso wenig wie ein bloßes Bestreiten tatsächlicher Feststellungen der Planung. Auch muss das Klagevorbringen aus sich heraus ohne Weiteres verständlich sein. Denn es ist nicht Aufgabe des Gerichts, aus den eingereichten Schriftsätzen im Wege der Auslegung den Sachvortrag zu ermitteln oder zu konkretisieren. Insoweit dient der Vertretungszwang auch einer geordneten und konzentrierten Verfahrensführung; durch die Herausarbeitung und den sachdienlichen Vortrag der für das Verfahren maßgebenden Gesichtspunkte soll das Bundesverwaltungsgericht in die Lage versetzt werden, sich auf die Aufgaben eines obersten Gerichtshofs des Bundes und erstinstanzlichen Gerichts in besonders bedeutsamen Angelegenheiten zu konzentrieren. Hieran muss sich der Vortrag der Beteiligten mit der Folge messen lassen, dass nur ein Vorbringen, das diesen Anforderungen genügt, berücksichtigt und beschieden werden muss (stRspr, s. etwa BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 17 m. w. N.; vgl. auch Schenk, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, § 67 VwGO Rn. 8; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 67 Rn. 28). 28 Nach Maßgabe dieser Grundsätze hatte der Senat nicht in eine Prüfung einzutreten, ob den Annahmen des Planfeststellungsbeschlusses zum angemessenen Abstand der Straße von den Biogasanlagen gefolgt werden kann. Die Kläger wiederholen lediglich ihre bereits im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwendungen, ohne sich innerhalb der Klagebegründungsfrist mit der umfassenden und gerade auf diese Einwendung hin erfolgten Würdigung der Abstandsproblematik im Planfeststellungsbeschluss (S. 164 ff.) und mit dem dazu eingeholten Gutachten der Firma S. sowie der Plausibilitätsprüfung dieses Gutachtens durch die Firma G. inhaltlich auseinanderzusetzen. 29 Die auf einer formalen Ebene bleibende Behauptung, die Firma G. sei zu weit überwiegenden Teilen ihrer Tätigkeit Unterauftragnehmer der Firma S., weshalb die Plausibilitätsprüfung nicht von einem im Verhältnis zu diesem Unternehmen unabhängigen Gutachter erstellt worden sei, ist ins Blaue hinein erhoben worden. Die Planfeststellungsbehörde hatte im Rahmen ihrer Sachverhaltsermittlung (§ 24 VwVfG) zur Frage des angemessenen Abstands der Biogasanlagen die Firma G. mit einer Plausibilitätsprüfung des vom Vorhabenträger vorgelegten Gutachtens der Firma S. beauftragt. Der sachbearbeitende Ingenieur der Firma G. ist Sachverständiger nach § 29b BImSchG und hat erklärt, seine Beurteilung ohne Beeinflussung durch das Gutachterbüro S. erstellt zu haben. Die Unabhängigkeit seiner Beurteilung kommt auch darin zum Ausdruck, dass er die Frage des angemessenen Abstands der dem Störfallrecht unterfallenden Biogasanlage aufgrund einer eigenständigen Berechnung auf anderem Weg als das Gutachten von S. ermittelt hat; auch hat er sich mit dem S. Gutachten an anderer Stelle kritisch auseinandergesetzt. 30 Die ebenfalls nicht die inhaltliche Begutachtung betreffende Rüge einer fehlenden Ortsbesichtigung des Gutachters geht bereits deshalb fehl, weil die Kläger nicht dargelegt haben, aus welchen rechtlichen Vorgaben sich die Notwendigkeit einer Ortsbesichtigung durch den Gutachter ergeben soll. Aus der von den Klägern in Bezug genommenen Arbeitshilfe KAS-32 ergibt sich dies jedenfalls nicht. Der im Leitfaden KAS-18 angesprochene Katastrophenplan ist vom Anlagenbetreiber aufzustellen und beinhaltet keine Anforderungen an die Art und Weise der Gutachtertätigkeit bei der Ermittlung eines angemessenen Abstands. 31 b) Die Behauptung, die Trassenführung der Straße behindere eine spätere Erweiterung der beiden Biogasanlagen, ist - soweit sie die von einem Dritten betriebene Anlage der Bioenergiepark GmbH betrifft - bereits nicht vom Umfang der Rügebefugnis der Kläger umfasst. Durch eine Planung mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung Betroffene - wie hier alle Klagenden - können zwar im Grundsatz eine umfassende gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses verlangen. Dieses grundsätzliche Recht, sich gegen eine vermeintlich nicht dem Allgemeinwohl dienende Inanspruchnahme des Eigentums zu wenden, umfasst jedoch nicht die Befugnis, sich zum Sachwalter von Rechten zu machen, die nach der Rechtsordnung bestimmten anderen Rechtsinhabern zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung und Konkretisierung zugewiesen sind (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 27 und vom 28. September 2021 - 9 A 10.20 - Buchholz 407.4 § 17d FStrG Nr. 3 Rn. 15). Deshalb sind die Kläger nicht befugt, sich auf etwaige Restriktionen für den zukünftigen Betrieb der Biogasanlage eines Dritten zu berufen. 32 Soweit sich die Behauptung der Kläger auf eine beabsichtigte, aber noch nicht beantragte Erweiterung der im Eigentum des Klägers zu 4 befindlichen Biogasbehälteranlage bezieht, in denen die Klägerin zu 3 Strom und Wärme erzeugt, bleibt die Klagebegründung unsubstantiiert. Der Planfeststellungsbeschluss befasst sich ausführlich (S. 167) damit, dass eine Erweiterung aufgrund einer Änderung der Düngemittelverordnung möglicherweise notwendig wird, sowie damit, dass eine solche Erweiterung umgesetzt werden kann, ohne dass die Anlage dann zwingend dem Störfallrecht unterfällt. Damit setzt sich die Klagebegründung nicht auseinander. Unabhängig davon müsste sich eine erst nach der Auslegung der Planunterlagen für die Straße beantragte Erweiterung der Biogasanlage nach der dann zeitlich vorrangigen Straßentrasse richten (""Prioritätsprinzip"", vgl. jüngst etwa BVerwG, Urteil vom 23. November 2022 - 7 A 9.21 - NVwZ 2023, 1090 Rn. 37 f.). 33 4. Die Kläger haben keinen Abwägungsfehler (§ 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG) bei der Prüfung der Varianten für die Trassenführung aufgezeigt. Die Auswahl unter verschiedenen Ausführungsvarianten eines Vorhabens ist ungeachtet hierbei zu beachtender, rechtlich zwingender Vorgaben eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials müssen alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt werden und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingehen. Alternativen, die bereits aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheinen, dürfen vorab ausgeschieden werden; die hiernach verbleibenden Trassenalternativen müssen detaillierter untersucht und verglichen werden. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Trassenwahl sind erst dann überschritten, wenn der Behörde beim Auswahlverfahren infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist oder wenn sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eine andere als die gewählte Trassenführung eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 9. November 2017 - 3 A 4.15 - BVerwGE 160, 263 Rn. 98 und vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 660). 34 Nach Maßgabe dieser Grundsätze bleibt die Kritik der Kläger erfolglos. Sie beanstanden die Wahl der Variante 2, die das FFH-Gebiet durchquert, sich der von ihnen bewohnten Ortslage R. annähert und landwirtschaftliche Flächen mittig durchschneidet. Sie halten die Variante 3 mit ihren Untervarianten 3a bis c für vorzugswürdig, da sie zwar Umwege für die überregionalen Verkehrsbeziehungen aufweise, jedoch weitgehend gebündelt mit vorhandenen Straßen verlaufe, eine Durchquerung des FFH-Gebiets ganz vermeide und größeren Abstand zu den Biogasanlagen halte. 35 a) Soweit die Kläger ohne Auseinandersetzung mit dem Planfeststellungsbeschluss lediglich ihre Einwendungen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholen, genügt ihr Vortrag bereits nicht den dargestellten Anforderungen an eine substantiierte Klagebegründung. Dies betrifft die Rüge, die Variante 2 rücke an ein bewohntes Haus bis auf 40 m und damit deutlich näher heran als dies bei den Varianten 3 der Fall sei, außerdem werde die den Varianten 3 nächstgelegene Ortslage nur von acht Menschen bewohnt, die Ortslage R. dagegen von mehr als 100. Diese Einwendung wurde im Planfeststellungsbeschluss (S. 51 sowie S. 262) ausführlich beschieden mit dem Argument, dass für die Lärmabwägung nicht die Einwohnerzahl eines Ortsteils, sondern die Zahl der tatsächlich Lärmbetroffenen maßgeblich sei und in der Ortslage R. nur wenige Häuser stärker lärmbetroffen seien, weil die geplante Straße nur den Ortsrand auf einer kurzen Länge streife. Unabhängig davon ist die Behauptung in der Klagebegründung, Lärmschutzwände schützten nicht gegen Abgase, sachlich nicht zutreffend. 36 b) Im Übrigen ergibt sich aus der Klagebegründung nicht, dass sich eine der Trassenvarianten 3a bis c im Sinne der dargestellten Maßgaben als eindeutig vorzugswürdig aufdrängt. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 44 ff.) stellt dar, dass jede dieser Untervarianten Nachteile aufweist, die die Abwägung zum Anlass nehmen durfte, sie zu verwerfen. Dies wurde in der mündlichen Verhandlung durch die Präsentation des Beklagten zur Variantenauswahl bestätigt. 37 (aa) Die Planfeststellungsbehörde durfte die Variante 3a ausschließen, weil sie die Planungsziele nicht erfüllt. Die Variante 3a führt die B 169 im Planungsabschnitt zu größeren Teilen auf vorhandenen Straßen, der Staatsstraße S 30 und der Bundesstraße B 6. Diese Bündelung führt zwar zum geringsten Flächenverbrauch und vermeidet die mittige Zerschneidung landwirtschaftlicher Flächen. Sie kann aber das Planungsziel der Schaffung einer dem weiträumigen Verkehr dienenden schnellen und direkten Verbindung zwischen der A 13 in Brandenburg, der Stadt Riesa und der A 14 mit dem Anschluss insbesondere in Richtung Chemnitz und Erzgebirge nicht erreichen, weil diese Variante für den weiträumigen Verkehr nicht nur einen erheblichen Umweg bedeutet, sondern wegen zahlreicher plangleicher Knotenpunkte der vorhandenen Straßen nicht leistungsfähig ist. Der überregionale Verkehr müsste sich die Straße mit dem örtlichen Verkehr einschließlich des landwirtschaftlichen Verkehrs teilen. 38 (bb) Zur Vermeidung dieses Ausschlusskriteriums sieht die Variante 3b eine mit den vorhandenen Straßen S 30 und B 6 gebündelte zusätzliche Trasse für die B 169 vor. Nachteilig sind hier aber ebenfalls die im Planungsabschnitt weniger direkte, sondern mit einem erheblichen Umweg verbundene Streckenführung für den überregionalen Verkehr sowie die Notwendigkeit eines teilweisen Rückbaus des schon vorhandenen Knotens zwischen der B 6 und der B 169. 39 (cc) Zur Vermeidung des letztgenannten Nachteils wurde schließlich die Variante 3c konzipiert, die den schon gebauten Knotenpunkt nutzt, damit aber eine wiederum in geringerem Maße an vorhandene Straßen angelehnte Streckenführung und deshalb eine größere Zerschneidungswirkung und zugleich die geringste Entlastung für die Ortsdurchfahrten vom Durchgangsverkehr aufweist (PFB S. 46). 40 dd) Der Planfeststellungsbeschluss (S. 50 sowie S. 262 f.) und die Präsentation des Beklagten in der mündlichen Verhandlung haben ferner überzeugend dargestellt, dass entgegen dem Vortrag der Kläger der Verbrauch landwirtschaftlicher Nutzfläche und die Versiegelung bei den Varianten 3b und 3c durch die Parallelführung der neuen B 169 zu den vorhandenen Straßen mit rund 56 bzw. 57 ha größer ist als bei der für den überregionalen Verkehr direkten Streckenführung in der Variante 2 mit aufgerundet 36 ha. Bei dieser Berechnung der zu versiegelnden Flächen sind, wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, auch Zusatzflächen wie etwa Böschungen und das notwendige landwirtschaftliche Wegenetz bei Verwirklichung der jeweiligen Variante berücksichtigt. 41 c) Es trifft zwar zu, dass die Zerschneidungswirkung der gewählten Variante für landwirtschaftliche Flächen aufgrund der direkten Streckenführung größer ist als bei einer an die vorhandenen Straßen angelehnten Trasse, bei der landwirtschaftlich genutzte Flächen nicht mittig durchschnitten, sondern überwiegend nur in Randbereichen angeschnitten würden. Diesen Nachteil der gewählten Trasse durfte die Abwägung des Beklagten zur Erreichung der Planungsziele jedoch in Kauf nehmen. Das Abwägungsgebot ist nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 73 m. w. N. und vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 656). Aus der Klagebegründung ergibt sich auch nicht, dass die Vermeidung der größeren Zerschneidungswirkung gegenüber den Vorteilen der kürzeren Baustrecke, der direkteren Streckenführung und dem Planungsziel einer leistungsfähigen schnellen Strecke so großes Gewicht hat, dass sie sich eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere Variante hätte aufdrängen müssen. 42 d) Die hohe Bodenqualität im gesamten Bereich des Vorhabens in der Lommatzscher Pflege ist entgegen der Auffassung der Kläger ebenfalls berücksichtigt worden (PFB S. 81 f.). Der Beklagte hat dazu ferner überzeugend darauf hingewiesen, dass dieser Gesichtspunkt gleichermaßen für alle der in Rede stehenden Varianten 2 und 3 zutrifft, da keine kleinräumigen Unterschiede erkennbar sind. 43 5. Schließlich zeigt auch das Vorbringen, dem Kläger zu 5 gingen durch die Planung landwirtschaftlich genutzte Flächen in existenzgefährdendem Umfang verloren, keinen Abwägungsfehler auf. Die Planfeststellungsbehörde geht davon aus, dass dieser Kläger 7,85 % seiner bewirtschafteten Fläche verliert, und unterstellt auf dieser Grundlage ohne Einholung eines Existenzgefährdungsgutachtens eine Existenzgefährdung des Klägers zu 5 als wahr (PFB S. 278). Sie hält das überwiegende öffentliche Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens mit der festgelegten Trassenführung für so gewichtig, dass sie bereit ist, die Existenzvernichtung des landwirtschaftlichen Betriebs dafür in Kauf zu nehmen (PFB S. 281). 44 Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden. Macht ein von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung eines straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses (§ 19 Abs. 1 und 2 FStrG) Betroffener geltend, durch das Vorhaben werde sein landwirtschaftlicher Betrieb in seiner Existenz gefährdet oder gar vernichtet, gehört dieser Einwand zu den Belangen, mit denen sich die Planfeststellungsbehörde im Rahmen der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange (§ 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG) grundsätzlich auseinandersetzen muss. Zeichnet sich eine solche Gefährdung ernsthaft ab, darf die Planfeststellungsbehörde nicht die Augen vor der Tragweite ihrer Entscheidung verschließen. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Einwand ist allerdings dann entbehrlich, wenn die Planfeststellung die behauptete Existenzgefährdung im Wege der Wahrunterstellung ihrer Abwägung (hypothetisch) zugrunde legt und dabei deutlich macht, dass sie die für das Vorhaben streitenden Belange für so gewichtig hält, dass es auch um den Preis einer Existenzgefährdung oder Existenzvernichtung des betroffenen landwirtschaftlichen Betriebs verwirklicht werden soll (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 27. März 1980 - 4 C 34.79 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 34 S. 109 f. und vom 14. April 2010 - 9 A 13.08 - BVerwGE 136, 332 Rn. 26). 45 Vorliegend sieht die Planfeststellung die Existenzvernichtung zwar als eine reale Möglichkeit an, hält es jedoch für genauso denkbar, dass sie durch das beabsichtigte Unternehmensflurbereinigungsverfahren abgewendet werden kann (PFB S. 279 f.). Nach den ergänzenden Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung sind für das Vorhaben inzwischen zwei Flurbereinigungsverfahren eingeleitet worden. Der Beklagte hat dazu zu Protokoll erklärt, dass er sich im Rahmen der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten bemühen wird, den Belangen des Klägers zu 5 in dem ihn betreffenden Flurbereinigungsverfahren in besonderer Weise Rechnung zu tragen. 46 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO." bverwg_2023-59,18.07.2023,"Pressemitteilung Nr. 59/2023 vom 18.07.2023 EN § 13b BauGB ist mit Unionsrecht unvereinbar Freiflächen außerhalb des Siedlungsbereichs einer Gemeinde dürfen nicht im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1 BauGB ohne Umweltprüfung überplant werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Antragsteller, eine gemäß § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin. Dieser setzt für ein ca. 3 ha großes Gebiet am südwestlichen Ortsrand der Gemeinde im planungsrechtlichen Außenbereich ein (eingeschränktes) allgemeines Wohngebiet fest. Der Bebauungsplan wurde im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB ohne Umweltprüfung aufgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag als unbegründet abgewiesen. Die Durchführung des beschleunigten Verfahrens begegne keinen Bedenken. § 13b BauGB sei mit der SUP-Richtlinie vereinbar, seine Tatbestandsvoraussetzungen lägen vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil aufgehoben und den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Der Plan leidet an einem beachtlichen Verfahrensfehler im Sinne von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Er ist zu Unrecht im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1 BauGB erlassen worden. Die Vorschrift verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 der SUP-RL. Art. 3 Abs. 1 SUP-RL verlangt eine Umweltprüfung für alle Pläne nach den Absätzen 2 bis 4, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Ob dies der Fall ist, bestimmen die Mitgliedstaaten für die in den Absätzen 3 und 4 genannten Pläne entweder durch Einzelfallprüfung, Artfestlegung oder eine Kombination dieser Ansätze (Art. 3 Abs. 5 SUP-RL). Der nationale Gesetzgeber hat sich in § 13b BauGB für eine Artfestlegung entschieden. Diese muss nach der Rechtsprechung des zur Auslegung des Unionsrechts berufenen Europäischen Gerichtshofs gewährleisten, dass erhebliche Umweltauswirkungen in jedem Fall von vornherein ausgeschlossen sind. Der Gesetzgeber darf sich folglich nicht mit einer typisierenden Betrachtungsweise oder Pauschalierung begnügen. Diesem eindeutigen und strengen Maßstab wird § 13b Satz 1 BauGB nicht gerecht. Anders als bei Bebauungsplänen der Innenentwicklung nach § 13a BauGB, die der Inanspruchnahme von Flächen außerhalb des Siedlungsbereichs entgegenwirken sollen, erlaubt § 13b BauGB gerade die Überplanung solcher Flächen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13b Satz 1 BauGB – Flächenbegrenzung, Beschränkung auf Wohnnutzung sowie Anschluss an einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil – sind nicht geeignet, erhebliche Umwelteinwirkungen in jedem Fall von vornherein auszuschließen. Das gilt schon wegen der ganz unterschiedlichen bisherigen Nutzung der potenziell betroffenen Flächen und der Bandbreite ihrer ökologischen Wertigkeit. § 13b BauGB darf daher wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden. Die Antragsgegnerin hätte somit nach den Vorschriften für das Regelverfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans eine Umweltprüfung durchführen sowie einen Umweltbericht erstellen und der Begründung des Bebauungsplans beifügen müssen. Dieser beachtliche, vom Antragsteller fristgerecht (§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB) gerügte, Verfahrensmangel hat die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge. BVerwG 4 CN 3.22 - Urteil vom 18. Juli 2023 Vorinstanz: VGH Mannheim, VGH 3 S 3180/19 - Urteil vom 11. Mai 2022 -","Urteil vom 18.07.2023 - BVerwG 4 CN 3.22ECLI:DE:BVerwG:2023:180723U4CN3.22.0 EN Vereinbarkeit des § 13b BauGB mit Unionsrecht Leitsatz: § 13b BauGB ist mit Art. 3 Abs. 1 und 5 der Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie) unvereinbar. Rechtsquellen BauGB § 2 Abs. 4, § 2a Satz 2 Nr. 2, § 13 Abs. 3 Satz 1, § 13a Abs. 2 Nr. 1, §§ 13b, 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Richtlinie 2001/42/EG Art. 1, Art. 3 Abs. 1 bis 5 Instanzenzug VGH Mannheim - 11.05.2022 - AZ: 3 S 3180/19 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 18.07.2023 - 4 CN 3.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:180723U4CN3.22.0] Urteil BVerwG 4 CN 3.22 VGH Mannheim - 11.05.2022 - AZ: 3 S 3180/19 In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Prof. Dr. Decker, Dr. Hammer und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger für Recht erkannt: Auf die Revision des Antragstellers wird das auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2022 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg geändert. Der Bebauungsplan Oberer Kittel/Wüstes Stück vom 27. Februar 2019, geändert durch Beschlüsse vom 16. Dezember 2020 sowie vom 16. März 2022, ist unwirksam. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gründe I 1 Der Antragsteller, eine gemäß § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan Oberer Kittel/Wüstes Stück der Antragsgegnerin. 2 Der ursprünglich am 27. Februar 2019 beschlossene und am 22. November 2019 bekanntgemachte, aufgrund zweier ergänzender Verfahren mit Beschlüssen vom 16. Dezember 2020 und vom 16. März 2022 geänderte, Bebauungsplan überplant ein ca. 3 Hektar großes Gebiet am südwestlichen Ortsrand der Antragsgegnerin; er setzt ein allgemeines Wohngebiet mit einer Grundflächenzahl von 0,4 fest. Im Nordosten grenzt das Bebauungsplangebiet auf einer Länge von ca. 260 m unmittelbar an ein Wohngebiet an. Im Nordwesten wird der Geltungsbereich durch die Panoramastraße begrenzt. Auf der gegenüberliegenden Seite dieser Straße befindet sich ein Waldgebiet. Im Südwesten verläuft die Grenze des Plangebiets entlang der K 4161. Der Bebauungsplan wurde nicht im Regelverfahren, sondern im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB ohne Umweltprüfung erlassen. 3 Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag als unbegründet abgewiesen: § 13b BauGB sei unionsrechtskonform, die Voraussetzungen des § 13b Satz 1 BauGB seien hier gegeben und Ausschlussgründe gemäß § 13b Satz 1 i. V. m. § 13a Abs. 1 Satz 4 und 5 BauGB lägen nicht vor. Das Aufstellungsverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden und der Bebauungsplan, jedenfalls in seiner letzten Fassung, auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. 4 Mit seiner Revision rügt der Antragsteller, dass § 13b BauGB unionsrechtswidrig sei und nicht habe angewendet werden dürfen. Der Verzicht auf eine Umweltprüfung und einen Umweltbericht sei folglich verfahrensfehlerhaft. Der Fehler führe zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans. 5 Die Antragsgegnerin verteidigt das angefochtene Urteil. 6 Die Vertreterin des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Nach ihrer Auffassung steht § 13b BauGB mit Unionsrecht im Einklang. II 7 Die Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verstößt gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Bebauungsplan Oberer Kittel/Wüstes Stück vom 27. Februar 2019, geändert durch die Beschlüsse vom 16. Dezember 2020 sowie vom 16. März 2022, ist unwirksam. Er leidet an Verfahrensfehlern, die nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich sind und zu seiner Unwirksamkeit führen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). 8 1. Der Bebauungsplan durfte nicht ohne Umweltprüfung (§ 2 Abs. 4 BauGB) und Umweltbericht (§ 2a Satz 2 Nr. 2 BauGB) erlassen werden. Die Vorschriften über das beschleunigte Verfahren nach § 13b Satz 1 i. V. m. § 13a BauGB tragen dieses Vorgehen nicht. § 13b BauGB ist unionsrechtswidrig und deswegen nicht anwendbar, weil er die Überplanung von Außenbereichsflächen auf der Grundlage einer unzulässigen Typisierung ohne Umweltprüfung zulässt. 9 Nach § 13b Satz 1 BauGB, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz) vom 14. Juni 2021 (BGBl. I S. 1802) gilt § 13a BauGB bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 entsprechend für Bebauungspläne mit einer Grundfläche im Sinne des § 13a Abs. 1 Satz 2 BauGB von weniger als 10 000 Quadratmetern, durch die die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen begründet wird, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen. Durch den Verweis auf § 13a BauGB kann das nach dieser Vorschrift auf Flächen im Siedlungsbereich beschränkte beschleunigte Verfahren (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. November 2015 - 4 CN 9.14 - BVerwGE 153, 174 Rn. 22 ff. und zuletzt vom 25. April 2023 - 4 CN 5.21 - juris Rn. 15 ff., m. w. N.) für die Überplanung von bestimmten Außenbereichsflächen nutzbar gemacht werden. Damit ist u. a. eine Umweltprüfung (§ 2 Abs. 4 BauGB) nicht erforderlich (§ 13a Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB), womit auch die Pflicht zur Erstellung eines Umweltberichts entfällt. 10 Diese Regelung wird den Anforderungen der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197 S. 30) - SUP-Richtlinie - nicht gerecht. 11 a) Die SUP-Richtlinie verfolgt gemäß Art. 1 das Ziel, im Hinblick auf die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und dazu beizutragen, dass Umwelterwägungen bei der Ausarbeitung und Annahme von Plänen und Programmen einbezogen werden. Zu diesem Zweck bestimmt Art. 3 Abs. 1 SUP-Richtlinie, dass die unter Art. 3 Abs. 2 bis 4 SUP-Richtlinie fallenden Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, einer Umweltprüfung nach Art. 4 bis 9 SUP-Richtlinie unterzogen werden. Während Art. 3 Abs. 2 SUP-Richtlinie Pläne und Programme zum einen anhand der UVP-Pflichtigkeit der damit ermöglichten Projekte (Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-Richtlinie) und zum anderen anhand der Erforderlichkeit einer Prüfung nach Maßgabe der FFH-Richtlinie (Art. 3 Abs. 2 Buchst. b SUP-Richtlinie) bezeichnet, die grundsätzlich einer Umweltprüfung unterzogen werden müssen, ist gemäß dem Vorbehalt nach Art. 3 Abs. 3 SUP-Richtlinie eine Umweltprüfung bei Plänen und Programmen der vorgenannten Art, die lediglich die Nutzung kleiner Gebiete auf lokaler Ebene festlegen oder nur geringfügige Änderungen vorsehen, nur dann erforderlich, wenn die Mitgliedstaaten bestimmen, dass sie voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Entsprechendes gilt nach Art. 3 Abs. 4 SUP-Richtlinie für andere Pläne und Programme. Sowohl bei Plänen und Programmen nach Art. 3 Abs. 3 als auch bei solchen nach Abs. 4 SUP-Richtlinie haben die Mitgliedstaaten diese Entscheidung gemäß Art. 3 Abs. 5 Satz 1 SUP-Richtlinie entweder durch Einzelfallprüfung oder durch Festlegung von Arten von Plänen und Programmen oder durch eine Kombination dieser beiden Ansätze zu treffen. Sie müssen in jedem Fall die einschlägigen Kriterien des Anhangs II berücksichtigen, um sicherzustellen, dass Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, von der Richtlinie erfasst werden (Art. 3 Abs. 5 Satz 2 SUP-Richtlinie). 12 Bei der Umsetzung dieser Vorgaben ist den Mitgliedstaaten ein Ermessensspielraum eingeräumt. Dieses Ermessen ist jedoch eingeschränkt. In der Sache müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass sämtliche Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, einer Umweltprüfung unterzogen werden (EuGH, Urteile vom 22. September 2011 - C-295/10 [ECLI:​EU:​C:​2011:​608] - Rn. 46, 53, vom 10. September 2015 - C-473/14 [ECLI:​EU:​C:​2015:​582] - Rn. 47 und vom 21. Dezember 2016 - C-444/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​978] - Rn. 53; siehe auch Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 8. September 2016 im Verfahren - C-444/15 - Rn. 42). Während demnach die Erreichung des in Art. 3 Abs. 1 SUP-Richtlinie normierten Ziels strikt vorgegeben ist, können die Mitgliedstaaten bei den Modalitäten, mit denen dieses Ziel erreicht werden soll, eine Auswahl unter den in der Richtlinie aufgezählten Varianten - Einzelfallprüfung, Artfestlegung oder Kombination von beiden - treffen. Wenn durch die in Art. 3 Abs. 5 SUP-Richtlinie genannten Mechanismen gewährleistet sein soll, dass kein Plan, der voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen hat, der Umweltprüfung entzogen wird (EuGH, Urteil vom 22. September 2011 - C-295/10 - Rn. 53), sind für die Artfestlegung strenge Maßstäbe zu beachten. Diese sind nur dann gewahrt, wenn angesichts der nach Maßgabe der einschlägigen Kriterien nach Art. 3 Abs. 5 Satz 2 SUP-Richtlinie i. V. m. Anhang II der Richtlinie für die Art des Plans geltenden qualitativen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass erhebliche Umweltauswirkungen ""a priori"", d. h. von vornherein, nicht eintreten werden (EuGH, Urteil vom 18. April 2013 - C-463/11 [ECLI:​EU:​C:​2013:​247] - Rn. 39). Bei der Artfestlegung muss danach durch die - weite und umfassende - Umschreibung der Voraussetzungen gewährleistet sein, dass für jeden möglichen Einzelfall erhebliche Umweltauswirkungen durch den Plan ausgeschlossen sind (vgl. auch Generalanwalt Wathelet, Schlussanträge vom 19. Dezember 2012 im Verfahren - C-463/11 - Rn. 51). Eine Artfestlegung, mit der das Ziel des Art. 3 Abs. 1 SUP-Richtlinie lediglich im Wege einer typisierenden bzw. pauschalierenden Betrachtungsweise, d. h. im Allgemeinen und regelhaft, aber zugleich verbunden mit der Hinnahme von Ausnahmen, erreicht wird, ist unzulänglich. 13 Mit diesen Anforderungen ist § 13b BauGB nicht vereinbar. Die Rechtslage ist durch die vorstehend aufgezeigte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hinreichend geklärt (sog. acte éclairé), sodass es einer Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht bedarf (siehe zuletzt EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​799], Consorzio Italian Management - Rn. 31 m. w. N.). 14 b) Der Gesetzgeber hat sich - abgesehen von der auf das Habitatrecht bezogenen Einzelfallprüfung nach § 13b Satz 1 i. V. m. § 13a Abs. 1 Satz 5 Alt. 1 BauGB - dafür entschieden, gemäß Art. 3 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 SUP-Richtlinie bestimmte Arten von Plänen festzulegen. Diese sind - neben dem zeitlichen Anwendungsbereich der Vorschrift, der für die Beurteilung von Umweltauswirkungen von vornherein unbeachtlich ist - durch eine quantitative (Grundflächenbegrenzung) und zwei qualitative (Beschränkung auf Wohnnutzung sowie Anschluss der überplanten, im Außenbereich gelegenen Fläche an im Zusammenhang bebaute Ortsteile) Voraussetzungen gekennzeichnet. Das ist jedoch unzureichend. Denn bei den so umschriebenen Plänen können erhebliche Umweltauswirkungen nicht in jedem Fall - und im Übrigen, soweit ersichtlich, auch nicht in der Regel - ausgeschlossen werden. Der von § 13b BauGB ermöglichte Zugriff auf Außenbereichsflächen schließt auch bei einer flächenmäßig begrenzten Wohnbebauung in der Nachbarschaft zu einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil nicht aus, dass mittels des beschleunigten Verfahrens Bebauungspläne erlassen werden können, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben werden. Das gilt schon wegen der ganz unterschiedlichen bisherigen Nutzung der potenziell betroffenen Flächen und der Bandbreite ihrer ökologischen Wertigkeit (vgl. Anhang II der SUP-Richtlinie Nr. 1 Spiegelstrich 1, 3 und 4). So können etwa Wiesenflächen in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen (z. B. Feuchtwiese, Magerwiese) Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten bieten und somit zur Artenvielfalt beitragen. Davon ist auch bei Streuobstwiesen und bei bewaldeten Flächen auszugehen, selbst wenn diese keinem besonderen naturschutzrechtlichen Schutzregime (vgl. § 20 Abs. 2 BNatSchG) unterliegen. Der Umstand, dass sich die überplanbaren Außenbereichsflächen an einen bebauten Ortsteil anschließen müssen, führt auf kein anderes Ergebnis. Das folgt schon daraus, dass die bereits vorhandene Bebauung nichts über die umweltrelevanten Eigenschaften der sich anschließenden Außenbereichsflächen aussagt. Auf eine vermeintliche Prägung durch die benachbarte Bebauung und einen damit einhergehenden Verlust der Schutzwürdigkeit kann nicht abgestellt werden. Zudem können gerade besonders schützenswerte Flächen im Außenbereich die Grenze für eine Siedlungstätigkeit markieren. 15 Anders als im Rahmen der von § 13a BauGB privilegierten Innenentwicklung (vgl. EuGH, Urteil vom 18. April 2013 - C-463/11 - Rn. 39), lässt sich für eine − wie von § 13b BauGB ermöglichte − Außenentwicklung daher gerade keine Art von Plänen und Programmen definieren, die a priori voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat. Das gilt selbst dann, wenn es sich nur um eine ""kleine Fläche"" i. S. v. Art. 3 Abs. 3 SUP-Richtlinie handelt. Damit kann offenbleiben, welche Anforderungen an die Erheblichkeit von Umweltauswirkungen von Plänen und Programmen zu stellen sind. 16 c) Die Kollision von nationalem mit Unionsrecht ist nach den Grundsätzen zum Anwendungsvorrang des Unionsrechts (vgl. schon EuGH, Urteil vom 15. Juli 1964 - C-6/64 [ECLI:​EU:​C:​1964:​66], Costa/E.N.E.L. -) aufzulösen. Bei einem Konflikt zwischen dem Unionsrecht und dem nationalen Recht ist es Sache des nationalen Gerichts, das innerstaatliche Gesetz unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihm das nationale Recht einräumt, in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Unionsrechts auszulegen und anzuwenden; soweit eine solche unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist, darf es entgegenstehende innerstaatliche Vorschriften nicht anwenden (EuGH, Urteile vom 18. März 2004 - C-8/02 [ECLI:​EU:​C:​2004:​161], Leichtle - Rn. 58, vom 13. Juli 2016 - C-187/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​550], Pöpperl - Rn. 43 ff. und zuletzt vom 24. Juli 2023 - C-107/23 [ECLI:​EU:​C:​2023:​606], PPU - Rn. 95). 17 Eine hiernach vorrangige unionsrechtskonforme Auslegung des § 13b BauGB scheidet aus. Es ist nicht Sache des Senats, eine eindeutige gesetzliche Regelung contra legem durch eine anderslautende zu ersetzen, um das gesetzgeberische Ziel einer Verfahrenserleichterung zu verwirklichen (zu den Grenzen der unionsrechtskonformen Auslegung vgl. EuGH, Urteile vom 24. Januar 2012 - C-282/10 [ECLI:​EU:​C:​2012:​33], Dominguez - Rn. 25 und vom 18. Januar 2022 - C-261/20 [ECLI:​EU:​C:​2022:​33], Thelen - Rn. 28). 18 Wegen der Unanwendbarkeit des § 13b BauGB geht der Verweis in Satz 1 auf § 13a BauGB ins Leere. Das gilt insgesamt und betrifft nicht nur § 13a Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Das beschleunigte Verfahren zeichnet sich gerade durch den (nach § 13a Abs. 3 BauGB bekannt zu machenden) Verzicht auf eine Umweltprüfung aus (vgl. § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB: ""wird von der Umweltprüfung ... abgesehen""). Die übrigen in § 13a Abs. 2 BauGB vorgesehenen verfahrens- und materiell-rechtlichen Modifikationen knüpfen daran als begleitende Regelungen an und sind Teil eines Vereinfachungs- und Beschleunigungskonzepts für Bebauungspläne der Innenentwicklung. 19 2. Die Wahl des beschleunigten Verfahrens gemäß § 13b Satz 1 i. V. m. § 13a Abs. 2 Nr. 1, § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB statt des gebotenen Regelverfahrens hat dazu geführt, dass es die Antragsgegnerin rechtswidrig unterlassen hat, eine Umweltprüfung im Sinne von § 2 Abs. 4 BauGB durchzuführen und nach § 2a Satz 2 Nr. 2 BauGB einen Umweltbericht zu erstellen, der als Teil der Begründung (§ 2a Satz 3 BauGB) nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit dem Entwurf öffentlich auszulegen und nach § 9 Abs. 8 BauGB der Begründung beizufügen ist. Hierin liegt ein gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB beachtlicher Verfahrensfehler, der nach § 4 Abs. 2 und 4 UmwRG auch vom Antragsteller gerügt werden kann. 20 Der Mangel der unterlassenen Umweltprüfung ist vom Antragsteller binnen der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB geltend gemacht worden (Schriftsatz vom 27. November 2019; vgl. auch UA S. 4 f.). 21 Der Verfahrensfehler führt zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans. 22 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2023-7,26.01.2023,"Pressemitteilung Nr. 7/2023 vom 26.01.2023 EN Kein vorbeugender Rechtsschutz des Vereins Reporter ohne Grenzen auf Unterlassung der Überwachung seiner Kommunikation mittels Quellen-TKÜ Die vorbeugende Klage des Vereins Reporter ohne Grenzen gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Unterlassung, dass seine mit Dritten über Messenger-Dienste oder auf andere Weise geführte Telekommunikation von dem Bundesnachrichtendienst (BND) mittels Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) überwacht wird, ist unzulässig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am gestrigen Tage entschieden. § 11 Abs. 1a des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G10) enthält die Befugnis für die Nachrichtendienste, in Endgeräte (Telefone, Computer etc.) von Personen einzugreifen, um deren laufende und ruhende Kommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen. Es handelt sich bei dieser Quellen-TKÜ um eine besondere Durchführungsform von individuellen Maßnahmen der Beschränkung des Telekommunikationsgeheimnisses nach § 3 G10, die an einem bestimmten Endgerät einer Person und nicht an einem Übertragungsweg wie im Rahmen der strategischen Überwachung nach § 5 G10 ansetzt. Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der sich als Teil eines internationalen Netzwerks die Dokumentation von Verstößen gegen die Presse- und Informationsfreiheit sowie die Hilfe für Journalisten in Notlagen zum Ziel gesetzt hat. Er hat nach eigenen Angaben vor allem Kontakt mit ausländischen Journalisten, die in denjenigen Themenbereichen und Gebieten recherchieren, in denen auch der BND seine Aufklärungsarbeit leistet. In Einzelfällen stehe er auch direkt in Kontakt zu Personen, die sich im Umfeld von extremistischen Vereinigungen und Organisationen im In- und Ausland bewegten, welche ebenfalls im Fokus des BND stünden. Er gehe daher davon aus, dass seine Kommunikation unmittelbar durch die Quellen-TKÜ auf seinen vereinseigenen Geräten überwacht werden könnte. Jedenfalls bestehe die Gefahr, dass seine Kommunikationspartner mithilfe der Quellen-TKÜ überwacht werden und im Zuge dessen mittelbar seine Kommunikation erfasst werden könnte. Da der BND erklärt habe, von den Befugnissen des § 11 Abs. 1a G10 Gebrauch machen zu wollen, erhebe er vorbeugend Klage auf Unterlassung der unmittelbaren und mittelbaren Überwachung seiner Kommunikation im Wege der Quellen-TKÜ. Das Bundesverwaltungsgericht hat die auf Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen. Soweit sich das Unterlassungsbegehren auf die befürchtete Überwachung der laufenden Kommunikation bezieht, ist bereits nach § 13 G10 die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes ausgeschlossen. Darüber hinaus ist die Klage unstatthaft. Die Statthaftigkeit setzt voraus, dass das Gericht in der Lage ist, das drohende Verwaltungshandeln, dessen Unterlassen der Kläger begehrt, einer Rechtmäßigkeitsprüfung zu unterziehen. Hierzu müsste sich die befürchtete Überwachung der Kommunikation des Klägers mit Dritten über Messenger-Dienste etc. mittels der Quellen-TKÜ hinreichend konkret in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht abzeichnen. Dies ist nicht der Fall. Die Durchführung der Quellen-TKÜ auf vereinseigenen Geräten des Klägers ist nicht hinreichend konkret. Der Kläger trägt selbst nicht vor, dass seine Mitarbeiter im Verdacht stehen könnten, Straftaten im Sinne von § 3 Abs. 1 G10 zu begehen. Ebenso wenig zeichnet sich hinreichend konkret ab, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen die ausländischen Kommunikationspartner des Klägers derartigen Maßnahmen wegen des Verdachts der Begehung solcher Straftaten mit Inlandsbezug ausgesetzt sein könnten. Schließlich erweist sich die Klage auch deshalb als unzulässig, weil der Kläger sich nicht vor Klageerhebung mit seinem Unterlassungsbegehren an den BND gewandt hat. Das Erfordernis der behördlichen Vorbefassung gebietet es, sich vor einer Inanspruchnahme der Gerichte mit einem Begehren zunächst an die Verwaltung zu richten. Dies hat der Kläger unterlassen und damit dem BND die Möglichkeit genommen, das Unterlassungsbegehren vorprozessual zu prüfen. BVerwG 6 A 1.22 - Urteil vom 25. Januar 2023","Urteil vom 25.01.2023 - BVerwG 6 A 1.22ECLI:DE:BVerwG:2023:250123U6A1.22.0 EN Erfolglose vorbeugende Unterlassungsklage gegen den Einsatz der Quellen-Telekommunikationsüberwachung im Rahmen von Maßnahmen nach § 3 G10 Leitsätze: 1. Der Rechtsweg gegen Maßnahmen einer Überwachung der laufenden Kommunikation auf der Grundlage von § 11 Abs. 1a Satz 1 G10 ist nach Maßgabe von § 13 G10 ausgeschlossen. 2. Die Überwachung und Aufzeichnung der ruhenden Kommunikation nach § 11 Abs. 1a Satz 2 G10 greift in den Schutzbereich des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein. 3. Eine vorbeugende Unterlassungsklage, mit der ein drohendes Verwaltungshandeln abgewehrt werden soll, ist nur statthaft, wenn sich dieses Handeln hinreichend konkret abzeichnet, insbesondere die für eine Rechtmäßigkeitsprüfung erforderliche Bestimmtheit aufweist (wie BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2017 - 6 A 6.16 - BVerwGE 161, 76). Rechtsquellen G10 §§ 3, 5, 11 Abs. 1a, § 13 GG Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 10 VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 4 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 25.01.2023 - 6 A 1.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:250123U6A1.22.0] Urteil BVerwG 6 A 1.22 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Kläger, ein eingetragener Verein mit Sitz in Berlin, ist Teil eines internationalen Netzwerks, das sich zum Ziel gesetzt hat, Verstöße gegen die Presse- und Informationsfreiheit zu dokumentieren sowie Journalisten zu helfen, die aufgrund ihrer Recherchen in Notlagen geraten sind. Er begehrt mit seiner auf vorbeugenden Rechtsschutz gerichteten Klage, dass der Bundesnachrichtendienst es unterlässt, seine mit Dritten über Messenger-Dienste oder auf andere Weise geführte Telekommunikation unter Anwendung des § 11 Abs. 1a Satz 1 bis 3 G10 zu überwachen oder aufzuzeichnen. 2 Sein Unterlassungsbegehren machte der Kläger zunächst zum Gegenstand eines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Das Bundesverwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 22. November 2021 (6 VR 4.21 ) ab, da der Kläger sein Begehren zuvor an den Bundesnachrichtendienst hätte richten müssen. 3 Im Nachgang hat der Kläger die vorbeugende Unterlassungsklage erhoben. Zur Begründung führt er an, er müsse vorbeugenden Rechtsschutz in Anspruch nehmen können, da aufgrund seiner Aktivitäten eine Überwachung seiner Telekommunikation unter Einsatz der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) drohe. Er stehe vor allem in Kontakt mit ausländischen Journalisten, die als Korrespondenten für seine Dachorganisation und gleichzeitig oftmals auch als Investigativjournalisten tätig seien. Mit ihrer Unterstützung sammle er Informationen über die örtliche Sicherheitslage und die Arbeitsbedingungen lokaler Medienschaffender, analysiere diese und bringe sie in nationale oder internationale Gerichtsverfahren etwa gegen Führungspersonen der jeweiligen ausländischen Regime ein. Die mit ihm in Verbindung stehenden Journalisten seien gefährdet. Ihre Bedrohungslage ergebe sich oft aus deren Recherchen zu Korruption, organisierter Kriminalität und Missständen in Regierungskreisen, staatlichen Behörden und bei Sicherheitskräften. In Einzelfällen komme es auch zum Kontakt mit Unterstützung suchenden Personen aus dem Umfeld extremistischer Vereinigungen und Organisationen im In- und Ausland, mit denen er als Quellen auf sicherem Wege kommunizieren können müsse. Seine Aktivitäten, die sich u. a. auf Länder wie Mexiko, Russland, Belarus und Saudi-Arabien erstreckten, deckten sich hiernach sowohl thematisch als auch räumlich mit denjenigen Bereichen, in denen der Bundesnachrichtendienst seine Aufklärungsarbeit betreibe. Es sei daher zumindest hinreichend wahrscheinlich, dass der Bundesnachrichtendienst die Quellen-TKÜ auf den vereinseigenen Geräten einsetzen und die Kommunikation unmittelbar überwacht und aufgezeichnet werde. Jedenfalls bestehe die Gefahr, dass seine Telekommunikation mittelbar überwacht werde, weil die Quellen-TKÜ bei seinen Kommunikationspartnern eingesetzt werden könnte. Dies gelte vor allem für seine Quellen aus dem Umfeld extremistischer Vereinigungen und Organisationen, die die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 G10 erfüllten. 4 Für die angesichts dessen zulässige Klage sei der Rechtsweg nicht ausgeschlossen. Das Erfordernis einer vorherigen Antragstellung sei eine bloße Förmelei. Es sei davon auszugehen, dass der Bundesnachrichtendienst die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgeben werde. Im Gegenteil habe dieser erklärt, von den Befugnissen nach § 11 Abs. 1a G10 Gebrauch machen zu wollen. Das für die vorbeugende Unterlassungsklage erforderliche qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis ergebe sich aus der Heimlichkeit der Überwachungsmaßnahme. Er, der Kläger, könne eine Überwachung seiner Messenger-Dienste nicht erkennen und damit nicht um nachträglichen Rechtsschutz nachsuchen, zumal seine Benachrichtigung nicht zwingend sei. Eine Verweisung auf nachträglichen Rechtsschutz mache seine auf Vertrauen mit seinen Kommunikationspartnern beruhende Zusammenarbeit unmöglich, erschwere sie jedenfalls und gefährde sie. Da die Überwachung seiner Kommunikation hinreichend wahrscheinlich sei, sei er auch klagebefugt. Bei der Beurteilung der Zulässigkeitsvoraussetzungen sei schließlich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Rechtsschutzgewährung bei heimlichen Überwachungsmaßnahmen der Nachrichtendienste zu berücksichtigen. 5 Sein Unterlassungsanspruch ergebe sich aus der Verfassungswidrigkeit des § 11 Abs. 1a Satz 1 bis 3 G10 sowie der Regelungen für die Anordnung und die Reichweite von Beschränkungsmaßnahmen nach den §§ 3 ff. G10. Die Normen seien mit Art. 10 Abs. 1 GG für die Überwachung der laufenden Kommunikation bzw. mit dem aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleiteten Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme für die Überwachung der ruhenden Kommunikation unvereinbar. Zudem werde er wegen des nur relativen Schutzes seiner journalistischen Tätigkeit in seinen Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 12 GG verletzt. 6 Der Kläger beantragt, dem Beklagten wird es untersagt, Chats und andere Kommunikation, die Organe oder Mitarbeiter des Klägers im Auftrag des Klägers mit Dritten über Messenger-Dienste oder auf andere Weise führen, unter Anwendung des § 11 Abs. 1a Satz 1 bis 3 Artikel 10-Gesetz zu überwachen oder aufzuzeichnen. 7 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 8 Sie verweist darauf, dass der Kläger auch im Nachgang zum Beschluss des Senats vom 22. November 2021 keinen Antrag beim Bundesnachrichtendienst gestellt habe. Ein Verwaltungsvorgang existiere daher mangels Vorbefassung des Bundesnachrichtendienstes mit dem Unterlassungsbegehren nicht. Die Klage sei unzulässig. Der Kläger sei nicht klagebefugt. Er werde bisher und momentan weder unmittelbar noch mittelbar überwacht. Der Bundesnachrichtendienst habe nicht erklärt, von den Befugnissen gegenüber dem Kläger Gebrauch machen zu wollen. Dessen Aktivitäten ließen es nicht als hinreichend wahrscheinlich erscheinen, zukünftig von Maßnahmen der Quellen-TKÜ betroffen zu sein. Die Quellen-TKÜ erfordere einen Zugriff auf das Endgerät einer Person. Sie komme nur im Rahmen einer gezielten Überwachungsmaßnahme und nicht im Rahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung zum Einsatz. Der Kläger benenne weder die Vertrauens- oder Kontaktpersonen noch stelle er einen konkreten möglichen Zusammenhang mit einer tatsächlichen Überwachungsmaßnahme des Bundesnachrichtendienstes her, sodass nicht erkennbar sei, dass seine Kommunikation durch den Einsatz der Quellen-TKÜ überwacht werden könnte. Auch fehle das qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis für die Klage. Die Rechte des Klägers seien durch die vorhandenen gesetzlichen Prüfungs- und Kontrollmechanismen ausreichend geschützt. 9 Hilfsweise, für den Fall der unterstellten Zulässigkeit der Klage, sei jedenfalls von deren Unbegründetheit auszugehen. Der Kläger wende sich nicht gegen die Rechtswidrigkeit einer konkreten Beschränkungsmaßnahme oder deren Anordnung, sondern stelle lediglich auf die behauptete, aber nicht gegebene Verfassungswidrigkeit der die Quellen-TKÜ regelnden Normen ab. 10 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2023 und den Schriftverkehr im gerichtlichen Verfahren Bezug genommen. II 11 Die vorbeugende Leistungs- in Form der Unterlassungsklage zur Verhinderung der vom Kläger geltend gemachten drohenden Überwachung seiner Telekommunikation mittels der Quellen-TKÜ, über die das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO erst- und letztinstanzlich entscheidet, ist unzulässig. 12 Die Quellen-TKÜ setzt technisch am Endgerät einer Person an und kann daher im Anwendungsbereich des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - G10) i. d. F. der Bekanntmachung vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254; ber. S. 2298; ber. BGBl. 2017 I S. 154), zuletzt geändert durch Art. 6 Abs. 4 des Gesetzes vom 5. Juli 2021 (BGBl. I S. 2274), aus technischen Gründen nur im Rahmen des Vollzugs von Beschränkungsmaßnahmen nach § 3 G10 zur Anwendung kommen (1.). Soweit sie die Überwachung der laufenden Kommunikation ermöglicht, ist der Rechtsweg nach Maßgabe von § 13 G10 ausgeschlossen (2.). Ungeachtet dessen erweist sich die vorbeugende Unterlassungsklage des Klägers als unstatthaft (3.). Schließlich ist sie mangels vorheriger Antragstellung bei dem Bundesnachrichtendienst unzulässig (4). 13 1. Die Quellen-TKÜ ist ein Mittel zur Durchführung einer Beschränkungsmaßnahme (vgl. auch § 11 Abs. 1 G10). § 9 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 G10 bestimmt insoweit, dass der Antrag auf Anordnung einer Beschränkungsmaßnahme im Falle der Durchführung nach § 11 Abs. 1a G10 auch eine möglichst genaue Bezeichnung des informationstechnischen Systems enthalten muss, in das zur Datenerhebung eingegriffen werden soll. Die Quellen-TKÜ ermöglicht die Überwachung sowohl der laufenden als auch der ruhenden Kommunikation. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1a G10. Nach dessen Satz 1 darf die Überwachung und Aufzeichnung der laufenden Telekommunikation, die nach dem Zeitpunkt der Anordnung übertragen worden ist, auch in der Art und Weise erfolgen, dass in ein von dem Betroffenen genutztes informationstechnisches System eingegriffen wird, wenn dies notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung insbesondere in unverschlüsselter Form zu ermöglichen. Gemäß § 11 Abs. 1a Satz 2 G10 dürfen auf dem informationstechnischen System des Betroffenen ab dem Zeitpunkt der Anordnung gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn sie auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können. Aus der Gesetzesbegründung folgt entgegen der Auffassung des Klägers nichts anderes. Zwar wird die Schaffung der Befugnis der Nachrichtendienste zur Überwachung der ruhenden Kommunikation mittels Quellen-TKÜ hervorgehoben (vgl. BT-Drs. 19/24785 S. 14 zur Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen). Jedoch ergibt sich aus der Begründung zu § 11 Abs. 1a G10, dass dessen Satz 1 und 2 den Regelungen des im Wesentlichen gleichlautenden § 100a Abs. 1 Satz 2 und 3 StPO nachgebildet sind (vgl. BT-Drs. 19/24785 S. 22). Die Quellen-TKÜ ist hiernach ein Mittel einerseits der Überwachung laufender Kommunikation und anderseits der Durchsuchung gespeicherter (ruhender) Kommunikation auf einem Endgerät (vgl. zu dieser Unterscheidung: BVerfG, Urteile vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 370, 595/07 - BVerfGE 120, 274 <308> und vom 20. April 2016 - 1 BvR 966, 1140/09 - BVerwGE 141, 220 Rn. 228; Beschluss vom 8. Juni 2021 - 1 BvR 2771/18 - BVerfGE 158, 170 Rn. 28 f.). 14 Die informatorische Anhörung der Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes in der mündlichen Verhandlung hat zur Überzeugung des Senats ergeben, dass die nach § 11 Abs. 1a G10 ermöglichte Überwachung und Aufzeichnung der laufenden und ruhenden Telekommunikation in technischer Hinsicht einen Eingriff in das informationstechnische System einer bestimmten Person und damit den Zugriff auf ein konkretes Endgerät des Betroffenen erfordert. Ein solcher Eingriff kann auf verschiedene Weise erfolgen, indem die Überwachungssoftware etwa über eine E-Mail, einen ihr beigefügten Anhang oder auf andere Weise auf das Endgerät gespielt wird. Die Software ermöglicht den Zugriff auf die auf dem Endgerät aus- und eingehende laufende Kommunikation vor ihrer Verschlüsselung bzw. nach ihrer Entschlüsselung sowie auf die dort vorhandene ruhende Kommunikation. In zeitlicher Hinsicht beginnt die Überwachung der laufenden Kommunikation ab dem Zeitpunkt, in dem die Überwachungssoftware auf dem Endgerät aktiviert wird; sie endet mit Ablauf der Geltungsdauer der Beschränkungsmaßnahme, in deren Vollzug die Quellen-TKÜ durchgeführt wird. Demgegenüber erfasst die Überwachung der ruhenden Kommunikation diejenige Kommunikation auf dem Endgerät, die dort in der Zeit zwischen dem Beginn der Geltungsdauer der Beschränkungsmaßnahme und der Aktivierung der Überwachungssoftware gespeichert worden ist. 15 Da die Quellen-TKÜ in technischer Hinsicht den Zugriff auf ein konkretes Endgerät einer bestimmten Person erfordert, kann sie nach dem gegenwärtigen Stand der Technik im Anwendungsbereich des Artikel 10-Gesetzes nur im Rahmen des Vollzugs einer Beschränkungsmaßnahme nach § 3 G10 zur Anwendung kommen. Eine auf dieser Norm beruhende Beschränkungsmaßnahme setzt voraus, dass tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht vorliegen, dass jemand eine der in § 3 Abs. 1 Satz 1 G10 genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat bzw. Mitglied einer Vereinigung ist, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten i. S. v. § 3 Abs. 1 Satz 2 G10 zu begehen. Zudem ist die Anordnung dieser Beschränkungsmaßnahme und in deren Vollzug die Quellen-TKÜ nach § 3 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 G10 nur zulässig zur Abwehr drohender Gefahren für die freiheitlich demokratische Grundordnung oder anderer dort genannter staatsschützender Belange (vgl. Roggan, DVBl. 2021, 1471 <1472>; Huber, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3 Artikel 10-Gesetz Rn. 2). Adressaten sind die Verdächtigen oder Personen, von denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Verdächtigen bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Verdächtige ihren Anschluss benutzt (§ 3 Abs. 2 Satz 2 G10; vgl. zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Einbeziehung dieser Personen bereits: BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1970 - 2 BvF 1/69 u. a. - BVerfGE 30, 1 <32 f.> zu § 2 Abs. 2 Satz 2 G10 i. d. F. der Bekanntmachung vom 13. August 1968 - BGBl. I S. 949). Dementsprechend muss in der Anordnung der Beschränkungsmaßnahme nach § 10 Abs. 3 G10 die Person bezeichnet werden, gegen die sich die Beschränkungsmaßnahme richtet (Satz 1), und bei einer Überwachung der Telekommunikation ist auch die Rufnummer oder eine andere Kennung des Telekommunikationsanschlusses oder die Kennung des Endgeräts, wenn diese allein diesem Endgerät zuzuordnen ist, anzugeben (Satz 2). Hierunter fallen etwa die IMEI-Nummer, die IP-Adresse oder auch eine bestimmte E-Mail-Adresse (vgl. Huber, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 10 Artikel 10-Gesetz Rn. 8 f.). 16 Demgegenüber kommt eine Anwendung der Quellen-TKÜ im Rahmen einer Beschränkungsmaßnahme der strategischen Fernmeldeüberwachung nach den §§ 5 ff. G10 aus technischen Gründen bisher nicht in Betracht. Eine solche Beschränkungsmaßnahme setzt nicht an einem konkreten Endgerät einer bestimmten Person, sondern nach § 5 Abs. 1 Satz 1 G10 an einem gebündelten Übertragungsweg an (zum Begriff sowie zur Abgrenzung des Übertragungswegs von daran sich anschließenden End- und Vermittlungseinrichtungen: BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2018 - 6 A 3.16 - BVerwGE 162, 179 Rn. 46). Dieser ist entweder leitungsgebunden wie bei einer Kabelverbindung oder nicht leitungsgebunden wie bei einer Satelliten- oder Richtfunkverkehrsverbindung (vgl. Huber, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 5 Artikel 10-Gesetz Rn. 2). Die Maßnahme nach § 5 G10 ermöglicht die Überwachung der auf diesem Übertragungsweg transportierten Datenströme internationaler Telekommunikationsbeziehungen. Zwar kann die strategische Fernmeldeüberwachung der Datenströme durch die Verwendung von individuellen, einer Person oder einem Anschlussinhaber zuzuordnenden Suchbegriffen wie einer Telefonnummer, einer E-Mail-Adresse, einer IMSI-Kennung oder einer IMEI-Kennung auch gezielt auf die Erfassung bestimmter Telekommunikationsanschlüsse gerichtet sein (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 bis 3 G10). Jedoch werden diese Suchbegriffe auf die im Rahmen der gebündelten Übertragungswege überwachten Datenströme angewandt. Deshalb unterscheidet sich die strategische Fernmeldeüberwachung als primär sachbezogene und nicht gegen einzelne Personen gerichtete Maßnahme von einer Beschränkungsmaßnahme im Einzelfall wie etwa nach § 3 G10 (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 - BVerfGE 154, 152 Rn. 148 sowie BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 6 A 9.14 - BVerwGE 157, 8 Rn. 24). Führen die individuellen Suchbegriffe bei der strategischen Fernmeldeüberwachung zu Treffern, bedarf es für die Überwachung der laufenden und der ruhenden Kommunikation einer Person mittels Quellen-TKÜ in technischer Hinsicht des Zugriffs auf ein individualisiertes Endgerät und damit der Anordnung einer einzelfallbezogenen Beschränkungsmaßnahme nach § 3 G10. 17 2. Für das Unterlassungsbegehren des Klägers ist der Rechtsweg nach § 13 G10 ausgeschlossen, soweit es sich auf die geltend gemachte drohende Überwachung seiner laufenden Telekommunikation mittels Quellen-TKÜ (§ 11 Abs. 1a Satz 1 G10) bezieht (a)). Der Rechtswegausschluss erfasst jedoch nicht die auf § 11 Abs. 1a Satz 2 G10 beruhenden Vollzugsmaßnahmen hinsichtlich der ruhenden Kommunikation (b)). 18 a) Gemäß § 13 G10 ist gegen die Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen nach den §§ 3 und 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 G10 und ihren Vollzug der Rechtsweg vor der Mitteilung an den Betroffenen nicht zulässig. Nach ihrem weit gefassten Wortlaut erfasst die Vorschrift neben den explizit aufgeführten Beschränkungsmaßnahmen sämtliche Maßnahmen, die in deren Vollzug durchgeführt werden. Allerdings ist bei der Bestimmung der Reichweite des § 13 G10 zu berücksichtigen, dass der partielle Rechtswegausschluss verfassungsrechtlich in dem Gesetzesvorbehalt des Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG verankert ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u. a. - BVerfGE 100, 313 <361>; BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 6 A 9.14 - BVerwGE 157, 8 Rn. 29). Danach kann das Gesetz bei einer gesetzlich angeordneten Beschränkung des in Art. 10 Abs. 1 GG verbürgten Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, die dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes dient, bestimmen, dass sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt. Der verfassungsrechtlichen Ermächtigung des Gesetzgebers zur Anordnung eines Rechtswegausschlusses liegt damit die Annahme zugrunde, dass mit den dort aufgeführten Beschränkungsmaßnahmen und deren Vollzug ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG verbunden ist. Für derartige Maßnahmen schließt § 13 G10 die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes zeitweise aus. Während eine nachträgliche Kontrolle durch die Gerichte grundsätzlich eröffnet ist, kommt die Gewährung eines vorbeugenden gerichtlichen Rechtsschutzes nicht in Betracht (vgl. zur zeitlichen Dimension des Rechtswegausschlusses: BVerfG, Beschluss vom 20. September 2016 - 2 BvE 5/15 - BVerfGE 143, 1 Rn. 59). Dies gilt nicht nur für den von einer in § 13 G10 genannten Beschränkungsmaßnahme unmittelbar Betroffenen, sondern in gleicher Weise für dessen mittelbar betroffenen Kommunikationspartner. 19 Im Bereich der Quellen-TKÜ unterfällt hiernach die Überwachung der laufenden Kommunikation nach § 11 Abs. 1a Satz 1 G10 dem Rechtswegausschluss, d. h. die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mit Hilfe des Telekommunikationsverkehrs, die von einem Endgerät aus- oder dort eingehen. Dies entspricht insoweit dem Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG. Dieser umfasst den Zugriff auf Inhalte und Umstände der laufenden Kommunikation, auch wenn die Überwachung technisch einen Eingriff in das entsprechende informationstechnische System voraussetzt (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966, 1140/09 - BVerfGE 141, 220 Rn. 228). Er ist auch dann berührt, wenn die Maßnahme technisch nicht auf der Übertragungsstrecke, sondern bei dem Endgerät ansetzt. Er endet bei Zugriffen außerhalb der laufenden Kommunikation (vgl. BVerfG, Urteile vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 370, 595/07 - BVerfGE 120, 274 <307> und vom 2. März 2010 - 1 BvR 256, 263, 586/08 - BVerfGE 125, 260 <309>; BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2018 - 6 A 3.16 - BVerwGE 162, 179 Rn. 25 f. jeweils m. w. N.; unklar Roggan, DVBl. 2021, 1471 <1473 f.>). 20 b) Anders verhält es sich bei der Überwachung der ruhenden Kommunikation gemäß § 11 Abs. 1a Satz 2 G10. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erstreckt sich der Grundrechtsschutz des Art. 10 Abs. 1 GG nicht auf die nach Abschluss eines Kommunikationsvorgangs im Herrschaftsbereich eines Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Inhalte und Umstände der Telekommunikation, soweit dieser eigene Schutzvorkehrungen gegen den heimlichen Datenzugriff treffen kann. Soweit der heimliche Zugriff auf ein informationstechnisches System dazu dient, Daten auch insoweit zu erheben, als Art. 10 Abs. 1 GG nicht vor einem Zugriff schützt, ist stattdessen der Schutzbereich des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme als besonderer Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG; sog. IT-Grundrecht) eröffnet. In dieses Grundrecht wird eingegriffen, wenn auf abgeschlossene Kommunikationsvorgänge zugegriffen wird, deren Inhalte und Umstände auf einem informationstechnischen System gespeichert sind (vgl. auch zur Abgrenzung von Art. 10 Abs. 1 GG zum IT-Grundrecht: BVerfG, Urteile vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 370, 595/07 - BVerfGE 120, 274 <307 ff., 313 ff.> und vom 20. April 2016 - 1 BvR 966, 1140/09 - BVerfGE 141, 220 Rn. 209 ff.; Nichtannahmebeschluss vom 6. Juli 2016 - 2 BvR 1454/13 - NJW 2016, 3508 Rn. 41). Mithin greift der Rechtswegausschluss nicht im Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1a Satz 2 G10. 21 3. Unabhängig von der Frage des teilweisen Rechtswegausschlusses ist die erhobene Klage wegen fehlender Statthaftigkeit unzulässig. Eine vorbeugende Unterlassungsklage, mit der - wie hier - ein drohendes tatsächliches Verwaltungshandeln abgewehrt werden soll, ist nur statthaft, wenn sich dieses Handeln hinreichend konkret abzeichnet, insbesondere die für eine Rechtmäßigkeitsprüfung erforderliche Bestimmtheit aufweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2017 - 6 A 6.16 - BVerwGE 161, 76 Rn. 12 m. w. N.). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt (a)). Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (b)) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (c)) lassen sich keine Vorgaben ableiten, die eine abweichende Würdigung der Statthaftigkeit einer vorbeugenden Unterlassungsklage in Fällen der hier vorliegenden Art gebieten. 22 a) Die Statthaftigkeit der vorbeugenden Unterlassungsklage folgt nicht bereits aus dem Umstand, dass der Bundesnachrichtendienst die Quellen-TKÜ im Einzelfall einsetzen will. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht eine vergleichbare Erklärung hinsichtlich einer Speicherung und Nutzung von im Rahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung gewonnenen Metadaten aus Telefonie-Verkehren in der Datei VERAS im Urteil vom 13. Dezember 2017 ausreichen lassen und ist von der hinreichenden Bestimmtheit des Gegenstands vorbeugenden Rechtsschutzes ausgegangen. Dies beruhte aber entscheidungserheblich auf dem Umstand, dass der Bundesnachrichtendienst die Telefonie-Metadatenerfassung bei Gelegenheit aller ergangenen Beschränkungsanordnungen nach § 5 G10 unabhängig von deren Begrenzung durchgeführt hatte, sie damit eine beträchtliche Erfassungsreichweite aufwies und deshalb davon ausgegangen werden konnte, dass die Metadaten aus den Telefonie-Verkehren des Klägers im dortigen Verfahren miterfasst wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2017 - 6 A 6.16 - BVerwGE 161, 76 Rn. 14 und 19). So verhält es sich bei der Quellen-TKÜ nicht. Sie kann in technischer Hinsicht nur bei einer einzelfallbezogenen Beschränkungsmaßnahme zur Anwendung kommen und betrifft lediglich die auf einem bestimmten Endgerät des Betroffenen laufende oder ruhende Telekommunikation. Ihre Erfassungsreichweite unterscheidet sich damit in strukturell beachtlicher Weise von derjenigen Reichweite, die mit der Erfassung und Speicherung von Daten im Rahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung in der Datei VERAS verbunden war. 23 Auch im Übrigen kann der Senat keine Anhaltspunkte feststellen, anhand derer sich eine Erfassung der über Messenger-Dienste oder auf andere Weise geführten Telekommunikation des Klägers mittels Quellen-TKÜ hinreichend konkret abzeichnet. Der Kläger selbst behauptet nicht, dass seine Mitarbeiter, die vereinseigene Geräte benutzen, in den Verdacht von Straftaten im Sinne von § 3 Abs. 1 G10 geraten könnten. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich auch nicht aus seinen Aktivitäten, die nach eigenen Angaben dadurch geprägt sind, als Teil eines internationalen Netzwerks Verstöße gegen die Presse- und Informationsfreiheit zu dokumentieren sowie Journalisten zu helfen, die aufgrund ihrer Recherchen in Notlagen geraten sind. Soweit er Informationen über die örtliche Sicherheitslage und die Arbeitsbedingungen lokaler Medienschaffender sammelt, analysiert und in nationale oder internationale Gerichtsverfahren etwa gegen Führungspersonen der jeweiligen ausländischen Regime einbringt, sind mit diesen Tätigkeiten seiner Mitarbeiter keine Anhaltspunkte für die Begehung der in § 3 Abs. 1 G10 aufgeführten Straftaten mit Inlandsbezug verbunden. 24 Kein anderes Ergebnis ergibt eine Betrachtung der Kommunikationspartner des Klägers. Bei ihnen handelt es sich nach dessen Angaben überwiegend um ausländische Journalisten, die vor allem zu nachrichtendienstlich relevanten Themen recherchieren. Allein der Umstand, dass sich die Recherchebereiche der Journalisten und die Aufklärungsarbeit des Bundesnachrichtendienstes in räumlicher und thematischer Hinsicht überschneiden, lässt nicht erkennen, dass die Journalisten im Verdacht der Begehung von Straftaten im Sinne von § 3 Abs. 1 G10 stehen oder sonst gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 G10 Zielperson einer individuellen Beschränkungsmaßnahme sein könnten. Gleiches gilt für die Kommunikationspartner aus dem Umfeld extremistischer Vereinigungen und Organisationen im In- und Ausland sowie aus dem Kreise von Regierungsstellen ausländischer Regime. Selbst wenn der Bundesnachrichtendienst an den Aktivitäten dieser Personen ein nachrichtendienstliches Aufklärungsinteresse hätte, lägen damit nicht zugleich Anhaltspunkte vor, dass ihnen gegenüber Maßnahmen nach § 3 G10 angeordnet werden könnten. Denn solche Maßnahmen des Bundesnachrichtendienstes kommen nur in Betracht, wenn die Zielpersonen verdächtigt sind, eine in § 3 Abs. 1 G10 genannten Straftat zu verwirklichen, die sich mit Blick auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 G10 gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richtet, oder als andere Personen gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 G10 einbezogen werden. Dies lässt sich vorliegend auch anhand der konkretisierenden Beispiele des Klägers nicht mit der hinreichenden Bestimmtheit feststellen. Denn bei den vom Kläger genannten Personen handelt es sich vor allem um Zeugen in Strafverfahren, denen Straftaten gegen Journalisten durch ausländische Regime zugrunde liegen, oder um sog. Whistleblower. 25 b) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt keinen Anlass, die an die Statthaftigkeit einer vorbeugenden Unterlassungsklage zu stellenden Anforderungen anders zu fassen. 26 Der nach Auffassung des Klägers großzügige Maßstab des Bundesverfassungsgerichts bei der Beurteilung der unmittelbaren Betroffenheit eines Beschwerdeführers als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Rechtssatzverfassungsbeschwerde gegen gesetzliche Befugnisse zur heimlichen Überwachung des Bundesnachrichtendienstes im Rahmen der Ausland-Ausland-Aufklärung nach den §§ 6 ff. BNDG a. F. (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 - BVerfGE 154, 152 Rn. 72) ist nicht auf die dem verwaltungsprozessualen Rechtsschutzregime unterfallenden Anforderungen an die Statthaftigkeit der vorbeugenden Unterlassungsklage zu übertragen. Unabhängig davon verlangt auch das Bundesverfassungsgericht eine nähere Begründung der Betroffenheit, wenn es um Überwachungsmaßnahmen geht, deren Streubreite - anders als bei der Ausland-Ausland-Aufklärung - rechtlich und tatsächlich eingeschränkt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - juris Rn. 54). 27 Der Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Subsidiarität von Rechtssatzverfassungsbeschwerden und der vorrangigen Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung. Denn die Rechtssatzverfassungsbeschwerde ist gegenüber dem fachgerichtlichen Rechtsschutz auch dann subsidiär, wenn dessen Zulässigkeit noch nicht geklärt bzw. zweifelhaft ist. Dies gilt unabhängig davon, ob das Fachgericht den Rechtsbehelf für zulässig, insbesondere statthaft erachtet oder nicht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 8. Juni 2021 - 1 BvR 2771/18 - BVerfGE 158, 170 Rn. 68 ff. <72 f.>, vom 20. Januar 2022 - 1 BvR 1552/19 - MMR 2022, 372 Rn. 18 und vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - juris Rn. 47). 28 c) Ebenso wenig gibt die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Anlass, die Anforderungen an die Statthaftigkeit einer vorbeugenden Unterlassungsklage in der vorliegenden Fallkonstellation zu relativieren. Die von dem Kläger angeführten Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21. Mai 2021 betreffen nicht - wie hier - die gezielte Überwachung von Personen, sondern die nachrichtendienstliche geheime Massenüberwachung (vgl. EGMR, Urteile vom 25. Mai 2021 - Nr. 58170/13 u. a., Big Brother Watch u. a./Vereinigtes Königreich - NVwZ-Beilage 2021, 11 und - Nr. 35252/08, Centrum för Rättvisa/Schweden - NVwZ-Beilage 2021, 30). Ungeachtet dessen gehören weder die Mitarbeiter und Kommunikationspartner des Klägers - soweit ersichtlich - zu der Gruppe von Personen, auf die die Überwachungsmaßnahme gerichtet sein könnte, noch die gesetzlichen Regelungen der Quellen-TKÜ zu denjenigen Bestimmungen, die alle Nutzer elektronischer Kommunikationswege direkt betreffen (vgl. EGMR, Urteil vom 25. Mai 2021 - Nr. 35252/08, Centrum för Rättvisa/Schweden - NVwZ-Beilage 2021, 30). 29 4. Die Zulässigkeit der Leistungsklage, in der von der Behörde ein Handeln oder Unterlassen verlangt wird, hängt grundsätzlich davon ab, dass der Kläger das im gerichtlichen Verfahren geltend gemachte Begehren in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren bei der zuständigen Behörde ohne Erfolg beantragt hat. Die Vorbefassung bezweckt den Schutz der Gerichte vor unnötiger Inanspruchnahme und stellt zugleich eine Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gewaltenteilung dar, demzufolge es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden. Sie steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass das einschlägige Verwaltungsverfahrensrecht keine abweichende Regelung trifft (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2016 - 6 C 66.14 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 15 Rn. 21, vom 13. Dezember 2017 - 6 A 6.16 - BVerwGE 161, 76 Rn. 11, vom 25. November 2020 - 6 C 7.19 - BVerwGE 170, 345 Rn. 36 und vom 2. März 2022 - 6 C 7.20 - NVwZ 2022, 1205 Rn. 58). Fehlt es an einem gesetzlich geregelten Verfahren, in dem der geltend gemachte Anspruch durch eine zuständige Verwaltungsbehörde zu prüfen ist, kann jedoch aus prozessökonomischen Gründen im Einzelfall auch ohne vorherige Antragstellung im Verwaltungsverfahren ein Rechtsschutzbedürfnis für die Leistungsklage anzuerkennen sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Behörde die fehlende Vorbefassung nicht spezifisch gerügt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 2020 - 6 C 7.19 - BVerwGE 170, 345 Rn. 36 m. w. N.; Beschluss vom 22. November 2021 - 6 VR 4.21 - NVwZ-RR 2022, 164 Rn. 8 f.) oder das Beharren auf einer Vorbefassung der Verwaltung als bloße Förmelei erscheint, weil die Behörde klar und eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass sie einen solchen Antrag definitiv ablehnen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. März 2022 - 6 C 7.20 - NVwZ 2022, 1205 Rn. 58 m. w. N.). 30 In Anwendung dieser Grundsätze ist die Klage auch deshalb unzulässig, weil der Kläger sich mit seinem Begehren nicht zuvor an den Bundesnachrichtendienst gewandt hat. Da das Artikel 10-Gesetz kein abweichendes Verfahren zur Geltendmachung des Unterlassungsbegehrens regelt, ist die Vorbefassung grundsätzlich geboten. Sie ist weder aus prozessökonomischen Gründen entbehrlich noch dem Kläger - wie von ihm behauptet - unzumutbar. 31 Zum einen hat die Beklagte unter Verweis auf den Senatsbeschluss im vorangegangenen Eilverfahren auf die fehlende Vorbefassung des Bundesnachrichtendienstes mit dem Unterlassungsbegehren sowie das unveränderte Nichtvorliegen eines Antrags und Verwaltungsvorgangs hingewiesen. Zum anderen hat der Bundesnachrichtendienst nicht zu erkennen gegeben, den Antrag definitiv ablehnen zu wollen. Eine solche Entscheidung setzt die Klärung der Frage voraus, ob und unter welchen Voraussetzungen der Kläger überhaupt von einer Maßnahme der Quellen-TKÜ betroffen sein könnte. Insoweit wäre es Aufgabe des Verwaltungsverfahrens und nicht des gerichtlichen Verfahrens gewesen, die technischen Voraussetzungen für den Einsatz der Quellen-TKÜ zu klären. Bei einer entsprechenden Antragstellung hätte der Bundesnachrichtendienst dem Kläger den Anwendungsbereich der Quellen-TKÜ auf der Grundlage des Artikel 10-Gesetzes erläutern können und müssen. Diese Erläuterungsmöglichkeit, eine ggf. darauf aufbauende Präzisierung seines Antrags und eine anschließende Prüfung des Begehrens durch den Bundesnachrichtendienst hat der Kläger mit der sofortigen Klageerhebung unmöglich gemacht. 32 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2023-8,26.01.2023,"Pressemitteilung Nr. 8/2023 vom 26.01.2023 EN Normenkontrollantrag des BUND gegen die ""Inntal-Süd""- Verordnung zulässig Der Antragsteller, eine anerkannte Umweltvereinigung, kann gegen die ""Verordnung des Landkreises Rosenheim über das Landschaftsschutzgebiet Inntal Süd"" im Wege der Normenkontrolle vorgehen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Verordnung stellt ein etwa 4 021 ha großes Gebiet unter Schutz. Mit Inkrafttreten der Verordnung im Jahr 2013 traten frühere Verordnungen über Schutzgebiete aus den Jahren 1952 und 1977 teilweise bzw. vollständig außer Kraft. Dadurch wurde das bisherige Landschaftsschutzgebiet um ca. 650 ha verkleinert. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag mangels Antragsbefugnis als unzulässig abgelehnt. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verfahren zunächst zur Klärung der Frage, ob nach Unionsrecht (RL 2001/42/EG) vor Erlass der Verordnung eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestand, ausgesetzt (BVerwG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 4 CN 4.18 -). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat das mit Urteil vom 22. Februar 2022 (C-300/20) verneint. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach erneuter mündlicher Verhandlung auf die Revision des Antragstellers das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Antragsbefugnis ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes. Art. 11 Abs. 1 des Protokolls ""Naturschutz und Landschaftspflege"" zur Alpenkonvention verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland als Vertragspartei, bestehende Schutzgebiete im Sinne ihres Schutzzwecks zu erhalten. Er ist eine umweltbezogene Bestimmung des innerstaatlichen Rechts. Das Naturschutzprotokoll dient der Durchführung der Alpenkonvention, die zum Unionsumweltrecht gehört. Nach Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus in Verbindung mit Art. 47 und 51 Abs. 1 EU-Grundrechte-Charta muss ein etwaiger Verstoß dagegen von einer anerkannten Umweltvereinigung vor Gericht angefochten werden können. Soweit § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes dem vorliegend entgegensteht, weil er verlangt, dass eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestehen kann, muss das Gericht in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit diese Bestimmung unangewendet lassen. BVerwG 10 CN 1.23 - Urteil vom 26. Januar 2023 Vorinstanz: VGH München, VGH 14 N 14.878 - Urteil vom 25. April 2018 -","Urteil vom 26.01.2023 - BVerwG 10 CN 1.23ECLI:DE:BVerwG:2023:260123U10CN1.23.0 EN Leitsätze: 1. Eine Schutzgebietsausweisung setzt nur dann einen Rahmen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a, Abs. 4 SUP-RL, wenn sie eine signifikante Gesamtheit von Kriterien und Modalitäten für die Genehmigung und Durchführung von Projekten aufstellt, insbesondere hinsichtlich des Standorts, der Art, der Größe und der Betriebsbedingungen solcher Projekte oder der mit ihnen verbundenen Inanspruchnahme von Ressourcen (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2022 - C-300/20 - Rn. 62). 2. Ohne eine Rahmensetzung fehlt es einer Landschaftsschutzgebietsverordnung zugleich an einem Mindestmaß an Konkretisierung, um feststellen zu können, ob von ihrer Verwirklichung eine erhebliche Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebietes ausgehen könnte (Art. 3 Abs. 2 Buchst. b SUP-RL i. V. m. Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL). 3. Unionsumweltrecht gebietet es, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG so anzuwenden, dass er einen Rechtsbehelf einer nach § 3 UmwRG anerkannten Vereinigung nicht ausschließt, die eine Verletzung von Art. 11 Abs. 1 des Protokolls ""Naturschutz und Landschaftspflege"" zur Alpenkonvention wegen einer Verkleinerung des bisherigen Landschaftsschutzgebiets rügt. Rechtsquellen AEUV Art. 216 Abs. 2 GRCh Art. 47 Abs. 1, Art. 51 Abs. 1 Satz 1 AK Art. 9 Abs. 3 AlpKonv Art. 2 Abs. 2 Buchst. f SUP-RL Art. 3 Abs. 2 Buchst. a und b, Abs. 4 FFH-RL Art. 6 Abs. 3 GG Art. 59 Abs. 2 UmwRG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 2 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2, § 8 Abs. 2 UVPG § 2 Abs. 7, Abs. 10 BNatSchG § 20 Abs. 2 Nr. 4, § 26 ProtNatSch Art. 11 Abs. 1 VwGO § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 Instanzenzug VGH München - 25.04.2018 - AZ: 14 N 14.878 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 26.01.2023 - 10 CN 1.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:260123U10CN1.23.0] Urteil BVerwG 10 CN 1.23 VGH München - 25.04.2018 - AZ: 14 N 14.878 In der Normenkontrollsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2023 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr für Recht erkannt: Auf die Revision des Antragstellers wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. April 2018 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Antragsteller, eine anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen die Verordnung des Landkreises Rosenheim über das Landschaftsschutzgebiet ""Inntal Süd"" (im Folgenden: ""Inntal Süd""-Verordnung). Im Aufstellungsverfahren führte der Antragsgegner weder eine Strategische Umweltprüfung noch eine überschlägige Prüfung, ob die Verordnung voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen hat, durch. 2 Die ""Inntal-Süd""-Verordnung stellt ein etwa 4 021 ha großes Gebiet unter Schutz. Mit Inkrafttreten der Verordnung im Jahr 2013 traten frühere Verordnungen über Schutzgebiete aus den Jahren 1952 und 1977 teilweise bzw. vollständig außer Kraft. Dadurch wird das bisherige Landschaftsschutzgebiet um ca. 650 ha verkleinert. Innerhalb der Grenzen des Landschaftsschutzgebietes liegt das Natura 2000-Gebiet ""Innauwald bei Neubeuern und Pionierübungsplatz Nußdorf"". 3 Der Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag als unzulässig abgelehnt. Der Antragsteller sei weder nach nationalem Recht noch nach unions- oder völkerrechtlichen Vorschriften antragsbefugt. Insbesondere sei ein Fall des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG nicht gegeben. Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Antragsteller sein Begehren, die ""Inntal Süd""-Verordnung für unwirksam zu erklären, weiter. 4 Mit Beschluss vom 4. Mai 2020 - BVerwG 4 CN 4.18 - hat der ursprünglich zuständige 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union um Klärung mehrerer Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/42/EG gebeten. Über dieses Vorabentscheidungsersuchen hat der Gerichtshof mit Urteil vom 22. Februar 2022 - C-300/20 - entschieden. 5 Nach Fortsetzung des Verfahrens beantragt der Antragsteller, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. April 2018 zu ändern und die Verordnung des Landkreises Rosenheim über das Landschaftsschutzgebiet ""Inntal Süd"" vom 10. April 2013 für unwirksam zu erklären. 6 Der Antragsgegner und die Vertreterin des öffentlichen Interesses beantragen jeweils, die Revision zurückzuweisen. II 7 Die zulässige Revision des Antragstellers ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verstößt gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Auf der Grundlage der vom Tatsachengericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann über den Normenkontrollantrag nicht abschließend entschieden werden. Die Sache war deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 8 A. Der absolute Revisionsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO i. V. m. Art. 103 Abs. 1 GG) liegt nicht vor. Das Urteil ist nicht bereits deswegen als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen (§ 138 Nr. 3 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat den Vortrag, dass eine Antragsbefugnis aus einer möglichen Verletzung nationalen Umweltrechts hergeleitet werden könne, wie der Antragsteller selbst einräumt, in den Tatbestand aufgenommen und sich in Randnummer 89 der angefochtenen Entscheidung mit dieser Frage auseinandergesetzt. Aus der fehlenden Erwähnung der Spruchpraxis des Compliance Committee der Aarhus-Konvention in den Entscheidungsgründen, folgt nicht, dass die Vorinstanz den entsprechenden Vortrag des Antragstellers nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in dieser Frage lediglich eine andere Rechtsauffassung als der Antragsteller. 9 B. Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Der Antragsteller ist als anerkannte Umweltvereinigung nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 UmwRG in der nach der Überleitungsvorschrift des § 8 Abs. 2 UmwRG geltenden Fassung vom 23. August 2017 (BGBl. I S. 3290) antragsbefugt. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der Antragsteller könne sich nicht mit Erfolg auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG berufen, steht mit Bundesrecht nicht in Einklang. Dies folgt zwar nicht daraus, dass vor Erlass der ""Inntal Süd""-Verordnung eine Strategische Umweltprüfung oder eine Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen war (1.). Die Rüge einer Verletzung des Art. 11 Abs. 1 des Protokolls zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege (Protokoll ""Naturschutz und Landschaftspflege"" - ProtNatSch) erfordert es jedoch, einer anerkannten Umweltvereinigung, wie dem Antragsteller, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte zu gewährleisten (2.). 10 1. Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung oder zu einer Vorprüfung des Einzelfalls vor Erlass der streitgegenständlichen Landschaftsschutzgebietsverordnung weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht bestand. 11 a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG, also nach Nummer 4 auch gegen eine Entscheidung über die Annahme von Plänen und Programmen i. S. v. § 2 Abs. 7 UVPG, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestehen kann, einlegen, wenn sie geltend macht, dass die Entscheidung oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften verletzt, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können. Das Gesetz fordert für den Rechtsbehelf einen tauglichen Gegenstand, allein die Möglichkeit dessen Vorliegens reicht nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteile vom 26. September 2019 - 7 C 5.18 - BVerwGE 166, 321 Rn. 19 und vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 22). Es ist daher schon im Rahmen der Zulässigkeit zu prüfen, ob die angegriffene Entscheidung oder der angegriffene Plan zu den Entscheidungen oder Plänen gehört, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine SUP-Pflicht bestehen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 4 C 14.12 - BVerwGE 149, 17 Rn. 10 zur UVP-Pflicht). Dies ist hier nicht der Fall. Denn der Erlass der Verordnung unterlag weder nach Anlage 5 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung noch nach bayerischem Landesrecht einer Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung oder Vorprüfung. 12 b) Auch Unionsrecht erforderte nicht die Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung oder Vorprüfung vor Erlass der ""Inntal Süd""-Verordnung. 13 aa) Die streitgegenständliche Schutzgebietsausweisung setzt keinen Rahmen für die künftige Genehmigung bestimmter Projekte. Nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 9 der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197 S. 30 - SUP-RL) wird eine Umweltprüfung bei allen Plänen und Programmen vorgenommen, die in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Energie, Industrie, Verkehr, Abfallwirtschaft, Wasserwirtschaft, Telekommunikation, Fremdenverkehr, Raumordnung oder Bodennutzung ausgearbeitet werden und durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung der in den Anhängen I und II der Richtlinie 2011/92/EU (UVP-Richtlinie) aufgeführten Projekte gesetzt wird. Art. 3 Abs. 4 SUP-RL bestimmt, dass die Mitgliedstaaten darüber befinden, ob nicht unter Absatz 2 fallende Pläne und Programme, durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung von Projekten gesetzt wird, voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. 14 In Beantwortung der diesbezüglichen Fragestellung des 4. Senats hat der Gerichtshof der Europäischen Union (Gerichtshof) geklärt, dass das Erfordernis der Rahmensetzung nur dann als erfüllt anzusehen ist, wenn der Plan oder das Programm eine signifikante Gesamtheit von Kriterien und Modalitäten für die Genehmigung und Durchführung eines oder mehrerer dieser Projekte aufstellt, insbesondere hinsichtlich des Standorts, der Art, der Größe und der Betriebsbedingungen solcher Projekte oder der mit ihnen verbundenen Inanspruchnahme von Ressourcen (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2022 - C-300/20 [ECLI:​EU:​C:​2022:​102], Bund Naturschutz in Bayern - Rn. 62). Auf dieser Grundlage ist nicht zweifelhaft, dass die ""Inntal Süd""-Verordnung keine solchen Kriterien oder Modalitäten vorsieht. § 5 Abs. 1 der Verordnung regelt zwar die Erlaubnispflicht u. a. für die Errichtung oder Änderung baulicher Anlagen aller Art, von Straßen und Wegen sowie von Campingplätzen, die Veränderung von Gewässern und die Rodung von Waldbeständen. Diese Tätigkeiten können unter die Projekte fallen, die in den Anhängen I und II der UVP-Richtlinie genannt sind. Für einige dieser Projekte legt § 5 Abs. 1 der ""Inntal Süd""-Verordnung auch die Größe fest, bei deren Überschreiten für ihre Durchführung eine vorherige Genehmigung erforderlich ist. Die Verordnung selbst enthält jedoch keine Kriterien oder Modalitäten für die Genehmigung und Durchführung der Projekte. § 5 Abs. 2 der ""Inntal Süd""-Verordnung macht die Erteilung einer Erlaubnis ""unbeschadet anderer Rechtsvorschriften"" lediglich von der allgemein gehaltenen Voraussetzung abhängig, dass die beabsichtigte Maßnahme keine der in § 4 der Verordnung genannten Wirkungen hervorruft oder diese Wirkungen durch Nebenbestimmungen ausgeglichen werden können. Nach § 4 der Verordnung sind im Landschaftsschutzgebiet alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem in § 3 der Verordnung genannten Schutzzweck zuwiderlaufen. Der Schutzzweck des Landschaftsschutzgebietes geht nicht wesentlich über die Regelungen, die bereits in § 26 BNatSchG getroffen werden, hinaus. Die ""Inntal-Süd""-Verordnung stellt danach keine hinreichend detaillierten Regelungen über den Inhalt, die Ausarbeitung und die Durchführung der aufgeführten Projekte auf, so dass sie mangels Rahmensetzung nicht in den Geltungsbereich der Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 4 der SUP-Richtlinie fällt. 15 bb) Eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung vor Erlass der streitgegenständlichen Verordnung ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Buchst. b SUP-RL. Eine Umweltprüfung wird nach dieser Bestimmung bei allen Plänen und Programmen vorgenommen, bei denen angesichts ihrer voraussichtlichen Auswirkungen auf Gebiete eine Prüfung nach Art. 6 oder 7 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 S. 7 - Habitatrichtlinie - FFH-RL) für erforderlich erachtet wird. Nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL erfordern Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines besonderen Schutzgebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. 16 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs fällt die ""Inntal Süd""-Verordnung zwar unter den Planbegriff des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL. Der Planbegriff ist weit auszulegen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2022 - 4 BN 3.22 - ZfBR 2022, 684 Rn. 4), so dass auch im Falle einer Schutzgebietsausweisung eine Pflicht zur Prüfung der Umweltauswirkungen nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. b SUP-RL und Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL nicht von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juni 2019 - C-43/18 [ECLI:​EU:​C:​2019:​483], Compagnie d'entreprises - juris Rn. 36, 39). Der Umstand, dass sich Projekte positiv auf die Umwelt auswirken werden, ist für die Frage der Durchführung einer Umweltprüfung ohne Bedeutung. 17 Der Verwaltungsgerichtshof ist allerdings zu Recht und in Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben davon ausgegangen, dass die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung des Natura 2000-Gebiets ""Innauwald bei Neubeuern und Pionierübungsplatz Nußdorf"" durch die Landschaftsschutzgebietsverordnung nicht besteht, weil die ""Inntal Süd""-Verordnung keine hinreichend verbindlichen konkreten Vorgaben enthält, anhand derer eine Beeinträchtigung des Natura 2000-Gebiets beurteilt werden könnte. Ein Mindestmaß an Konkretisierung ist erforderlich, um feststellen zu können, ob von der Verwirklichung des Plans eine erhebliche Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets ausgehen kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. März 2010 - 4 BN 60.09 - Buchholz 406.11 § 136 BauGB Nr. 7 Rn. 10 für eine Sanierungssatzung und vom 24. Mai 2022 - 4 BN 3.22 - ZfBR 2022, 684 Rn. 5 für eine Entwicklungssatzung). 18 Wie dargelegt setzt die streitgegenständliche Verordnung nach den vom Gerichtshof in Beantwortung der Fragestellung des 4. Senats benannten Anforderungen keinen Rahmen für die künftige Genehmigung von Projekten im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 4 SUP-RL, weil sie hierfür nicht die erforderlichen Kriterien und Modalitäten vorsieht. Damit fehlt es der ""Inntal Süd""-Verordnung zugleich an konkreten Regelungen, anhand derer sich beurteilen ließe, ob von der Verwirklichung des Plans erhebliche Auswirkungen auf die Erhaltungsziele eines Natura 2000-Gebiets ausgehen können. Auch die Verkleinerung des umliegenden Schutzgebiets um etwa 650 ha in Folge der (Teil-)aufhebung früherer Schutzgebietsverordnungen bzw. die inhaltliche Modifizierung der Erlaubnisvorbehalte stellt danach keinen hinreichend konkreten Rahmen für nachfolgende Projekte dar. Dass dadurch die äußere Pufferzone zum Natura 2000-Gebiet verringert wird, ist für eine habitatrechtliche Prüfung nicht ausreichend. 19 Sind demnach die Anforderungen an die Rahmensetzung durch den Gerichtshof geklärt und lässt sich hieraus zugleich auf das erforderliche Maß an Konkretisierung für die Genehmigung und Durchführung künftiger Vorhaben in einer Landschaftsschutzgebietsverordnung als Voraussetzung für eine Verträglichkeitsprüfung schließen, bedarf es einer erneuten Vorlage an den Gerichtshof nicht. 20 Ob der Verwaltungsgerichtshof mit der Annahme in der angefochtenen Entscheidung, von einer Beeinträchtigung des Natura 2000-Gebiets durch die Landschaftsschutzgebietsverordnung gehe im Übrigen auch der Antragsteller nicht aus, eine aktenwidrige Feststellung (Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) getroffen hat, kann dahinstehen. Der Senat prüft die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags von Amts wegen und ist insoweit nicht an die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs gebunden. 21 2. Der Anwendungsvorrang des Unionsumweltrechts zwingt allerdings dazu, die Tatbestandsvoraussetzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG, wonach nach Anlage 5 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder landesrechtlichen Vorschriften eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestehen kann, unangewendet zu lassen. Dies folgt aus der etwaigen Verletzung von Art. 11 Abs. 1 ProtNatSch. 22 Gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. f Alpenkonvention ergreifen die Vertragsparteien geeignete Maßnahmen auf dem Gebiet des Naturschutzes und der Landschaftspflege, mit dem Ziel, Natur und Landschaft so zu schützen, zu pflegen, und, soweit erforderlich, wiederherzustellen, dass die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme, die Erhaltung der Tier- und Pflanzenwelt einschließlich ihrer Lebensräume, die Regenerationsfähigkeit und nachhaltige Leistungsfähigkeit der Naturgüter sowie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Natur und Landschaft in ihrer Gesamtheit dauerhaft gesichert werden. Die Vertragsparteien vereinbaren nach Art. 2 Abs. 3 Alpenkonvention Protokolle, in denen Einzelheiten zur Durchführung dieses Übereinkommens festgelegt werden. Die Alpenkonvention wurde durch Beschluss 96/191/EG des Rates vom 26. Februar 1996 (ABl. L 61 S. 31) genehmigt und u. a. von den Mitgliedstaaten, die - wie Deutschland - zugleich Alpenanrainerstaaten sind, bis 1999 ratifiziert. Sie bindet nach Art. 216 Abs. 2 AEUV, als von der Union geschlossene Übereinkunft, die Organe der Union und die Mitgliedstaaten. Die Alpenkonvention ist Teil des Unionsrechts. 23 Nach Art. 11 Abs. 1 ProtNatSch verpflichten sich die Vertragsparteien, bestehende Schutzgebiete im Sinne ihres Schutzzwecks zu erhalten, zu pflegen und, wo erforderlich, zu erweitern sowie nach Möglichkeit neue Schutzgebiete auszuweisen. Sie treffen alle geeigneten Maßnahmen, um Beeinträchtigungen oder Zerstörungen dieser Schutzgebiete zu vermeiden. Das Protokoll ""Naturschutz und Landschaftspflege"" ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der durch Zustimmungsgesetz vom 16. August 2002 (BGBl. II S. 1785) in Bundesrecht transformiert wurde. Laut der Präambel haben die Vertragsparteien das Protokoll in Erfüllung ihrer Verpflichtungen gemäß Art. 2 Abs. 2 und 3 des Übereinkommens zum Schutz der Alpen vom 12. März 1996 (ABl. L 61 S. 32 - Alpenkonvention) unterzeichnet. 24 Art. 11 Abs. 1 ProtNatSch dient als umweltbezogene Rechtsvorschrift des nationalen Rechts der Durchführung des Rechts der Union im Sinne von Art. 51 Abs. 1 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh). Um festzustellen, ob eine nationale Regelung in den Anwendungsbereich des Unionsrechts im Sinne von Art. 51 GRCh fällt, ist zu prüfen, ob mit ihr die Durchführung einer Bestimmung des Unionsrechts bezweckt wird, welchen Charakter diese Regelung hat und ob mit ihr nicht andere als die unter das Unionsrecht fallenden Ziele verfolgt werden. Es muss ein hinreichender, über eine rein mittelbare Beeinflussung hinausgehender Zusammenhang mit dem Unionsrecht bestehen (EuGH, Urteil vom 6. März 2014 - C-206/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​126], Siragusa - Rn. 25, 29, 35 m. w. N.). Hieran gemessen fällt Art. 11 Abs. 1 ProNatSch in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Die Regelung bezweckt die Erfüllung eines unionsrechtlich verbindlichen Ziels aus Art. 2 Abs. 2 Buchst. f Alpenkonvention. Dass die Alpenkonvention selbst die erforderlichen Maßnahmen zum Natur- und Landschaftsschutz nicht konkretisiert, sondern nur die anzustrebenden Ziele definiert und es im Übrigen den Vertragsparteien überlässt, die Einzelheiten der Durchführung des Übereinkommens und damit auch der Verpflichtungen nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. f Alpenkonvention festzulegen, ändert nichts an der eindeutigen Zweckrichtung der dort niedergelegten unionalen Verpflichtungen der Vertragsstaaten. Das Protokoll hat als Norm im Range von Bundesrecht (Art. 59 Abs. 2 GG) auch verbindlichen Charakter und verfolgt keine anderen als die unter das Unionsrecht fallenden Ziele. Die EU-Grundrechte-Charta, namentlich Art. 47 Abs. 1 GRCh, der das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf garantiert, ist demnach anwendbar. 25 Nach Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Gesetz vom 9. Dezember 2006, BGBl. II S. 1251 - Aarhus-Konvention - AK), dessen Vorschriften Teil des Unionsrechts sind (BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 20), müssen Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen. Zwar hat diese Regelung im Unionsrecht als solche keine unmittelbare Wirkung. In Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 GRCh verpflichtet sie die Mitgliedstaaten aber dazu, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte, insbesondere der Vorschriften des Umweltrechts, zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urteile vom 8. März 2011 - C-240/09 [ECLI:​EU:​C:​2011:​125], Lesoochranarske zoskupanie - Rn. 45 und 51, vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:​EU:​C:​2017:​987], Protect - Rn. 45 und vom 8. November 2022 - C-873/19 [ECLI:​EU:​C:​2022:​857], Deutsche Umwelthilfe - Rn. 66). 26 Daher muss das nationale Gericht die Bestimmungen des nationalen Rechts unangewendet lassen, die es einer anerkannten Umweltvereinigung verwehren, Regelungen in einer Landschaftsschutzgebietsverordnung, die möglicherweise gegen Art. 11 Abs. 1 ProtNatSch verstoßen, anzufechten (vgl. EuGH, Urteile vom 20. Dezember 2017 - C-664/15, Protect - Rn. 56 f. und vom 8. November 2022 - C-873/19, Deutsche Umwelthilfe - Rn. 80). Dies beinhaltet in der vorliegenden Konstellation den Verzicht auf die tatbestandliche Voraussetzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG, dass eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestehen kann. Auf andere Weise ist ein effektiver und angemessener Rechtsschutz nicht zu gewährleisten. Für die Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 AK ist es nicht ausreichend, den Antragsteller auf die Möglichkeit der Anfechtung einzelner nach § 5 der ""Inntal Süd""-Verordnung erteilter Erlaubnisse zu verweisen, um in diesem Rahmen die Schutzgebietsausweisung inzident auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen (vgl. Compliance Committee der Aarhus-Konvention, Bericht vom 31. Juli 2017, Rn. 39). Es kann offen bleiben, ob diese Möglichkeit den Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz genügt. Denn jedenfalls ist sie nicht umfassend gegeben. Eine inzidente Kontrollmöglichkeit besteht nicht bei erlaubnisfreien Tätigkeiten im Landschaftsschutzgebiet. Auch wird es anerkannten Umweltvereinigungen in aller Regel an der Kenntnisnahmemöglichkeit fehlen. Zudem entfallen mit der Verkleinerung des Landschaftsschutzgebietes die dort bisher bestehenden Verbote aller Handlungen, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem Schutzzweck zuwiderlaufen (§ 4 der ""Inntal Süd""-Verordnung), ohne dass der Antragsteller hiergegen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens vorgehen könnte. 27 3. Der Normenkontrollantrag ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere hat sich der Antragsteller im Verwaltungsverfahren geäußert und macht die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b und Satz 2 UmwRG). 28 C. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die tatsächlichen, den Senat bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs, auf deren Grundlage er die Zulässigkeit des Normenkontrollantrages abgelehnt hat, reichen nicht aus, um im Revisionsverfahren zu Lasten des Antragstellers annehmen zu können, der Normenkontrollantrag sei unbegründet. 29 D. Da die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz auch eine stattgebende Entscheidung nicht tragen, verweist der Senat das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurück (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Normenkontrollgericht zu berücksichtigen haben, dass der Antrag, die ""Inntal Süd""-Verordnung für unwirksam zu erklären, nicht allein deshalb unbegründet sein kann, weil nach § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwRG eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung im Sinne von § 2 Abs. 10 UVPG bestehen muss. Auch insoweit steht die Durchführung von Unionsumweltrecht inmitten und erfordert dessen Anwendungsvorrang, dass diese Tatbestandsvoraussetzung unangewendet bleibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 24 zu Luftreinhalteplänen). Weiter wird der Verwaltungsgerichtshof davon auszugehen haben, dass Art. 11 Abs. 1 ProtNatSch unmittelbar anwendbar ist und zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Änderung einer Landschaftsschutzgebietsverordnung die Durchführung einer Interessenabwägung verlangt (vgl. Oberdanner/Starchl, NuR 2022, 831 <834> zur Erkenntnis des österreichischen VfGH vom 15. Dezember 2021 - V 425/2020-9)." bverwg_2023-9,26.01.2023,"Pressemitteilung Nr. 9/2023 vom 26.01.2023 EN Keine Festlegung von Flugverboten auf der Grundlage des Bundesnaturschutzgesetzes Eine Naturschutzbehörde darf nicht im Wege einer Naturschutzgebietsverordnung Flugverbote für Luftfahrzeuge anordnen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Antragstellerinnen bieten gewerbliche Ballonfahrten an. Sie nutzen hierfür Startplätze im Umland des Steinhuder Meeres bei Hannover. Im Mai 2016 beschloss die Regionsversammlung Hannover die Verordnung über das Naturschutzgebiet ""Totes Moor"" im Bereich des Steinhuder Meeres. Das Naturschutzgebiet ist ca. 3 200 ha groß und umfasst Teile der Wasserfläche des Steinhuder Meeres und einen Landbereich östlich und nordöstlich des Sees. Ungefähr die Hälfte des von der Verordnung unter Schutz gestellten Gebiets ist zugleich ein Europäisches Schutzgebiet nach der Vogelschutzrichtlinie. Nach der Naturschutzgebietsverordnung ist es unter anderem verboten, im Naturschutzgebiet mit bemannten Luftfahrzeugen zu starten, eine Mindestflughöhe von 600 m zu unterschreiten oder zu landen. Auf den Normenkontrollantrag der Antragstellerinnen hat das Oberverwaltungsgericht die teilweise Unwirksamkeit der Naturschutzgebietsverordnung festgestellt. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts geändert und der Revision der Antragstellerinnen stattgegeben. Eine Naturschutzbehörde ist nicht befugt, eine Flughöhenfestlegung im Wege einer Naturschutzgebietsverordnung für Luftfahrzeuge anzuordnen. Diese Sperrwirkung folgt aus dem Regelungskonzept des Luftverkehrsgesetzes, für das der Bund insoweit abschließend von seiner ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit für das Luftverkehrsrecht Gebrauch gemacht hat. Hiernach können Beschränkungen der Nutzung des Luftraums nur durch das Bundesverkehrsministerium erfolgen. Dies gilt auch, wenn Europäisches Naturschutzrecht es verlangt, Gebiete mit Flugbeschränkungen zu belegen. Die gebotene Bestimmtheit der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung schließt es aus, dass verschiedene Behörden zur verbindlichen Regelung einer Frage nebeneinander zuständig sind. BVerwG 7 CN 1.22 - Urteil vom 26. Januar 2023 Vorinstanz: OVG Lüneburg, OVG 4 KN 292/16 - Urteil vom 19. Oktober 2021 -","Urteil vom 26.01.2023 - BVerwG 7 CN 1.22ECLI:DE:BVerwG:2023:260123U7CN1.22.0 EN Leitsätze: 1. Eine Naturschutzbehörde ist nicht befugt, Flugbeschränkungen für Luftfahrzeuge im Wege einer Naturschutzgebietsverordnung anzuordnen. Der Bund hat mit dem Regelungskonzept des Luftverkehrsgesetzes abschließend von seiner ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG Gebrauch gemacht. 2. Die verfassungsrechtliche Sperrwirkung des Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG gilt auch im Anwendungsbereich der FFH-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie. Rechtsquellen GG Art. 73 Abs. 1 Nr. 6, Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 BNatSchG §§ 22, 23, 32 LuftVO § 17 Abs. 1 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012, Anhang SERA.3145 FFH-Richtlinie Art. 6, 7 Vogelschutz-Richtlinie Art. 4 Instanzenzug OVG Lüneburg - 19.10.2021 - AZ: 4 KN 292/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 26.01.2023 - 7 CN 1.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:260123U7CN1.22.0] Urteil BVerwG 7 CN 1.22 OVG Lüneburg - 19.10.2021 - AZ: 4 KN 292/16 In der Normenkontrollsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2023 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel für Recht erkannt: Auf die Revisionen der Antragstellerinnen wird das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2021 geändert. § 4 Abs. 4 Nr. 7 der Verordnung über das Naturschutzgebiet ""Totes Moor"" in den Städten Neustadt am Rübenberge und Wunstorf, Region Hannover, ist insgesamt unwirksam, soweit er sich auf bemannte Luftfahrzeuge bezieht. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin. Gründe I 1 Die Antragstellerinnen wenden sich gegen eine Naturschutzgebietsverordnung, soweit diese den Flugverkehr mit bemannten Luftfahrzeugen einschränkt. 2 Im Mai 2016 beschloss die Regionsversammlung der Antragsgegnerin die Verordnung über das Naturschutzgebiet ""Totes Moor"" in den Städten Neustadt am Rübenberge und Wunstorf, Region Hannover (im Folgenden: Verordnung). Das Naturschutzgebiet ist ca. 3 200 ha groß und umfasst ca. 10,5 % der Wasserfläche des Steinhuder Meeres und einen größeren Landbereich östlich und nordöstlich des Steinhuder Meeres. Zum Schutzgebiet gehört auch das sogenannte ""Tote Moor"", bei dem es sich mit einer Größe von ca. 2 300 ha um das größte Hochmoor in der Region Hannover handelt. Die gesamte Wasserfläche des Steinhuder Meeres und Teile der Landfläche des Naturschutzgebiets gehören zum FFH-Gebiet 094 ""Steinhuder Meer (mit Randbereichen)"" und zum Europäischen Vogelschutzgebiet V42 ""Steinhuder Meer"". § 4 Abs. 4 Nr. 7 der Verordnung enthält das Verbot, im Naturschutzgebiet und außerhalb in einer Zone von 500 m Breite um das Naturschutzgebiet herum unbemannte Luftfahrzeuge zu betreiben sowie mit bemannten Luftfahrzeugen zu starten, eine Mindestflughöhe von 600 m zu unterschreiten oder zu landen. 3 Die Antragstellerin zu 1 bietet gewerbliche Ballonfahrten an. Sie nutzt hierfür Startplätze im Umland des Steinhuder Meeres bei Hannover. Die Antragstellerin zu 2 ist die Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 1. 4 Auf den Normenkontrollantrag der Antragstellerinnen hat das Oberverwaltungsgericht die Unwirksamkeit von § 4 Abs. 4 Nr. 7 der Verordnung festgestellt, soweit es darin ""und außerhalb in einer Zone von 500 m Breite um das NSG herum"" heißt, und soweit für den Luftraum, der über dem Naturschutzgebiet, aber nicht über dem Europäischen Vogelschutzgebiet V42 ""Steinhuder Meer"" liegt, eine Mindestflughöhe von mehr als 150 m über dem Boden oder Wasser festgesetzt wird. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt: 5 Das Flugverbot sei unwirksam, soweit es auf eine Zone von 500 m Breite außerhalb des Naturschutzgebiets ausgeweitet worden sei. Insoweit habe es an der durch das niedersächsische Naturschutzrecht zwingend vorgeschriebenen zeichnerischen Darstellung der Verbotszone in den zur Naturschutzgebietsverordnung gehörenden Karten gefehlt. Für den Teil des Naturschutzgebiets, der nicht zugleich Europäisches Vogelschutzgebiet V42 ""Steinhuder Meer"" sei, sei das Flugverbot unwirksam, soweit es für den Luftraum oberhalb einer Flughöhe von 150 m über dem Boden oder Wasser gelte. Für diesen Bereich des Luftraums bestehe eine Sperrwirkung, die sich auf der Grundlage des gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG geschaffenen Luftverkehrsrechts des Bundes und aus der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 ergebe. Daneben bleibe aber Raum für Regelungen durch die Naturschutzbehörde für den Luftraum bis zu einer Flughöhe von 150 m über dem Boden. Diese Regelungsbefugnis betreffe lediglich einen Randbereich des Flugverkehrs. Insoweit bestehe eine Doppelzuständigkeit des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur und der für den Erlass einer Schutzgebietsverordnung zuständigen Naturschutzbehörde. § 4 Abs. 4 Nr. 7 der Verordnung sei auch rechtmäßig, soweit das Verbot zur Abwehr von wesentlichen Beeinträchtigungen oder Störungen, die auf ein Natura 2000-Gebiet einwirkten, erforderlich sei. Insbesondere sei dies zum Schutz von störempfindlichen Vogelarten, die in einem Europäischen Vogelschutzgebiet wertbestimmend seien, geboten. 6 Die Antragstellerinnen haben die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt und machen geltend: Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts zu der Regelungsbefugnis der Naturschutzbehörde, Flugbeschränkungen anzuordnen, verstoße gegen Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG. Die Anordnung von Mindestflughöhen unterfalle dem Luftrecht, für das der Bund zuständig sei. Ermächtigungsgrundlage sei § 17 LuftVO, der die Anordnung dem Bundesministerium zuweise. Die Vorgaben des Natur- und Vogelschutzes seien in diesem Rahmen zu berücksichtigen. Den Interessenkonflikt von Naturschutz und freiem Flugverkehr habe der europäische Gesetzgeber mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 im Wege eines schonenden Ausgleichs abschließend geregelt. 7 Die Antragstellerinnen beantragen, unter Abänderung des Urteils des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2021 § 4 Abs. 4 Nr. 7 der Naturschutzgebietsverordnung ""Totes Moor"" - NSG-HA 154 insgesamt für unwirksam zu erklären, soweit sich diese Norm auf bemannte Luftfahrzeuge bezieht. 8 Die Antragsgegnerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. 9 Sie tritt den Ausführungen der Revision entgegen. II 10 Die zulässige Revision der Antragstellerinnen ist begründet. Das angegriffene Urteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es beruht auf dieser Verletzung und stellt sich auch nicht als im Ergebnis richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Senat kann selbst entscheiden, weil weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). 11 Sowohl Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG und das auf diesem Kompetenztitel beruhende Luftverkehrsrecht des Bundes als auch das Luftverkehrsrecht der Europäischen Union stehen einer auf das Bundesnaturschutzgesetz gestützten Regelung über Flugbeschränkungen für bemannte Luftfahrzeuge entgegen (1.). Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts gilt dies auch im Anwendungsbereich der FFH-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie (2.) und für den Luftraum bis 150 m über dem Boden oder Wasser (3.). 12 1. Eine Naturschutzbehörde ist nicht befugt, Gebiete mit Flugbeschränkungen für Luftfahrzeuge im Wege einer Naturschutzgebietsverordnung anzuordnen. Eine diesbezügliche Sperrwirkung folgt aus dem Regelungskonzept des Luftverkehrsgesetzes. Hierdurch hat der Bund abschließend von seiner ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG für das Luftverkehrsrecht Gebrauch gemacht. 13 Nach Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse zuweist. Eine solche Zuweisung von Gesetzgebungskompetenzen an den Bund findet sich vor allem in den Vorschriften über die ausschließliche (Art. 73 und Art. 105 Abs. 1 GG) und die konkurrierende Gesetzgebung (Art. 74 und Art. 105 Abs. 2 GG). Das Grundgesetz enthält - von der Ausnahme des Art. 109 Abs. 4 GG abgesehen - eine vollständige Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten entweder auf den Bund oder die Länder. Doppelzuständigkeiten sind den Kompetenznormen fremd und wären mit ihrer Abgrenzungsfunktion unvereinbar. Mit Hilfe der in den Art. 73 und Art. 74 GG enthaltenen Kataloge grenzt das Grundgesetz die Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern durchweg alternativ voneinander ab. Weist die Materie eines Gesetzes Bezug zu verschiedenen Sachgebieten auf, die teils dem Bund, teils den Ländern zugewiesen sind, besteht die Notwendigkeit, sie dem einen oder anderen Kompetenzbereich zuzuordnen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. Dezember 2021 - 2 BvL 2/15 - BVerfGE 160, 1 Rn. 51 m. w. N. und vom 27. September 2022 - 1 BvR 2661/21 - NVwZ 2022, 1890 Rn. 22; stRspr). Für die kompetenzrechtliche Überprüfung einer Vorschrift sind zunächst die in Betracht kommenden Kompetenztitel des Grundgesetzes auszulegen. Sodann ist zu prüfen, welchem dieser Titel die angegriffene Vorschrift zuzuordnen ist (BVerfG, Beschluss vom 27. September 2022 - 1 BvR 2661/21 - NVwZ 2022, 1890 Rn. 23). 14 Der Bund hat nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG die ausschließliche Gesetzgebung über den Luftverkehr. Der Begriff ""Luftverkehr"" ist weit zu verstehen. Dazu gehört die Gesamtheit der Flugbewegungen von Luftfahrzeugen im Luftraum, deren Aufstiege und Landungen sowie die dafür benötigten Anlagen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017 - 6 C 44.16 - BVerwGE 160, 157 Rn. 16; Seiler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand August 2022, Art. 73 Rn. 25). Die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit erfasst daher auch die Regelung von Flugbeschränkungen und schließt es aus, dass solche auf ein Gesetz gestützt werden, das seine Grundlage in einem anderen Gesetzgebungskompetenztitel als Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG findet. Die Sperrwirkung gilt ebenso für Rechtsverordnungen, die den formellen Gesetzesbegriff des Art. 70 Abs. 1 GG nicht erfüllen. Bei Rechtsverordnungen muss das für deren Gültigkeit gemäß Art. 80 Abs. 1 GG erforderliche ermächtigende Parlamentsgesetz kompetenziell auf Art. 70 ff. GG gestützt werden können. Gelingt dies, so schließt die Gesetzgebungskompetenz grundsätzlich in den Grenzen des Art. 80 Abs. 1 GG die partielle Übertragung der Normsetzungsbefugnis auf den exekutivischen Verordnungsgeber ein (Uhle, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand November 2021, Art. 70 Rn. 42; Heintzen, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand Oktober 2018, Art. 70 Rn. 95). 15 Die Antragsgegnerin ist nicht befugt, Beschränkungen des Luftverkehrs auf der Grundlage des Bundesnaturschutzgesetzes, das auf dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG beruht, anzuordnen. Die Verbote in § 4 Abs. 4 Nr. 7 der Verordnung über das Naturschutzgebiet ""Totes Moor"" in den Städten Neustadt am Rübenberge und Wunstorf, Region Hannover (im Folgenden: Verordnung) sollen der Störwirkung durch Luftfahrzeuge begegnen und den Schutz von Natur und Landschaft gemäß § 22 Abs. 1 und § 23 BNatSchG - die Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes, auf die der Verordnungsgeber die Naturschutzverordnung gestützt hat - gewährleisten. Ihrem objektiven Regelungsgegenstand nach betreffen sie die Nutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge und damit den Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG zuzuordnenden Sachbereich, den der Bundesgesetzgeber durch Erlass des Luftverkehrsgesetzes geregelt hat (vgl. insbesondere § 1 Abs. 1, § 29 Abs. 1, § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 8, 9 LuftVG). Nur auf dieser Grundlage sind die entsprechenden Maßnahmen zur Gestaltung des Luftraums, wozu auch die Einrichtung von Flugbeschränkungsgebieten oder eine Flugverbotszone zählt, zulässig (vgl. Boggia/Hercher, NVwZ 2022, 941 <942>). Dass das Grundgesetz die Gesetzgebungskompetenz für den Naturschutz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG als konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit dem Bund zuweist, löst die Sperrwirkung nicht auf. Allein der mit der Beschränkung des Luftverkehrs verfolgte Zweck, die Natur zu schützen, genügt nicht, um die Regelungen der Verordnung dem Gesetzgebungstitel in Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG zuzuordnen. Maßgeblich ist insofern nicht der Zweck der Vorschrift, sondern die Frage, welchen sachlichen Regelungsgegenstand die einschlägige Norm besitzt. Soweit Maßnahmen originär und unmittelbar den Luftverkehr betreffen, bleibt es bei der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Maßgabe der Art. 71 und 73 GG und deren Ausfüllung durch das Luftverkehrsgesetz. Die Luftverkehrsverwaltung wird zudem gemäß Art. 87 d Abs. 1 Satz 1 GG in bundeseigener Verwaltung geführt. Diese grundsätzliche Sperrwirkung hat das Oberverwaltungsgericht nicht verkannt. 16 Zutreffend ist auch seine Auffassung, dass das Europäische Luftrecht mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 der Kommission vom 26. September 2012 zur Festlegung gemeinsamer Luftverkehrsregeln und Betriebsvorschriften für Dienste und Verfahren der Flugsicherung (ABl. L 281 S. 1) Regelungen enthält, die der Schaffung von Flugbeschränkungsgebieten in einer Naturschutzgebietsverordnung entgegenstehen. 17 In den Erwägungsgründen 4 und 6 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 kommt deutlich zum Ausdruck, dass ein einheitlicher europäischer Luftraum geschaffen werden soll. Durch SERA.3145 im Anhang der Durchführungsverordnung wird ein Verbot für Luftfahrzeuge normiert, in Luftsperrgebiete oder Flugbeschränkungsgebiete einzufliegen, für die entsprechende Angaben ordnungsgemäß veröffentlicht wurden. Anknüpfend hieran regelt § 43 LuftVO auch, dass Festlegungen nach § 17 Abs. 1 LuftVO durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in den Nachrichten für Luftfahrer veröffentlicht werden. Aus dem Zusammenspiel dieser Normen folgt, dass für den Luftraum über der Bundesrepublik Deutschland nur eine vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, das für die Festlegung dieser Gebiete zuständig ist, veranlasste Publikation in den Nachrichten für Luftfahrer als ordnungsgemäße Veröffentlichung im Sinne von SERA.3145 angesehen werden kann. Diesen Anforderungen würde die Veröffentlichung von Flugbeschränkungen aufgrund einer Naturschutzgebietsverordnung in einem örtlichen Verkündungsblatt nicht genügen. Mit Recht weist das Oberverwaltungsgericht darauf hin, dass der unionsrechtlich bezweckten Vereinheitlichung des Luftraums, bei dem für die Akteure Rechtssicherheit und Berechenbarkeit notwendig sind, eine nur lokale und für den Luftverkehr atypische Publikation widersprechen würde. 18 Auf der Grundlage von § 17 LuftVO kann ausreichender Schutz naturschutzrechtlicher Belange gesichert werden. Danach legt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur die Luftsperrgebiete und Gebiete mit Flugbeschränkungen fest, wenn dies zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere für die Sicherheit des Luftverkehrs, erforderlich ist. Es kommt nicht darauf an, ob konkrete Gefahren für die Avifauna des Naturschutzgebiets bestehen. Um die Ziele der unionsrechtlichen Vorschriften der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) (ABl. L 206 S. 7) und der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutz-Richtlinie) (ABl. L 20 S. 7) bei Anwendung des § 17 LuftVO zu erreichen, kann eine erweiternde unionsrechtliche Auslegung geboten sein. Soweit in dem Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 16. August 2016 die Auffassung vertreten wird, es sei nicht Aufgabe des Bundesministeriums, naturschutzrechtliche Verbote und die Absicherung eines Natura 2000-Gebiets sicherzustellen, folgt ihr der Senat nicht. 19 2. Bundesrechtswidrig ist die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Sperrwirkung des Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG und des darauf beruhenden Luftverkehrsrechts sei im Anwendungsbereich der FFH-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie aufgehoben. Dass Art. 6 und 7 der FFH-Richtlinie und Art. 4 der Vogelschutz-Richtlinie die Mitgliedstaaten verpflichten, ein Europäisches Vogelschutzgebiet mit einem rechtlichen Schutzstatus auszustatten, der gewährleistet, dass dort die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie erhebliche Störungen derselben vermieden werden (EuGH, Urteile vom 27. Februar 2003 - C-415/01 [ECLI:​EU:​C:​2003:​118] - Rn. 16 f. und vom 14. Oktober 2010 - C-535/07 [ECLI:​EU:​C:​2010:​602] - Rn. 58; BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - BVerwGE 149, 31 Rn. 40), begründet nicht die Befugnis, Flugbeschränkungen für bemannte Luftfahrzeuge über dem Boden oder Wasser nach dem Bundesnaturschutzgesetz zu erlassen. Die gebotene Bestimmtheit der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung schließt es aus, dass verschiedene Behörden zur verbindlichen Regelung einer solchen Frage nebeneinander zuständig sind. 20 Auch der vom Oberverwaltungsgericht angeführte Anwendungsvorrang des Unionsrechts gebietet kein anderes Ergebnis. Nicht die vorrangige Anwendung materieller unionsrechtlicher Bestimmungen steht in Rede, sondern die Frage, welcher Normgeber nach den Maßgaben des nationalen Rechts für die Luftverkehrsbeschränkungen zuständig ist. Dass beide Unionsrichtlinien ""Flugzeuge"", ""Luftfahrzeuge"" sowie die ""Luftfahrt"" erwähnen (Anhang VI Buchst. b der FFH-Richtlinie und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a, 2. Spiegelstrich und Anhang IV Buchst. b der Vogelschutz-Richtlinie), hat keine Folgen für die Sperrwirkung von Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG. Spezifische Regelungen im Hinblick auf die nationale Zuständigkeit für den Luftverkehr enthalten diese Vorschriften nicht. Auch aus § 32 BNatSchG, der dem Auftrag der FFH-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie zum Aufbau und Schutz des zusammenhängenden europäischen ökologischen Netzes ""Natura 2000"" nachkommt und durch geeignete Gebote und Verbote sowie Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen gemäß Absatz 3 Satz 3 sicherstellen soll, dass den Anforderungen des Art. 6 der FFH-Richtlinie entsprochen wird, folgt keine Kompetenz zum Erlass von Flugbeschränkungen in einer Naturschutzgebietsverordnung. Die Pflichten des Art. 6 Abs. 2 der FFH-Richtlinie, wonach die Mitgliedstaaten die geeigneten Maßnahmen treffen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten (vgl. Lüttgau/Kockler, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand April 2020, § 32 BNatSchG Rn. 10), kann sowohl der Bund als auch ein Land erfüllen. Eine unionsrechtliche Vorgabe besteht insoweit nicht. Die Regelung der für die Erreichung unionsrechtlicher Ziele zuständigen Stellen ist vielmehr den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen vorbehalten. Die Kompetenz- und Aufgabenverteilung bei der Umsetzung der Richtlinien folgt daher den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. Möckel, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 31 Rn. a). 21 Einer von der Antragsgegnerin angeregten Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung des Rangverhältnisses beider Rechtssysteme (Schutz von Natura 2000-Gebieten gemäß der FFH-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie im Verhältnis zum europäischen Luftverkehrsrecht) bedarf es daher nicht. In Rede steht allein die Frage der nationalen Zuständigkeit für den Erlass von naturschutzrechtlichen Vorschriften. 22 3. Die vom Oberverwaltungsgericht bejahte Doppelzuständigkeit der unteren Naturschutzbehörde und des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur für den Luftraum bis zu einer Flughöhe von 150 m, widerspricht ebenfalls verfassungsrechtlichen Vorgaben. Mit Recht weist die Revision darauf hin, dass die Kompetenzordnung und das Rechtsstaatsprinzip die Zuweisung von Kompetenzen jeweils an nur eine Behörde verlangen und diese auch keine Ausnahmen in vermeintlichen Randbereichen erlauben. 23 Die Bestimmtheit der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung schließt es aus, dass verschiedene Behörden zur verbindlichen Regelung einer Frage nebeneinander zuständig sind. Einander widersprechende Regelungen eines Einzelfalls mit dem Anspruch der Verbindlichkeit könnten sonst nämlich nur durch die Bindung der anderen Behörde an die Entscheidung der erstbefassten Behörde vermieden werden; das würde einen vom Gesetz nicht gewollten Zufallsfaktor in die Zuständigkeitsordnung hineintragen (BVerwG, Urteil vom 4. Juli 1986 - 4 C 31.84 - BVerwGE 74, 315 <325 f.>). Das Rechtsstaatsprinzip gebietet vielmehr, Kompetenzen nur einer Behörde einzuräumen und Doppelbeauftragungen zu vermeiden (OVG Münster, Urteil vom 13. September 1995 - 13 A 3687/94 - NVwZ-RR 1996, 185 <186>). 24 Soweit das Oberverwaltungsgericht Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für seine Auffassung einer zulässigen Doppelzuständigkeit anführt (BVerwG, Urteil vom 10. Mai 1985 - 4 C 36.82 - Buchholz 442.40 § 29 LuftVG Nr. 1 sowie Beschlüsse vom 4. Juni 1986 - 4 B 94.86 - Buchholz 442.40 § 29 LuftVG Nr. 4 und vom 29. Juli 1986 - 4 B 73.86 - NVwZ 1987, 493), betreffen diese Entscheidungen die Genehmigung eines Modellflugplatzes (4 C 36.82 ), eine Aufstiegserlaubnis zum Betrieb von Flugmodellen (4 B 73.86 ) und die Untersagung des Betriebs von Segelflugmodellen durch eine Naturschutzbehörde (4 B 94.86 ). Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesen Entscheidungen nicht die Befugnis von Naturschutzbehörden, luftverkehrsbezogene Maßnahmen nach dem Bundesnaturschutzgesetz zu erlassen, bejaht. Vielmehr hat es die Frage, ob eine Naturschutzbehörde auf dem Gebiet des Luftrechts tätig werden dürfe, ausdrücklich verneint (BVerwG, Beschluss vom 4. Juni 1986 - 4 B 94.86 - Buchholz 442.40 § 29 LuftVG Nr. 4). Ob die zuständige Behörde im Hinblick auf die bundesrechtlichen Vorschriften des Luftrechts gehindert war, ihre landesrechtliche Zuständigkeit auszuüben, ist vielmehr davon abhängig zu machen (Art. 71 i. V. m. Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG), ob das Bundesrecht für sich eine abschließende Regelung in Anspruch nimmt. Allerdings hat die Luftfahrtbehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die Vorschriften des Naturschutzrechts zu beachten (BVerwG, Urteil vom 10. Mai 1985 - 4 C 36.82 - Buchholz 442.40 § 29 LuftVG Nr. 1 S. 3 und Beschluss vom 4. Juni 1986 - 4 B 94.86 - Buchholz 442.40 § 29 LuftVG Nr. 4 S. 12). 25 Soweit es in dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juli 1986 (4 B 73.86 ) heißt, es sei im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung nicht ausgeschlossen, dass das der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes zugeordnete Recht (hier: die Gesetzgebung über den Luftverkehr nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG) die Beachtung naturschutzrechtlicher Belange zulasse, welche durch das Landesrecht konkretisiert seien (Rn. 9), lässt sich auch dieser Entscheidung nichts Abweichendes entnehmen. Die Luftfahrtbehörde hatte im Zuge der Bescheidung des Antrags auf Flugplatzgenehmigung gemäß § 6 Abs. 2 LuftVG geprüft, ob die geplante Maßnahme die Erfordernisse des Naturschutzes und der Landschaftspflege angemessen berücksichtigt. Hierzu gehörte auch die Prüfung, ob das geplante Vorhaben in konkreter Weise gegen den Schutzzweck einer Landschaftsschutzverordnung verstieß. Dieser Fall unterscheidet sich daher von dem vorliegenden, in dem die streitgegenständliche Naturschutzgebietsverordnung selbst im Wege einer konkret gefassten Bestimmung für Luftfahrzeuge ein Verbot der Unterschreitung einer Mindestflughöhe sowie ein Start- und Landeverbot regelt und somit eine den Luftverkehr betreffende spezifische Anordnung enthält. Damit hat sich die Antragsgegnerin die Befugnisse der Luftfahrtbehörde angemaßt. 26 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO."