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1922 bekam Hitchcock Gelegenheit, sich als Regisseur zu versuchen.
Mit dem Autor Seymour Hicks stellte er die letzten Filmszenen von "Always Tell Your Wife" fertig, nachdem der ursprüngliche Regisseur gefeuert worden war.
Bald darauf konnte er einen eigenen Film drehen, "Number 13" (in einigen Quellen "Mrs.
Peabody"), der jedoch unvollendet blieb, da "Famous Players-Lasky" im Laufe der Dreharbeiten das Studio wegen finanzieller Schwierigkeiten schließen musste.
Das leerstehende Gelände wurde an unabhängige Produzenten vermietet, darunter auch an Michael Balcon, der das Studio 1924 schließlich erwarb.
Er stellte Hitchcock als Regieassistent ein, sowie (auf dessen Empfehlung) die Filmeditorin Alma Reville.
Die beiden kannten sich seit 1921, seitdem sie gelegentlich an denselben Filmen gearbeitet hatten.
Bis 1925 entstanden fünf Filme, bei denen Hitchcock dem Regisseur Graham Cutts assistierte und zu Cutts’ wachsendem Unmut mehr und mehr künstlerischen Einfluss gewann.
Neben dem Drehbuch kümmerte er sich auch um die Bauten, das Szenenbild, die Besetzung, die Kostüme sowie die Ausstattung und nahm so mit der Zeit die Aufgaben eines Produktionsleiters wahr.
Hitchcocks letzte Zusammenarbeit mit Graham Cutts führte ihn 1924/25 nach Deutschland.
Der unter der Beteiligung der deutschen UFA produzierte Film "Die Prinzessin und der Geiger" entstand in den Babelsberger Filmstudios – damals die modernsten der Welt.
Dabei hatte Hitchcock die Möglichkeit, Friedrich Wilhelm Murnau bei den Arbeiten an "Der letzte Mann" zu beobachten; von diesem beeindruckt übernahm er einige Techniken Murnaus für die Szenenbilder seiner aktuellen Produktion.
Durch diesen und weitere Besuche konnte Hitchcock fließend Deutsch sprechen; später sprach er zum Beispiel einige Trailer seiner Filme selbst.
Zurück in England übertrug ihm Michael Balcon 1925 die Regie für einen eigenen Film.
Das Projekt führte den jungen Hitchcock wieder nach Deutschland.
Nur die Münchner Lichtspielkunst (Emelka) fand sich bereit, den Film des unbekannten Regie-Debütanten mitzuproduzieren.
Für das Melodram "Irrgarten der Leidenschaft" (1925) verpflichtete Balcon kostspielige Stars aus Hollywood.
Alma Reville, mittlerweile Hitchcocks Verlobte, war als Regieassistentin und Editorin Mitglied des sehr kleinen Filmteams.
Balcon war mit Hitchcocks ambitionierter Arbeit zufrieden und vertraute ihm eine weitere deutsch-englische Koproduktion an: "Der Bergadler" wurde noch im selben Jahr, diesmal in Tirol, gedreht.
Doch beide Filme, die 1925 beziehungsweise 1926 in Deutschland in den Kinos anliefen, wurden in England zunächst nicht veröffentlicht.
Der englische Verleiher und Geldgeber C. M. Woolf war, im Gegensatz zu Balcon, nicht von Hitchcocks betont expressionistischem Stil überzeugt.
"Der Bergadler" ist der einzige von Hitchcocks Filmen, der nicht mehr erhalten ist.
Karriere in England.
Leben und Arbeit in England.
Mit dem 1926 gedrehten Film "Der Mieter" um einen einzelgängerischen Pensionsgast, der verdächtigt wird, ein Serienmörder zu sein, hatte Hitchcock sein Thema gefunden.
Doch nicht zuletzt wegen dessen expressionistischer Bildgestaltung lehnte es Woolf abermals ab, den Film zu veröffentlichen.
Balcon zog daraufhin den jungen Ivor Montagu hinzu, der Erfahrung mit Filmüberarbeitungen hatte; mit Hitchcock zusammen wurden einige Änderungen vorgenommen.
Der überragende Erfolg bei einer Pressevorführung ebnete dann den Weg zur Veröffentlichung seiner ersten beiden Filme.
"Der Mieter" kam 1927 in kurzer Abfolge mit "Irrgarten der Leidenschaft" und "Der Bergadler" in die Kinos und bedeutete für Hitchcock den Durchbruch als Regisseur.
Für Balcons Gainsborough Pictures drehte Hitchcock 1927 noch die zwei Melodramen "Abwärts" und "Leichtlebig".
Beiden Filmen war kein Erfolg beschieden.
Bereits zuvor hatte er beschlossen, zu der neu gegründeten Firma British International Pictures (BIP) des Produzenten John Maxwell zu wechseln.
Mit einem Jahresgehalt von 13.000 Pfund Sterling stieg er zum bestbezahlten Regisseur Großbritanniens auf.
Dort entstand mit dem Boxerdrama "Der Weltmeister" sein erster Film nach einem Originaldrehbuch.
Die Presse reagierte äußerst positiv.
Obwohl die drei folgenden Stummfilme "Die Frau des Farmers," "Champagne" und "Der Mann von der Insel Man" abgesehen von einzelnen Szenen als Fingerübungen gelten, hatte sich Hitchcock in Großbritannien innerhalb kurzer Zeit einen Namen gemacht: Die junge britische Filmindustrie, sehr darauf bedacht, sich von der amerikanischen abzuheben, war nur allzu gerne bereit, ihn als kommenden Regiestar zu feiern.
Im Dezember 1926 heirateten Alfred Hitchcock und Alma Reville, die für die Hochzeit zum katholischen Glauben konvertierte.
1928 wurde ihre gemeinsame Tochter Patricia geboren.
Beruflich blieb Alma bis zum Schluss seine engste Mitarbeiterin und Beraterin.
Das Aufkommen des Tonfilms hielten viele Regisseure für das Ende ihrer Kunstform.
Hitchcock hingegen nutzte das Potential der neuen Technik.
"Erpressung" (1929) wurde ursprünglich als Stummfilm produziert.
Die Produzenten erlaubten Hitchcock jedoch, eine Filmrolle mit Tonmaterial nachzudrehen.
Er versah daraufhin einzelne Schlüsselszenen mit wirkungsvollen Toneffekten und gesprochenem Dialog, wobei die tschechische Schauspielerin Anny Ondra, die ihre Rolle stumm spielen musste, von der englischen Schauspielerin Joan Barry simultan synchronisiert wurde.
"Erpressung" war der erste britische Tonfilm und wurde ein großer Erfolg.
Hitchcock nutzte seine gewonnene Popularität und gründete mit der "Hitchcock Baker Productions Ltd."
eine Gesellschaft zur Vermarktung seiner Person.
Auf Geheiß seines Studios drehte er "Juno and the Paycock" (1930) sowie einige Szenen für die Musikrevue "Elstree Calling".
Mit "Mord – Sir John greift ein!"
fand er wieder zu seinem Thema und auch nach Deutschland zurück: In Berlin stellte er die deutsche Sprachversion des Films unter dem Titel "Mary" her.
Es folgten drei Filme, von denen Hitchcock nur die Komödie "Endlich sind wir reich" wirklich interessierte: In dem zusammen mit seiner Frau und Val Valentine verfassten Drehbuch verarbeitete er unter anderem die Erfahrungen seiner noch jungen Ehe.
Den ihm aufgezwungenen Thriller "Nummer siebzehn" beschloss Hitchcock aus Protest zu sabotieren und zu einer wirren, albernen Parodie zu machen.
Die turbulente Verbindung zwischen Humor und Spannung lässt "Nummer siebzehn" aus heutiger Sicht als einen Vorläufer späterer Klassiker des Genres erscheinen.
Hitchcocks Vertrag mit der "British International Pictures" endete nach sechs Jahren mit einem Einsatz als Produzent "(Lord Camber’s Ladies)".
Die Zusammenarbeit hatte zunehmend unter dem Konflikt zwischen Hitchcocks Streben nach künstlerischer Kontrolle und den Vorschriften des Studios gelitten.
Doch auch den folgenden Film "Waltzes from Vienna", ein „Musical ohne Musik“ (Hitchcock) für den unabhängigen Produzenten Tom Arnold, drehte er betont lustlos: „Ich hasse dieses Zeug.
Melodrama ist das einzige, was ich wirklich kann.“ Englische Produktionen.
Unmittelbar nach "Waltzes from Vienna" nahm er die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Produzenten Michael Balcon wieder auf.
Als erster Film für die "Gaumont British" entstand der Thriller "Der Mann, der zuviel wußte" (1934).
Das Drehbuch erarbeitete Hitchcock im Wesentlichen mit seiner Frau Alma und dem Drehbuchautor Charles Bennett.
Der Film wurde sowohl von der Kritik als auch vom Publikum enthusiastisch aufgenommen.
Der humorvolle Spionagethriller "Die 39 Stufen" (1935, Drehbuch: Charles Bennett) gilt als Blaupause späterer Verfolgungsthriller.
Eine turbulente Szene folgt auf die nächste, es gibt keine Übergänge und kaum Zeit für den Zuschauer, über die manchmal fehlende Logik nachzudenken.
Hitchcock ordnete nach eigenem Bekunden alles dem Tempo unter.
Der große Erfolg des Films sollte ihm recht geben.
Es folgten "Geheimagent" (1936) und "Sabotage" (1936), die insbesondere in Hitchcocks eigener späterer Bewertung gegenüber den beiden Vorgängerfilmen abfielen.
Doch die psychologisch vielschichtige Behandlung des Themas „Schuld“ weist bereits auf spätere Werke hin.
Nach "Sabotage" endete abrupt die zweite erfolgreiche Phase der Zusammenarbeit mit Michael Balcon, als die Produktionsfirma Gaumont British von deren Besitzern geschlossen und Balcon entlassen wurde.
Die beiden folgenden Filme drehte Hitchcock daher wieder für die Gainsborough Pictures – diesmal allerdings ohne seinen ehemaligen Förderer.
"Jung und unschuldig" (1937) war eine weitere, unbeschwerte Variation der Geschichte vom unschuldig Verfolgten.
Eine der bekanntesten Szenen ist die im Grand Hotel, als die Kamera über das gesamte Foyer schwenkt.
Solche Plansequenzen nutzte Hitchcock auch später noch in vielen weiteren Filmen.
Der erfolgreiche Thriller "Eine Dame verschwindet" (1938) spielt überwiegend in einem fahrenden Zug.
Die Dreharbeiten fanden jedoch ausschließlich in einem kleinen Londoner Studio statt, was dank technisch anspruchsvoller Rückprojektionen möglich wurde.
Hitchcock festigte mit diesen sechs Filmen seine Stellung innerhalb des britischen Kinos.
Ende der 1930er Jahre beauftragte er die Selznick-Joyce-Agentur, deren Mitinhaber Myron Selznick, der ältere Bruder des Hollywood-Moguls David O. Selznick war, seine Interessen wahrzunehmen.
Hitchcock, dessen Ruf mittlerweile bis nach Hollywood gelangt war, unterzeichnete 1938 einen Vertrag für die Produktionsgesellschaft von David O. Selznick, der damals gerade mit der Vorproduktion zu "Vom Winde verweht" beschäftigt war.
In Gedanken bereits in Hollywood, drehte Hitchcock in England noch einen letzten Film für die Produktionsfirma des nach England emigrierten deutschen Produzenten Erich Pommer.
Doch der Kostümfilm "Riff-Piraten" wurde von der Presse verrissen.
Hollywood und der Zweite Weltkrieg.
In seinen ersten Jahren in Hollywood stieß Hitchcock auf unerwartete Schwierigkeiten.
David O. Selznick übte starke Kontrolle über die Filme seines Studios aus und achtete darauf, dass sich der freiheitsliebende Hitchcock möglichst eng an die literarische Vorlage seines ersten Hollywoodfilmes hielt.
Trotz dieser Spannungen wurde "Rebecca" für den britischen Regisseur ein erfolgreicher Einstand in Hollywood: Das psychologisch dichte und düster-romantische Melodram war 1940 elfmal für den Oscar nominiert und gewann schließlich zwei der Trophäen (Kamera und Produktion).
In den nächsten Jahren machte Selznick sein Geld mit Hitchcock, indem er ihn für beträchtliche Summen an andere Studios auslieh.
Der Krieg in Europa weitete sich aus, als der unabhängige Produzent Walter Wanger Hitchcock für ein aktuelles Kriegsdrama engagierte.
"Der Auslandskorrespondent" blieb Hitchcocks Naturell entsprechend jedoch ein weitgehend unpolitischer Spionagethriller.
Nur der nachgedrehte Schlussmonolog, gerichtet an die noch neutralen USA, wirkte aufrüttelnd.
Kurz nach Fertigstellung des Films wurde England von Deutschland bombardiert.
Der rechtzeitig ausgewanderte Hitchcock musste sich daraufhin scharfe Kritik von ehemaligen britischen Kollegen, allen voran Michael Balcon, gefallen lassen.
Mit "Verdacht" (1941, RKO), der ersten Zusammenarbeit mit Cary Grant, und "Saboteure" (1942, Universal) blieb Hitchcock bei seinen klassischen Themen.
Zwischen diesen Produktionen drehte er, für ihn und andere ungewohnt, seine einzige Screwball-Komödie.
Obwohl damals durchaus positiv aufgenommen, zeigte er sich mit "Mr.
und Mrs.
Smith" (1941, RKO) nicht zufrieden.
Weit mehr am Herzen lag ihm die Arbeit an dem Thriller "Im Schatten des Zweifels" (1943, Universal).
Hitchcocks Filme gelten allgemein als stark von seinem Charakter geprägt.
Dieses Familienmelodram wird als einer seiner persönlichsten Filme bezeichnet: In allen Hauptfiguren spiegeln sich demnach Eigenschaften und Ängste Hitchcocks.
Als während der Dreharbeiten Hitchcocks Mutter in London starb, verstärkte dies die autobiografischen Tendenzen.
Wie viele britische Regisseure leistete Hitchcock seine Beiträge für die Kriegspropaganda und drehte unter anderem Kurzfilme zur Unterstützung der französischen Résistance.
Auch in seine nächste Hollywood-Produktion arbeitete er stark propagandistische Töne ein, doch sein stets bewusst irritierender Umgang mit Klischees sorgte diesmal für Kontroversen: In einem kleinen Rettungsboot sehen sich englische und amerikanische Schiffbrüchige einem intellektuell überlegenen Nazi gegenüber.