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Dennoch wurde der formalistisch strenge Psychothriller "Das Rettungsboot" (1944, 20th Century Fox) dreimal für den Oscar nominiert (Drehbuch, Kamera und Regie).
Psychologie, wichtige Komponente seines Werks, stand im Mittelpunkt von "Ich kämpfe um dich" (1945), der nach langer Zeit wieder für Selznick entstand.
Dieser war vom Thema Psychoanalyse schnell begeistert und ließ Hitchcock ungewohnt viel freie Hand, doch kürzte er den Film nach der ersten Probevorführung um rund zwanzig Minuten.
Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Ingrid Bergman in der Hauptrolle wurde in der folgenden Produktion "Berüchtigt" (1946) fortgesetzt, die Selznick allerdings wieder an RKO verkaufte.
Die Geschichte um eine Spionin (Bergman), die aus Pflichtgefühl von ihrem Liebhaber (Cary Grant) gedrängt wird, mit dem Feind zu schlafen, bot für Hitchcocks Obsessionen eine breite Projektionsfläche.
Mit dem Gerichtsdrama "Der Fall Paradin" (1947) lief der Vertrag Hitchcocks mit Selznick aus.
Selznick behielt, bei der Stoffauswahl angefangen, bei dieser relativ chaotisch verlaufenden Produktion die Oberhand.
Dass Hitchcock währenddessen Vorbereitungen für seine eigene Produktionsfirma traf, verstärkte die Spannungen zwischen den machtbewussten Männern.
Dennoch bot Selznick Hitchcock – erfolglos – eine Vertragsverlängerung an.
Unabhängigkeit.
Bereits im April 1946, rund zwei Jahre, bevor der Vertrag mit Selznick auslaufen sollte, gründete Hitchcock mit dem befreundeten Kinokettenbesitzer Sidney Bernstein die Produktionsfirma Transatlantic Pictures, für die er seinen ersten Farbfilm inszenierte, "Cocktail für eine Leiche" (1948) mit James Stewart in einer der Hauptrollen.
Der Film blieb jedoch vor allem wegen eines anderen Hitchcock-Experiments in Erinnerung; jede Einstellung des kammerspielartigen Films dauert so lange, wie es das Filmmaterial in der Kamera erlaubte, also rund zehn Minuten.
Durch geschickte Übergänge sollte so der Eindruck entstehen, dass sich die Geschichte in Echtzeit und von nur einer Kamera gefilmt ereignete.
"Sklavin des Herzens" (1949), ein für Hitchcock untypischer, melodramatischer Kostümfilm, war vor allem ein Vehikel für Ingrid Bergman.
Trotz der Starbesetzung und der technischen Raffinessen wurde er kommerziell ein ähnlicher Misserfolg wie "Cocktail für eine Leiche" – Transatlantic ging daraufhin in die Insolvenz.
Nachdem sein Berater und Agent Myron Selznick 1944 gestorben war, wurden Hitchcocks Interessen von mehreren Personen wahrgenommen, bevor er 1948 mit Lew Wasserman zusammentraf.
Wasserman war seit 1946 Präsident der weltgrößten Künstleragentur Music Corporation of America (MCA), der sich Hitchcock 1948 anschloss.
Es begann eine enge wie äußerst lohnende Zusammenarbeit.
Warner Brothers.
Hitchcock schloss mit Warner Bros.
einen lukrativen Vertrag über vier Filme ab, bei denen er als Regisseur und Produzent, angefangen bei der Stoffauswahl, völlig freie Hand hatte.
Der erste dieser Filme war der Thriller "Die rote Lola" (1950) mit Marlene Dietrich, der im Londoner Theatermilieu spielte.
Eines seiner Lieblingsmotive stellte er auf den Kopf; am Ende entpuppt sich der „unschuldig Verfolgte“ als der wahre Mörder.
Hitchcock drehte in seiner Heimat, spürte allerdings wieder die alten Ressentiments, die nach seiner Auswanderung entstanden waren.
Der Film selbst war nicht sonderlich erfolgreich.
Im April 1950 begann Hitchcock, regelmäßige Kolloquien an den Universitäten von Kalifornien und Südkalifornien abzuhalten, in denen unter anderem Previews seiner aktuellen Filme gezeigt wurden.
Diese Tradition sollte er die kommenden 20 Jahre beibehalten.
"Der Fremde im Zug" (1951, nach einem Roman von Patricia Highsmith) brachte schließlich nach fünf Jahren Flaute wieder einen überragenden Erfolg.
Mit diesem Film begann die dreizehnjährige Zusammenarbeit mit dem Kameramann Robert Burks.
Wie schon in "Die rote Lola" spielte Hitchcocks Tochter Patricia eine Nebenrolle.
1953 folgte mit "Ich beichte" der eindeutigste filmische Bezug auf Hitchcocks starke katholische Prägung.
Obwohl von der Kritik geschätzt, floppte der Film an den Kinokassen, was Hitchcock vor allem der Humorlosigkeit des Publikums anlastete.
Als Anfang der 1950er Jahre das Fernsehen Einzug in die Wohnzimmer hielt, versuchte die Kinoindustrie, mit neuen technischen Verfahren wie dem Breitbildformat Cinemascope oder dem 3D-Verfahren den Zuschauerschwund aufzuhalten.
So drängte Warner Bros.
Hitchcock, seinen nächsten Film in 3D zu drehen.
Über diese Entscheidung, die zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Kamera führte, war Hitchcock nicht glücklich; er setzte auch nur wenige explizite 3-D-Effekte ein.
"Bei Anruf Mord" (1954) ist die Verfilmung eines damals sehr populären Theaterstücks von Frederick Knott, der auch das Drehbuch schrieb.
Mit Hauptdarstellerin Grace Kelly drehte Hitchcock im Anschluss noch zwei weitere Filme, ehe sie sich aus dem Filmgeschäft zurückzog.
Paramount.
Die Erfahrung mit dem aufgezwungenen 3D-Verfahren zeigte Hitchcock die Grenzen bei Warner Brothers.
Er schloss daher 1953 einen Vertrag mit Paramount ab, der ihm völlige künstlerische Freiheit garantierte.
1954 begann die für Hitchcock erfolgreichste Zeit mit "Das Fenster zum Hof".
Neben Grace Kelly ist ein weiteres Mal James Stewart zu sehen.
Die Hauptfigur sitzt während des gesamten Films im Rollstuhl und beobachtet durch ein Teleobjektiv das Geschehen in den gegenüberliegenden Wohnungen – sozusagen stellvertretend für den Zuschauer, aber auch stellvertretend für Hitchcock selbst, der in diesem Film den voyeuristischen Aspekt des Filmemachens aufzeigt.
"Über den Dächern von Nizza" (1955) ist ein leichter, romantischer Thriller, in dem neben Grace Kelly – nach zwei Jahren Filmpause – wieder Cary Grant spielte.
Wohl um dem Glamour dieses an der Côte d’Azur angesiedelten Films etwas entgegenzusetzen, drehte Hitchcock noch im selben Jahr die kostengünstig produzierte schwarze Komödie "Immer Ärger mit Harry," in der Shirley MacLaine neben John Forsythe ihren ersten Filmauftritt hatte.
Edmund Gwenn, der bereits in früheren Hitchcock-Filmen mitgewirkt hatte, spielte fast achtzigjährig eine seiner wenigen Hauptrollen.
Obwohl Hitchcock in vielen seiner Filme schwarzen Humor untergebracht hat, ist es eine der wenigen echten Komödien von ihm.
1955 nahm Hitchcock – rund fünf Jahre nach seiner Frau – die amerikanische Staatsbürgerschaft an.
Im selben Jahr begann er mit Doris Day und James Stewart die Dreharbeiten zu "Der Mann, der zuviel wußte" (1956), der einzigen Neuverfilmung eines seiner Filme in seiner Karriere.
Ebenfalls 1955 startete die wöchentliche Fernsehserie "Alfred Hitchcock Presents" (ab 1962 "The Alfred Hitchcock Hour").
Hitchcock war Produzent, trat in vielen Folgen als Moderator auf und inszenierte insgesamt 18 Folgen.
Auch für die Fernsehserien "Suspicion" und "Startime" nahm er für je eine Folge im Regiestuhl Platz.
Nach zehn Jahren beendete er seine Fernseharbeit, an der er zunehmend das Interesse verloren hatte.
Hinzu kam, dass die Produktion den Auftraggebern zu teuer wurde und die Zeit von Serien mit jeweils abgeschlossenen Folgen, sogenannten „Anthologies“, zu Ende ging.
Mit "Der falsche Mann" wurde er 1956 einem seiner Grundprinzipien, der strikten Trennung von Leben und Fiktion, untreu.
In dem Schwarzweißfilm mit Henry Fonda und Vera Miles wird an authentischen Schauplätzen die auf Tatsachen beruhende Geschichte eines zu unrecht Verurteilten erzählt.
Der Film entstand noch einmal für Warner Bros., da Hitchcock dem Studio bei seinem Ausscheiden noch einen Film ohne Regiegage zugesagt hatte.
Allerdings war "Der falsche Mann", der viele Stilelemente des Film noir und ein trostloses Ende aufweist, kommerziell ein Flop.
Höhepunkt und Wende.
1957 drehte Hitchcock seinen letzten Film für Paramount: "Vertigo – Aus dem Reich der Toten" (1958 veröffentlicht).
Das Drehbuch entstand in gemeinsamer intensiver Arbeit von Hitchcock und Samuel A. Taylor.
In wenige seiner Filmfiguren projizierte Hitchcock wohl so viel von seiner eigenen Persönlichkeit wie in den von James Stewart verkörperten Scottie Ferguson, der versucht, eine Frau nach seinen Vorstellungen umzuformen.
Zu seiner Entstehungszeit nicht besonders erfolgreich, zählt der Film inzwischen – ähnlich wie der folgende "Der unsichtbare Dritte" – zu den bedeutendsten Werken Hitchcocks.
Hitchcock und sein Drehbuchautor Ernest Lehman konzipierten "Der unsichtbare Dritte" (1959, MGM) als eine Abfolge von Abenteuern, in denen ein Unschuldiger (Cary Grant in seinem letzten Hitchcock-Film) um seine Reputation und sein Leben kämpft.
Die elegante Leichtigkeit der Erzählung beeinflusste viele nachfolgende Abenteuer- und Agentenfilme, was sich u. a. in den James-Bond-Filmen der darauf folgenden Jahre zeigt.
Für Hitchcock selbst blieb es für lange Zeit der letzte vorwiegend heitere Film.
Das im Anschluss vorbereitete Projekt mit Audrey Hepburn in der Hauptrolle wurde durch Hitchcock gestoppt, als Hepburn wegen einer geplanten Vergewaltigungsszene absagte.
Mit seiner bewusst kostengünstigen Produktion "Psycho" (1960) folgte Hitchcocks wohl bekanntester Film: Die in einer Woche Dreharbeit entstandene „Duschszene“ zählt heute zu seinen meistanalysierten Filmszenen.
Ungewöhnlich war auch der Tod einer Hauptfigur nach nur einem Drittel des Films.
Die zeitgenössischen Kritiken fielen unerwartet barsch aus, doch das Publikum machte "Psycho" zu Hitchcocks größtem kommerziellen Erfolg.
Nachdem zwei angedachte Projekte scheiterten – unter anderem, weil Walt Disney dem "Psycho"-Regisseur die Dreherlaubnis in Disneyland verweigerte – nahm Hitchcock seinen nächsten Film erst Mitte 1961 in Angriff: "Die Vögel" (1963), ein weiterer Horrorfilm, der nicht zuletzt durch seine Dramaturgie und die eingesetzte Tricktechnik – etwa den Sodium Vapor Process – stilbildend wirkte.
Der deutsche Komponist Oskar Sala setzte statt Filmmusik elektronisch erzeugte Geräusche ein.
Seine Hauptdarstellerin Tippi Hedren hatte Hitchcock im Werbefernsehen entdeckt.
Obwohl sie keine Filmerfahrung besaß, nahm er sie für die nächsten sieben Jahre unter Vertrag.
"Die Vögel" entstand für Universal, die kurz zuvor teilweise von MCA übernommen worden waren und für die Hitchcock von nun an alle seine Filme drehen sollte.
Lew Wasserman, bis zu diesem Zeitpunkt Agent Hitchcocks, wurde Präsident von Universal und gab seine Agententätigkeit auf.
Hitchcock selbst trat seine Rechte an "Psycho" und seiner Fernsehserie ab und wurde im Gegenzug der drittgrößte Aktionär von MCA.
Nach "Die Vögel" gibt es in Hitchcocks Werk einen Bruch.
Die folgenden drei Filme der 1960er Jahre blieben kommerziell hinter den vorangegangenen Erfolgen zurück.
Konflikte mit seiner Hauptdarstellerin Tippi Hedren prägten die Dreharbeiten so weit, dass er das Gelingen seines nächsten Films "Marnie" (1964) bewusst zu sabotieren schien.
Der Film fiel bei der professionellen Filmkritik durch.
Bemängelt wurde, dass das Psychogramm einer verstörten, traumatisierten Frau sich psychologischer Erklärungsmodelle bediene, die überholt und undifferenziert wirkten, und der Film enthalte, untypisch für Hitchcock, viele handwerkliche Fehler.
Die Qualität und der Rang des Films in Hitchcocks Werk wurde erst im Nachhinein nach François Truffauts ausführlicher Analyse des Films erkannt.
Dieser erste kommerzielle Misserfolg seit rund fünfzehn Jahren war in mehrfacher Hinsicht ein Wendepunkt in Hitchcocks Karriere.
Tippi Hedren war die letzte typische „Hitchcock-Blondine“ und "Marnie" der letzte Film, den Hitchcocks langjähriger Kameramann Robert Burks drehte.
Kurz nach Abschluss der Dreharbeiten starb zudem Hitchcocks Filmeditor George Tomasini, mit dem er zehn Jahre lang zusammengearbeitet hatte, und für Bernard Herrmann, der seit 1955 Hitchcocks bevorzugter Filmkomponist war, war "Marnie" die letzte Zusammenarbeit mit Hitchcock.
Das Spätwerk.
Erfolge und eine Rückkehr in die Heimat.
Filmproduktionen wurden immer aufwendiger, der Erfolg an der Kinokasse immer wichtiger.
Diverse Projekte, die Hitchcock reizten und die er mehr oder weniger intensiv plante, kamen so aus Angst der Produzenten nicht zustande – etwa "Mary Rose", die geplante Verfilmung eines skurrilen Theaterstücks.
Mit "R.R.R.R.
", einem Drehbuch mit zahlreichen Verwicklungen über eine italienische Ganoven-Familie in New York, wollte er Jahre nach "Der unsichtbare Dritte" wieder einen komischen Thriller drehen und damit alle Nachahmer ("Charade", "Topkapi" und andere) übertreffen.
Das weit fortgeschrittene Projekt scheiterte schließlich an unüberbrückbaren sprachlichen und kulturellen Problemen mit den italienischen Mitarbeitern.
Am 7. März 1965 erhielt Hitchcock für seinen „historischen Beitrag zum amerikanischen Kino“ den "Milestone Award" der "Producers Guild of America" – die erste von vielen Ehrungen für sein Lebenswerk.
Mit "Der zerrissene Vorhang" (1966) kehrte Hitchcock schließlich zum Genre des Spionagefilms zurück, in dem er bereits in den 1930er Jahren in England große Erfolge gefeiert hatte.
Die Premiere dieses 50.
Hitchcock-Filmes sollte von einer groß angelegten Marketingkampagne begleitet werden.
Nicht nur aus diesem Grund setzte Universal die aktuellen Stars Paul Newman und Julie Andrews gegen Hitchcocks Widerstand als Hauptdarsteller durch.
Überdies kam es zum Bruch mit dem Komponisten Bernard Herrmann, als dieser nicht die von Universal gewünschte, auch für den Schallplattenverkauf geeignete Unterhaltungsmusik vorlegte.