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Avis juridique important
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32003R2052
Verordnung (EG) Nr. 2052/2003 des Rates vom 17. November 2003 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1907/90 über bestimmte Vermarktungsnormen für Eier
Amtsblatt Nr. L 305 vom 22/11/2003 S. 0001 - 0002
Verordnung (EG) Nr. 2052/2003 des Ratesvom 17. November 2003zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1907/90 über bestimmte Vermarktungsnormen für EierDER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 2771/75 des Rates vom 29. Oktober 1975 über die gemeinsame Marktorganisation für Eier(1), insbesondere auf Artikel 2 Absatz 2,auf Vorschlag der Kommission,in Erwägung nachstehender Gründe:(1) Die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften sehen ab 1. Januar 2004 nur noch zwei Güteklassen für Eier vor. Eier der Klasse B dürfen dann nicht mehr als Konsumeier vermarktet werden. Dies ruft eine gewisse Besorgnis besonders in einigen Mitgliedstaaten hervor, in denen das Waschen von Eiern gängig ist und die Verbraucher sich beim Kauf eher für gewaschene Eier entscheiden. Die Kommission ist daher ersucht worden, die Praxis des Waschens von Eiern weiterhin zuzulassen.(2) In der Erwartung eines umfassenden wissenschaftlichen Berichts der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, in dem diese der Frage nachgeht, ob das Waschen von Eiern mit Gesundheitsrisiken verbunden ist, sollte eine abweichende Regelung vorgesehen werden, wonach Konsumeier auf fakultativer Basis gewaschen werden können. In diesem Fall sollten die gewaschenen Eier die Kriterien für Eier der Güteklasse A erfuellen müssen, jedoch auf der Verpackung als "gewaschene Eier" gekennzeichnet sein. Diese Abweichung muss daran geknüpft sein, dass die zuständige Behörde das Waschen von Eiern strengen Anforderungen unterwirft und dass strenge Kontrollen eingeführt werden(3) In Anbetracht der möglichen Gesundheitsrisiken sollte diese Abweichung außerdem befristet werden und es sollte vorgesehen werden, dass die Gebiete, in denen gewaschene Eier vermarktet werden dürfen, auf diejenigen Teile des Gemeinschaftsgebiets beschränkt werden, in denen die für die Erteilung der Zulassungen zuständigen Behörden ihre Kontrollen durchführen.(4) Die Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 1907/90(2) galten bislang nicht für Eier, die von den Erzeugern auf lokalen Märkten außer Auktionsmärkten verkauft wurden. Die Überwachung dieser Abweichung hat sich - vor allem in Bezug auf die Beschränkung dieser Abweichung auf die eigene Erzeugung - als schwierig erwiesen. Um Kontrollen zu erleichtern, sollten die Erzeuger verpflichtet sein, die für den Verkauf auf lokalen Märkten bestimmten Konsumeier mit einem Erzeugercode zu versehen.(5) Nach der Zusammenfassung der Klassen B und C ab 1. Januar 2004 können Eier der Güteklasse B nur noch an die Industrie verkauft werden. Daher sollten bestimmte Kennzeichnungsvorschriften für diese Eier und ihre Verpackungen angepasst werden.(6) Im Hinblick auf die Haltbarmachung der für den Einzelhandel in den französischen Überseedepartements bestimmten Eiern müssen in Anbetracht der Beförderungsdauer und der klimatischen Gegebenheiten besondere Bedingungen für die Anlieferung geschaffen werden. Deshalb sollte zugelassen werden, dass Eier nach diesem Teil des Gemeinschaftsgebiets in gekühlter Form versandt werden.(7) Die Verordnung (EWG) Nr. 1907/90 sollte daher entsprechend geändert werden -HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:Artikel 1Die Verordnung (EWG) Nr. 1907/90 wird wie folgt geändert:1. Dem Artikel 2 Absatz 3 wird folgender Unterabsatz angefügt:"Eier, die der Erzeuger auf einem örtlichen öffentlichen Markt abgibt, müssen jedoch mit dem Code gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a) versehen werden."2. Dem Artikel 6 werden folgende Absätze angefügt:"(4) Packstellen, die spätestens am 1. Juni 2003 für das Waschen von für den Endverbraucher bestimmten Eiern zugelassen waren, kann für einen Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2006 gestattet werden, unter strenger Überwachung durch den betreffenden Mitgliedstaat weiterhin diese Eier zu waschen. Diese Eier können in allen Teilen des Gemeinschaftsgebiets vermarktet werden, in denen die Behörden der Mitgliedstaaten, die die Zulassungen erteilt haben, ihre Befugnisse ausüben.Die gewaschenen Eier müssen die Kriterien für Eier der Güteklasse A erfuellen, werden jedoch als 'gewaschene Eier' eingestuft.Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten über Name und Anschrift der zugelassenen Packstellen und die angewendeten Überwachungsmaßnahmen.(5) Eier, die für den Einzelhandel in den französischen Überseedepartements bestimmt sind, können in gekühlter Form nach diesem Teil des Gemeinschaftsgebiets versandt werden. In diesem Fall wird wegen der für den Transport notwendigen Fristen die in Artikel 3 Absatz 1 der Entscheidung 94/371/EG vorgesehene Frist für die Lieferung an den Verbraucher nach dem in Artikel 17 der Verordnung (EWG) Nr. 2771/75 genannten Verfahren festgelegt."3. Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a) erhält folgende Fassung:"a) Eier der Klasse A und gewaschene Eier werden mit einem Erzeugercode versehen, der die Kennnummer des Erzeugerbetriebs enthält und aus dem die Art der Legehennenhaltung abgeleitet werden kann."4. Artikel 8 Absätze 2 und 3 werden durch folgenden Absatz ersetzt:"(2) Eier der Klasse A und gewaschene Eier, die den für diese Güteklassen vorgeschriebenen Anforderungen nicht mehr entsprechen, werden deklassiert und in die Güteklasse B eingestuft. Sie werden unmittelbar an gemäß der Richtlinie 89/437/EWG zugelassene Nahrungsmittelunternehmen sowie an die Nicht-Nahrungsmittelindustrie geliefert; dieser Bestimmungszweck muss auf der Verpackung deutlich angegeben werden."5. Artikel 10 Absatz 1 Buchstaben e) bis g) werden durch folgende Buchstaben ersetzt:"e) das Mindesthaltbarkeitsdatum, gefolgt von Empfehlungen für die geeignete Lagerung von Eiern der Güteklasse A und von gewaschenen Eiern;f) das Verpackungsdatum bei Eiern der Güteklasse B;g) die Art der Legehennenhaltung bei Eiern der Güteklasse A und bei gewaschenen Eiern. Die Verwendung dieser Angabe erfolgt nach Regeln, die nach dem in Artikel 20 genannten Verfahren festzulegen sind;h) die unverschlüsselte Angabe der Kühlbedingungen für Eier, die in den französischen Überseedepartements verkauft werden;i) die Angabe 'gewaschene Eier' bei Eiern, deren Waschung nach Artikel 6 Absatz 4 zugelassen wurde."6. Artikel 13 erhält folgende Fassung:"Artikel 13(1) Im Einzelhandel feilgehaltene oder angebotene Eier werden nach Güteklassen und Gewichtsklassen sowie nach der Art der Legehennenhaltung ausgestellt. Die verschiedenen Güte- und Gewichtsklassen sowie die Art der Legehennenhaltung sind für den Verbraucher deutlich und eindeutig sichtbar auf den Verkaufsregalen für die Eier anzugeben.(2) Bei für den Lose-Verkauf feilgehaltenen Eiern sind folgende zusätzliche Angaben erforderlich:a) die Kennnummer der Packstelle, die die Eier sortiert hat, oder, wenn es sich um eingeführte Eier handelt, das Ursprungsdrittland;b) das Mindesthaltbarkeitsdatum gefolgt von Empfehlungen für die geeignete Lagerung;c) die unverschlüsselte Angabe der Kühlbedingungen für Eier, die in den französischen Überseedepartements verkauft werden.(3) Eier der Güteklasse A - ausgenommen Eier, die mit der Bezeichnung 'Extra' nach Artikel 12 versehen sind - können in Kleinpackungen angeboten werden, ohne denselben Gewichtsklassen anzugehören. In diesem Fall werden auf den Packungen zusätzlich das Nettogesamtgewicht und die Bezeichnung 'Eier verschiedener Größe' oder die verschiedenen Gewichtsklassen angegeben."7. Artikel 15 Buchstabe b) Unterbuchstabe ee) erhält folgende Fassung:"ee) das Verpackungsdatum und Mindesthaltbarkeitsdatum gefolgt von Empfehlungen für die geeignete Lagerung für Eier der Güteklasse A und das Verpackungsdatum für Eier der Güteklasse B;"Artikel 2Diese Verordnung tritt am siebten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.Sie gilt ab 1. Januar 2004, ausgenommen Artikel 1 Nummer 1, der erst ab 1. Juli 2005 gilt.Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.Geschehen zu Brüssel am 17. November 2003.Im Namen des RatesDer PräsidentG. Alemanno(1) ABl. L 282 vom 1.11.1975, S. 49. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 806/2003 (ABl. L 122 vom 16.5.2003, S. 1).(2) ABl. L 173 vom 6.7.1990, S. 5. Verordnung zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 5/2001 (ABl. L 2 vom 5.1.2001, S. 1).
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doc-1 | Verwaltungsgericht des Kantons Zürich 1. Abteilung
VB.2014.00415
Urteil
der 1. Kammer
vom 4. Dezember 2014
Mitwirkend: Abteilungspräsident Lukas Widmer (Vorsitz), Verwaltungsrichterin Maja Schüpbach Schmid, Verwaltungsrichterin Sandra Wintsch, Gerichtsschreiber Basil Cupa.
In Sachen
1. A,
2. B,
3. C,
2–3 vertreten durch A,
alle vertreten durch Organisation D, E,
Beschwerdeführende,
gegen
Migrationsamt des Kantons Zürich,
Beschwerdegegnerin,
betreffend Aufenthaltsbewilligung,
hat sich ergeben:
hat sich ergeben:
I. A reiste am 16. April 2000 als Asylsuchender in die Schweiz ein, wurde erfolglos weggewiesen und erhielt daraufhin am 28. Juli 2010 eine Aufenthaltsbewilligung wegen fortgeschrittener Integration. Am 1. Februar 2013 stellte er ein Familiennachzugsgesuch für seine beiden Töchter B und C zwecks Verbleibs beim Vater. Dieses wies das Migrationsamt mit Verfügung vom 16. Dezember 2013 ab, da keine wichtigen familiären Gründe vorlägen, wie sie für einen nachträglichen Familiennachzug vorausgesetzt würden.
II.
A und seine beiden Töchter rekurrierten erfolglos gegen die Verfügung des Migrationsamts, welche von der Sicherheitsdirektion am 10. Juni 2014 bestätigt wurde.
III.
Dagegen erhoben sie mit Eingabe vom 11. Juli 2014 Beschwerde beim Verwaltungsgericht. Sie beantragen die Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für die beiden im Kongo lebenden Töchter; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Sicherheitsdirektion zurückzuweisen. Ebenso beantragten sie unentgeltliche Rechtspflege sowie die Zusprache einer Parteientschädigung.
Mit Präsidialverfügung vom 15. Juli 2014 wurden die Akten beigezogen; das Migrationsamt und die Sicherheitsdirektion liessen sich nicht vernehmen.
Die Kammer erwägt:
Die Kammer erwägt:
1. In prozessualer Hinsicht wird geltend gemacht, die Beschwerdeführerinnen seien im Rahmen des nachträglichen Familiennachzugs durch die Vorinstanzen zu Unrecht nicht mündlich angehört worden. Dies stelle eine Verletzung von Art. 47 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer vom 16. Dezember 2005 (AuG) in Verbindung mit Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV) dar.
Das Gesetz sieht in Art. 47 Abs. 4 Satz 2 AuG vor, dass Kinder über 14 Jahre zum Familiennachzug angehört werden, sofern dies erforderlich ist. Diese Bestimmung orientiert sich an Art. 12 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (vgl. hierzu Martina Caroni in: dieselbe/Thomas Gächter/Daniela Thurnherr, Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, Bern 2010 [Kommentar AuG], Art. 47 N. 26). Eine Anhörung kann nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich oder über einen Vertreter wahrgenommen werden und erweist sich nur dann als erforderlich, wenn dies zur vollständigen Erhebung des Sachverhalts notwendig ist (VGr, 28. August 2014, VB.2014.00177, E. 1.2). Aus beiden Bestimmungen ergibt sich allerdings kein Anspruch auf eine mündliche Anhörung der Kinder. Ebenso ist eine solche verfassungsrechtlich nicht vorgegeben (Regina Kiener/Walter Kälin, Grundrechte, 2. A., Bern 2013, S. 499). Es genügt vielmehr, wenn der Standpunkt des Kindes sonst wie in tauglicher Weise Eingang in das Verfahren gefunden hat (BGr, 14. September 2011, 2C_192/2011, E. 3.3.2). Das ist hier aufgrund der gleichgerichteten Interessenlage des Beschwerdeführers und seiner Kinder der Fall (vgl. dazu VGr, 5. Dezember 2013, VB.2013.00566, E. 1). Auf die genaue Kenntnis des Standpunkts der Kinder kommt es daher nicht an. Von deren Anhörung ist abzusehen.
Das Gesetz sieht in Art. 47 Abs. 4 Satz 2 AuG vor, dass Kinder über 14 Jahre zum Familiennachzug angehört werden, sofern dies erforderlich ist. Diese Bestimmung orientiert sich an Art. 12 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (vgl. hierzu Martina Caroni in: dieselbe/Thomas Gächter/Daniela Thurnherr, Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, Bern 2010 [Kommentar AuG], Art. 47 N. 26). Eine Anhörung kann nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich oder über einen Vertreter wahrgenommen werden und erweist sich nur dann als erforderlich, wenn dies zur vollständigen Erhebung des Sachverhalts notwendig ist (VGr, 28. August 2014, VB.2014.00177, E. 1.2). Aus beiden Bestimmungen ergibt sich allerdings kein Anspruch auf eine mündliche Anhörung der Kinder. Ebenso ist eine solche verfassungsrechtlich nicht vorgegeben (Regina Kiener/Walter Kälin, Grundrechte, 2. A., Bern 2013, S. 499). Es genügt vielmehr, wenn der Standpunkt des Kindes sonst wie in tauglicher Weise Eingang in das Verfahren gefunden hat (BGr, 14. September 2011, 2C_192/2011, E. 3.3.2). Das ist hier aufgrund der gleichgerichteten Interessenlage des Beschwerdeführers und seiner Kinder der Fall (vgl. dazu VGr, 5. Dezember 2013, VB.2013.00566, E. 1). Auf die genaue Kenntnis des Standpunkts der Kinder kommt es daher nicht an. Von deren Anhörung ist abzusehen.
2. Im vorliegenden Verfahren ist zu beurteilen, ob den beiden Töchtern des Beschwerdeführers die Einreise in die Schweiz zu gestatten und eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen ist. Der Familiennachzug eines bereits in der Schweiz wohnhaften Ausländers beurteilt sich anhand des AuG sowie der dazugehörigen Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit vom 24. Oktober 2007 (VZAE). Sodann darf eine Verweigerung des Familiennachzugs nicht gegen das in Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK) garantierte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verstossen.
Nach Art. 44 AuG kann der Nachzug lediger Kinder von Personen, die sich mit einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz aufhalten, bewilligt werden. Ein Rechtsanspruch auf Familiennachzug besteht indes nicht. Es liegt – unter Berücksichtigung der Vorgaben des übergeordneten Rechts – im Ermessen der kantonalen Migrationsbehörden, ob solchen Personen eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wird oder nicht (Caroni, Art. 44 N. 2; Marc Spescha in: ders. et al., Migrationsrecht, 3. A., Zürich 2012, Art. 44 N. 1).
Nach Art. 44 AuG kann der Nachzug lediger Kinder von Personen, die sich mit einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz aufhalten, bewilligt werden. Ein Rechtsanspruch auf Familiennachzug besteht indes nicht. Es liegt – unter Berücksichtigung der Vorgaben des übergeordneten Rechts – im Ermessen der kantonalen Migrationsbehörden, ob solchen Personen eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wird oder nicht (Caroni, Art. 44 N. 2; Marc Spescha in: ders. et al., Migrationsrecht, 3. A., Zürich 2012, Art. 44 N. 1).
3. Die Bewilligung des Familiennachzugs kann zufolge Art. 44 AuG erteilt werden, wenn die Kinder mit den Eltern zusammenwohnen, dazu eine bedarfsgerechte Wohnung vorhanden ist und keine Sozialhilfebedürftigkeit besteht. Ein Gesuch um Familiennachzug ist gemäss Art. 47 AuG in Verbindung mit Art. 73 Abs. 1 und 2 VZAE für Kinder unter zwölf Jahren innert einer fünfjährigen Frist und bei Kindern über zwölf Jahren innerhalb der Frist eines Jahres einzureichen, die gemäss Abs. 3 lit. b mit der Entstehung des Familienverhältnisses oder der Erteilung der Niederlassungsbewilligung des sich in der Schweiz befindlichen Familienmitglieds zu laufen beginnt. Die Aufenthaltsbewilligung wurde dem Beschwerdeführer am 28. Juli 2010 erteilt. Das Gesuch um Familiennachzug stellte er am 1. Februar 2013. Dazwischen verstrich eine Frist von rund zweieinhalb Jahren.
3.1 Für die Berechnung des entscheidrelevanten Nachzugsalters ist bei Kindern auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen (Caroni, Art. 47 N. 9). Zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung war B (Beschwerdeführerin 1), geboren 1993 in F (Kongo), bereits 19-jährig. Ihre jüngere Schwester, C (Beschwerdeführerin 2), im selben Ort 1996 geboren, war 17-jährig. Eine rechtzeitige Gesuchseinreichung hätte daher innerhalb eines Jahres ab Erteilung der Aufenthaltsbewilligung des Vaters bis zum 28. Juli 2011 erfolgen müssen. Diese Frist verstrich ungenutzt.
3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, er hätte seit seiner Ankunft in der Schweiz im Jahr 2000 erst wieder im Juni 2012 Kontakt mit seinen Töchtern gehabt, weshalb das Familienverhältnis erst ab diesem Zeitpunkt entstanden und für die Berechnung des Fristenlaufs gemäss Art. 47 Abs. 3 lit. b AuG auf diesen Zeitpunkt abzustellen sei. Das Gesetz stellt mit der Verwendung des Begriffs "Familienverhältnis" allerdings nicht primär auf eine tatsächlich gelebte persönliche Beziehung, sondern auf den Entstehungszeitpunkt des zivilrechtlichen Verwandtschaftsgrads ab (BBl 2002 3794). Das Kindesverhältnis entstand vorliegend – ungeachtet des Übergangs der elterlichen Sorge von der Mutter zum Vater am 19. April 2013 – in beiden Fällen mit Geburt. Fristmassgebend ist daher die bereits erwähnte Erteilung der Aufenthaltsbewilligung am 28. Juli 2010 beziehungsweise deren Ablauf am 28. Juli 2011.
3.3 Der Einwand, dass die genannte einjährige Frist zur Gesuchseinreichung aufgrund des fehlenden Kontakts des Beschwerdeführers mit seinen Töchtern stillgestanden und erst im Zeitpunkt der Kontaktaufnahme im Juni 2012 zu laufen begonnen habe, ist verfehlt. Die vom Gesetz in Art. 47 AuG vorgesehenen Fristen stellen Verwirkungsfristen dar, d. h. sie gelten absolut und können weder erstreckt noch unterbrochen werden (siehe in diesem Sinn Art. 22 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968; René Wiederkehr/Paul Richli, Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts, Band I, Bern 2012, Rz. 705).
3.4 Darüber hinaus verstösst die ordentliche Frist für den Kindernachzug nicht gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK, zumal es den Mitgliedstaaten gestattet ist, innerstaatliche Regeln für den Familiennachzug aufzustellen (BGr, 2. März 2012, 2C_752/2011, E. 4.2). Art. 8 EMRK und Art. 13 BV gewähren Ausländern nicht das Recht, den Ort des Familienlebens frei wählen zu können (VGr, 5. Dezember 2013, VB.2013.00566, E. 2.4 mit weiteren Hinweisen).
3.5 Nach dem Gesagten muss die ordentliche Nachzugsfrist nach Art. 47 Abs. 1 AuG in Verbindung mit Art. 73 Abs. 1 und 2 VZAE als nicht gewahrt betrachtet werden, weshalb allein die Möglichkeit eines nachträglichen Familiennachzugs als Grundlage zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für die Töchter des Beschwerdeführers in Betracht fällt, welche es im Folgenden zu prüfen gilt.
3.5 Nach dem Gesagten muss die ordentliche Nachzugsfrist nach Art. 47 Abs. 1 AuG in Verbindung mit Art. 73 Abs. 1 und 2 VZAE als nicht gewahrt betrachtet werden, weshalb allein die Möglichkeit eines nachträglichen Familiennachzugs als Grundlage zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für die Töchter des Beschwerdeführers in Betracht fällt, welche es im Folgenden zu prüfen gilt.
4. Das Gesetz sieht in Art. 47 Abs. 4 AuG in Verbindung mit Art. 73 Abs. 3 und Art. 75 VZAE vor, dass der Familiennachzug nachträglich bewilligt werden kann, falls wichtige familiäre Gründe geltend gemacht werden. Ob die Voraussetzungen für einen nachträglichen Familiennachzug vorliegend erfüllt sind, ist für jede der beiden Beschwerdeführerinnen einzeln zu prüfen.
4. Das Gesetz sieht in Art. 47 Abs. 4 AuG in Verbindung mit Art. 73 Abs. 3 und Art. 75 VZAE vor, dass der Familiennachzug nachträglich bewilligt werden kann, falls wichtige familiäre Gründe geltend gemacht werden. Ob die Voraussetzungen für einen nachträglichen Familiennachzug vorliegend erfüllt sind, ist für jede der beiden Beschwerdeführerinnen einzeln zu prüfen.
5. Beim Beurteilen der Frage, ob der Beschwerdeführerin 1 im Rahmen des nachträglichen Familiennachzugs eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden könnte, ist vorliegend der Fristenlauf beziehungsweise ihr Alter von besonderer Bedeutung.
5.1 Die Beschwerdeführerin 1 war zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung bereits volljährig. Die Möglichkeit eines nachträglichen Familiennachzugs steht gemäss Art. 44 und Art. 47 Abs. 4 AuG in Verbindung mit Art. 73 Abs. 3 VZAE nur bei "Kindern unter 18 Jahren" offen. Die Unmündigkeit des nachzugswilligen Kindes stellt demnach eine zentrale Voraussetzung des Familiennachzugs dar (BBl 2002 3793).
5.2 Mit Blick auf Art. 8 EMRK kann eine intakte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung zwischen einem mündigen Kind und einem Elternteil für die Erteilung einer ausländerrechtlichen Bewilligung ausnahmsweise bedeutsam sein, wenn ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht. Dieses kann aus Betreuungs- oder Pflegebedürfnissen resultieren, etwa bei einer körperlichen oder geistigen Behinderung sowie bei schwerwiegenden Krankheiten (BGr, 18. Juli 2011, 2C_253/2010, E. 1.5; BGE 129 II 11, E. 2).
5.3 Die Pflegebedürftigkeit der Beschwerdeführerin 1 ist mit Blick auf die Mitwirkungspflicht nach Art. 90 AuG zu substanziieren. Das am 2. Mai 2013 durch das Universitätsspital F erstellte Gutachten kommt zum Schluss, die geistige Verfassung der Beschwerdeführerin 1 sei labil, sie neige zu Depressionen und leide an einer hysterischen Neurose. Als Behandlung wurden nun eine Physiotherapie mit leichter Massage sowie die Verabreichung zweier verschiedener Sirup-Getränke angeordnet. Auch wurde empfohlen, eine verstärkte soziale Integration anzustreben. Letzteres dürfte angesichts einer nicht nachgewiesenen schweren Erkrankung bei der mittlerweile 21-Jährigen in ihrer Heimat deutlich besser gelingen, wo sie bisweilen bei ihrer Tante in G untergebracht ist und über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügt, als in der Schweiz, wo sie fernab des ihr bekannten Kulturkreises im Wesentlichen nur über den Vater als Kontaktperson verfügen würde.
5.4 Eine Krankheit, welche aufgrund ihrer Schwere dazu geeignet ist, ein besonderes Abhängigkeitsbedürfnis zwischen der Beschwerdeführerin 1 und ihrem Vater zu begründen, liegt selbst bei nachweislichen Depressionen des behaupteten Ausmasses nicht vor, weshalb auch die Voraussetzungen eines persönlichen Härtefalls nach Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG in Verbindung mit Art. 31 VZAE nicht gegeben sind (vgl. Andrea Good/Titus Bosshard, Kommentar AuG, Art. 30 N. 13). Zudem findet Art. 8 EMRK auf die vorliegende Konstellation keine Anwendung (siehe dazu BGr, 19. November 2013, 2C_1075/2013, E. 2.2 mit weiteren Hinweisen). Die Vorinstanz hat den Nachzug der Beschwerdeführerin 1 unter diesen Umständen zu Recht verweigert.
5.4 Eine Krankheit, welche aufgrund ihrer Schwere dazu geeignet ist, ein besonderes Abhängigkeitsbedürfnis zwischen der Beschwerdeführerin 1 und ihrem Vater zu begründen, liegt selbst bei nachweislichen Depressionen des behaupteten Ausmasses nicht vor, weshalb auch die Voraussetzungen eines persönlichen Härtefalls nach Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG in Verbindung mit Art. 31 VZAE nicht gegeben sind (vgl. Andrea Good/Titus Bosshard, Kommentar AuG, Art. 30 N. 13). Zudem findet Art. 8 EMRK auf die vorliegende Konstellation keine Anwendung (siehe dazu BGr, 19. November 2013, 2C_1075/2013, E. 2.2 mit weiteren Hinweisen). Die Vorinstanz hat den Nachzug der Beschwerdeführerin 1 unter diesen Umständen zu Recht verweigert.
6. Die Ausgangslage der Beschwerdeführerin 2 gestaltet sich insofern anders, als dass sie im entscheidrelevanten Zeitpunkt der Gesuchseinreichung erst kurz vor dem Erreichen der Volljährigkeit stand und noch nicht mündig war. Zwar verstrich auch in ihrem Fall die ordentliche Nachzugsfrist gemäss Art. 47 Abs. 1 AuG ungenutzt, jedoch erscheint ein nachträglicher Familiennachzug im Sinn von Art. 47 Abs. 4 Satz 1 AuG in Verbindung mit Art. 73 Abs. 1 Satz 1 VZAE grundsätzlich möglich, falls wichtige familiäre Gründe geltend gemacht werden.
6.1 Der Verordnungsgeber konkretisiert das Gesetz in Art. 75 VZAE dahingehend, dass von wichtigen familiären Gründen auszugehen ist, wenn das Kindeswohl nur durch einen Nachzug in die Schweiz gewahrt werden kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die notwendige Kinderbetreuung im Herkunftsland durch Tod oder Krankheit der betreuenden Person nicht mehr gewährleistet ist (BBl 2002 3709 ff., 3794). Bei der Beurteilung der persönlichen und familiären Verhältnisse sind mit Hinblick auf die Integration in der Schweiz zudem das Alter, die bisherige Ausbildung und die Sprachkenntnisse des Kindes zu berücksichtigen (BGE 133 II 6 E. 3.1.1). Der Nachzug von Kindern, die über Jahre hinweg nicht mit dem in der Schweiz lebenden Elternteil eine vorrangige familiäre Beziehung führten und die erst kurz vor Erreichen der Volljährigkeit beziehungsweise der Erwerbsfähigkeit um eine Aufenthaltsbewilligung ersuchen, ist hinsichtlich des Vorliegens wichtiger familiärer Gründe besonders streng zu beurteilen (BGE 129 II 249 E. 2.1; VGr, 23. Juli 2014, VB.2014.00355, E. 2.3.1). Wenn namentlich keine echte Familiengemeinschaft, sondern eine erleichterte Zulassung zur Erwerbstätigkeit in der Schweiz angestrebt wird, ist ein nachträglicher Familiennachzug nicht zu bewilligen (BBl 2002 3755).
6.2 Bei der Beurteilung der persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin 2 ist bedeutsam, dass sie zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung beinahe schon volljährig war. Der Betreuungsaufwand ist angesichts ihres Alters als gering einzustufen. Hinzu kommt, dass ihr bisheriger Lebensmittelpunkt stets im Kongo lag und sich die Integration in der Schweiz, nur schon aus sprachlichen Gründen, schwierig gestalten dürfte. Falls eine Betreuung zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt noch nötig wäre, könnte eine solche wie bisher durch die Schwester des Beschwerdeführers in G wahrgenommen werden, womit eine alternative Betreuungsmöglichkeit im Herkunftsstaat ausreichend gewährleistet erscheint. Dass der Beschwerdeführerin 2 aufgrund der Abwesenheit des Vaters gewichtige Nachteile zu erleiden droht, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Er behauptet lediglich, die Fremdplatzierung bei seiner Schwester liege weniger im objektiven Wohl des Kindes als die gemeinsame Wohnsitznahme in der Schweiz. Neben dem blossen Interesse am Familiennachzug müssen mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung indes zusätzliche familiäre Gründe für das spätere Nachzugsgesuch vorliegen (BGr, 28. November 2011, 2C_765/2011, E. 2.3). Solche Gründe sind im vorliegenden Fall gemäss der nachvollziehbaren Darstellung der Vorinstanz, auf welche im Sinn von § 70 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 VRG verwiesen werden kann, nicht gegeben (vgl. den Rekursentscheid vom 10. Juni 2014, E. 4).
6.3 Der Beschwerdeführer lebte während über zehn Jahren bewusst von seinen Töchtern getrennt, ohne während längerer Zeit mit ihnen in Kontakt zu stehen. Mittlerweile pflegen sie wieder einen telefonischen Austausch und der Vater vermag seine Töchter finanziell zu unterstützen. Da der Beschwerdeführer sein Familienleben freiwillig so gestaltet, vermag er nichts aus Art. 8 EMRK abzuleiten (BGr, 2. Oktober 2014, 2C_859/2014, E. 3.3; ferner Christoph Grabenwarter/Katharina Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. A., München etc. 2012, § 22 N. 69). Es wird ihm nicht verunmöglicht, sein Familienleben wie bisher zu leben. Eine Besserstellung nach nationalem Recht besteht aus Gründen einer möglichst schnellen und reibungslosen Integration in die hiesigen Verhältnisse nur im Rahmen des fristgerechten Familiennachzugs.
6.3 Der Beschwerdeführer lebte während über zehn Jahren bewusst von seinen Töchtern getrennt, ohne während längerer Zeit mit ihnen in Kontakt zu stehen. Mittlerweile pflegen sie wieder einen telefonischen Austausch und der Vater vermag seine Töchter finanziell zu unterstützen. Da der Beschwerdeführer sein Familienleben freiwillig so gestaltet, vermag er nichts aus Art. 8 EMRK abzuleiten (BGr, 2. Oktober 2014, 2C_859/2014, E. 3.3; ferner Christoph Grabenwarter/Katharina Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. A., München etc. 2012, § 22 N. 69). Es wird ihm nicht verunmöglicht, sein Familienleben wie bisher zu leben. Eine Besserstellung nach nationalem Recht besteht aus Gründen einer möglichst schnellen und reibungslosen Integration in die hiesigen Verhältnisse nur im Rahmen des fristgerechten Familiennachzugs.
7. Nach dem Gesagten kann davon abgesehen werden, die übrigen Voraussetzungen des Familiennachzugs gemäss Art. 44 AuG, nämlich das Vorhandensein einer bedarfsgerechten Wohnung (lit. b) sowie die fehlende Sozialhilfebedürftigkeit (lit. c), genauer zu prüfen. Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführenden im Übrigen weder das rechtliche Gehör verweigert noch eine Rechtsverletzung begangen, indem sie die Gesuche der beiden Töchter des Beschwerdeführers um eine Aufenthaltsbewilligung abwies.
7. Nach dem Gesagten kann davon abgesehen werden, die übrigen Voraussetzungen des Familiennachzugs gemäss Art. 44 AuG, nämlich das Vorhandensein einer bedarfsgerechten Wohnung (lit. b) sowie die fehlende Sozialhilfebedürftigkeit (lit. c), genauer zu prüfen. Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführenden im Übrigen weder das rechtliche Gehör verweigert noch eine Rechtsverletzung begangen, indem sie die Gesuche der beiden Töchter des Beschwerdeführers um eine Aufenthaltsbewilligung abwies.
8. Schliesslich ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung erfüllt sind. Gemäss § 70 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 VRG ist Privaten, welchen die nötigen Mittel fehlen und deren Begehren nicht offensichtlich aussichtslos erscheint, auf entsprechendes Ersuchen hin die Bezahlung von Verfahrenskosten und Kostenvorschüssen zu erlassen. Begehren gelten dann als aussichtslos, wenn die Chancen auf Gutheissung um derart viel kleiner als jene auf Abweisung erscheinen, dass sie deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (Kaspar Plüss in: Kommentar VRG, Art. 16 N. 46). Bereits die Vorinstanzen haben detailliert aufgezeigt, weshalb ein Gesuch um nachträglichen Familiennachzug aussichtslos ist und nicht bewilligt werden kann.
8. Schliesslich ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung erfüllt sind. Gemäss § 70 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 VRG ist Privaten, welchen die nötigen Mittel fehlen und deren Begehren nicht offensichtlich aussichtslos erscheint, auf entsprechendes Ersuchen hin die Bezahlung von Verfahrenskosten und Kostenvorschüssen zu erlassen. Begehren gelten dann als aussichtslos, wenn die Chancen auf Gutheissung um derart viel kleiner als jene auf Abweisung erscheinen, dass sie deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (Kaspar Plüss in: Kommentar VRG, Art. 16 N. 46). Bereits die Vorinstanzen haben detailliert aufgezeigt, weshalb ein Gesuch um nachträglichen Familiennachzug aussichtslos ist und nicht bewilligt werden kann.
9. Ausgangsgemäss sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführenden je zu einem Drittel unter solidarischer Haftung für die gesamten Kosten aufzuerlegen; eine Parteientschädigung kann nicht zugesprochen werden (§ 65a Abs. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 2 1 und § 17 Abs. 2 VRG).
10.
Zur Rechtsmittelbelehrung des nachstehenden Dispositivs ist Folgendes festzuhalten: Soweit ein Rechtsanspruch auf Bewilligung des nachträglichen Familiennachzugs geltend gemacht wird, ist Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG) zu erheben (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Ansonsten ist nur die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gemäss Art. 113 ff. BGG zulässig. Führt eine Partei sowohl ordentliche Beschwerde als auch Verfassungsbeschwerde, so hat sie beide Rechtsmittel in derselben Rechtsschrift einzureichen (Art. 119 Abs. 1 BGG).
Demgemäss erkennt die Kammer:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 2'000.--; die übrigen Kosten betragen: Fr. 60.-- Zustellkosten, Fr. 2'060.-- Total der Kosten.
4. Die Gerichtskosten werden den Beschwerdeführenden je zu einem Drittel unter solidarischer Haftung für die gesamten Kosten auferlegt.
5. Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen.
6. Gegen dieses Urteil kann, soweit ein Bewilligungsanspruch geltend gemacht wird, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG erhoben werden. Sofern kein solcher Anspruch besteht, kann subsidiäre Verfassungsbeschwerde nach Art. 113 ff. BGG erhoben werden. Die Beschwerden sind innert 30 Tagen, von der Zustellung an gerechnet, beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen.
7. Mitteilung an ... |
doc-2 | Gründe
I.
1
Die Beteiligten des Revisionsverfahrens streiten um die Genehmigungsfähigkeit von Windenergieanlagen.
2
Den von der Klägerin gestellten Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung von fünf Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von 99 m und einem Rotordurchmesser von 70 m auf von ihr gepachteten Grundstücken der Gemarkung B. lehnte der Beklagte in Hinblick auf die am 1. Mai 2005 in Kraft getretene Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramms mit der Begründung ab, die - raumbedeutsamen - Windenergieanlagen dürften nicht außerhalb von im Raumordnungsprogramm festgesetzten Vorrangstandorten bzw. Eignungsgebieten errichtet werden.
3
Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, dass gegen die "Wegplanung" der von der Klägerin projektierten Standorte durch die Änderung des Raumordnungsprogramms keine Bedenken bestünden. Diese löse keine Entschädigungspflicht nach § 42 BauGB aus, weshalb entsprechende Entschädigungsansprüche auch nicht im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen gewesen seien. Auf die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts hat der Senat mit Beschluss vom 5. März 2013 - BVerwG 4 B 40.12 - die Entscheidung insofern aufgehoben und die Revision zugelassen.
4
Mit dem am 21. Juni 2013 eingegangenen Schriftsatz seines Bevollmächtigten beantragte der Antragsteller die Beiladung, weil zwischen dem Eigentümer von Grundstücken, die durch die Änderung des Raumordnungsprogramms nicht mehr in einem Vorranggebiet für Windenergie liegen (das sind die Grundstücke, auf denen die Klägerin ihr Vorhaben verwirklichen möchte), der Beigeladenen des Revisionsverfahrens und dem Antragsteller vor dem Oberlandesgericht Celle ein Verfahren unter anderem über Entschädigungsansprüche aus § 42 BauGB anhängig sei. Dieses Verfahren ruhe derzeit. Die Beiladung sei notwendig, weil sich die Rechtskraft der im vorliegenden Revisionsverfahren ergehenden Entscheidung auf das Verfahren vor dem Oberlandesgericht erstrecke, denn es gehe hier wie dort um die Rechtmäßigkeit der Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramms.
5
Die Beteiligten erhielten Gelegenheit, sich zum Beiladungsantrag zu äußern.
II.
6
Der Beiladungsantrag ist unbegründet. Der Antragsteller kann nicht beigeladen werden. Eine Beiladung ist im Revisionsverfahren nur dann zulässig, wenn sie im Sinne von § 65 Abs. 2 VwGO notwendig ist (§ 142 Abs. 1 VwGO). Das ist nicht der Fall.
7
Die Beiladung ist notwendig, wenn die vom Kläger begehrte Sachentscheidung nicht getroffen werden kann, ohne dass dadurch gleichzeitig unmittelbar Rechte des Beizuladenden gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (Urteil vom 19. Januar 1984 - BVerwG 3 C 88.82 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 49 S. 12; Beschluss vom 9. Januar 1999 - BVerwG 11 C 8.97 - NVwZ 1999, 296), oder anders gewendet, wenn die Entscheidung unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen Dritter gestalten soll, sie aber ohne deren Beteiligung am Verfahren nicht wirksam gestalten kann (Beschluss vom 12. August 1981 - BVerwG 7 B 195.80 - Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 60).
8
1. Im Rahmen einer - wie hier gegebenen - Verpflichtungsklage liegen diese Voraussetzungen zunächst dann vor, wenn der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt, der gegen einen Dritten gerichtet sein und diesen belasten soll, ferner dann, wenn der erstrebte Verwaltungsakt zugleich den Kläger begünstigt und den Dritten belastet, wenn also die rechtsgestaltende Wirkung des erstrebten Verwaltungsakts einen Dritten unmittelbar in dessen Rechtsposition betrifft, weil er Adressat des angestrebten Verwaltungsakts sein soll (Beschluss vom 18. Juni 2013 - BVerwG 6 C 21.12 - juris Rn. 11). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier nicht vor.
9
2. Bei der Verpflichtungsklage ist die Beiladung eines Dritten ferner dann notwendig, wenn diese auf den Erlass eines mehrstufigen Verwaltungsakts gerichtet ist. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass er kraft Gesetzes nur mit Zustimmung oder im Einvernehmen eines anderen, insoweit selbständigen Rechtsträgers oder dessen Behörde erlassen werden darf. In diesem Falle ist die Zustimmung oder das Einvernehmen Bestandteil des streitigen Rechtsverhältnisses derart, dass es im Falle seiner Verweigerung durch das verwaltungsgerichtliche Urteil ersetzt wird (Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand August 2012, § 65 Rn. 23). Auch eine solche Fallgestaltung ist nicht gegeben. Der Antragsteller ist an dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht in der Weise beteiligt, dass ohne seine Zustimmung oder sein Einvernehmen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht erteilt werden dürfte.
10
3. Eine notwendige Beiladung scheidet aus, wenn sich das Interesse des Beizuladenden an der Entscheidung allein daraus ergibt, dass sich eine in dem Verfahren inzident zu beurteilende Rechtsfrage auch in einem anderen Verfahren stellt, an dem der Beizuladende bereits beteiligt ist (Urteile vom 4. November 1976 - BVerwG 5 C 73.74 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 80 = juris Rn. 16 und vom 25. August 1966 - BVerwG 3 C 61.65 - BVerwGE 24, 343 <349, 350>, wonach eine vorgreifliche Rechtsfrage, deren Entscheidung inmitten steht, die Beiladung des davon betroffenen Dritten nicht notwendig macht). So liegt der Fall hier. Streitgegenständlich ist der vom Kläger behauptete Anspruch gegen den Beklagten auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung von fünf Windenergieanlagen. Insofern wird zu klären sein, ob im Falle der Aufhebung eines durch ein Regionales Raumordnungsprogramm festgesetzten Vorrangstandortes für Windenergie durch eine nachfolgende Änderung, für die der Antragsteller verantwortlich zeichnet, Entschädigungsansprüche nach §§ 39 ff. BauGB, insbesondere § 42 BauGB ausgelöst werden, die im Rahmen der vom Antragsteller zu treffenden Abwägungsentscheidung über die Änderung gegebenenfalls hätten berücksichtigt werden müssen, ob mithin die Änderung des Raumordnungsprogramms wirksam ist. In einer solchen Konstellation mag eine einfache Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO denkbar sein (vgl. Urteil vom 11. Februar 1993 - BVerwG 4 C 25.91 - BVerwGE 92, 66 <69>; siehe aber auch Urteil vom 6. Juli 1971 - BVerwG 1 C 14.69 - Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 17 = juris Rn. 47, wonach die Beiladung des Normgebers zu einem Verfahren, in dem die Gültigkeit der Norm Vorfrage der gerichtlichen Entscheidung ist, grundsätzlich nicht statthaft ist). Eine solche kann in der Revisionsinstanz jedoch nicht mehr erfolgen (vgl. § 142 Abs. 1 VwGO).
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doc-3 | Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5A_620/2007
Arrêt du 7 janvier 2010
IIe Cour de droit civil
Composition
Mmes et M. les Juges Hohl, Présidente,
Escher et Marazzi.
Greffière: Mme Rey-Mermet.
Parties
Etude X._ SA,
recourante, représentée par Me Xavier Mo Costabella, avocat,
contre
Y._,
intimé, représenté par Me Saverio Lembo, avocat,
Objet
Succession, droit aux renseignements du liquidateur officiel,
recours contre l'arrêt de la Chambre civile de la Cour de justice du canton de Genève du 14 septembre 2007.
Faits:
A. A._, citoyen suisse originaire de B._, domicilié au Maroc, est décédé le 23 mai 1995 à Neuilly-sur-Seine (France), laissant comme héritières légales sa fille C._ et sa petite-fille D._, fille de son fils prédécédé.
B. En automne 1993, A._, qui cherchait des conseils en vue de la restructuration de son patrimoine et de l'organisation de sa succession, avait contacté Me E._, administrateur unique de F._ Ltd devenue G._ Ltd le 3 janvier 2003, et enfin l'Etude X._ SA le 30 septembre 2008. Il ne souhaitait pas que le droit de son domicile marocain s'applique à sa succession, mais voulait prendre des dispositions propres à assurer une dévolution conforme à ses volontés.
Le 18 février 1994, Me E._ a constitué H._, trust discrétionnaire et irrévocable de droit bahamien, à vocation successorale, dont le trustee est I._ Ltd. Selon les informations fournies par l'avocat de F._, cette entité aurait été dotée à hauteur de la contrevaleur de 4'000'000 fr. environ, au moyen de fonds versés entre le 4 mars et le 25 août 1994 par J._ Ltd, société dont le bénéficiaire économique était A._. Toujours selon les indications de F._, le trust aurait présenté, au 31 décembre 1998, un solde actif de 4'528'259 fr.
C. Après la mort de A._, l'autorité successorale de la commune de B._ a, à la requête des héritières légales, ordonné par décision du 13 novembre 1995, l'inventaire officiel de la succession au sens des art. 580 ss CC, qu'elle a confié à Me Y._ le 27 mars 1996.
Le 13 janvier 1998, toujours à la requête des héritières légales, l'autorité successorale a ordonné la liquidation officielle de la succession et a nommé Me Y._ et K._ en qualité de liquidateurs officiels.
L'inventaire provisoire dressé par les liquidateurs fait état, au 30 avril 2005, d'un solde débiteur de près de 26'200'000 fr. Cet inventaire ne rend toutefois pas compte de certains actifs de feu A._, notamment du produit d'une vente d'actions opérée en 1990 et qui a rapporté à l'intéressé un montant de 22'981'439 fr. 60 dont les liquidateurs n'ont pas réussi à localiser l'intégralité. Leurs tentatives d'obtenir des informations détaillées sur le patrimoine du défunt auprès de G._ ainsi qu'auprès du trustee ont été vaines.
D. Le 27 mars 2005, les liquidateurs ont formé une demande à l'encontre de G._ tendant à obtenir les documents et informations qui devaient leur permettre de retrouver la trace du produit de la vente des actions.
Le Tribunal de première instance du canton de Genève a admis la demande et ordonné à G._ de fournir l'intégralité des documents et informations sollicités, sous menace de sanctions pénales (art. 292 CP).
Sur appel de G._, la Cour de justice du canton de Genève a, par arrêt du 14 septembre 2007, confirmé le jugement de première instance.
E. Le 22 octobre 2007, G._ a interjeté devant le Tribunal fédéral un recours en matière civile et un recours constitutionnel subsidiaire. Elle a demandé la réforme de l'arrêt cantonal en ce sens que la demande formée par les liquidateurs est rejetée.
Par ordonnance du 27 novembre 2007, la requête d'effet suspensif a été admise.
A la suite du décès de K._, l'autorité successorale de la commune de B._ a confié à Y._ le mandat de poursuivre seul la liquidation officielle de la succession.
Des observations n'ont pas été requises.
Considérant en droit:
1. L'arrêt attaqué, qui ordonne la communication de renseignements dans le cadre de la liquidation officielle d'une succession, est une décision finale (art. 90 LTF) rendue en matière civile (art. 72 al. 1 LTF). Bien qu'une telle affaire soit considérée comme pécuniaire, la recourante est toutefois dispensée d'en chiffrer exactement la valeur litigieuse (ATF 127 III 396 consid. 1b/cc et les arrêts cités; arrêts 5A_810/2008 du 5 mai 2009 consid. 1.2; 5C.157/2003 du 22 janvier 2004 consid. 3.2, publié in : SJ 2004 I 477 p. 479). Compte tenu des montants recherchés, il faut en l'espèce admettre que la valeur litigieuse de 30'000 fr. est atteinte (art. 74 al. 1 let. b LTF). Partant, la voie du recours en matière civile est ouverte, ce qui exclut la recevabilité du recours constitutionnel subsidiaire (art. 113 LTF).
2. Le recours en matière civile peut être formé pour violation du droit, tel qu'il est délimité par les art. 95 et 96 LTF. Le Tribunal fédéral applique le droit d'office (art. 106 al. 1 LTF), sans être lié ni par les motifs de l'autorité précédente, ni par les moyens des parties (ATF 133 III 545 consid. 2.2). Compte tenu des exigences de motivation posées, sous peine d'irrecevabilité (art. 108 al. 1 let. b LTF), par l'art. 42 al. 1 et 2 LTF, le Tribunal fédéral n'examine en principe que les griefs soulevés; il n'est pas tenu de traiter, à l'instar d'une juridiction de première instance, toutes les questions juridiques qui pourraient se poser, lorsqu'elles ne sont plus discutées devant lui (ATF 134 III 102 consid. 1.1; 133 IV 150 consid. 1.2). Il ne connaît de la violation des droits fondamentaux ou du droit cantonal que si un tel moyen a été invoqué et motivé de manière précise par le recourant (art. 106 al. 2 LTF), à savoir expressément soulevé et exposé d'une manière claire et détaillée (ATF 133 IV 286 consid. 1.4).
En l'espèce, les griefs d'arbitraire (art. 9 Cst.) dans l'établissement des faits et de violation du droit d'être entendu sont soulevés par la recourante dans son recours constitutionnel subsidiaire; ces griefs, en tant qu'ils se rapportent à la violation de droits constitutionnels peuvent être soulevés dans le cadre du recours en matière civile (art. 95 let. a LTF); ils seront par conséquent examinés dans ce recours (cf. arrêt 4A_480/2007 du 27 mai 2008 consid. 1.2 et 1.3).
3. La recourante s'en prend aux constatations de fait et produit avec son recours quatre nouvelles pièces.
3.1 Le Tribunal fédéral statue sur la base des faits établis par l'autorité précédente (art. 105 al. 1 LTF). Il ne peut s'en écarter que si ces faits ont été établis de façon manifestement inexacte - ce qui correspond à la notion d'arbitraire (ATF 134 V 53 consid. 4.3) - ou en violation du droit au sens de l'art. 95 LTF (art. 105 al. 2 LTF) et si la correction du vice est susceptible d'influer sur le sort de la cause (art. 97 al. 1 LTF). Le recourant qui entend s'écarter des constatations de l'autorité précédente doit expliquer de manière circonstanciée en quoi les conditions d'une exception prévue par l'art. 105 al. 2 LTF seraient réalisées (ATF 133 III 462 consid. 2.4; 133 II 249 consid. 1.4.3; 133 IV 150 consid. 1.3). En particulier, le Tribunal fédéral n'entre pas en matière sur des critiques de type appellatoire portant sur l'état de fait ou sur l'appréciation des preuves (cf. ATF 133 II 249 consid. 1.4.3; 133 IV 286 consid. 6.2).
Aucun fait nouveau ni preuve nouvelle ne peut être présenté à moins de résulter de la décision de l'autorité précédente (art. 99 al. 1 LTF). Sont ainsi visés les faits qui sont rendus pertinents pour la première fois par la décision attaquée (critique de la procédure suivie ou d'une argumentation juridique nouvelle). S'y ajoutent encore les faits qui ne pouvaient pas être invoqués devant l'autorité précédente (par exemple, le respect du délai pour recourir au Tribunal fédéral; Message concernant la révision totale de l'organisation judiciaire fédérale du 28 février 2001, FF 2001, p. 4137). Ne peuvent cependant être allégués devant le Tribunal fédéral les faits que le recourant a négligé de présenter devant les autorités cantonales et qui, par conséquent, n'ont pu être examinés par les instances inférieures. Le recourant n'est pas autorisé à démontrer, par de nouvelles allégations de fait ou par le dépôt de nouveaux moyens de preuve qu'il aurait pu faire valoir auparavant, que les faits retenus par l'autorité inférieure sont manifestement erronés ou procèdent d'une appréciation arbitraire des preuves. De telles allégations ne peuvent être prises en considération (arrêt 4A_36/2008 du 18 février 2008, consid. 4.1 et les références citées).
3.2 En l'espèce, la recourante produit cinq pièces qui n'ont pas été soumises aux autorités cantonales en précisant qu'elles sont destinées à établir des faits que l'autorité précédente aurait dû retenir. En d'autres termes, elle entend remettre en question par le dépôt de ces pièces l'appréciation des preuves faite par la Cour de justice. Il ne s'agit nullement de l'une des exceptions à l'interdiction des faits et moyens de preuves nouveaux prévue par l'art. 99 al. 1 LTF, de sorte qu'il est exclu de prendre en considération lesdites pièces.
3.3 La recourante allègue sous ch. 8 à 21 de son recours des faits qu'elle estime pertinents en soutenant que la Cour de justice les a ignorés ou écartés à tort. Il lui appartenait cependant, si elle entendait critiquer les constatations de fait de l'autorité cantonale, d'expliquer en quoi elles auraient été établies de façon manifestement inexacte ou en violation du droit au sens de l'art. 95 LTF et enfin, comment la correction du vice aurait été susceptible d'influer sur le sort de la cause, ce qu'elle s'abstient de faire dans cet exposé. Il ne sera par conséquent pas tenu compte des circonstances évoquées par la recourante dans cette partie de son mémoire.
4. La recourante se plaint aussi expressément d'arbitraire dans la constatation des faits. Elle reproche à l'autorité précédente d'avoir retenu que feu A._ l'avait mandatée pour la planification de sa succession, qu'elle et Me E._ auraient administré le trust et qu'elle détiendrait des pièces et informations sur l'utilisation du produit de la vente d'actions opérée en 1990.
4.1 La jurisprudence reconnaît au juge un large pouvoir d'appréciation dans la constatation des faits et l'appréciation des preuves, lequel trouve toutefois sa limite dans l'interdiction de l'arbitraire (ATF 127 I 38 consid. 2a; 124 IV 86 consid. 2; 120 Ia 31 consid. 2a). Le Tribunal fédéral n'intervient en conséquence, pour violation de l'art. 9 Cst., que si le juge a abusé de ce pouvoir, en particulier lorsqu'il a admis ou nié un fait pertinent en se mettant en contradiction évidente avec les pièces et éléments du dossier, lorsqu'il a méconnu des preuves pertinentes ou qu'il n'en a arbitrairement pas tenu compte, lorsque les constatations de fait sont manifestement fausses ou encore lorsque l'appréciation des preuves se révèle insoutenable ou qu'elle heurte de façon grossière le sentiment de la justice et de l'équité (ATF 129 I 49 consid. 4, 173 consid. 3.1; 128 I 81 consid. 2).
4.2 En l'espèce, la question de savoir si feu A._ avait mandaté la recourante, à supposer qu'elle relève de la constatation des faits, n'a aucune influence sur l'issue du litige. En effet, le droit aux renseignements qui a été accordé par la cour cantonale peut être confirmé sur la base du droit successoral (cf. consid. 7); il n'est dès lors pas déterminant de vérifier si, comme l'a retenu la cour cantonale, ce droit aux renseignements peut également être déduit d'un rapport de mandat qui aurait lié la recourante au défunt (cf. consid. 8).
Quant aux griefs portant sur l'administration du trust par Me E._ et par la recourante ainsi que sur la détention par celle-ci de pièces et informations concernant le produit de la vente d'actions, la recourante se borne à opposer son opinion à celle de l'autorité cantonale, sans démontrer en quoi celle-ci serait arbitraire. Appellatoires, ces critiques sont irrecevables (cf. consid. 3.1).
5. Le litige présente un élément d'extranéité puisque A._ était domicilié au Maroc au moment de son décès. Dans ces circonstances, le Tribunal fédéral examine d'office la question du droit applicable au litige, sur la base du droit suisse en tant que lex fori (ATF 133 III 37 consid. 2, 323 consid. 2.1; 132 III 609 consid. 4).
5.1 En vertu de l'art. 91 LDIP, la succession d'une personne qui a eu son dernier domicile à l'étranger est régie par le droit que désignent les règles de droit international privé de l'Etat dans lequel le défunt était domicilié (al. 1). Dans la mesure où les autorités judiciaires ou administratives suisses sont compétentes en vertu de l'art. 87 LDIP (for d'origine), la succession d'un défunt suisse qui a eu son dernier domicile à l'étranger est régie par le droit suisse à moins que, par testament ou pacte successoral, le défunt n'ait réservé expressément le droit de son dernier domicile (al. 2).
5.2 En l'espèce, au vu du dernier domicile marocain de A._ au moment de son décès et de la nationalité suisse de celui-ci, les autorités judiciaires de B._ sont compétentes pour régler la succession (art. 87 al. 1 LDIP). Il ressort en effet du dossier qu'aucune succession n'a été ouverte au Maroc. Dès lors que, selon les constatations cantonales, le défunt a expressément écarté le droit marocain de son dernier domicile, la succession, partant, la demande de renseignements, sont régies par le droit suisse (art. 91 al. 2 LDIP; LUC THÉVENOZ, Développements récents en droit privé, in : Journée 2002 de droit bancaire et financier, p. 212).
6. Invoquant son droit à la preuve, la recourante affirme que la Cour de justice lui a refusé des auditions de témoins alors qu'elle avait régulièrement requis ce moyen de preuve dans le but d'établir qu'elle n'était pas liée au défunt par un contrat de mandat, qu'elle ne détenait personnellement aucune des informations sollicitées par les intimés et qu'elle n'avait déployé pour le compte de Me E._ qu'une activité de facturation. Elle se plaint d'une violation des art. 8 CC et 29 al. 2 Cst.
6.1 Un droit à la preuve et à la contre-preuve est déduit de l'art. 8 CC. Ainsi, le juge enfreint l'art. 8 CC s'il refuse d'administrer une preuve régulièrement offerte, dans les formes et les délais prévus par la loi de procédure, et portant sur un fait pertinent pour l'appréciation juridique de la cause (ATF 133 III 189 consid. 5.2.2, 295 consid. 7.1 et les arrêts cités). Si des moyens de preuve sont invoqués en relation avec un droit subjectif privé découlant d'une norme de droit matériel fédéral, le recourant doit donc se plaindre de la violation de l'art. 8 CC, et non de son droit d'être entendu au sens de l'art. 29 al. 2 Cst. (arrêts 5A_403/2007 du 25 octobre 2007, consid. 3.1; 5A_193/2008 du 2 13 mai 2008, consid. 3.1; 5A_44/2008 du 7 juillet 2008, consid. 3).
Le recourant qui entend se plaindre d'une violation du droit à la preuve découlant de l'art. 8 CC doit motiver précisément son grief. II doit en particulier indiquer le moyen de preuve régulièrement invoqué dont l'administration a été refusée et en démontrer la pertinence, c'est-à-dire en quoi il est susceptible de conduire à un prononcé différent (ATF 132 III 651 consid. 6; arrêt 4A_88/2008 du 25 août 2008 consid. 4.3.1).
6.2 Dans le cas particulier, la recourante soulève les mêmes critiques sous le titre de violation de l'art. 8 CC (p. 16-17 du recours) et sous celui de violation de l'art. 29 al. 2 (p. 36-38 du recours). S'agissant d'une prétention de droit privé fédéral, elles seront examinées à l'aune de l'art. 8 CC, dont les conditions sont identiques à celles de l'art. 29 al. 2 Cst. (arrêts 4A_88/2008 du 25 août 2008 consid. 4.3.1; 5A_403/2007 du 25 octobre 2007 consid. 4.3.1).
La recourante se borne toutefois à affirmer qu'elle s'est vu refuser des auditions de témoins sans préciser l'identité de ceux-ci, ni en quoi chacune de ces auditions pourrait être pertinente pour l'issue du litige. Dans ces conditions, sa critique n'est pas suffisamment motivée. Au demeurant, la juridiction cantonale a estimé, sur la base d'une appréciation anticipée des preuves, que les faits étaient suffisamment établis, ce qui ne contrevient pas à l'art. 8 CC (ATF 129 III 18 consid. 2.6 et les arrêts cités).
7. La recourante prétend que le droit fédéral ne donne pas le droit au liquidateur officiel de solliciter auprès d'elle des renseignements dans le but de retrouver le produit de la vente des actions. Elle estime qu'il sort ainsi de la mission qui lui est fixée par l'art. 596 al. 1 CC.
7.1 Le droit successoral impose aux tiers un devoir de renseigner le liquidateur officiel dans la réalisation de ses tâches (ATF 132 III 677 consid. 4.2.1; 130 III 97 consid. 3.3). Ainsi, celui qui possède des renseignements sur la situation financière du défunt doit sous sa responsabilité les donner à l'autorité, si elle l'en requiert (cf. art. 581 al. 2 CC; sur l'application de cette disposition dans la procédure de liquidation officielle : Andreas Schröder, Informationspflichten im Erbrecht, 2000, p. 190; MARTIN KARRER, Commentaire bâlois, 3ème éd., n. 16 et 18 ad art. 595 CC; PAUL PIOTET, Schweizerisches Privatrecht, IV/2, 1981, p. 826).
L'étendue du droit aux renseignements doit être appréciée en fonction des tâches du liquidateur officiel, qui sont l'administration et la liquidation de la succession dans l'intérêt des créanciers et des héritiers (ATF 130 III 97 consid. 2.2). Le liquidateur officiel doit notamment élucider les faits relatifs à des donations et à des avancements d'hoirie accordés par le défunt afin de pouvoir en revendiquer la restitution, au besoin par la voie judiciaire, lorsque l'actif successoral ne suffit pas au paiement des dettes et à l'acquittement des legs (ATF 67 III 177; Martin Karrer, op. cit., n. 6, 7, 15 ad art. 596 CC; Andreas Schröder, op. cit., p. 190; cf. Tuor/Picenoni, Commentaire bernois, n. 10 ad art. 579 CC; Christian A. Gübeli, Gläubigerschutz im Erbrecht, 1999, p. 79). Les informations obtenues par le liquidateur doivent également permettre aux héritiers lésés dans leur réserve de faire valoir leurs droits, par ex. au moyen d'une action en réduction (Andreas Schröder, op. cit., p. 190-1). A l'instar des héritiers qui ont le droit d'être renseignés au sujet des libéralités faites par le défunt (ATF 127 III 396 consid. 3 et 4 a), le liquidateur doit pouvoir être informé non seulement à propos des affaires du défunt en cours au jour du décès mais aussi sur l'évolution de ses affaires de son vivant. Le tiers peut ainsi devoir renseigner l'autorité sur une transaction exécutée pour le compte du défunt avant son décès car elle peut être déterminante pour établir le contenu de son patrimoine (arrêt 5P.104/1992 du 14 août 1992 consid. 4, in : RNRF 75 (1994), p. 172 ss; Peter Breitschmid, Informationsanspruch der Erben, insbesondere beim Sicherungsinventar. Umfang der Auskunftspflicht Dritter, in : PJA 1993 p. 730 ss; Jean-Nicolas Druey, Grundriss des Erbrechts, 5ème éd., 2002, p. 174).
7.2 En l'espèce, l'intimé, en sa qualité de liquidateur officiel de la succession a le droit d'obtenir les informations sur le patrimoine du défunt, y compris sur les donations dont la restitution pourrait être revendiquée. Selon les constatations cantonales, A._ a reçu en 1991 un montant de près de 23'000'000 fr. dont la destination finale est inconnue. Un an avant son décès, soit en 1994, la recourante a constitué à sa demande un trust discrétionnaire et irrévocable de droit bahamien, à vocation successorale, dont le trustee est une société bahamienne. Selon les indications données par la recourante, ce trust aurait été doté de fonds à hauteur de 4'000'000 fr., versés par J._ Ltd dont le défunt était le bénéficiaire économique. Ce transfert, ainsi que tout autre transfert en faveur du trust, de biens dont le défunt était propriétaire ou ayant droit économique, constitue une libéralité entre vifs en faveur des bénéficiaires du trust qui peut faire l'objet d'une demande de restitution par la voie judiciaire (sur les différents moyens légaux à disposition des héritiers : cf. Message du 2 décembre 2005 concernant l'approbation et l'exécution de la Convention de La Haye relative à la loi applicable au trust et à sa reconnaissance in : FF 2006 p. 561 ss, 592, ch. 1.8.2.1; LUC THÉVENOZ, Créer et gérer des trusts après l'adoption de la Convention de La Haye in : Journée 2006 de droit bancaire et financier, p. 51 ss, 60; Florence Guillaume, Trust, réserves héréditaires et immeubles in : PJA 2009 p. 33ss, p. 38; sur les moyens légaux destinés à la protection des créanciers : Luc Thévenoz, op. cit., p. 66). Dans la mesure où une partie importante du patrimoine du défunt reste introuvable, la cour cantonale n'a pas violé le droit fédéral en ordonnant la transmission des documents et informations pouvant apparaître objectivement comme propres à renseigner sur le montant exact des libéralités consenties par le défunt en faveur du trust et sur les moyens envisageables pour récupérer ces fonds.
7.3 Les objections que la recourante émet à l'encontre de l'arrêt attaqué ne convainquent pas.
7.3.1 En premier lieu, elle affirme que ces renseignements ne seraient d'aucun secours au liquidateur car il ne disposerait d'aucun droit d'action contre les bénéficiaires du trust, vu la prescription d'une éventuelle action révocatoire.
Selon certains auteurs (Paul Piotet, op. cit., p. 803 et 826; Kurt Wissmann, Commentaire bâlois, 3ème éd., 2007, n. 20 ad art. 581 CC; Martin Karrer, op. cit., n. 7 ad art. 596, n. 18 ad art. 595 CC; cf. parlant d'un droit illimité à l'information : Andreas Schröder, op. cit., p. 191), le tiers ne peut pas opposer la prescription pour refuser des renseignements. Cette opinion est contestée par Tuor/Picenoni (Commentaire bernois, 1964, n. 15 ad art. 581 CC) et Escher (Commentaire zurichois, 1960, n. 14 ad art. 581 CC) qui ne motivent toutefois pas leur avis. Dans le cas particulier, le grief peut toutefois être écarté sans qu'il soit besoin de trancher cette question de principe. Le recourant méconnaît en effet que l'action révocatoire n'est pas le seul moyen légal envisageable pour s'en prendre aux biens du trust (cf. pour les différents moyens légaux destinés à la protection des héritiers et des créanciers : cf. réf. citées au consid. 7.2). Dans ces circonstances, la prescription de l'action révocatoire ne saurait faire obstacle à la demande de renseignements, laquelle a en principe notamment pour but d'identifier précisément les poursuites et actions judiciaires envisageables.
7.3.2 La recourante fait valoir que, en tant qu'auxiliaire de Me E._, elle peut invoquer le secret professionnel de l'avocat pour s'opposer à la demande de renseignements.
A supposer que la recourante doive être considérée comme un auxiliaire de Me E._, elle ne pourrait se prévaloir du secret professionnel pour s'opposer à la demande de renseignements présentée dans le cadre d'une liquidation officielle d'une succession (arrêt 5P.104/1992 du 14 août 1992 consid. 4, in : RNRF 75 (1994) p. 172 ss et la réf. citée; Tuor/Picenoni, op. cit., n. 19 ss ad art. 581 CC; Kurt Wissmann, op. cit., n. 21 ad art. 581 CC), ce d'autant plus que l'activité déployée pour le défunt n'est pas couverte par le secret professionnel de l'avocat. Me E._ a en effet fourni des services relevant de la planification financière d'une succession, soit une activité commerciale qui sort du cadre d'une activité spécifique d'avocat (ATF 132 II 103 consid. 2.1; 112 Ib 606). Son activité n'entre donc pas dans le champ d'application des dispositions légales et constitutionnelles, que la recourante invoque donc vainement (art. 13 LLCA; art. 10 al. 2 et 13 al. 1 Cst.; art. 8 CEDH).
8. Dès lors que le droit aux renseignements qui a été accordé par la cour cantonale peut être confirmé sur la base du droit successoral, il n'est pas nécessaire de vérifier la motivation subsidiaire de la cour, laquelle déduit ce même droit du rapport de mandat qui aurait lié la recourante au défunt (arrêt cantonal, ch. 5). Il suffit en effet que la motivation principale de l'arrêt attaqué résiste à la critique (ATF 115 II 300 consid. 2a; 111 II 397). Partant, les griefs se rapportant à la motivation subsidiaire découlant des règles sur le mandat ne seront pas examinés.
9. En définitive, le recours doit être rejeté dans la mesure où il est recevable. Les frais seront mis à la charge de la recourante qui succombe (art. 66 al. 1 LTF). Il n'y a pas lieu d'allouer de dépens à l'intimé qui a conclu au rejet de l'effet suspensif et qui n'a pas été invité à répondre sur le fond.
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
1. Le recours constitutionnel subsidiaire est irrecevable.
2. Le recours en matière civile est rejeté dans la mesure où il est recevable.
3. Les frais judiciaires, arrêtés à 3'000 fr., sont mis à la charge de la recourante.
4. Le présent arrêt est communiqué aux parties et à la Chambre civile de la Cour de justice du canton de Genève.
Lausanne, le 7 janvier 2010
Au nom de la IIe Cour de droit civil
du Tribunal fédéral suisse
La Présidente: La Greffière:
Hohl Rey-Mermet |
doc-4 |
27.3.2010
DE
Amtsblatt der Europäischen Union
C 80/10
Rechtsmittel, eingelegt am 23. Dezember 2009 von der Bank Melli Iran gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 14. Oktober 2009 in der Rechtssache T-390/08, Bank Melli Iran/Rat
(Rechtssache C-548/09 P)
2010/C 80/17
Verfahrenssprache: Französisch
Verfahrensbeteiligte
Rechtsmittelführerin: Bank Melli Iran (Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin L. Defalque)
Andere Verfahrensbeteiligte: Rat der Europäischen Union, Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, Französische Republik, Europäische Kommission
Anträge
Die Rechtsmittelführerin beantragt,
—
das Urteil der Zweiten Kammer des Gerichts erster Instanz vom 14. Oktober 2009 in der Rechtssache T-390/08, Bank Melli Iran/Rat, das der Rechtsmittelführerin am 15. Oktober 2009 bekannt gegeben wurde, aufzuheben;
—
ihren beim Gericht gestellten Anträgen stattzugeben;
—
dem Beklagten die Kosten in beiden Rechtszügen aufzuerlegen.
Rechtsmittelgründe und wesentliche Argumente
Die Rechtsmittelführerin stützt ihr Rechtsmittel auf drei Klagegründe und drei hilfsweise vorgebrachte Klagegründe.
Mit ihrem ersten Klagegrund macht sie geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft die in Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 423/2007 (1) enthaltene Pflicht der individuellen Bekanntgabe nicht als wesentliches Formerfordernis angesehen, dessen Nichtbeachtung die Nichtigerklärung des Rechtsakts zur Folge habe. Dass nämlich die Pariser Zweigstelle der Klägerin vom Beschluss über das Einfrieren von Geldern durch die französische Bankkommission und nicht durch den Rat in Kenntnis gesetzt worden sei, könne den in der Verordnung vorgesehenen Erfordernissen der Bekanntgabe nicht genügen und stelle einen Verstoß gegen eine zwingende Gemeinschaftsvorschrift dar.
In ihrem zweiten Klagegrund bringt die Rechtsmittelführerin vor, dem Gericht sei bei der Auslegung der Rechtsgrundlagen der Verordnung Nr. 423/2007 ein Rechtsfehler unterlaufen. Indem das Gericht gutgeheißen habe, dass diese Verordnung und der angefochtene Beschluss mit qualifizierter Mehrheit auf der ausschließlichen Grundlage von Art. 60 und Art. 301 EG erlassen worden seien, habe es wesentliche Formvorschriften des Vertrags verletzt. Da diese Verordnung und dieser Beschluss nämlich auf Einrichtungen abzielten, die an der nuklearen Proliferation beteiligt seien, damit in Verbindung stünden oder Unterstützung dafür bereitstellten, gingen sie über den Anwendungsbereich der Art. 60 und 301 EG hinaus und müssten auch auf Art. 308 EG gestützt werden, der Einstimmigkeit erfordere.
Mit ihrem dritten Klagegrund macht die Bank Melli Iran geltend, das Gericht habe bei der Auslegung der Rechtskonzepte der Verteidigungsrechte und des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes einen Rechtsfehler begangen, indem es sich, ohne vom Rat vor oder nach Klageerhebung Beweise zur Untermauerung der Begründung des angefochtenen Beschlusses erhalten zu haben, für ausreichend informiert gehalten habe, um seine Kontrolle auszuüben.
Hilfsweise rügt die Rechtsmittelführerin erstens, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen und die Tatsachen fehlerhaft gewürdigt, indem es angenommen habe, dass der Rat nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 423/2007 über eine autonome Ermessensbefugnis verfüge, während er eine Zuständigkeit habe, die an den Erlass von restriktiven Maßnahmen durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gebunden sei.
Zweitens bringt die Rechtsmittelführerin vor, das Gericht habe ihr Eigentumsrecht rechtlich falsch beurteilt, indem es entschieden habe, dass die Bedeutung der Ziele, die mit der streitigen Regelung verfolgt würden, nämlich die Ziele der Erhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit, eine Beschränkung ihrer Grundrechte, wie etwa des Rechts auf Eigentum und des Rechts auf Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit, rechtfertige.
Schließlich trägt sie vor, das Gericht habe die Tatsachen offensichtlich fehlerhaft gewürdigt, indem es sie auf die Liste der Einrichtungen gesetzt habe, deren Vermögenswerte einzufrieren seien, denn sie habe keinen Beitrag zum iranischen Nuklearprogramm geleistet und sei nicht an Einrichtungen beteiligt, die einen Beitrag dazu geleistet hätten.
(1) Verordnung (EG) Nr. 423/2007 des Rates vom 19. April 2007 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 103, S. 1).
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doc-5 |
13.9.2006
DE
Amtsblatt der Europäischen Union
L 249/1
VERORDNUNG (EG) Nr. 1339/2006 DER KOMMISSION
vom 12. September 2006
zur Festlegung pauschaler Einfuhrwerte für die Bestimmung der im Sektor Obst und Gemüse geltenden Einfuhrpreise
DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,
gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 3223/94 der Kommission vom 21. Dezember 1994 mit Durchführungsbestimmungen zur Einfuhrregelung für Obst und Gemüse (1), insbesondere auf Artikel 4 Absatz 1,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)
Die in Anwendung der Ergebnisse der multilateralen Handelsverhandlungen der Uruguay-Runde von der Kommission festzulegenden, zur Bestimmung der pauschalen Einfuhrwerte zu berücksichtigenden Kriterien sind in der Verordnung (EG) Nr. 3223/94 für die in ihrem Anhang angeführten Erzeugnisse und Zeiträume festgelegt.
(2)
In Anwendung der genannten Kriterien sind die im Anhang zur vorliegenden Verordnung ausgewiesenen pauschalen Einfuhrwerte zu berücksichtigen —
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Artikel 1
Die in Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 3223/94 genannten pauschalen Einfuhrwerte sind in der Tabelle im Anhang zur vorliegenden Verordnung festgesetzt.
Artikel 2
Diese Verordnung tritt am 13. September 2006 in Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Brüssel, den 12. September 2006
Für die Kommission
Jean-Luc DEMARTY
Generaldirektor für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung
(1) ABl. L 337 vom 24.12.1994, S. 66. Verordnung zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 386/2005 (ABl. L 62 vom 9.3.2005, S. 3).
ANHANG
zur Verordnung der Kommission vom 12. September 2006 zur Festlegung pauschaler Einfuhrwerte für die Bestimmung der im Sektor Obst und Gemüse geltenden Einfuhrpreise
(EUR/100 kg)
KN-Code
Drittland-Code (1)
Pauschaler Einfuhrpreis
0702 00 00
052
83,3
999
83,3
0707 00 05
052
101,8
999
101,8
0709 90 70
052
100,5
999
100,5
0805 50 10
388
57,4
524
49,5
528
57,5
999
54,8
0806 10 10
052
72,5
220
135,2
400
177,1
624
118,8
804
95,7
999
119,9
0808 10 80
388
88,5
400
91,1
508
86,5
512
89,0
800
148,8
804
96,1
999
100,0
0808 20 50
052
119,5
388
90,0
720
60,3
999
89,9
0809 30 10, 0809 30 90
052
120,6
999
120,6
0809 40 05
052
100,5
066
62,7
098
37,5
624
127,7
999
82,1
(1) Nomenklatur der Länder gemäß der Verordnung (EG) Nr. 750/2005 der Kommission (ABl. L 126 vom 19.5.2005, S. 12). Der Code „999“ steht für „Verschiedenes“.
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doc-6 | Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_288/2019
Urteil vom 8. Juli 2019
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer,
Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiber Matt.
Verfahrensbeteiligte
X._,
vertreten durch
Rechtsanwalt Urs Vögeli,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit (Art. 259 StGB);
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zürich, II. Strafkammer,
vom 30. November 2018 (SB180115-O/U/cw-ad).
Sachverhalt:
A.
X._ soll am 21. Oktober 2016 im Rahmen einer öffentlich zugänglichen Freitagspredigt in der An'Nur-Moschee in Winterthur vor ca. 60 Personen zu Gewaltdelikten aufgefordert haben. Namentlich habe er verkündet, dass Muslime, die sich weigerten, in der Gemeinschaft zu beten, getötet werden sollten. Weil sie sich von der Gemeinschaft ferngehalten hätten, seien sie in ihren Häusern zu verbrennen. Ebenso sei das Tun von Verbotenem mit der Hand zu unterbinden. Schliesslich seien Gläubige verpflichtet, auch Ehefrauen und weitere Familienangehörige unter Zwang zum gebotenen Tun anzuhalten. Am 23. November 2017 verurteilte das Bezirksgericht Winterthur X._ unter anderem wegen öffentlicher Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit zu 18 Monaten Freiheitsstrafe bedingt und ordnete eine Landesverweisung von 10 Jahren an. Seine dagegen erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Zürich am 30. November 2018 ab.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X._, die Sache sei zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Andernfalls sei er freizusprechen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.
Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer äussert sich nur zum Vorwurf der öffentlichen Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit. Er rügt, die Übersetzung der strittigen Predigt sei nicht verwertbar.
1.1. Der Auffassung des Beschwerdeführers kann nicht gefolgt werden. Zwar ist zutreffend, dass die von der Vorinstanz herangezogene Übersetzung vom 22. Mai 2017 (act. 13/10 und 13/11) lediglich auf jeder Seite das Kurzzeichen und das Visum der Übersetzerin, nicht aber deren vollständigen Namen enthält. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers lässt sich eine entsprechende Verpflichtung hierzu aus dem Gesetz indes nicht ableiten. Der von ihm angerufene Art. 184 Abs. 2 StPO regelt einzig die Anforderungen an die Auftragserteilung, wobei er insoweit keine Verletzung von Vorschriften rügt. Zudem ist unbestritten und erstellt, dass in der Dolmetscher-Erklärung vom 28. November 2016 der vollständige Name der Übersetzerin genannt wird (act. 13/7). Sodann ergibt sich die Urheberschaft von U._ für die strittigen Übersetzungen, wie von der Vorinstanz aufgrund der Ähnlichkeit der Unterschriften vermutet, aus den relevanten Dokumenten ohne Weiteres. Beide enthalten unten auf jeder Seite die Nummer der Dolmetscherin (yyy). Diese ist mit derjenigen auf der - eindeutig und unbestrittenermassen U._ zuzuordnenden - Dolmetscher-Erklärung identisch. Unter diesen Umständen nimmt die Vorinstanz zu Recht an, dass U._ die strittigen Predigtpassagen übersetzt hat. Dafür spricht im Übrigen auch, dass diese in einer undatierten Teilübersetzung mit ihrem vollständigen Namen genannt wird. Die die Predigt einleitende, vom Beschwerdeführer ebenfalls beanstandete Teilübersetzung vom 2. November 2016 schliesslich enthält, wie auch die Vorinstanz zutreffend erwägt, nichts für den Tatvorwurf Wesentliches. Abgesehen davon wurde sie von der Vorinstanz mangels Hinweis des Übersetzers auf Art. 307 StGB nicht verwertet, worauf der Beschwerdeführer selber hinweist. Er kann daher aus der Teilübersetzung vom 2. November 2016 nichts für sich ableiten. Entgegen seiner Annahme stammt diese zudem offensichtlich nicht von U._, was sich ebenfalls zweifelsfrei aus der aufgeführten Übersetzer-Nummer (zzz) ergibt. Sie lässt daher keine Schlüsse auf eine Befangenheit von U._ zu. Weitere, konkrete Gründe hierfür nennt der Beschwerdeführer nicht. Im Übrigen würde der Kommentar des Übersetzers der Teilübersetzung vom 2. November 2016, der Beschwerdeführer komme ihm vor wie ein Rekrutierungsprediger, für eine Befangenheit offensichtlich nicht genügen. Davon, dass die Teilübersetzung von diffamierenden Kommentaren strotzen würde, kann keine Rede sein.
1.2. Soweit der Beschwerdeführer kritisiert, es genüge den gesetzlichen Anforderungen, namentlich Art. 184 Abs. 2 lit. f StPO, nicht, die Übersetzerin lediglich zu Beginn des Verfahrens auf ihre Pflichten gemäss Art. 307 und Art. 320 StGB hinzuweisen, scheint er zu verkennen, dass auch die strittigen Übersetzungen vom 22. Mai 2017 auf jeder Seite explizit denselben Hinweis enthalten. Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand, die Vorinstanz habe sich zur vorstehenden Rüge nicht geäussert und damit ihre Begründungspflicht nach Art. 80 Abs. 2 StPO verletzt, ist unbegründet. Dazu bestand angesichts der klaren Sachlage kein Anlass. Abgesehen davon kommt Art. 184 Abs. 2 lit. f StPO nach der Rechtsprechung jedenfalls insoweit, als es dauernd bestellte oder amtliche Sachverständige betrifft, lediglich der Charakter einer Ordnungsvorschrift zu. Gutachten solcher Sachverständiger sind selbst bei gänzlich fehlendem Hinweis auf die Straffolgen - wie es hier unbestritten nicht der Fall ist - gültig und verwertbar (Urteil 6B_800/2016 vom 25. Oktober 2017 E. 8.3.1, nicht publ. in BGE 143 IV 397; BGE 141 IV 423 E. 3.3). Angesichts der Dolmetscher-Nummer von U._ sowie des Hinweises, wonach deren weitere Personalien der Verfahrensleitung bekannt seien (act. 13/7), ist davon auszugehen, dass sie im Kanton Zürich zumindest regelmässig als Übersetzerin zum Einsatz kommt. Auch schadet es nicht, dass der Beschwerdeführer bereits vor der von der Vorinstanz als massgebend beurteilten Übersetzung der Predigt hierzu befragt worden war. Daraus kann insbesondere nicht geschlossen werden, die Vorinstanz hätte hinsichtlich der Strafbarkeit des Beschwerdeführers, wie von ihm behauptet, auf frühere, nicht verwertbare Übersetzungen abgestellt. Wie nachfolgend zu zeigen ist, ist dies nicht der Fall. Ebenso wenig sind die auf der Basis früherer, nicht verwerteter Teilübersetzungen vorgenommenen Einvernahmen unverwertbar, nur weil unklar ist, ob die Übersetzer auf ihre gesetzlichen Pflichten hingewiesen wurden. Schlechterdings unverständlich ist der Einwand, wonach den Einvernahmen keine Beweistauglichkeit zukommen soll.
2.
Der Beschwerdeführer rügt, Art. 259 StGB sei objektiv nicht erfüllt. Zum subjektiven Tatbestand äussert er sich nicht.
2.1.
2.1.1. Wer öffentlich zu einen Verbrechen oder zu einem Vergehen mit Gewalttätigkeit gegen Menschen oder Sachen auffordert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 259 Abs. 1 und 2 StGB).
Öffentlich sind alle Äusserungen und Verhaltensweisen, die nicht im privaten Rahmen, d.h. nicht im Familien- oder Freundeskreis oder sonst in einem durch persönliche Beziehungen oder besonderes Vertrauen geprägten Umfeld erfolgen (BGE 145 IV 23 E. 2.2; 130 IV 111 E. 5.2.2). Die Aufforderung ist ein auf Beeinflussung anderer Menschen gerichteter kommunikativer Akt, der nach allgemeiner Anschauung die Funktion hat, anderen etwas mitzuteilen und dadurch deren Handeln zu bestimmen. Die Äusserung muss in der konkreten Situation als Aufforderung verstanden werden können und eine gewisse Eindringlichkeit aufweisen. Nach nicht unbestrittener Lehrmeinung muss sie eindeutig auf die Begehung der in Art. 259 StGB genannten Delikte gerichtet sein. Aus der Aufforderung muss mithin sowohl deren Inhalt als auch deren Aufforderungscharakter klar hervorgehen. An der nötigen Eindeutigkeit fehlt es etwa, wenn die Äusserung mit guten Gründen auch neutral interpretiert werden kann. Ebenso sind mit zurückhaltender Sachlichkeit getroffene blosse Feststellungen, im Gesamten der Ausführungen nicht ins Gewicht fallende Bemerkungen oder nach der Art des Vortrags nicht ernst zu nehmende Aussagen nicht tatbestandsmässig (GERHARD FIOLKA, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 4. Aufl. 2019 N. 8 ff. zu Art. 259 StGB). Nicht erforderlich ist hingegen der Nachweis, dass jemand tatsächlich von der Aufforderung Kenntnis genommen hat. Das Delikt ist mit der Aufforderung vollendet (BGE 111 IV 151 E. 3).
2.1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft unter Berücksichtigung der Begründungspflicht nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 134 I 65 E. 1.3 mit Hinweisen). Im Übrigen legt es seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art.105 Abs.1 StGB), es sei denn, dieser ist offensichtlich unrichtig oder beruht auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (zum Begriff der Willkür vgl. BGE 143 IV 241 E. 2.3.1 mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG), andernfalls das Bundesgericht darauf nicht eintritt (BGE 144 V 50 E. 4.2; 142 III 364 E. 2.4; je mit Hinweisen).
2.2. Der Beschwerdeführer bestreitet weder, die inkriminierten Äusserungen getätigt zu haben noch macht er geltend, die strittigen Predigtpassagen seien falsch übersetzt worden oder nicht ernst gemeint gewesen. Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, wenn sie zum Schluss gelangt, die Äusserungen erfüllten den Tatbestand nach Art. 259 StGB.
2.2.1. Die Vorinstanz bejaht zunächst die erforderliche Eindringlichkeit zu Recht. Wie sie nachvollziehbar erwägt, liegt der Zweck von Predigten darin, die Zuhörerschaft im Sinne der dargelegten Glaubenslehren zu beeinflussen und ist dieser Einfluss gerade gegenüber dem in einer Moschee zu erwartenden religiösen Publikum besonders gross. Dies gilt umso mehr, wenn der Prediger, wie vorliegend, zum Ausdruck bringt, dass die Äusserungen nicht seiner eigenen Meinung entsprechen, sondern, dass hochrangige islamische Schriftgelehrte oder gar der Prophet Mohamed und, soweit es um Zitate des Koran geht, Gott selbst,eine bestimmte Verhaltensweise befürwortet oder ausdrücklich gewünscht haben. Der Hinweis eines Imam auf die Urheber seiner Äusserungen im Rahmen einer Predigt gibt diesen somit besonderes Gewicht. Hingegen ist unerfindlich, weshalb erst die Weglassung dieses Hinweises die Ausführungen als Aufforderung qualifizieren sollte, wie der Beschwerdeführer meint.
Entgegen seiner Darstellung verblieb den gläubigen Empfängern seiner Ausführungen angesichts deren Urheberschaft, namentlich Gottes oder des Propheten Mohamed, auch kein relevanter Interpretations- oder Ermessensspielraum, zumal der Beschwerdeführer seine Äusserungen nicht kommentierte oder interpretierte. Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand, wonach nur eigene Kommentare der Zitate als Aufforderung zu Gewalttätigkeiten gelten könnten, geht fehl. Im Gegenteil: Indem er als Imam die Worte Gottes, des Propheten Mohamed oder hoher Gelehrter, mithin der grösstmöglichen religiösen Autoritäten, unkommentiert liess, brachte er zum Ausdruck, dass sie deren ureigenem Willen entsprechen würden und im Übrigen offensichtlich auch, dass er diese Auffassung teilte, wobei es auf letzteres für die Tatbestandserfüllung ohnehin nicht ankommt. Dass der Beschwerdeführer die zitierten Äusserungen guthiess, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass eines der von ihm wiedergegebenen Zitate mit den Worten "ihr solltet wissen" beginnt. Der anschliessende Aufruf, wonach getötet werden müsste, wer nicht in der Gemeinschaft betet, richtet sich seinem Wortlaut nach zudem gerade nicht an die (ohnehin abwesenden) Gläubigen, die nicht in der Gemeinschaft beten, sondern an diejenigen die dies tun. Er ist daher entgegen der Meinung des Beschwerdeführers sowie gegebenenfalls des Gutachters nicht bloss als Ermahnung an säumige Gläubige zu deuten. Jedenfalls kann er unter den gegebenen Umständen von einem gläubigen Muslim als Handlungsaufforderung zu einem genügend bestimmten Tun verstanden werden. Gleiches gilt für den Appell, Menschen in ihren Häusern zu verbrennen, weil sie sich [im Gebet] von der Gemeinschaft ferngehalten haben. Im Übrigen zeigt der Beschwerdeführer nicht auf und ist nicht ersichtlich, wie, wenn nicht als direktes Zitat von Gottes Wort oder des Propheten Mohamed eine eindringliche Handlungsaufforderung für einen gläubigen Muslim seiner Meinung nach konkret aussehen sollte. Dies gilt auch, soweit es um Handlungsweisen geht, die hohe Schriftgelehrte verlangt oder befürwortet haben sollen. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, ist ebenfalls irrelevant, in welcher sprachlichen Form oder graphischen Darstellung die Ausführungen erfolgten. Wären Wortmeldungen im Konjunktiv per se nicht strafbar, wie der Beschwerdeführer argumentiert, liesse sich der Tatbestand ohne Weiteres umgehen. Er behauptet denn auch nicht, die Worte seien nicht ernst gemeint gewesen, was bei einer Predigt ohnehin nicht überzeugend wäre. Unerfindlich ist auch, aus welchen (guten) Gründen die erwähnten Äusserungen ebenso gut neutral interpretiert werden könnten. Der Beschwerdeführer nennt weder solche Gründe noch bietet er eine neutrale Interpretation an. Seiner wiederholt geäusserten Auffassung zum Trotz würde das vorstehend Gesagte schliesslich ebenso für vergleichbare, unkommentierte Zitate aus dem alten Testament gelten.
2.2.2. Soweit der Beschwerdeführer behauptet, die inkriminierten Passagen seien aus dem Gesamtzusammenhang gerissen worden, trifft dies offensichtlich nicht zu. Wie er selber ausführt, handelt die Predigt von der Wichtigkeit des gemeinsamen Gebets als einer der tragenden Säulen des Islams. Die Anweisung, wie mit Gläubigen zu verfahren sei, welche sich daran nicht hielten, die mithin nicht in der Gemeinschaft beteten, ist damit klarerweise Teil dieser Ausführungen. Der Beschwerdeführer betrachtet die Predigt denn auch selber als Einheit und weist auf deren "logischen Aufbau" hin. Dies betont ebenso der Gutachter, der die Predigt als logisches Gebilde ohne innere Widersprüche bezeichnet. Zuzustimmen ist der Vorinstanz ferner darin, dass es auf den prozentualen Umfang der zu Gewalt auffordernden Passagen innerhalb der gesamten Predigt nicht ankommt. Es entlastet den Beschwerdeführer daher nicht, dass er die Gläubigen auch auf die Wohltaten des gemeinsamen Gebets hinweist und behauptet, die Predigt mit wohlwollenden Worten zu schliessen. Inwiefern darin eine Relativierung der Aufforderung zu Gewalt oder gar eine Auseinandersetzung mit der zitierten Lehrmeinung bzw. dem vermeintlichen Willen des Propheten oder Gottes bei Unterlassen des gemeinsamen Gebets liegen soll, wie der Beschwerdeführer ausführt, ist unerfindlich. Es kann auch nicht gesagt werden, die inkriminierten Predigtpassagen seien mit zurückhaltender Sachlichkeit formuliert worden oder würden im Gesamten der Ausführungen nicht ins Gewicht fallen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers liesse sich im Übrigen ohne Weiteres auf die Wichtigkeit des gemeinsamen Gebets hinweisen, ohne zu betonen, dass diejenigen, die dies nicht täten, verbrannt werden müssten.
Hinsichtlich der Textpassage "wer ein Laster (eine Sünde) gesehen hat, sollte es mit seinen Händen ändern", ist zwar zutreffend, dass diese einen gewissen Interpretationsspielraum offen lässt und nicht notwendigerweise zu einem Verbrechen oder Vergehen auffordert. Wie indes auch der Beschwerdeführer - insoweit richtig - vorbringt, sind die strittigen Predigtpassagen in einem Gesamtkontext zu würdigen. Angesichts der klaren Handlungsaufforderung, wie mit Sündern zu verfahren sei - sie seien in ihren Häusern zu verbrennen bzw. zu töten -, liegt die Annahme zumindest nahe, dass das in der letztgenannten Passage vom Propheten Mohamed verlangte Handeln auch unter Art. 259 StGB fallende Taten einschliesst, resp. von Empfängern der Äusserung so verstanden werden kann. Der entsprechende Schluss der Vorinstanz ist nachvollziehbar, wobei sie zugunsten des Beschwerdeführers davon ausgeht, es handle sich lediglich um Vergehen nach Abs. 2 der Bestimmung von Art. 259 StGB.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen, zumal sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege infolge Aussichtslosigkeit abzuweisen ist. Bei der Kostenfestsetzung ist den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers Rechnung zu tragen (Art. 64 Abs. 1, 65 Abs. 2 und 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 1'200.--.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. Juli 2019
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Matt |
doc-7 | Verwaltungsgericht des Kantons Zürich 2. Abteilung
SB.2019.00046
Urteil
der 2. Kammer
vom 30. September 2020
Mitwirkend: Abteilungspräsident Andreas Frei (Vorsitz), Verwaltungsrichterin Viviane Sobotich, Ersatzrichterin Nicole Tschirky, Gerichtsschreiberin Nicole Aellen.
In Sachen
A,
Beschwerdeführer,
gegen
Gemeinde C, vertreten durch den Finanzausschuss,
Beschwerdegegnerin,
betreffend Grundstückgewinnsteuer,
hat sich ergeben:
hat sich ergeben:
I. A. A (nachfolgend der Pflichtige) veräusserte am 1. Februar 2016 einen Miteigentumsanteil von 333/1000 am Grundstück Kat.-Nr. 01 (Stockwerkeigentumsanteil, Sonderrecht an der 61⁄2-Zimmer-Wohnung im Dach- und Galeriegeschoss samt Nebenräumen) an der B-Strasse 02 in C. Das Grundstück umfasst insgesamt ... m2. Von diesem Grundstück gehört dem Pflichtigen ein Anteil im Umfang von 866 m2 (altKat.-Nr. 03) seit mehr als 20 Jahren; 424 m2 erwarb er am 29. Mai 1998 von einem angrenzenden Grundstück (altKat.-Nr. 04). Im Veranlagungsentscheid vom 23. Mai 2017 akzeptierte der Finanzausschuss der Gemeinde C den vom Pflichtigen deklarierten Erwerbspreis von Fr. 111'936.- für die 1998 zugekauften 424 m2. Demgegenüber ging die Behörde mit Bezug auf die 866 m2 des Grundstücks altKat.-Nr. 03 von einem Verkehrswert vor 20 Jahren von Fr. 1'660.-/m2, mithin von Fr. 478'708.- (866 m2 x Fr. 1'660.-/m2 x 333/1000) aus. Der zugrunde gelegte Quadratmeterpreis von Fr. 1'660.-/m2 hatte eine Grundstückgewinnsteuer von Fr. ... zur Folge. Ein Steueraufschub wurde nicht gewährt.
B. Die dagegen erhobene Einsprache wies der Finanzausschuss der Gemeinde C am 23. August 2017 ab.
II.
Gegen diesen Entscheid erhob der Pflichtige am 22. bzw. 25. September 2017 Rekurs an das Steuerrekursgericht. Am 22. August 2018 ordnete das Steuerrekursgericht ein Gutachten über den anteiligen Landwert von 333/1000 der Liegenschaft Kat.-Nr. 01 von 866 m2 (Stockwerkeigentum mit Sonderrecht an der 61⁄2-Zimmer-Wohnung im Dach- und Galeriegeschoss samt Nebenräumen) mit 1'290 m2 Gebäudegrundfläche und Umschwung an der B-Strasse 02 in C per 1. Februar 1996 an. Als Expertin wurde D, dipl. Arch. ETH/SIA, aus E, in Aussicht gestellt. Die Parteien erhoben keine Einwendungen, weshalb das Steuerrekursgericht D am 19. September 2018 zur Expertin ernannte. Anlässlich der Referentenaudienz vom 5. Februar 2019, an der sich die Expertin zur Gutachtensfrage geäussert hatte, schlug der Pflichtige im Sinn eines Teilvergleichs vor, den strittigen Landwert von altKat-Nr. 03 auf Fr. 1'700.-/m2 festzulegen. Namens des Finanzausschusses erklärte der Leiter des Steueramts der Gemeinde C am 8. Februar 2019 seine Zustimmung. Keine Einigung erfolgte betreffend dem vom Pflichtigen beantragten Steueraufschub infolge Ersatzbeschaffung. Mit Entscheid vom 26. März 2019 hiess das Steuerrekursgericht den Rekurs des Pflichtigen teilweise gut und setzte die Grundstückgewinnsteuer von Fr. ... auf Fr. ... herab. Der Antrag auf Gewährung eines Steueraufschubs wurde vom Steuerrekursgericht abgewiesen.
III.
Mit Beschwerde vom 4. Juni 2019 an das Verwaltungsgericht beantragte der Pflichtige, der Entscheid des Steuerrekursgerichts sei aufzuheben und die Gemeinde C anzuweisen, den Steueraufschub im Umfang von 91,24 % entsprechend Fr. ... (vom verfügten Grundstückgewinn in der Höhe von CHF ... seien Fr. ... wieder investiert worden), eventuell im Umfang 75,66 % entsprechend Fr. ... (vom unternehmerisch berechneten Nettoertrag in der Höhe von Fr. ... seien Fr. ... wieder investiert worden), subeventuell im Umfang von 61,87 % entsprechend Fr. ... (von den Anlagekosten in der Höhe von Fr. ... seien Fr. ... wieder investiert worden) zu gewähren. Die bei ihr zur Sicherung der Grundstückgewinnsteuer zu viel hinterlegte Summe sei abzurechnen und samt Zins zu 5 % innert 30 Tagen nach Rechtskraft des Beschwerdeentscheids zu überweisen. Für den Fall, dass kein Steueraufschub gewährt werden sollte, beantragte der Pflichtige weiter, dass die Verfahrenskosten des vorinstanzlichen Verfahrens hälftig auf die Parteien zu verlegen seien. Die Expertisekosten seien zudem vollumfänglich von der Gemeinde C zu tragen, alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Gemeinde C.
Mit Eingabe datiert vom 29. August 2018 (Poststempel vom 24. Juni 2019) beanstandete der Pflichtige die Streitwertberechnung in der Präsidialverfügung vom 6. Juni 2019 und hielt daran fest, dass der Streitwert nicht Fr. ... sondern 20 % von Fr. ... d. h. Fr. ... betrage. Mit Schreiben vom 26. Juni 2019 begründete das Verwaltungsgericht auf Wunsch des Pflichtigen die Streitwertberechnung unter Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung.
Die Vorinstanz verzichtete auf eine Vernehmlassung und die Gemeinde C liess sich nicht vernehmen.
Die Kammer erwägt:
Die Kammer erwägt:
1. Mit der Steuerbeschwerde an das Verwaltungsgericht in Grundsteuersachen können laut § 153 Abs. 3 in Verbindung mit § 213 des Steuergesetzes vom 8. Juni 1997 (StG) alle Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, und die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts geltend gemacht werden.
Das Verwaltungsgericht hat sich infolgedessen auf die reine Rechtskontrolle zu beschränken; dazu gehört auch die Prüfung, ob die Vorinstanzen den rechtserheblichen Sachverhalt gesetzmässig festgestellt haben. Dem Gericht ist es daher verwehrt, das vom Steuerrekursgericht in Übereinstimmung mit dem Gesetz ausgeübte Ermessen auf Angemessenheit hin zu überprüfen und so sein Ermessen anstelle desjenigen der Rekursinstanz zu setzen. Die Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichts erstreckt sich lediglich auf rechtsverletzende Ermessensfehler, d. h. auf Ermessenüberschreitung und auf Ermessensmissbrauch (RB 1999 Nr. 147).
Das Verwaltungsgericht hat sich infolgedessen auf die reine Rechtskontrolle zu beschränken; dazu gehört auch die Prüfung, ob die Vorinstanzen den rechtserheblichen Sachverhalt gesetzmässig festgestellt haben. Dem Gericht ist es daher verwehrt, das vom Steuerrekursgericht in Übereinstimmung mit dem Gesetz ausgeübte Ermessen auf Angemessenheit hin zu überprüfen und so sein Ermessen anstelle desjenigen der Rekursinstanz zu setzen. Die Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichts erstreckt sich lediglich auf rechtsverletzende Ermessensfehler, d. h. auf Ermessenüberschreitung und auf Ermessensmissbrauch (RB 1999 Nr. 147).
2. 2.1 Die Grundstückgewinnsteuer wird gemäss § 216 Abs. 1 StG bei Handänderungen an Grundstücken oder Anteilen von solchen erhoben. Dabei ist der Grundstückgewinn gemäss § 219 Abs. 1 StG der Betrag, um welchen der Erlös die Anlagekosten übersteigt. Die Grundstückgewinnsteuer wird indessen aufgeschoben bei Veräusserung einer dauernd und ausschliesslich selbst genutzten Wohnliegenschaft (Einfamilienhaus oder Eigentumswohnung), soweit der Erlös innert angemessener Frist zum Erwerb oder zum Bau einer gleichgenutzten Ersatzliegenschaft im Kanton Zürich oder in einem anderen Kanton verwendet wird (§ 216 Abs. 3 lit. i i.V. m. § 226a StG; Art. 12 Abs. 3 lit. e des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG]).
2. 2.1 Die Grundstückgewinnsteuer wird gemäss § 216 Abs. 1 StG bei Handänderungen an Grundstücken oder Anteilen von solchen erhoben. Dabei ist der Grundstückgewinn gemäss § 219 Abs. 1 StG der Betrag, um welchen der Erlös die Anlagekosten übersteigt. Die Grundstückgewinnsteuer wird indessen aufgeschoben bei Veräusserung einer dauernd und ausschliesslich selbst genutzten Wohnliegenschaft (Einfamilienhaus oder Eigentumswohnung), soweit der Erlös innert angemessener Frist zum Erwerb oder zum Bau einer gleichgenutzten Ersatzliegenschaft im Kanton Zürich oder in einem anderen Kanton verwendet wird (§ 216 Abs. 3 lit. i i.V. m. § 226a StG; Art. 12 Abs. 3 lit. e des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG]).
3. 3.1 Der Pflichtige beanstandet, dass kein Steueraufschub gewährt wurde. Ein solcher hätte nach seiner Auffassung im Umfang von Fr. ... (vom verfügten Grundstückgewinn in der Höhe von Fr. ... seien Fr. ... [91,24 %] wieder investiert worden), eventuell im Umfang Fr. ... (vom unternehmerisch berechneten Nettoertrag in der Höhe von Fr. ... seien Fr. ... [75,66 %] wieder investiert worden), subeventuell im Umfang von Fr. ... (von den Anlagekosten in der Höhe von Fr. ... seien Fr. ... [62 %] wieder investiert worden) gewährt werden müssen.
3.2 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erfolgt die Ermittlung des Gewinnaufschubs nach der sogenannten absoluten Methode (auch als Abschöpfungsmethode bezeichnet). Danach wird der Steueraufschub nur für denjenigen Teil gewährt, der nach Wiederverwendung der Anlagekosten des veräusserten Objekts (und allfälliger Drittleistungen) zusätzlich in den Erwerb des Ersatzobjekts investiert wird (BGE 130 II 202 E. 3.2 und 4.3, 137 II 419 E. 2.2.1; BGr, 19. Dezember 2012, 2C 337/2012, E. 2.3). Liegt die Reinvestition in das Ersatzobjekt unter den Anlagekosten des veräusserten Grundstücks, wird der gesamte Gewinn besteuert (vgl. dazu auch Richner et al., Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, 3. A., Zürich 2013, § 216 N. 272 ff.).
Das vom Pflichtigen vertretene Auslegungsergebnis erschiene zwar aufgrund des Gesetzeswortlauts als vertretbar. Das Bundesgericht ist jedoch in konstanter Rechtsprechung zu einem anderen Ergebnis gelangt. Der Pflichtige bringt keine Argumente vor, aufgrund welcher die Sache neu geprüft bzw. die Rechtsprechung zu ändern wäre. Insbesondere gelangt die absolute Methode entgegen den Ausführungen des Pflichtigen unabhängig vom Fremdfinanzierungsgrad und der Höhe der abzuführenden Gewinnsteuer im Verhältnis zum erzielten Gewinn zur Anwendung. In einer im Jahr 2004 eingereichten parlamentarischen Initiative "Ersatzbeschaffung von Wohneigentum, Förderung der beruflichen Mobilität" wurde – wie auch vom Pflichtigen vertreten – verlangt, dass beim Aufschub der Grundstückgewinnsteuer die relative Methode zur Anwendung kommen soll. In seiner Stellungnahme vom 31. März 2010 zum Bericht vom 19. Januar 2010 der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) hat sich der Bundesrat jedoch ebenfalls gegen einen Methodenwechsel bei der Besteuerung des Grundstückgewinns ausgesprochen.
3.3 Vorliegend belaufen sich die Anlagekosten des veräusserten Objekts B-Strasse 02 in C auf insgesamt Fr. 2'136'795.- und der Kaufpreis für das Ersatzobjekt D 05 in G beträgt lediglich Fr. 1'322'000.-. Die Vorinstanzen haben daher einen Steueraufschub zu Recht verneint.
3.3 Vorliegend belaufen sich die Anlagekosten des veräusserten Objekts B-Strasse 02 in C auf insgesamt Fr. 2'136'795.- und der Kaufpreis für das Ersatzobjekt D 05 in G beträgt lediglich Fr. 1'322'000.-. Die Vorinstanzen haben daher einen Steueraufschub zu Recht verneint.
4. 4.1 Der Pflichtige beanstandet weiter, dass die Verfahrenskosten des vorinstanzlichen Verfahrens aufgrund des Vergleichs hälftig hätten auf die Parteien verlegt werden müssen. Die Expertisekosten seien zudem vollumfänglich von der Gemeinde C zu tragen.
4.2 Bezüglich des anteiligen Landwerts von 333/1000 der Liegenschaft Kat.-Nr. 10'321 von 866 m2 (Stockwerkeigentum mit Sonderrecht an der 61⁄2-Zimmer-Wohnung im Dach- und Galeriegeschoss samt Nebenräumen) mit ... m2 Gebäudegrundfläche und Umschwung an der B-Strasse 02 in C per 1. Februar 1996 ist im vorinstanzlichen Verfahren eine Einigung erfolgt. Anlässlich der Referentenaudienz vom 5. Februar 2019 schlug der Pflichtige im Sinn eines Teilvergleichs vor, den strittigen Landwert von altKat-Nr. 03 auf Fr. 1'700.-/m2 festzulegen. Namens des Finanzausschusses erklärte der Leiter des Steueramts der Gemeinde C am 8. Februar 2019 dazu seine Zustimmung. Im Einspracheentscheid war die Beschwerdegegnerin noch von einem Landwert von Fr. 1'660.-/m2 ausgegangen. Vom Pflichtigen war im Rekurs beantragt worden, es sei von einem Landwert von Fr. 2'720.-/m2 auszugehen.
4.3 Gemäss § 149 Abs. 2 StG ist das Steuerrekursgericht in seinem Entscheid nicht an die Anträge der Parteien gebunden. Es kann nach Anhörung des Steuerpflichtigen die Einschätzung auch zu dessen Ungunsten ändern. Es führt das Verfahren trotz Rückzug oder Anerkennung des Rekurses weiter, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der angefochtene Entscheid oder die übereinstimmenden Anträge dem Gesetz widersprechen, oder eine Gegenpartei einen abweichenden Antrag gestellt hat. Anhaltspunkte, dass die übereinstimmenden Anträge dem Gesetz widersprechen, liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Aus diesem Grund hat die Vorinstanz das Verfahren bezüglich des strittigen Landwerts nach der Einigung zu Recht nicht weitergeführt.
Das Steuerrekursgericht hat die Verfahrenskosten aufgrund des Prozessausgangs dem weitestgehend unterliegenden Pflichtigen auferlegt. Im Fall eines Vergleichs richtet sich die Kostenauferlegung grundsätzlich nach der Vereinbarung (vgl. dazu auch Kaspar Plüss in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3. A., Zürich etc. 2014 [Kommentar VRG], § 13 N. 82, auch zum Folgenden). Eine Vereinbarung betreffend die Verfahrenskosten fehlt jedoch im vorliegenden Fall. Hinzu kommt, dass es sich lediglich um einen Teilvergleich betreffend den anteiligen Landwert handelt. Eine Einigung betreffend die Frage des Steueraufschubs hat nicht stattgefunden. Damit haben die Parteien die Kostenverlegung dem Steuerrekursgericht überlassen, das zu untersuchen hat, wer als unterliegende Partei zu gelten und die Kosten gemäss § 151 Abs. 1 StG zu übernehmen hat.
Die Kosten der Expertise gehören grundsätzlich zu den Verfahrenskosten und werden entsprechend verlegt. Die Gebührenverordnung des Verwaltungsgerichts vom 23. August 2010 (GebV VGr) regelt die vom Verwaltungsgericht sowie vom Bau- und vom Steuerrekursgericht festzusetzenden Verfahrenskosten und Parteientschädigungen (§ 1 Abs. 1 GebV VGr). Zu den Verfahrenskosten gehören die Gerichtsgebühren und die Kosten (§ 1 Abs. 1 GebV VGr). Als Kosten gelten die Zustellkosten (§ 5 GebV VGr) und die Barauslagen wie Zeugen-, Sachverständigen-, Übersetzungs- und Augenscheinkosten (§ 6 GebV VGr).
Infolge der teilweisen Gutheissung des Rekurses wurde die Grundstückgewinnsteuer von Fr. ... auf Fr. ... reduziert. Der Pflichtige ist somit zu 99,25 % unterlegen. Eine Kostenauflage an das Gemeinwesen ist bei dieser Ausgangslage nicht zwingend. Zudem hat das Steuerrekursgericht bei der Bemessung der Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.- der teilweisen gütlichen Einigung Rechnung getragen. Es ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass das Steuerrekursgericht die Verfahrenskosten dem Pflichtigen auferlegt und auf die Fertigstellung des Gutachtens zwecks Vermeidung von weiteren Kosten verzichtet hat.
4.4 Dass im Rekursverfahren bezüglich des Landwerts von altKat-Nr. 03 eine Einigung stattgefunden hat, wird vom Pflichtigen nicht bestritten. Er beruft sich auch nicht auf einem Grundlagenirrtum, sondern beanstandet vielmehr, dass ihm die Kosten für eine Expertise auferlegt worden seien, die ihm nicht ausgehändigt worden sei. Es habe sich lediglich um mündliche Ausführungen der Expertin anlässlich der Referentenaudienz gehandelt. Dasselbe gelte für die anlässlich der Referentenaudienz verwendeten Unterlagen über die Vergleichsgrundstücke. Die Beschwerdegegnerin habe die Expertise verlangt, da sie ohne eine solche vollkommen beweislos gewesen wäre. Sie habe daher die Kosten ihrer Beweisführung selbst zu tragen. Wenn er schon an den Kosten der Expertise beteiligt werden solle, verlange er die Erstellung einer schriftlichen, mindestens summarischen Begründung, wie die Expertin die Grundstückspreise im Beurteilungszeitraum eruiert habe und wie sie auf den Preisrahmen gekommen sei, der schliesslich auch dem Vergleich der Parteien zugrunde gelegen habe.
4.4.1 Anlässlich der Referentenaudienz vom 5. Februar 2019 hatte der Pflichtige selbst nach den mündlichen Ausführungen der Expertin im Sinn eines Teilvergleichs vorgeschlagen, den strittigen Landwert von altKat-Nr. 03 auf Fr. 1'700.-/m2 festzulegen. Diesem Vergleichsvorschlag des Pflichtigen hat die Gemeinde C am 8. Februar 2019 zugestimmt. Diese Vereinbarung wurde nicht unter der Bedingung abgeschlossen, dass ein schriftliches Gutachten ausgefertigt wird oder Unterlagen zu den Vergleichsgrundstücken herausgegeben werden. Es wird denn auch vom Pflichtigen nicht dargelegt, dass er dies mündlich verlangt hätte, als er anlässlich der Referentenaudienz einen Vergleichsvorschlag unterbreitet habe. Es ist daher nicht massgebend, ob die Expertise schriftlich ausgefertigt wird oder nicht.
4.4.2 Es bleibt daher zu prüfen, ob im vorliegenden Fall Gründe vorliegen, welche ausnahmsweise eine abweichende Kostenauflage rechtfertigen.
4.4.2.1 Zeigt sich, dass ein Verkehrswert nicht zuverlässig ermittelt werden kann, hat die Rechtsmittelinstanz ein Gutachten durch einen Sachverständigen zu veranlassen (Richner et al., § 220 N. 216). Ein amtliches Gutachten lag im vorliegenden Fall nicht vor. Zwar unterliegen amtliche Gutachten wie Privatgutachten der freien Beweiswürdigung durch die erkennende Behörde. Während Privatgutachten die Aussagekraft einer Parteibehauptung zukommt, gelten amtliche Gutachten als Beweismittel. Im Gegensatz zum Privatgutachter wird der amtliche Gutachter von der erkennenden Behörde ausgewählt, instruiert und darauf hingewiesen, dass er unter Strafandrohung steht. Folglich besitzt das Privatgutachten wegen der fehlenden Neutralität des Gutachters nicht denselben Rang wie ein amtliches Gutachten (vgl. Richner et al., § 220 N. 219 ff.; Martin Zweifel/Silvia Hunziker in: Martin Zweifel/Michael Beusch [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 3. A., Basel 2017, Art. 115 DBG N. 43 f., auch zum Folgenden VGr, 16. November 2011, SB.2011.00018 = ZStP 2012, 323 ff., E. 2.3 f.).
4.4.2.2 Im vorliegenden Fall wurde das Gutachten vom Steuerrekursgericht auf Antrag der Gemeinde C angeordnet, ohne dass ein entsprechender Antrag des Pflichtigen vorlag. Im Zusammenhang mit der Kostenauflage kann zudem massgebend sein, ob die Anordnung eines Gutachtens durch das Steuerrekursgericht zu Recht erfolgt ist.
Die Gemeinde C legte aufgrund der Vergleichsmethode (vgl. dazu Richner et al., § 220 N. 139, mit weiteren Hinweisen) der Berechnung der Grundstückgewinnsteuer einen Quadratmeterpreis von Fr. 1'660.- zugrunde, während der Pflichtige aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen einen Quadratmeterpreis von Fr. 2'720.- für gerechtfertigt hielt. Die Anordnung eines amtlichen Gutachtens zum umstrittenen Verkehrswert vor 20 Jahren erweist sich daher bei dieser Ausgangslage als zulässig.
4.4.2.3 Damit bleibt zu prüfen, ob eine Kostenauflage der Expertenkosten an die Veranlagungsbehörde gestützt auf das Verursacherprinzip infrage kommt (vgl. dazu Plüss, in: Kommentar VRG, § 13 N. 59, auch zum Folgenden). Dies kann zutreffen, wenn es im Rechtsmittelverfahren um Kosten für ein Gutachten geht für Abklärungen, die das Gemeinwesen im erstinstanzlichen Verfahren hätte vornehmen müssen (vgl. VGr, 11. Juli 2012, VB.2010.00676, E. 10).
Der Pflichtige macht jedoch nicht geltend, dass er bereits im (unentgeltlichen) Veranlagungs- oder Einspracheverfahren die Schätzung durch einen Sachverständigen gefordert habe. Zudem ist eine Grundstückgewinnsteuerbehörde nicht verpflichtet, einem solchen Antrag zu entsprechen, wenn sie selbst über genügend eigene Sachkenntnis verfügt (vgl. dazu Richner et al., § 220 N. 215). Dem Pflichtigen ist jedoch insofern zuzustimmen, als die Vergleichsmethode dazu führen kann, dass die Festlegung eines Werts durch die Grundstückgewinnsteuerbehörden durch die Pflichtigen nicht nachvollzogen werden kann, wenn keine genügende Begründung erfolgt. Insbesondere muss sich eine steuerpflichtige Person zu den erhobenen Vergleichspreisen und deren Vergleichstauglichkeit äussern können. Im Rekurs vom 22. September 2017 beanstandet der Pflichtige denn auch sinngemäss, dass es an einer nachvollziehbaren Basis für eine Wertfestlegung fehle. Er brachte vor, der Gemeinderat habe hinsichtlich der Festlegung des Quadratmeterpreises behauptet, im Rekursfall 2 07 in einem "analogen Fall" den Grundstücksteuerwert auf Fr. ... festgelegt. Dieser "Fall" könne nicht als Präjudiz dienen, da er ihm nicht nur unbekannt, sondern auch nicht weiter überprüft worden sei; er bestätige bestenfalls eine gewisse Gleichbehandlung. Dabei sei jedoch auch diese nicht nachvollziehbar, da der Entscheid nicht zugänglich sei. Hiergegen wendete das Steueramt der Gemeinde C in seiner Beschwerdeantwort vom 30. Oktober 2017 ein, beim nämlichen Rekursfall handle es sich keineswegs um einen "unbekannten Fall". Im Gegenteil habe der Pflichtige am 27. September 2013 (08) bereits eine Stockwerkeinheit im selben Gebäude veräussert. Unter Hinweis auf die Verfahrensnummer "06" (richtig: 07) machte sie geltend, die Rahmenbedingungen zur Beurteilung des Landwerts vor 20 Jahren seien grundsätzlich dieselben gewesen. Mit Eingabe vom 4. Dezember 2017 monierte der Pflichtige daraufhin, der Verweis der Gemeinde C auf den Entscheid vom 27. September 2013 (08 = 06 [richtig: 07]) sei unzulässig, weil ihm bei diesem Verkauf die Unterlagen, welche er in der Erbschaft seines Vaters gefunden habe, noch nicht zur Verfügung gestanden seien. Es lägen neue Beweismittel vor, die eine neue Beurteilung der Lage erlaubten und erforderten.
Aufgrund der Akten ist demnach davon auszugehen, dass der Pflichtige mit Kenntnisnahme der Beschwerdeantwort vom 30. Oktober 2017 erkannte, auf welchen Vergleichsfall sich die Gemeinde C bei der Festlegung des Landwerts bezogen hatte, nämlich auf eine Handänderung ebenfalls des Pflichtigen, welche knapp zweieinhalb Jahre zuvor erfolgt war und exakt dieselbe Liegenschaft des Pflichtigen betroffen hatte. Im Übrigen hatte der Pflichtige im Begleitbrief vom 16. November 2016 zur Steuererklärung vom 20. November 2016 selber noch auf den nämlichen Vergleichsfall Bezug genommen, wenn auch nicht unter Nennung der Verfahrensnummern und nur, um auf Unterlagen hinzuweisen, die sich bei den entsprechenden Verfahrensakten befanden.
Damit genügten die Hinweise der Veranlagungsbehörde auf den Vergleichsfall 08 bzw. 07 sowie die Kurzbegründung, wonach es sich hierbei um einen "analogen Sachverhalt" handle, den Anforderungen an eine genügende Begründungsdichte gerade noch. Der Pflichtige erkannte im vorinstanzlichen Verfahren nach Abschluss des ersten Schriftenwechsels, jedenfalls aber spätestens am 4. Dezember 2017, auf welchen Vergleichsfall sich die Gemeinde C gestützt hatte. Ausführungen zur Vergleichstauglichkeit erübrigen sich, da es sich beim herangezogenen Vergleichsfall um dasselbe Grundstück handelte. Hätte er den Landwert in jenem Zeitpunkt anerkannt, wäre es gar nicht erst zu einer Begutachtung gekommen, denn diese wurde erst im August 2018 und damit rund neun Monate später angeordnet. Indem er sich nicht unterzog, nahm der Pflichtige die der Streitigkeit inhärenten Prozessrisiken in Kauf. Eine vom Unterliegerprinzip abweichende Kostenverteilung rechtfertigt sich vor diesem Hintergrund nicht.
Dies führt zur Abweisung der Beschwerde.
Dies führt zur Abweisung der Beschwerde.
5. 5.1 Bei diesem Verfahrensausgang sind die Kosten des Verfahrens dem Pflichtigen aufzuerlegen (§ 153 Abs. 4 in Verbindung mit § 151 Abs. 1 und § 213 Satz 2 StG). Dem Pflichtigen ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (§ 17 Abs. 2 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 [VRG] in Verbindung mit § 213 Satz 2 StG sowie § 152 und § 153 Abs. 4 und StG).
5.2 Für die Berechnung des Streitwerts massgeblich ist der gesamte Steuerbetrag, der vom Streit betroffen ist (vgl. § 114 Abs. 4 StG; vgl. auch BGr, 28. April 2014, 2C_845/2013, E. 3.4; 8. Dezember 2016, 2C_176/2016). Es ist in betragsmässiger Hinsicht auf den weitestgehenden Antrag des Pflichtigen abzustellen. Der Streitwert entspricht daher im vorliegenden Fall grundsätzlich der Höhe der Grundstückgewinnsteuer, deren Aufschub strittig ist. Dies sind im vorliegenden Fall gemäss den Anträgen des Pflichtigen Fr. ... sowie die beantragte hälftige Kostenauflage der vorinstanzlichen Gerichtsgebühr (inkl. Augenschein- und Zustellkosten) von Fr. 5'066.80 sowie die Expertisekosten von Fr. 3'909.50. Daraus ergibt sich ein Streitwert von Fr. .... Bei einem solchen Streitwert beträgt die Gerichtsgebühr gemäss § 3 Abs. 1 der Gebührenverordnung des Verwaltungsgerichts in der Regel zwischen Fr. 10'000.- und Fr. 15'000.-. Der Pflichtige weist im Zusammenhang mit der Streitwertberechnung darauf hin, dass ein Steueraufschub ihm im gegenwärtigen Umfeld lediglich eine jährliche Zinsersparnis von 2 % als Vorteil bringe. Das Bundesgericht berechne in solchen Fall mit einer Periodizität von zehn Jahren, sodass der Streitwert 20 % der Grundstückgewinnsteuer betrage, deren Aufschub strittig sei.
Erfolgt ein Verkauf des Ersatzobjekts, muss die aufgeschobene Steuer bezahlt werden. Je nach Haltedauer des Ersatzobjekts ist es somit möglich, dass ein Steueraufschub nur wenige Wochen oder Monate geltend gemacht werden kann oder eine aufgeschobene Steuer während Jahrzehnten nicht bezahlt werden muss. Aus diesem Grund ist dem Pflichtigen zuzustimmen, dass das tatsächliche Streitinteresse bzw. der wirtschaftliche Vorteil eines Steueraufschubs nicht mit einem Steuererlass bzw. einer definitiven Nichtbezahlung einer Steuer gleichgesetzt werden kann und die Gerichtsgebühr daher zu reduzieren ist. Aufgrund dieser Umstände ist im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des Zeitaufwands des Gerichts und der Schwierigkeit des Falls die Festlegung einer Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.- gerechtfertigt.
5.3 Soweit der Pflichtige geltend macht, dass die zur Sicherung der Grundstückgewinnsteuer zu viel hinterlegte Summe abzurechnen und samt Zins zu 5 % innert 30 Tagen nach Rechtskraft des Beschwerdeentscheids zu überweisen sei, ist darauf hinzuweisen, dass auf Depotzahlungen vor Eintritt der Fälligkeit sowie auf Steuerrückerstattungen gemäss § 54 der Verordnung zum Steuergesetz vom 1. April 1988 (VO StG) Vergütungszinsen geleistet werden. Die Bezahlung allfälliger Vergütungszinsen bildet jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Demgemäss erkennt die Kammer:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 5'000.--; die übrigen Kosten betragen: Fr. 70.-- Zustellkosten, Fr. 5'070.-- Total der Kosten.
3. Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4. Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen.
5. Gegen dieses Urteil kann Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes erhoben werden. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung an gerechnet, beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen.
6. Mitteilung an ... |
doc-8 | 100.2013.88/89U BUC/SAD/RAP
Verwaltungsgericht des Kantons Bern Verwaltungsrechtliche Abteilung
Urteil des Einzelrichters vom 13. Januar 2014
a.o. Verwaltungsrichter Bürki Gerichtsschreiber Schurter
A._ und B._ Beschwerdeführende
gegen
Steuerverwaltung des Kantons Bern Brünnenstrasse 66, Postfach 8334, 3001 Bern Beschwerdegegnerin
und
Steuerrekurskommission des Kantons Bern Sägemattstrasse 2, Postfach 54, 3097 Liebefeld
betreffend Kantons- und Gemeindesteuern sowie direkte Bundessteuer 2011 (Entscheide der Steuerrekurskommission des Kantons Bern vom 15. Februar 2013; 100 12 445; 200 12 369)
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 13.01.2014, Nrn. 100.2013.88/89U, Seite 2
Sachverhalt:
A.
A._ und B._ sind Eigentümer der Liegenschaft C._ Gbbl. Nr. 1_. Die Ladenfläche im Parterre und die zugehörigen Lagerräume im Keller sind vermietet. Das erste und zweite Stockwerk des Gebäudes bewohnen A._ und B._ selbst. Letztmals mit Einspracheentscheiden vom 12. September 2012 veranlagte die Steuerverwaltung des Kantons Bern (), Region ..., sie für das Jahr 2011 abweichend von ihrer Selbstdeklaration auf ein steuerbares Einkommen von Fr. 35'100.-- bei den Kantons- und Gemeindesteuern bzw. Fr. 43'800.-- bei der direkten Bundessteuer. Die Abweichung beruhte – soweit hier streitig – darauf, dass die Steuerverwaltung den Eigenmietwert der Liegenschaft von Fr. 5'840.-- auf Fr. 9'940.-- (Kantons- und Gemeindesteuern) bzw. von Fr. 6'830.-- auf Fr. 11'640.-- (direkte Bundessteuer) erhöhte. Sie hielt dazu mit Schreiben vom 17. Juli 2012 fest, im bisherigen Eigenmietwert sei bloss die Wohnung im ersten Obergeschoss berücksichtigt gewesen, während nun sämtliche selbstbewohnten Räume, also auch diejenigen im zweiten Obergeschoss, im Eigenmietwert enthalten seien.
B.
Dagegen erhoben A._ und B._ am 14. September 2012 Rekurs und (sinngemäss) Beschwerde bei der Steuerrekurskommission des Kantons Bern (StRK), welche die Rechtsmittel mit Entscheiden vom 15. Februar 2013 abwies.
C.
In einer einzigen Rechtsschrift vom 12. März 2013 (Postaufgabe) haben A._ und B._ sowohl bezüglich der Kantons- und Gemeindesteuern als auch der direkten Bundessteuer 2011 Verwaltungsgerichtsbeschwerden erhoben. Sie sinngemäss, die Entscheide der StRK seien aufzuheben und die Veranlagung sei entsprechend ihrer Selbstdeklaration vorzunehmen.
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 13.01.2014, Nrn. 100.2013.88/89U, Seite 3
Mit Verfügung vom 19. März 2013 hat der (damalige) Abteilungspräsident die Verfahren betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern sowie die direkte Bundessteuer vereinigt.
Die StRK und die Steuerverwaltung beantragen mit Eingaben vom 3. bzw. 24. April 2013 je die Abweisung der Beschwerden.
Am 10. Mai 2013 haben A._ und B._ weitere Bemerkungen eingereicht.
Erwägungen:
1.
1.1 Das Verwaltungsgericht ist zur Beurteilung der Beschwerden als letzte kantonale Instanz gemäss Art. 74 Abs. 1 i.V.m. Art. 76 und 77 des Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG; BSG 155.21) zuständig (vgl. auch Art. 201 Abs. 1 des Steuergesetzes vom 21. Mai 2000 [StG; BSG 661.11] und Art. 145 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11] sowie Art. 9 Abs. 3 der Verordnung vom 18. Oktober 2000 über den Vollzug der direkten Bundessteuer [BStV; BSG 668.11]). Die Beschwerdeführenden haben am vorinstanzlichen Rekurs- und Beschwerdeverfahren teilgenommen, sind durch die angefochtenen Entscheide besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung (Art. 79 Abs. 1 VRPG). Auf die form- und fristgerecht eingereichten Beschwerden ist einzutreten.
1.2 Sind sowohl Entscheide bezüglich der Kantons- und Gemeindesteuern als auch der direkten Bundessteuer angefochten, so muss das Verwaltungsgericht zwei Urteile fällen; denn es handelt sich um zwei verschiedene Steuern, die unterschiedlichen Gemeinwesen zustehen und in getrennten Verfahren veranlagt werden. Die beiden Entscheide können aber in ein und derselben Urteilsschrift getroffen werden (BGE 130 II 509 E. 8.3). – Vorliegend ist die Höhe des Eigenmietwerts als steuerbares Einkommen umstritten. Da die massgeblichen Rechtsnormen des kantonalen und eidgenössischen Rechts weitgehend gleich lauten, rechtfertigt sich nicht nur die
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 13.01.2014, Nrn. 100.2013.88/89U, Seite 4
Vereinigung der Verfahren (Art. 17 Abs. 1 VRPG; vgl. vorne Bst. C), sondern auch die gemeinsame Beurteilung der Streitigkeit in einer Urteilsschrift.
1.3 Die Gutheissung der Beschwerden würde sowohl bei den Kantons- und Gemeindesteuern als auch bei der direkten Bundessteuer zu einer Steuerersparnis von weniger als Fr. 20'000.-- führen, womit die Beurteilung in die einzelrichterliche Zuständigkeit fällt (Art. 57 Abs. 1 des Gesetzes vom 11. Juni 2009 über die Organisation der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft [GSOG; BSG 161.1]).
1.4 Das Verwaltungsgericht überprüft die angefochtenen Entscheide auf Rechtsverletzungen hin (Art. 80 VRPG).
2.
2.1 Erträge aus unbeweglichem Vermögen unterliegen der Einkommenssteuer (Art. 25 Abs. 1 StG; Art. 21 Abs. 1 DBG). Steuerbar ist insbesondere der Mietwert von Grundstücken oder Grundstücksteilen, die der steuerpflichtigen Person aufgrund von Eigentum oder eines unentgeltlichen Nutzungsrechts für den Eigengebrauch zur Verfügung stehen (sog. Eigenmietwert; Art. 25 Abs. 1 Bst. b StG; Art. 21 Abs. 1 Bst. b DBG; vgl. auch Art. 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; BSG 642.14]). Während der Eigenmietwert bei der direkten Bundessteuer grundsätzlich nach dem objektiven Marktwert zu bemessen ist (vgl. Art. 21 Abs. 2 DBG; BGE 132 I 157 E. 3.3), ist er bei den Kantons- und Gemeindesteuern unter Berücksichtigung der Förderung von Eigentumsbildung und Selbstvorsorge «massvoll» festzulegen (Art. 25 Abs. 3 StG). Indessen muss er gemäss konstanter Praxis des Bundesgerichts auch hier mindestens 60 % des effektiven Marktwerts betragen (statt vieler BGE 132 I 157 E. 3.3; BGer 2C_682/2009 vom 8.4.2010, E. 3.1.1; BVR 2003 S. 1 E. 2a, je mit Hinweisen). Der Eigenmietwert einer Liegenschaft wird ausgehend vom Protokollmietwert ermittelt. Der Protokollmietwert wiederum, der im Rahmen der amtlichen Bewertung festgelegt wird, ist namentlich von der Benotung der Liegenschaft und der Anzahl ihr zugewiesener Raumeinheiten abhängig (BVR 2003 S. 1 E. 2d). Die Protokollmietwerte werden mit einem Mietwertfaktor multipliziert, der anhand von Mietzinserhebungen für jede Veranlagungsperiode neu bestimmt wird (BVR 1999
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 13.01.2014, Nrn. 100.2013.88/89U, Seite 5
S. 285 E. 3b [noch zum alten Recht]; zum Ganzen auch VGE 22118 vom 16.12.2005, E. 5.3.1).
2.2 Das streitige Grundstück umfasst ein Wohngebäude mit Garage (Objektbezeichnung: «Wohn- und Geschäftshaus»). Die Ladenfläche im Parterre und das Lager haben die Beschwerdeführenden vermietet, während sie die Wohnfläche im ersten und zweiten Obergeschoss sowie die Garage selber nutzen. Anlässlich der allgemeinen amtlichen Neubewertung der Grundstücke im Kanton Bern mit steuerlicher Wirkung ab 1. Januar 1999 wurde der Protokollmietwert für das «Wohnhaus» auf Fr. 12'381.-- festgelegt, derjenige für die Garage auf Fr. 707.--, ausmachend insgesamt Fr. 13'088.-- (vgl. Objektprotokoll vom 15.9.1988, unpag. Vorakten StRK, act. 6A). Den entsprechenden Protokollmietwert multiplizierte die Steuerverwaltung mit den für die Bemessungsperiode 2011 massgeblichen Mietwertfaktoren von 0,76 bei den Kantons- und Gemeindesteuern bzw. 0,89 bei der direkten Bundessteuer, was zu den bestrittenen Eigenmietwerten von Fr. 9'940.-- bzw. Fr. 11'640.-- führte (Mietwertblatt vom 27.9.2011, unpag. Vorakten StRK, act. 6A; vgl. auch Einspracheentscheide vom 12.9.2012, in Vorakten Steuerverwaltung pag. 24 ff.).
2.3 Die StRK hat in den angefochtenen Entscheiden ausführlich dargelegt, weshalb die Steuerverwaltung die – im Vergleich zu den Vorjahren höheren – Eigenmietwerte korrekt ermittelt hat. So sei anlässlich der allgemeinen Neubewertung der Protokollmietwert sowohl für das gesamte «Wohnhaus» (erstes und zweites Stockwerk) als auch für die Wohnung im ersten Stockwerk gesondert berechnet worden. Der Eigenmietwert sei in der Folge basierend auf dem Protokollmietwert der «Wohnung 1. OG» (Fr. 6'978.--) und der «Garage» (Fr. 707.--) im Umfang von Fr. 7'685.-- ermittelt worden; dies wohl in der Annahme, es werde lediglich die Wohnung im ersten Stockwerk genutzt. Gestützt auf die seit 1999 unveränderten von 76 % bzw. 89 % seien die Eigenmietwerte deshalb bis zum Jahr 2010 auf Fr. 5'840.-- (kantonale Steuern) bzw. Fr. 6'830.-- (direkte Bundessteuer) veranlagt worden (angefochtene Entscheide, E. 5). Aufgrund eines von den Beschwerdeführenden im Jahr 2010 geltend gemachten Abzugs von Fr. 43'841.-- für eine Dachsanierung habe die Steuerverwaltung am 5. August 2011 einen Augenschein vorgenommen und dabei festgestellt, dass die Räume im zweiten Obergeschoss von den Beschwerdeführenden ebenfalls genutzt würden, bei der Festsetzung des Eigenmietwerts aber bislang fälschlicherweise ausser Acht gelassen worden seien. Die Gründe dafür könnten heute nicht mehr eruiert werden, seien aber für die Anpassung
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 13.01.2014, Nrn. 100.2013.88/89U, Seite 6
des Eigenmietwerts der Steuerperiode 2011 auch nicht von Bedeutung (angefochtene Entscheide, E. 5.1). – Die Beschwerdeführenden bringen im Wesentlichen vor, den Steuerbehörden sei bereits seit dem Ausbau des Dachgeschosses (zweites Stockwerk) im Jahr 1967 bekannt, dass dort Zimmer vorhanden seien. Es handle sich jedoch nicht um eine separate Wohnung und sie seien darum nicht bereit, neu den Eigenmietwert für eine zweite Wohnung zu versteuern. Seit dem Ausbau im Jahr 1967 habe es weder im ersten noch im zweiten Stockwerk irgendwelche baulichen gegeben. Beide Stockwerke seien im Eigenmietwert, wie er in den Vorjahren gegolten habe, bereits berücksichtigt.
2.4 Die Auffassung der Beschwerdeführenden überzeugt nicht. Wie die StRK zutreffend ausgeführt hat, geht aus dem Aufnahme- und aus dem Objektprotokoll für die amtliche Bewertung hervor, dass unter dem Titel «Wohnhaus» die Räume des ersten und zweiten Stockwerks erfasst wurden (vgl. unpag. Vorakten StRK, act. 6A). Ausgehend von 11 Raumeinheiten wurde der für das «Wohnhaus» massgebende Protokollmietwert von Fr. 12'381.-- berechnet. Dieser Wert berücksichtigt mithin sämtliche Räume des ersten und zweiten Stockwerks, wobei dem Aufnahmeprotokoll weiter entnommen werden kann, dass die Steuerverwaltung bei der Bewertung des zweiten Stockwerks nicht von einer separaten Wohnung, sondern – gleich wie die Beschwerdeführenden – von vier Zimmern mit Bad und Toilette ausging. Die Beschwerdeführenden bestreiten nicht, dass sie die betreffenden Räume im zweiten Stockwerk selber nutzen. Dennoch wurde der Mietwert bis und mit Steuerjahr 2010 bloss gestützt auf den separat ausgewiesenen Protokollmietwert der 6,2 Raumeinheiten im ersten Stockwerk («Wohn. 1. OG»; ausmachend Fr. 6'978.--) sowie der Garage (Fr. 707.--) berechnet und fälschlicherweise nicht auf den massgeblichen Protokollmietwert von Fr. 13'088.-- abgestellt. Die Beschwerdeführenden stören sich offenbar vor allem an der Tatsache, dass der Eigenmietwert im Vergleich zu den Vorjahren erhöht wurde, obschon sie keine baulichen Änderungen vorgenommen haben und die Räume auch nicht anders nutzen als zuvor. Ob sich hinsichtlich der Nutzung etwas geändert hat, ist vorliegend allerdings ebensowenig von Bedeutung wie die Frage, aus welchen Gründen das zweite Stockwerk beim Eigenmietwert (anders als beim amtlichen Wert) bis zur Steuerperiode 2011 unberücksichtigt blieb. Jedenfalls durfte die Steuerverwaltung den Eigenmietwert den tatsächlichen Verhältnissen anpassen, als sie feststellte, dass dieser in der Vergangenheit zu tief veranlagt worden war; bei periodischen Steuern gilt der allgemeine Grundsatz, dass jede Veranlagung ein eigenes, von früheren
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 13.01.2014, Nrn. 100.2013.88/89U, Seite 7
Veranlagungen weitgehend unabhängiges Verfahren darstellt, in dem die Behörden die tatsächliche und rechtliche Ausgangslage vollumfänglich neu beurteilen dürfen (statt vieler BVR 2013 S. 506 E. 4.3 mit Hinweisen). Daran ändert nichts, dass der im Rahmen der amtlichen Bewertung festgelegt wird, kann dieser doch trotz Rechtskraft des amtlichen Werts (vgl. Art. 181 Abs. 3 StG) im Verfahren um Festlegung des Eigenmietwerts grundsätzlich noch überprüft und allenfalls abgeändert werden (vgl. BVR 2003 S. 1 E. 3). Soweit die Beschwerdeführenden schliesslich die Benotung der Raumeinheiten in Frage stellen, indem sie vorbringen, im zweiten Stockwerk gebe es keine separate Wohnung, sondern bloss vier Mansardenzimmer mit Dusche und Toilette, ist ihnen entgegenzuhalten, dass davon gemäss Aufnahmeprotokoll für die amtliche Bewertung auch die Steuerverwaltung ausgegangen ist. Es sind daher keine Gründe für eine mangelhafte Bewertung ersichtlich, zumal die Steuerverwaltung insoweit über einen erheblichen Ermessensspielraum verfügt (vgl. BVR 2003 S. 1 E. 4b; zur Schätzung im Rahmen der amtlichen Bewertung zuletzt VGE 2012/111 vom 4.12.2013, E. 1.2 mit Hinweisen).
2.5 Die Beschwerden erweisen sich somit als unbegründet und sind abzuweisen. Anzumerken bleibt, dass den Beschwerdeführenden entgegen ihren Ausführungen weder eine Steuerhinterziehung noch sonstige Widerhandlungen gegen das Steuergesetz vorgeworfen worden sind. Die zu tiefe Veranlagung in den Vorjahren dürfte wohl vielmehr auf ein Versehen bei der Steuerverwaltung zurückzuführen sein, haben doch die Steuerpflichtigen in früheren Steuerjahren jeweils bloss den in der Steuererklärung vorgedruckten Mietwert deklariert und versteuert (vgl. etwa Steuererklärung 2010, Vorakten Steuerverwaltung pag. 46).
3.
Bei diesem Ausgang der Verfahren werden die Beschwerdeführenden kostenpflichtig (Art. 151 StG i.V.m. Art. 108 Abs. 1 VRPG; 145 Abs. 2 i.V.m. Art. 144 Abs. 1 DBG). Parteikosten sind keine zu sprechen (Art. 151 StG i.V.m. Art. 108 und 104 VRPG; Art. 145 Abs. 2 i.V.m. Art. 144 Abs. 4 DBG und Art. 64 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren [VwVG; SR 172.021]).
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 13.01.2014, Nrn. 100.2013.88/89U, Seite 8
Demnach entscheidet der Einzelrichter:
1. Die Beschwerde betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern 2011 wird abgewiesen.
2. Die Beschwerde betreffend die direkte Bundessteuer 2011 wird abgewiesen.
3. Die Kosten der Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, bestimmt auf eine Pauschalgebühr von Fr. 1'500.--, werden den Beschwerdeführenden auferlegt.
4. Es werden keine Parteikosten gesprochen.
5. Zu eröffnen: - den Beschwerdeführenden - der Steuerverwaltung des Kantons Bern - der Steuerrekurskommission des Kantons Bern - der Eidgenössischen Steuerverwaltung
Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:
Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil kann innert 30 Tagen seit Zustellung der schriftlichen Begründung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110) geführt werden. |
doc-9 | (1) Auf Insolvenzverfahren, die vor dem 5. April 2017 eröffnet worden sind, sind vorbehaltlich des Absatzes 2 die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden.
(2) Im Rahmen einer Insolvenzanfechtung entstandene Ansprüche auf Zinsen oder die Herausgabe von Nutzungen unterliegen vor dem 5. April 2017 den bis dahin geltenden Vorschriften. Für die Zeit ab dem 5. April 2017 ist auf diese Ansprüche § 143 Absatz 1 Satz 3 der Insolvenzordnung in der ab dem 5. April 2017 geltenden Fassung anzuwenden.
|
doc-10 | ARCHIVES HISTORIQUES
DE LA COMMISSION
COLLECTION RELIEE DES
DOCUMENTS "COM"
COM (74) 1623
Vol. 1974/0260
---pagebreak--- Disclaimer
Conformément au règlement (CEE, Euratom) n° 354/83 du Conseil du 1er février 1983
concernant l'ouverture au public des archives historiques de la Communauté économique
européenne et de la Communauté européenne de l'énergie atomique (JO L 43 du 15.2.1983,
p. 1), tel que modifié par le règlement (CE, Euratom) n° 1700/2003 du 22 septembre 2003
(JO L 243 du 27.9.2003, p. 1), ce dossier est ouvert au public. Le cas échéant, les documents
classifiés présents dans ce dossier ont été déclassifiés conformément à l'article 5 dudit
règlement.
In accordance with Council Regulation (EEC, Euratom) No 354/83 of 1 February 1983
concerning the opening to the public of the historical archives of the European Economic
Community and the European Atomic Energy Community (OJ L 43, 15.2.1983, p. 1), as
amended by Regulation (EC, Euratom) No 1700/2003 of 22 September 2003 (OJ L 243,
27.9.2003, p. 1), this file is open to the public. Where necessary, classified documents in this
file have been declassified in conformity with Article 5 of the aforementioned regulation.
In Übereinstimmung mit der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 354/83 des Rates vom 1.
Februar 1983 über die Freigabe der historischen Archive der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft (ABI. L 43 vom 15.2.1983,
S. 1), geändert durch die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1700/2003 vom 22. September 2003
(ABI. L 243 vom 27.9.2003, S. 1), ist diese Datei der Öffentlichkeit zugänglich. Soweit
erforderlich, wurden die Verschlusssachen in dieser Datei in Übereinstimmung mit Artikel 5
der genannten Verordnung freigegeben.
---pagebreak--- KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN
KOM(74)1623 endg.
Brussel . den 31 * Oktober 1974
Geänderter Vorschlag einer
EMPFEHLUNG DES RATES
an die Mitgliedstaaten "betreffend die Anwendung des
Grundsatzes der 40-Stunden-Woche und des vierwöchigen
"bezahlten Jahresurlaubs
(gemäß Artikel 149 zweiter Absatz des EWG-Vertrages
von der Kommission dem Bat vorgelegt )
KOMI 74) 1623 endg.
---pagebreak--- GEAÏÏDEHTER
Vorschlag einer Empfehlung des Rates an die Mitglied-Staaten betreffend
die Anwendung des Grundsatzes des 40-Stunden-Woche und des vierwöchigen
"be zahlten Jahresurlaubs
DER RA.T DER EUROPAISCHEN GEMEntfSCHàFTEÎT -
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Geneinschaft , ins
besondere auf Artikel 145 ,
. auf Vorschlag der Komnission,
'nach Stellungnahne des Europäischen Parlanents ,
nach Stellungnahne des Wirt Schaft s- und Sozialausschusses ,
" EMPFIEHLT DE1T MITGLIEDSTAATE1T : , _ r _
in Wege der einzel Staat liehen Gesetzgebung oder, falls erforderlich, der zun
Abschluss von Tarifverträgen führenden engen Zusammenarbeit mit den Sozial-
partnern geeignete . Schritte ,zu unternahmen, un zu gewährleisten, dass
- !
1. – der in -den einzelstaatiichen Recht Svorschrifte'n oder in Tarifver
trägen niedergelegte Grundsatz , denzufolge die nonaale Arbeits
woche 40 Stunden nicht übersteigen darf, in allen Wirt Schaft sbe-
reichen und in der gesamten Geneinschaft bis spätestens 31 * Dezen–
ber 1975 angewandt wird ,
2. - die Arbeitszeit grundsatzlich über fünf Arbeitstage verteilt wird,
wobei , in solchen Bereichen und Zweigen der Wirtschaft Zugeständ
nisse genaebt werden, in denen sich dies aufgrund der Art der
Tätigkeiten für alle Beteiligten als undurchführbar erweist ,
3. - die Anwendung des Grundsatzes der 40-Stunden-Woche zu keiner
Verminderung der Arbeitsverdienste der Arbeitnehmer in der Gemein–
schaft führt ,
4. - für bezahlten Jahresurlaub die Mindestnom von vier Kalenderwochen
in allen Wirt Schaftsbereichen und in der gesanten Geneinschaft bis
31 . Dezenber 1976 eingeführt wird, wobei für alle in den bezahlten
Jahresurlaub fallenden gesetzlichen Feitertage ersatzweise zusätz
liche Urlaubstage zmgewahren sindj
---pagebreak--- /
/
/
-2- /
/
I
/
5» - nötigenfalls die Vorschriften ttber das Urlaubsentgelt geändert
werden, um den Grundsatz des vierwöchigen "bezahlten Jahresurlaubs
Rechnung zu tragen , und dass die Anwendung dieses Grugdäatzes
sich nicht nachteilig auf das UrlaubsgelA des Arbeit snehners
auswirkt *
6. - der Grundsatz der 40-Stunden-lioche und des vierwöchigen bezahlten
Jahresurlaubs bis zum Ablauf der vorgenannten Fristen auf alle
Angehörige des öffentlichen Dienstes angewandt wird,
7. – die Konmission ttber die Anwendung der Empfehlung in alle ihren
; " Punkten laufend unterrichtet wird und ihr zu diesem Zweck Berichte
ttber die Massnahmen zur vollinhaltlichen Anwendung dieser
r '
Empfehlung innerhalb der vorgenannten Fristen vorgelegt werden, ';
8» - die Kommission darüber hinaus über die künftig» Entedeklung in Boreioi,
der Arbeitszeit und des Jahresurlaubs nach Ablauf der vorgesehenen
Fristen unterrichtet wird und die einzelnen Mitgliedstaaten ihr
zu diesem Zweok all jShrlioh zum 1 « Oktober Berichte zuleiten,
die sie einer Übersicht ttber den Stand der Entwicklung auf dem
, Gebiet der Arbeitszeit und des Jahresurlaubs zugrundelegt , die
zusammen mit dem Jahresbericht ttber die Entwicklung der sozialen
Lage in der Gemeinschaft veröffentlicht wird . . .. ;
Geschehen zu Brttssel
In Hanen des Rates
D«r Pråsident
|
doc-11 | Die Annahme darf nicht ausgesprochen werden, wenn ihr überwiegende Interessen der Kinder des Annehmenden oder des Anzunehmenden entgegenstehen oder wenn zu befürchten ist, dass Interessen des Anzunehmenden durch Kinder des Annehmenden gefährdet werden. Vermögensrechtliche Interessen sollen nicht ausschlaggebend sein.
|
doc-12 |
9.12.2019
DE
Amtsblatt der Europäischen Union
C 413/52
Urteil des Gerichts vom 20. September 2019 – Reaktor Group/EUIPO (REAKTOR)
(Rechtssache T-650/18) (1)
(Unionsmarke - Anmeldung der Unionswortmarke REAKTOR - Absolute Eintragungshindernisse - Kein beschreibender Charakter - Unterscheidungskraft - Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung [EU] 2017/1001 - Unmittelbarer und konkreter Zusammenhang mit den von der Markenanmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen)
(2019/C 413/62)
Verfahrenssprache: Finnisch
Parteien
Klägerin: Reaktor Group Oy (Helsinki, Finnland) (Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt L. Laaksonen)
Beklagter: Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) (Prozessbevollmächtigte: K. Kompari)
Gegenstand
Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO vom 27. August 2018 (Sache R 2626/2017-2) zur Anmeldung des Wortzeichens REAKTOR als Unionsmarke
Tenor
1.
Die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 27. August 2018 (Sache R 2626/2017-2) wird aufgehoben, soweit die Beschwerdekammer die Beschwerde der Klägerin auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung 2017/1001 zurückgewiesen hat.
2.
Das EUIPO trägt die Kosten, einschließlich der der Reaktor Group Oy entstandenen, für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendigen Kosten.
(1) ABl. C 16 vom 14.1.2019.
|
doc-13 | Nr. L 141 /40 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 30. 5. 85
VERORDNUNG (EWG) Nr. 1416/85 DER KOMMISSION
vom 29. Mai 1985
zur Aufhebung der Ausgleichsabgabe auf die Einfuhr von bestimmten Apfel
sorten mit Ursprung in Polen
DIE KOMMISSION DER EUROPAISCHEN Verordnung (EWG) Nr. 1035/8 vorgesehenen Bedin
GEMEINSCHAFTEN — gungen für die Aufhebung der Ausgleichsabgabe bei
der Einfuhr von bestimmten Apfelsorten mit
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europä Ursprung in Polen sind daher erfüllt.
ischen Wirtschaftsgemeinschaft,
gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 1035/72 des Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen
Rates vom 18. Mai 1972 über eine gemeinsame Markt entsprechen der Stellungnahme des Verwaltungsaus
schusses für Obst und Gemüse —
organisation für Obst und Gemüse ('), zuletzt geändert
durch die Verordnung (EWG) Nr. 1332/84 (2), insbe
sondere auf Artikel 27 Absatz 2 erster Unterabsatz,
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN :
in Erwägung nachstehender Gründe :
Aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 1281 /85 der Artikel 1
Kommission vom 20. Mai 1985 (3) wird bei der
Einfuhr von bestimmten Apfelsorten mit Ursprung in Die Verordnung (EWG) Nr. 1281 /85 wird aufgehoben.
Polen eine Ausgleichsabgabe vorgesehen.
Für die erzeugnisse mit Ursprung in Polen hat es an Artikel 2
sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen keine Notie
rungen gegeben. Die in Artikel 26 Absatz 1 der Diese Verordnung tritt am 30. Mai 1985 in Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem
Mitgliedstaat.
Brüssel, den 29. Mai 1985
Für die Kommission
Frans ANDRIESSEN
Vizepräsident
(') ABl. Nr. L 118 vom 20. 5. 1972, S. 1 .
(2) ABl. Nr. L 130 vom 16. 5. 1984, S. 1 .
(3) ABl. Nr. L 132 vom 21 . 5. 1985, S. 14.
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doc-14 | (1) Endentscheidungen, die den Versorgungsausgleich betreffen, werden erst mit Rechtskraft wirksam.
(2) Die Endentscheidung ist zu begründen.
(3) Soweit ein Wertausgleich bei der Scheidung nach § 3 Abs. 3, den §§ 6, 18 Abs. 1 oder Abs. 2 oder § 27 des Versorgungsausgleichsgesetzes nicht stattfindet, stellt das Gericht dies in der Beschlussformel fest.
(4) Verbleiben nach dem Wertausgleich bei der Scheidung noch Anrechte für Ausgleichsansprüche nach der Scheidung, benennt das Gericht diese Anrechte in der Begründung.
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doc-15 |
Tenor
Die Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 30. November 2011 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
1
Die Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe (PKH) versagenden Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig ist nicht statthaft und damit gemäß § 202 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 572 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) als unzulässig zu verwerfen.
2
Nach § 172 Abs. 1, § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist die Beschwerde vorliegend ausgeschlossen, denn in der Hauptsache überschreitet der Wert des Beschwerdegegenstandes - der Kläger und Beschwerdeführer wendet sich im Klageverfahren gegen die Ablehnung der Übernahme der Kosten einer Einzugsrenovierung durch den Beklagten und Beschwerdegegner - nicht den Betrag von 750 Euro gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG.
3
Zwar findet gemäß § 172 Abs. 1 SGG gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht (LSG) statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG regelt aber, dass die Vorschriften der ZPO über die PKH entsprechend gelten.
4
Nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist ein Rechtsmittel gegen die Versagung von PKH ausgeschlossen, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag (600 EUR) nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat - was hier nicht der Fall ist - gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint (so im Ergebnis auch: Thüringer LSG, Beschluss vom 30. Juni 2011 - L 9 AS 133/11 B -; Beschluss vom 14. Juli 2008 - L 7 B 19/08 AS -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. Juni 2009 - L 33 R 130/09 B PKH - und vom 29. Februar 2012 - L 14 AS 2248/10 B PKH -; Hessisches LSG, Beschluss vom 6. Juli 2009 - L 9 B 274/08 AS -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008 - L 12 B 18/07 AL - und vom 12. Oktober 2011 - L 15 AS 168/11 B -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Februar 2009 - L 5 B 305/08 AS -; a. A.: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06. Januar 2010 - L 2 R 527/09 B -, Beschluss vom 26. November 2009 - L 11 B 2/07 SB - und vom 06. Mai 2008 - L 6 B 48/08 AS -;Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 10. August 2011 - L 5 KR 213/10 B PKH -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Mai 2010 - L 7 AS 5876/09 B -; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. März 2010 - Az.: L 6 AS 122/10 B -). Dieser durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (Zivilprozessreformgesetz, BGBl. I S. 1887, 1896) mit Wirkung ab dem 01. Januar 2002 eingeführte begrenzte Ausschluss der Beschwerde ist auch von der Verweisung des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG umfasst. Denn diese Verweisung - eingeführt durch das Gesetz über die PKH vom 13. Juni 1980 (BGBl. I 677) - ist als dynamische Verweisung zu verstehen, die die PKH-Vorschriften der ZPO in ihrer jeweiligen Fassung betrifft (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008 - L 12 B 18/07 AL - und vom 12. Oktober 2011 - L 15 AS 168/11 B -). Der Senat gibt insoweit ausdrücklich seine bisherige Rechtsprechung (vgl. Beschluss vom 09. Juni 2008 - L 9 B 117/08 AS - ) auf und geht nunmehr davon aus, dass eine Beschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren gegen einen die PKH versagenden Beschluss nicht statthaft ist, wenn in der Hauptsache ein Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von nicht mehr als 750,00 Euro gegeben ist.
5
Zwar treten im sozialgerichtlichen Verfahren an die Stelle des in § 511 ZPO genannten Betrags die in § 144 Abs. 1 SGG genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen. Den nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgeblichen Beschwerdewert von 750 Euro übersteigt der Wert der Hauptsache hier jedoch nicht. Wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) sind ebenfalls nicht betroffen.
6
Einer entsprechenden Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO steht nicht entgegen, dass mit § 172 Abs. 3 SGG weitere Fallgestaltungen normiert sind, in denen die Beschwerde abweichend von der generellen Regelung des § 172 Abs. 1 SGG ausgeschlossen ist.
7
Dafür, dass die in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG genannte Ausnahme, wonach die Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH ausgeschlossen ist, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint, für den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit abschließend wären, bestehen keine Anhaltspunkte (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. September 2009 - L 20 AS 1322/09 B PKH -; Beschluss vom 29. Februar 2012 - L 14 AS 2248/10 B PKH -). Die Annahme dagegen, aufgrund der Einfügung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG mit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) zum 01. April 2008 könne die Ablehnung von PKH für Klageverfahren durch Beschluss des Sozialgerichts (nunmehr) immer mit der Beschwerde angefochten werden, es sei denn, das Gericht habe ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH verneint, widerspricht dagegen der ausdrücklichen Zielsetzung des Gesetzgebers, die Landessozialgerichte zu entlasten (vgl. BT-Drs. 16/7761, S. 14; so auch Hessisches LSG, Beschluss vom 06. Juli 2009 - L 9 B 274/08 AS -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Februar 2009 - L 5 B 305/08 AS -). Zudem würde diese Annahme zur Folge haben, dass im sozialgerichtlichen Verfahren die Beschwerde gegen eine ablehnende PKH -Entscheidung erster Instanz gerade in der Konstellation uneingeschränkt statthaft wäre, in der § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine Wertgrenze vorsieht (Ablehnung wegen mangelnder Erfolgsaussicht), während sie umgekehrt gerade für den Fall ausgeschlossen wäre, in dem § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO als Ausnahme von der Wertabhängigkeit die uneingeschränkte Statthaftigkeit vorsieht (Ablehnung allein wegen mangelnder persönlicher und wirtschaftlicher Voraussetzungen). Sachliche Gründe für eine Umkehrung der Beschwerdevoraussetzungen (allein) im sozialgerichtlichen Verfahren, wie sie ein Verständnis des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG als abschließender Regelung gegenüber § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zur Folge hätte, sind jedoch nicht erkennbar (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - L 15 AS 168/11 B -; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. November 2009 - L 11 B 2/07 SB -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06. Januar 2010 - L 2 R 527/09 B - zur dort angenommenen unterschiedlichen gesetzgeberischen Gewichtung des Rechtsschutzinteresses des Rechtsschutzsuchenden in sozialgerichtlichen Verfahren im Vergleich zu zivilrechtlichen Verfahren), so dass im Rahmen des SGGArbGGÄndG vom 26. März 2008 lediglich der gesetzgeberische Wille einer nachhaltigen Entlastung der Landessozialgerichte und der Straffung der sozialgerichtlichen Verfahren für das Verständnis der Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG heranzuziehen ist.
8
Gleiches gilt auch für die mit Wirkung zum 11. August 2010 in Kraft getretene Änderung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05. August 2010 (BGBl. I S. 1127), wonach die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes bei einem den Betrag von 750,00 EUR nicht übersteigenden Beschwerdewert nunmehr auch dann ausdrücklich ausgeschlossen ist, wenn sie Entscheidungen über einen PKH-Antrag betrifft. Diese Gesetzesänderung führt nicht dazu, dass die PKH-Beschwerde auch in Klageverfahren bei einer Ablehnung wegen fehlender Erfolgsaussicht generell als zulässig anzusehen ist (ausführlich hierzu: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - L 15 AS 168/11 B -; vgl. auch Hessisches LSG, Beschluss vom 04. Oktober 2010 - L 7 AS 436/10 B -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2010 - L 20 AS 1602/10 B PKH -; a. A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Oktober 2010 - L 25 B 2246/08 AS PKH -). Der Bundesrat hatte zwar im Gesetzgebungsverfahren angeregt, dass ein entsprechender Beschwerdeausschluss auch für die Ablehnung von PKH in Klageverfahren vorgesehen werden sollte (vgl. BT-Drs. 17/1684, S. 22/23). Die Bundesregierung hatte daraufhin in ihrer Gegenäußerung angekündigt, den fraglichen Vorschlag im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen (BT-Drs. 17/1684, S. 25). Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber den vorliegenden Meinungsstreit in Rechtsprechung und Literatur dann jedoch nicht weiter aufgegriffen hat, kann jedenfalls nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber dennoch auch den vom Bundesrat angesprochenen Meinungsstreit über die Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO einer Klärung hat zuführen wollen (a. A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Oktober 2010 - L 25 B 2246/08 AS PKH -). Hier ist letztlich der Gesetzgeber gefordert, den Meinungsstreit im Sinne einer für das gesamte Bundesgebiet einheitlichen Rechtsanwendung einer Lösung zuzuführen oder die Abkehr von der Idee eines auch in Bezug auf das Bewilligungsverfahren einheitlichen Prozesskostenhilferechts über alle Gerichtszweige und Prozessordnungen hinweg hinreichend deutlich zum Ausdruck zu bringen.
9
Unerheblich ist schließlich, dass das SG in der Rechtsmittelbelehrung seines Beschlusses vom 30. November 2011 ausgeführt hat, gegen den Beschluss sei die Beschwerde zum LSG zulässig. Denn es kommt allein auf die objektive Rechtslage an, nicht auf eine (unzutreffende) Rechtsmittelbelehrung.
10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
11
Dieser Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar, § 177 SGG.
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doc-16 | Tenor
1.
Die am 31. August 2001 vor dem Standesbeamten des Standesamtes
L geschlossene und unter Nr. XX eingetragene Ehe der Parteien
wird geschieden.
2.
Das Sorgerecht für das Kind T-Z, geboren am 25. April 2002, bleibt beiden Eltern übertragen, jedoch wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter allein übertragen.
3.
Umgang für T-Z soll nach einer Anordnung des Jugendamtes Dortmund erfolgen.
4.
Die Regelung des Versorgungsausgleichs wird genehmigt, er findet nicht statt.
5.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
1Tatbestand und Entscheidungsgründe:
2I. Ehescheidung:
3Die Parteien, beide deutsche Staatsangehörige, haben am 31.08.2001 geheiratet. Seit dem 28.11.2003 leben die Parteien getrennt. Die Ehefrau ist damals ausgezogen. Sie hält die Trennung für erforderlich, weil der Mann sie mehrfach geschlagen hat.
4Sie beantragt,
5
6 ihre Ehe zu scheiden.
7Der anwaltlich vertretende Antragsgegner beantragt ebenfalls,
8 die Ehe zu scheiden.
9Er trägt vor, er möchte geschieden werden. Er wehrt sich lediglich gegen den Vorwurf, er habe die Ehefrau geschlagen.
10Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Vorbringen der Parteien, den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze und die Anhörungen der Parteien Bezug genommen.
11Gemäß § 1565 Abs. 1 BGB ist die Ehe auf den übereinstimmenden Antrag der Parteien hin zu scheiden, da sie gescheitert ist. Nach § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB ist die Ehe gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wieder herstellen. Dabei kann die Ehe auch schon vor Ablauf eines Trennungsjahres gemäß § 1565 Abs. 2 BGB geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des Antragsgegners liegen, eine unzumutbare Härte darstellt.
12Das Gericht hat die Parteien im Juni und im September 2004 angehört. Der Richter hat die sichere Erkenntnis gewonnen, dass die Parteien nicht mehr miteinander auskommen. Auch in der abschließenden Gerichtsverhandlung haben die Parteien sich vorgeworfen, sie seien schwermütig, sie seien bereit sich oder das gemeinsame Kind zu töten und wechselseitig, sie seien vom anderen körperlich misshandelt worden.
13Das Gericht war nicht in der Lage zuverlässige Kenntnis davon zu gewinnen, ob es tatsächlich zu Körperverletzungen gekommen ist. Jedenfalls ist das Gericht davon sicher überzeugt, dass die Parteien aufgrund ihrer Persönlichkeit nicht mehr miteinander auskommen und berechtigt befürchten, in Gegenwart des anderen Ehegatten bis zur Verzweiflung zu gelangen, die auch in einer Selbsttötung enden könnte. Ein solches Schicksal überschreitet den Rahmen dessen, was im Rahmen einer Ehe hingenommen werden muss. Gemäß § 1565 Abs. 2 BGB hat das Gericht daher die Ehe auf den übereinstimmenden Antrag der Parteien - auch schon vor Ablauf eines Trennungsjahres - geschieden.
14II. Elterliche Sorge:
15Aus der Ehe der Parteien stammt ihre Tochter T-Z I, geboren am 25.04.2002.
16Der Richter hat das kleine Kind am 23.06.2004 angehört.
17Angesichts des geringen Alters war eine verbale Verständigung nicht möglich. Der Richter hat die zuverlässige Überzeugung gewonnen, dass das Kind in der Umgebung der Mutter sich wohlfühlt. Das Gericht folgt daher dem Vorschlag des Jugendamtes und beider Eltern, der Mutter und dem Vater die elterliche Sorge zu belassen, jedoch das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter allein zu übertragen. Die Regelung entspricht dem Wohl des Kindes und dem Vorschlag des Jugendamtes und beider Eltern. Sie entspricht auch § 1671 BGB.
18III. Versorgungsausgleich:
19Anlässlich der Ehescheidung hat das Gericht von Amts wegen den Versorgungsausgleich durchzuführen. Dieser umfasst die Anwartschaft eines jeden Ehegatten auf eine Versorgung wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit, soweit die Anwartschaft in der Ehezeit erworben worden ist. Die gemäß § 1587 Abs. 2 BGB maßgebliche Ehezeit umfasst den Zeitraum vom 01.08.2001 (die Parteien haben im Laufe des August 2001 geheiratet), bis zum 29.02.2004 (der Scheidungsantrag ist im Laufe des Folgemonats zugestellt worden).
20Die Parteien haben nur innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung Anwartschaften erworben. Das Gericht hat die Auskünfte der Versorgungsträger eingeholt. Die LVA Westfalen teilt unter dem 09.07.2004 mit, dass die Ehefrau monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 71,09 Euro gemäß § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 und weitere 1,96 Euro gemäß § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB als Entgeltpunkte Ost erworben hat.
21Demgegenüber hat der Ehemann wertniedrigere Anwartschaften erworben, nämlich 65,54 Euro gemäß Auskunft der LVA Rheinprovinz vom 12.07.2004. Grundsätzlich wäre nunmehr gemäß § 1587 Abs. 1 BGB der Ehemann ausgleichsberechtigt, weil die Ehefrau die werthöheren Anwartschaften erworben hat. Der Ausgleich kann nach dem Gesetz zur Überleitung des Versorgungsausgleichs auf das Beitrittsgebiet durchgeführt werden, weil die ausgleichsverpflichtete Ehefrau mehr Anwartschaften sowohl im Westen sowie im Osten erworben hat.
22Gemäß § 1587 c BGB in Verbindung mit einer Vereinbarung gemäß § 1587 o BGB, die das Gericht hiermit genehmigt, ist der Versorgungsausgleich so stark herabzusetzen, dass er den Wert 0 erreicht. Folglich war der wechselseitige Verzicht des Versorgungsausgleichs zu genehmigen.
23IV. Die Umgangsregelung:
24Gemäß § 1684 BGB hat das Gericht eine Umgangsregelung für T-Z, derzeit zwei Jahre alt, zu treffen. Das Gericht hat die Regelung mit beiden Eltern und dem Vertreter des Jugendamtes erörtert. Das Gericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass angesichts der derzeitig hohen Spannungen zwischen Mutter und Vater eine Umgangsregelung nur in der behüteten und begleiteten Umgebung des Jugendamtes erfolgen kann.
25Folglich hat das Gericht die Durchführung dem Jugendamt Dortmund übertragen.
26V. Kostenentscheidung:
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO.
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doc-17 | Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2} 1B_177/2014
Urteil vom 22. Mai 2014
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Gerichtsschreiber Pfäffli.
Verfahrensbeteiligte
A._,
Beschwerdeführer,
gegen
Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, Klosterhof 1, 9001 St. Gallen.
Gegenstand
Unentgeltliche Rechtspflege,
Beschwerde gegen die Verfügung vom 26. März 2014 des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer.
Erwägungen:
1.
Das Kreisgericht St. Gallen sprach am 9. Dezember 2013 B._ der Beschimpfung schuldig, sah indessen von einer Bestrafung ab. Gleichentags sprach das Kreisgericht C._ von der Anklage der mehrfachen Beschimpfung frei. Das Bezirksgericht wies in beiden Verfahren die vom Privatkläger A._ beantragte Genugtuung von Fr. 500.-- ab.
2.
A._ erklärte in beiden Verfahren mit Eingabe vom 17. Februar 2014 Berufung. Die Strafkammer des Kantonsgericht St. Gallen verfügte am 20. Februar 2014 in beiden Verfahren eine Sicherheitsleistung von je Fr. 800.--. Am 1. März 2014 ersuchte A._ um Fristerstreckung für die Leistung der Sicherheit und stellte ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege in Aussicht. Die Strafkammer gewährte ihm mit Verfügung vom 3. März 2014 die beantragte Fristverlängerung und wies ihn auf die Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege für die Privatklägerschaft gemäss Art. 136 Abs. 1 StPO hin. Daraufhin ersuchte A._ mit Eingaben vom 18. März 2014 in beiden Verfahren um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Die Strafkammer des Kantonsgerichts St. Gallen wies mit Verfügung vom 26. März 2014 das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege in beiden Verfahren ab und setzte A._ eine Notfrist von fünf Tagen zur Leistung der Sicherheit. Die Strafkammer führte zur Begründung zusammenfassend aus, dass im Berufungsverfahren keine Zivilansprüche nach Art. 119 Abs. 2 lit. b StPO mehr geltend gemacht wurden, weshalb die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege nicht gegeben seien.
3.
A._ führt mit Eingabe vom 12. Mai 2014 Beschwerde in Strafsachen gegen die Verfügung der Strafkammer des Kantonsgerichts St. Gallen. Das Bundesgericht verzichtet auf die Einholung von Vernehmlassungen.
4.
Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung einer Beschwerde in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Die Bestimmungen von Art. 95 ff. BGG nennen die vor Bundesgericht zulässigen Beschwerdegründe. Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten gilt der in Art. 106 Abs. 1 BGG verankerte Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen nicht; insofern besteht eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 136 I 49 E. 1.4.1 S. 53, 65 E. 1.3.1 S. 68 mit Hinweisen). Es obliegt dem Beschwerdeführer namentlich darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid gegen die gerügten Grundrechte verstossen soll. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen; auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein.
Der Beschwerdeführer vermag mit seinen Ausführungen nicht aufzuzeigen, inwiefern die Begründung der Strafkammer bzw. die Verfügung selbst rechts- bzw. verfassungswidrig sein sollte. Die Beschwerde genügt daher den gesetzlichen Formerfordernissen offensichtlich nicht, weshalb auf sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 Abs. 1 BGG nicht einzutreten ist.
5.
Auf eine Kostenauflage ist zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache selbst wird das vom Beschwerdeführer gestellte Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.
Demnach erkennt der Präsident:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. Mai 2014
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Pfäffli |
doc-18 | Nr. C 304 / 8 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 21 . 11 . 92
II
(Vorbereitende Rechtsakte)
KOMMISSION
Vorschlag für eine Verordnung des Rates über den Abschluß des Fischereiabkommens zwischen
der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Estland
(92 /C 304 /07)
KOM(92) 431 endg.
( Von der Kommission vorgelegt am 27. Oktober 1992)
DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbeson
dere auf Artikel 43 ,
auf Vorschlag der Kommission,
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments,
in Erwägung nachstehender Gründe :
Die Gemeinschaft und die Republik Estland haben ein Abkommen über ihre Fischereibeziehun
gen ausgehandelt und paraphiert.
Der Abschluß dieses Abkommens liegt im Interesse der Gemeinschaft —
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN :
Artikel 1
Das Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Regierung der
Republik Estland über ihre Fischereibeziehungen wird im Namen der Gemeinschaft genehmigt.
Der Wortlaut des Abkommens ist dieser Verordnung beigefügt.
Artikel 2
Der Präsident des Rates wird ermächtigt, die Personen zu bestellen, die befugt sind, das Ab
kommen in Form eines Briefwechsels für die Gemeinschaft rechtsverbindlich zu unterzeichnen.
Artikel 3
Diese Verordnung tritt am dritten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäi
schen Gemeinschaßen in Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitglied
staat .
|
doc-19 |
Avis juridique important
|
31993R3674
VERORDNUNG (EG) Nr. 3674/93 DER KOMMISSION vom 21. Dezember 1993 zur Festlegung der den Sektor Schweinefleisch betreffenden Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EWG) Nr. 3834/90 des Rates zur Senkung der Abschöpfungen bei bestimmten Agrarerzeugnissen mit Ursprung in Entwicklungsländern für den Zeitraum vom 1 Januar bis zum 30. Juni 1994
Amtsblatt Nr. L 338 vom 31/12/1993 S. 0050 - 0053
VERORDNUNG (EG) Nr. 3674/93 DER KOMMISSION vom 21. Dezember 1993 zur Festlegung der den Sektor Schweinefleisch betreffenden Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EWG) Nr. 3834/90 des Rates zur Senkung der Abschöpfungen bei bestimmten Agrarerzeugnissen mit Ursprung in Entwicklungsländern für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 1994 DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN - gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 3834/90 des Rates vom 20. Dezember 1990 zur Senkung der Abschöpfungen bei bestimmten Agrarerzeugnissen mit Ursprung in Entwicklungsländern im Jahr 1991 (1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 1028/93 (2), gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 2759/75 des Rates vom 29. Oktober 1975 über die gemeinsame Marktorganisation für Schweinefleisch (3), zuletzt geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 1249/89 (4), insbesondere auf Artikel 22, in Erwägung nachstehender Gründe: Mit der Verordnung (EWG) Nr. 3834/90 wurde die Senkung der Einfuhrabschöpfungen bei bestimmten Schweinefleisch-, Gefluegelfleisch- und Getreideerzeugnissen geregelt. Mit der Verordnung (EG) Nr. 3667/93 des Rates (5) wurde die Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 3834/90 auf den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 1994 verlängert. Hinsichtlich der Schweinefleischerzeugnisse sind, um die Marktverwaltung der betreffenden festen Beträge zu ermöglichen, die Durchführungsbestimmungen zu der genannten Verordnung zu erlassen. Es handelt sich dabei um Ergänzungen bzw. Abweichungen von der Verordnung (EWG) Nr. 3719/88 der Kommission vom 16. November 1988 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Einfuhr- und Ausfuhrlizenzen sowie Vorausfestsetzungsbescheinigungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse (6), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 3519/93 (7). Um die ordnungsgemässe Verwaltung der auf die festen Beträge fallenden Mengen sicherzustellen, ist einerseits dem Antrag auf Erteilung der Einfuhrlizenz der Nachweis für die Leistung einer Sicherheit beizufügen und andererseits sind bestimmte Bedingungen betreffend die Antragstellung der Lizenzen festzulegen, insbesondere was die aufgrund der begrenzten Mengen, die im Rahmen dieses Verfahrens zur Verfügung stehen, notwendige Beschränkung der Beteiligten betrifft, die Lizenzen beantragen können. Ausserdem sind die festen Beträge auf das Jahr aufzuteilen und das Verfahren für die Erteilung der Lizenzen sowie deren Gültigkeitsdauer festzulegen. Die Gültigkeitsdauer der Lizenzen muß auf den 30. Juni 1994 begrenzt werden. Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Verwaltungsausschusses für Schweinefleisch - HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN: Artikel 1 Für jede gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 3834/90 getätigte Einfuhr in die Gemeinschaft von Erzeugnissen, die unter die im Anhang derselben Verordnung genannten laufenden Nummern 59.0010, 59.0040, 59.0060, 59.0070 und 59.0080 fallen, ist eine Einfuhrlizenz vorzulegen. Artikel 2 Die unter den laufenden Nummern 59.0010, 59.0040, 59.0060, 59.0070 und 59.0080 genannten, auf die festen Beträge entfallenden Mengen werden auf das Jahr wie folgt aufgeteilt: - 50 % für den Zeitraum 1. Januar bis 31. März 1994, - 50 % für den Zeitraum 1. April bis 30. Juni 1994. Artikel 3 Um die mit der Verordnung (EWG) Nr. 3834/90 vorgesehene Einfuhrregelung in Anspruch nehmen zu können, gilt folgendes: a) Der Antragsteller muß eine natürliche oder juristische Person sein, die bei Einreichung des Lizenzantrags den zuständigen Behörde der Mitgliedstaaten gegenüber nachweisen kann, daß sie seit mindestens zwölf Monaten eine Handelstätigkeit mit Drittländern im Schweinefleischsektor ausübt. Einzelhändler oder Gaststätten, die ihre Erzeugnisse an Endverbraucher unmittelbar verkaufen, sind jedoch von dieser Regelung ausgeschlossen. b) Der Lizenzantrag darf sich nur auf eine der im Anhang der Verordnung (EWG) Nr. 3834/90 genannten laufenden Nummern 59.0010, 59.0040, 59.0060, 59.0070 und 59.0080 beziehen. Er darf sich auf mehrere unter verschiedene KN-Codes fallende und aus einem einzigen Entwicklungsland stammende Erzeugnisse beziehen. Sämtliche KN-Codes sind dann in Feld 16 auszuweisen, und ihre Bezeichnung ist in Feld 15 anzugeben. Jeder Antragsteller kann jedoch höchstens zwei Anträge auf Einfuhrlizenzen für unter eine einzige laufende Nummer fallende Erzeugnisse stellen, wenn diese Erzeugnisse aus zwei Entwicklungsländern stammen. Beide Anträge, die jeweils nur ein einziges Ursprungsland betreffen, müssen bei der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats gleichzeitig eingereicht werden. Sie gelten sowohl hinsichtlich der im dritten Unterabsatz genannten Hoechstmenge als auch hinsichtlich der Anwendung der in Artikel 4 Absatz 2 enthaltenen Regel als ein einziger Antrag. Der Lizenzantrag ist für mindestens eine Tonne und höchstens für 25 % der Menge zu stellen, die für die betreffende laufende Nummer und für den Zeitraum gemäß Artikel 2, für welchen der Lizenzantrag vorgelegt wird, verfügbar ist. Für die laufenden Nummern 59.0060 und 59.0080 beträgt diese Hoechstmenge jedoch 50 %. c) In dem Lizenzantrag und in Feld 8 der Lizenz ist das Ursprungsland zu vermerken; die Lizenz verpflichtet zur Einfuhr aus dem angegebenen Land. d) In dem Lizenzantrag und in Feld 20 der Lizenz ist eine der nachstehenden Angaben zu machen: Producto SPG, Reglamento (CE) no 3674/93 GPO-varer, forordning (EF) nr. 3674/93 APS-Erzeugnis, Verordnung (EG) Nr. 3674/93 Proion SPG, Kanonismos (EK) arith. 3674/93 SPG-product, Regulation (EC) No 3674/93 Produit SPG, règlement (CE) no 3674/93 Prodotto SPG, regolamento (CE) n. 3674/93 APS-produkt, Verordening (EG) nr. 3674/93 Produto SPG, regulamento (CE) nº 3674/93. e) Feld 24 der Lizenz enthält einen der folgenden Vermerke: Exacción reguladora reducida en un 50 % Nedsättelse af importafgiften med 50 % Ermässigung der Abschöpfung um 50 % Meiomeni eisfora kata 50 % 50 % levy reduction Prélèvement réduit de 50 % Prelievo ridotto del 50 % Met 50 % verlaagde heffing Direito nivelador reduzido de 50 %. Artikel 4 (1) Die Lizenzanträge können nur in den ersten zehn Tagen des jeweiligen Zeitraums gemäß Artikel 2 gestellt werden. (2) Lizenzanträge sind nur gültig, wenn der Antragsteller schriftlich erklärt, daß er weder in dem Mitgliedstaat der Antragstellung noch in einem anderen Mitgliedstaat Anträge gestellt hat oder stellen wird, die die Erzeugnisse derselben laufenden Nummer betreffen. Falls ein Antragsteller mehrere Anträge bezueglich derselben laufenden Nummer gestellt hat, sind alle diese Anträge unzulässig. (3) Die Mitgliedstaaten melden der Kommission am dritten Arbeitstag nach dem Ende der Antragsfrist die für jedes unter ein und dieselbe laufende Nummer fallende Erzeugnis gestellten Anträge. Diese Mitteilung schließt die Liste der Antragsteller, die beantragten Mengen je laufende Nummer und die Ursprungsländer ein. Diese Mitteilungen sind, auch wenn gemäß dem Muster in Anhang I, wenn kein Antrag vorliegt, oder gemäß dem Muster in den Anhängen I und II, wenn Anträge gestellt worden sind, fernschriftlich durchzugeben. (4) Die Kommission beschließt innerhalb kurzer Frist, in welchem Umfang den in Artikel 3 genannten Anträgen stattgegeben werden kann. Sind die auf die Anträge entfallenden Mengen insgesamt grösser als die verfügbare Menge, so setzt die Kommission einen einheitlichen Satz fest, um den die beantragten Mengen verringert werden. Ist die auf die Anträge entfallende Menge insgesamt kleiner als die verfügbare Menge, so bestimmt die Kommission die Restmenge, die der im folgenden Zeitraum verfügbaren Menge hinzugefügt wird. (5) Nach dem Beschluß durch die Kommission werden die Lizenzen schnellstmöglich erteilt. (6) Die erteilten Lizenzen sind in der gesamten Gemeinschaft gültig. Artikel 5 In Anwendung von Artikel 21 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3719/88 beläuft sich die Gültigkeitsdauer der Einfuhrlizenzen, vom Tag ihrer tatsächlichen Ausstellung an gerechnet, auf 90 Tage. Die Gültigkeitsdauer der Lizenzen endet jedoch spätestens am 30. Juni des Erteilungsjahres. Die aufgrund der vorliegenden Verordnung ausgestellten Einfuhrlizenzen sind nicht übertragbar. Artikel 6 Den Lizenzanträgen ist für jedes der in Artikel 1 genannten Erzeugnisse die Bescheinigung für die Leistung einer Sicherheit von 30 ECU/100 kg beizufügen. Artikel 7 Unbeschadet der vorliegenden Verordnung gilt die Verordnung (EWG) Nr. 3719/88. Abweichend von Artikel 8 Absatz 4 der genannten Verordnung darf die im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 3834/90 eingeführte Menge jedoch nicht grösser sein als die, die in den Feldern 17 und 18 der Einfuhrlizenz vermerkt ist. Zu diesem Zweck ist in Feld 19 derselben Lizenz die Ziffer 0 einzutragen. Artikel 8 Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1994 in Kraft. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Brüssel, den 21. Dezember 1993 Für die Kommission René STEICHEN Mitglied der Kommission (1) ABl. Nr. L 370 vom 31. 12. 1990, S. 121. (2) ABl. Nr. L 108 vom 1. 5. 1993, S. 1. (3) ABl. Nr. L 282 vom 1. 11. 1975, S. 1. (4) ABl. Nr. L 129 vom 11. 5. 1989, S. 12. (5) Siehe Seite 1 dieses Amtsblatts. (6) ABl. Nr. L 331 vom 2. 12. 1988, S. 1. (7) ABl. Nr. L 320 vom 22. 12. 1993, S. 16. ANHANG I ANHANG II
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doc-20 | Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2005 - Publikationsplattform
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St.Galler Gerichte
Fall-Nr.: B 2005/141
Stelle: Verwaltungsgericht
Rubrik: Verwaltungsgericht
Publikationsdatum: 25.10.2005
Entscheiddatum: 25.10.2005
Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2005 Ausländerrecht, Art. 4 und Art. 17 Abs. 2 ANAG (SR 142.20). Mit der Trennung der Ehe fällt der Rechtsanspruch des ausländischen Ehegatten einer in der Schweiz niedergelassenen Ausländerin dahin. Rechtmässigkeit der Verweigerung der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung aufgrund der konkreten Umstände (Verwaltungsgericht, B 2005/141).
Anwesend: Präsident Prof. Dr. U. Cavelti; Verwaltungsrichter Dr. E. Oesch-Frischkopf,
lic. iur. A. Linder, Dr. B. Heer, lic. iur. A. Rufener; Gerichtsschreiber lic. iur. Th. Vögeli
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In Sachen
D.C.,
Beschwerdeführer,
gegen
Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen,
Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen,
Vorinstanz,
betreffend
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Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung
hat das Verwaltungsgericht festgestellt:
A./ D.C., geboren 1975, ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina. Er
heiratete am 27. Juli 2002 in seinem Heimatstaat seine Landsfrau Jasmina F., geboren
1981. Die Ehefrau ist in St. Margrethen wohnhaft und verfügt über eine
Niederlassungsbewilligung. Am 9. Februar 2003 reiste D.C. in die Schweiz ein und
erhielt aufgrund der Eheschliessung mit einer Niedergelassenen eine
Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des Familiennachzugs.
Im Mai 2003 trennten sich die Eheleute vorübergehend, und seit November 2004 leben
sie definitiv getrennt.
Mit Verfügung vom 9. Mai 2005 wies das Ausländeramt das Gesuch von D.C. um
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab mit der Begründung, die eheliche
Gemeinschaft bestehe nicht mehr.
B./ Gegen die Verfügung des Ausländeramts erhob D.C. durch seinen Rechtsvertreter
Rekurs, der vom Justiz- und Polizeidepartement mit Entscheid vom 22. Juli 2005
abgewiesen wurde.
C./ Mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 29. Juli 2005 erhob D.C. Beschwerde
beim Verwaltungsgericht mit dem Antrag, der Rekursentscheid vom 22. Juli 2005 bzw.
die Verfügung des Ausländeramts vom 9. Mai 2005 seien vollumfänglich aufzuheben
und es sei die Aufenthaltsbewilligung ordentlich zu verlängern, eventualiter sei die
Prozedur zu weiteren Abklärungen zurückzuweisen, unter Kosten- und
Entschädigungsfolge.
Am 29. August 2005 teilte der Rechtsvertreter mit, er vertrete den Beschwerdeführer
nicht mehr.
In seiner Beschwerdeergänzung vom 31. August 2005 hielt der Beschwerdeführer an
den in der Beschwerdeerklärung seines Rechtsvertreters gestellten Anträgen fest. Auf
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die einzelnen Vorbringen wird, soweit wesentlich, in den nachstehenden Erwägungen
eingegangen.
Die Vorinstanz schliesst in ihrer Vernehmlassung vom 9. September 2005 unter Hinweis
auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheids auf Abweisung der Beschwerde.
Darüber wird in Erwägung gezogen:
1./ Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ist gegeben (Art. 59bis Abs. 1
des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, abgekürzt VRP). Der
Beschwerdeführer ist zur Ergreifung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 64 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 VRP). Die Beschwerdeeingaben vom 29. Juli und 31.
August 2005 entsprechen zeitlich, formal und inhaltlich den gesetzlichen
Anforderungen (Art. 64 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 und 2
VRP). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2./ Nach Art. 17 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der
Ausländer (SR 142.20, abgekürzt ANAG) hat der Ehegatte einer in der Schweiz
niedergelassenen Ausländerin Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung, solange die Ehegatten zusammen wohnen. Der
Rechtsanspruch des ausländischen Ehegatten eines in der Schweiz niedergelassenen
Ausländers besteht also nur solange, als die Ehegatten nicht getrennt leben oder
geschieden sind.
Im vorliegenden Fall leben die Ehegatten unbestrittenermassen getrennt. Der
Beschwerdeführer hält selber fest, sie hätten lediglich rund eindreiviertel Jahre
zusammen gewohnt. Er kann somit keinen Anspruch nach Art. 17 Abs. 2 ANAG auf
Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung geltend machen. Auch aus
anderen gesetzlichen Bestimmungen oder aus Staatsverträgen kann er kein
Aufenthaltsrecht in der Schweiz beanspruchen.
Der Entscheid über die Verlängerung der Bewilligung lag somit im pflichtgemässen
Ermessen des Ausländeramts (Art. 4 ANAG). Da der Beschwerdeführer weniger als drei
Jahre in der Schweiz lebt, die eheliche Gemeinschaft mit einer Niedergelassenen
lediglich rund eindreiviertel Jahre bestand, die Ehe kinderlos blieb, weder in
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wirtschaftlicher und arbeitsmarktlicher Hinsicht noch aufgrund der Umstände der
Ehetrennung Gründe für eine Verlängerung der Bewilligung bestehen und eine
Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten
verbunden ist, kann die Verweigerung der Bewilligung aufgrund der ständigen Praxis
des Verwaltungsgerichts (vgl. statt vieler VerwGE vom 25. Januar 2005 i.S. D.H.,
publiziert in: www.gerichte.sg.ch) nicht als Missbrauch oder Ueberschreitung des
Ermessens qualifiziert werden. Es kann in diesem Zusammenhang vollumfänglich auf
die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid (E. 2a bis 2c) verwiesen
werden. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist daher
abzuweisen.
3./ Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die amtlichen Kosten des
Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 95 Abs. 1 VRP). Eine
Entscheidgebühr von Fr. 2'000.-- ist angemessen (Ziff. 382 Gerichtskostentarif, sGS
941.12). Sie ist mit dem geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe zu verrechnen.
Ausseramtliche Kosten sind nicht zu entschädigen (Art. 98bis VRP)
Demnach hat das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt:
1./ Die Beschwerde wird abgewiesen.
2./ Die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 2'000.-- bezahlt der
Beschwerdeführer unter Verrechnung des Kostenvorschusses in gleicher Höhe.
3./ Ausseramtliche Kosten werden nicht entschädigt.
V. R. W.
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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Zustellung dieses Entscheides an:
den Beschwerdeführer–
die Vorinstanz–
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doc-21 | {"","Title
Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversiche-
rungsrecht
vom 13. September 2018 (720 18 66 / 246)
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Invalidenversicherung
IV-Rente: Würdigung der medizinischen Unterlagen
Besetzung Präsidentin Doris Vollenweider, Kantonsrichter Jgnaz Jermann, Kan-
tonsrichter Christof Enderle, Gerichtsschreiber i.V. Robert Schibli
Parteien A._, Beschwerdeführerin, vertreten durch Daniel Altermatt, Rechtsanwalt, Neuarlesheimerstrasse 15, Postfach 435, 4143 Dornach
gegen
IV-Stelle Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, 4102 Binningen, Beschwerdegegnerin","Betreff IV-Rente
A. Die 1965 geborene A._ war zuletzt bis zum 31. Mai 2017 bei der B._ als Food angestellt. Aufgrund zunehmender Schulterbeschwerden war sie ab 13. 2015 teilweise respektive vollumfänglich arbeitsunfähig. A._ meldete sich am 12. August 2015 bei der Eidgenössischen Invalidenversicherung (IV) zum Bezug von Leistungen an. Nach Abklärung der erwerblichen und gesundheitlichen Verhältnisse wurde A._ mit Verfügung vom 16. Januar 2018 eine befristete ganze IV-Rente vom 1. März 2016 bis 31. Juli 2016 und eine befristete halbe IV-Rente vom 1. August 2016 bis 31. Dezember 2016 zugesprochen eines Invaliditätsgrades von 100 % respektive 52 %.
Seite 2 http://www.bl.ch/kantonsgericht
B. A._ erhob, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Altermatt, am 16. Februar 2018 beim Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht (). Darin beantragte sie, die Verfügung vom 16. Januar 2018 sei aufzuheben und es sei ihr eine unbefristete ganze IV-Rente zuzusprechen; unter o/e-Kostenfolge. Zudem sei der Sachverhalt ungenügend abgeklärt worden, weshalb ein gerichtliches Gutachten beantragt werde.
C. Die Beschwerdegegnerin schloss in ihrer Vernehmlassung vom 19. April 2018 auf der Beschwerde.
D. Mit Replik vom 4. Juli 2018 hielt die Beschwerdeführerin an den Rechtsbegehren und Ausführungen gemäss der Beschwerde vom 16. Februar 2018 fest. Die Beschwerdegegnerin verzichtete auf die Einreichung einer Duplik.","Das Kantonsgericht zieht i n E r w ä g u n g :
1. Gemäss Art. 69 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG) vom 19. Juni 1959 können Verfügungen der kantonalen IV-Stellen direkt vor dem am Ort der IV-Stelle angefochten werden. Anfechtungsobjekt des vorliegenden Verfahrens bildet eine Verfügung der IV-Stelle Basel-Landschaft, sodass die örtliche des Kantonsgerichts Basel-Landschaft zu bejahen ist. Laut § 54 Abs. 1 lit. b des Gesetzes über die Verfassungs- und Verwaltungsprozessordnung (VPO) vom 16. Dezember 1993 das Kantonsgericht als Versicherungsgericht als einzige gerichtliche Instanz des Kantons Beschwerden gegen Verfügungen der kantonalen IV-Stelle. Es ist somit auch sachlich zur der vorliegenden Beschwerde zuständig. Auf die – im Übrigen frist- und formgerecht erhobene – Beschwerde der Versicherten vom 16. Februar 2018 ist demnach einzutreten.
2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine unbefristete hat.
2.1 Anspruch auf eine Rente haben nach Art. 28 Abs. 1 IVG Versicherte, die ihre oder ihre Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare wieder herstellen, erhalten oder verbessern können (lit. a), während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40% arbeitsunfähig gewesen sind (lit. b) und nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40% invalid sind (lit . c).
2.2 Nach Art. 6 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des (ATSG) vom 6. Oktober 2000 ist die Arbeitsunfähigkeit die durch eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit bedingte, volle oder teilweise , im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich zumutbare Arbeit zu leisten (Satz 1). Bei langer Dauer wird auch die zumutbare Tätigkeit in einem andern Beruf oder Aufgabenbereich berücksichtigt (Satz 2). Als Invalidität gilt nach Art. 8 ATSG die voraussichtlich bleibende oder
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längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit. Sie kann im IV-Bereich Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall sein (Art. 4 Abs. 1 IVG). Unter Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarkt zu verstehen (Art. 7 Abs. 1 ATSG). Für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit sind nach Art. 7 Abs. 2 ATSG ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen (Satz 1). Eine Erwerbsunfähigkeit liegt zudem nur vor, wenn sie aus Sicht nicht überwindbar ist (Satz 2).
2.3 Gemäss Art. 28 Abs. 2 IVG wird die Rente nach dem Grad der Invalidität wie folgt : Die versicherte Person hat Anspruch auf eine ganze Rente, wenn sie zu mindestens 70 %, auf eine Dreiviertelsrente, wenn sie zu mindestens 60 %, auf eine halbe Rente, wenn sie zu mindestens 50 % und auf eine Viertelsrente, wenn sie zu mindestens 40 % invalid ist.
2.4 Für die Bemessung der Invalidität von erwerbstätigen Versicherten ist Art. 16 ATSG (Art. 28a Abs. 1 IVG). Danach wird für die Bestimmung des Invaliditätsgrades das , das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen). Der Einkommensvergleich hat in der Regel in der Weise zu erfolgen, dass die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen ziffernmässig möglichst genau ermittelt und einander gegenübergestellt werden. Aus der Einkommensdifferenz lässt sich der Invaliditätsgrad bestimmen (allgemeine Methode des Einkommensvergleichs; BGE 128 V 30 E. 1).
3. Ausgangspunkt der Ermittlung des Invaliditätsgrades im Erwerbsbereich bildet die , in welchem Ausmass die versicherte Person aufgrund ihrer gesundheitlichen arbeitsunfähig ist.
3.1 Bei der Feststellung des Gesundheitszustandes und insbesondere auch bei der der Arbeitsfähigkeit der versicherten Person ist die Verwaltung (und im Beschwerdefall das Gericht) auf Unterlagen angewiesen, die ärztliche und gegebenenfalls auch andere Fachleute zur Verfügung zu stellen haben. Aufgabe des Arztes oder der Ärztin ist es, den zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Im Weiteren sind die ärztlichen Auskünfte eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der Frage, welche Arbeitsleistungen der Person noch zugemutet werden können (BGE 132 V 99 E. 4 mit weiteren Hinweisen).
3.2 Das Gericht hat die medizinischen Unterlagen nach dem für den gültigen Grundsatz der freien Beweiswürdigung (vgl. Art. 61 lit. c ATSG) – wie alle Beweismittel – frei, d.h. ohne Bindung an förmliche Beweisregeln, sowie umfassend und pflichtgemäss zu würdigen. Dies bedeutet, dass das Sozialversicherungsgericht alle Beweismit-
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tel, unabhängig, von wem sie stammen, objektiv zu prüfen und danach zu entscheiden hat, ob die verfügbaren Unterlagen eine zuverlässige Beurteilung des streitigen Rechtsanspruchs . Insbesondere darf es bei einander widersprechenden medizinischen Berichten den Prozess nicht erledigen, ohne das gesamte Beweismaterial zu würdigen und die Gründe , warum es auf die eine und nicht auf die andere medizinische These abstellt. Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist demnach entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Expertin oder des Experten begründet sind (BGE 134 V 232 E. 5.1, 125 V 352 E. 3a, 122 V 160 E. 1c).
3.3 Dennoch erachtet es die bundesgerichtliche Rechtsprechung mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung als vereinbar, in Bezug auf bestimmte Formen medizinischer Berichte und Gutachten Richtlinien für die Beweiswürdigung aufzustellen (vgl. die ausführliche dieser Richtlinien in BGE 125 V 352 E. 3b mit zahlreichen Hinweisen; vgl. dazu auch BGE 135 V 469 f. E. 4.4 und 4.5). So kommt beispielsweise Berichten und Gutachten Fachpersonen nicht derselbe Beweiswert zu wie einem im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholten Gutachten externer Fachpersonen oder gar wie einem . An die Beweiswürdigung sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen, wenn ein ohne Einholung eines externen Gutachtens entschieden werden soll. Bestehen auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der versicherungsinternen ärztlichen Feststellungen, so sind ergänzende Abklärungen vorzunehmen (BGE 135 V 470 E. 4.4 am Ende, mit Hinweis; Urteil des Bundesgerichts vom 26. März 2015, 8C_879/2014, E. 5.3).
3.4 In Bezug auf Berichte von behandelnden Ärzten darf und soll das Gericht der Rechnung tragen, dass diese mitunter im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche Vertrauensstellung in Zweifelsfällen eher zu Gunsten ihrer Patientinnen und Patienten (BGE 125 V 353 E. 3b/cc). Die unterschiedliche Natur von Behandlungsauftrag des tätigen (Fach-)Arztes einerseits und von Begutachtungsauftrag des amtlich bestellten fachmedizinischen Experten anderseits (vgl. BGE 124 I 175 E. 4; Urteil des damaligen Versicherungsgerichts [EVG; heute: Bundesgericht, sozialrechtliche Abteilungen] vom 13. Juni 2001, I 506/00, E. 2b) lässt nicht zu, ein Administrativ- oder Gerichtsgutachten stets in Frage zu stellen und zum Anlass weiterer Abklärungen zu nehmen, wenn die Ärzte zu anderslautenden Einschätzungen gelangen. Vorbehalten bleiben Fälle, in sich eine abweichende Beurteilung aufdrängt, weil die behandelnden Ärzte wichtige - und nicht rein subjektiver ärztlicher Interpretation entspringende - Aspekte benennen, die im der Begutachtung unerkannt oder ungewürdigt geblieben sind (vgl. Urteil des vom 25. Mai 2007, I 514/06, E. 2.2.1, mit Hinweisen).
4. Im vorliegenden Fall sind für die Beurteilung des medizinischen Sachverhalts im folgende entscheidrelevanten Berichte wiederzugeben:
Seite 5 http://www.bl.ch/kantonsgericht
4.1 Dr. med. C._, FMH Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des , diagnostizierte am 13. September 2016 eine persistierende Bicepssehnendinopathie sowie eine muskuläre Schwäche rechts bei St. n. Schulterarthroskopie, offener Acromioplastik, Rotatorenmanschetten-Rekonstruktion und Bicepstenodese am 20. April 2015 und ein subacromiales Impingement in der Schulter links mit/bei St. n. Schulterarthroskopie links am 13. Januar 2016 mit Acromioplastik und asympomatische ACG-Arthrose bei St. nach . Die Versicherte sei in ihrer angestammten Tätigkeit höchstens zu 50 % . Sie sei eingeschränkt für repetitive Tätigkeiten bezüglich beider Schultern. Zudem sollte das Tragen von 5 kg über Schulterebene, Heben von Lasten bis 2 kg über Schulterebene und Heben von Lasten ab 10 kg bis Hüfthöhe nur selten erfolgen. Die Beschwerdeführerin könne Büroarbeiten ausführen, wobei Lasten bis 5 kg bis Schulterebene ca. vier Mal pro Stunde werden könnten. Bei der Bürotätigkeit sei darauf zu achten, dass die Versicherte ca. alle 30 Minuten aufstehen könne, um die Schultern für 10 Minuten zu lockern. Hier sei eine von 100 % mit einer 80%igen Leistungsfähigkeit gegeben.
4.2 Am 9. November 2016 diagnostizierte Dr. med. D._, FMH Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, eine partielle Schultersteife links mehr als rechts mit Muskelschwäche bei St. n. Schulterarthroskopie rechts, offene Acromioplastik, -Rekonstruktion und Bicepstenodese am 20. April 2015, St. n. Schulter-AS am 13. Januar 2016 mit Akromioplastik sowie eine Kontusion am Thorax links nach Sturz aus Höhe am 17. Oktober 2016. Er stellte eine gute Prognose, wenn ein intensiver Kraftaufbau erfolge. Hinsichtlich der angestammten Tätigkeit ohne Überkopfarbeit und mit einer im Heben und Tragen von Lasten nur bis Schulterhöhe hielt er ab 19. April 2016 eine 50%-ige Arbeitsunfähigkeit fest. Für leichte Tätigkeiten wie Büroarbeiten sei die Versicherte zu 100 % arbeitsunfähig mit einer 80%igen Leistungsfähigkeit und mit einem 10-minütigen für Schulterlockerungsübungen alle 30 Minuten.
4.3 Gemäss dem Bericht von Dr. med. E._, FMH Orthopädische Chirurgie und des Bewegungsapparates, Regionaler ärztlicher Dienst (RAD) beider Basel, vom 18. Januar 2017 sei eine massgebliche allerdings zeitlich befristete Einschränkung der beidseits (Belastbarkeit, Abduktion) nachvollziehbar, wobei jedoch eine positive Prognose bezüglich Wiedereinstieg in die aktuelle Tätigkeit als Verkäuferin gestellt werde. Der Beschwerdeführerin sei demzufolge nach schrittweiser Steigerung voraussichtlich ab 1. März 2017 wieder eine unlimitierte Arbeitsfähigkeit als Verkäuferin zumutbar. Hinsichtlich einer leidensangepassten Verweistätigkeit mit Belastungsprofil ohne Überkopfarbeiten und Schulterschonprofil sei die Versicherte ab 19. April 2016 bis 12. September 2016 zu 50 % und ab 13. September 2016 zu 100 % arbeitsfähig mit einer 20%igen Leistungsminderung.
4.4 Dr. C._ stellte am 17. März 2017 dieselben Diagnosen wie in seinem Bericht vom 13. September 2016. Die Prognose sei weiterhin sehr gut. Die Beschwerdeführerin werde in 3-6 Monaten wieder in ihrem angestammten Beruf arbeitsfähig sein. Bezüglich der Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit wie auch der leidensangepassten Verweistätigkeit werde an den Einschätzungen vom 13. September 2016 festgehalten.
Seite 6 http://www.bl.ch/kantonsgericht
4.5 Dr. med. univ. F._, FMH Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, und Dr. med. G._, FMH Chirurgie, hielten in ihrem Bericht vom 19. April 2017 einen St. n. rechts vom 20. April 2015 mit offener Acromionplastik, und Bizepssehnentenodese sowie einen Verdacht auf Arthrofibrose und links bei St. n. Schulterarthroskopie links vom 13. Januar 2016 mit fest. Anamnestisch wurde festgehalten, dass die Beschwerdeführerin jeweils im Vergleich vor und nach der jeweiligen Operation (im Jahr 2015 und 2016) eine Besserung habe. Insgesamt habe die Versicherte aber noch Restbeschwerden. Die damit Leistungsminderung habe zum Verlust der Arbeitsstelle geführt. Gemäss dem aktuellen klinischen Befund des linken Schultergelenkes vom 18. April 2017 sei eine aktive Flexion und Adduktion auf 180 Grad möglich, über die letzten 30-40 Grad schmerzhaft. Das AC-Gelenk sei druckschmerzhaft, das Schulterrelief unauffällig und die Halswirbelsäule aktuell ohne . Es werde am ehesten von einer gering- bis mittelgradig postoperativ aufgetretenen Arthrofibrose ausgegangen. Eine SLAP-Läsion könne mit letzter Gewissheit nicht werden. Auch das AC-Gelenk sei deutlich schmerzhaft. Eine leichte Tendinose des der Suprasinatussehne lasse sich in den Arthro-MRI-Bildern ebenfalls darstellen. Mit der Versicherten sei man übereingekommen, dass vorerst keine weiteren Infiltrationen mehr werden und es sei ausserdem die Möglichkeit einer arthroskopischen Revision worden. Im Jahre 2015 sei bereits eine fachärztliche neurologische Untersuchung worden. Nachdem die Versicherte nach wie vor über Kribbelparäthesien über den beider Hände berichtet hatte, könnte eine neue neurologische Verlaufskontrolle mehr bringen.
4.6 Mit Bericht vom 5. Juli 2017 hielt Dr. med. H._, FMH Neurologie, fest, dass es aus neuropsychologischer Sicht im Gespräch mit der Versicherten keine Auffälligkeit gegeben habe. Ebenso sei der psychomotorische Status unauffällig. Die von der Versicherten angegebenen Gefühlsstörungen in der rechten Hand, die zu ungewolltem Fallenlassen von Gegenständen aus der rechten Hand ca. einmal pro Woche, meist bei Stresssituationen, führen würden, seien am ehesten auf eine Plexus-Irritation im Rahmen der bekannten Schulterproblematik . Die seit März 2017 auftretenden rezidivierenden Episoden mit Sehstörungen (schwarze Punkte) verbunden mit starken Kopfschmerzen seien am ehesten im Rahmen einer Migräne mit visueller Aura einzuordnen. Die von der Versicherten beklagte Vergesslichkeit könnte zunächst auf eine depressive Stimmungslage zurückgeführt werden. Im Gespräch seien aktuell jedoch keine Anhaltspunkte für eine relevante kognitive Beeinträchtigung erkennbar gewesen.
4.7 Am 3. Oktober 2017 nahm Dr. E._ zu den ärztlichen Berichten von Dr. F._ und Dr. G._ vom 19. April 2017 sowie von Dr. H._ vom 5. Juli 2017 Stellung. Er hielt fest, dass die weiteren schulterorthopädischen Untersuchungen von Dr. F._ und Dr. G._ Bewegungsausmasse von 180 Grad Beugung, bei subjektiven Schmerzangaben die letzten 30-40 Grad betreffend, ergeben hätten. Der mögliche Bewegungsumfang widerlege eine funktionell relevante Schultersteife im Sinne einer frozen shoulder ebenso wie eine Arthofibrose, die allerdings auch nur als Ausschluss-/Verdachtsdiagnose aufgeführt worden sei, zumal auch beim Durchbewegen keinerlei Krepitationen feststellbar gewesen seien und insgesamt auch Schonungszeichen gefehlt hätten (unauffälliges Schulterrelief). Auch das Rönt-
Seite 7 http://www.bl.ch/kantonsgericht
gen der Schulter links in zwei Ebenen oder gar ein Artho-MRI hätte in den wesentlichen völlig unauffällige Parameter (kein wesentlicher Schulterkopfhochstand, keine höhergradigen Verkalkungen) gezeigt. Von Dr. F._ und Dr. G._ einzig erwähnt worden sei eine Arthrose des Schultereckgelenks im Nativ-Röntgen, das klinisch schmerzhaft imponiert habe. In der Tätigkeit als Verkäuferin resultiere aus diesen Befundkonstellationen jedoch massgebliche Limitierung der Arbeitsfähigkeit, zumal einseitig Schulter belastende , noch dazu der linken, wahrscheinlich adominanten Schulter, gar nicht in Ausmass dokumentiert seien.
Auch Dr. H._ habe trotz der subjektiven sensomotorischen Symptomatik der rechten Hand einen unauffälligen Status mit normaler Motorik der Hände und kräftiger Beugung und in den Ellbogengelenken beschrieben. Die klinischen Untersuchungen der hätten keine wegweisenden Befunde ergeben. Ebenso hätte sich in der radiologischen Diagnostik der Halswirbelsäule vom 12. Juli 2017 im Vergleich zur Voruntersuchung im Jahr 2005 zwar eine gesamthafte Progredienz der degenerativen Veränderungen, jedoch keine Foraminalstenosen mit klarer Wurzelkompression, gezeigt. Auch die subjektiven kognitiven Einschränkungen, wie Vergesslichkeit, hätten sich im Gespräch nicht ausdrücklich nachvollziehen lassen. Eine differentialdiagnostisch in Betracht gezogene depressive gehe befundlich mit einer unauffälligen Psychomotorik einher. In diesem Sinne auch die Beschwerdepräsentation der Kopfschmerzen, bei nicht zuletzt unauffälliger (MRT Schädel, 12. Juli 2017) im Sinne einer differentialdiagnostischen Überlegung („..am ehesten im Rahmen einer Migräne..“). Selbst eine diagnostisch ausgewiesene Migräne könne letztlich soweit als behandelbar eingestuft werden, zumal der Beschwerdebeginn doch auffallend aktuell und zeitnah, quasi reaktiv zum laufenden Versicherungsverfahren imponiere oder auch sonstige Einschränkungen unter versicherungsmedizinischen Kriterien keine Limitierung der Arbeitsfähigkeit begründen könnten.
5. Fraglich und zu prüfen ist demnach, ob die IV-Stelle zu Recht von einem Invaliditätsgrad von 22 % ab 13. September 2016 mit der Folge der Rentenaufhebung per 1. Januar 2017 . Insbesondere ist zu klären, ob die von der IV-Stelle angenommene 80%ige in einer leidensangepasste Verweistätigkeit ab 13. September 2016 rechtsgenüglich erstellt ist.
5.1 Die IV-Stelle ging gestützt auf die vorhandenen medizinischen Unterlagen, insbesondere gestützt auf die Beurteilungen des RAD-Arztes Dr. E._ vom 18. Januar 2017 und 3. 2017, davon aus, dass die Versicherte ab 4. März 2016 vollständig arbeitsunfähig, danach ab 19. April 2016 zu 50 % und ab 13. September 2016 zu 100 % arbeitsfähig mit einer von 20 % gewesen sei. Wie in Erwägung 3.3 hiervor ausgeführt, sind zwar an die versicherungsinternen Beurteilungen, wie die vorliegende Berichte des RAD-Arztes Dr. E._ vom 18. Januar 2017 und 3. Oktober 2017 strenge Anforderungen zu stellen und bereits bei geringen Zweifel an deren Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit ergänzende vorzunehmen. Vorliegend besteht kein Anlass, an der Richtigkeit der Einschätzung des RAD-Arztes Dr. E._ zu zweifeln. Seine Beurteilung ist sowohl in der Darlegung der Zusammenhänge als auch bezüglich der daraus gezogenen Schlussfolgerungen über-
Seite 8 http://www.bl.ch/kantonsgericht
zeugend. Er verfügt auch über die notwendigen fachlichen Qualifikationen, um die der diagnostizierten Gesundheitsbeeinträchtigungen auf die Arbeitsfähigkeit der zu beurteilen (vgl. zu diesem Erfordernis: Urteil des Bundesgerichts vom 26. Januar 2010, 9C_736/2009, E. 2.1). Die Tatsache, dass der RAD-Arzt Dr. E._ die Versicherte nicht selber untersuchte, vermag seine Beurteilung nicht in Frage zu stellen. Denn er stützte sich bei seiner Beurteilung der Arbeitsfähigkeit insbesondere auf die Berichte von Dr. C._ und Dr. D._, indem er ihre Einschätzungen im Wesentlichen übernahm. Auf die Frage, ab wann von einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit der Versicherten auszugehen ist (gemäss Bericht von Dr. E._ vom 18. Januar 2018 ab 1. März 2017) muss sodann nicht weiter eingegangen werden, da die Feststellung der 80%igen Arbeitsfähigkeit ab 13. September 2016 zu einem Rentenausschluss führt (vgl. E. 7 hiernach). Es sind keine Hinweise ersichtlich, weshalb nicht auf die ärztlichen Berichte von Dr. C._ und Dr. D._ abgestellt werden könnte, die Grundlage der RAD-Beurteilungen von Dr. E._ darstellen. Die Berichte erfüllen alle rechtsprechungsgemässen Voraussetzungen an eine taugliche medizinische . Sie weisen weder formale noch inhaltliche Mängel auf und sind – wie dies vom verlangt wird (vgl. E. 3.2) – für die streitigen Belange umfassend. Sie beruhen auf allseitigen Untersuchungen, berücksichtigen die geklagten Beschwerden, sind in Kenntnis der im Zeitpunkt der Exploration vorhandenen Vorakten abgegeben worden und leuchten in der Darlegung der medizinischen Zusammenhänge sowie der Beurteilung der medizinischen ein. Zudem liegen keine entgegenstehenden medizinischen Einschätzungen vor, welche eine tiefere Arbeitsfähigkeit belegen würden. Die IV-Stelle hat somit bei den Beurteilungen der Arbeitsfähigkeit zu Recht auf die medizinischen Einschätzungen von Dr. E._ abgestellt und ist ab 13. September 2016 von einer 80%igen Leistungsfähigkeit der Versicherten in einer Verweistätigkeit ausgegangen.
5.2 Daran ändern auch die Einwände der Beschwerdeführerin nichts, die der Ansicht ist, dass aufgrund des ärztlich attestierten Pausenbedarfs eine lediglich 66%ige Arbeitsfähigkeit gegeben sein soll. So kann in Anbetracht des klar definierten und nicht komplett Belastungsprofils der Versicherten davon ausgegangen werden, dass diese in den kurzen 10-minütigen Pausen zur Schulterlockerung nicht vollständig in einer Verweistätigkeit ist. Der von Dr. D._ geforderte 10-minütige Pausenbedarf für Lockerungsübungen alle 30 Minuten basiert auf der Beurteilung von Dr. C._. Dieser attestierte der Versicherten mit Bericht vom 13. September 2016 eine 80%ige Arbeitsfähigkeit in einer Büroarbeit, sofern sie alle 30 Minuten für 10 Minuten aufstehen könne, um ihre Schultern zu lockern. Daraus geht hervor, dass ein Pausenbedarf aufgrund der Bürotätigkeit notwendig ist, wird diese doch meist sitzend mit mehr oder weniger gleicher Schulterhaltung aufgeführt. Hinzu kommt, dass Dr. C._ lediglich festhielt, dass die Versicherte „ca.“ alle 30 Minuten aufstehen müsse, um ihre Schultern zu lockern. Diese Lockerungsintervalle von jeweils 10 Minuten sind somit nicht als eigentliche medizinisch verordnete Zwangspausen anzusehen, während denen gar keine Arbeiten verrichtet werden könnten. Es sind keine Gründe ersichtlich, den von Dr. D._ Pausenbedarf anders zu interpretieren, würde dafür auch eine Begründung fehlen. Demzufolge ist der Pausenbedarf nicht zur Gesamtzeit der Arbeitsunfähigkeit hinzuzurechnen.
Seite 9 http://www.bl.ch/kantonsgericht
5.3 Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, dass der RAD-Arzt Dr. E._ die Beurteilung von Dr. H._ vom 5. Juli 2017 nicht berücksichtigt habe, indem er den der Versicherten in der rechten Hand keine Bedeutung beigemessen habe, weil die radiologische Diagnostik der Halswirbelsäule keine klaren Wurzelkompressionen ergeben hätte. So habe Dr. H._ festgehalten, dass die Gefühlsstörungen am ehesten auf eine -Irritation mit Rahmen der bekannten Schulterproblematik zurückzuführen seien. Mit Worten sei die Halswirbelsäule gar nie als beschwerdeauslösend erachtet worden. Es sei daher willkürlich, wenn der RAD-Arzt unter Verweis auf den Zustand der Halswirbelsäule die Gefühlsstörungen negiere. Hiergegen wendet die Beschwerdegegnerin jedoch zu Recht ein, dass die fragliche Plexusirritation, wie sie Dr. H._ angesprochen hatte, rein angedacht worden sei. Entscheidend sind die objektiven Befunde, die vorliegend in einer entsprechend angepassten Tätigkeit keine massgebliche Limitierung der Arbeitsfähigkeit begründen können. So beschrieb Dr. H._ trotz der subjektiven Angaben der Versicherten zur Sensibilität der rechten Hand ausdrücklich einen unauffälligen Status mit normaler Motorik der Hände und auch kräftiger Beugung und Streckung in den Ellbogengelenken. Der ist deshalb im Ergebnis darin zuzustimmen, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich aufgrund der von der Beschwerdeführerin genannten Gefühlsstörungen im rechten Arm bzw. der rechten Hand massgebliche Einschränkung in der Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit ableiten lassen.
6. Lässt die vorhandene Aktenlage nach dem Gesagten eine zuverlässige Beurteilung des Gesundheitszustandes und insbesondere auch der Arbeitsfähigkeit der Versicherten zu, so kann auf die von der Beschwerdeführerin eventualiter beantragte Vornahme weiterer Abklärungen verzichtet werden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst zwar das Recht, Beweisanträge zu stellen, und – als Korrelat – die Pflicht der Behörde zur . Beweise sind im Rahmen dieses verfassungsmässigen Anspruchs indessen nur über jene Tatsachen abzunehmen, die für die Entscheidung der Streitsache erheblich sind. Gelangt das Gericht bei pflichtgemässer Beweiswürdigung zur Überzeugung, dass die vorhandenen Unterlagen ein zuverlässiges Bild des relevanten Sachverhaltes ergeben und dieser demnach hinreichend abgeklärt ist, kann auf ein beantragtes Beweismittel verzichtet werden. Die damit verbundene antizipierte Beweiswürdigung ist nach konstanter bundesgerichtlicher zulässig (BGE 126 V 130 E. 2a mit zahlreichen Hinweisen, 124 V 90 E. 4b, 122 V 157 E. 1d, 119 V 335 E. 3c in fine mit Hinweisen).
7. Die IV-Stelle hat in der angefochtenen Verfügung vom 16. Januar 2018 den Einkommensvergleich vorgenommen. Da die Versicherte seit Eintritt der keine ihr zumutbare leidensadaptierte Verweistätigkeit ausübt, hat die IV-Stelle das Invalideneinkommen zu Recht unter Beizug der Tabellenlöhne der Schweizerischen (LSE) des Bundesamtes für Statistik festgesetzt (vgl. dazu BGE 126 V 76 E. 3b/bb mit Hinweisen und 124 V 322 E. 3b/aa). Auf diese Weise hat sie – auf der Basis einer durch die Ärzte Dr. E._, Dr. C._ und Dr. D._ attestierten 80%igen Arbeitsfähigkeit in einer Verweistätigkeit ab 13. September 2016 – ein zumutbares von Fr. 43‘250.– errechnet. Anschliessend hat sie diesen Betrag dem Valideneinkommen von Fr. 55‘770.– gegenüber gestellt und so einen rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von
Seite 10 http://www.bl.ch/kantonsgericht
22 % ermittelt. Die konkrete Berechnung, die von der Versicherten in der vorliegenden nicht beanstandet worden ist, erweist sich als rechtens. Unter diesen Umständen kann hier von weiteren Erörterungen zum vorinstanzlichen Einkommensvergleich abgesehen und stattdessen auf die entsprechenden Ausführungen der IV-Stelle in der genannten verwiesen werden.
8. Nach dem Gesagten ist gemäss den massgebenden Beurteilungen von Dr. E._, Dr. C._ und Dr. D._ davon auszugehen, dass die Versicherte ab 4. März 2016 arbeitsunfähig, ab 19. April 2016 zu 50 % in ihrem angestammten Beruf und ab 13. 2016 zu 80 % arbeitsfähig war in einer leidensangepassten Tätigkeit und ein Erwerbseinkommen erzielen könnte. Die angefochtene Verfügung, mit welcher der Beschwerdeführerin – unter Berücksichtigung von Art. 88a Abs. 1 der Verordnung über die Invalidenversicherung [IVV] vom 17. Januar 1961 – vom 1. März 2016 bis 1. August 2016 eine befristete ganze Rente und vom 1. August 2016 bis 31. Dezember 2016 eine befristete halbe Rente zugesprochen und per 1. Januar 2017 ein Rentenanspruch verneint wurde, ist demnach nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen.
9.1 Gemäss Art. 69 Abs. 1bis IVG ist das Beschwerdeverfahren bei Streitigkeiten um die Bewilligung oder die Verweigerung von IV-Leistungen vor dem kantonalen Versicherungsgericht kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom im Rahmen von Fr. 200.– bis Fr. 1‘000.– festgelegt. Bei Fällen wie dem vorliegenden, in denen ein durchschnittlicher Verfahrensaufwand entstanden ist, setzt das Gericht die in Berücksichtigung des bundesrechtlichen Kostenrahmens einheitlich auf Fr. 800.– fest. Da die Beschwerdeführerin vorliegend die unterliegende Partei ist, sind ihr die in dieser Höhe aufzuerlegen. Sie werden mit dem bereits bezahlten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.
9.2 Die ausserordentlichen Kosten sind dem Prozessausgang entsprechend .","Demgemäss wird e r k a n n t :
://: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Verfahrenskosten in Höhe von Fr. 800.– werden der auferlegt und mit dem geleisteten Vorschuss in Höhe von Fr. 800.– verrechnet.
3. Die ausserordentlichen Kosten werden wettgeschlagen.
Seite 11 http://www.bl.ch/kantonsgericht",""} |
doc-22 | Nr. L 98 / 18 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 20 . 4 . 79
VERORDNUNG ( EWG) Nr. 765 /79 DER KOMMISSION
vom 19. April 1979
zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Reis und Bruchreis
DIE KOMMISSION DER EUROPAISCHEN Die Verordnung ( EWG) Nr. 1431 /76 hat in Artikel 3
GEMEINSCHAFTEN — die besonderen Kriterien festgesetzt, die bei der Be
rechnung der Erstattungen bei der Ausfuhr von Reis
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europä und Bruchreis zu berücksichtigen sind .
ischen Wirtschaftsgemeinschaft, Die Lage auf dem Weltmarkt oder die besonderen Er
fordernisse bestimmter Märkte können die Untertei
gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 1418 /76 des lung der Erstattung für gewisse Erzeugnisse gemäß ih
Rates vom 21 . Juni 1976 über die gemeinsame Markt rer Bestimmung notwendig machen .
organisation für Reis ('), zuletzt geändert durch die Die Erstattung muß mindestens einmal im Monat fest
Verordnung (EWG) Nr. 1 260/78 (2), insbesondere auf gesetzt werden ; sie kann innerhalb dieses Zeitraums
Artikel 17 Absatz 2 vierter Unterabsatz erster Satz, abgeändert werden .
Um ein normales Funktionieren der Erstattungsrege
nach Stellungnahme des Währungsausschusses, lung zu erlauben , ist bei der Berechnung der Erstattun
gen zugrunde zu legen :
in Erwägung nachstehender Gründe : — für die Währungen , die untereinander zu jedem
Zeitpunkt innerhalb einer maximalen Abwei
Artikel 17 der Verordnung (EWG) Nr. 1418 /76 be chung in Höhe von 2,25 v. H. gehalten werden ,
stimmt, daß der Unterschied zwischen den Notierun ein Umrechnungssatz, der sich auf die tatsächliche
gen oder den Preisen auf dem Weltmarkt für die in Parität dieser Währungen stützt,
Artikel 1 dieser Verordnung genannten Erzeugnisse — für die übrigen Währungen ein Umrechnungssatz,
und den Preisen für diese Erzeugnisse in der Gemein der sich auf das arithmetische Mittel der Wechsel
schaft durch eine Erstattung bei der Ausfuhr ausgegli kurse in Höhe jeder dieser Währungen stützt und
chen werden kann . während eines bestimmten Zeitraums für die Wäh
rungen der Gemeinschaft entsprechend vorstehen
Gemäß Artikel 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1431 /76 dem Gedankenstrich festgestellt wird .
des Rates vom 21 . Juni 1976 über die Grundregeln für Der Koeffizient für die Umrechnung der in Rech
die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von nungseinheiten (RE) festgesetzten Beträge in ECU ist
Reis und über die Kriterien für die Festsetzung der in der Verordnung (EWG) Nr. 652/79 des Rates vom
Erstattungsbeträge (3) müssen die Erstattungen festge 29 . März 1979(5) festgelegt .
setzt werden unter Berücksichtigung der Lage und der
voraussichtlichen Entwicklung der Verfügbarkeit von Die Anwendung dieser Modalitäten auf die gegenwär
Reis und Bruchreis und deren Preisen in der Gemein tige Lage des Reismarktes und insbesondere auf die
schaft einerseits und der Preise für Reis und Bruchreis Notierungen oder Preise von Reis und Bruchreis in
der Gemeinschaft und auf dem Weltmarkt führt zu
auf dem Weltmarkt andererseits . Nach dem gleichen
Text ist es ebenfalls wichtig, auf den Reismärkten eine einer Festsetzung der Erstattung in Höhe der im An
ausgeglichene Lage und eine natürliche Entwicklung hang zu dieser Verordnung genannten Beträge .
hinsichtlich der Preise und der Handelsströme sicher Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen
zustellen . Ferner ist es wichtig, dem wirtschaftlichen entsprechen der Stellungnahme des Verwaltungsaus
Gesichtspunkt der künftigen Ausfuhren sowie dem schusses für Getreide —
Interesse an der Vermeidung von Marktstörungen in
der Gemeinschaft Rechnung zu tragen . HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN :
Die Verordnung ( EWG) Nr. 1361 /76 (4) hat die A rtikel 1
Höchstmenge Bruchreis festgelegt, die der Reis enthal Die Ausfuhrerstattungen für die in Artikel 1 , ausge
ten darf, für den die Erstattung bei der Ausfuhr festge nommen die in Absatz 1 unter c), der Verordnung
setzt wird, und hat den Prozentsatz der Verminderung ( EWG) Nr. 1418 /76 genannten Erzeugnisse im ur
bestimmt, der auf die Erstattung angewandt wird, sprünglichen Zustand werden wie im Anhang angege
wenn der im ausgeführten Reis enthaltene Anteil ben festgesetzt .
Bruchreis diese Höchstmenge übersteigt.
Artikel 2
(') ABl . Nr. L 166 vom 25 . 6. 1976 , S. 1.
O ABl . Nr. L 156 vom 14 . 6. 1 978 , S. 11 . Diese Verordnung tritt am 20 . April 1979 in Kraft .
(3 ) ABI . Nr. L 166 vom 25 . 6. 1976, S. 36 .
(4 ) ABl . Nr. L 154 vom 15 . 6. 1976, S. 1 1. n ABl . Nr . L 84 vom 4 . 4 . 1979 . S. 1 .
---pagebreak--- 20 . 4 . 79 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 98 / 19
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem
Mitgliedstaat.
Brüssel, den 19 . April 1979
Für die Kommission
Finn GUNDELACH
Vizepräsident
ANHANG
zur Verordnung der Kommission vom 19. April 1979 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattun
gen für Reis und Bruchreis
(IX, ( ' / Tonne )
Nummer
des
Betrag
Warenbezeichnu ng der
Gemeinsamen
Zolltarifs
Erstattungen
10.06 Reis :
A. Rohreis (Paddy-Reis) oder geschälter Reis :
II . Geschälter Reis :
a) rundkörniger
b) langkörniger
für Ausfuhren nach :
— Österreich , Liechtenstein , der Schweiz und Portu
gal 109,00
— den anderen Drittländern
B. Halbgeschliffener oder vollständig geschliffener Reis :
I. Halbgeschliffener Reis :
a) rundkörniger
b) langkörniger
II . Vollständig geschliffener Reis :
a) rundkörniger
b) langkörniger
für Ausfuhren nach :
— Österreich , Liechtenstein und der Schweiz sowie
für die Bestimmungen , genannt in Artikel 3 der
Verordnung ( EWG ) Nr. 192/75 der Kommis
sion (') 1 36,00
— den anderen Drittländern
C. Bruchreis
(') ABl . Nr. I. 2 <! vom 17 . 1 . 1975 , S. I.
NB : Die Zonen sind diejenigen , die in der Verordnung ( EWG ) Nr. 1124/ 77 (ABl . Nr. L 134 vom
28 . 5 . 1977) bestimmt sind .
|
doc-23 | {"","Endentscheid
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l
Abteilung IV
D-5996/2015
U r t e i l v o m 1 5 . O k t o b e r 2 0 1 5
Besetzung Einzelrichter Bendicht Tellenbach,
mit Zustimmung von Richterin Regula Schenker Senn;
Gerichtsschreiber Daniel Merkli.
Parteien
A._, geboren (...),
Eritrea,
(...)
Beschwerdeführerin,
gegen
Staatssekretariat für Migration (SEM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand
Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung
(Dublin-Verfahren);
Verfügung des SEM vom 2. September 2015 / N_
D-5996/2015
Seite 2","Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest,
dass die Beschwerdeführerin am 9. Juni 2015 in der Schweiz um Asyl
nachsuchte,
dass sie im Rahmen der summarischen Befragung vom 18. Juni 2015 unter
anderem angab, am (...) mit einem Schiff in Italien illegal in das Hoheits-
gebiet der Dublin-Staaten eingereist zu sein,
dass das SEM gestützt auf diese Angabe die italienischen Behörden am
(...) um Übernahme der Beschwerdeführerin im Sinne von Art. 13 Abs. 1
Dublin-III-VO ersuchte,
dass die italienischen Behörden das Übernahmeersuchen innert der in
Art. 22 Abs. 7 Bst. b Dublin-III-Verordnung vorgesehenen Frist unbeant-
wortet liessen,
dass das SEM mit - am 21. September 2015 eröffneter - Verfügung vom
2. September 2015 in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b des Asylge-
setzes (SR 142.31) auf das Asylgesuch der Beschwerdeführerin vom
9. Juni 2015 nicht eintrat und sie in Anwendung der Dublin-III-Verordnung
nach Italien wegwies, wobei es festhielt, einer Beschwerde gegen diese
Verfügung komme keine aufschiebende Wirkung zu,
dass die Beschwerdeführerin mit auf den 23. September 2015 datierter,
zuhanden der Schweizerischen Post am 24. September 2015 aufgegebe-
ner Eingabe beim Bundesverwaltungsgericht frist- und formgerecht Be-
schwerde erhob und dabei in verfahrensrechtlicher Hinsicht sinngemäss
beantragte, es sei im Sinne einer vorsorglichen Massnahme der Be-
schwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen,
dass der zuständige Instruktionsrichter mit Zwischenverfügung vom
29. September 2015 das sinngemässe Gesuch um Erteilung der aufschie-
benden Wirkung abwies und unter Androhung des Nichteintretens im Un-
terlassungsfall einen Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 600.– mit Zah-
lungsfrist bis zum 9. Oktober 2015 erhob, welcher in der Folge fristgerecht
einging,
D-5996/2015
Seite 3","und zieht in Erwägung,
dass das Bundesverwaltungsgericht auf dem Gebiet des Asyls über Be-
schwerden gegen Verfügungen (Art. 5 VwVG) des BFM in der Regel – so
auch vorliegend – endgültig entscheidet (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 31 – 33
VGG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG),
dass die Beschwerdeführerin am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenom-
men hat, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist, ein
schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Ände-
rung hat und daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert ist (Art. 105
AsylG und Art. 48 Abs. 1 VwVG),
dass somit auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde einzu-
treten ist (Art. 108 Abs. 2 AsylG und Art. 52 VwVG),
dass über offensichtlich unbegründete Beschwerden in einzelrichterlicher
Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise ei-
ner zweiten Richterin entschieden wird (Art. 111 Bst. e AsylG) und es sich
vorliegend, wie nachfolgend aufgezeigt, um eine solche handelt, weshalb
der Beschwerdeentscheid nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a
Abs. 2 AsylG),
dass im Weiteren gestützt auf Art. 111a Abs. 2 AsylG vorliegend auf einen
Schriftenwechsel verzichtet wurde,
dass auf Asylgesuche in der Regel nicht eingetreten wird, wenn Asyl-
suchende in einen Drittstaat ausreisen können, welcher für die Durch-
führung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zu-
ständig ist (Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG),
dass die italienischen Behörden das Übernahmeersuchen des SEM vom
1. Juli 2015 innert der in Art. 22 Abs. 7 Bst. b Dublin-III-Verordnung vorge-
sehenen Frist unbeantwortet liessen, womit sie die Zuständigkeit Italiens
implizit anerkannten,
dass das SEM bei dieser Sachlage zu Recht von der Zuständigkeit Italiens
für die Durchführung des Asylverfahrens ausging,
dass die Entgegnung der Beschwerdeführerin, in Italien kein Asylgesuch
eingereicht zu haben und von den dortigen Behörden nicht registriert wor-
D-5996/2015
Seite 4
den zu sein, nichts an der festgestellten Zuständigkeit der italienischen Be-
hörden zu ändern vermag, hat sie doch selbst angegeben, über Italien ille-
gal in das Hoheitsgebiet der Dublin-Staaten eingereist zu sein,
dass die Beschwerdeführerin im Rahmen des rechtlichen Gehörs zur all-
fälligen Wegweisung nach Italien angab, sie habe gehört, dass es in Italien
keine Arbeit gebe, weshalb sie dort kein Asylgesuch habe stellen wollen,
dass eine allfällige Arbeitslosigkeit der Beschwerdeführerin keinen zwin-
genden Grund darstellt, nicht nach Italien zurückzukehren, besteht doch
die Möglichkeit, bei den zuständigen Behörden um Hilfestellung bei der Ar-
beitssuche oder um sozialstaatliche Unterstützung nachzusuchen,
dass es im Übrigen der Beschwerdeführerin offensteht, allfällige Probleme
bei der Unterbringung oder beim Zugang zum Asylverfahren bei den zu-
ständigen italienischen Justizbehörden zu rügen, dies entweder unter Bei-
ziehung eines italienischen Rechtsanwalts oder mittels Hilfe unabhängiger,
vorhandener Hilfsorganisationen in Italien,
dass sich auch aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Men-
schenrechte (EGMR) vom 4. November 2014 i.S. Tarakhel c. Schweiz
(29217/12), welches eine Familie mit Kindern betrifft, nichts anderes zu-
gunsten der alleinstehenden Beschwerdeführerin ableiten lässt,
dass unter diesen Umständen keinerlei Hindernisse, insbesondere auch
keine humanitären Gründe im Sinne von Art. 29a Abs. 3 AsylV 1 vorliegen,
die eine Überstellung der Beschwerdeführerin nach Italien als unzulässig
erscheinen lassen,
dass demzufolge weder völkerrechtliche noch humanitäre Gründe vorlie-
gen, die einen Selbsteintritt der Schweiz gemäss Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-
Verordnung nahelegen würden,
dass das SEM demnach in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG zu
Recht auf das Asylgesuch der Beschwerdeführerin nicht eingetreten ist,
dass das Nichteintreten auf ein Asylgesuch in der Regel die Wegwei-
sung aus der Schweiz zur Folge hat (Art. 44 AsylG), vorliegend der
Kanton keine Aufenthaltsbewilligung erteilt hat und zudem kein An-
spruch auf Erteilung einer solchen besteht (vgl. EMARK 2001 Nr. 21),
weshalb die verfügte Wegweisung im Einklang mit den gesetzlichen
D-5996/2015
Seite 5
Bestimmungen steht und demnach vom SEM zu Recht angeordnet
wurde,
dass im Rahmen des Dublin-Verfahrens, bei dem es sich um ein Über-
stellungsverfahren in den für die Prüfung des Asylgesuches zuständi-
gen Staat handelt, systembedingt kein Raum bleibt für Ersatzmass-
nahmen im Sinne von Art. 44 AsylG i.V.m. Art. 83 Abs. 1 AuG,
dass eine entsprechende Prüfung soweit notwendig vielmehr bereits im
Rahmen des Dublin-Verfahrens stattfinden muss (vgl. vorstehende
Erwägungen),
dass in diesem Sinne die Vorinstanz den Vollzug der Wegweisung nach
Italien zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich erachtete,
dass es der Beschwerdeführerin demnach nicht gelungen ist darzutun,
inwiefern die angefochtene Verfügung Bundesrecht verletzt oder den
rechtserheblichen Sachverhalt unrichtig oder unvollständig feststellt
(Art. 106 AsylG), weshalb die Beschwerde abzuweisen ist,
dass bei diesem Ausgang des Verfahrens die Kosten von Fr. 600.–
(Art. 1 - 3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Ent-
schädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2])
der Beschwerdeführerin aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1 VwVG), welche
durch den geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe gedeckt sind.
(Dispositiv nächste Seite)
D-5996/2015
Seite 6","Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.– werden der Beschwerdeführerin aufer-
legt. Dieser Betrag ist durch den geleisteten Kostenvorschuss in gleicher
Höhe gedeckt.
3.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die zuständige
kantonale Behörde.
Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:
Bendicht Tellenbach Daniel Merkli
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doc-24 | Nr. L 75/36 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 21 . 3 . 91
VERORDNUNG (EWG) Nr. 677/91 DER KOMMISSION
vom 20 . März 1991
zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2250/90 hinsichtlich der für getrock
nete Weintrauben und der bei seiner Unterschreitung zu erhebenden
Ausgleichsabgabe
DIE KOMMISSION DER EUROPAISCHEN den repräsentativsten Drittländern für erhebliche Mengen
GEMEINSCHAFTEN — angewandten günstigsten Preise bestimmt. Da die auf
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen dem Weltmarkt angewandten Preise jetzt vorliegen,
Wirtschaftsgemeinschaft, sollten die derzeit geltenden Ausgleichsabgaben geändert
werden .
gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 426/86 des Rates
vom 24. Februar 1986 über die gemeinsame Marktorgani Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen
sation für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und entsprechen der Stellungnahme des Verwaltungsaus
Gemüse ('), zuletzt geändert durch die Verordnung (EWG) schusses für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und
Gemüse —
Nr. 2201 /90 (2), insbesondere auf Artikel 9 Absatz 6,
in Erwägung nachstehender Gründe :
Mit der Verordnung (EWG) Nr. 2250/90 der Kommis HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN :
sion ('), zuletzt geändert durch die Verordnung (EWG) Nr.
223/91 (4), wurden der Mindesteinfuhrpreis für getrock Artikel 1
nete Weintrauben und die Ausgleichsabgaben festgesetzt,
die zu erheben sind, wenn der genannte Einfuhrpreis Der Anhang II „Ausgleichsabgaben" der Verordnung
nicht eingehalten wird. (EWG) Nr. 2250/90 wird durch den Anhang der vorlie
Nach Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. genden Verordnung ersetzt.
2089/85 des Rates vom 23. Juli 1985 mit allgemeinen
Regeln für die Mindestpreisregelung bei der Einfuhr von Artikel 2
getrockneten Trauben (*) wird die höchste Ausgleichsab
gabe unter Zugrundelegung der auf dem Weltmarkt von Diese Verordnung tritt am 22. März 1991 in Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem
Mitgliedstaat.
Brüssel, den 20. März 1991
Für die Kommission
Ray MAC SHARRY
Mitglied der Kommission
(') ABl. Nr. L 49 vom 27. 2. 1986, S. 1 .
(2) ABl. Nr. L 201 vom 31 . 7. 1990, S. 1 .
0 ABl. Nr. L 203 vom 1 . 8. 1990, S. 57.
(4) ABl. Nr. L 26 vom 31 . 1 . 1991 , S. 30.
O ABl. Nr. L 197 vom 27 . 7. 1985, S. 10.
---pagebreak--- 21 . 3 . 91 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 75/37
ANHANG
Ausgleichsabgaben
1 . Korinthen des KN-Code 0806 20 11 :
(ECU/Tonne)
Angewandter Einfuhrpreis
Anwendbare Ausgleichsabgabe
weniger als mindestens
956,72 947,16 9,56
947,16 928,02 28,70
928,02 899,32 57,40
899,32 870,62 86,10
870,62 141,32
2 . Korinthen des KN-Code 0806 20 91 :
(ECU/t)
Angewandter Einfuhrpreis
, \ Anwendbare Ausgleichsabgabe
weniger als mindestens
854,39 845,85 8,54
845,85 828,76 25,63
828,76 803,13 38,99
803,13 777,50 38,99
777,50 38,99
3 . Getrocknete Weintrauben des KN-Code 0806 20 12 und 0806 20 18 :
(ECU/t)
Angewandter Einfuhrpreis
\ Anwendbare Ausgleichsabgabe
weniger als mindestens
1 000,88 990,88 10,00
990,88 970,86 30,02
970,86 940,83 60,05
940,83 910,81 90,08
910,81 185,48
4 . Getrocknete Weintrauben des KN-Code 0806 20 92 und 0806 20 98 :
(ECU/t)
Angewandter Einfuhrpreis
I Il Anwendbare Ausgleichsabgabe
weniger als mindestens
893,83 884,90 8,93
884,90 867,02 26,81
867,02 840,21 53,63
840,21 813,39 78,43
813,39 78,43
|
doc-25 |
8.11.2008
DE
Amtsblatt der Europäischen Union
L 299/9
VERORDNUNG (EG) Nr. 1105/2008 DER KOMMISSION
vom 7. November 2008
zur Festlegung pauschaler Einfuhrwerte für die Bestimmung der für bestimmtes Obst und Gemüse geltenden Einfuhrpreise
DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,
gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO) (1),
gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1580/2007 der Kommission vom 21. Dezember 2007 mit Durchführungsbestimmungen zu den Verordnungen (EG) Nr. 2200/96, (EG) Nr. 2201/96 und (EG) Nr. 1182/2007 des Rates im Sektor Obst und Gemüse (2), insbesondere auf Artikel 138 Absatz 1,
in Erwägung nachstehenden Grundes:
Die in Anwendung der Ergebnisse der multilateralen Handelsverhandlungen der Uruguay-Runde von der Kommission festzulegenden, zur Bestimmung der pauschalen Einfuhrwerte zu berücksichtigenden Kriterien sind in der Verordnung (EG) Nr. 1580/2007 für die in ihrem Anhang XV Teil A aufgeführten Erzeugnisse und Zeiträume festgelegt —
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Artikel 1
Die in Artikel 138 der Verordnung (EG) Nr. 1580/2007 genannten pauschalen Einfuhrwerte sind in der Tabelle im Anhang zur vorliegenden Verordnung festgesetzt.
Artikel 2
Diese Verordnung tritt am 8. November 2008 in Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Brüssel, den 7. November 2008
Für die Kommission
Jean-Luc DEMARTY
Generaldirektor für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung
(1) ABl. L 299 vom 16.11.2007, S. 1.
(2) ABl. L 350 vom 31.12.2007, S. 1.
ANHANG
Pauschale Einfuhrwerte für die Bestimmung der für bestimmtes Obst und Gemüse geltenden Einfuhrpreise
(EUR/100 kg)
KN-Code
Drittland-Code (1)
Pauschaler Einfuhrwert
0702 00 00
MA
48,3
MK
46,2
TR
68,6
ZZ
54,4
0707 00 05
JO
175,3
MA
30,8
TR
90,7
ZZ
98,9
0709 90 70
MA
63,1
TR
129,7
ZZ
96,4
0805 20 10
MA
80,7
ZZ
80,7
0805 20 30, 0805 20 50, 0805 20 70, 0805 20 90
HR
24,7
MA
85,5
TR
79,5
ZZ
63,2
0805 50 10
AR
82,1
MA
103,9
TR
91,1
ZA
97,2
ZZ
93,6
0806 10 10
BR
232,5
TR
133,5
US
246,0
ZA
197,4
ZZ
202,4
0808 10 80
AL
32,1
AR
75,0
CA
96,3
CL
64,2
MK
37,6
NZ
104,3
US
162,4
ZA
87,6
ZZ
82,4
0808 20 50
CN
44,4
TR
124,9
ZZ
84,7
(1) Nomenklatur der Länder gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1833/2006 der Kommission (ABl. L 354 vom 14.12.2006, S. 19). Der Code „ZZ“ steht für „Andere Ursprünge“.
|
doc-26 | Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24. Juni 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1Gründe:
2I.
3Der 1952 geborene Kläger begehrt Versorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG).
4Der Kläger wurde in der Neujahrsnacht vom 01.01.2001 von seinem Schwager S U (S.U.) verletzt. Er erlitt dabei im Wesentlichen eine Nasenbeinfraktur, eine Kontusion im Gesicht links, eine Platzwunde an der linken Augenbraue sowie eine Thoraxprellung (Bescheinigung des Dr. T vom 16.01.2001).
5Am 02.02.2001 beantragte der Kläger Beschädigten-Versorgung nach dem OEG. Zur Begründung gab er an, gegen Ende der Silvesterfeier von S.U. geschlagen worden zu sei. Er führte aus: "Die Feier fand im Familienkreise statt in der Werkstatt des Mannes meines Schwägerin. Das Café H ist eine Kneipe zwei Häuser weiter. Nachdem ein Unfall mit Raketen, bei dem der Sohn meiner Schwägerin schwer verletzt wurde, den Beginn des Neuen Jahres überschattet hat, feierte der Mann meiner Schwägerin im besagten Café weiter und tanzte, lachte und amüsierte sich. Ich regte mich meiner Frau gegenüber über dieses Verhalten auf. Ich sagte dem Mann meiner Schwägerin mit einem Satz meine Meinung, worauf er ohne Vorwarnung mit zwei Fausthieben mein Gesicht zerschlug und mit einem dritten Schlag gegen mein Brustbein boxte."
6Der Beklagte zog die Akten der Staatsanwaltschaft L (Allgäu) - 228 Js 1718/01 - bei. Daraus ergibt sich: Die Familien des Klägers und des S.U. hatten sich trotz jahrelanger Differenzen zwischen den beiden Schwägern auf Wunsch der gemeinsamen Schwiegermutter anlässlich deren Geburtstags zu einer Silvesterfeier in T im Allgäu getroffen. Bei der Explosion eines Feuerwerkskörpers verletzte sich der minderjährige Sohn des S.U. an beiden Händen. S.U. begleitete seinen Sohn zunächst ins Krankenhaus T und anschließend in das Kreiskrankenhaus J. Dort wurde er angehalten, nach Hause zurückzukehren, weil sein Sohn operativ versorgt werden würde und wegen der Narkose zunächst nicht besucht werden könne. S.U. begab sich darauf hin zurück zur Silvesterfeier. Der Kläger zeigte für dieses Verhalten kein Verständnis und äußerte sich darüber laut und mehrfach. Nach seinen eigenen Angaben sagte er zu S.U. "S, Du bist für mich ein elender Wichser.". Nach Aussagen der von der Polizei vernommenen Zeugen hat der Kläger S.U. mehrfach "angepöbelt" und beschimpft; er habe Worte wie "blöder Hund" und "Wichser" gebraucht; er habe S.U. als "schlechten Vater" bzw. "beschissenen Vater" bezeichnet. Nach diesen Äußerungen habe S.U. dem Kläger zwei oder drei Faustschläge versetzt (Aussagen des N H, des M I und des H Q).
7Das gegen S.U. eingeleitete Strafverfahren wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Kempten gem. § 153 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt. Die Kosten des Strafverfahrens trug die Staatskasse, seine außergerichtlichen Kosten trug S.U. selbst.
8Mit Bescheid vom 18.02.2002 lehnte der Beklagte den Antrag auf Beschädigtenversorgung mit der Begründung ab, der Kläger sei zwar Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden. Leistungen seien aber gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG zu versagen, wenn der Beschädigte die Schädigung verursacht habe. Der Kläger habe sich im Vorfeld des Angriffs gegen seine Person im hohen Maße provokativ und beleidigend verhalten und sich in herabsetzender Weise gegenüber S.U. geäußert und dadurch eine wesentliche Mitbedingung für den späteren Angriff gesetzt.
9Auf den Widerspruch des Klägers zog der Beklagte die Akten des Landgerichts (LG) Kempten - 1 O 650/02 - bei. In diesem Verfahren hatte der Kläger Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen S.U. geltend gemacht. Die Parteien haben sich vergleichsweise darauf geeinigt, das S.U. dem Kläger zur Abgeltung sämtlicher Forderungen einen Betrag von 2.000 ¤ zahlt. In seinem Kostenbeschluss hat das LG dem Kläger 93 % der Kosten des Verfahrens auferlegt und zur Begründung u.a. ausgeführt, dass unstreitig der Kläger derjenige gewesen sei, der, ohne dass der Beklagte ihm dazu Anlass gegeben habe, diesem gegenüber aggressiv aufgetreten sei. Dem Kläger habe auch klar sein müssen, dass er aufgrund der allgemeinen Alkoholisierung mit einer extremeren Reaktion des Beklagten zu rechnen hatte. Aufgrund der Schwere der Beleidigungen müsse das Gericht von einer überwiegenden Schuld des Klägers ausgehen.
10Mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2003 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
11Mit Klage vom 03.07.2003 hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat ausgeführt, er bestreite die gegenüber S.U. abgegebenen Äußerungen nicht; an die Äußerung, S.U. sei ein beschissener Vater, könne er sich allerdings nicht erinnern.
12Der Kläger hat schriftlich sinngemäß beantragt,
13den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 18.02.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2003 zu verurteilen, ihm Versorgung nach dem OEG zu gewähren.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen hat die Klage mit Urteil vom 24.06.2004 abgewiesen und u.a. zur Begründung ausgeführt: Leistungen nach dem OEG seien nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen, weil der Kläger die Schädigung wesentlich im Sinne der im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsnorm mitverursacht habe; sein Verhalten sei dem Tatbeitrag des S.U. in etwa gleichwertig gewesen. Der Kläger habe S.U. insbesondere durch seine eingeräumten Aussprüche eindeutig beleidigt; die Äußerung sei in ehrenrühriger Weise geschehen und erfüllt damit den Straftatbestand der Formalbeleidigung (§ 185 Strafgesetzbuch). Der Kläger habe unter den gegebenen Umständen, zumal sowohl er als auch S.U. reichlich Alkohol zu sich genommen hätten, und aufgrund ihrer familiären Streitigkeiten mit einer nicht nur verbalen Gegenreaktion des Beleidigten rechnen müssen. Faustschläge als spontane "tätliche Vergeltung" seien naheliegend und geradezu vorprogrammiert gewesen. Wie die Erfahrung lehre, führten zwischenmenschliche Auseinandersetzungen in dieser Art recht häufig zu gegenseitigen Beleidigungen, teilweise gepaart mit Körperverletzungen. Solche Vorgänge seien gleichsam an der Tagesordnung.
17Gegen das am 14.07.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.07.2004 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Er trägt vor, er habe S.U. nicht beleidigen bzw. provozieren wollen, sondern habe lediglich seine Meinung geäußert. Er weise nochmals darauf hin, dass S.U. ausgebildeter Karatekämpfer sei.
18Die Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
19das Urteil des SG Gelsenkirchen vom 24.06.2004 abzuändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
20Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
21die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
22Der Senat hat die Beteiligten auf seine Absicht hingewiesen, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen.
23Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die o.a. Akten der Staatsanwaltschaft L und des LG Kempten sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
24II.
25Der Senat kann über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung entbehrlich ist. Der Senat hat die Beteiligten hierzu mit Schreiben vom 31.08.2004 angehört; die Beteiligten haben keinen Einwand erhoben.
26Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
27Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen; denn der Kläger ist durch die angefochten Bescheide des Beklagten vom 18.02.2002 und 27.05.2003 nicht beschwert. Er hat keinen Anspruch auf Versorgung nach dem OEG.
28Zur Begründung - und Vermeidung von Wiederholungen - nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG) Bezug und führt ergänzend aus:
29Das SG hat nach umfassender Würdigung des Sachverhalts zu Recht festgestellt, dass der Kläger die Schädigung selbst wesentlich mitverursacht hat. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem OEG entfällt damit bereits nach der 1. Alternative des § 2 Abs. 1 OEG.
30Soweit der Kläger mit seiner Berufung angibt, er habe S.U. nicht beleidigen, sondern lediglich seine Meinung äußern wollen, ist dieses Vorbringen unbeachtlich. Der Kläger hat S.U. zumindest als "Wichser" bezeichnet. Diese Wortwahl zeigt offenkundig und unwiderlegbar, dass er S.U. in abfälliger Weise charakterlich abzuwerten beabsichtigte. Die Äußerung ist in ehrenrühriger Weise geschehen und erfüllt damit den Straftatbestand der Formalbeleidigung.
31Dem unstreitigen Umstand, dass S.U. ausgebildeter Karatekämpfer ist, vermag der Senat vorliegend ebenfalls keine Bedeutung zuzumessen, zumal auch der Kläger selber daraus keine Rückschlüsse darzulegen vermag. Jedenfalls rechtfertigt dieser Umstand weder die ausschließlich von dem Kläger ausgehenden, provozierenden Beleidigungen, noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass für die darauf vorhersehbar folgende Reaktion des S.U. seine Ausbildung als Karatekämpfer in irgendeiner Form mitursächlich sein könnte.
32Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
33Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 1 und 2 SGG).
|
doc-27 | Nr. L 148 /6 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1 . 6. 89
VERORDNUNG (EWG) Nr. 1498/89 DER KOMMISSION
vom 31 . Mai 1989
zur Festsetzung der auf Getreide, Mehle, Grobgrieß und Feingrieß von Weizen
oder Roggen anwendbaren Einfuhrabschöpfungen
DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN nungssatz, der sich auf den Leitkurs dieser
GEMEINSCHAFTEN — Währungen stützt, multipliziert mit dem Berichti
gungskoeffizienten gemäß Artikel 3 Absatz 1 letzter
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Unterabsatz der Verordnung (EWG) Nr, 1676/85,
Wirtschaftsgemeinschaft,
— für die übrigen Währungen ein Umrechnungssatz, der
gestützt auf die Akte über den Beitritt Spaniens und sich auf das arithmetische Mittel der Wechselkurse in
Portugals, Höhe jeder dieser Währungen stützt und während
eines bestimmten Zeitraums für die Währungen der
gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 2727/75 des Rates Gemeinschaft entsprechend vorhergehendem Gedan
vom 29 . Oktober 1975 über die gemeinsame Marktorgani kenstrich und nach Maßgabe des vorgenannten Koef
sation für Getreide ('), zuletzt geändert durch die Verord fizienten festgestellt wird.
nung (EWG) Nr. 1213/89 (2), insbesondere auf Artikel 13
Absatz 5, Diese Wechselkurse sind die am 30. Mai 1989 festge
stellten Kurse.
gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 1676/85 des Rates
vom 11 . Juni 1985 über den Wert der Rechnungseinheit Der vorgenannte Berichtigungsfaktor bezieht sich auf alle
und die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik anzu Berechnungselemente der Abschöpfung, einschließlich
wendenden Umrechnungskurse (3), zuletzt geändert durch der Äquivalenzkoeffizienten.
die Verordnung (EWG) Nr. 1 636/87 (4), insbesondere auf Die Anwendung der in der Verordnung (EWG) Nr.
Artikel 3,
2401 /88 enthaltenen Bestimmungen auf die heutigen
nach Stellungnahme des Währungsausschusses, Angebotspreise und Notierungen, von denen die
Kommission Kenntnis hat, führt zu einer Änderung der
in Erwägung nachstehender Gründe : gegenwärtig gültigen Abschöpfungen, wie im Anhang zu
dieser Verordnung angegeben —
Die bei der Einfuhr von Getreide, Mehlen von Weizen
und Roggen, Grobgrieß und Feingrieß von Weizen zu
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN :
erhebenden Abschöpfungen sind durch die Verordnung
(EWG) Nr. 2401 /88 der Kommission (*) und die später zu
ihrer Änderung erlassenen Verordnungen festgesetzt Artikel 1
worden .
Die bei der Einfuhr der in Artikel 1 Buchstaben a), b) und
Um ein normales Funktionieren der Abschöpfungsrege c) der Verordnung (EWG) Nr. 2727/75 genannten Erzeug
lung zu ermöglichen, ist bei der Berechnung der nisse zu erhebenden Abschöpfungen werden im Anhang
Abschöpfungen zugrunde zu legen : festgesetzt.
— für Währungen, die untereinander zu jedem Zeit Artikel 2
punkt innerhalb einer maximalen Abweichung in
Höhe von 2,25 v. H. gehalten werden, ein Umrech Diese Verordnung tritt am 1 . Juni 1989 in Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem
Mitgliedstaat.
Brüssel, den 31 . Mai 1989
Für die Kommission
Ray MAC SHARRY
Mitglied der Kommission
(') ABl. Nr. L 281 vom 1 . 11 . 1975, S. 1.
(J) ABl. Nr. L 128 vom 11 . 5. 1989, S. 1.
(') ABl. Nr. L 164 vom 24. 6. 1985, S. 1.
(<) ABl. Nr. L 153 vom 13. 6. 1987, S. 1.
0 ABL Nr. L 205 vom 30. 7. 1988, S. 96.
---pagebreak--- 1 . 6 . 89 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 148/7
ANHANG
zur Verordnung der Kommission vom 31. Mai 1989 zur Festsetzung der auf
Getreide, Mehle, Grobgrieß und Feingrieß von Weizen oder Roggen anwendbaren
Einfuhrabschöpfungen
(ECU/Tonne)
Abschöpfungen
KN-Code
Portugal Drittländer
0709 90 60 25,25 123,98
0712 90 19 25,25 123,98
1001 10 10 59,60 184,94 00
1001 10 90 59,60 184,94 00
1001 90 91 35,73 115,53
1001 9099 35,73 115,53
1002 00 00 63,32 114,66 0
1003 00 10 53,90 118,98
1003 00 90 53,90 118,98
1004 0010 44,96 86,71
1004 00 90 44,96 86,71
1005 10 90 25,25 123,98 OO
. 1005 90 00 25,25 123,98 00
1007 0090 48,56 131,80 (4)
1008 10 00 53,90 11,23
1008 20 00 53,90 4,81 O
1008 30 00 53,90 0,00 o
1008 90 10 0 O
1008 90 90 53,90 0,00
1101 00 00 64,72 176,44
1102 10 00 103,35 175,22
1103 11 10 106,02 300,29
1103 11 90 68,09 188,74
(') Für Hartweizen mit Ursprung in Marokko, der unmittelbar von diesem Land in die Gemeinschaft befördert wird,
wird die Abschöpfung um 0,60 ECU je Tonne verringert.
(*) Gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 486/85 werden keine Abschöpfungen bei der Einfuhr von Erzeugnissen mit
Ursprung in den Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean oder in den überseeischen
Ländern und Gebieten in die französischen überseeischen Departements erhoben.
(3) Für Mais mit Ursprung in den AKP-Staaten oder den ÜLG wird die Abschöpfung bei der Einfuhr in die
Gemeinschaft um 1,81 ECU je Tonne verringert
(*) Für Hirse und Sorghum mit Ursprung in den AKP-Staaten oder den ULG wird die Abschöpfung bei der Einfuhr
in die Gemeinschaft um 50 % verringert.
0 Für Hartweizen und Kanariensaat, die in der Türkei erzeugt und unmittelbar aus diesem Land in die Gemein
schaft befördert worden sind, wird die Abschöpfung um 0,60 ECU je Tonne verringert
0 Die zu erhebende Abschöpfung auf Roggen, der vollständig in der Türkei erzeugt und unmittelbar aus diesem
Land in die Gemeinschaft befördert wurde, wird durch die Verordnungen (EWG) Nr. 1180/77 des Rates (ABl.
Nr. L 142 vom 9. 6. 1977, S. 10) und (EWG) Nr. 2622/71 der Kommission (ABl. Nr. L 271 vom 10. 12. 1971 ,
S. 22) bestimmt.
0 Bei der Einfuhr von Erzeugnissen des KN-Code 1008 90 10 (Triticale) wird die Abschöpfung von Roggen
erhoben.
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doc-28 |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 30.11.2010 – 4 Ca 1654/08 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Der Beklagte wendet sich gegen die Aufhebung des ihm Prozesskostenhilfe gewährenden Beschlusses.
2
Das Arbeitsgericht Trier hat dem Beklagten für die gegen ihn erhobene Klage Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ohne Zahlungsbestimmung bewilligt.
3
Nach Abschluss des Rechtsstreits hat das Arbeitsgericht den Beklagten aufgefordert, zu erklären, ob zwischenzeitlich eine Änderung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten sei. Nachdem der Beklagte hierauf nicht reagierte, hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 30.11.2010, dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellt am 06.12.2010, den Beschluss über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgehoben.
4
Mit einem am 06.01.2011 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz hat der Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt und eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu den Akten gereicht. In dieser hat er angegeben, zwar keinerlei Einnahmen zu haben, jedoch habe er Mietkosten in Höhe von 350,- Euro monatlich. Nachdem der Beschwerdeführer auf die Aufforderung des Arbeitsgerichts darzulegen, wie er seinen Lebensunterhalt bestreite nicht reagiert hat, hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
5
Das Landesarbeitsgericht hat dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 17.03.2011 unter Fristsetzung zum 31.03.2011 Gelegenheit gegeben, die Angaben zu seiner Einkommenssituation glaubhaft zu machen. Der Beschwerdeführer hat auch hierauf nicht geantwortet.
II.
6
Die sofortige Beschwerde ist nach § 78 ArbGG, §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und auch sonst zulässig.
7
In der Sache hat die sofortige Beschwerde jedoch keinen Erfolg.
8
Das Arbeitsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den beschwerdeführenden Beklagten zu Recht nach §§ 124 Nr. 2 i.V.m. § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO aufgehoben.
9
Gemäß § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO kann das Gericht gegenüber einer Partei, deren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sich nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe maßgeblich verändert haben, innerhalb von 4 Jahren die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern.
10
Der Partei obliegt es daher nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO, sich auf Verlangen des Gerichts darüber zu erklären, ob eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist. Gibt die Partei, wie vorliegend, die entsprechende Erklärung ab, liegt es im Ermessen des Gerichts, konkrete Angaben und ergänzend Belege von der Partei anzufordern oder in sonstiger Weise eine Glaubhaftmachung der Angaben gem. § 118 Abs. 2 S. 1 ZPO zu verlangen (vgl. zuletzt LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.12.2009 - 1 Ta 267/09).
11
Im vorliegenden Fall hat das Beschwerdegericht vom Beschwerdeführer konkret bezeichnete Belege zur Glaubhaftmachung der von ihm angegebenen Änderungen seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angefordert. Da der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung aus § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO jedoch nicht nachgekommen ist, hatte es bei der Aufhebung des die Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschlusses zu verbleiben.
12
Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
13
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 3 S. 1 ZPO war vorliegend nicht veranlasst.
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doc-29 |
16.11.2006
DE
Amtsblatt der Europäischen Union
L 316/12
ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION
vom 13. November 2006
zur Vermeidung der doppelten Erfassung von im Rahmen des Europäischen Emissionshandelssystems erzielten Treibhausgasemissionsreduktionen gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates bei Projektmaßnahmen im Sinne des Kyoto-Protokolls
(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2006) 5362)
(Text von Bedeutung für den EWR)
(2006/780/EG)
DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,
gestützt auf die Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (1), insbesondere auf Artikel 11b Absatz 7,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)
Im Interesse der umweltpolitischen Integrität des Europäischen Emissionshandelssystems müssen Mitgliedstaaten, in denen Projektmaßnahmen im Rahmen der flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) durchgeführt werden, gemäß der Richtlinie 2003/87/EG gewährleisten, dass für die Reduzierung oder Begrenzung von Treibhausgasemissionen aus Anlagen, die am Europäischen Emissionshandelssystem teilnehmen, keine Emissionsreduktionseinheiten (ERU) oder zertifizierte Emissionsreduktionen (CER) zugeteilt werden, weil dies eine doppelte Erfassung von Emissionsreduktionen oder -begrenzungen nach sich ziehen würde.
(2)
Reduktionen oder Begrenzungen dieser Art könnten insbesondere erreicht werden, wenn eine Projektmaßnahme zur Umstellung auf neue Brennstoffe in einer Anlage durchgeführt wird, die unter das Europäische Emissionshandelssystem fällt, wenn eine Projektmaßnahme im Sektor der städtischen Wärmeerzeugung bewirkt, dass in einer anderen am Europäischen Emissionshandelssystem teilnehmenden Anlage weniger erzeugt wird, oder wenn das Stromnetz im Zuge einer Projektmaßnahme zugunsten einer Anlage zur Erzeugung von Wind- oder Wasserenergie mit Strom versorgt und die Stromerzeugung auf Basis fossiler Brennstoffe auf diesem Wege ersetzt wird.
(3)
In der Erwägung, dass bestimmte Mitgliedstaaten sich möglicherweise vor der Annahme von Artikel 11b Absatz 2 der Richtlinie 2003/87/EG verpflichtet haben, ERU oder CER zu vergeben, die somit doppelt erfasst werden, ist in den Absätzen 3 und 4 des genannten Artikel vorgesehen, dass ERU und CER bis 31. Dezember 2012 ausgestellt werden können, selbst wenn die Reduzierung bzw. Begrenzung infolge der Projektmaßnahmen den Ausstoß aus Anlagen, die unter das Europäische Emissionshandelssystem fallen, direkt oder indirekt verringern bzw. begrenzen, vorausgesetzt, es werden Zertifikate in gleicher Anzahl gelöscht.
(4)
In Artikel 11b Absätze 3 und 4 der Richtlinie 2003/87/EG wird zwischen Fällen, in denen sich das Ausmaß der Reduktionen oder Begrenzungen in jeder unter das Europäische Emissionshandelssystem fallenden und von der Projektmaßnahme betroffenen Anlage feststellen lässt (direkte Reduktionen bzw. Begrenzungen), und Fällen unterschieden, in denen sich das Ausmaß der Reduktionen bzw. Begrenzungen nur für eine Gruppe von unter das Europäische Emissionshandelssystem fallenden Anlagen ermitteln lässt (indirekte Reduktionen bzw. Begrenzungen).
(5)
Im Falle direkter Reduktionen bzw. Begrenzungen ist der Betreiber der Anlage, in der es zu einer Reduktion bzw. Begrenzung kommt, dafür verantwortlich, dass ebenso viele Zertifikate gelöscht werden wie für die Reduktionen bzw. Begrenzungen ERU und CER vergeben werden. Bei indirekten Reduktionen bzw. Begrenzungen werden die entsprechenden Zertifikate von den zuständigen nationalen Behörden aus dem nationalen Register des Mitgliedstaats gelöscht, der die ERU und CER vergibt.
(6)
Die sinnvollste Methode zur Erfassung der Reduktionen bzw. Begrenzungen, die infolge einer bestimmten Projektmaßnahme in einer unter das Europäische Emissionshandelssystem fallenden Anlage erzielt werden, ist die Berechnung des Anteils dieser Reduktionen bzw. Begrenzungen an den für diese Projektmaßnahme im genehmigten Referenzszenario insgesamt vorgesehenen Emissionsreduktionen bzw. begrenzungen. Lässt sich im Falle indirekter Reduktionen Begrenzungen die Menge der Reduktionen in einzelnen am Europäischen Emissionshandelssystem teilnehmenden Anlagen nicht genau bestimmen, so sollte der Anteil der Reduktionen bzw. Begrenzungen an der Gesamtmenge der durch die Projektmaßnahme erzielten Reduktionen bzw. Begrenzungen geschätzt werden, der zu einer doppelten Erfassung führen würde.
(7)
Nach dem Europäischen Emissionshandelssystem sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission die Gesamtmenge der Zertifikate, die für den Zeitraum 2008—2012 in ihren nationalen Zuteilungsplänen zugeteilt werden sollen, 18 Monate vor Beginn dieses Zeitraums mitzuteilen. Der genaue Umfang der für eine bestimmte Projektmaßnahme vorgesehenen Emissionsreduktionen bzw. -begrenzungen wird für jedes Jahr jedoch erst bestimmt, wenn die betreffenden Reduktionen bzw. Begrenzungen erreicht wurden.
(8)
Für Mitgliedstaaten, die als Gastland für die Durchführung von Maßnahmen im Rahmen der projektbezogenen Mechanismen des Kyoto-Protokolls fungieren, die zu einer doppelten Erfassung führen könnten, sollte in deren nationalen Zuteilungsplänen für den Zeitraum 2008—2012 eine Reserve vorgesehen werden, wobei jede genehmigte Projektmaßnahme und von ihr erwarteten Reduktionen bzw. Begrenzungen von Emissionen, die am Europäischen Emissionshandelssystem teilnehmende Anlagen betreffen und für die der Mitgliedstaat ERU oder CER ausstellen sollte („Reduktionen infolge von Projekten des teilnehmenden Sektors“) aufzulisten sind. Darüber hinaus sollte die Reservetabelle alle Erläuterungen enthalten, die zur Feststellung des Umfangs der „Reduktionen infolge von Projekten des teilnehmenden Sektors“, die für jede im Gastland durchgeführte Projektmaßnahme erwartet werden, erforderlich sind.
(9)
Für Mitgliedstaaten, die beabsichtigen, als Gastland für die Durchführung von Maßnahmen im Rahmen der projektbezogenen Mechanismen des Kyoto-Protokolls zu fungieren, die zu einer doppelten Erfassung führen könnten, sollte in den nationalen Zuteilungsplänen für den Zeitraum 2008—2012 eine weitere Reserve festgelegt werden, wobei geplante Projektmaßnahmen und die von ihr erwarteten Reduktionen bzw. Begrenzungen von Emissionen, die am Europäischen Emissionshandelssystem teilnehmende Anlagen betreffen und für die der Mitgliedstaat ERU oder CER ausstellen sollte („Reduktionen infolge von Projekten des teilnehmenden Sektors“) aufzulisten sind. Darüber hinaus sollte die Reservetabelle alle Erläuterungen enthalten, die zur Feststellung des Umfangs der „Reduktionen infolge von Projekten des teilnehmenden Sektors“, die für alle im Gastland geplanten Projektmaßnahmen erwartet werden, erforderlich sind.
(10)
ERU bzw. CER, die „Reduktionen infolge von Projekten des teilnehmenden Sektors“ entsprechen, können bis 31. Dezember 2012 ausgestellt werden. Jede Ausstellung sollte der Kommission mitgeteilt werden.
(11)
Mitgliedstaaten, die als Gastland für die Durchführung von Maßnahmen im Rahmen der projektbezogenen Mechanismen des Kyoto-Protokolls fungieren bzw. zu fungieren beabsichtigen, die zu einer doppelten Erfassung führen könnten, sollten in ihren nationalen Zuteilungsplänen die projizierten Emissionen für Maßnahmen eintragen, die in den Geltungsbereich der Richtlinie 2003/87/EG fallen, und zwar mit und ohne Angabe der Auswirkungen der erwarteten Reduktionen infolge von Projekten des teilnehmenden Sektors.
(12)
Bei der Entscheidung über die im Rahmen ihrer nationalen Zuteilungspläne anzuwendenden Methode für die Zuteilung von Zertifikaten an einzelne Anlagen sollten die Mitgliedstaaten alle erwarteten Reduktionen bzw. Begrenzungen infolge von Projektmaßnahmen berücksichtigen, die sich auf eine Anlage oder Maßnahme auswirken und zu einer doppelten Erfassung führen würden.
(13)
Die in dieser Entscheidung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ausschusses für Klimaänderung —
HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:
Artikel 1
Diese Entscheidung enthält Durchführungsvorschriften zu Artikel 11b Absätze 3 und 4 der Richtlinie 2003/87/EG.
Artikel 2
Für die Zwecke dieser Entscheidung gelten zusätzlich zu den Begriffsbestimmungen gemäß Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 2216/2004 der Kommission (2) die folgenden Definitionen:
1.
„direkte Emissionsreduktion bzw. -begrenzung“: eine Reduzierung bzw. Begrenzung von Emissionen, erzielt durch eine Projektmaßnahme, die eine Reduzierung bzw. Begrenzung von Emissionen in Anlagen bewirkt, die im Referenzszenario für die Projektmaßnahme gemäß Annex B Artikel 1 der Entscheidung 16/CP.7 des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) bzw. gemäß Artikel 44 des Annexes der Entscheidung Nr. 17/CP.7 des UNFCCC einzeln aufgeführt sind;
2.
„indirekte Emissionsreduktion bzw. -begrenzung“: eine Reduzierung bzw. Begrenzung von Emissionen in unter die Richtlinie 2003/87/EG fallenden Anlagen, bei denen es sich nicht um eine direkte Emissionsreduktion bzw. -begrenzung handelt;
3.
„Reduktionen infolge von Projekten des teilnehmenden Sektors“: eine durch Projektmaßnahmen, für die der als Gastland fungierende Mitgliedstaat Emissionsreduktionseinheiten (ERU) oder zertifizierte Emissionsreduktionen (CER) ausstellt, bewirkte Reduzierung bzw. Begrenzung des Emissionsausstoßes aus unter die Richtlinie 2003/87/EG fallenden Anlagen;
4.
„Genehmigungsschreiben“ (letter of approval, LoA): im Falle von ERU generierenden Projektmaßnahmen, die schriftliche Verpflichtung des als Gastland für die Projektmaßnahme fungierenden Mitgliedstaats, ERU nach Maßgabe seiner nationalen Leitlinien und Verfahrensvorschriften für die Genehmigung von Projektmaßnahmen im Sinne von Artikel 20 Buchstabe a) des Annexes der UNFCCC-Entscheidung Nr. 16/CP.7 auszustellen, und im Falle von CER generierenden Projektmaßnahmen, die schriftliche Genehmigung der zuständigen nationalen Behörde des als Gastland für die Projektmaßnahme im Sinne von Artikel 20 Buchstabe a) des Annexes der UNFCCC-Entscheidung Nr. 16/CP.7 fungierenden Mitgliedstaats zur freiwilligen Teilnahme;
5.
„Befürwortungsschreiben“ (letter of endorsement, LoE): die offizielle schriftliche Bestätigung des Mitgliedstaats, der als Gastland für die Projektmaßnahme fungieren soll, dass seine spätere Zustimmung zur Projektmaßnahme wahrscheinlich ist.
Artikel 3
(1) Im Rahmen ihrer nationalen Zuteilungspläne für den Zeitraum 2008—2012 halten die Mitgliedstaaten einen Teil der Gesamtmenge an Zertifikaten als Reserve bereit, die unter Verwendung des Formblatts gemäß Anhang I dieser Entscheidung für einzelne Projektmaßnahmen festgelegt wird, wenn der betreffende Mitgliedstaat vor dem Stichtag für die Übermittlung des nationalen Zuteilungsplans gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 2003/87/EG in seiner Funktion als Gastland Genehmigungsschreiben ausgestellt hat, mit denen er sich verpflichtet, ERU bzw. CER für Projektmaßnahmen zu vergeben, die in unter die Richtlinie 2003/87/EG fallenden Anlagen Emissionsreduktionen oder -begrenzungen bewirken.
(2) Im Rahmen ihrer nationalen Zuteilungspläne für den Zeitraum 2008—2012 können die Mitgliedstaaten einen Teil der Gesamtmenge an Zertifikaten auch als zusätzliche Reserve bereithalten, die unter Verwendung des Formblatts gemäß Anhang II dieser Entscheidung festgelegt wird, wenn der betreffende Mitgliedstaat nach der Entscheidung gemäß Artikel 11 Absatz 2 der Richtlinie 2003/87/EG beabsichtigt, in seiner Funktion als Gastland Genehmigungsschreiben auszustellen, mit denen er sich verpflichtet, vor dem 31. Dezember 2012 ERU bzw. CER für Projektmaßnahmen zu vergeben, die in unter die Richtlinie 2003/87/EG fallenden Anlagen Emissionsreduktionen oder -begrenzungen bewirken. Geplante Projektmaßnahmen, bei denen zur Emissionsreduzierung ein und dieselbe Methode zugrunde gelegt wird, für die jedoch noch kein Genehmigungsschreiben ausgestellt wurde, können in der Reservetabelle gemäß Anhang II in ein und derselben Spalte zusammengefasst werden.
(3) Bis ein Mitgliedstaat eine Entscheidung im Sinne von Artikel 11 Absatz 2 der Richtlinie 2003/87/EG getroffen hat, spätestens jedoch bis zu dem in Artikel 11 Absatz 2 der Richtlinie vorgesehenen Stichtag für diese Entscheidung, können weitere Zertifikate aus der nach Artikel 3 Absatz 2 angelegten Reserve in die nach Artikel 3 Absatz 2 angelegte Reserve übertragen werden, soweit sie Reduktionen infolge von Projektmaßnahmen des teilnehmenden Sektors betreffen, für die das Genehmigungsschreiben nach dem Stichtag für die Übermittlung des nationalen Zuteilungsplans gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 2003/87/EG ausgestellt wurde.
Artikel 4
Die Reservetabelle wird auf der öffentlich zugänglichen Register-Website des betreffenden Mitgliedstaats veröffentlicht.
Artikel 5
(1) ERU und CER, die Reduktionen infolge von Projektmaßnahmen des teilnehmenden Sektors entsprechen, können bis 31. Dezember 2012 ausgestellt werden, sofern vor der Ausstellung eine entsprechende Anzahl Zertifikate aus einer der Reserven in Einheiten zugeteilter Mengen umgerechnet und die Kommission entsprechend unterrichtet wird.
(2) Die Anzahl Zertifikate in der gemäß Artikel 3 Absatz 1 angelegten Reserve, die bis 31. Dezember 2012 nicht in Einheiten zugeteilter Mengen im Sinne Absatz 1 umgerechnet wird, kann als Zertifikate für den Zeitraum 2008—2012 verkauft werden. Werden mit der Projektmaßnahme direkte Emissionsreduktionen und -begrenzungen erzielt, so kann diese Menge an Zertifikaten den in den Reihen VII/a-VII/b der Tabelle in Anhang I genannten Anlagen als Zertifikate für den Zeitraum 2008—2012 zugeteilt werden.
(3) Zertifikate in der Reserve gemäß Artikel 3 Absatz 2, die bis 31. Dezember 2012 nicht in Einheiten zugeteilter Mengen im Sinne von Absatz 1 umgerechnet wurden, werden gelöscht.
Artikel 6
(1) Mitgliedstaaten, die in ihrer Funktion als Gastland Projektmaßnahmen nach Ablauf der Frist für die Übermittlung der nationalen Zuteilungspläne genehmigen möchten, teilen dies der Kommission vor Ausstellung des Genehmigungsschreibens mit. Diese Mitteilung wird durch den Bericht eines unabhängigen Prüfers ergänzt, der kontrolliert, dass keine der auszustellenden ERU oder CER doppelt erfasst werden, und alle Informationen übermittelt, die belegen, dass die zur Genehmigung vorgelegten Projektmaßnahmen mit Artikel 11b der Richtlinie 2003/87/EG vereinbar sind.
(2) Mit den gemäß Artikel 3 Absatz 2 ausgestellten Genehmigungsschreiben und den nach dem Stichtag für die Übermittlung der nationalen Zuteilungspläne gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 2003/87/EG ausgestellten Befürwortungsschreiben für Projektmaßnahmen, die Emissionsreduktionen infolge von Projekten des teilnehmenden Sektors bewirken, werden die Zertifikate zugeteilt, die aus der gemäß Artikel 3 Absatz 1 angelegten Reserve in Einheiten zugeteilter Mengen umzurechnen sind, falls ERU bzw. CER ausgestellt werden. Soweit ein Zertifikat durch ein Genehmigungsschreiben bereits einer bestimmten Projektmaßnahme zur künftigen Umrechnung zugeteilt wurde, kann es anschließend keinem anderen Projekt zugeteilt werden.
Artikel 7
Diese Entscheidung ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Brüssel, den 13. November 2006
Für die Kommission
Stavros DIMAS
Mitglied der Kommission
(1) ABl. L 275 vom 25.10.2003, S. 32. Richtlinie geändert durch die Richtlinie 2004/101/EG (ABl. L 338 vom 13.11.2004, S. 18).
(2) ABl. L 386 vom 29.12.2004, S. 1.
ANHANG I
Projektmaßnahme
X
Projektmaßnahme
Y
…
Gesamtmenge an Zertifikaten in der Reserve
I/a
Titel der Projektmaßnahme (1)
I/b
Kennung der Projektmaßnahme (2)
I/c
Datum des Genehmigungsschreibens (LoA) für die Projektmaßnahme
II
Gesamtmenge der zu reduzierenden bzw. zu begrenzenden Treibhausgase (GHG) (in Tonnen für den Zeitraum 2008—2012)
III
Von der Regierung als ERU oder CER vergebene Gesamtreduktionen (in %)
IV
Beschreibung des Referenzszenarios (3)
V
%-Anteil der Emissionen von unter die Richtlinie 2003/87/EG fallenden Anlagen an den im Referenzszenario vorgesehenen Gesamtemissionen (bei indirekten Reduktionen bzw. Begrenzungen einen Schätzwert angeben) (4)
VI
Voraussichtlicher Umfang der Reduzierung infolge der Projektmaßnahme des teilnehmenden Sektors (II*III*V)
(Σ VI) = (Σ VIII/a—VIII/e)
VII/a
Bei direkten Reduktionen oder Begrenzungen: Name der Anlage, in der eine Emissionsreduzierung infolge der Projektmaßnahme des teilnehmenden Sektors erzielt wird (5)
VII/b
Bei direkten Reduktionen oder Begrenzungen: Kennung der Anlage, in der eine Emissionsreduzierung infolge der Projektmaßnahme des teilnehmenden Sektors erzielt wird (5)
VIII/a
Menge der für 2008 ausgestellten ERU bzw. CER, die durch Projekte des teilnehmenden Sektors erzielten Emissionsreduktionen entsprechen
VIII/b
Menge der für 2009 ausgestellten ERU bzw. CER, die durch Projekte des teilnehmenden Sektors erzielten Emissionsreduktionen entsprechen
VIII/c
Menge der für 2010 ausgestellten ERU bzw. CER, die durch Projekte des teilnehmenden Sektors erzielten Emissionsreduktionen entsprechen
VIII/d
Menge der für 2011 ausgestellten ERU bzw. CER, die durch Projekte des teilnehmenden Sektors erzielten Emissionsreduktionen entsprechen
VIII/e
Menge der für 2012 ausgestellten ERU bzw. CER, die durch Projekte des teilnehmenden Sektors erzielten Emissionsreduktionen entsprechen
(1) Alle vom Mitgliedstaat genehmigten Projektmaßnahmen angeben.
(2) Die in Anhang VI Nummer 19 der Verordnung (EG) Nr. 2216/2004 vorgegebene Kennung eintragen.
(3) Die jährlichen Gesamtemissionen, die ohne Projektmaßnahme erwartet werden, und die Gruppe der Anlagen angeben, die diese Emissionen voraussichtlich ausstoßen. Eine kurze Beschreibung des angewandten Referenzszenarios (baseline) beifügen. Werden bei der Projektmaßnahme mehrere Referenzszenarien angewandt, so sind die einzelnen Referenzszenarien (einschließlich der entsprechenden jährlichen Gesamtemissionen, die ohne diesen Teil der Projektmaßnahme erwartet werden) jeweils in einer neuen Zeile der Reservetabelle einzutragen.
(4) Eine kurze Beschreibung der angewandten Schätzmethode und Schätzdaten beifügen.
(5) Sollen in den Reihen VII/a und VII/b mehrere Anlagen aufgelistet werden, so sind jeweils neue Reihen zu verwenden. Der auf die einzelnen Anlagen entfallende Anteil an Zertifikaten in der Reserve ist separat zu berechnen.
ANHANG II
Geplante Projektmaßnahme
X
Geplante Projektmaßnahme
Y
…
Gesamtmenge an Zertifikaten in der Reserve
I/a
Titel der geplanten Projektmaßnahme (1)
I/b
Kennung der geplanten Projektmaßnahme (1)
(2)
I/c
Datum oder voraussichtliches Datum des Befürwortungsschreibens (LoE) für die geplante Projektmaßnahme
I/d
Voraussichtliches Datum des Genehmigungsschreibens (LoA) für die geplante Projektmaßnahme
II
Voraussichtliche Gesamtmenge der durch die geplante Projektmaßnahme zu reduzierenden bzw. zu begrenzenden Treibhausgase (GHG) (in Tonnen für den Zeitraum 2008—2012)
III
Von der Regierung für die geplante Projektmaßnahme als ERU oder CER vergebene Gesamtreduktionen (in %)
IV
Beschreibung des Referenzszenarios (1)
(3)
V
Geschätzter %-Anteil der Emissionen von unter die Richtlinie 2003/87/EG fallenden Anlagen an den im Referenzszenario vorgesehenen Gesamtemissionen (4)
VI
Voraussichtlicher Umfang der Reduzierung infolge der Projektmaßnahme des teilnehmenden Sektors (II*III*V)
(Σ VI)
VII/a
Bei direkten Reduktionen oder Begrenzungen: Name(n) der Anlage(n), in der (denen) durch die Projektmaßnahme des teilnehmenden Sektors eine Emissionsreduzierung erzielt werden soll (5)
VII/b
Bei direkten Reduktionen oder Begrenzungen: Kennung der Anlage(n), in der (denen) durch die Projektmaßnahme des teilnehmenden Sektors eine Emissionsreduzierung erzielt werden soll (5)
VII/c
Bei indirekten Reduktionen oder Begrenzungen: Maßnahmenkategorie, innerhalb der durch die Projektmaßnahme des teilnehmenden Sektors eine Emissionsreduzierung erzielt werden soll (6)
VIII
Zahl der Zertifikate, die zur Bildung der Reserve von der Zuteilung zugunsten der in den Reihen VII/a—VII/c genannte(n) Anlagen/Maßnahmenkategorie ausgenommen wurden (5)
(6)
(1) Diese Information ist nur erforderlich, wenn sie zum Zeitpunkt der Vorlage des nationalen Zuteilungsplans bereits vorliegt. Soweit für eine Projektmaßnahme noch kein Befürwortungsschreiben ausgestellt wurde, können mehrere Projektmaßnahmen, bei denen zur Emissionsreduzierung dieselbe Methode angewandt wird, in ein und derselben Spalte zusammengefasst werden.
(2) Die in Anhang VI Nummer 19 der Verordnung (EG) Nr. 2216/2004 vorgegebene Kennung eintragen.
(3) Die jährlichen Gesamtemissionen, die ohne Projektmaßnahme erwartet werden, und die Gruppe der Anlagen angeben, die diese Emissionen voraussichtlich ausstoßen. Eine kurze Beschreibung des angewandten Referenzszenarios (baseline) beifügen. Werden bei der Projektmaßnahme mehrere Referenzszenarien angewandt, so sind die einzelnen Referenzszenarien (einschließlich der entsprechenden jährlichen Gesamtemissionen, die ohne diesen Teil der Projektmaßnahme erwartet werden) jeweils in einer neuen Zeile der Reservetabelle einzutragen.
(4) Eine kurze Beschreibung der angewandten Schätzmethode und Schätzdaten beifügen.
(5) Sollen in den Reihen VII/a, VII/b und VIII mehrere Anlagen aufgelistet werden, so sind jeweils neue Reihen zu verwenden. Der auf die einzelnen Anlagen entfallende Anteil an Zertifikaten in der Reserve ist separat zu berechnen.
(6) Die in Anhang I der Richtlinie 2003/87/EG vorgegebenen Maßnahmenkategorien verwenden.
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doc-30 | {"","Urteil Gutheissung/Abweisung Beschwerde
Obergericht des Kantons Zürich II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: PP190027-O/U
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichter lic. iur.
et phil. D. Glur und Oberrichter Dr. M. Sarbach sowie Gerichts-
schreiberin lic. iur. K. Würsch
Urteil vom 6. August 2019
in Sachen
A._, Kläger und Beschwerdeführer
gegen
Stadt B._, Beklagte und Beschwerdegegnerin","betreffend Forderung
Beschwerde gegen eine Verfügung des Einzelgerichtes (10. Abteilung) des Bezirksgerichtes Zürich vom 22. Mai 2019; Proz. FV190047
- 2 -","Erwägungen:
1. Der Kläger, ein offenbar nicht im Handelsregister eingetragener Verein,
betreibt nach seinem Internet-Auftritt Tagestreffs für Kinder im Vorschul-Alter. Er
führt einen Tagestreff in C._, der vom Sozialdepartement der Stadt Zürich
bewilligt sei und beaufsichtigt werde. Offenbar werden für die Betreuungs-Kosten
durch Gemeinden aus dem Kanton Zürich Beiträge geleistet. So weit erkennbar
geht der vorliegende Prozess über solche Leistungen, welche die Stadt B._
für die Betreuung eines vom Kläger betreuten Kindes zugesagt hat.
2.1 Mit einer Klagebewilligung des Friedensrichteramtes D._ vom 23.
November 2018 gelangte der Kläger am 7. März 2019 (Poststempel) an das Be-
zirksgericht Zürich. Er gab als Rechtsbegehren an (act. 2/1):
\"Dokument A 1. Es sei die beklagte Partei zu verurteilen, der klagenden Partei; 1.1 Fr. 1'890.00, zzgl. 5% Zins seit 01.08.2017, 1.2 Fr. 100.00 1.3 Fr. 100.00 1.4 Fr. 73.30
Dokument B 1.5 Fr. 105.00 1.6 Fr. 95.30 1.7 Fr. 277.80
Dokument C Honorar- und Spesennoten
Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der beklagten .\"
Der Einzelrichter erhob einen Vorschuss von Fr. 564.-- für die mutmassli-
chen Gerichtskosten, welchen der Kläger leistete. Mit Verfügung vom 22. Mai
2019 trat der Einzelrichter auf die Klage nicht ein. Er begründete das damit, der
Kläger stütze sich für seine Forderung auf eine Verfügung der Beklagten, welche
die Kostengutsprache (offenbar für Betreuungskosten) enthalte. Streitig sei eine
Befristung/Kündigung der damit zugesagten Subvention, und entsprechend sei
- 3 -
Gegenstand der Klage die Subvention für den Monat August 2017. Diese Rechts-
verhältnisse - so immer der Einzelrichter - seien öffentlich-rechtlicher und nicht
privatrechtlicher Natur, und das Bezirksgericht sei daher nicht die zum Entscheid
zuständige Instanz (im Einzelnen act. 21). Demzufolge lautet der Entscheid des
Einzelrichters:
1. Auf die Klage wird nicht eingetreten.
2. Es wird keine Entscheidgebühr erhoben. Allfällige weitere Kosten des
gerichtlichen Verfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen.
3. Der vom Kläger geleistete Kostenvorschuss von Fr. 564.– wird diesem nach Rechtskraft des Entscheides zurückerstattet.
4. Der Beklagten wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
5./6. (Mitteilungen, Rechtsmittel)
Der Entscheid wurde dem Kläger am 1. Juni 2019 zugestellt (act. 13).
2.2 Mit Eingabe vom 1. Juli 2019, zur Post gegeben am selben Tag, führt
der Kläger Beschwerde gegen den Entscheid des Einzelrichters. Er stellt folgende
Anträge (act. 19 S. 2):
1. Die Nichteintretensverfügung der Vorinstanz vom 22. Mai 2019 (FV190047-L) sei aufzuheben und die Sache zur materiellen Behandlung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
2. Im Hinblick auf die materielle Beurteilung der Klage vom 7. März 2019 (FV190047-L) ist die Verfügung vom 1. April 2019 des Bezirksgerichts 10. Abteilung - Einzelgericht zu bestätigen (Eintretensentscheid).
3. Dem Kläger ist für das Verfahren vor Vorinstanz eine angemessene Entschädigung zuzusprechen.
4. Nach dem Grundsatz der Einheit der Materie sind die anhängig Klagen, 3 korrelierende Verfahren; (01) FV190051-L, (02) FV190052-L und (03) FV190047-L), einer Abteilung - Einzelgericht - Zürich zuzuweisen.
5. Nach dem Grundsatz der Prozessökonomie, dass ein Verfahren effizient und zweckmässig durchgeführt werden sollte, sind die , (3 korrelierende Verfahren; (01) FV190051-L, (02) FV190052-L und (03) FV190047-L)], beim Bezirksgericht Zürich einem Bezirksrichter / Bezirksrichterin zuzuweisen.
- 4 -
6. Bezirksrichter lic. iur. E._ ist von allen anhängigen Verfahren, in allen Belangen, zu entbinden.
7. Gegen den Leiter der Sozialabteilung, F._ ist, von Amtes wegen (v.A.w.), eine Klage bei der Staatsanwaltschaft Zürich einzuleiten.
alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Vorinstanz.
Es wurden die Akten des Einzelrichters beigezogen.
Den Kostenvorschuss von Fr. 500.-- leistete der Kläger auf erste Aufforde-
rung.
Die Sache ist ohne Weiterungen spruchreif (Art. 322 Abs. 1 ZPO).
3.1 Die Rechtsschrift des Klägers enthält Anträge und eine Begründung.
Diese Voraussetzungen für die Beschwerde (Art. 321 Abs. 1 ZPO) sind erfüllt. Im
Übrigen ist der Inhalt des Schriftsatzes allerdings nicht ganz leicht mit den Anträ-
gen in Beziehung zu setzen, weil verschiedene Punkte an ganz verschiedenen
Stellen behandelt werden. Blosse Beleidigungen oder unsachliche Äusserungen
(etwa: der angefochtene Entscheid sei \"keine Meisterleistung\") sind ohne Weite-
res unbeachtet zu lassen. So weit als nötig und so gut als möglich sind die Aus-
führungen des Klägers im Folgenden zu prüfen.
3.2 Der Einzelrichter geht davon aus, der Kläger stütze seine Klage auf öf-
fentliches Recht, und dafür sei er nicht zuständig (angefochtener Entscheid S. 4
ff.). Dem widerspricht der Kläger (act. 19 S. 4 ff.). Seine Argumentation ist aller-
dings nicht leicht nachzuvollziehen.
So beginnt er damit, die Stadt B._ leiste im Rahmen einer Verordnung
an betroffene Eltern Beiträge an die Betreuung von Kindern - das ist ein kaum wi-
derlegbares Indiz dafür, dass solche Leistungen aus öffentlichem Recht erfolgen.
Aus praktischen Gründen und um Missbräuche (anderweitige Verwendung
des Geldes) zu verhindern, sei die Stadt dazu übergegangen, diese Subventionen
direkt den Betreuungs-Institutionen zu zahlen; das mache die Institution aber nicht
zur Subventionsempfängerin. Es ist nicht zu erkennen, dass der Charakter der
- 5 -
Zahlung als öffentlich-rechtliche Leistung verändert wird, wenn die Zahlung nicht
an die Eltern, sondern an die betreuende Institution ausgerichtet wird - abgesehen
davon, dass nach der Darstellung des Klägers gar kein direktes Rechtsverhältnis
oder jedenfalls kein Forderungsrecht zwischen subventionierender Gemeinde und
Leistungserbringer besteht (was der Kläger selber betont: act. 19 S. 6 Rz. 13 und
20, ferner S. 12 Rz. 44) und die Klage aus diesem Grund abgewiesen werden
müsste, könnte darauf eingetreten werden.
Es mag sein, dass die Beklagte der Mutter des betreuten Kindes Leistungen
zusicherte (act. 19 S. 7 Rz. 28 und S. 9 Rz. 32). Falls der Kläger sich auf einem
(einstweilen nicht erkennbaren) Weg gegenüber der Beklagten auf diese Verein-
barung stützen könnte, wäre man aber wiederum im öffentlichen Recht - welches
der Beurteilung durch die Zivilgerichte entzogen ist.
Es ist somit nicht zu erkennen, wie sich der Kläger für seine Forderung ge-
genüber der Beklagten auf privates Recht stützt. Die weitschweifigen Ausführun-
gen zu den rechtlichen Grundlagen von Betreuungs-Subventionen (act. 19 pas-
sim) tragen nichts Weiteres bei.
Der Einzelrichter hat sich daher zutreffend als unzuständig bezeichnet. Die
beleidigenden Unterstellungen des Klägers, der Richter habe einen Leerlauf ver-
anstaltet und habe seine Anliegen undifferenziert und pauschal herabgewürdigt
(act. 19 S. 5 f. Rz. 11 ff.), ändern daran nichts.
3.3 Der Kläger glaubt, mit dem Einfordern eines Kostenvorschusses (Ver-
fügung vom 1. April 2019) habe der Einzelrichter verbindlich entschieden, dass er
auf die Klage eintrete, und dabei sei er \"zu behaften\" (act. 19 S. 2, Antrag 2). Das
ist ein Irrtum, denn das Zahlen des Vorschusses bewirkt erst, dass sich das Ge-
richt mit einer Klage befasst und insbesondere auch mit den Prozessvorausset-
zungen. Erkennt es, dass eine davon fehlt, tritt es auf die Sache nicht ein - wie es
hier richtig geschah.
3.4 Ist die Beschwerde in der Sache unbegründet, gibt es keine Grundlage
für eine Parteientschädigung (Art. 106 Abs. 1 ZPO).
- 6 -
3.5 Der angefochtene Entscheid beendet das entsprechende Verfahren.
Damit kann es auch nicht mehr mit zusammen hängenden Verfahren vereinigt
werden. Abgesehen davon wären diese Anträge (Ziff. 4 und 5) unzulässig, weil
darüber nicht entschieden wurde und daher auch gar nicht angefochten werden
konnte.
3.6 Abgesehen von teils unangebrachten, teils ehrenrührigen Anwürfen an
den Einzelrichter trägt der Kläger keine tauglichen Argumente für eine Befangen-
heit des Einzelrichters vor. Schon darum ist auf das sinngemäss gestellte Aus-
standsbegehren (Ziff. 6) nicht einzutreten. Es könnte auch nur für das heute in
Frage stehende Verfahren gestellt und geprüft werden (in anderen Verfahren wä-
re es separat einzubringen).
3.7 Dass sich \"der Leiter der Sozialabteilung\" (gemeint wohl, der Stadt
B._) \"F._\" strafbar gemacht haben sollte, steht nach den pauschalen
und im Wesentlichen unsubstanzierten Ausführungen des Klägers nicht fest. Eine
Strafanzeige durch das Obergericht (Antrag Ziff. 7) kommt daher nicht in Frage.
Es steht dem Kläger frei, selbst eine Strafanzeige einzureichen (Art. 301 Abs. 1
StPO) - allerdings auf die Gefahr hin, dass er kostenpflichtig werden könnte (Art.
427 StPO).
4. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten des Beschwerde-
verfahrens dem Kläger aufzuerlegen (Art. 106 ZPO). Parteientschädigungen sind
nicht zuzusprechen: dem Kläger nicht, weil er unterliegt, der Beklagten nicht, weil
ihr mit der Beschwerde keine zum Ersatz berechtigenden Aufwendungen ent-
standen.","Es wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, so weit darauf eingetreten wird.
2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 500.-- festgesetzt, dem
Beschwerdeführer auferlegt und aus dem geleisteten Vorschuss bezogen.
- 7 -
3. Für das Beschwerdeverfahren werden keine Parteientschädigungen zuge-
sprochen.
4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Beklagte unter Beilage von
Doppeln der Beschwerdeschrift samt Beilagenverzeichnis und Beilagen
(act. 19 resp. 20/1-13, 16-17), sowie an das Bezirksgericht Zürich, je gegen
Empfangsschein.
Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmit-
telfrist an die Vorinstanz zurück.
5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen , 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen
Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder
Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42
des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 2'641.40.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. K. Würsch
versandt am:
Urteil vom 6. August 2019 Erwägungen: Es wird erkannt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen, so weit darauf eingetreten wird. 2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 500.-- festgesetzt, dem Beschwerdeführer auferlegt und aus dem geleisteten Vorschuss bezogen. 3. Für das Beschwerdeverfahren werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Beklagte unter Beilage von Doppeln der Beschwerdeschrift samt Beilagenverzeichnis und Beilagen (act. 19 resp. 20/1-13, 16-17), sowie an das Bezirksgericht Zürich, je gegen Empfangsschein. 5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. ...",""} |
doc-31 | {"","BV_2007_13-14.rtf
Entscheid vom 17. März 2008 I. Beschwerdekammer
Besetzung Bundesstrafrichter Emanuel Hochstrasser, Vorsitz, Tito Ponti und Alex Staub, Gerichtsschreiber Stefan Graf
Parteien
A., vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Vonesch,
Beschwerdeführer
gegen
EIDGENÖSSISCHE ZOLLVERWALTUNG,
Beschwerdegegnerin
Gegenstand Beschlagnahme (Art. 26 Abs. 1 i.V.m. Art. 46 VStrR)
B u n d e s s t r a f g e r i c h t
T r i b u n a l p é n a l f é d é r a l
T r i b u n a l e p e n a l e f e d e r a l e
T r i b u n a l p e n a l f e d e r a l
Geschäftsnummer: BV.2007.13 und BV.2007.14
- 2 -","","Die I. Beschwerdekammer zieht in Erwägung, dass:
- die Beschwerdegegnerin gegen den Beschwerdeführer eine Zollstrafuntersu-
chung wegen des Verdachts auf Widerhandlungen gegen das Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG; SR 631.0) sowie gegen das Bundesgesetz vom 2. 1999 über die Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz, MWSTG; SR 641.20) führt;
- die Beschwerdegegnerin mit Verfügungen vom 9. Dezember 2007 ca. 38 kg
Würste sowie 14 Schinken (act. 2.1) und diverse Unterlagen (act. 2.2) als Beweismittel sowie 6 Tetrapack Wein à 5 Liter und 86 Korbflaschen Wein à 5 Liter (act. 2.3) als Zollpfand beschlagnahmte und der Beschwerdeführer hiergegen am 11. Dezember 2007 Beschwerde erhob (act. 1);
- die Beschwerdegegnerin die Beschwerde mitsamt ihrer Äusserung hinsicht-
lich der beiden erstgenannten Beschlagnahmeverfügungen am 17. Dezember 2007 an die I. Beschwerdekammer weiterleitete (act. 2);
- der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Beschwerde ein Gesuch um Ge-
währung der unentgeltlichen Rechtspflege stellte, welches die I. mit Entscheid vom 6. Februar 2008 abgewiesen hat (act. 11);
- der Beschwerdeführer seine Beschwerde hinsichtlich der beiden Beschlag-
nahmeverfügungen zu Beweiszwecken mit Schreiben vom 13. März 2008 (act. 16), was der Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 14. März 2008 zur Kenntnis gebracht wurde (act. 17);
- gemäss Art. 30 lit. a SGG i.V.m. Art. 25 Abs. 4 VStrR i.V.m. Art. 62 ff und
Art. 71 BGG i.V.m. Art. 73 Abs. 1 BZP die Rückzugserklärung (Abstand) den Rechtsstreit beendet;
- die Verfahren somit zufolge Rückzugs der Beschwerde als erledigt abge-
schrieben werden können, der den Abstand erklärende Beschwerdeführer als unterliegende Partei gilt und deshalb die Gerichtskosten zu tragen hat (Art. 25 Abs. 4 VStrR i.V.m. Art. 66 Abs. 1 BGG);
- die Gerichtsgebühr für die vorliegenden Beschwerdeverfahren sowie für das
Nebenverfahren betreffend Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege auf Fr. 500.-- festgesetzt wird (Art. 3 des Reglements vom 11. Februar 2004 über die Gerichtsgebühren vor dem Bundesstrafgericht, SR 173.711.32), unter des geleisteten Kostenvorschusses in der Höhe von Fr. 1'500.--;
- 3 -","und erkennt:
1. Die Verfahren BV.2007.13 und BV.2007.14 werden zufolge Rückzugs der
Beschwerde als erledigt abgeschrieben.
2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt, un-
ter Anrechnung des geleisteten Vorschusses von Fr. 1'500.--. Die wird angewiesen, dem Beschwerdeführer Fr. 1'000.-- .
Bellinzona, 18. März 2008
Im Namen der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
i.V. Alex Staub, Bundesstrafrichter","Zustellung an
- Rechtsanwalt Daniel Vonesch - Eidgenössische Zollverwaltung
Rechtsmittelbelehrung
Gegen Entscheide der I. Beschwerdekammer über Zwangsmassnahmen kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden (Art. 79 und 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005; BGG). Das Verfahren richtet sich nach den Artikeln 90 ff. BGG.
Eine Beschwerde hemmt den Vollzug des angefochtenen Entscheides nur, wenn der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin es anordnet (Art. 103 BGG)."} |
doc-32 |
Wichtiger rechtlicher Hinweis
|
61990C0201
Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 7. März 1991. - GIO BUTON SPA UND VINICOLA EUROPEA SPA GEGEN AMMINISTRAZIONE DELLE FINANZE DELLO STATO. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: TRIBUNALE CIVILE E PENALE DI TRIESTE - ITALIEN. - AETHYLALKOHOL LANDWIRTSCHAFTLICHEN URSPRUNGS - AUSGLEICHSABGABE. - RECHTSSACHE C-201/90.
Sammlung der Rechtsprechung 1991 Seite I-02453 Pub.RJ Seite Pub somm
Schlußanträge des Generalanwalts
++++ Generalanwalt Jean Mischo hat seine Schlussanträge in der Sitzung vom 7. März 1991 vorgetragen (*). Er hat vorgeschlagen, wie folgt für Recht zu erkennen: "1) Die Prüfung der ersten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 2541/84 der Kommission vom 4. September 1984 zur Festsetzung einer Ausgleichsabgabe für die Einfuhr von in Frankreich hergestelltem Äthylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs in die anderen Mitgliedstaaten in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 644/85 der Kommission vom 12. März 1985 geänderten Fassung beeinträchtigen könnte. 2) Die Verordnung (EWG) Nr. 2541/84 ist dahin auszulegen, daß die Ausgleichsabgabe auf Äthylalkohol zu erheben ist, der in einer Freizone verarbeitet worden ist, ohne einem besonderen Zollverfahren unterstellt worden zu sein, und der zum Verkehr innerhalb der Gemeinschaft bestimmt ist." (* )Originalsprache: Französisch.
|
doc-33 | (1) Dienststelle und Personalvertretung haben darüber zu wachen, dass alle Angehörigen der Dienststelle nach Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt. Dabei müssen sie sich so verhalten, daß das Vertrauen der Verwaltungsangehörigen in die Objektivität und Neutralität ihrer Amtsführung nicht beeinträchtigt wird. Der Leiter der Dienststelle und die Personalvertretung haben jede parteipolitische Betätigung in der Dienststelle zu unterlassen; die Behandlung von Tarif-, Besoldungs- und Sozialangelegenheiten wird hierdurch nicht berührt.
(2) Beschäftigte, die Aufgaben nach diesem Gesetz wahrnehmen, werden dadurch in der Betätigung für ihre Gewerkschaft auch in der Dienststelle nicht beschränkt.
(3) Die Personalvertretung hat sich für die Wahrung der Vereinigungsfreiheit der Beschäftigten einzusetzen.
|
doc-34 | 19 , 1 . 88 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 14/9
VERORDNUNG (EWG) Nr. 123/88 DER KOMMISSION
vom 18 . Januar 1988
über die in der ersten Januardekade 1988 eingereichten Anträge auf EHM-Lizenzen im
Sektor Milch und Milcherzeugnisse
DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft,
gestützt auf die Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals,
gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 574/86 der Kommission vom 28 . Februar 1986 mit
Durchführungsbestimmungen zum ergänzenden Handelsmechanismus ('), zuletzt geändert durch
die Verordnung (EWG) Nr. 21 59/87 (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 4,
gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 606/86 der Kommission vom 28 . Februar 1986 mit
Durchführungsbestimmungen zum ergänzenden Handelsmechanismus für aus der Zehnerge
meinschaft nach Spanien eingeführte Milcherzeugnisse (3), zuletzt geändert durch die Verord
nung (EWG) Nr. 4024/87 (4), insbesondere auf Artikel 3 Absatz 2,
in der Erwägung, daß gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 574/86 die
Kommission für die ersten zehn Tage des Januar 1988 Mitteilung von den EHM-Lizenzanträgen
für Milch und Milcherzeugnisse erhalten hat. Für die Genehmigung dieser Anträge sind die
erforderlichen Vorschriften zu erlassen —
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN :
Artikel 1
Die in der ersten Januardekade 1988 eingereichten und der Kommission mitgeteilten EHM
Lizenzanträge betreffend die folgenden Erzeugnisse und die in Artikel 2 der Verordnung (EWG)
Nr. 606/86 genannten Kategorien werden für die in den Anträgen angegebenen und mit dem
nachstehend angegebenen Koeffizienten multiplizierten Mengen genehmigt :
KN-Code Warenbezeichnung Koeffizient
ex 0401 Milch und Rahm, frisch, weder eingedickt noch gezuckert :
ex 0403 — in unmittelbaren Umschließungen mit einem Nettoinhalt von 3 1
l oder weniger 1,00
— andere 1,00
0405 00 Butter und andere Fettstoffe aus der Milch 0,07280
ex 0406 Käse :
— Kategorie 1 : Emmentaler, Greyerzer 0,26583
— Kategorie 2 : Roquefort 0,00294
— Kategorie 3 : Käse mit Schimmelbildung im Teig 0,03621
— Kategorie 4 : Schmelzkäse 0,00228
— Kategorie 5 : Parmigiano Reggiano, Grana Padano 0,07729
— Kategorie 6 : Havarti (Fettgehalt : 60 Gewichtshundertteile) 0,00848
V
— Kategorie 7 : Edamer in Kugelform, Gouda 0,05359
— Kategorie 8 : Weichkäse aus Kuhmilch 0,00531
— Kategorie 9 : Cheddar, Chester 0,11112
l — Kategorie 10 : Andere 0,03691
(') ABl. Nr. L 57 vom 1 . 3 . 1986, S. 1 .
(2) ABl. Nr. L 202 vom 23. 7. 1987, S. 30 .
(3) ABl. Nr. L 58 vom 1 . 3 . 1986, S. 28 .
(4) ABl . Nr. L 378 vom 31 . 12. 1987, S. 53 .
---pagebreak--- Nr. L 14/ 10 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 19 . 1 . 88
Artikel 2
Diese Verordnung tritt am 19. Januar 1988 in Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem
Mitgliedstaat.
Brüssel, den 18 . Januar 1988
Für die Kommission
Frans ANDRIESSEN
Vizepräsident
|
doc-35 | Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass drei mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der E AG, abgeschlossene Lebensversicherungsverträge durch Widerspruch von Anfang an unwirksam sind.
3Es geht zum einen um den Vertrag mit der Nummer ## $$-####### (ursprüngliche Nummer ## $$ #######), der nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten von der Klägerin im Jahr 2013 übernommen wurde, nachdem zuvor bei Abschluss zum 01.12.1999 die Mutter der Klägerin Versicherungsnehmerin war. Weiter streitgegenständlich sind die zum 01.12.2004 abgeschlossenen Verträge mit den Nummern ## $$-####### und ## $$-#######.
4Nachdem die Klägerin zunächst mit der Klageschrift hatte vortragen lassen, es könne nicht sicher ermittelt werden, ob sie jemals eine Police von der Beklagten erhalten habe oder nicht, da keinerlei Unterlagen vorlägen, und sie in den Raum stellte, dass die Policen möglicherweise bei der späteren Kündigung der Verträge an die Beklagte zurückgegeben wurden, lässt sie mit Replik vom 20.05.2016 den Erhalt sämtlicher Unterlagen, der Versicherungsscheine nebst Bedingungen und Verbraucherinformationen, bestreiten.
5Die Versicherungsscheine enthielten jeweils auf den Seiten 2 bzw. 3 folgende eingerückte und fettgedruckte Widerspruchsbelehrung:
6## $$-#######:
7„Widerspruchsrecht Der Vertrag gilt auf Grundlage dieses Versicherungsscheins, der darin enthaltenen Versicherungsbedingungen und der ebenfalls für den Vertragsabschluss maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen schriftlich widersprechen. Der Lauf dieser 14tägigen Widerspruchsfrist beginnt, wenn Ihnen die o. g. Unterlagen - einschließlich dieser Belehrung über das Widerspruchsrecht - vollständig vorliegen; abweichend hiervon erlischt Ihr Recht zum Widerspruch jedoch spätestens ein Jahr nach Zahlung des ersten Beitrags. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“
8 ## $$-#######:
9„Widerspruchsrecht Der Vertrag gilt auf Grundlage dieses Versicherungsscheins, der darin enthaltenen Versicherungsbedingungen und der ebenfalls für den Vertragsabschluss maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen in Textform widersprechen. Der Lauf dieser 14tägigen Widerspruchsfrist beginnt, wenn Ihnen die o. g. Unterlagen - einschließlich dieser Belehrung über das Widerspruchsrecht - vollständig vorliegen.
10Den Umfang einer vollständigen Information regelt § 10a Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) in Verbindung mit der Anlage D zu diesem Gesetz. Wenn Sie die Unterlagen nicht vollständig erhalten haben oder die Belehrung über das Widerspruchsrecht nicht erfolgte, erlischt abweichend von Satz 2 Ihr Recht zum Widerspruch spätestens ein Jahr nach Zahlung des ersten Beitrags. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“
11## $$-#######:
12„Widerspruchsrecht Der Vertrag gilt auf Grundlage dieses Versicherungsscheins, der darin enthaltenen Versicherungsbedingungen und der ebenfalls für den Vertragsabschluss maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 30 Tagen in Textform widersprechen. Der Lauf dieser 30tägigen Widerspruchsfrist beginnt, wenn Ihnen die o. g. Unterlagen - einschließlich dieser Belehrung über das Widerspruchsrecht - vollständig vorliegen.
13 Den Umfang einer vollständigen Information regelt § 10a Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) in Verbindung mit der Anlage D zu diesem Gesetz. Wenn Sie die Unterlagen nicht vollständig erhalten haben oder die Belehrung über das Widerspruchsrecht nicht erfolgte, erlischt abweichend von Satz 2 Ihr Recht zum Widerspruch spätestens ein Jahr nach Zahlung des ersten Beitrags. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“
14In den Jahren nach Abschluss der Verträge zahlte die Klägerin an die Rechtsvorgängerin der Beklagten bzw. die Beklagte Prämien in folgender Höhe:
15- auf den Vertrag ## $$-###### 2.078,34 €
16- auf den Vertrag ## $$-####### 3.696,27 € und
17- auf den Vertrag ## $$-####### 8.027,41 €,
18insgesamt mithin 13.802,02 €.
19Im Laufe der Jahre nahm die Klägerin eine Vielzahl von Vertragserklärungen zu den einzelnen Verträgen vor, hinsichtlich derer im Einzelnen auf den Inhalt der Klageerwiderung vom 02.05.2016, Seite 5 ff. (Bl. ## ff. d.A.) und der dort in Bezug genommenen Anlagen verwiesen wird.
20Mit Schreiben vom 10.02.2013 (Anlagen B 29 – B 31) kündigte die Klägerin die Verträge, worauf die Beklagte an die Klägerin Beträge in Höhe von 7.352,69 € (## $$-#######), 1.625,57 € (## $$-#######) und 1.486,16 (## $$-######) auskehrte.
21Mit Schreiben ihrer nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 21.08.2015 (Bl. # ff. d.A.) erklärte die Klägerin Widersprüche bezogen auf die drei streitgegenständlichen Verträge gegenüber der Beklagten, die von dieser mit Schreiben vom 12.10.2015 (Bl. # f. d.A.) zurückgewiesen wurden.
22Die Klägerin ist der Auffassung, die streitgegenständlichen Verträge seien wegen nicht erhaltener, jedenfalls nicht ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrungen aufgrund der Widersprüche vom 21.08.2015 unwirksam. Sie behauptet, in den von ihrem Ehemann geführten Versicherungsunterlagen befänden sich zu den streitgegenständlichen Versicherungen weder Policen, noch Bedingungen und/oder Verbraucherinformationen. Weder nach ihrer noch nach der Erinnerung ihres Ehemannes seien solche Unterlagen zugegangen.
23Die Klägerin beantragt,
24251. festzustellen, dass die Lebensversicherungen mit den Nummern ##$$-#######, ##$$-####### und ##$$-####### durch Widerspruch von Anfang an unwirksam sind,
262. die Beklagte zu verurteilen, sie von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.493,45 € gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten freizustellen.
27Die Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Die Beklagte hält die erhobene Feststellungsklage für unzulässig.
30Sie ist der Auffassung, die Widersprüche seien aufgrund ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung verfristet. Zudem sei das Widerspruchsrecht verwirkt. Des Weiteren erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
32E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
33Die erhobene Feststellungsklage ist zulässig.
34Dem Vorbringen der Klägerin, die bei Rückabwicklung der Verträge berechtigten Ansprüche aufgrund fehlender Informationen derzeit nicht beziffern zu können, ist die Beklagte nicht hinreichend entgegengetreten.
35Die Klage ist jedoch unbegründet.
36Die Klägerin hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Lebensversicherungsverträge.
37Die streitgegenständlichen Lebensversicherungsverträge sind auf der Grundlage des Policen-Modells gemäß § 5a Abs.1 VVG in den bei Abschluss der Verträge jeweils geltenden Fassungen wirksam zustande gekommen. Die Klägerin hat die Verträge nicht binnen einer Frist von 14 Tagen (Verträge Nr. ## $$-####### und ## $$-#######) bzw. 30 Tagen (Vertrag ## $$-#######) nach Überlassung der jeweiligen Versicherungsscheine, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen widersprochen. Zu dem erstmals mit Anwaltsschreiben vom 21.08.2015 erklärten Widerspruch hinsichtlich der drei Verträge war die Klägerin nicht mehr berechtigt.
38Der jeweilige Fristlauf begann zu dem Zeitpunkt, zu dem der Klägerin als Versicherungsnehmerin die jeweiligen Versicherungsscheine, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nach § 10a VAG vollständig vorlagen und sie bei Aushändigung der Versicherungsscheine schriftlich und in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
39Soweit die Klägerin bestreitet, dass ihr seinerzeit die Versicherungsscheine nebst Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen entsprechend der Behauptung der Beklagten zugegangen sind, ist dieses Bestreiten nach § 138 Abs.4 ZPO unbeachtlich mit der Folge, dass der von der Beklagten behauptete Zugang als zugestanden zu behandeln ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht nachvollziehbar, dass während der gesamten Laufzeit der Verträge, insbesondere auch im Zuge der Vielzahl der späteren Vertragserklärungen zu keinem Zeitpunkt das Fehlen so wesentlicher Unterlagen wie der Versicherungsscheine, der Bedingungen und der Verbraucherinformationen aufgefallen und bei der Beklagten bemängelt worden sein soll, falls diese tatsächlich nicht übersandt worden sein sollten. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Klägerin noch in der Klageschrift selbst von der Möglichkeit ausgegangen ist, dass die Policen bei der Kündigung der Verträge an die Beklagte zurückgegeben wurden. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass selbst, wenn es zutreffen sollte, dass in heute vorhandenen Unterlagen der Klägerin sich die fraglichen Dokumente nicht mehr finden, dies nicht den Schluss zulässt, dass sie dort zu keiner Zeit vorhanden waren. Angesichts dessen stellt die Behauptung, keiner der Beteiligten könne sich trotz gehöriger Denk- und Erinnerungsbemühungen ein Zugang dieser Dokumente nicht erinnern, kein substantiiertes Bestreiten dieses Zugangs dar.
40Die in den Versicherungsscheinen der drei streitgegenständlichen Versicherungen enthaltenen Widerspruchsbelehrungen sind ordnungsgemäß. Sie enthalten die notwendigen Angaben und sind drucktechnisch durch Fettdruck sowie durch Einrücken des Belehrungstextes hervorgehoben, zudem auf Seiten 2 bzw. 3 der Versicherungsscheine an hervorgehobener Stelle platziert. Insgesamt genügen sie den gesetzlichen Vorgaben. Auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 16.07.2014 – IV ZR 73/13 ‑, 17.08.2015 – IV ZR 293/14 ‑, 25.08.2015 ‑ IV ZR 244/14 – und 19.10.2015 – IV ZR 136/14 – wird Bezug genommen.
41Es kann offen bleiben, ob die europarechtlichen Bedenken hinsichtlich des Policen‑Modells durch den europäischen Gerichtshof (Urteil vom 19.12.2013, Rechtssache C – 209/12, NJW 2014, 452), die durch den Bundesgerichtshof mit Urteil vom 16.07.2014 (IV ZR 73/13) nicht geteilt wurden, berechtigt sind.
42Denn unabhängig hiervon ist es der Klägerin jedenfalls verwehrt, gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Verträge geltend zu machen, nachdem bis zur Erklärung des Widerspruchs die Verträge über einen Zeitraum von ca. 10 bzw. 15 Jahren abgewickelt worden sind. Solche Rechte der Klägerin sind jedenfalls verwirkt. Hierfür sprechen neben der Zeitdauer und den Prämienzahlungen der Klägerin insbesondere auch die Vielzahl der von dieser abgegebenen Vertragserklärungen sowie schließlich insbesondere auch die Kündigung der Verträge durch die Klägerin und die daraufhin nach deren Akzeptanz geleisteten Zahlungen der Beklagten.
43Angesichts dessen kann dahinstehen, ob schon allein der Umstand der früheren Kündigung einer wirksamen Ausübung eines Widerspruchsrechtes nach § 5a VVG a.F. entgegensteht.
44Weiterhin offen bleiben kann auch, ob die Klägerin hinsichtlich des Vertrages mit der Nummer ## $$-####### (ursprüngliche Nummer ## $$ #######) aufgrund Rückabtretung der Rechte durch ihre Mutter aktivlegitimiert ist oder nicht.
45Ebenfalls gilt dies für die Frage, ob eventuelle Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte verjährt wären.
46Mangels Hauptanspruch steht der Klägerin gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.
47Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs.1; 709 ZPO.
48Streitwert: 11.041,62 € (80 % von 13.802,02 €).
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doc-36 |
15.3.2014
DE
Amtsblatt der Europäischen Union
C 78/16
Klage, eingereicht am 29. Januar 2014 — Iran Insurance/Rat
(Rechtssache T-63/14)
2014/C 78/33
Verfahrenssprache: Englisch
Parteien
Klägerin: Iran Insurance Company (Teheran, Iran) (Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt D. Luff)
Beklagter: Rat der Europäischen Union
Anträge
Die Klägerin beantragt,
—
Nr. 2 des Anhangs des Beschlusses 2013/661/GASP des Rates vom 15. November 2013 zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 306, S. 18) für nichtig zu erklären;
—
Nr. 2 des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1154/2013 des Rates vom 15. November 2013 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 306, S. 3) für nichtig zu erklären;
—
Art. 20 Abs. 1 Buchst. c des Beschlusses 2010/413/GASP (1) des Rates in der durch Art. 1 Abs. 7 des Beschlusses 2012/35/GASP (2) des Rates vom 23. Januar 2012 sowie durch die Art. 23 Abs. 2 Buchst. d und 46 Abs. 2 der Verordnung 267/2012 (3) vom 23. März 2012 geänderten Fassung für auf sie nicht anwendbar zu erklären;
—
dem Beklagten ihre Kosten aufzuerlegen.
Klagegründe und wesentliche Argumente
Zur Stützung der Klage macht die Klägerin sechs Klagegründe geltend.
1.
Erster Klagegrund: Die angeblichen spezifischen Gründe für die Aufnahme der Iran Insurance Company lägen in Wirklichkeit nicht vor. Die Klägerin habe klar bestritten, dass sie finanzielle Unterstützung für die Regierung Irans bereitstelle. Außerdem habe sie Iran im nuklearen Bereich nicht unterstützt. Folglich seien die Erfordernisse gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. c des Beschlusses 2010/413/GASP des Rates (in der später durch Art. 1 Abs. 7 des Beschlusses 2012/35/GASP des Rates vom 23. Januar 2012, Art. 1 Abs. 8 des Beschlusses 2012/635/GASP des Rates vom 15. Oktober 2012 und Art. 1 Abs. 2 des Beschlusses 2012/829/GASP des Rates vom 21. Dezember 2012 geänderten Fassung) und gemäß Art. 23 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 (in der später durch Art. 1 Abs. 11 der Verordnung 1263/2012 des Rates vom 21. Dezember 2012 geänderten Fassung) nicht erfüllt.
2.
Zweiter Klagegrund: Durch die Belegung der Iran Insurance Company mit Sanktionen ausschließlich deshalb, weil es sich um ein Unternehmen im Besitz der Regierung handle, habe der Rat die Klägerin im Vergleich zu anderen Unternehmen im Besitz der öffentlichen Hand in Iran, die nicht mit Sanktionen belegt worden seien, diskriminiert. Dabei habe der Rat gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen.
3.
Dritter Klagegrund: Der Rat habe seine Entscheidung, die Klägerin auf der Liste der sanktionierten Einrichtungen zu belassen, nicht hinreichend begründet. Er habe zwar auf die „Auswirkungen der Maßnahmen im Zusammenhang mit den politischen Zielen der Union“ verwiesen, aber nicht konkretisiert, auf welche Art von Auswirkungen er sich beziehe und wie die Maßnahmen solchen Auswirkungen begegnen würden.
4.
Vierter Klagegrund: Durch die Belassung der Klägerin auf der Liste der sanktionierten Unternehmen habe der Rat seine Befugnisse missbraucht. Er habe sich in der Praxis geweigert, dem Urteil des Gerichts in der Rechtssache T-12/11 nachzukommen. Er habe den institutionellen Aufbau der Europäischen Union und das Recht der Klägerin, Gerechtigkeit zu erlangen und angewandt zu sehen, untergraben. Er habe sich auch seinen eigenen Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen aus dem Beschluss 2013/661/GASP des Rates vom 15. November 2013 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1154/2013 des Rates vom 15. November 2013, die durch das Gericht in dem genannten Urteil klar beschrieben worden seien, entzogen.
5.
Fünfter Klagegrund: Der Rat habe den Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt, indem er dem Urteil des Gerichts, in dem der Rat und die Klägerin gegnerische Parteien gewesen seien und der Rat unterlegen sei, nicht nachgekommen sei: So sei er nicht einmal der Argumentation und der Begründung des Urteils gefolgt. Er habe außerdem die Geschäfte der Klägerin und ihre angebliche Rolle in Bezug auf die Regierung Irans in tatsächlicher Hinsicht irrig dargestellt. Weiter habe er es unterlassen, auch nur die geringste Untersuchung der tatsächlichen Rolle und Geschäfte der Klägerin in Iran durchzuführen, obwohl ihm dies vom Gericht als wesentlicher Aspekt der Sanktionsregelung der EU gegen Iran angegeben worden sei. Schließlich seien die Sanktionen über den 20. Januar 2014 hinaus beibehalten worden, obgleich die EU an diesem Datum wirtschaftlichen Tätigkeiten des Iran zur Erzielung von Einnahmen zugestimmt habe, da davon ausgegangen werde, dass Iran keine proliferationsrelevanten nuklearen Aktivitäten mehr ausübe.
6.
Sechster Klagegrund: Der Rat habe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.
(1) Beschluss des Rates vom 26. Juli 2010 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140/GASP (ABl. L 195, S. 39).
(2) Beschluss 2012/35/GASP des Rates vom 23. Januar 2012 zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 19, S. 22).
(3) Verordnung (EU) Nr. 267/2012 des Rates vom 23. März 2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 961/2010 (ABl. L 88, S. 1).
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doc-37 | Nr. L 316/ 10 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 12. 11 . 82
VERORDNUNG (EWG) Nr. 3010/82 DER KOMMISSION
vom 11 . November 1982
zur Festsetzung der Mindestverkaufspreise für entbeintes Rindfleisch bei
Ausschreibungen gemäß Verordnung (EWG) Nr. 2326/79
DIE KOMMISSION DER EUROPAISCHEN Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen
GEMEINSCHAFTEN — entsprechen der Stellungnahme des Verwaltungsaus
schusses für Rindfleisch —
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europä
ischen Wirtschaftsgemeinschaft,
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN :
gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des
Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Markt Artikel 1
organisation für Rindfleisch ('), zuletzt geändert durch
die Akte über den Beitritt Griechenlands (2), insbeson (1 ) Die Mindestverkaufspreise für entbeintes Rind
dere auf Artikel 7 Absatz 3 ,
fleisch aus Beständen der dänischen, deutschen und
irischen Interventionsstelle, die für den Zuschlag bei
in Erwägung nachstehender Gründe : der Ausschreibung gemäß Verordnung (EWG) Nr.
2326/79, deren Frist für die Einreichung der Angebote
Nach Artikel 9 der Verordnung (EWG) Nr. 2173/79 am 2. November 1982 abgelaufen ist, gelten, sind im
der Kommission (3) müssen die Mindestverkaufspreise Anhang zu dieser Verordnung festgesetzt worden.
für das ausgeschriebene Fleisch aufgrund der einge (2) Angebote, die im Rahmen der in Absatz 1
gangenen Angebote festgesetzt werden. genannten Ausschreibung für nicht im Anhang
genannte Erzeugnisse abgegeben worden sind, werden
Gemäß Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2326/79 nicht berücksichtigt.
der Kommission (4) sind bestimmte Mengen
entbeinten Rindfleisches, festgestellt durch Verord Artikel 2
nung (EWG) Nr. 2533/82 der Kommission (*), ausge
schrieben worden. Aufgrund dessen sind die Mindest Diese Verordnung tritt am 13. November 1982 in
verkaufspreise festzusetzen. Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem
Mitgliedstaat.
Brüssel, den 11 . November 1982
Für die Kommission
Poul DALSAGER
Mitglied der Kommission
(>) ABl. Nr. L 148 vom 28 . 6. 1968, S. 24.
0 ABl. Nr. L 291 vom 19 . 11 . 1979, S. 17.
O ABl. Nr. L 251 vom 5. 10 . 1979, S. 12.
< ABl. Nr. L 266 vom 24. 10 . 1979, S. 5.
O ABl. Nr. L 271 vom 21 . 9 . 1982, S. 5.
---pagebreak--- 12. 11 . 82 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 316/ 11
ANNEXE — ANHANG — ALLEGATO — BIJLAGE — ANNEX — BILAG —
ΠΑΡΑΡΤΗΜΑ
BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (>)
Prix de vente minimaux
Mindestverkaufspreise
Prezzi minimi di vendita
Produits — Erzeugnisse — Prodotti Minimumverkoopprijzen
Produkten — Products — Produkter Minimum selling prices
Προϊόντα Mindstesalgspriser
Ελάχιστες τιμές πωλήσεως
Écus/t — ECU/t — ECU/t — Ecu/ton —
ECU/tonne — ECU/ton — ECU/τόνο
Bullen A
Filets 10 600
Roastbeef 6 057
Oberschalen 4310
Unterschalen 4 294
Kugeln 4 205
Kniekehlfleisch 3 325
Hesse 2912
Ochsen A
Filets 10 251
Roastbeef 6 240
Oberschalen 4 298
Unterschalen 4 279
Kugeln 4 275
(') Avis d'adjudication n0 D P — 19, JO n0 C 276 du 19. 10. 1982, p. 12.
(») Ausschreibung Nr. D P — 19, ABl. Nr. C 276 vom 19. 10. 1982, S. 12.
(') Bando di gara n. D P — 19, GU n. C 276 del 19. 10. 1982, pag. 12.
(') Bericht van inschrijving nr. D P — 19, PB nr. C 276 van 19. 10. 1982, biz. 12.
(') Notice of invitation to tender No D P — 19, OJ No C 276, 19. 10. 1982, p. 12.
(') Licitationsbekendtgørelse nr. D P — 19, EFT nr. C 276 af 19 . 10. 1982, s. 12.
(■) Προκήρυξη διαγωνισμοϋ άριΟ. Γ Π — 19, EE άριθ. C 276 της 19. 10. 1982, σ. 12.
DANMARK (2)
Prix de vente minimaux
Mindestverkaufspreise
Prezzi minimi di vendita
Produits — Erzeugnisse — Prodotti Minimumverkoopprijzen
Produkten — Products — Produkter Minimum selling prices
Προϊόντα Mindstesalgspriser
'Ελάχιστες τιμές πωλήσεως
Écus/t — ECU/t — ECU/t — Ecu/ton —
ECU/tonne — ECU/ton — ECU/τόνο
Ungtyre
Øvrig kød af forfjerdinger 2 880
Bryst og slag 2 393
(2) Avis d'adjudication n0 DK P — 20, JO n° C 276 du 19. 10. 1982, p. 16.
(2) Ausschreibung Nr. DK P — 20, ABl . Nr. C 276 vom 19 . 10 . 1982, S. 16.
(2) Bando di gara n. DK P — 20, GU n. C 276 del 19. 10. 1982, pag. 16.
(2) Bericht van inschrijving nr. DK P — 20, PB nr. C 276 van 19. 10. 1982, biz. 16.
(2) Notice of invitation to tender No DK P — 20, OJ No C 276, 19. 10. 1982, p. 16.
(2) Licitationsbekendtgørelse nr. DK P — 20, EFT nr. C 276 af 19. 10. 1982, s. 16.
(2) Προκήρυξη διαγωνισμοϋ άριθ. Δ Π -— 20, EE αριθ. C 276 τής 19. 10. 1982, σ. 16.
---pagebreak--- Nr. L 316/ 12 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 12. 11 . 82
IRELAND (')
Prix de vente minimaux
Mindestverkaufspreise
Prezzi minimi di vendita
Produits — Erzeugnisse — Prodotti Minimumverkoopprijzen
Produkten — Products — Produkter Minimum selling prices
Προϊόντα Mindstesalgspriser
'Ελάχιστες τιμές πωλήσεως
Écus/t — ECU/t — ECU/t — Ecu/ton —
ECU/tonne — -ECU/ton — ECU/τόνο
Steers 1 and 2
Forequarters 2 903
Plates and flanks 2 074
(') Avis d'adjudication n° Irl P — 19, JO n° C 276 du 19. 10. 1982, p. 18.
(') Ausschreibung Nr. Irl P — 19, ABl. Nr. C 276 vom 19. 10. 1982, S. 18 .
(') Bando di gara n. Irl P — 19, GU n. C 276 del 19. 10. 1982, pag. 18 .
(') Bericht van inschrijving nr. Irl P — 19, PB nr. C 276 van 19. 10. 1982, biz. 18 .
(') Notice of invitation to tender No Irl P — 19, OJ No C 276, 19. 10. 1982, p. 18.
(') Licitationsbekendtgørelse nr. Irl P — 19, EFT nr. C 276 af 19 . 10 . 1982, s. 18 .
(') Προκήρυξη διαγωνισμοί) Ίρλ. Π — 19, EE άρι3. C 276 της 19. 10. 1982, σ. 18.
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doc-38 | Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Entscheid: IV.2008.00125
[8C_885/2009]
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IV.2008.00125
Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich
II. Kammer
Sozialversicherungsrichter Mosimann, Vorsitzender
Sozialversicherungsrichter Meyer
Sozialversicherungsrichter Walser
Gerichtssekretärin Fehr
Urteil vom 24. August 2009
in Sachen
X._
Beschwerdeführer
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Zollinger
Rämistrasse 5, Postfach 462, 8024 Zürich
gegen
Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, IV-Stelle
Röntgenstrasse 17, Postfach, 8087 Zürich
Beschwerdegegnerin
Sachverhalt:
1.
1.1 X._, geboren 1962, war von 1995 bis 30. September 1999 als Hilfsarbeiter bei der Y._ AG beschäftigt (Urk. 14/10) und meldete sich nach einem im August 1998 erlittenen Unfall wegen Schulter- und Armbeschwerden am 16. März 2000 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Berufsberatung, Rente) an (Urk. 14/2 Ziff. 7.1-3 und 7.8).
Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, IV-Stelle, verneinte mit Verfügung vom 18. Juni 2002 einen Leistungsanspruch des Versicherten (Urk. 14/33).
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das hiesige Gericht im Verfahren Nr. IV.2002.00379 mit Urteil vom 4. Februar 2003 in dem Sinne gut, als es die Sache zu ergänzenden Abklärungen an die IV-Stelle zurückwies (Urk. 14/39).
1.2 In der Folge veranlasste die IV-Stelle ein Gutachten, das von den Ärzten des Medizinischen Zentrums Z._ (Z._) am 23. Januar 2004 erstattet wurde (Urk. 14/54 = Urk. 14/56).
Mit Verfügung vom 14. Mai 2004 verneinte die IV-Stelle einen Anspruch des Versicherten auf berufliche Massnahmen (Urk. 14/61).
Mit Verfügung vom 17. Mai 2004 verneinte die IV-Stelle einen Rentenanspruch (Urk. 14/62 = Urk. 14/65). Dagegen erhob der Versicherte am 15. Juni 2004 Einsprache (Urk. 14/64). Daraufhin holte die IV-Stelle weitere Arztberichte (Urk. 14/86-87) ein. Mit Einspracheentscheid vom 13. Dezember 2007 verneinte sie - bei einem Invaliditätsgrad von 35 % - einen Rentenanspruch des Versicherten abermals (Urk. 14/93 = Urk. 2).
2. Gegen den Einspracheentscheid vom 13. Dezember 2007 (Urk. 2) erhob der Versicherte am 28. Januar 2008 Beschwerde mit dem Antrag auf Zusprache einer ganzen Rente, eventuell Gewährung beruflicher Massnahmen (Urk. 1 S. 2 Ziff. 1-2).
Mit Beschwerdeantwort vom 28. April 2008 beantragte die IV-Stelle die Abweisung der Beschwerde (Urk. 13)
Mit Beschluss vom 18. August 2008 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf unentgeltliche Prozessführung und Vertretung (Urk. 1 S. 2 Ziff. 3) abgewiesen und es wurde der Schriftenwechsel geschlossen (Urk. 25).
Das Gericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Am 1. Januar 2008 sind die im Zuge der 5. IV-Revision revidierten Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG) vom 6. Oktober 2006, der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV) vom 28. September 2007, des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) sowie das Bundesgesetz über die Schaffung und die Änderung von Erlassen zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) vom 6. Oktober 2006 in Kraft getreten. In materiellrechtlicher Hinsicht gilt jedoch der allgemeine übergangsrechtliche Grundsatz, dass der Beurteilung jene Rechtsnormen zu Grunde zu legen sind, die bei Erlass des angefochtenen Entscheids respektive im Zeitpunkt gegolten haben, als sich der zu den materiellen Rechtsfolgen führende Sachverhalt verwirklicht hat (vgl. BGE 127 V 467 Erw. 1, 126 V 136 Erw. 4b, je mit Hinweisen). Weil der angefochtene Entscheid am 13. Dezember 2007 erging, gelangen die revidierten materiellen Vorschriften des IVG, der IVV und des ATSG im vorliegenden Fall noch nicht zur Anwendung. Bei den im Folgenden zitierten Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen handelt es sich deshalb - soweit nichts anderes vermerkt wird - um die Fassungen, wie sie bis Ende 2007 in Kraft gewesen sind.
1.2 Die massgebenden rechtlichen Grundlagen, insbesondere betreffend die Invalidität (Art. 8 ATSG), den Rentenanspruch (Art. 28 IVG) und die Invaliditätsbemessung (Art. 16 ATSG), sind im angefochtenen Entscheid zutreffend wiedergegeben (Urk. 2 S. 1 f.). Darauf kann verwiesen werden.
2. Die Beschwerdegegnerin ging davon aus, das Valideneinkommen betreffend sei auf das 2000 erzielte Einkommen von Fr. 54'600.-- abzustellen, womit im Jahr 2003 rund Fr. 57'770.-- resultierten; eine behinderungsangepasste Tätigkeit sei dem Beschwerdeführer zu 80 % zumutbar, womit - bei einem Abzug von 15 % - ein Invalideneinkommen von rund Fr. 37'706.-- und ein Invaliditätsgrad von 35 % resultierten (Urk. 2 S. 3 Mitte).
Demgegenüber stellte sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt, sein behandelnder Hausarzt erachte eine Arbeitsfähigkeit als nicht mehr zu 80 % gegeben (Urk. 1 S. 3), die Beschwerdegegnerin lehne zu Unrecht eine Arbeitsvermittlung ab (Urk. 1 S. 4) und der Leidensabzug sei zu tief angesetzt (Urk. 1 S. 4 unten).
Strittig ist somit ein allfälliger Anspruch auf berufliche Massnahmen sowie der Invaliditätsgrad.
3. Mit Verfügung vom 14. Mai 2004 verneinte die Beschwerdegegnerin einen Anspruch auf berufliche Massnahmen (Urk. 14/61). Dagegen wurde kein Rechtsmittel ergriffen; sie ist mithin rechtskräftig.
Weder hat seither der Beschwerdeführer ein weiteres Leistungsgesuch gestellt noch hat die Beschwerdegegnerin betreffend berufliche Massnahmen erneut verfügt.
Diesbezüglich liegt kein Anfechtungsobjekt vor, so dass insoweit auf die Beschwerde nicht einzutreten ist.
4.
4.1 Im Urteil vom 4. Februar 2003 (Urk. 14/39) wurden die damals vorliegenden (bis Januar 2002 reichenden) medizinischen Akten wie folgt gewürdigt (S. 8 f. Erw. 4.1, S. 9 f. Erw. 4.2):
Der Unfall mit einer Distorsion der rechten Schulter des Beschwerdeführers ereignete sich im August 1998. Im Frühjahr 1999 bestand gemäss Austrittsbericht der Rehaklinik A._ wieder eine volle Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit, beziehungsweise gemäss Beurteilung des damaligen Hausarztes zumindest in einer angepassten Tätigkeit (...). Im Juli 1999 wurde erstmals - als Differentialdiagnose - eine mögliche Depression erwähnt und im Verlauf des Jahres 1999 führten die (...) Abklärungen zur Diagnose eines Carpaltunnelsyndroms, welches im März 2000 operativ angegangen wurde (...), ohne dass eine Zustandsverbesserung eingetreten wäre.
Ab September 2000 verschlechterte sich der Gesundheitszustand noch zusätzlich, wobei nunmehr Schulterschmerzen im Vordergrund standen (...). Weitere Abklärungen im Frühjahr 2001 führten zur Feststellung, mittlerweile bestehe ein chronisches, therapieresistentes myofasziales Schmerzsyndrom mit Generalisierungstendenz sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (...).
Aus psychiatrischer Sicht wurde im September 2001 eine Arbeitsunfähigkeit von 20 % attestiert und offen gelassen, ob aus somatischer Sicht eine weitergehende Einschränkung anzunehmen sei. Die Gutachter der B._ Klinik, welche im Januar 2002 die Arbeitsfähigkeit aus somatischer Sicht beurteilten, sprachen von einer Arbeitsfähigkeit von mindestens 50 % in leidensangepasster Tätigkeit, steigerbar nach einer gewissen Anpassungsdauer. Dies bedeutet, dass aus somatischer Sicht anfänglich von einer Arbeitsunfähigkeit von bis zu 50 % auszugehen ist.
Wie sich die Arbeitsunfähigkeit aus somatischer und jene aus psychiatrischer Sicht zueinander verhalten, ist eine weitgehend medizinische Frage, zu welcher die vorhandenen Akten keine Angaben enthalten, da die beiden Gutachten unabhängig voneinander erstellt worden sind. (...)
4.2 Gemäss Bericht vom 29. November 2002 wurde der Beschwerdeführer am 5. November 2002 in der Psychiatrischen Universitätsklinik ambulant untersucht (Urk. 14/40). Diagnostisch wurden eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome mit Somatisierungsstörungen und anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen, ein Verdacht auf ein Fibromyalgiesyndrom sowie ein cervikobrachiales Syndrom rechts festgehalten (S. 2 unten).
4.3 Am 23. Januar 2004 erstatteten Dr. med. C._ und PD Dr. med. D._ ein Gutachten im Auftrag der Beschwerdegegnerin (Urk. 14/54 = Urk. 14/56). Es basierte auf Untersuchungen vom 17. und 24. November 2003 (vgl. S. 1 Mitte), den vorhandenen Akten (S. 1-6), den Angaben des Beschwerdeführers und den erhobenen Befunden (S. 7-12) sowie einem rheumatologischen (S. 12 ff.) und einem psychiatrischen (S. 15 ff.) Konsilium.
Die Gutachter stellten folgende Diagnosen mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit (S. 17 Ziff. 4):
-
Somatisierungsstörung (ICD-10: F 45.0)
-
chronisches diffuses weichteilrheumatisches Schmerzsyndrom mit/bei
-
Betonung über dem Schulter- und Beckengürtel rechts mit/bei
-
Status nach Distorsion und Kontusion der rechten Schulter am 21. August 1998
Aus rheumatologischer Sicht bestehe für eine leichte bis mittelschwere Arbeitstätigkeit keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit; Druckdolenz alleine begründe keine Arbeitsunfähigkeit (S. 19). Aus psychiatrischer Sicht bestehe aufgrund der Somatisierungsstörung bestenfalls eine 20%ige Einschränkung der Arbeitsfähigkeit (S. 20 oben). Zusammenfassend und unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten und Befunde bestehe beim Beschwerdeführer aufgrund seiner psychiatrischen Diagnose eine 20%ige Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf. Für eine körperlich leichte bis mittelschwere Arbeit könne aus rheumatologischer Sicht keine weitere Einschränkung der Arbeitsfähigkeit begründet werden (S. 20).
4.4 Gemäss am 12. Oktober 2005 übermitteltem Bericht (Urk. 14/80/2-3) war der Beschwerdeführer vom 25. September bis 7. Oktober 2005 im Kreisspital E._ hospitalisiert, wo zur Hauptsache chronische Rückenschmerzen, anamnestisch ein Status nach Ulcus ventriculi oder duodeni sowie eine Rantidin-Allergie diagnostiziert wurden (S. 1 Mitte).
4.5 Gemäss Bericht vom 9. Mai 2007 (Urk. 14/86) wurde der Beschwerdeführer seit 27. September 2006 in der Tagesklinik des Psychiatriezentrums E._ behandelt (Ziff. 4.1). Als Diagnosen mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit wurden eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Episode (ICD-10 F43.21), eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) und eine Somatisierungsstörung (ICD-10 F45.0) genannt (Ziff. 2.1). In der angestammten Tätigkeit bestehe seit dem 11. Juli 2006 eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % (Ziff. 3). Die Prognose dürfte längerfristig ungünstig sein (Ziff. 4.7). Der Gesundheitszustand sei stationär (Ziff. 5.1); die Arbeitsfähigkeit könne durch medizinische Massnahmen nicht verbessert werden (Ziff. 5.2); eine berufliche Umstellung sei nicht prüfen (Ziff. 6.2).
4.6 Dr. med. F._, FMH Innere Medizin, berichtete im Mai 2007 (Urk. 14/87), er behandle den Beschwerdeführer seit 1998 (Ziff. 41.); die letzte Untersuchung habe am 9. Mai 2007 stattgefunden (Ziff. 4.2). Als Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit nannte er eine Brachialgie rechts, eine Hyposensibilität im rechten Arm und einen Status nach offener Karpaltunnel-Dekompression rechts (Ziff. 2.1). Als Diagnose ohne Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit nannte er eine larvierte Depression (Ziff. 2.2). Seit 1999 „bis zur Eingliederung“ bestehe in der angestammten Tätigkeit eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % (Ziff. 3). Ergänzend bemerkte er mit Verweis auf den psychiatrischen Bericht, der Beschwerdeführer wolle nicht arbeiten. Es sei zu hoffen, dass er lerne, länger als 5 Minuten zu sitzen und zu arbeiten; eine Wiedereingliederung müsse möglich sein (Ziff. 1.2).
4.7 Gemäss Bericht vom 8. Januar 2008 (Urk. 4) nahm der Beschwerdeführer weiterhin am Programm der Tagesklinik des Psychiatriezentrums E._ teil; als Diagnosen wurden eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) und eine generalisierte Angststörung (ICD-10 F41.1) begleitet von depressiver Episode, aktuell leichter Ausprägung (ICD-10 F32.0) genannt (S. 1 Mitte). Aufgrund der Erfahrungen der letzten 1 1⁄2 Jahre werde der Beschwerdeführer als zum jetzigen Zeitpunkt zu 100 % arbeitsunfähig beurteilt (S. 2 Mitte).
Analoge Angaben wurden im Bericht vom 21. Januar 2008 an Dr. F._ (Urk. 9) gemacht.
4.8 Am 25. April 2008 berichtete Dr. med. G._, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, dass er den Beschwerdeführer seit dem 22. Januar 2008 behandle (Urk. 16 S. 1 oben). Eine Diagnose im eigentlichen Sinn ist dem Bericht nicht zu entnehmen (vgl. S. 5). Zur Arbeitsunfähigkeit führte Dr. G._ aus, er veranschlage sie ebenso hoch wie in den ihm vorliegenden Beurteilungen (S. 5 unten).
5.
5.1 Gemäss Rückweisungsurteil von 2003 bestand im damaligen Beurteilungszeitpunkt - bei einem chronifizierten Schmerzsyndrom und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung - eine Arbeitsunfähigkeit aus psychiatrischer Sicht von 20 % und Arbeitsfähigkeit von mindestens 50 % aus somatischer Sicht; eine beide Perspektiven einschliessende Beurteilung fehlte.
Mit dem 2004 erstatteten Z._-Gutachten wurde diese zusammenhängende Sichtweise hergestellt. Sie ergab, bei gleichen Diagnosen, aus rheumatologischer Sicht eine volle Arbeitsfähigkeit für leichte und mittlere Tätigkeiten und aus psychiatrischer Sicht eine Einschränkung von 20 %, mithin insgesamt eine Arbeitsfähigkeit von 80 % für leichte und mittlere Tätigkeiten.
5.2 Die weiteren ärztlichen Berichte sind nicht geeignet, die im Z._-Gutachten erfolgte Beurteilung umzustossen. Im Bericht des Kantonsspitals E._ im Oktober 2005 wurden keine Angaben zur Arbeitsfähigkeit gemacht. Die diesbezüglichen Angaben des Hausarztes im Mai 2007 sodann sind nicht schlüssig und die Angaben des seit Januar 2008 behandelnden Psychiaters sind mangels Begründung nicht verwertbar. Einzig in den Berichten der Fachleute des Psychiatriezentrums E._ wurde zur Arbeitsfähigkeit wiederholt Stellung genommen. Allerdings erweist sich die dort postulierte volle Arbeitsunfähigkeit als derart diskrepant zu den anderen, gut begründeten Einschätzungen, wonach eine Einschränkung von (lediglich) 20 % besteht, dass sie nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist. Letztlich ist sie nur verständlich, wenn man in Rechnung stellt, dass sich der Beschwerdeführer in eben dieser Institution über längere Zeit und im jeweiligen Berichtszeitpunkt in Behandlung befand; die Berichte erscheinen als Ausdruck des entsprechenden Auftrags- und Vertrauensverhältnisses (vgl. BGE 125 V 353 Erw. 3b/cc) und können nicht den Stellenwert einer objektivierten, neutralen Beurteilungen beanspruchen. Dementsprechend lassen sich aus ihnen keine zusätzlichen Erkenntnisse gewinnen.
5.3 Vor diesem Hintergrund ist der medizinische Sachverhalt dahingehend als erstellt zu erachten, dass für leichte und mittlerschwere Tätigkeiten eine Arbeitsfähigkeit von 80 % besteht.
Davon ausgehend hat die Beschwerdegegnerin sodann zu Recht auf die Tabellenlöhne für männliche Hilfsarbeiter abgestellt; davon hat sie zusätzlich einen Abzug von 15 % vorgenommen (vgl. Urk. 14/60/4).
Den genannten Abzug bezeichnete der Beschwerdeführer als nicht korrekt beziehungsweise zu tief, könne er doch auch in einer Verweisungstätigkeit nur noch reduziert arbeiten (Urk. 1 S. 4 unten). Dieser vom Beschwerdeführer genannte Umstand deckt sich mit der Begründung, welche die Beschwerdegegnerin zur Vornahme des Abzugs veranlasst hat, indem sie berücksichtigte, dass das Lohnniveau von Hilfsarbeitern mit Teilpensum tiefer liegt als bei vollzeitlicher Beschäftigung. Dafür einen Abzug von 15 % einzusetzen, ist allerdings ausgesprochen grosszügig, so dass umso weniger Veranlassung besteht, in das pflichtgemäss ausgeübte Ermessen der Beschwerdegegnerin einzugreifen.
5.4 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass den vom Beschwerdeführer erhobenen Einwänden nicht gefolgt werden kann; auch darüber hinaus sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, wonach die angefochtene Verfügung zu beanstanden wäre.
Mithin ist sie zu bestätigen, was zur Abweisung der Beschwerde führt.
6. Die Verfahrenskosten gemäss Art. 69 Abs. 1
bis
IVG sind ermessensweise auf Fr. 600.-- festzusetzen und ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen.
Das Gericht erkennt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Rechnung und Einzahlungsschein werden dem Kostenpflichtigen nach Eintritt der Rechtskraft zugestellt.
3. Zustellung gegen Empfangsschein an:
- Rechtsanwalt Bernhard Zollinger
- Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, IV-Stelle
- Bundesamt für Sozialversicherungen
sowie an:
- Gerichtskasse (im Dispositiv nach Eintritt der Rechtskraft)
4. Gegen diesen Entscheid kann innert
30 Tagen
seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG).
Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen.
Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat (Art. 42 BGG). |
doc-39 |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 30. September 2009 - 3 Ca 756/08 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die am 0.0.1954 geborene Klägerin trat auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages mit Wirkung vom 15. Juli 1976 in die Dienste der Beklagten. Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen. Die Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II BL Abschnitt N (Angestellte im Schreibdienst) hatte folgenden Wortlaut:
2
Vollbeschäftigte Angestellte, die mit mindestens einem Drittel der regelmäßigen Arbeitszeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Magnetbandschreibmaschinen oder andere Textverarbeitungsautomaten bedienen und hierbei vollwertige Leistungen erbringen, erhalten für die Dauer dieser Tätigkeit eine monatliche Funktionszulage in Höhe von 8 v. H. der Anfangsgrundvergütung der Vergütungsgruppe VII. Die Funktionszulage gilt bei der Bemessung des Sterbegeldes (§ 41) und des Übergangsgeldes (§ 63) als Bestandteil der Grundvergütung und wird nur neben der Vergütung nach Vergütungsgruppe VII gezahlt. Sie ist nur für Zeiträume zu zahlen, für die Vergütung, Urlaubsvergütung oder Krankenbezüge zustehen.
3
Die Anlage 1 a zum BAT wurde zum 31. Dezember 1983 gekündigt, von den Tarifvertragsparteien mit Wirkung vom 1. Januar 1991 wieder in Kraft gesetzt. Ausgenommen von dieser durch den Tarifvertrag zur Änderung der Anlage 1a zum BAT vom 28. Dezember 1990 erfolgten Wiederinkraftsetzung blieb jedoch der Abschnitt N des Teils II der Anlage 1a zum BAT.
4
Am 26. Mai 1989 führte die Beklagte in der Dienststelle der Klägerin die Textautomaten Mega und Junior ein. Unter dem 24. Juli/7. August 1989 schlossen die Parteien den folgenden 8. Nachtrag zum Arbeitsvertrag:
5
Frau P. M. erhält ab 01.06.1989 bis auf Weiteres eine Funktionszulage gemäß Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT nach Maßgabe des Rundschreibens des Bundesministers des Innern vom 02.09.1986 - D III 1 - 220 254/9 - in der jeweils geltenden Fassung.
6
Seit dem 1. Oktober 2005 richtet sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach den Vorschriften des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) und des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) vom 13. September 2005.
7
Im TVÜ - Bund heißt es zur Bildung des Vergleichsentgelts u. a.:
8
§ 5 Vergleichsentgelt
9
(2) Bei Beschäftigten aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O setzt sich das Vergleichsentgelt aus Grundvergütung, allgemeiner Zulage und Ortszuschlag der Stufe 1 oder 2 zusammen. Ferner fließen im September 2005 tarifvertraglich zustehende Funktionszulagen insoweit in das Vergleichsentgelt ein, als sie nach dem TVöD nicht mehr vorgesehen sind.
10
Die Beklagte bezog die an die Klägerin gewährte Funktionszulage für den Schreibdienst nicht in das Vergleichsentgelt gem. § 5 Abs. 2 S. 3 TVÜ-Bund ein. Entsprechend den Vorgaben aus dem Rundschreiben des BMI vom 10. Oktober 2005 zahlte die Beklagte die Zulage zunächst außertariflich als persönliche Zulage neben dem Vergleichsentgelt weiter. Mit Wirkung vom 1. Januar 2008 rechnete die Beklagte die Schreibzulage zunächst voll auf die Tariflohnerhöhung an. Zum 1. September 2008 nahm die Beklagte eine Korrektur vor und zahlte für das Jahr 2008 monatlich eine Schreibzulage in Höhe von 53,45 Euro, im Jahr 2009 eine Zulage in Höhe von 24,49 Euro brutto.
11
Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung der Differenz zwischen der vollen und der tatsächlich gezahlten Funktionszulage für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 30. September 2009 in Anspruch.
12
Die Klägerin hat gemeint, ihr stehe ein Anspruch auf Zahlung der Funktionszulage für Angestellte im Schreibdienst weiterhin zu. Sie erfülle die tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Zulage. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits 1976 begründet worden sei, finde die entsprechende Tarifvorschrift seit Januar 1984 kraft Nachwirkung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Im Übrigen sei die Zahlung der Zulage noch einmal einzelvertraglich im Juli/August 1989 vereinbart worden.
13
Die Zulage, so hat die Klägerin gemeint, müsse ihr anrechnungsfest und unter Berücksichtigung der tariflichen Steigerungen in voller Höhe gezahlt werden.
14
Die Klägerin hat beantragt,
15
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.169,52 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 12. Januar 2009 zu zahlen.
16
Die Beklagte hat beantragt,
17
die Klage abzuweisen.
18
Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass die Zulage seit 1989 lediglich als freiwillige außertarifliche Leistung gewährt worden sei. Die Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages seien insgesamt durch die Regelungen des TVöD abgelöst worden. Da der TVöD die Zahlung einer entsprechenden Zulage nicht mehr vorsehe, stehe es ihr frei, die außertarifliche Zulage im Rahmen von Gehaltssteigerungen anzurechnen ("abbaubar zu stellen"). Daher zahle sie derzeit - freiwillig - nur noch einen Teilbetrag in Höhe von 53,45 Euro brutto monatlich.
19
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 30. September 2009 unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.120,26 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt. Gegen das ihr am 9. Oktober 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. November 2009 Berufung eingelegt und sie nach Verlängerung der Begründungsfrist am 8. Januar 2010 begründet.
20
Die Beklagte verweist darauf, dass mit dem 31. Dezember 1983 die zwingende Wirkung des Abschnitts N der Anlage 1a zum BAT geendet habe. Mit dem 8. Nachtrag zum Arbeitsvertrag hätten die Parteien eine im Rahmen der Nachwirkung zulässige arbeitsvertragliche Abrede geschlossen. Die Gewährung der Schreibdienstzulage sei nur nach Maßgabe der jeweils aktuellen Fassung des Rundschreibens gewährt worden. Angesichts der geringen Höhe der Zulage sei daran nichts zu beanstanden.
21
Die Beklagte beantragt,
22
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem Schlussantrag der Beklagten in erster Instanz zu erkennen und die Klage abzuweisen.
23
Die Klägerin beantragt,
24
die Berufung zurückzuweisen.
25
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 4. Februar 2010.
26
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
27
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64, 66 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO.
28
II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer vollen Funktionszulage und Nachzahlung einer Vergütung in Höhe von 1.120,26 Euro für die Monate Januar 2008 bis September 2009. Ein Anspruch ergibt sich weder aus der Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT i. V. m. § 4 Abs. 5 TVG noch aufgrund einer individualrechtlichen Vereinbarung. Die Klägerin kann ihren Anspruch ferner nicht auf § 5 TVÜ-Bund stützen.
29
1. Die an die Klägerin gezahlte Funktionszulage im Schreibdienst hatte ihre Grundlage in Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT. Hiernach wurde eine Funktionszulage für Schreibkräfte mit bestimmten Tätigkeiten in den Protokollnotizen Nr. 3 und 6 begründet. Die Tarifnormen des Teils II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT, die in den Protokollnotizen Nr. 3 und 6 tarifliche Ansprüche für Funktionszulagen für Schreibkräfte mit bestimmten Tätigkeiten begründeten, sind seit dem 1. Januar 1984 nicht mehr geltendes Tarifrecht. Die zum 31. Dezember 1983 gekündigte Anlage 1a zum BAT wurde von den Tarifvertragsparteien ab 1. Januar 1991 wieder in Kraft gesetzt. Ausgenommen von dieser durch den Tarifvertrag zur Änderung der Anlage 1a zum BAT vom 28. Dezember 1990 erfolgten Wiederinkraftsetzung blieb jedoch der Abschnitt N des Teils II der Anlage 1a zum BAT. Damit galten die Tarifnormen dieses Abschnitts gem. § 4 Abs. 5 TVG nur für solche Arbeitnehmer als nachwirkendes Tarifrecht weiter, die am 31. Dezember 1983 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten gestanden haben (BAG 22. Juli 1998 - 4 AZR 403/97 - AP § 4 TVG Nachwirkung Nr. 32). Für die seit 1983 bei der Beklagten beschäftigte Klägerin galten diese Tarifnormen kraft Nachwirkung.
30
Die Nachwirkung der Tarifnormen des Teils II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT ist dadurch beendet worden, dass für das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 der TVöD galt. Der TVöD stellt eine andere Abmachung i. S. d. § 4 Abs. 5 TVG dar. Die Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG sichert eine statische Zwischenregelung, bis die Rechtsnormen des abgelaufenen Tarifvertrags "durch eine andere Abmachung ersetzt werden". Diese kann durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder einzelvertragliche Abrede getroffen werden. Die Nachwirkung kann jedoch nur durch eine Abmachung beendet werden, die auf das jeweilige Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Dies war wegen der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf den BAT im Arbeitsvertrag der Parteien mit dem Inkrafttreten des TVöD am 1. Oktober 2005 der Fall. Mit diesem Zeitpunkt endete die Nachwirkung des Abschnitts N des Teils II der Anlage 1a zum BAT. Gem. § 2 Abs. 1 TVÜ-Bund ersetzt der TVöD den Bundes-Angestelltentarifvertrag. Es handelt sich um den Fall einer sog. Tarifsukzession. Es ist von denselben Tarifvertragsparteien innerhalb des Geltungsbereiches des bisherigen Tarifvertrages ein neuer Tarifvertrag vereinbart worden (BAG 22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - AP § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung Nr. 38). Im TVöD sind keine Vorschriften über Funktionszulagen für Mitarbeiter im Schreibdienst vorgesehen. Der TVöD wurde zwar grundsätzlich unter Beibehaltung der alten Eingruppierungsregeln in Kraft gesetzt. Hieraus resultiert u. a. § 17 TVÜ-Bund, der im Wesentlichen die Weitergeltung des bisherigen Eingruppierungsrechtes formuliert. Davon wird die Anlage 1a zum BAT nur insoweit erfasst, als es sich um Regelungen zur Bestimmung und Festlegung der Grundvergütung im Sinne des Tabellenentgelts handelt. Regelungen in der Anlage 1a, die sich nicht mit diesem Tabellenentgelt beschäftigen, sondern eigenständige Ansprüche auf darüber hinausgehende Zulagen begründen, sind im TVöD nicht beibehalten worden. Insoweit handelt es sich bei dem TVöD um eine neue tarifliche Regelung i. S. d. § 4 Abs. 5 TVG.
31
2. Der Klägerin steht seit dem 1. Januar 2008 kein Anspruch auf Zahlung einer vollen Funktionszulage in Höhe von 94,53 Euro brutto aufgrund einer individualrechtlichen Vereinbarung zu.
32
Grundlage der Zahlung einer monatlichen Zulage in Höhe von 94,53 Euro brutto war nach dem Inkrafttreten des TVöD seit dem 01. Oktober 2005 eine Gesamtzusage der Beklagten gem. Ziff. 2.2.1.1.3 des Rundschreibens des BMI vom 10. Oktober 2005 (D II 2 - 220 210/643). Danach wurde Beschäftigten die Zulage außertariflich als persönliche Zulage neben dem Vergleichsentgelt weitergezahlt, die diese Funktionszulage bei Überleitung in den TVöD erhalten hatten, soweit die bisherigen Voraussetzungen für die Gewährung bestanden. Die weitere Zahlung der Funktionszulage als persönliche Besitzstandszulage stand jedoch unter dem Vorbehalt der Anrechenbarkeit im Falle allgemeiner Entgeltanpassungen und sonstigen Entgelterhöhungen. Zum 01. Januar 2008 wurde das Entgelt der Klägerin erhöht. Entsprechend dem Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 01. August 2008 wurde 1/3 des gesamten Erhöhungsbetrages, welcher sich aufgrund der Tariferhöhung zum 1. Januar 2008 ergab, auf die Besitzstandszulage angerechnet. Der sich aufgrund der Tariferhöhung zum 1. Januar 2009 ergebende Erhöhungsbetrag (Anhebung der Entgelte um weitere 2,8 %) wurde ab 1. Januar 2009 ebenfalls zu 1/3 auf den noch verbleibenden Betrag der Besitzstandszulage angerechnet. Die Kürzung der Besitzstandszulage auf 53,45 Euro brutto ab dem 1. Januar 2008 und auf 24,59 Euro brutto entsprach somit den zwischen den Parteien bestehenden Vereinbarungen.
33
Ob eine Tariflohnerhöhung individualrechtlich auf eine übertarifliche Vergütung angerechnet werden kann, hängt von der zugrundeliegenden Vergütungsabrede ab. Haben die Parteien dazu eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, gilt diese. Andernfalls ist aus den Umständen zu ermitteln, ob eine Befugnis zur Anrechnung besteht. Die Anrechnung ist grundsätzlich möglich, sofern dem Arbeitnehmer nicht vertraglich ein selbständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist. Allein in der tatsächlichen Zahlung liegt jedoch keine vertragliche Abrede, die Zulage solle auch nach einer Tariflohnerhöhung als selbständiger Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn gezahlt werden. Dies gilt ebenso, wenn die Zulage über einen längeren Zeitraum vorbehaltlos gezahlt und nicht mit etwaigen Tariflohnerhöhungen verrechnet worden ist.
34
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Köln (Urt. v. 16. September 2009 - 3 Sa 721/09) steht eine besondere Zweckbestimmung der von der Beklagten vorgenommenen Anrechnung nicht entgegen. Die Funktionszulage nach der Protokollnotiz Nr. 3 stellt eine zusätzliche Vergütung für die Arbeit an Textverarbeitungsautomaten und keine Erschwerniszulage dar. Die Protokollnotiz bezeichnet die strittige Zulage ausdrücklich als Funktionszulage. Schon nach allgemeinem Sprachgebrauch und nach dem der Tarifvertragsparteien wird jedoch eine Zulage, die eine besondere Erschwernis abgelten soll, regelmäßig nicht als Funktionszulage bezeichnet. Zwar kann eine bestimmte Funktion auch beinhalten, dass die dabei zu verrichtende Arbeit "schwerer" im Sinne von schwieriger ist; das stellt jedoch keine Erschwernis der Arbeit dar, für die eine Erschwerniszulage in Betracht käme. Eine Erschwernis, die eine Erschwerniszulage begründen kann, wird vielmehr durch die äußeren Umstände begründet, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Eine Funktionszulage ist danach Arbeitsentgelt für die Verrichtung von Arbeit in einer bestimmten Funktion.
35
Dass auch der in Nr. 3 der Protokollnotiz verwendete Begriff der Funktionszulage in diesem Sinne als Arbeitsentgelt zu verstehen ist, ergibt sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung. Danach ist die Funktionszulage auch bei der Berechnung des Sterbe- und Übergangsgeldes mit zu berücksichtigen und wird die Zulage auch für Zeiten des Urlaubs und der Arbeitsunfähigkeit gewährt, wenn und solange für diese Zeiten die Grundvergütung fortzuzahlen ist. Erschwerniszulagen sind hingegen regelmäßig nur für die Zeiten zu zahlen, in denen die entsprechende Erschwernis tatsächlich gegeben war. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Zulage pauschaliert ist.
36
Die Funktionszulage nach Nr. 3 der Protokollnotiz wurde weiter nur neben der Vergütung der Vergütungsgruppe VII BAT gezahlt, nicht aber auch an Angestellte in einer höheren Vergütungsgruppe, auch wenn sie im gleichen Umfang an Textverarbeitungsautomaten arbeiteten. Das entspricht auch der Entscheidung des BAG vom 13. Oktober 1993 (10 AZR 357/92 - AP §§ 22, 23 BAT Zulagen Nr. 8), nach der die Zulage entfällt, wenn der Angestellte im Wege des Bewährungsaufstiegs in eine höhere Vergütungsgruppe aufrückt, obwohl er nach wie vor in gleichem Umfang an Textverarbeitungsautomaten arbeitet. Aus alldem wird deutlich, dass die Funktionszulage eine Vergütung darstellt für eine herausgehobene Tätigkeit, die den Tätigkeitsmerkmalen der nächsthöheren Vergütungsgruppe noch nicht entspricht, mit der Grundvergütung der inne gehabten Vergütungsgruppe jedoch nicht angemessen bezahlt ist.
37
3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Berücksichtigung der an sie gezahlten Funktionszulage bei der Bemessung des Vergleichsentgelts gem. § 5 TVÜ-Bund. Denn bei der bis September 2005 an die Klägerin gezahlten Funktionszulage handelt es sich nicht um eine tarifvertraglich zustehende Funktionszulage gem. § 5 Abs. 2 S. 3 TVÜ - Bund. Nach Kündigung der Anlage 1a zum BAT zum 31. Dezember 1983 beruhte die Zahlung der Funktionszahlung lediglich auf der Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG und damit auf staatlichem Recht, nicht jedoch auf Tarifrecht (BAG 16. August 1990 - 8 AZR 439/89 - AP § 4 TVG Nachwirkung Nr. 19). Nach § 5 Abs. 2 S. 3 TVÜ-Bund fließen jedoch nur Funktionszulagen in das Vergleichsentgelt ein, die aufgrund einer tarifvertraglichen Anspruchsgrundlage gezahlt werden. Das ergibt eine Auslegung der Tarifnorm.
38
Der Wortlaut der tariflichen Regelung, von dem bei der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages zunächst auszugehen ist (BAG Urt. v. 25. Oktober 2007 - 6 AZR 95/07 - AP § 34 BAT Nr. 12), ist eindeutig. Die Tarifvertragsparteien haben in § 5 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund geregelt, dass "tarifvertraglich zustehende" Funktionszulagen in das Vergleichsentgelt einfließen sollen. Funktionszulagen, die nicht aufgrund einer tariflichen Regelung gezahlt werden, sollten unberücksichtigt bleiben. Hätten die Tarifvertragsparteien etwas anderes gewollt, hätten sie auf die Einschränkung "tarifvertraglich zustehend" verzichten können. Die sprachliche Einschränkung verdeutlicht, dass den Tarifvertragsparteien bewusst war, dass Funktionszulagen nicht nur aufgrund einer tariflichen Bestimmung gezahlt werden. Für die enge Auslegung des Wortlauts des § 5 Abs. 2 S. 3 TVÜ-Bund spricht zudem die Protokollerklärung zu § 5 Abs. 2 S. 3 TVÜ. Darin haben die Tarifvertragsparteien erläutert, wie die Berücksichtigung einer Zulage erfolgen soll: Die Techniker-, Meister- und Programmiererzulagen sollen als persönliche Besitzstandszulagen gezahlt werden. Die Funktionszulage im Schreibdienst ist hier nicht aufgeführt. Die am Wortlaut orientierte Auslegung wird durch den Zweck der Überleitungsvorschriften des TVÜ-Bund bestätigt. Das gem. § 5 TVÜ - Bund zu ermittelnde Vergleichsentgelt soll den Beschäftigten davor schützen, nach der Überleitung in den TVöD gem. § 6 bzw. § 7 TVÜ schlechter vergütet zu werden als vorher. Das Vergleichsentgelt garantiert damit, dass auch nach der Überleitung des Arbeitsverhältnisses der bisherige Besitzstand gewahrt wird. Für die Tarifvertragsparteien ging es aber lediglich um Wahrung des Besitzstandes, der sich aus tarifvertraglichen Vorschriften ergab. Einen Grund dafür, außertarifliche Vergütungsbestandteile in das künftig tariflich geschuldete Grundgehalt einfließen zu lassen und es damit individualrechtlichen Änderungen zu entziehen, gab es nicht.
39
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
40
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
41
Krönig Starnitzke Reilein-Wedekin
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doc-40 |
(1) Zu dem Amt eines ehrenamtlichen Richters soll nicht berufen werden, wer
1.
gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat oder
2.
wegen einer Tätigkeit als hauptamtlicher oder inoffizieller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik im Sinne des § 6 Abs. 4 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2272) oder als diesen Mitarbeitern nach § 6 Abs. 5 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes gleichgestellte Person für das Amt eines ehrenamtlichen Richters nicht geeignet ist.
(2) Die für die Berufung zuständige Stelle kann zu diesem Zweck von dem Vorgeschlagenen eine schriftliche Erklärung verlangen, dass bei ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht vorliegen.
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doc-41 | Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20. 11. 2007 verkündete Urteil der
3. Zivilkammer des LG Mönchengladbach abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge sowie des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesgerichtshof werden den Klägern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
1Gründe:
2 I.
3Die Kläger wenden sich gegen die Zwangsvollstreckung in ihr persönliches Vermögen aus einer vollstreckbaren notariellen Urkunde.
4Zur Sicherung eines (weiteren) Darlehens über 120.000,00 DM, das die beklagte Sparkasse den Klägern gewähren wollte, bestellte der Kläger zu 2) – im eigenen Namen und als bevollmächtigter Vertreter seiner Ehefrau, der Klägerin zu 1) – am 14. 03. 1994 eine Grundschuld über 100.000,00 DM an einem im Eigentum der Klä-ger stehenden Grundstück. Dabei erklärte er für "die Eheleute Volker K." die persönliche Haftung für die Zahlung dieses Betrages sowie die Zwangsvollstreckungsunterwerfung in das gesamte Vermögen (Bl. 23, 24 GA).
5Am 16. 03. 1994 unterzeichneten die Parteien den Darlehensvertrag (Bl. 9 ff. GA), der als Sicherheit die Grundschuld, aber weder die persönliche Haftungsübernahme noch die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung vorsieht. Zugleich unterzeichneten die Kläger eine Sicherungszweckerklärung, nach der die Grundschulden alle bestehenden und künftigen Ansprüche der Beklagten sichern sollten.
6Die Beklagte betrieb in 1999 aus der Grundschuld und der Unterwerfungserklärung die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Sie kündigte das Darlehen mit Schreiben vom 11. 04. 2001. Die Kläger widerriefen den Darlehensvertrag aus 1994 sowie zwei weitere Darlehensverträge aus 1987 "unter dem rechtlichen Gesichtspunkt von Haustürgeschäften" im Januar 2003 (Bl. 119 GA). Die Beklagte erhob daraufhin Anspruch auf Erstattung der ausgezahlten Kreditbeträge nebst marktüblicher Verzinsung (Bl. 120 GA). Im Mai 2006 betrieb sie die weitere Vollstreckung aus der im Streit stehenden Urkunde.
7Die Kläger wollen die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren notariellen Urkunde vom 14. 03. 1994 für unzulässig erklärt wissen. Sie haben behauptet, der Notar habe dem Kläger zu 2) die Grundschuldbestellungsurkunde nicht vorgelesen oder erläutert; er habe sich auf den Hinweis beschränkt :"Wenn Sie nicht bezahlen, ist das Haus weg" sowie auf die Feststellung, dass er ein Formular der Beklagte verwende.
8Sie haben die Auffassung vertreten, die Einbeziehung der Klägerin zu 1) sei nicht hinreichend bestimmt erklärt worden, und die Einrede der Verjährung erhoben.
9Sie haben beantragt,
10die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde UR-Nr. 0498/94 vom 14. 03. 1998 des Notars Günter K. für unzulässig zu erklären,
11die Beklagte zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde UR-Nr. 0498/94 vom 14. 03. 1998 des Notars Günter K. an die Kläger herauszugeben.
12Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten.
13Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
14Es hat ausgeführt, die persönliche Haftungsübernahme und die Unterwerfungserklärung seien als nicht überraschende Klauseln zwar wirksam vereinbart, die Kläger hätten diese Sicherheiten aber ohne Rechtsgrund hergegeben, weil sie nicht mit der Beklagten vereinbart worden seien. Den Einwand aus § 821 BGB könnten die Kläger der Beklagten im Rahmen der Zwangsvollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO entgegenhalten. Der Anspruch auf Herausgabe der Urkunde folge aus § 371 BGB analog.
15Die Beklagte macht mit ihrer Berufung geltend, die persönliche Haftung mit dem gesamten Vermögen sowie die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung seien banküblich, wenn – wie hier – Darlehensnehmer, Grundschuldbesteller und Haftender identisch seien. Dies sei auch für die Kläger erkennbar gewesen, weil sie die per- sönliche Haftung und Unterwerfung bereits bei der Grundschuldbestellung zur Sicherheit des 1987 aufgenommenen Kredits vor dem Notar erklärt hätten.
16Sie beantragt,
17das am 27. 11. 2007 zugestellte Urteil des Landgerichts Mönchen-
18gladbach vom 20. 11. 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
19Die Kläger beantragen,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
22Sie benennen den Notar als Zeugen dafür, dass er den Kläger zu 2) nicht über die Unterwerfungserklärung belehrt und diese auch nicht vorgelesen habe. Der persönlich angehörte Kläger erklärt, er habe darauf vertraut, dass die von ihm vor dem Notar unterzeichnete Urkunde die gleichen Sicherheiten nenne, wie im Darlehensvertrag vereinbart. Eine Ausfertigung dieser Urkunde habe er ein paar Tage später per Post erhalten, er habe sie ungelesen abgeheftet.
23Der Senat hat auf die Berufung das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
24Der Senat hat über die Behauptung der Kläger, der Notar habe die Grundschuldbestellungsurkunde bei der Beurkundung am 14. 03. 1994 nicht verlesen, Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Günter K. und Anhörung des Klägers persönlich. Auf die Sitzungsniederschrift vom 05. 03. 2010 wird verwiesen.
25 II.
26Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
27Die Kläger haben keinen Anspruch, das vollstreckbare Schuldversprechen (§ 780 BGB) zurückzufordern. Die Beklagte hat die persönliche Haftungsübernahme und Unterwerfung der Kläger unter die sofortige Zwangsvollstreckung mit Rechtsgrund erlangt, diese sind auch nicht mit einer dauernden Einrede behaftet.
281)
29Das abstrakte Schuldversprechen (§ 780 BGB) in Verbindung mit der Vollstreckungsunterwerfung sichert mit Rechtsgrund eine wirksame Verbindlichkeit aus dem Kreditvertrag. Personalsicherheiten wie das hier abgegebene vollstreckbare Schuldversprechen tragen ihren Rechtsgrund in sich selbst (BGH, Urteil vom 22. 07. 2008 - XI ZR 389/07, WM 2008, 1679-1682). Dies bedeutet, es besteht ein Behaltensgrund, solange die gesicherte Darlehensverbindlichkeit besteht. Ein nicht im Darlehensvertrag angegebenes vollstreckbares Schuldversprechen ist deshalb - wenn es wie hier eine bestehende Verbindlichkeit sichert - nicht kondizierbar.
30Die Kläger dringen nicht mit ihrem Einwand durch, aufgrund ihres Widerrufs des Darlehensvertrages im Januar 2003 fehle es an einer zu sichernden Forderung. Zum einen fehlt jeglicher Vortrag dazu, dass ihr Antrag des Darlehensvertrages am 16.03.1994 in einer Haustürsituation erklärt worden sei. Zum anderen sichert die Unterwerfungserklärung auch im Falle eines widerrufenen Darlehensantrags den Anspruch des Kreditgebers auf Rückzahlung der ausgezahlten Valuta.
312)
32Das landgerichtliche Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar.
33Der Urkunde mangelt es nicht an der erforderlichen Bestimmtheit. Die Formulierung, "die Eheleute Volker K." übernähmen die Haftung, reicht aus, die Klägerin zu 1) einzubeziehen. Denn der Kläger zu 2) ist ausweislich des Rubrums der Urkunde
34ausdrücklich aufgetreten als Bevollmächtigter seiner Ehefrau Elke geb. E. und unter Verweis auf die Vollmachtsurkunde vom 06. 02. 1990 UR.Nr. 0160/1990. Aus der Urkunde ist mithin unzweifelhaft zu entnehmen, dass die Klägerin zu 1) gemeint ist.
35Das in der notariellen Urkunde vom 14. 03 1994 enthaltene vollstreckbare Schuldversprechen in Höhe des Grundschuldbetrages nebst Zinsen und Nebenkosten verstößt auch nicht gegen § 9 AGBG (jetzt § 307 Abs. 1 und 2 BGB).
36Es ist banküblich, dass sich der mit dem persönlichen Kreditschuldner identische Grundschuldbesteller bei Bankdarlehen regelmäßig formularmäßig der Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwerfen muss. Nach jahrzehntelanger ständiger Rechtsprechung aller damit befassten Senate des Bundesgerichtshofs wird der Schuldner durch ein solches formularmäßiges vollstreckbares Schuldversprechen nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (BGHZ 99, 274, 283 ff.; 114, 9, 12 f.; BGH, Urteile vom 9. Juli 1991 - XI ZR 72/90, WM 1991, 1452, 1454 f., vom 26. November 2002 - XI ZR 10/00, WM 2003, 64, 65 f., vom 22. Oktober 2003 - IV ZR 398/02, WM 2003, 2372, 2374 und IV ZR 33/03, WM 2003, 2376, 2378, vom 28. Oktober 2003 - XI ZR 263/02, WM 2003, 2410, 2411, vom 27. September 2005 - XI ZR 79/04, BKR 2005, 501, 505, vom 22. November 2006 - XI ZR 226/04, WM 2006, 87, 88 und vom 22. Mai 2007 - XI ZR 338/05, zitiert nach juris, Tz. 16).
373)
38Die Grundbestellung mit der persönlichen Haftungs- und Unterwerfungserklärung ist formwirksam erklärt worden.
39Die Kläger haben ihre Behauptung, der beurkundende Notar habe die Grundbestellungsurkunde nicht vorgelesen, nicht zu beweisen vermocht. Der beurkundende Notar, der Zeuge K., hat bekundet, er habe an die konkrete Beurkundung keine Erinnerung mehr. Er sei in seiner langjährigen Amtszeit nie von dem Grundsatz abgewichen, eine Urkunde, die der Vorlesung bedürfe, auch vorzulesen. Insbesondere habe er durchweg auf die persönliche Haftung hingewiesen. Am 14. 03. 1994 habe für Vorlesen der Urkunde und Belehrung des Klägers auch hinreichend Zeit zur Verfügung gestanden, weil für die Beurkundung ausweislich seines Terminkalenders eine halbe Stunde vorgesehen gewesen sei.
40Der Senat sieht den Beweis nicht dadurch erbracht, dass der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung angegeben hat, der Notar habe lediglich das Deckblatt der Urkunde vorgelesen, die Urkunde weitergeblättert mit dem Bemerken, das sei das Formblatt der Sparkasse, das zu dem Darlehensvertrag passe, und dann den letzten Satz wiedergegeben. Der Zeuge K. hat dem widersprochen und bekundet, er habe
41den Darlehensvertrag nicht gekannt. Der Senat glaubt dem Zeugen, weil der Darlehensvertrag erst zwei Tage später geschlossen wurde und im übrigen ein mit der Beurkundung einer Grundschuld beauftragter Notar üblicher Weise nicht mit dem durch die Grundschuld zu sichernden Geschäft befasst wird.
42Der Umstand, dass die dem Senat vorgelegte Originalurkunde aus Kopien zweier Sparkassenformulare hergestellt worden ist, weckt bei dem Senat keine Zweifel an einer ordnungsgemäßen Beurkundung. Der Kläger, mit dem die Erstellung der Urkunde erörtert worden ist, hat dem Senat erklärt, er werfe dem Notar nicht vor, er habe die Urkunde nachträglich verfälscht (insoweit nicht protokolliert). Zu einer Begutachtung der Frage, ob eine einheitliche Urkunde vorlag, sieht sich der Senat deshalb nicht veranlasst.
434)
44Schließlich ist der titulierte Anspruch der Beklagten auch nicht verjährt, § 197 Abs. 1 Nr. 4 BGB.
45III.
46Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO.
47Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711.
48Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 51.300,00 EUR festgesetzt.
49Der Wert der Beschwer der Kläger übersteigt 20.000 EUR.
50Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
51P. Dr. A.-S. Dr. D.
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doc-42 | [AZA 0]
5C.209/1999/min
II. Z I V I L A B T E I L U N G
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6. Januar 2000
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung,
Bundesrichter Raselli, Bundesrichter Merkli und
Gerichtsschreiber Mazan.
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In Sachen
X._, Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter, Clarastrasse 56, 4021 Basel,
gegen
Fürsorgebehörde der Politischen Gemeinde St. Gallen, 9004 St. Gallen,
Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rodolphe Dettwiler, Fürsorgeamt St. Gallen, Brühl-gasse 1, 9004 St. Gallen,
betreffend
Verwandtenunterstützung, hat sich ergeben:
A.-Die in St. Gallen wohnhafte B._ (1954) ist Mutter der fünf Kinder C._ (1984), D._ (1986) und E._ (1988) sowie der Zwillinge F._ und G._ (1992). Am 9. September 1994 wurde B._ von ihrem Ehemann A._, Vater der drei Kinder C._, D._ und E._, geschieden. H._, Vater der Zwillinge F._ und G._, verpflichtete sich, ab 1. November 1995 an den Unterhalt der Zwillinge monatlich je Fr. 300. - zu bezahlen, welche Pflicht während des Zusammenlebens mit der Mutter auch durch Haus- und Betreuungsarbeit getilgt werden könne. Für die Zeit vom 1. Juni 1994 bis zum 31. Juli 1996 sind B._ sowie ihren fünf Kindern effektive Fürsorgeleistungen von insgesamt Fr. 55'391. 20 ausbezahlt worden. Seit dem 1. August 1996 muss B._ nicht mehr fürsorgerechtlich unterstützt werden.
B.-Am 12. Juni 1995 klagte die Politische Gemeinde St. Gallen gegen die geschiedenen Eltern von B._ - den in Basel wohnhaften X._ und die in Muttenz wohnhafte Y._ - auf Bezahlung von Fr. 55'391. 20. Mit Urteil vom 20. August 1997 verpflichtete das Bezirksgericht St. Gallen X._ zur Bezahlung von Fr. 17'425. 80 und Y._ zur Bezahlung von Fr. 34'851. 40. Gegen dieses Urteil erhoben sowohl X._ als auch Y._ Berufung ans Kantonsgericht St. Gallen. Mit Entscheid vom 7. Juli 1999 verpflichtete das Kantonsgericht X._, der politischen Gemeinde St. Gallen Fr. 17'425. 80 zu bezahlen. Die Klage gegen Y._ wurde abgewiesen.
C.-Mit Berufung vom 15. September 1999 beantragt X._ dem Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichtes St. Gallen vom 7. Juli 1999 aufzuheben und die Klage der Politischen Gemeinde St. Gallen abzuweisen. Auf die Einholung von Rechtsantworten wurde verzichtet.
Mit Urteil vom heutigen Tag trat das Bundesgericht auf eine gleichzeitig erhobene staatsrechtliche Beschwerde nicht ein.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.-Der Beklagte wirft dem Kantonsgericht zunächst vor, für die vorliegende Klage zu Unrecht einen Gerichtsstand am Sitz der Klägerin bejaht zu haben. Diese Kritik ist unbegründet. Gemäss Art. 329 Abs. 3 ZGB finden die Bestimmungen über die Unterhaltsklagen des Kindes und damit auch der Wahlgerichtsstand nach Art. 279 Abs. 2 ZGB auf die Geltendmachung des Unterstützungsanspruchs entsprechend Anwendung (BBl. 1974 II, S. 85). Daran ändert der Umstand nichts, dass der Unterhalts- bzw. Unterstützungsanspruch gestützt auf Art. 289 Abs. 2 ZGB vom Gemeinwesen geltend gemacht wird. Die Legalzession umfasst den Übergang aller Rechte einschliesslich des Gerichtsstandsprivilegs (Peter Breitschmid, Basler Kommentar, N 10 zu Art. 289 ZGB). Die vom Beklagten angeregte verfassungskonforme Auslegung liefe darauf hinaus, sich über eine klare und vorbehaltlose bundesrechtliche Gerichtsstandsbestimmung hinwegzusetzen.
2.-Weiter macht der Beklagte geltend, dass B._ nicht mehr fürsorgeabhängig sei, so dass die Klägerin ihre Forderung bei ihr einfordern müsse. Der Einwand ist unbegründet. Aufgrund der Legalzession (Art. 329 Abs. 3 i.V.m. Art. 289 Abs. 2 ZGB) sind die Ansprüche der Sozialhilfeempfängerin auf die Klägerin übergegangen. Die Belangung des Beklagten durch diese ist daher bundesrechtskonform. Im Übrigen ergibt sich zwar aus dem angefochtenen Urteil, dass sich B._ und ihre Kinder seit Ende Juli 1996 nicht mehr in einer Notlage befinden, doch behauptet der Beklagte nicht, dass sie auch in der Lage wäre, die umstrittene Forderung zu bezahlen.
3.-Sodann wirft der Beklagte dem Kantonsgericht vor, Art. 329 ZGB in Verbindung mit Art. 8 ZGB durch die Annahme verletzt zu haben, dass die Grosseltern väterlicherseits als arme Leute kaum leistungsfähig seien und daher nur der Beklagte zur Unterstützung heranzuziehen sei.
a) Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen (Art. 329 Abs. 1 ZGB). Mehrere auf gleicher Stufe stehende Verwandte sind nicht solidarisch, sondern im Verhältnis zu ihrer Leistungsfähigkeit beitragspflichtig. Deshalb können z.B. Grosseltern väterlicherseits nur ausschliesslich herangezogen werden, wenn die Leistungspflicht der Grosseltern mütterlicherseits eine Unterstützungspflicht als unzumutbar erscheinen lässt (BGE 101 II 21 E. 4 S. 24 f., 60 II 266 E. 2 und 3 S. 267) und umgekehrt. Ist allerdings der Anteil eines Pflichtigen nicht erhältlich, so wächst er den andren Pflichtigen an (60 II 266 E. 3 S. 267). Wird von einem Pflichtigen der gleichen Rangstufe mehr als der auf seinen Kopf entfallende Anteil verlangt, obliegt der Beweis, dass vom andren weniger oder nichts erhältlich ist, dem Unterstützungsberechtigten (BGE 60 II 266 E. 4 S. 268) bzw. im Fall der Legalzession dem klagenden Gemeinwesen. Dabei ist eine Tatsache grundsätzlich erst dann bewiesen, wenn der Richter von ihr überzeugt ist (BGE 118 II 235 E. 3c S. 238 m.w.H.). Es genügt nicht, wenn er sie für möglich bzw. einigermassen wahrscheinlich hält, da die Bedeutung der Beweislast gerade darin liegt, dass die noch vorhandenen Zweifel sich zum Nachteil des Beweisbelasteten auswirken müssen (BGE 98 II 231 E. 5 S. 242 f.).
b) Nach den Feststellungen der Vorinstanz sind "nach glaubhafter Darstellung von B._ und H._" die indischen Grosseltern der Kinder Bauern und arme Leute, die nicht in der Lage sind, Unterstützungszahlungen zu leisten; bestenfalls wäre deren Anteil gering, weshalb sich genauere Abklärungen nicht lohnen würden. Auch wenn die Formulierung "nach glaubhafter Darstellung" einen anderen Anschein erwecken könnte, begnügte sich die Vorinstanz nicht mit blosser Wahrscheinlichkeit, sondern stellte auf die klaren Aussagen der unter Wahrheitspflicht einvernommenen Zeugen ab. Die von der Vorinstanz gewählte Formulierung ist vielmehr so zu verstehen, dass die Zeugenaussagen weniger zuverlässig als ein Urkundenbeweis seien und dass die nahe Beziehung der Zeugen zu den ebenfalls in Frage kommenden Pflichtigen eine gewisse Zurückhaltung bei der Beweiswürdigung nahelege. Die umstrittene Formulierung bedeutet somit nicht, dass die Anforderungen an den Beweis in einer Art. 8 ZGB widersprechenden Weise herabgesetzt worden wären. Vielmehr ist die Vorinstanz aufgrund einer Beweiswürdigung bzw. antizipierten Beweiswürdigung zum Schluss gelangt, dass die Verwandten väterlicherseits nicht leistungsfähig seien. Diese Beweiswürdigung kann im Berufungsverfahren nicht überprüft werden (BGE 122 III 219 E. 3c S. 223 m.w.H.).
c) Soweit der Beklagte der Vorinstanz in diesem Zusammenhang weiter eine Verletzung von Art. 8 ZGB vorwirft, weil nicht überprüft worden sei, ob H._ für die fragliche Zeit zur Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen für seine Kinder verpflichtet werden könne, ist auf die Berufung schon deshalb nicht einzutreten, weil dieser Einwand im Verfahren vor Kantonsgericht nicht erhoben wurde. Neue Vorbringen sind aber im Verfahren vor Bundesgericht unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).
4.-Weiter macht der Beklagte geltend, dass die ihm auferlegte Unterstützungspflicht unbillig sei.
a) Nach Art. 329 Abs. 2 ZGB kann der Richter die Unterstützungspflicht aufheben oder ermässigen, wenn die Heranziehung eines Pflichtigen wegen besonderer Umstände als unbillig erscheint. Abzulehnen ist die vom Beklagten geforderte ausdehnende Interpretation des Begriffs der Unbilligkeit, die er mit dem Hinweis auf die von Thomas Koller geäusserte rechtspolitische Kritik an der verwandtschaftlichen Unterstützungspflicht begründet (Basler Kommentar, N. 5 zu Art. 328/329 ZGB). Hingegen hat der Richter bei der vom Gesetz explizit verlangten Würdigung der besonderen Umstände nach Recht und Billigkeit zu entscheiden (Art. 4 ZGB). Dies ermöglicht es ihm, kasuistisch eine den besonderen Verhältnissen angepasste Lösung zu finden (Arthur Meier-Hayoz, Berner Kommentar, N 18 zu Art. 4 ZGB).
b) Die Vorinstanz hat das Verhältnis des Beklagten zu seiner Tochter eingehend gewürdigt und abschliessend festgehalten, dass die Tochter selbstkritisch ihre pubertäre Krise als Ursache für das Zerwürfnis mit dem Vater bezeichnet habe. Es dürfe aber nicht übersehen werden, dass die Scheidung der Eltern und der Einzug der Freundin des Vaters die damals Jugendliche stark belastet habe, da der Beklagte seine Tochter vor vollendete Tatsachen gestellt habe. Es könne ihr daher nicht zum Vorwurf gereichen, gegen den Willen des Beklagten ausgezogen und eigene Wege gegangen zu sein. Dies müsse umso mehr für die Zeit nach dem 20. Altersjahr gelten. In der späteren Zeit sei nicht nachgewiesen, dass die Tochter das Verhältnis zum Beklagten vernachlässigt hätte. Er sei über ihre Karriereschritte stets informiert gewesen und habe auch an ihrer Hochzeit teilgenommen. Vor ihrem Indienaufenthalt habe sich die Tochter vom Beklagten verabschiedet. Nach ihrer Rückkehr sei ihr vom Beklagten bedeutet worden, er ertrage kleine Kinder nicht mehr, womit er selber Anlass gegeben, ihn nicht mehr aufzusuchen. Spätere Versuche, den Kontakt wieder anzuknüpfen, seien von der Tochter ausgegangen und ohne ihr Verschulden misslungen. Der Beklagte habe seinerseits keinen einzigen Versuch unternommen, mit der Tochter wieder in Kontakt zu kommen. Es könne insgesamt nicht gesagt werden, die Beziehung sei vorwiegend durch das Verhalten der Tochter belastet; auch der Beklagte habe seinen Anteil am Zerwürfnis.
c) Was der Beklagte gegen diese Begründung vorträgt, ist überwiegend unzulässige Kritik an den tatsächlichen Feststellungen (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG) bzw. an der Beweiswürdigung (BGE 122 III 219 E. 3c S. 223 m.w.H.); so führt er u.a. wörtlich aus, dass "diese Feststellungen ... nicht den Tatsachen" entsprächen. Soweit der Beklagte eine Verletzung von Art. 8 ZGB beanstandet, weil nicht er, sondern die Klägerin zu beweisen habe, dass das Verhältnis zwischen ihm und seiner Tochter gut gewesen sei, übersieht er, dass er für das Bestehen von rechtshindernden Tatsachen beweispflichtig ist. Insgesamt ergibt sich somit, dass die Gründe für das Zerwürfnis zwischen dem Beklagten und seiner Tochter zwar zu einem erheblichen Teil auf das Verhalten der Tochter zurückzuführen sind, dass eine spätere Verbesserung des Verhältnisses hingegen in erster Linie an der unversöhnlichen Haltung des Beklagten scheiterte. Die Heranziehung des Pflichtigen erscheint damit aufgrund der Verhältnisse, die von der Vorinstanz in Betracht gezogen wurden, nicht als unbillig.
5.-Schliesslich rügt der Beklagte eine Verletzung von Art. 329 ZGB, da er nicht in der Lage sei, die ihm auferlegten Unterstützungsleistungen zu erbringen.
a) Gemäss Art. 329 Abs. 1 ZGB kann der Pflichtige nur zu Unterstützungsleistungen verhalten werden, die seinen Verhältnissen angemessen sind. Die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen beurteilt sich nicht nur aufgrund des Einkommens, sondern auch des Vermögens; ein Anspruch auf ungeschmälerte Erhaltung des Vermögens besteht nur dann, wenn die Unterstützung das eigene Auskommen des Pflichtigen schon in naher Zukunft gefährdet (BGE 59 II 410 S. 411, 59 II 1 E. 2 S. 2 und E. 3c S. 4, 58 II 328 E. 2 und 3 S. 330 f.).
b) Zu den finanziellen Verhältnissen hat das Kantonsgericht festgehalten, dass das steuerbare Einkommen des Beklagten 1994 Fr. 68'000. -- betragen habe, so dass über den erhöhten familienrechtlichen Grundbedarf des Beklagten und seiner Ehefrau kein Überschuss verbleibe. Hingegen habe das Wertschriftenvermögen des Beklagten 1994 ca. 1 Mio. Franken betragen, und der Steuerwert von zwei Liegenschaften sei mit Fr. 339'000. -- bzw. Fr. 163'400. -- angegeben worden, wobei die zweite Liegenschaft mit einer Hypothek von Fr. 110'500. -- belastet gewesen sei. Angesichts dieses Vermögens, das auch bei steigendem Bedarf wohl nicht mehr aufgebraucht werde, sei es dem Beklagten zuzumuten, durch Auflösung von Wertschriften oder Belehnung einer Liegenschaft Unterstützungsleistungen in der Höhe von Fr. 17'425. 80 zu bezahlen.
c) In Anbetracht der finanziellen Verhältnisse des Beklagten ist die Verpflichtung zur Bezahlung von Unterstützungsleistungen von Fr. 17'425. 80 offensichtlich nicht unzumutbar. Die Auffassung des Kantonsgerichts, dass es dem Unterstützungspflichtigen grundsätzlich auch zuzumuten sei, sein Vermögen anzugreifen, wird vom Beklagten nicht bestritten. Der Beklagte behauptet auch nicht, dass die Verpflichtung zur Bezahlung von Fr. 17'425. 80 seine Lebenshaltung und diejenige seiner Frau spürbar beeinträchtigen würde. Unzutreffend ist sodann der Vorwurf, das Kantonsgericht habe auf die aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse abgestellt, geht doch aus der Begründung des angefochtenen Urteils klar hervor, dass sich die Vorinstanz auf die Zahlen der Steuererklärung 1994 abgestützt hatte. Auch der Einwand des Beklagten, sein Sohn Z._ sei 1994 noch in der Ausbildung gewesen, ist unbehelflich, weil nicht geltend gemacht wird, dass für den Sohn Unterhaltszahlung - und gegebenenfalls in welcher Höhe - geleistet worden seien. Schliesslich ist auch die Beanstandung einer Ungleichbehandlung im Vergleich zu einem Rentenbezüger, dessen Lebenshaltung durch eine Versicherung abgedeckt werde, verfehlt; hätte der Beklagte sein Vermögen zur Finanzierung einer Rente eingesetzt, stünden wesentlich mehr Mittel als nur die Vermögenserträge zur Verfügung, so dass auch in diesem Fall Raum für die Bezahlung von Unterstützungsleistungen bestünde.
6.-Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit überhaupt darauf einzutreten ist, und das Urteil des Kantonsgerichtes St. Gallen vom 7. Juli 1999 ist zu bestätigen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beklagte kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Da auf die Einholung einer Berufungsantwort verzichtet wurde, entfällt eine Entschädigungspflicht.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.-Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Kantonsgerichtes St. Gallen vom 7. Juli 1999 wird bestätigt.
2.-Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000. -- wird dem Beklagten auferlegt.
3.-Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Kantonsgericht St. Gallen (II. Zivilkammer) schriftlich mitgeteilt.
_
Lausanne, 6. Januar 2000
Im Namen der II. Zivilabteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Der Gerichtsschreiber: |
doc-43 | Title
Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und
Verwaltungsrecht
vom 29. Januar 2014 (840 14 14)
_
Zivilgesetzbuch
Fürsorgerische Unterbringung / Verlängerung der Massnahme
Besetzung Präsidentin Franziska Preiswerk-Vögtli, Kantonsrichter Niklaus
Ruckstuhl, Markus Clausen, Christian Haidlauf, Stefan Schulthess, Gerichtsschreiberin Julia Kempfert
Parteien A._, Beschwerdeführerin
gegen
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde B._,
Betreff Fürsorgerische Unterbringung / Verlängerung der Massnahme
(Entscheid der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde B._ vom 9. Januar 2014)
A. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde B._ (KESB) ordnete mit Verfügung vom 2. Dezember 2013 die vorsorgliche fürsorgerische Unterbringung (FU) von A._, 1946, an und wies diese vorläufig in die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie (KPP) in Liestal ein. Die Verfügung erging gestützt auf einen FU-Antrag des diensthabenden Arztes C._, Ärztegesellschaft Baselland, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom
Seite 2 http://www.bl.ch/kantonsgericht
2. Dezember 2013. In ihrer Verfügung hielt die KESB – unter Verweis auf die Angaben von C._ – zur gesundheitlichen Situation von A._ fest, dass diese an einer wahnhaften oder paranoiden Schizophrenie leide. Sie führe eine Exekutionsliste und sei nicht . Nach Austritt aus der KPP am 29. November 2013 habe sie an ihrem Wohnort in D._ gegenüber ihrer Nachbarin Todesdrohungen mit einer Exekutionsliste ausgesprochen, worauf diese die Polizei alarmierte. Die Polizei habe A._ am 2. Dezember 2013 wieder in die KPP gebracht. Weitere Todesdrohungen bzw. Vorfälle wären mit grosser Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen. Es liege eine Fürsorgebedürftigkeit vor, der nur im geschlossenen des Spitals abgeholfen werden könne.
B. Gegen die Verfügung der KESB vom 2. Dezember 2013 erhob A._ mit Eingabe datiert vom 22. November 2013 (Fax-Eingang am 3. Dezember 2013) Beschwerde an das Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht (Kantonsgericht). Der leitende Arzt Forensik E._, Psychiatrie Baselland, Ambulatorien und Tageskliniken, nahm mit Bericht vom 29. November 2013 zur gesundheitlichen Situation der Stellung. Mit Urteil vom 10. Dezember 2013 wurde die Beschwerde abgewiesen.
C. Mit fachärztlichem Bericht vom 20. Dezember 2013 beantragten F._, Leitender Arzt der KPP, und G._, Spitalärztin, die Verlängerung der fürsorgerischen Unterbringung von A._. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bei A._ eine langjährige bekannte paranoide Schizophrenie mit vorwiegend paranoid-wahnhafter Symptomatik (:20.0) bestehe. Aufgrund dieser Störung und der fehlenden Krankheitseinsicht liege bei ihr auch eine akute Fremdgefährdung vor. Sie weise eine personenfokussierte paranoid-wahnhafte Symptomatik auf, was eine hochgradige Gefährdung darstelle. Um einen Therapieeffekt zu können, werde eine mehrmonatige Behandlungsphase benötigt, welche aber nur im stationären Rahmen erfolgen könne, da A._ die Medikation krankheitsbedingt im oder ambulanten Setting sofort wieder sistieren würde. Zudem sei durch die eine akute Eigengefährdung in allen persönlichen Bereichen der gegeben. Aus medizinisch-psychiatrischer Sicht sei eine fürsorgerische Unterbringung von einem halben Jahr bei bestehendem erheblichem fremdgefährdendem und selbstgefährdendem Verhalten anzuordnen. Die KESB folgte dieser Empfehlung und entschied am 9. Januar 2014, dass A._ aufgrund ihres Schwächezustandes und der stationären Behandlungsbedürftigkeit sowie den weiteren erfüllten Kriterien im Rahmen der FU für den Zeitraum von sechs Monaten, bis zum 13. Juni 2014, in der KPP Liestal zurückbehalten werde.
D. Mit Eingabe vom 10. Januar 2014 erhob A._ gegen den Entscheid der KESB vom 9. Januar 2014 Beschwerde beim Kantonsgericht und beantragt sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Mit verfahrensleitender Verfügung vom 15. Januar 2014 wurde H._, Ambulatorien und Tageskliniken (AUT), Ambulatorium Bruderholz, zur im vorliegenden Verfahren ernannt. Mit Gutachten vom 24. Januar 2014 nahmen I._, Oberärztin, und H._, Assistenzärztin, Psychiatrie Baselland, AUT, Stellung zur aktuellen gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin.
Seite 3 http://www.bl.ch/kantonsgericht
E. In der Vernehmlassung vom 23. Januar 2014 hielt die KESB an ihrem Entscheid vom 9. Januar 2014 fest und beantragt die Abweisung der Beschwerde unter o/e-Kostenfolge. Die KESB halte eine Entlassung aufgrund des aktuellen psychischen Zustands mit der nach wie vor vorhandenen Wahnsymptomatik für unmöglich und es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es bei einer Entlassung alsbald wieder zu Drohungen und weiteren Gefährdungen könne.
F. An der heutigen Verhandlung nehmen A._, eine Vertreterin der KESB, sowie H._ als Sachverständige teil. Die Parteien halten an ihren Anträgen fest.
Das Kantonsgericht zieht i n E r w ä g u n g:
1. Die Zuständigkeit für die Anordnung einer FU im Sinne von Art. 426 des Zivilgesetzbuches (ZGB) vom 10. Dezember 1907 liegt gemäss Art. 428 Abs. 1 i.V.m. Art. 442 Abs. 1 ZGB sowie § 62 Abs. 2 i.V.m. § 78 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes über die Einführung des Zivilgesetzbuches (EG ZGB) vom 30. Mai 1911 bei der Kindes- und B._. Gegen deren Verfügungen und Entscheide kann gemäss Art. 439 ZGB i.V.m. § 66 Abs. 1 bzw. § 84 Abs. 1 lit. b EG ZGB beim Kantonsgericht Beschwerde werden. Das Kantonsgericht ist somit für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Art. 439 Abs. 1 ZGB räumt dem Betroffenen oder einer ihm nahe stehenden Person für den Fall einer ärztlich angeordneten Unterbringung die Möglichkeit ein, innerhalb von zehn Tagen nach der Mitteilung des Entscheides beim zuständigen Gericht Beschwerde zu erheben. Als von der FU direkt Betroffene ist A._ ohne weiteres zur Beschwerdeerhebung legitimiert. Auf die im Übrigen frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist einzutreten. Bei der der Beschwerde verfügt das Kantonsgericht über volle Kognition, womit auch die von Verfügungen über die fürsorgerische Freiheitsentziehung rügbar ist (Art. 450a Abs. 1 ZGB)
2.1 Nach Art. 426 Abs. 1 ZGB kann eine Person, die an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet oder schwer verwahrlost ist, in einer geeigneten Einrichtung werden, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann. Die gesetzliche Formulierung beinhaltet somit drei Voraussetzungen für die Anordnung der FU: einen in der Person des oder der Betroffenen liegenden Grund im Sinne eines , zweitens die Notwendigkeit einer Behandlung oder Betreuung und drittens den Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Auch muss die Einweisung in eine geeignete Einrichtung erfolgen, da dieses Kriterium auch als Voraussetzung für die Zulässigkeit der FU gilt (THOMAS GEISER/MARIO ETZENSBERGER, Art. 426 ZGB, in: Geiser/Reusser [Hrsg.], Basler Kommentar Erwachsenenschutz, Art. 360 - 456 ZGB, Art. 14, 14a SchlT ZGB, Basel 2012). Des Weiteren muss gemäss Art. 426 Abs. 2 ZGB beim Entscheid, ob eine Unterbringung angezeigt ist, auch die Belastung und der Schutz von Angehörigen und Dritten berücksichtigt werden.
2.2 Die möglichen Schwächezustände, welche die Anordnung einer FU grundsätzlich zu rechtfertigen vermögen, werden in Art. 426 Abs. 1 ZGB abschliessend genannt und müssen in
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beweiskräftiger Weise ärztlich festgestellt worden sein. So darf eine Person unter anderem einer psychischen Störung in einer geeigneten Einrichtung untergebracht oder werden, wenn ihr die nötige persönliche Fürsorge nicht anders erwiesen werden kann. Der Begriff der psychischen Störung ist aus der Medizin übernommen und entspricht der der WHO. Damit von einer psychischen Störung gesprochen werden kann, muss nicht nur ein Krankheitsbild vorliegen; dieses muss zudem erhebliche Auswirkungen auf das soziale Funktionieren des Patienten haben. Entscheidend ist insbesondere, ob die betroffene Person ihre Entscheidungsfreiheit bewahrt hat und am sozialen Leben teilhaben kann (GEISER/ETZENSBERGER, a.a.O., Art. 426 ZGB, N 15).
2.3 Der Schwächezustand allein vermag eine FU nun aber nie zu rechtfertigen. Vielmehr verlangt Art. 426 Abs. 1 ZGB weiter, dass die betroffene Person aufgrund ihres einer Behandlung oder Betreuung bedarf. Die Einweisung in eine Einrichtung darf nicht nur der blossen Freiheitsentziehung und damit dem Schutz der Öffentlichkeit dienen. Das primäre Ziel liegt in der Gewährung der persönlichen Fürsorge (CHRISTOF BERNHART, Handbuch der fürsorgerischen Unterbringung, Basel 2011, N 348) Fürsorgebedürftig ist ein Mensch, wenn er auch nur für kurze Zeit im persönlichen Bereich nicht mehr für sich selbst kann und Hilfe benötigt, um eine durch den Schwächezustand bedingte ernsthafte seines psychischen und/oder physischen Wohls abzuwenden (BARBARA CAVIEZEL-JOST, Die materiellen Voraussetzungen der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, Stans 1988, S. 272 f.).
2.4 In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist die Notwendigkeit der persönlichen Fürsorge als Bedingung für die Anordnung der FU bei Gefahr in Verzug konkretisiert worden. So wird verlangt, dass neben der Fürsorgebedürftigkeit stets auch das akute Risiko einer Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegen muss (vgl. Entscheid des [VGE] vom 10. Dezember 1985 i.S. X., in: Basellandschaftliche [BLVGE] 1985, S. 55 ff.; bestätigt in VGE vom 7. Juli 2000 i.S. L.). Auch eine Selbst- oder Fremdgefährdung allein vermag eine FU noch nicht zu begründen, ist indes bei Vorliegen eines Schwächezustandes sowie der Beachtung der Verhältnismässigkeit ein Indiz für die der Fürsorgebedürftigkeit. In den meisten Fällen, in denen es darum geht, eine Gefahr für das Leben der betroffenen Person oder Dritter abzuwenden, wird die Fürsorgebedürftigkeit erfüllt sein (CHRISTOF BERNHART, a.a.O., N 386). Doch darf eine Einrichtungseinweisung nur dann erfolgen, wenn feststeht, dass der betroffenen Person nur durch diese Einweisung der erforderliche, notwendige Schutz geboten werden kann, mithin eine besondere vorliegt, welche eine Einweisung erfordert (GEISER, a.a.O., Art. 426 ZGB, N 8 ff.). bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann eine Anstaltseinweisung wegen Selbst- oder Fremdgefährdung gegen den Willen des Patienten selbst dann zulässig sein, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Beurteilung der FU auf Grund der Behandlung in der Klinik gar keine besteht. Eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung kann also auch dann gegeben sein, wenn diese erst mit der Entlassung verwirklicht würde (Urteil des Bundesgerichts vom 4. Juli 2002, 5C.141/2002).
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3.1 Wird eine Person gegen ihren Willen in einer Einrichtung untergebracht oder darin , so stellt dies einen Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit im Sinne der Bewegungsfreiheit gemäss Art. 10 Abs. 2 der Bundesverfassung (BV) vom 18. April 1999 dar, bei dem der Grundsatz der Verhältnismässigkeit der Massnahme zu beachten ist (JÖRG PAUL MÜLLER/MARKUS SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Auflage, Bern 2008, S. 83). Dieser Grundsatz ergibt sich gemäss Art. 36 Abs. 3 BV unmittelbar aus der Verfassung und darüber hinaus auch aus Art. 8 Ziff. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK) vom 4. November 1950 (CAVIEZEL-JOST, a.a.O., S. 319 ff.; JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, Europäische , 3. Auflage, Kehl u.a. 2009, Vorb. zu Art. 8 – 11 EMRK, N 13 ff.). Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gilt wie im ganzen Vormundschaftsrecht auch im Bereich der FU (GEISER/ETZENSBERGER, a.a.O., Art. 426 ZGB, N 22 ff.; CHRISTOF BERNHART, a.a.O., N 314 ff.; BGE 114 II 217 E. 5 zu aArt. 397a ff. ZGB).
3.2 Weiter muss eine Einrichtung gemäss Art. 426 Abs. 1 ZGB für den Vollzug geeignet sein. Der Begriff der Einrichtung ist weit auszulegen (Botschaft Erwachsenenschutz 7062). Eine Einrichtung ist grundsätzlich nur dann geeignet, wenn sie über die Organisation und die Kapazitäten verfügt, um der eingewiesenen Person die Pflege und Fürsorge zu , die diese im Wesentlichen benötigt (BGE 114 II 218 f. E. 7 zu aArt. 397a ff. ZGB; GEISER/ETZENSBERGER, a.a.O., Art. 426 ZGB, N 35ff.; CHRISTOF BERNHART, a.a.O., N 413ff.). Die einweisende Stelle hat im Einzelnen zu prüfen, ob das Betreuungs- und Therapieangebot der entsprechenden Einrichtung mit den spezifischen Bedürfnissen der betroffenen Person und dem Ziel der FU übereinstimmt (GEISER/ETZENSBERGER, a.a.O., Art. 426 ZGB, N 37; BGE 112 II 492 zu aArt. 397a Abs. 1 ZGB).
4.1 I._ und H._ bestätigten in ihrem Gutachten vom 24. Januar 2014, dass die an einer chronischen paranoiden Schizophrenie mit vornehmlich wahnhafter Symptomatik (ICD-10 F20.0) leide. Es sei deutlich gewesen, dass bei der Beschwerdeführerin nach wie vor diese deutlichen psychotischen Symptome bestünden. In diesem Zusammenhang wurde im Gutachten eine wahnhafte Überzeugung der Beschwerdeführerin beschrieben, diese vom Schweizer Volk den Auftrag erhalten habe, ein Dossier anzulegen, darin Fälle zusammen zu stellen und diese Fälle einer Bestrafung (Exekution) zuzuführen. Die sei nur eingeschränkt zur Realitätsprüfung fähig und damit nicht urteilsfähig. Aktuell werde bei ihr eine Behandlung mit Clozapin (Leponex) eingeleitet, welches eines der Neuroleptika sei. Da die Nebenwirkungen ohne adäquates Therapiemonitoring mit Leukopenien enden könnten, und die Patientin sich angesichts mangelnder Krankheitseinsicht ambulanten Kontrollen sehr wahrscheinlich entziehen würde, sei aus -psychiatrischer Sicht aktuell eine Behandlung nur im stationären Rahmen möglich. Demzufolge werde die Verlängerung der Anordnung der fürsorgerischen Unterbringung bis zur ausreichenden Stabilisierung empfohlen. Zusätzlich sei bei der Beschwerdeführerin eine starke Verwahrlosungstendenz aufgefallen. Nur unter dem Druck des Behandlungsteams sei es , dass die Beschwerdeführerin sich nun regelmässig wasche und ihre Kleidung wechsle.
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4.2 Anlässlich ihrer Befragung im Rahmen der heutigen Parteiverhandlung erklärt die Sachverständige, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Erkrankung nicht unterscheiden könne, was erlaubt sei und was nicht. Es sei daher schwierig einzuschätzen, wie es sich mit der Fremdgefährdung verhalten werde, sollte die Betreuung wegfallen. Die Beschwerdeführerin zeige keine Anteilnahme an ihren “Exekutionsfällen“, da sie sich dazu berechtigt fühle.
4.3 Die Beschwerdeführerin macht an der heutigen Parteiverhandlung geltend, dass sie seit 10 Tagen neue Medikamente einnehme und diese aber nicht spüre. Nebenwirkungen habe sie keine und sie könne diese Medikamente auch zu Hause einnehmen. In ihrem Dossier mit den “saumässigen Fällen“ arbeite sie nur zu Hause und nicht in der Klinik. Sie könne dem eigentlich nicht sagen, welche Personen auf ihrer Exekutionsliste stehen würden, da sie der Schweigepflicht unterstehe, aber auf dem ersten Platz würden ihre Nachbarn stehen, die Familie J._, dann auf Platz zwei befinde sich ihr Nachbar und auf den Plätzen drei und vier die Familie K._ und die L._-Stiftung. Sie habe zurzeit keinen Kontakt zur Familie J._, es sei ausserdem verboten, diese Familie zu grüssen. Sie könne für die Exekutionen dieser Personen die “Franzosen“ bestellen. Sie exekutiere nicht selber, aber sie habe als Genie einen Revolver, mit welchem sie sich verteidigen könne. Munition und einen Waffenschein besitze sie auch und sie könne die Exekution auch selber durchführen, jetzt habe sie aber keine Zeit für dieses Vorhaben. Sie habe zu Hause sehr viele Arbeiten zu erledigen, da sie ihre Liegenschaft innen und aussen verschönere und dazu die Handwerker beauftragen müsse. Ein Genie dürfe man nicht einsperren und bei der Zurückbehaltung in der Klinik handle es sich um eine “ersten Grades“.
4.4 Im fachärztlichen Bericht vom 20. Dezember 2013 wurde von F._, Leitender Arzt der KPP, und G._, Spitalärztin, bei der Beschwerdeführerin eine langjährig bekannte Schizophrenie mit vorwiegend paranoid-wahnhafter Symptomatik (ICD-10: 20.0) . Diese Diagnose deckt sich mit derjenigen der gerichtlich bestellten Sachverständigen H._. Damit steht gestützt auf die fachärztlichen Aussagen fest, dass die Beschwerdeführerin an einer psychischen Störung leidet. Dieser Befund wird durch die Äusserungen der anlässlich der heutigen Verhandlung bekräftigt, indem sie sich nach wie vor in ihren Wahnvorstellungen gefangen zeigt. Damit liegt ein fürsorgerischer Grund im Sinne von Art. 426 Abs. 1 ZGB vor.
5.1 Bei der Prüfung der Voraussetzungen einer fürsorgerischen Unterbringung sind die Belastung und der Schutz von Angehörigen und Dritten zu berücksichtigen (Art. 426 Abs. 2 ZGB). Obschon die fürsorgerische Unterbringung dem Schutz der betroffenen Person und nicht ihrer Umgebung dient (vgl. E. 2.3), ist trotzdem eine Interessenabwägung vorzunehmen. Auch der Schutz Dritter darf in die Beurteilung einbezogen werden, kann jedoch für sich alleine nicht ausschlaggebend sein. Indessen gehört es letztlich ebenfalls zum Schutzauftrag, etwa eine kranke, verwirrte Person davon abzuhalten, eine schwere Straftat zu begehen (Botschaft 7062). Unter den Begriff der Umgebung fallen sämtliche Personen, die mit dem oder der Schutzbedürftigen in Verbindung stehen und durch ihr Verhalten den Entscheid betreffend fürsorgerische Unterbringung beeinflussen können. Dazu zählt einerseits die nähere Umgebung des oder der Betroffenen (Verwandte, Ehegatte, Partner, Hausgenossen, Nach-
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barn), anderseits aber auch die weitere Umgebung, worunter namentlich der Arzt, Vormund oder der Sozialarbeiter fallen (Urteil des Bundesgerichts 5C.218/2003 vom 4. Dezember 2003 E. 4.4.1; GEISER/ETZENSBERGER, a.a.O., Art. 426 ZGB, N 43).
5.2 Eine erste stationäre psychiatrische Einweisung der Beschwerdeführerin fand vom 31. Juli 2002 bis zum 18. November 2002 statt. Zu einer weiteren Einweisung aufgrund Verhaltens mit Todesdrohungen gegen mehrere Nachbarn und gegen den der Beschwerdeführerin kam es am 3. Oktober 2013 bis zum 29. November 2013. Kurz nach der Entlassung wurde die Beschwerdeführerin am 2. Dezember 2013 erneut in die KPP eingewiesen, da sie Todesdrohungen gegenüber ihrer Nachbarin ausgesprochen habe. Im Rahmen der letzten beiden Einweisungen habe es der Beschwerdeführerin an einer Krankheits- und Behandlungseinsicht gefehlt, was eine deutliche Gefährdung darstelle, da sie weder einen Realitätsbezug noch Unrechtsbewusstsein habe und sich zu ihrem Verhalten berechtigt bzw. sogar beauftragt fühle. Aus den fachärztlichen Stellungnahmen geht hervor, dass sich an Zustand bis zum heutigen Zeitpunkt nichts Grundlegendes verändert hat. I._ und H._ führen in ihrem Gutachten vom 24. Januar 2014 explizit aus, dass es im Moment bei der Beschwerdeführerin zu einer leichten Besserung der Symptomatik gekommen sei, sodass sie weniger logorrhoisch wirke und formalgedanklich geordneter auftrete. Trotzdem sei davon auszugehen, dass sie die Medikamente zu Hause sehr wahrscheinlich sofort würde, zumal sie jegliche Krankheits- und Behandlungseinsicht vermissen lasse. Im Falle einer Entlassung aus der stationären psychiatrischen Behandlung würde es relativ rasch zu einer erneuten Zunahme der wahnhaften Symptomatik kommen, welche sehr wahrscheinlich erneut mit Bedrohungen des Umfelds einhergehen würde und unter Umständen auch in Verhalten münden könne. Den vorliegenden Akten lässt sich entnehmen, dass der Vater der Beschwerdeführerin vor 11/2 Jahren verstorben ist und die Mutter im Alters- und Pflegeheim M._ in D._ lebt. Hinweise auf weitere Verwandte oder Bekannte der lassen sich den Akten nicht entnehmen. Die schutzbedürftige verfügt damit nicht über die geforderte nähere Umgebung, die ihre Betreuung und so eine fürsorgerische Unterbringung allenfalls überflüssig machen könnte. Im Übrigen belastet sie zwei benachbarte Familien und einen weiteren Nachbarn sowie die für sie zuständige Behörde in einem Mass, das nach den Ausführungen in den Akten die Grenze des sozial Verträglichen übersteigt. Der Beistand der Beschwerdeführerin sowie eine sind derart massiv mit dem Tode bedroht worden, dass diese Strafanzeigen haben und in der Folge ein Strafverfahren eröffnet wurde. Insoweit ist es angezeigt, die zur Reduktion des erheblichen Rückfallrisikos in einer geeigneten Institution zu behandeln. Da weiterhin eine von der Beschwerdeführerin ausgehende Gefährdung Dritter besteht, ist es auch nicht in ihrem Interesse, sie ohne psychiatrische Behandlung ihrem zu überlassen. Hinzu kommt die gutachterlich festgestellte starke Verwahrlosungstendenz bei der Beschwerdeführerin, welche ein selbstgefährdendes Ausmass annehmen könnte, würde die Betreuung und Überwachung durch das Klinikpersonal wegfallen. Aufgrund der zum Zeitpunkt bestehenden Gefahr einer akuten Selbst- sowie Fremdgefährdung, welche sich bei einer sofortigen Entlassung aus der KPP mit grösster Wahrscheinlichkeit realisieren würden, liegt bei der Beschwerdeführerin ein Fürsorgebedarf in Form der Behandlung ihrer psychischen
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Störung vor. Die Fürsorgebedürftigkeit der Beschwerdeführerin i.S.v. Art. 426 Abs. 1 ZGB ist demzufolge gegeben.
6. Aufgrund der hiervor dargelegten Umstände und ärztlichen Stellungnahmen kommt zurzeit nur eine stationäre Behandlung in Frage. Ambulante Massnahmen sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht zweckdienlich, zumal anzunehmen ist, dass sich die Beschwerdeführerin diesen entziehen bzw. diese abbrechen würde, da sie die Notwenigkeit einer Behandlung nicht . Gemäss den ärztlichen Stellungnahmen sind derzeit die Voraussetzungen für eine Betreuung nicht erfüllt. Vor dem Hintergrund der bisherigen Krankengeschichte ist es nachvollziehbar, dass im Moment nur mit Hilfe einer stationären Behandlung der eine gesundheitliche Stabilisierung realisiert werden kann. Die Anordnung bzw. der FU erweist sich unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit als , zumal bei der Beschwerdeführerin nach einhelligen fachärztlichen Aussagen im Falle einer Entlassung aus der Massnahme mit grosser Wahrscheinlichkeit mit einem Rückfall und einer akuten Selbst- sowie Fremdgefährdung zu rechnen ist, was wieder eine Anstaltseinweisung bzw. eine Hospitalisation nötig machen würde. In Anbetracht der Auswirkungen einer erneuten Gefährdungssituation muss die mit einer Aufrechterhaltung der FU verbundene Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit im Resultat als weniger belastend bezeichnet werden, als es der mit einer Entlassung verbundene Rückfall sein würde.
7. Zusätzlich als verhältnismässig erscheint eine FU nur, wenn mit ihr das angestrebte Ziel überhaupt erreicht werden kann. Sie soll in erster Linie der Wiedererlangung der und der Eigenverantwortung dienen. Ist eine Besserung des Zustandes ausgeschlossen, muss sie wenigstens die notwendige persönliche Betreuung ermöglichen, um der betroffenen Person ein menschenwürdiges Leben zu sichern. Die Beschwerdeführerin bringt in diesem vor, dass sie ein Genie sei und als Genie dürfe man nicht eingesperrt werden, es handle sich vorliegend somit um eine Freiheitsberaubung “ersten Grades“. Den ärztlichen im Gutachten vom 24. Januar 2014 ist zu entnehmen, dass es in der Vorgeschichte der Beschwerdeführerin nie möglich gewesen sei, eine zuverlässige und tragfähige Behandlung über längere Zeit zu etablieren. Die Beschwerdeführerin habe sich wiederholt den entzogen, weshalb unter anderem von einer stark chronifizierten Störung sei, welche einer langfristigen Behandlung bedürfe. Selbst unter optimalen Bedingungen sei ein vollständiges Verschwinden der Symptomatik jedoch sehr . Die Sachverständige führt anlässlich der heutigen Verhandlung diesbezüglich aus, die Erkrankung der Beschwerdeführerin sei lange nicht behandelt worden, weshalb die wohl nie ganz weggehen würden, sie könnten jedoch eingedämmt werden. Diese Eindämmung könne mit Medikamenten herbeigeführt werden, was jedoch mehrere Monate in Anspruch nehmen würde. Durch die medikamentöse Behandlung werde die affektive der Beschwerdeführerin an ihren “Fällen“ weniger, was ein gutes Zeichen darstelle, zumal sie so eine gewisse Distanz zu ihrem “Exekutionsvorhaben“ schaffen könne. Sie schliesst die Therapierbarkeit der Beschwerdeführerin nicht aus. Obwohl das vollständige Verschwinden der bestehenden Wahnvorstellungen sehr wahrscheinlich nicht erreicht werden kann, kann der gutachterlichen Einschätzung zum jetzigen Zeitpunkt immer noch von der der Beschwerdeführerin ausgegangen werden. Die Abwägung der Interessen ergibt so-
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mit klar, dass die Weiterführung der Massnahme, d.h. die Verlängerung der FU durch die KESB bis zum 13. Juni 2014, rechtmässig erfolgt und auch zum heutigen Zeitpunkt als zu bezeichnen ist.
8. Abschliessend ist die Eignung der KPP als Einrichtung für den Vollzug der gegenüber der Beschwerdeführerin angeordneten FU zu prüfen. Bezüglich dieser Frage ist , dass die KPP über genügend ausgebildetes psychiatrisches Ärzte- und Pflegepersonal verfügt, welches in der Lage ist, die Beschwerdeführerin zu betreuen und zu überwachen. Die KPP kann eine optimale, engmaschige Betreuung der Beschwerdeführerin unter gewährleisten und verfügt insbesondere auch über das notwendige Fachpersonal und die nötigen Mittel und Kontakte, um allenfalls auch ein anschliessendes Setting rasch und einzurichten. Damit steht für das Kantonsgericht fest, dass die KPP für die stationäre der Beschwerdeführerin bzw. für die Erweisung der notwendigen Fürsorge im der FU durchaus geeignet ist.
9. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Anordnung der KESB vom 9. Januar 2014, die Beschwerdeführerin im Rahmen der FU bis zum 13. Juni 2014 in der KPP zurückzubehalten, rechtmässig erfolgte und diese Massnahme auch zum heutigen Zeitpunkt aufrecht zu erhalten ist. Der Beschwerdeführerin kann die nötige Fürsorge nur im Rahmen einer stationären Behandlung erwiesen werden. Demzufolge ist die Beschwerde abzuweisen.
10. Es bleibt über die Kosten zu befinden. Gemäss § 20 Abs. 1 VPO ist das Verfahren vor dem Kantonsgericht kostenpflichtig. Die Verfahrenskosten umfassen die Gerichtsgebühren und die Beweiskosten und werden in der Regel der unterliegenden Partei in angemessenem auferlegt (§ 20 Abs. 3 VPO). Vorliegend sind die Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 4‘084.-- (bestehend aus einer Gerichtsgebühr in der Höhe von Fr. 1'800.-- und in der Höhe von Fr. 2‘284.--) damit der unterlegenen Beschwerdeführerin aufzuerlegen und mit dem geleisteten Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 2'500.-- zu verrechnen. hat die Beschwerdeführerin restliche Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 1‘584.-- zu bezahlen. Die Parteikosten sind wettzuschlagen (§ 21 Abs.1 und 2 VPO).
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Demgemäss wird e r k a n n t :
://: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 4‘084.-- (bestehend aus einer
Gerichtsgebühr in der Höhe von Fr. 1'800.-- und Gutachterkosten in der Höhe von Fr. 2‘284.--) gehen zu Lasten der Beschwerdeführerin und werden mit dem geleisteten Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 2'500.-- verrechnet. Demzufolge hat die Beschwerdeführerin restliche Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 1‘584.-- zu bezahlen.
3. Die Parteikosten werden wettgeschlagen.
4. Eine Kopie der Rechnung für die Gutachterkosten vom 3. März 2014
geht an die Beschwerdeführerin zur Kenntnisnahme.
Präsidentin
Gerichtsschreiberin
Gegen diesen Entscheid wurde am 24. März 2014 Beschwerde beim Bundesgericht ( 5A_238/2014) erhoben. |
doc-44 |
4.6.2018
DE
Amtsblatt der Europäischen Union
C 190/2
Beschluss des Gerichtshofs (Achte Kammer) vom 21. März 2018 (Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de lo Social no 2 de Cádiz — Spanien) — Moisés Vadillo González/Alestis Aerospace SL
(Rechtssache C-252/17) (1)
((Vorlage zur Vorabentscheidung - Art. 53 Abs. 2 und Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs - Keine hinreichenden Angaben zum tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang des Ausgangsrechtsstreits sowie zu den Gründen, aus denen sich die Notwendigkeit einer Antwort auf die Vorlagefragen ergibt - Offensichtliche Unzulässigkeit))
(2018/C 190/02)
Verfahrenssprache: Spanisch
Vorlegendes Gericht
Juzgado de lo Social no 2 de Cádiz
Parteien des Ausgangsverfahrens
Kläger: Moisés Vadillo González
Beklagte: Alestis Aerospace SL
Beteiligter: Ministerio Fiscal
Tenor
Das vom Juzgado de lo Social no 2 de Cádiz (Arbeits- und Sozialgericht Nr. 2 Cádiz, Spanien) mit Entscheidung vom 8. Mai 2017 eingereichte Vorabentscheidungsersuchen ist offensichtlich unzulässig.
(1) ABl. C 256 vom 07.08.2017.
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doc-45 |
Beschluss des Gerichts (Dritte Kammer) vom 23. September 2011 – Vivendi/Kommission
(Rechtssache T‑567/10)
„Nichtigkeitsklage – Weigerung der Kommission, gegen einen Mitgliedstaat wegen eines angeblichen Verstoßes gegen Art. 106 AEUV vorzugehen – Fehlen einer anfechtbaren Handlung – Unzulässigkeit“
1. Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlungen – Weigerung der Kommission, die Prüfung einer Beschwerde fortzuführen, mit der
sie aufgefordert wird, nach Art. 106 Abs. 3 AEUV tätig zu werden – Ausschluss – Unzulässigkeit (Art. 106 Abs. 3 AEUV und 263
Abs. 4 AEUV; Richtlinie 2002/77 der Kommission) (vgl. Randnrn. 16-18, 25-26)
2. Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlungen – Weigerung der Kommission, die Prüfung einer Beschwerde fortzuführen, mit der
sie aufgefordert wird, nach Art. 106 Abs. 3 AEUV tätig zu werden – Verstoß gegen den Grundsatz der Kohärenz der Unionspolitiken
– Verletzung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf – Fehlen – Unzulässigkeit (Art. 7 AEUV und 106 Abs. 3 AEUV) (vgl.
Randnr. 19)
3. Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlungen – Weigerung der Kommission, die Prüfung einer Beschwerde fortzuführen, mit der
sie aufgefordert wird, nach Art. 106 Abs. 3 AEUV tätig zu werden – Verstoß gegen die Richtlinie 2002/77 – Fehlen – Unzulässigkeit
(Art. 106 Abs. 3 AEUV; Richtlinie 2002/77 der Kommission) (vgl. Randnrn. 22-24)
Gegenstand
Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung, die im Schreiben der Kommission vom 1. Oktober 2010 enthalten sein soll, mit
der diese der Klägerin ihre Weigerung mitgeteilt hat, die Prüfung der am 2. März 2009 erhobenen Beschwerde fortzuführen, die
auf die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EG gerichtet war und mit der gerügt wurde, dass die Französische
Republik dadurch gegen die Richtlinie 2002/77/EG der Kommission vom 16. September 2002 über den Wettbewerb auf den Märkten
für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (ABl. L 249, S. 21) und infolgedessen gegen Art. 86 Abs. 1 EG verstoßen
habe, dass sie France Télécom einen regulativen Vorteil gewährt habe
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Streithilfeanträge der Französischen Republik und von France Télécom haben sich erledigt.
3.
Vivendi trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.
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doc-46 | Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18. November 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
1
I. Im Streit steht ein Zahlungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin in Höhe von 30 157,85 Euro.
2
Die Klägerin ist die Mutter des im Jahre 1998 geborenen, bei der Beklagten gesetzlich familienversicherten Kindes R. Die Tochter leidet ua an einem Hypoventilationssyndrom mit der Folge, dass sie beatmungspflichtig und schwerstpflegebedürftig ist. Nach dem SGB XI ist sie der Pflegestufe III zugeordnet. Bereits seit 1999 gewährte ihr die Beklagte häusliche Krankenpflege. Ab 1.5.2001 hat die Beklagte einen Rahmenvertrag nach § 132a SGB V für Leistungen der häuslichen Krankenpflege (§ 37 Abs 1 SGB V) zur Erfüllung dieser Sachleistung mit dem Inhaber des Pflegedienstes C., Dr. L., geschlossen.
3
Die Beklagte forderte von der Klägerin zunächst den Gesamtbetrag von 38 196,84 Euro, der sich aus nicht erbrachten Leistungen der Krankenpflege für die Tochter im Zeitraum vom 1.5.2001 bis 30.11.2001 (24 940 Euro), aus Verzugszinsen (6622,51 Euro) und aus Schadensermittlungskosten (6634,33 Euro) zusammensetzte (Bescheid vom 19.10.2005; Widerspruchsbescheid vom 28.4.2006). Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin gemeinsam mit dem Inhaber des Pflegedienstes Dr. L. im maßgeblichen Zeitraum sowohl über den Umfang der geleisteten Pflegestunden als auch über die Qualifikation der eingesetzten Pflegekräfte für die Krankenpflege der Versicherten getäuscht habe. Nach den staatsanwaltlichen Ermittlungen habe Dr. L. einen Teil der ihm von der Beklagten gezahlten Vergütungen für die Erbringung der Krankenpflegeleistungen auf das Konto der Klägerin in Höhe der Hauptforderung (von 24 940 Euro) überwiesen. Die Klägerin habe in rechtswidriger Weise Leistungen erschlichen, die ihr nicht zugestanden hätten. Sie sei aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zur Rückzahlung dieses Betrags verpflichtet. Die Nebenforderungen wie Verzugszinsen und Schadensermittlungskosten richteten sich nach den Vorschriften des BGB.
4
Das Strafverfahren gegen die Klägerin ist gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 2000 Euro eingestellt worden (§ 153a StPO, Amtsgericht München Beschluss vom 6.6.2003 - 821 Cs 315 Js 31865/03).
5
Auf die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage hat das SG München den Bescheid vom 19.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.4.2006 mangels Rechtsgrundlage aufgehoben. Ein Rückforderungsbescheid (§ 50 SGB X) hätte gegenüber der Versicherten ergehen müssen, an dem es hier fehlte. Im Übrigen hätten keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten bestanden, die mittels Verwaltungsakt hätten geregelt werden können (Urteil vom 18.5.2010).
6
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte Widerklage erhoben und beantragt, die Klägerin zur Zahlung von 30 157,85 Euro zu verurteilen. Sie hat den Antrag mit zu Unrecht vom Pflegedienst erhaltenen Geldern (24 940 Euro) und mit Schadensermittlungskosten: externe Ermittlungskosten (4181,35 Euro), An- und Abreisekosten (652,80 Euro) und Hotelkosten (383,70 Euro) beziffert. Daraufhin hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG München zurückgewiesen und die Widerklage der Beklagten als unzulässig verworfen (Urteil vom 18.11.2014). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Zutreffend sei das SG von einer fehlenden Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ausgegangen. Leistungsberechtigte und Leistungsempfängerin der häuslichen Krankenpflege sei die versicherte Tochter und nicht die Klägerin gewesen. Die Versicherte habe in einem eigenen, rechtlich selbstständigen gesetzlichen Versicherungsverhältnis zur Beklagten gestanden (§ 10 SGB V). Da die Klägerin nicht in das Vertragsverhältnis mit dem Pflegedienst einbezogen gewesen sei, habe die Beklagte auch keine Zahlungen an die Klägerin geleistet. Bislang sei nicht erwiesen, dass der Pflegedienst Zahlungen an die Klägerin geleistet habe. Die im Berufungsverfahren erhobene Widerklage (§ 100 SGG) sei unzulässig, weil der geltend gemachte Anspruch nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Über-/Unterordnungsverhältnis und auch nicht auf öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen beruhe. Allenfalls komme ein zivilrechtlicher Anspruch gegen die Klägerin in Frage, für den der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet sei. Das Klagebegehren beurteile sich nach zivilrechtlichen Vorschriften, die den gesamten Sachverhalt und auch die Forderung entscheidend prägten.
7
Mit der Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Sie beruft sich auf einen Verfahrensmangel und auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG). Das LSG hätte den Rechtsstreit nach § 202 SGG iVm § 17a Abs 2 GVG an das zuständige Landgericht nach Anhörung der Parteien von Amtswegen verweisen müssen, anstatt die Widerklage als unzulässig zu verwerfen. Überdies hält die Beklagte sinngemäß für grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfrage, ob der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist für einen Schadensersatzanspruch der Krankenkasse, der ihr gegen den Versicherten oder gegen einen Dritten wegen einer gemeinschaftlich mit einem Leistungserbringer zu Lasten der Krankenkasse begangenen Straftat zusteht. Das BSG habe bislang lediglich über die Klage einer Krankenkasse gegen einen Leistungserbringer auf Rückzahlung der Vergütung wegen Abrechnungsbetrugs entschieden und den Sozialrechtsweg für einschlägig gehalten (Hinweis auf BSG SozR 4-1720 § 17a Nr 3). Über die vorliegende Konstellation, dass ein Dritter am Geschehen beteiligt gewesen sei, liege jedoch noch keine Rechtsprechung des BSG vor.
8
II. Auf die Beschwerde der Beklagten war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
9
Die Beklagte hat formgerecht (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) und auch in der Sache zutreffend einen Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) gerügt. Anstatt die Widerklage durch Prozessurteil als unzulässig zu verwerfen, hätte ein Sachurteil über den geltend gemachten Anspruch ergehen müssen. Es handelt sich um einen Rechtsstreit, für den der Sozialrechtsweg (§ 51 Abs 1 Nr 2 SGG) bestimmt ist.
10
1. Gegenstand des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde ist allein, ob das LSG die von der Beklagten im Berufungsverfahren mit der Widerklage (§ 100 SGG) gegen die Klägerin (Widerbeklagte) erhobene allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) zu Recht als unzulässig verwerfen durfte. Der Senat hat hingegen nicht die Entscheidung des LSG über die Berufung der Beklagten hinsichtlich der Aufhebung des Bescheids (vom 19.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.4.2006) aus Anlass der ursprünglich erhobenen Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) zu überprüfen. Die Beklagte hat sich im Beschwerdeverfahren gegen die Aufhebung ihres Bescheids nicht gewandt und hat innerhalb der gesetzlichen Frist keine Zulassungsgründe geltend gemacht (§ 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 iVm § 160a Abs 2 Satz 1 und 3 SGG). Insoweit hat das LSG unangefochten und damit rechtskräftig entschieden, dass die Beklagte nicht befugt war, ihren geltend gemachten Zahlungsanspruch durch Verwaltungsakt festzusetzen.
11
2. Die Widerklage ist zulässig. Sie kann nach § 100 SGG bei dem Gericht erhoben werden, bei dem die Klage anhängig ist. Im sozialgerichtlichen Verfahren kann eine Widerklage auch noch im Berufungsverfahren (§ 153 Abs 1 SGG) erhoben werden. Einer Einwilligung der Klägerin bedurfte es hierfür nicht (vgl BSGE 17, 139, 143 = SozR Nr 5 zu § 100 SGG, Da 3; 53, 212, 213 = SozR 4100 § 145 Nr 2 S 8; BSG SozR 4-5562 § 8 Nr 5 RdNr 14; anders im Zivilprozess vgl § 530 Abs 1 ZPO). Die Widerklage gibt der Beklagten die Möglichkeit, einen selbstständigen Gegenanspruch gegen die Klägerin im selben Verfahren aus prozessökonomischen Gründen geltend zu machen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ders, SGG, 11. Aufl 2014, § 100 RdNr 1). Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Widerklage ist, dass ein rechtlicher Zusammenhang mit dem Klageanspruch besteht. Das ist hier der Fall. Die Klägerin hatte sich mit der Anfechtungsklage gegen den Zahlungsanspruch gewandt. Mit der Widerklage macht die Beklagte nun den - betragsmäßig reduzierten - Zahlungsanspruch aus demselben Lebenssachverhalt geltend. Hierfür besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, weil sie diesen Anspruch nicht durch Verwaltungsakt geltend machen kann, sondern nur durch die allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG). Es fehlt an einem öffentlich-rechtlichen Über- und Unterordnungsverhältnis (vgl dazu BSGE 53, 212, 213 = SozR 4100 § 145 Nr 2 S 8 mwN).
12
3. Allgemeine Prozessvoraussetzung für die Widerklage ist, dass der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist (vgl BSGE 18, 293, 298 = SozR Nr 2 zu § 839 BGB, Aa 3 R). Dies ist entgegen der Ansicht des LSG, das den ordentlichen Rechtsweg (§ 13 GVG) angenommen hat, hier der Fall. Der vorliegende Rechtsstreit ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
13
a) Nach § 51 Abs 1 Nr 2 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten ua in Angelegenheiten der GKV, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen sind. Eine Ausnahme ist insoweit für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 SGB V aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen vorgesehen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser gelten. Von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind ferner Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Rechtsbeziehungen nach § 69 SGB V betreffen, ausgenommen (vgl § 51 Abs 3 SGG idF des Gesetzes vom 22.12.2010, BGBl I 2262 mWv 1.1.2011). Die aufgezeigten Ausnahmen liegen nicht vor.
14
Die Zuständigkeitsvorschriften des SGG einschließlich des § 51 SGG sind zwingend und begründen ausschließliche Zuständigkeiten. Im Regelfall sind daher sämtliche Rechtsstreitigkeiten aus dem öffentlich-rechtlichen Rechts- und Pflichtenkreis der Krankenkassen, der unmittelbar ihre öffentlichen Aufgaben betrifft, den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen (vgl nur BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 9 RdNr 15 mwN).
15
b) Die Zulässigkeit des Rechtswegs richtet sich nach dem Streitgegenstand. Dieser wird durch den geltend gemachten prozessualen Anspruch, dh durch den Klageantrag und den Klagegrund im Sinne eines bestimmten Sachverhalts festgelegt (stRspr, zB BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 4 RdNr 26; vgl auch BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 9 RdNr 17 mwN). Die Frage, ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, wenn eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt (stRspr, vgl nur GmSOGB SozR 1500 § 51 Nr 53 S 108 = BGHZ 108, 284, 286). Deshalb ist entscheidend darauf abzustellen, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Zivil- oder des Sozialrechts geprägt wird (vgl BSG SozR 3-1500 § 51 Nr 24; BGHZ 89, 250, 252; BGHZ 103, 255, 256). Die in dieser Weise vorzunehmende Abgrenzung weist das Streitverhältnis in diejenige Verfahrensordnung, die ihm nach der gesetzgeberischen Wertung in der Sache am besten entspricht, und bewirkt zugleich, dass regelmäßig diejenigen Gerichte anzurufen sind, die durch ihre Sachkunde und Sachnähe zur Entscheidung über den in Frage stehenden Anspruch besonders geeignet sind (vgl BSG SozR 4-1720 § 17a Nr 3 RdNr 9; vgl auch BGHZ 89, 250, 252).
16
Nach diesen Maßstäben ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Die Beklagte erhebt gegenüber der Klägerin den Vorwurf, dass sie entsprechend einem gemeinsam mit dem Pflegedienstleiter Dr. L. gefassten Plan vorgegangen sei. Die Klägerin habe wahrheitswidrig Leistungsnachweise über die Krankenpflege ihrer Tochter unterschrieben, die zur Rechnungslegung an die Beklagte weitergereicht worden seien. Tatsächlich seien mindestens 40 % weniger Pflegestunden als abgerechnet und zudem nichtexaminierte Pflegekräfte eingesetzt worden. Die Unrechtsabrede habe auch umfasst, dass Dr. L. die von der Beklagten erhaltenen Vergütungen an die Klägerin weitergeleitet habe. Allein für die Monate Mai bis Juli 2001 hätten Ermittler "Buchhaltungsbelege" sichergestellt, die Zahlungen von Dr. L. an die Klägerin in Höhe von insgesamt 24 940 Euro ausgewiesen hätten (Berufungsbegründung vom 10.10.2010, S 14 ff, 17 LSG-Akte). Aus diesem Sachvortrag leitet die Beklagte einen Erstattungs- bzw Schadensersatzanspruch her und erhebt den Vorwurf einer von einem Versicherten bzw einem Dritten zusammen mit einem Leistungserbringer zu Lasten der Krankenkasse gemeinschaftlich begangenen Straftat.
17
Auch wenn die Beteiligung eines Dritten an dem Vertragsbruch einer Vertragspartei beim Vorliegen besonderer Umstände eine zum Schadensersatz verpflichtende sittenwidrige Schädigung des anderen Vertragspartners im Sinne von § 826 BGB sein kann (stRspr, BGHZ 12, 308, 317 f mwN; vgl auch BGH vom 19.2.1979 - II ZR 186/77 - NJW 1979, 1704), wird deshalb vorliegend nicht der Zivilrechtsweg eröffnet. Denn der behauptete Lebenssachverhalt ist maßgeblich von Rechtsvorschriften des Rechts der GKV (SGB V) geprägt, für die die Sozialgerichte die Sach- und Entscheidungskompetenz haben.
18
c) Der Sachleistungsanspruch des familienversicherten Kindes auf häusliche Krankenpflege wird dadurch sichergestellt, dass Leistungen der häuslichen Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte erbracht werden (§ 37 Abs 1 SGB V). Im Bereich der häuslichen Krankenpflege schließen daher die Krankenkassen über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung Verträge mit den Leistungserbringern nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V (in der hier relevanten Vorläuferfassung des Gesetzes vom 23.6.1997, BGBl I 1520). Die zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern geschlossenen Verträge sind öffentlich-rechtlicher Natur.
19
Seit dem 1.1.2000 sind die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten dem öffentlich-rechtlichen Regime unterworfen. Die vertraglichen Beziehungen im Bereich der häuslichen Krankenpflege waren bis Ende 1999 noch dem Privatrecht zugeordnet (vgl GmSOGB SozR 1500 § 51 Nr 39 = BGHZ 97, 312). Mit der Neufassung des § 69 SGB V (idF des Gesetzes vom 22.12.1999, BGBl I 2626) hat der Gesetzgeber klargestellt, dass ab 1.1.2000 die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und der Leistungserbringer in Zukunft insgesamt nur noch nach öffentlichem Recht zu bewerten sein sollten (vgl BSG SozR 3-2500 § 132a Nr 1 S 3 mwN). Die Vorschriften des Zivilrechts bleiben aber weiterhin entsprechend anwendbar, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem Vierten Kapitel des SGB V (Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern) vereinbar sind (§ 69 Abs 1 Satz 3 SGB V). Daher sind für alle Streitigkeiten aus dem Leistungserbringerrecht - bis auf die unter a) genannten Ausnahmen - ausschließlich die Sozialgerichte zuständig (vgl auch BSGE 89, 24 = SozR 3-2500 § 69 Nr 1; BSG SozR 4-1720 § 17a Nr 3). Nach § 69 Abs 1 Satz 4 SGB V gilt dies auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter berührt sind. Im Verhältnis zwischen Krankenkassen bzw ihren Verbänden und Dritten soll ausschließlich öffentliches Recht Anwendung finden. Eine Doppelqualifizierung von Handlungen der Krankenkassen in diesem Bereich ist damit nicht mehr möglich (vgl BSG aaO; vgl auch BT-Drucks 14/1245 S 67 f).
20
Für die Rechtswegfrage ist nicht entscheidend, dass die auch bei der Beklagten versicherte Klägerin nicht selbst Partei des öffentlich-rechtlichen Vertrags nach § 132a SGB V ist, sondern nur der Pflegedienst, der den Sachleistungsanspruch der familienversicherten Tochter (§ 37 Abs 1 SGB V) für die Beklagte erfüllt. Die gesetzlich familienversicherte Tochter (§ 10 SGB V) steht in einem eigenständigen Versicherungsverhältnis zur Beklagten, wenngleich sie als minderjähriges Kind nur durch den gesetzlichen Vertreter - die Klägerin - handlungsberechtigt ist. Die Ausgestaltung der Familienversicherung in § 10 SGB V hat zur Folge, dass Leistungsansprüche nicht mehr dem Stammversicherten, sondern dem Familienangehörigen selbst zustehen (vgl BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 16 S 65 f).
21
Ausschlaggebend für die Rechtswegzuweisung ist vielmehr, dass nach dem Vorwurf der Beklagten die Klägerin Täuschungshandlungen gemeinsam mit dem nach § 132a SGB V vertragsverpflichteten Inhaber des Pflegedienstes vorgenommen haben soll im Hinblick auf die Erfüllung der Leistungen, die Gegenstand dieses öffentlich-rechtlichen Vertrags gewesen sind. Damit steht der geltend gemachte Anspruch in unmittelbarem Sachzusammenhang mit der behaupteten Verletzung des öffentlich-rechtlichen Vertrags nach § 132a SGB V. Der Schwerpunkt des Rechtsstreits liegt daher in der Prüfung von Ansprüchen aus dem Leistungserbringer-Vertragsrecht (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 51 Nr 15 S 27), von dem die Klägerin als Dritte bzw als gesetzliche Vertreterin der leistungsberechtigten Versicherten betroffen ist.
22
d) Wenn das LSG mangels eines Über-/Unterordnungsverhältnisses und wegen Fehlens vertraglicher Beziehungen zur Klägerin den Zivilrechtsweg für einschlägig gehalten hat, übersieht es, dass nach § 17 Abs 2 GVG das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet, selbst wenn die Norm einem anderen Rechtsgebiet zugehörig ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 51 Nr 15 S 27; vgl auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Aufl 2015, GVG § 17 RdNr 5 mwN).
23
Ebenso wie die Rückforderung einer Leistung der Rechtsnatur dieser Leistung folgt, folgen auch Ersatz- oder Schadensersatzansprüche sowie Unterlassungsansprüche wegen Verletzung besonderer Verpflichtungen der Rechtsnatur, in die das Rechtsverhältnis eingebettet ist und dem die besondere Verpflichtung entnommen ist. Daher sind Sozialgerichte als zuständig anerkannt worden, wenn Leistungsträger Schadensersatzansprüche auf unerlaubte Handlungen gestützt haben, sofern dieser Schadensersatzanspruch aus einem Sozialrechtsverhältnis hervorgegangen war (vgl BSGE 66, 176 = SozR 3-4100 § 155 Nr 1 im Anschluss an BGHZ 103, 255). Dem steht auch nicht entgegen, dass nach der ausdrücklichen Rechtswegzuweisung (§ 40 Abs 2 Satz 1 VwGO) für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertag beruhen, der ordentliche Rechtsweg gegeben ist. Zweck dieser Regelung ist, den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für solche öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zu erhalten, in denen ein enger Sachzusammenhang mit der Amtshaftung (§ 839 BGB iVm Art 34 GG) besteht. Keineswegs sind damit aber alle Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten den Zivilgerichten zugewiesen worden (stRspr, vgl nur BSGE 70, 186 = SozR 3-1200 § 53 Nr 4 mwN).
24
4. Das LSG wird daher im zurückverwiesenen Berufungsverfahren die Widerklage unter allen nach dem vorgetragenen Sachverhalt in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen haben. Ob der geltend gemachte Anspruch letztlich nach den Vorschriften des Deliktsrechts oder aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs berechtigt ist, ist eine Frage der Begründetheit der Klage. Für die Einordnung des Klagebegehrens als zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist dies nach den aufgezeigten Maßstäben nicht von maßgeblicher Relevanz (vgl auch BSG SozR 4-1720 § 17a Nr 3 mwN).
25
5. Gemäß § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Beschwerde zusätzlich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) gestützt wird, der Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) aber selbst bei Zulassung der Revision voraussichtlich zu einer Zurückverweisung führen würde (vgl nur BSG vom 9.12.2010 - B 13 R 170/10 B - Juris RdNr 21 mwN).
26
6. Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
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doc-47 | Das Mautsystem nach diesem Gesetz ist ein elektronisches Mautsystem im Sinne des § 1 Absatz 1 des Mautsystemgesetzes.
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doc-48 | {"","Endentscheid
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l
Abteilung IV
D-1232/2020
U r t e i l v o m 1 7 . J u n i 2 0 2 0
Besetzung Richter Simon Thurnheer (Vorsitz),
Richterin Barbara Balmelli, Richter Gérald Bovier,
Gerichtsschreiber Gian-Flurin Steinegger.
Parteien
A._, geboren am (...),
Sri Lanka,
(...),
Beschwerdeführer,
gegen
Staatssekretariat für Migration (SEM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand
Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 7. Februar 2020 / N (...).
D-1232/2020
Seite 2","Sachverhalt:
A.
Der Beschwerdeführer – ein sri-lankischer Staatsangehöriger tamilischer
Ethnie aus B._ – suchte am 4. Mai 2017 in der Schweiz um Asyl
nach.
B.
Anlässlich der Summarbefragung (BzP) vom 16. Mai 2017 und der vertief-
ten Anhörung vom 17. Dezember 2019 machte er im Wesentlichen geltend,
er habe in Sri Lanka das (...) seines Vaters übernommen und im Rahmen
seiner geschäftlichen Tätigkeit auch (...) für die Partei TNA (Tamil National
Alliance) ausgeführt. Ab 2015 habe das CID (Criminal Investigation Depart-
ment) unter Todesdrohungen mehrmals versucht, Geld von ihm zu erpres-
sen. Am 10. Januar 2017 sei er von unbekannten Personen beziehungs-
weise von CID-Agenten geschlagen worden und am 17. Januar 2017 seien
CID-Agenten an seinem Wohnhaus erschienen und hätten sich nach sei-
nem Verbleib erkundigt. Aus Angst vor weiteren Behelligungen habe er sich
einstweilen für drei Monate in C._ versteckt gehalten, ehe er am
10. April 2017 via Colombo aus Sri Lanka ausgereist sei.
C.
Mit am 9. Februar 2020 eröffneter Verfügung vom 8. Februar 2020 stellte
das SEM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft
nicht, und lehnte sein Asylgesuch ab. Zugleich verfügte es die Wegweisung
aus der Schweiz und ordnete den Vollzug an.
D.
Mit Eingabe vom 29. Februar 2020 erhob der Beschwerdeführer beim Bun-
desverwaltungsgericht gegen diesen Entscheid Beschwerde und bean-
tragte, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben, seine Flüchtlingsei-
genschaft sei festzustellen und ihm sei Asyl zu gewähren.
In prozessualer Hinsicht ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen
Prozessführung und um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschus-
ses.
E.
Mit Schreiben vom 3. März 2020 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht
den Eingang der Beschwerde.
D-1232/2020
Seite 3","Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Am 1. März 2019 ist die Teilrevision (AS 2016 3101) des Asylgesetzes
vom 26. Juni 1998 (AsylG; SR 142.31) in Kraft getreten. Für das vorlie-
gende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbe-
stimmungen zur Änderung des AsylG vom 25. September 2015).
1.2 Am 1. Januar 2019 wurde das Ausländergesetz vom 16. Dezember
2005 (AuG, SR 142.20) teilrevidiert (AS 2018 3171) und in Ausländer- und
Integrationsgesetz (AIG) umbenannt. Die vorliegend anzuwendenden Ge-
setzesartikel (Art. 83 Abs. 1–7 und Art. 84) sind unverändert vom AuG ins
AIG übernommen worden, weshalb das Gericht nachfolgend die neue Ge-
setzesbezeichnung verwendet.
2.
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwer-
den gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG und entscheidet auf dem Gebiet
des Asyls in der Regel – wie auch vorliegend – endgültig (Art. 83 Bst. d
Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG). Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsad-
ressat zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 VwVG). Auf die frist- und
formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (aArt. 108 Abs. 1
AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG).
3.
3.1 Mit Beschwerde in Asylsachen kann die Verletzung von Bundesrecht
(einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die
unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachver-
halts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Kognition im Bereich des
Ausländerrechts richtet sich nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
3.2 Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf einen Schriftenwechsel
verzichtet.
4.
4.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grund-
sätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im
Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationali-
tät, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer
politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder be-
gründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3
Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung
D-1232/2020
Seite 4
des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen
unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).
4.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen
oder zumindest glaubhaft machen. Sie ist glaubhaft gemacht, wenn die Be-
hörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gege-
ben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen
Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsa-
chen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte
Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG). Das Bundesverwaltungsge-
richt hat die Anforderungen an das Glaubhaftmachen der Vorbringen in ei-
nem publizierten Entscheid dargelegt und folgt dabei ständiger Praxis. Da-
rauf kann hier verwiesen werden (BVGE 2015/3 E. 6.5.1, m.w.H.).
5.
5.1 Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung hat sich das
SEM im vorliegenden Fall keine unrichtige Anwendung der Beweisregel
von Art. 7 AsylG vorzuwerfen. Wie in der angefochtenen Verfügung mit um-
fassender Begründung zutreffend erläutert wird, halten die Vorbringen des
Beschwerdeführers in den wesentlichen Punkten den Anforderungen an
das reduzierte Beweismass des Glaubhaftmachens nicht stand.
So hat sich der Beschwerdeführer in Übereinstimmung mit der Vorinstanz
Ungereimtheiten hinsichtlich der Art und Weise entgegenhalten zu lassen,
in welcher er gemäss seinen Angaben von den sri-lankischen Behörden
angegangen worden sein will. Im Gegensatz zu seinen Aussagen in der
BzP, CID-Agenten seien sieben bis achtmal an seinem Wohnhaus erschie-
nen, hätten Geld von ihm zu erpressen versucht und ihn geschlagen (vgl.
act. A5/12, S. 7), gab er im weiteren Verlauf der BzP und in der Anhörung
an, er habe persönlich nie CID-Agenten getroffen, weil er bei deren Auftau-
chen jeweils in der Schule oder bei der Arbeit gewesen sei (vgl. act. A5/12,
S. 8; A14/17, F51). In der Anhörung machte er zudem erstmals geltend, die
CID-Agenten hätten nicht von ihm, sondern von seinen Eltern, Geld zu er-
pressen versucht (vgl. act. A14/17, F44). Diese Ungereimtheiten werden in
der Beschwerde trotz darauf Bezug nehmender Einwendungen (vgl. da-
selbst, S. 3) nicht aufgelöst und lassen sich nicht schlüssig auf angebliche
«Sprachunterschiede» und «Missverständnisse» in den Befragungen zu-
rückführen, lassen sich doch in den Protokollen keine solchen Hinweise
finden. In der Tat ist von einem Asylgesuchsteller, der über aussergewöhn-
liche und zwangsläufig einprägsame Erlebnisse wie behördliche Nachstel-
lungen und Todesdrohungen berichtet, natürlicherweise zu erwarten, dass
D-1232/2020
Seite 5
er das Naheliegende in den Vordergrund stellt. Demnach ist es schlechter-
dings nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer in den Befragun-
gen diese Vorfälle derart unterschiedlich wiedergibt. Diese Zweifel werden
dadurch verstärkt, dass der Beschwerdeführer kein nachvollziehbares Ver-
folgungsinteresse der sri-lankischen Behörden an ihm zu substanzzieren
vermag. So hat er für die TNA lediglich niederschwellige Arbeiten ausge-
führt und war eigenen Angaben gemäss selbst politisch nie aktiv (vgl. act.
A14/17, F82). Inwiefern an einer Person mit diesem Profil ein behördliches
Interesse bestehen sollte, leuchtet nicht ein. Aus diesen Gründen lässt sich
das Fazit ziehen, dass der Beschwerdeführer die wesentlichen Teile seiner
Gesuchsbegründung weder nachzuweisen noch glaubhaft im Sinne von
Art. 7 Abs. 2 und 3 AsylG zu machen vermag. Angesichts der aufgezeigten
Sachlage erübrigt es sich, auf weitere Einwendungen in der Beschwerde
einzugehen, da sie nicht geeignet sind, eine andere Einschätzung in der
Frage der Glaubhaftmachung eines unter dem Blickwinkel von Art. 3 AsylG
relevanten Sachverhalts herbeizuführen.
5.2 Es liegen auch keine Risikofaktoren vor (vgl. zu diesen Faktoren Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts E-1866/2015 vom 15. Juli 2016 E. 9.2.4
[als Referenzurteil publiziert]), die für den Beschwerdeführer die ernsthafte
Gefahr begründeten, bei einer Rückkehr nach Sri Lanka Verfolgungsmass-
nahmen ausgesetzt zu werden. Der Beschwerdeführer konnte keine asyl-
relevante Verfolgung vor seiner Ausreise glaubhaft machen. Vielmehr
konnte er vor Ort leben, die Schule abschliessen und arbeiten. Die – sofern
überhaupt glaubhaften – Ausführungen zu den Beziehungen seiner Fami-
lie zu den LTTE sind zu oberflächlich ausgefallen und haben kein Verfol-
gungsinteresse seitens der sri-lankischen Behörden an seiner Person aus-
gelöst respektive haben sich als unglaubhaft erwiesen. Es bestehen keine
hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer bei einer
Rückkehr nach Sri Lanka persönlich ernsthafte Nachteile im Sinne von
Art. 3 AsylG drohen könnten.
5.3 Seit Einreichung des Asylgesuchs durch den Beschwerdeführer war
die Lage in Sri Lanka verschiedenen Veränderungen unterworfen, wobei
namentlich politische Spannungen, die Terroranschläge an Ostern 2019
sowie zuletzt die Wahl von Gotabaya Rajapaksa zum Präsidenten von Sri
Lanka zu erwähnen sind. Der neue Präsident war unter seinem älteren
Bruder Mahinda Rajapaksa, der seinerseits von 2005 bis 2015 Präsident
Sri Lankas war, Verteidigungssekretär. Er wurde angeklagt, zahlreiche
Verbrechen gegen Journalistinnen und Journalisten sowie Aktivisten be-
D-1232/2020
Seite 6
gangen zu haben. Zudem wird er von Beobachtern für Menschenrechts-
verletzungen und Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht; er bestreitet
die Anschuldigungen (vgl. Human Rights Watch: World Report 2020 – Sri
Lanka, 14.1.2020). Kurz nach der Wahl ernannte der neue Präsident sei-
nen Bruder Mahinda zum Premierminister und band einen weiteren Bruder,
Chamal Rajapaksa, in die Regierung ein; die drei Brüder Gotabaya, Ma-
hinda und Chamal Rajapaksa kontrollieren im neuen Regierungskabinett
zusammen zahlreiche Regierungsabteilungen oder -institutionen (vgl.
https://www.aninews.in/news/world/asia/sri-lanka-35-including-presidents-
brother-chamal-rajapksa-sworn-in-as-ministers-of-state20191127174753/,
abgerufen am 17. Juni 2020). Beobachter und ethnische / religiöse Minder-
heiten befürchten insbesondere mehr Repression und die vermehrte Über-
wachung von Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten, Journalistinnen
und Journalisten, Oppositionellen und regierungskritischen Personen (vgl.
Schweizerische Flüchtlingshilfe [SFH]: Regierungswechsel weckt Ängste
bei Minderheiten, 21.11.2019). Anfang März 2020 löste Gotabaya Rajapa-
ksa das Parlament vorzeitig auf und kündigte Neuwahlen an (vgl. NZZ, Sri
Lankas Präsident löst das Parlament auf, 3.3.2020).
Das Bundesverwaltungsgericht ist sich dieser Veränderungen in Sri Lanka
bewusst. Es beobachtet die Entwicklungen aufmerksam und berücksichtigt
sie bei seiner Entscheidfindung. Zwar ist beim derzeitigen Kenntnisstand
durchaus von einer möglichen Akzentuierung der Gefährdungslage auszu-
gehen, der Personen mit einem bestimmten Risikoprofil ausgesetzt sind
beziehungsweise bereits vorher ausgesetzt waren (vgl. Referenzurteil des
Bundesverwaltungsgerichts E 1866/2015 vom 15. Juli 2016, HRW, Sri
Lanka: Families of «Disappeared» Threatened, 16.02.2020). Dennoch gibt
es zum heutigen Zeitpunkt keinen Grund zur Annahme, dass seit dem
Machtwechsel in Sri Lanka ganze Bevölkerungsgruppen kollektiv einer
Verfolgungsgefahr ausgesetzt wären. Unter diesen Umständen ist im Ein-
zelfall zu prüfen, ob ein persönlicher Bezug der asylsuchenden Personen
zu den Präsidentschaftswahlen vom 16. November 2019 respektive deren
Folgen besteht. Ein solcher Bezug ist vorliegend, wie sich aus den vorste-
henden Erwägungen ergibt, nicht ersichtlich.
5.4 Damit ist nach Würdigung der gesamten Umstände als Ergebnis fest-
zuhalten, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen zur Flücht-
lingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG nicht erfüllt. Folgerichtig bleibt
ihm die Gewährung von Asyl durch die schweizerischen Behörden versagt
(Art. 2 Abs. 1 und Art. 49 AsylG). Die Ablehnung des entsprechenden Ge-
suchs durch die Vorinstanz ist zu bestätigen.
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Seite 7
6.
Gemäss Art. 44 AsylG verfügt das SEM in der Regel die Wegweisung aus
der Schweiz, wenn es das Asylgesuch ablehnt oder darauf nicht eintritt.
Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufent-
haltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen (vgl.
BVGE 2009/50 E. 9). Die Wegweisung wurde zu Recht angeordnet.
7.
7.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder
nicht möglich, so regelt das Staatssekretariat das Anwesenheitsverhältnis
nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme
(Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG).
7.2 Nach Art. 83 Abs. 3 AIG ist der Vollzug nicht zulässig, wenn völkerrecht-
liche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder
des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat entgegen-
stehen.
Da der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt, ist das
flüchtlingsrechtliche Rückschiebungsverbot von Art. 33 Abs. 1 des Abkom-
mens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK,
SR 0.142.30) und Art. 5 AsylG auf ihn nicht anwendbar. Die Zulässigkeit
des Vollzugs beurteilt sich vielmehr nach den allgemeinen verfassungs-
und völkerrechtlichen Bestimmungen (Art. 25 Abs. 3 BV; Art. 3 des Über-
einkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame,
unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe [FoK,
SR 0.105]; Art. 3 EMRK).
Die allgemeine Menschenrechtssituation in Sri Lanka lässt den Wegwei-
sungsvollzug – auch mit Blick auf die in der Beschwerde zitierten Berichte
– nicht als unzulässig erscheinen (BVGE 2011/24 E. 10.4). Auch der Euro-
päische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat wiederholt festge-
stellt, dass nicht generell davon auszugehen sei, Rückkehrern drohe in Sri
Lanka eine unmenschliche Behandlung. Eine Risikoeinschätzung müsse
im Einzelfall vorgenommen werden (Urteil des EGMR R.J. gegen Frank-
reich vom 19. September 2013, 10466/11, Ziff. 37). Weder aus den Be-
schwerdeausführungen noch aus den Akten ergeben sich konkrete An-
haltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer für den Fall einer Ausschaf-
fung nach Sri Lanka dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach
EMRK oder FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. So
weist der Beschwerdeführer kein Profil auf, das auf die Gefahr hindeutet,
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Seite 8
zukünftig staatlichen Verfolgungsmassnahmen ausgesetzt zu sein. Es sind
keine Anhaltspunkte ersichtlich, nach denen der Beschwerdeführer Mass-
nahmen zu befürchten hätte, die – wenn überhaupt – über einen sogenann-
ten background check (Befragung und Überprüfung von Tätigkeiten im In-
und Ausland) hinausgingen oder dass ihm persönlich im Falle einer Rück-
kehr eine Gefährdung drohen könnte. Solches lässt sich gemäss obenste-
henden Ausführungen auch nicht annehmen. Aussergewöhnliche Um-
stände, die gestützt auf die Praxis des EGMR zu Art. 3 EMRK zur Feststel-
lung der Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzuges aus gesundheitlichen
Gründen führen könnten (vgl. dazu EGMR, Urteil i.S. N gegen Grossbritan-
nien vom 27. Mai 2008, Beschwerde Nr. 26565/05, §§ 34 und 42 ff.; BVGE
2009/2 E. 9.1.3; EGMR, Urteil i.S. Paposhvili gegen Belgien vom 17. April
2014, Beschwerde-Nr. 41738/10), sind aufgrund der Akten ebenfalls nicht
ersichtlich. Der Vollzug der Wegweisung ist zulässig.
7.3 Nach Art. 83 Abs. 4 AIG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Aus-
länder unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat auf
Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und me-
dizinischer Notlage konkret gefährdet sind.
Der bewaffnete Konflikt zwischen der sri-lankischen Regierung und den
LTTE ist im Mai 2009 zu Ende gegangen. Aktuell herrscht in Sri Lanka we-
der Krieg noch eine Situation allgemeiner Gewalt; dies gilt auch angesichts
der dortigen aktuellen Ereignisse (vgl. Urteil des BVGer D-2205/2018 vom
25. Januar 2019, E. 11.2.1). Mit Referenzurteil E-1866/2015 vom 15. Juli
2016 hat das Bundesverwaltungsgericht seine bisherige Rechtsprechung
(vgl. BVGE 2011/24) und die gegenwärtige Praxis des SEM bestätigt, wo-
nach der Wegweisungsvollzug in die Ost- und Nordprovinz grundsätzlich
zumutbar ist, was gemäss Urteil D-3619/2016 vom 16. Oktober 2017 (als
Referenzurteil publiziert) auch für das Vanni-Gebiet gilt.
Der Beschwerdeführer stammt ursprünglich aus B._ und hat bis zu
seiner Ausreise aus Sri Lanka über zwanzig Jahre in der Nordprovinz ge-
lebt. Der Vollzug in dieses Gebiet ist gemäss gefestigter Rechtsprechung
grundsätzlich zumutbar. In vorliegenden Fall sprechen sodann keine indi-
viduellen Gründe gegen einen Wegweisungsvollzug. Beim Beschwerde-
führer handelt es sich um einen jungen, gesunden Mann mit Schulbildung
und Berufserfahrung. Im Weiteren verfügt er in Sri Lanka mit seiner Familie
(Eltern, Geschwister) über ein tragfähiges Beziehungsnetz und insoweit
eine gesicherte Wohnsituation.
https://hudoc.echr.coe.int/eng#{\"appno\":[\"41738/10\"]}
D-1232/2020
Seite 9
7.4 Nach Art. 83 Abs. 2 AIG ist der Vollzug auch als möglich zu bezeichnen,
weil der Beschwerdeführer über eine ID verfügt und es ihm weitergehend
obliegt, sich die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente bei der
zuständigen Vertretung seines Heimatstaats zu beschaffen (Art. 8 Abs. 4
AsylG, vgl. dazu BVGE 2008/34 E. 12). Der Vollzug der Wegweisung ist
möglich.
7.5 Die Vorinstanz hat den Vollzug demnach zu Recht als zulässig, zumut-
bar und möglich erachtet. Damit fällt die Anordnung der vorläufigen Auf-
nahme ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1–4 AIG).
8.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt und auch sonst nicht zu beanstanden ist
(Art. 106 AsylG und Art. 49 VwVG). Die Beschwerde ist abzuweisen.
9.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären dessen Kosten grundsätzlich
dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da sich die
Beschwerde indessen nicht als aussichtslos erweist, ist das in der Be-
schwerde gestellte Gesuch um unentgeltliche Prozessführung gutzuheis-
sen, und es sind dem Beschwerdeführer keine Verfahrenskosten aufzuer-
legen. Mit dem vorliegenden Urteil ist der Antrag auf Verzicht auf einen
Kostenvorschuss gegenstandslos geworden.
(Dispositiv nächste Seite)
D-1232/2020
Seite 10","Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.
3.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
4.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale
Migrationsbehörde.","Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Simon Thurnheer Gian-Flurin Steinegger
Versand:"} |
doc-49 |
Avis juridique important
|
31981R0557
Verordnung (EWG) Nr. 557/81 der Kommission vom 2. März 1981 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2226/78 über die Durchführungsbestimmungen bei Interventionsmaßnahmen auf dem Rindfleischsektor
Amtsblatt Nr. L 057 vom 04/03/1981 S. 0013 - 0013
VERORDNUNG (EWG) Nr. 557/81 DER KOMMISSION vom 2. März 1981 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2226/78 über die Durchführungsbestimmungen bei Interventionsmaßnahmen auf dem Rindfleischsektor DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN - gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (1), zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Griechenlands, insbesondere auf Artikel 6 Absatz 5, in Erwägung nachstehender Gründe: Die Übernahme der Erzeugnisse des Rindfleischsektors durch die Interventionsstellen ist in Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 2226/78 der Kommission (2), zuletzt geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 3155/80 (3), geregelt. Zur Angleichung der von den Interventionsstellen angewandten Kaufbedingungen ist unter Berücksichtigung der Handelsgewohnheiten eine Frist für die Zahlung der Erzeugnisse festzulegen. Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Verwaltungsausschusses für Rindfleisch - HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN: Artikel 1 In Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 2226/78 wird nachstehender Absatz 4 angefügt: "(4) Das von der Interventionsstelle gekaufte Erzeugnis wird zwischen dem 30. und dem 90. Tag nach seiner Übernahme bezahlt." Artikel 2 Diese Verordnung tritt am 6. April 1981 in Kraft. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Brüssel, den 2. März 1981 Für die Kommission Poul DALSAGER Mitglied der Kommission (1) ABl. Nr. L 148 vom 28.6.1968, S. 24. (2) ABl. Nr. L 261 vom 26.10.1978, S. 5. (3) ABl. Nr. L 330 vom 6.12.1980, S. 18.
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doc-50 | Verwaltungsgericht des Kantons Zürich 1. Abteilung
VB.2017.00733
Urteil
der 1. Kammer
vom 28. Juni 2018
Mitwirkend: Abteilungspräsident Lukas Widmer (Vorsitz), Verwaltungsrichterin Maja Schüpbach Schmid, Verwaltungsrichterin Sandra Wintsch, Gerichtsschreiberin Regina Meier.
In Sachen
A AG, vertreten durch RA B,
Beschwerdeführerin,
gegen
1. C, vertreten durch RA D,
2. Baukommission Kilchberg, vertreten durch RA E,
3. Baudirektion des Kantons Zürich,
Beschwerdegegnerschaft,
betreffend Neubau Mehrfamilienhaus mit Gewerbe,
hat sich ergeben:
hat sich ergeben:
I. Mit Beschluss vom 27. März 2017 erteilte die Baukommission Kilchberg C die baurechtliche Bewilligung für ein Mehrfamilienhaus auf den Grundstücken Kat.-Nr.01 und 02 in Kilchberg. Gleichzeitig wurde die strassenpolizeiliche bzw. lärmrechtliche Bewilligung der Baudirektion des Kantons Zürich vom 16. März 2017 für das Bauvorhaben eröffnet.
II.
Gegen diese Entscheide erhob die A AG mit Eingabe vom 8. Mai 2017 Rekurs beim Baurekursgericht des Kantons Zürich und beantragte die Aufhebung der Entscheide unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. Mit Entscheid vom 26. September 2017 wies das Baurekursgericht den Rekurs ab.
III.
Am 6. November 2017 erhob die A AG Beschwerde ans Verwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung des Entscheids des Baurekursgerichts sowie die Verweigerung der Baubewilligung, eventualiter sei das Verfahren zum Neuentscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen, unter Entschädigungsfolgen zulasten des privaten Beschwerdegegners. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragte die A AG, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und die Beschwerdeantworten seien zur Einräumung einer Replik den Beschwerdeführenden zuzustellen.
Die Baudirektion, Generalsekretariat, beantragte in ihrer Vernehmlassung vom 4. Dezember 2017 die Abweisung der Beschwerde und verwies zur Begründung auf den Mitbericht des Tiefbauamts vom 24. November 2017. Das Baurekursgericht beantragte am 7. Dezember 2017 ohne weitere Bemerkungen die Abweisung der Beschwerde. C beantragte mit Beschwerdeantwort vom 11. Dezember 2017 die Abweisung der Beschwerde, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. Die Baukommission Kilchberg verzichtete ausdrücklich auf die Einreichung einer Beschwerdeantwort und verwies auf die Ausführungen im baurechtlichen Entscheid vom 27. März 2017 sowie die Rekursvernehmlassung der Baukommission Kilchberg vom 12. Juni 2017. Mit Replik vom 22. Januar 2018 (Poststempel) hielt die A AG an ihren Anträgen fest. Mit Eingabe vom 31. Januar 2018 verzichtete C ausdrücklich auf eine Stellungnahme und hielt an seinen Anträgen fest. Am 31. Januar 2018 hielt die Baudirektion, Tiefbauamt, an ihrem Antrag auf Abweisung der Beschwerde fest. Mit Eingabe vom 6. Februar 2018 verzichtete die Baukommission Kilchberg ausdrücklich auf die Einreichung einer Duplik. Am 2. März 2018 reichte die Beschwerdeführerin ein als Novum bezeichnetes Schreiben ein. Mit Schreiben vom 12. März 2018 verzichtete C ausdrücklich auf eine Stellungnahme zur Eingabe der Beschwerdeführerin vom 2. März 2018. Am 21. März 2018 reichte die A AG ein "ergänzendes Novum" ein. C nahm dazu am 29. März 2018 Stellung, die Baudirektion am 11. April 2018. Mit Eingabe vom 27. April 2018 äusserte sich die A AG. Am 14. Mai 2018 gelangte die A AG mit einem weiteren Schreiben ans Verwaltungsgericht. Die Baudirektion hielt am 25. Mai 2018 an ihrem Antrag fest und verzichtete auf eine weitere Stellungnahme.
Die Kammer erwägt:
Die Kammer erwägt:
1. Die Grundstücke Kat.-Nr.01 und 02 liegen in der Kernzone "F" gemäss Bau- und Zonenordnung der Gemeinde Kilchberg vom 23. Mai 2012 (BZO). Im Osten grenzt die Bauparzelle an die G-Strasse; im Norden wird sie von der in westlicher Richtung von der G-Strasse abzweigenden H-Strasse begrenzt. Entlang der westlichen Grundstücksgrenze verläuft der K-Weg. Der private Beschwerdegegner plant, auf dem Grundstück ein Mehrfamilienhaus mit neun Wohneinheiten sowie Gewerbeflächen im ersten und einer Unterniveaugarage im zweiten Untergeschoss zu erstellen. Das geplante Gebäude gliedert sich im Wesentlichen in zwei mit Satteldächern versehene Hauptbauten und einem dazwischenliegenden Verbindungsbau, dessen Flachdach als begehbare Terrasse ausgestaltet ist. Die Zufahrt zum Grundstück soll über die die nördliche Grundstücksgrenze markierende H-Strasse erfolgen. Diejenige zur Unterniveaugarage im zweiten Untergeschoss erfolgt über einen Autolift.
1. Die Grundstücke Kat.-Nr.01 und 02 liegen in der Kernzone "F" gemäss Bau- und Zonenordnung der Gemeinde Kilchberg vom 23. Mai 2012 (BZO). Im Osten grenzt die Bauparzelle an die G-Strasse; im Norden wird sie von der in westlicher Richtung von der G-Strasse abzweigenden H-Strasse begrenzt. Entlang der westlichen Grundstücksgrenze verläuft der K-Weg. Der private Beschwerdegegner plant, auf dem Grundstück ein Mehrfamilienhaus mit neun Wohneinheiten sowie Gewerbeflächen im ersten und einer Unterniveaugarage im zweiten Untergeschoss zu erstellen. Das geplante Gebäude gliedert sich im Wesentlichen in zwei mit Satteldächern versehene Hauptbauten und einem dazwischenliegenden Verbindungsbau, dessen Flachdach als begehbare Terrasse ausgestaltet ist. Die Zufahrt zum Grundstück soll über die die nördliche Grundstücksgrenze markierende H-Strasse erfolgen. Diejenige zur Unterniveaugarage im zweiten Untergeschoss erfolgt über einen Autolift.
2. 2.1 In Bausachen ist ein Nachbar zur Erhebung von Rechtsmitteln legitimiert, wenn er über eine hinreichend enge nachbarliche Raumbeziehung zum Baugrundstück verfügt, er durch das Bauvorhaben mehr als irgendein Dritter oder die Allgemeinheit in eigenen qualifizierten (tatsächlichen oder rechtlichen) Interessen betroffen ist und er Mängel rügt, deren Behebung diese Betroffenheit zu beseitigen vermag (Martin Bertschi in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. A., Zürich 2014 [Kommentar VRG], § 21 N. 55 ff.; VGr, 25. Januar 2012, VB.2011.00559, E. 2). Die besondere Betroffenheit muss erst näher erörtert werden, wenn die Distanz zum Baugrundstück mehr als 100 m beträgt (BGr, 1. Februar 2012, 1C_346/2011, E. 2.5; Bertschi, Kommentar VRG, § 21 N. 56). Das Beschwerderecht wird in der Regel bejaht, wenn die Liegenschaft des Nachbarn unmittelbar an das Baugrundstück angrenzt oder allenfalls nur durch einen Verkehrsträger davon getrennt wird. Bei Vorliegen dieser besonderen räumlichen Beziehungsnähe braucht das Anfechtungsinteresse nicht mit dem Interesse übereinzustimmen, das durch die vom Nachbarn als verletzt bezeichneten Normen geschützt wird (BGr, 16. Juli 2010, 1C_236/2010, E. 1.4 mit Hinweisen).
2.2 Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Parzelle Kat.-Nr.03, welche unter anderem mit einem Denkmalschutzobjekt überstellt und nur durch die H-Strasse von der Bauparzelle getrennt ist, womit die erforderliche enge nachbarliche Raumbeziehung zur Bauparzelle zweifellos gegeben ist. Sie rügt überdies die Verletzung von Einordnungs- und Gestaltungsbestimmungen. Nach der Rechtsprechung ist das schutzwürdige Anfechtungsinteresse von Nachbarn an der Einhaltung von Kernzonenvorschriften zu bejahen, wenn sie selber aufgrund von Kernzonenvorschriften besonderen Einschränkungen unterworfen sind (VGr, 26. September 2009, VB.2001.00192, E. 1b). Die Legitimation der Beschwerdeführerin im Sinn von § 338a des Planungs- und Baugesetzes vom 7. September 1975 (PBG) ist demnach zu bejahen. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
2.2 Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Parzelle Kat.-Nr.03, welche unter anderem mit einem Denkmalschutzobjekt überstellt und nur durch die H-Strasse von der Bauparzelle getrennt ist, womit die erforderliche enge nachbarliche Raumbeziehung zur Bauparzelle zweifellos gegeben ist. Sie rügt überdies die Verletzung von Einordnungs- und Gestaltungsbestimmungen. Nach der Rechtsprechung ist das schutzwürdige Anfechtungsinteresse von Nachbarn an der Einhaltung von Kernzonenvorschriften zu bejahen, wenn sie selber aufgrund von Kernzonenvorschriften besonderen Einschränkungen unterworfen sind (VGr, 26. September 2009, VB.2001.00192, E. 1b). Die Legitimation der Beschwerdeführerin im Sinn von § 338a des Planungs- und Baugesetzes vom 7. September 1975 (PBG) ist demnach zu bejahen. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
3. 3.1 Die Beschwerdeführerin macht zunächst einen Formfehler geltend, der ihrer Ansicht nach zur Nichtigkeit oder jedenfalls zur Unwirksamkeit der Baubewilligung führe. So sei im kantonalen Amtsblatt eine "2. Baueingabe" eines Neubauprojektes publiziert worden, der baurechtliche Entscheid sei jedoch als Baubewilligung für ein "Alternativprojekt" ergangen, ohne genau zu bezeichnen, worauf sich dieses Alternativprojekt konkret beziehe.
3.2 Gemäss § 314 Abs. 1 PBG macht die örtliche Baubehörde das Bauvorhaben nach der Vorprüfung öffentlich bekannt. Die Bekanntmachung hat dabei die nötigen Angaben über Ort und Art des Vorhabens sowie über den Gesuchsteller zu umfassen (Abs. 3). Gleichzeitig mit der Bekanntmachung sind die Gesuchsunterlagen während 20 Tagen öffentlich aufzulegen (Abs. 4).
3.3 Das strittige Bauvorhaben wurde am 3. Februar 2017 unter anderem im Amtsblatt des Kantons Zürich wie folgt ausgeschrieben: "Neubau Mehrfamilienhaus (9 Wohnungen), Gewerbe und Tiefgarage (2. Baueingabe), H-Strasse 04, Kat.-Nr.01, 02, Zone Kernzone (ES III)". Die Baubewilligung für ein erstes Bauprojekt aus dem Jahr 2014 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. April 2016 aufgehoben (vgl. VB.2015.00382). Die Publikation war daher mit dem Zusatz "2. Baueingabe" genügend aussagekräftig, sodass sich auch Dritte ein Bild machen und die Zustellung des baurechtlichen Entscheids verlangen konnten.
Der Bauentscheid der Baukommission Kilchberg vom 27. März 2017 bezeichnet das Projekt als "Alternativprojekt". Diese Bezeichnung entspricht zwar nicht derjenigen der amtlichen Publikation ("2. Baueingabe"). Wie jedoch schon die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, ist aus der Verfahrensgeschichte des Bauentscheids vom 27. März 2017 ersichtlich, dass es sich beim am 13. Dezember 2016 (Baugesuch vollständig am 16. Januar 2017) eingereichten Projekt um die "Alternative" zum rechtskräftig aufgehobenen Vorhaben des Jahres 2014 handelt. Der Begriff des Alternativprojekts ist zwar nicht optimal gewählt, da eine "Alternative" nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Auswahl zwischen zwei oder mehreren Möglichkeiten impliziert. Entgegen der Beschwerdeführerin kann dem Bauentscheid vom 27. März 2017 jedoch an keiner Stelle entnommen werden, dass es neben dem als "Alternativprojekt" bezeichneten noch ein weiteres Projekt geben würde (vgl. auch etwa S. 26 des Bauentscheids vom 27. März 2017). Die Beschwerdeführerin kann sodann auch nichts daraus ableiten, dass die Baukommission Kilchberg im angefochtenen Beschluss das Datum der Baueingabepläne (11. Januar 2017) nicht erwähnt hat. Die Pläne sind mit einem Bewilligungsvermerk versehen, der auf den Beschluss vom 27. März 2017 verweist. Die im Titel des Beschlusses genannte Baugesuchs-Nummer ist identisch mit dem von der Beschwerdeführerin eingesehenen Baugesuch. Eine explizite Bezugnahme ist demnach vorhanden. Überdies sind die Pläne vom 11. Januar 2017 in der gleichzeitig eröffneten Gesamtverfügung der Baudirektion vom 16. März 2017 ausdrücklich als massgebende Unterlagen aufgeführt. Es ist zusammengefasst davon auszugehen, dass sich die unterschiedliche Bezeichnung des Projekts nicht nachteilig auf die Interessenwahrung der Beschwerdeführerin ausgewirkt hat (vgl. BEZ 2000 Nr. 39). Von einem formellen Mangel, der zur Aufhebung der Baubewilligung führt, kann vorliegend nicht ausgegangen werden.
Der Bauentscheid der Baukommission Kilchberg vom 27. März 2017 bezeichnet das Projekt als "Alternativprojekt". Diese Bezeichnung entspricht zwar nicht derjenigen der amtlichen Publikation ("2. Baueingabe"). Wie jedoch schon die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, ist aus der Verfahrensgeschichte des Bauentscheids vom 27. März 2017 ersichtlich, dass es sich beim am 13. Dezember 2016 (Baugesuch vollständig am 16. Januar 2017) eingereichten Projekt um die "Alternative" zum rechtskräftig aufgehobenen Vorhaben des Jahres 2014 handelt. Der Begriff des Alternativprojekts ist zwar nicht optimal gewählt, da eine "Alternative" nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Auswahl zwischen zwei oder mehreren Möglichkeiten impliziert. Entgegen der Beschwerdeführerin kann dem Bauentscheid vom 27. März 2017 jedoch an keiner Stelle entnommen werden, dass es neben dem als "Alternativprojekt" bezeichneten noch ein weiteres Projekt geben würde (vgl. auch etwa S. 26 des Bauentscheids vom 27. März 2017). Die Beschwerdeführerin kann sodann auch nichts daraus ableiten, dass die Baukommission Kilchberg im angefochtenen Beschluss das Datum der Baueingabepläne (11. Januar 2017) nicht erwähnt hat. Die Pläne sind mit einem Bewilligungsvermerk versehen, der auf den Beschluss vom 27. März 2017 verweist. Die im Titel des Beschlusses genannte Baugesuchs-Nummer ist identisch mit dem von der Beschwerdeführerin eingesehenen Baugesuch. Eine explizite Bezugnahme ist demnach vorhanden. Überdies sind die Pläne vom 11. Januar 2017 in der gleichzeitig eröffneten Gesamtverfügung der Baudirektion vom 16. März 2017 ausdrücklich als massgebende Unterlagen aufgeführt. Es ist zusammengefasst davon auszugehen, dass sich die unterschiedliche Bezeichnung des Projekts nicht nachteilig auf die Interessenwahrung der Beschwerdeführerin ausgewirkt hat (vgl. BEZ 2000 Nr. 39). Von einem formellen Mangel, der zur Aufhebung der Baubewilligung führt, kann vorliegend nicht ausgegangen werden.
4. 4.1 Die Beschwerdeführerin stellt sich in verfahrensrechtlicher Hinsicht auf den Standpunkt, das Baurekursgericht hätte im vorliegenden Verfahren zum abgeänderten Projekt einen Augenschein durchführen müssen. Sie beantragte einen solchen bereits im Rekursverfahren und begründete dies damit, dass die tatsächlichen Verhältnisse für die Frage betreffend hinreichende Rücksichtnahme auf die überwiegend geschützte Substanz im nördlichen Bereich der Kernzone zentral sei, wie auch für die Beurteilung der Ausformung der Gebäudekuben nach der Bau- und Zonenordnung. Ausserdem wurde der Lokaltermin als Beweisantrag bezüglich der Frage der Einordnung des Bauprojekts offeriert. Die Vorinstanz stützte sich bei ihrem Entscheid auf die Fotodokumentation des Augenscheins des ersten Verfahrens und zeigte dies den Parteien mit Präsidialverfügung vom 31. August 2017 an. Das vorliegend strittige Bauvorhaben sei nahezu identisch, weshalb kein Augenschein durchzuführen gewesen sei.
4.1.1 Der Entscheid darüber, ob ein Augenschein angeordnet wird, steht im pflichtgemässen Ermessen der anordnenden Behörde. Die Durchführung eines Augenscheins ist dann geboten, wenn die tatsächlichen Verhältnisse unklar sind und anzunehmen ist, die Parteien vermöchten durch ihre Darlegungen vor Ort Wesentliches zur Erhellung der sachlichen Grundlagen des Rechtsstreits beitragen. Der Verzicht auf die Durchführung eines Augenscheins ist zulässig, wenn die Akten eine hinreichende Entscheidgrundlage darstellen. Eine Pflicht zur Durchführung eines Augenscheins besteht jedenfalls nur dann, wenn die tatsächlichen Verhältnisse auf andere Weise nicht abgeklärt werden können (BGr, 8. November 2010, 1C_192/2010, E. 3.3; BGr, 10. August 2010, 1C_512/2009, E. 2.3; VGr, 23. Oktober 2014, VB.2014.00290, E. 2.1). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts können die bei einem ordnungsgemäss durchgeführten Augenschein gewonnenen Kenntnisse der Örtlichkeiten auch in einem späteren Rechtsgang verwendet werden; ein zweiter Augenschein vor dem Neuentscheid ist nicht notwendig (RB 1981 Nr. 2). Dies setzt allerdings voraus, dass sich alle wesentlichen, anlässlich des Augenscheins gewonnenen Eindrücke und gemachten Feststellungen aus den Akten ergeben (VGr, 13. März 2013, VB.2012.00652, E. 4.1).
4.1.2 Die Beschwerdeführerin bringt vor Verwaltungsgericht zusätzlich vor, das Gebiet habe bauliche Veränderungen erfahren, weshalb ein erneuter Augenschein unabdingbar sei. Dies hätte sie – wie der private Beschwerdegegner zutreffend ausführt – zwar bereits vor der Vorinstanz ausdrücklich geltend machen können. Mit ihrer Beweisofferte im Zusammenhang mit der Einordnung des Bauprojekts hat sie jedoch genügend substanziiert, weshalb sie einen Augenschein beantragt. Die Präsidialverfügung enthielt lediglich die Mitteilung, dass das Augenscheinprotokoll samt Fotografien des ersten Rechtsgangs zu den Akten genommen werde. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt die Verfügung nicht. Es ist somit auch nicht verspätet, wenn die Beschwerdeführerin erst mit der Beschwerde rügt, die Vorinstanz habe zu Unrecht auf einen erneuten Augenschein verzichtet.
4.2 Die Beschwerdeführerin hat mit Eingabe vom 14. Mai 2018 einen Artikel in der Zeitung I vom Mai 2018 ins Recht gelegt, wonach die Verschiebung des Denkmalschutzobjektes G-Strasse 05 (Villa J) an die G-Strasse 06 geplant sei. Das Haus an der G-Strasse 06 werde abgerissen, um Platz für die Villa zu schaffen. Auf der frei werdenden Parzelle G-Strasse 05 soll ein Neubau mit sieben Wohnungen entstehen. Gemäss dem Artikel soll der Gemeinderat der Verschiebung der Villa J am 4. Juli 2017 zugestimmt haben; der Neubau an der G-Strasse 05 soll an der Baukommissionssitzung vom 9. April 2018 bewilligt worden sein.
4.2.1 Zunächst ist zu prüfen, ob die Eingabe vom 14. Mai 2018 im Beschwerdeverfahren berücksichtigt werden darf. Entscheidet das Verwaltungsgericht – wie vorliegend – als zweite gerichtliche Instanz, sind neue Tatsachenbehauptungen nur so weit zulässig, als es durch die angefochtene Anordnung notwendig geworden ist (§ 52 Abs. 2 VRG; VGr, 22. Februar 2012, VB.2011.00672, E. 4.2).
Das massgebliche Beweismittel bezieht sich indes auf eine bereits im vorinstanzlichen Verfahren behauptete Tatsache, nämlich die angeblich ungenügende Einordnung des streitgegenständlichen Projekts in die bauliche Umgebung, sodass grundsätzlich kein Verstoss gegen das Novenrecht gegeben ist (§ 52 Abs. 1 in Verbindung mit § 20a Abs. 2 VRG; Marco Donatsch, Kommentar VRG, § 52 N. 13). Da die Verschiebung des Denkmalschutzobjekts G-Strasse 05 die Frage der Einordnung des streitgegenständlichen Bauvorhabens in die Umgebung beeinflusst, sie aber erst nach Eingang der Beschwerde für die Beschwerdeführerin bekannt wurde, rechtfertigt es sich aus prozessökonomischen Gründen, diesen Sachverhalt als echtes Novum im Verfahren zu berücksichtigen (vgl. Donatsch, Kommentar VRG, § 52 N. 24 mit Hinweisen). Dies ist auch deshalb unproblematisch, da sich damit der Streitgegenstand nicht verändert.
Die Berücksichtigung der Eingabe vom 14. Mai 2018 rechtfertigt sich sodann auch aufgrund der Untersuchungsmaxime: Mangels einer ausdrücklichen Regelung im Verwaltungsrechtspflegesetz sind aufgrund der Untersuchungsmaxime und der Gewährung des rechtlichen Gehörs nachträgliche Vorbringen nur mit Zurückhaltung aus dem Recht zu weisen, wobei insbesondere nach Treu und Glauben das Interesse der Parteien an der Verfahrenserledigung oder -verzögerung zu berücksichtigen ist (Donatsch, Kommentar VRG, § 52 N. 31). Der Umfang der Sachverhaltsermittlung muss verhältnismässig sein; es muss eine Abwägung vorgenommen werden zwischen dem Interesse an der materiellen Wahrheitsfindung und dem Beschleunigungsgebot (Kaspar Plüss, Kommentar VRG, § 7 N. 32).
Auch wenn das Beschleunigungsgebot grundsätzlich gegen die weitere Untersuchung des Sachverhalts mit Bezug auf die geltend gemachte Verschiebung des Denkmalschutzobjektes G-Strasse 05 spricht, ist das Interesse an der richtigen Rechtsanwendung vorliegend höher zu gewichten, zumal dieses Novum nicht als Verfahrensverzögerung der Beschwerdeführerin und damit als Verstoss gegen Treu und Glauben ausgelegt werden muss.
4.2.2 Im ersten Rechtsgang hat das Verwaltungsgericht das Verfahren wegen Verletzung der Vorschriften zur Höhe des Gebäudes aufgehoben und die Einordnung nicht prüfen müssen (VGr, 21. April 2016, VB.2015.00382, E. 5.4). Gemäss § 238 Abs. 2 PBG ist vorliegend nicht nur eine befriedigende Gesamtwirkung gefordert, sondern es ist auf Objekte des Heimatschutzes besonders Rücksicht zu nehmen. Damit diese Frage beurteilt werden kann, ist der Sachverhalt diesbezüglich rechtsgenügend abzuklären. Die Verschiebung eines weiteren Denkmalschutzobjektes unmittelbar an die streitbetroffene Parzelle erfordert die Ergänzung des Sachverhalts und auch einen erneuten Augenschein. Ist der zeitliche Abstand seit dem vorinstanzlichen Augenschein gross oder haben sich die örtlichen Verhältnisse oder der Beurteilungsgegenstand verändert, so kann sich vor dem Neuentscheid die Durchführung eines erneuten Augenscheins aufdrängen (Plüss, Kommentar VRG, § 7 N. 81 mit Hinweis auf VGr, 9. Juni 2011, VB.2010.00536, E. 2.1). Davon ist vorliegend auszugehen.
4.2.2 Im ersten Rechtsgang hat das Verwaltungsgericht das Verfahren wegen Verletzung der Vorschriften zur Höhe des Gebäudes aufgehoben und die Einordnung nicht prüfen müssen (VGr, 21. April 2016, VB.2015.00382, E. 5.4). Gemäss § 238 Abs. 2 PBG ist vorliegend nicht nur eine befriedigende Gesamtwirkung gefordert, sondern es ist auf Objekte des Heimatschutzes besonders Rücksicht zu nehmen. Damit diese Frage beurteilt werden kann, ist der Sachverhalt diesbezüglich rechtsgenügend abzuklären. Die Verschiebung eines weiteren Denkmalschutzobjektes unmittelbar an die streitbetroffene Parzelle erfordert die Ergänzung des Sachverhalts und auch einen erneuten Augenschein. Ist der zeitliche Abstand seit dem vorinstanzlichen Augenschein gross oder haben sich die örtlichen Verhältnisse oder der Beurteilungsgegenstand verändert, so kann sich vor dem Neuentscheid die Durchführung eines erneuten Augenscheins aufdrängen (Plüss, Kommentar VRG, § 7 N. 81 mit Hinweis auf VGr, 9. Juni 2011, VB.2010.00536, E. 2.1). Davon ist vorliegend auszugehen.
5. Hebt das Verwaltungsgericht die angefochtene Anordnung auf, so entscheidet es entweder selbst (§ 63 Abs. 1 VRG), oder es kann die Angelegenheit zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückweisen, insbesondere wenn mit der angefochtenen Anordnung nicht auf die Sache eingetreten oder der Tatbestand ungenügend festgestellt wurde (§ 64 Abs. 1 VRG). Die Beschwerdeführerin verlangt eine Rückweisung der Sache zwar nur mit Eventualantrag, ist aber der Auffassung, der Augenschein sei wegen der eingeschränkteren Kognition des Verwaltungsgerichts von dem als Fachgericht ausgestalteten Baurekursgericht vorzunehmen. Dem ist zuzustimmen. Die Sache ist daher zur Sachverhaltsergänzung an das Baurekursgericht zurückzuweisen.
5. Hebt das Verwaltungsgericht die angefochtene Anordnung auf, so entscheidet es entweder selbst (§ 63 Abs. 1 VRG), oder es kann die Angelegenheit zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückweisen, insbesondere wenn mit der angefochtenen Anordnung nicht auf die Sache eingetreten oder der Tatbestand ungenügend festgestellt wurde (§ 64 Abs. 1 VRG). Die Beschwerdeführerin verlangt eine Rückweisung der Sache zwar nur mit Eventualantrag, ist aber der Auffassung, der Augenschein sei wegen der eingeschränkteren Kognition des Verwaltungsgerichts von dem als Fachgericht ausgestalteten Baurekursgericht vorzunehmen. Dem ist zuzustimmen. Die Sache ist daher zur Sachverhaltsergänzung an das Baurekursgericht zurückzuweisen.
6. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen. Die Rückweisung zur erneuten Entscheidung bei offenem Ausgang ist in Bezug auf die Regelung der Nebenfolgen als Obsiegen zu behandeln, wenn die Rechtsmittelinstanz reformatorisch oder kassatorisch entscheiden kann (BGr, 28. April 2014, 2C_846/2013, E. 3.2 f. mit Hinweisen; Donatsch, Kommentar VRG, § 64 N. 5). In diesem Sinn sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte der Beschwerdegegnerschaft 1 und 2 aufzuerlegen (§ 65a Abs. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 2 Satz 1 VRG).
Der private Beschwerdegegner ist sodann zu verpflichten, der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.- zu bezahlen (§ 17 Abs. 2 VRG).
Der private Beschwerdegegner ist sodann zu verpflichten, der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.- zu bezahlen (§ 17 Abs. 2 VRG).
7. Es liegt ein Rückweisungsentscheid vor. Letztinstanzliche kantonale Rückweisungsentscheide sind als Zwischenentscheide im Sinn von Art. 93 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG) zu qualifizieren (BGE 138 I 143 E. 1.2, 133 V 477 E. 4.2). Die vorliegende Rückweisung ist daher vor Bundesgericht nur direkt anfechtbar, wenn sie einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).
Demgemäss erkennt die Kammer:
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des Baurekursgerichts vom 26. September 2017 wird aufgehoben. Die Sache wird im Sinn der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 6'000.--; die übrigen Kosten betragen: Fr. 400.-- Zustellkosten, Fr. 6'400.-- Total der Kosten.
3. Die Kosten werden der Beschwerdegegnerschaft 1 und 2 je zur Hälfte auferlegt.
4. Der private Beschwerdegegner wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.- zu bezahlen, zahlbar innert 30 Tagen ab Rechtskraft dieses Urteils.
5. Gegen dieses Urteil kann Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes erhoben werden. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung an gerechnet, beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen.
6. Mitteilung an ... |
doc-51 | Nr. L 177/ 14 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 30. 6. 73
VERORDNUNG (EWG) Nr. 1768/73 DER KOMMISSION
vom 29. Juni 1973
zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 364/73 zur Festlegung von Sondermaßnahmen
für die neuen Mitgliedstaaten bezüglich des in der chemischen Industrie verwendeten
Weißzuckers
DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN Genuß des auf diesem Gebiet bestehenden Gemein
GEMEINSCHAFTEN — schaftssystems kommen konnten . Die Gründe, die
zur Annahme dieser Maßnahmen geführt haben, blei
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Euro ben weiterhin bestehen . Daher und in Erwartung
päischen Wirtschaftsgemeinschaft, einer endgültigen Regelung auf diesem Gebiet ist es
angebracht, diese Übergangsmaßnahmen bis zum
gestützt auf den am 22. Januar 1972 in Brüssel un 31 . Dezember 1973 zu verlängern .
terzeichneten Vertrag über den Beitritt neuer Mit
gliedstaaten zur Europäischen Wirtschaftsgemein Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen
schaft und zur Europäischen Atomgemeinschaft (*), entsprechen der Stellungnahme des Verwaltungsaus
insbesondere auf Artikel 63 Absatz 1 der diesem Ver
schusses für Zucker —
trag beigefügten Akte (2 ),
gestützt auf die Verordnung Nr. 1009/67/EWG des
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN :
Rates vom 18 . Dezember 1967 über die gemeinsame
Marktorganisation für Zucker (3 ), zuletzt geändert
durch die Verordnung ( EWG ) Nr. 1014/73 ( 4 ), ins
besondere auf Artikel 9- Absatz 8 , Artikel 1
in Erwägung nachstehender Gründe : In Artikel 1 der Verordnung ( EWG) Nr. 364/73 wird
das Datum „ 30. Juni 1973 " durch das Datum „31 . De
Die Verordnung ( EWG ) Nr. 364/73 zur Festlegung zember 1973 " ersetzt.
von Sondermaßnahmen für die neuen Mitglied
staaten bezüglich des in der chemischen Industrie ver
wendeten Weißzuckers (5 ) sah insbesondere vor, daß
einige Erzeugnisse der chemischen Industrie auf Zuk Artikel 2
kerbasis in den neuen Mitgliedstaaten übergangsweise
bis jetzt unter bestimmten Voraussetzungen in den Diese Verordnung tritt am 1 . Juli 1973 in Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem
Mitgliedstaat.
Brüssel , den 29 . Juni 1973 .
Für die Kommission
Der Präsident
François-Xavier ORTOLI
(x) ABl. Nr. L 73 vom 27. 3 . 1972, S. 5 .
( 2) ABl . Nr. L 73 vom 27. 3 . 1972, S. 14.
(3) ABl. Nr. 308 vom 18 . 12. 1967, S. 1 .
(4) ABl . Nr. L 106 vom 20. 4. 1973 , S. 1 .
5) ABl . Nr. L 39 vom 12 . 2. 1973 , S. 22,
|
doc-52 | Urteilskopf
90 II 62
8. Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Januar 1964 i.S. Reinmann gegen Reimnann.
Regeste
Bäuerliches Vorkaufsrecht nach EGG und Nationalstrassenbau.
Der Erwerb von Land durch den Staat zum Zwecke der Leistung von Realersatz (unmittelbar oder im Landumlegungsverfahren) an vom Nationalstrassenbau betroffene Landwirte geschieht in Erfüllung einer (bestimmten) öffentlichen, gemeinnützigen Aufgabe im Sinne von
Art. 10 lit. b EGG
; daher entfällt das Vorkaufsrecht. (
Art. 10 und 21 EGG
; Art. 30 ff. Bundesgesetz über Nationalstrassen).
Sachverhalt
ab Seite 62
BGE 90 II 62 S. 62
A.-
Der Staat Bern kaufte mit Vertrag vom 17. Februar 1961 von Ernst Reinmann zum Preise von Fr. 315'000.-- einen Teil seines Heimwesens in Wiedlisbach (GB Nr. 403) sowie die dazu gehörenden Grundstücke GB Nr. 404-407, mit dem Zweck, diese landwirtschaftlich genützten Grundstücke andern Landwirten, deren Liegenschaften durch die Nationalstrasse Nr. 1 durchschnitten werden, unmittelbar oder mittelbar (im Landumlegungsverfahren)
BGE 90 II 62 S. 63
als Realersatz anbieten zu können. Dieser Zweck wurde in Art. 10 des Vertrags ausdrücklich festgehalten:
"Der Staat Bern erwirbt die Vertragssachen zur Leistung von Realersatz im Zusammenhang mit der zu erstellenden Autobahn durch die Gemeinde Wiedlisbach. Soweit die Grundstücke von der Autobahn berührt werden, könnte der Staat Bern vom Enteignungsrecht Gebrauch machen."
In Ziffer 12 wurde vereinbart, dass, falls der Staat das erworbene Teilstück vom GB Nr. 403 A nicht mit dem Bauernbetrieb als Realersatz verwenden würde, der Verkäufer oder seine Nachkommen es binnen 10 Jahren zu Fr. 3. - per m2 zurückkaufen können.
In der Folge machte ein Sohn des Verkäufers, Wilhelm Reinmann-Kurt, Pächter der verkauften Liegenschaften, das Vorkaufsrecht nach
Art. 6 EGG
geltend. Da der Vater das Vorliegen eines Vorkaufsfalles bestritt, reichte W. Reinmann-Kurt am 30. Oktober 1961 beim Amtsgericht Wangen a.A. gegen ihn Klage ein mit den Rechtsbegehren auf Anerkennung des Vorkaufsrechts und Zuspruch des Eigentums zum Schätzungswert gemäss Entschuldungsgesetz. An die Stelle des im Verlaufe des Prozesses verstorbenen Vaters traten als gesetzliche Erben die Witwe und 3 Nachkommen; an ihre Seite trat der Staat Bern als Intervenient.
B.-
Während das Amtsgericht Wangen a.A. die Klage grundsätzlich guthiess und die Grundstücke dem Kläger zusprach, hat der Appellationshof des Kantons Bern auf Appellation von 3 Beklagten (1 Bruder unterzog sich dem Entscheid) mit Urteil vom 6. Mai 1963 die Klage abgewiesen unter hälftiger Teilung der Kosten.
C.-
Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung des Klägers mit dem Antrag auf Aufhebung desselben und Anerkennung des Vorkaufsrechts an den verkauften Liegenschaften, soweit sie nicht direkt zum Strassenbau verwendet werden.
Die noch am Rechte stehenden Beklagten (Witwe, 2 Kinder, Staat Bern) tragen auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils an.
BGE 90 II 62 S. 64
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Für denjenigen Teil des Grundstückes Nr. 406 (Wiedlisbachmoos), auf das die Nationalstrasse Nr. 1 direkt zu liegen kommt, haben beide Vorinstanzen ein Vorkaufsrecht des Klägers deshalb verneint, weil für diesen Boden dem Käufer Staat Bern das Enteignungsrecht zusteht, sodass bezüglich dieses Bodens der Ausnahmefall 1 gemäss
Art. 10 lit. b EGG
gegeben ist. Dieses Stück nimmt der Kläger denn auch von der Berufung aus (womit dann freilich die Aufzählung der von der Berufung betroffenen Grundstücke auf S. 2 der Berufungsschrift nicht übereinstimmt, indem hier die Nr. 406 mit dem ganzen Flächeninhalt von 465,92 a aufgeführt, dafür Nr. 403 nicht genannt wird). Dieser unmittelbar beanspruchte Teil von Nr. 406 ist somit nicht mehr streitig.
2.
Bezüglich der von der Autobahn nicht direkt berührten Kaufgrundstücke greift das Vorkaufsrecht des Klägers dann nicht Platz, wenn auf sie die Ausnahmefälle 2 oder 3 des
Art. 10 lit. b EGG
zutreffen: wenn der Staat sie "zur Erfüllung öffentlicher, gemeinnütziger oder kultureller Aufgaben" oder zum Ersatz von zu solchen Zwecken verkauften Liegenschaften erworben hat.
Gestützt auf Art. 30, 31, 32 und 36 des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen (vom 8. März 1960) und § 11 der bern. Vollziehungsverordnung vom 3. März 1961 hiezu sowie auf die bundesgerichtlichen Urteile
BGE 80 I 413
und
BGE 83 I 71
hat die Vorinstanz den Ausnahmefall 2 bejaht, da der Staat die Grundstücke zum Zwecke des Einwerfens in die durch den Autobahnbau bedingte Landumlegung erwerbe, worin die Erfüllung einer öffentlichen, vom Bundesgesetzgeber ausdrücklich vorgesehenen Aufgabe liege. Der Landerwerb diene mithin einem unmittelbar bestimmten Zweck im Sinne der zitierten bundesgerichtlichen Urteile; es solle nach Vorschrift des Gesetzes über die Nationalstrassen und der kantonalen VVO die Durchführung eines Landumlegungsunternehmens ermöglicht
BGE 90 II 62 S. 65
werden, in das der Staat Bern Land einwerfe, um den im Perimeter des Strassenprojektes zusammengefassten Grundeigentümern einen allgemeinen prozentualen Landabzug zu ersparen. Die öffentliche Aufgabe des Landerwerbes für die Erstellung der Nationalstrassen könne auf diese Weise in der für die betroffenen Grundeigentümer gelindesten Form bewerkstelligt werden. Der Ankauf von Grundstücken durch den Staat zu diesem Zwecke erfolge somit zweifellos "zur Erfüllung einer öffentlichen, gemeinnützigen Aufgabe".
Diesen grundsätzlichen Ausführungen der Vorinstanz ist ohne weiteres beizupflichten. Das Bundesgericht hat die Frage kürzlich in einem gleichartigen Fall betreffend den Nationalstrassenbau im Kanton Luzern gleich beurteilt (Urteil vom 20. Juni 1963 i.S. Müller-Helfenstein c. Müller und Staat Luzern, nicht publiziert).
Was der Berufungskläger gegen diese Auslegung des
Art. 10 EGG
im vorliegenden Fall ins Feld führt, ist nicht stichhaltig. Es handelt sich um folgende Einwendungen:
a) Der Staat Bern habe ursprünglich nur die Absicht gehabt, die erworbenen Grundstücke einer Familie Kiener, deren Heimwesen durch die Nationalstrasse zerstückelt wird, als Realersatz anzubieten. Erst im Verlaufe des Prozesses sei dann das Landumlegungsverfahren eingeleitet worden, in welches die erworbenen Grundstücke eingeworfen werden sollten.
Der Zweck des Liegenschaftserwerbs bleibt jedoch im einen und andern Fall derselbe. Ob nun die gekauften Grundstücke unmittelbar einem vom Nationalstrassenbau betroffenen Landwirt als Realersatz zugehalten werden oder ob dies mittelbar durch das im Bundesgesetz ausdrücklich vorgesehene sog. Landumlegungsverfahren zu Gunsten eines grösseren Kreises von Betroffenen geschieht, ändert nichts an der Zweckbestimmung des Erwerbes.
b)
Art. 10 lit. b EGG
dürfe nur angewendet werden, wenn die öffentliche Hand für sich selber Realersatz beschaffen müsse, nämlich wenn sie selber Land für öffentliche
BGE 90 II 62 S. 66
Zwecke verkauft habe und dieses ersetzen müsse.
Weder Wortlaut noch Sinn der erwähnten Bestimmung bieten jedoch einen Anhaltspunkt für eine solche enge Auslegung. Übrigens stützt sich die Vorinstanz für den Ausschluss des Vorkaufsrechts auf Art. 10 lit. b Fall 2 (öffentliche Aufgabe), nicht Fall 3 (Ersatzbeschaffung für verkauftes Land; vgl.
BGE 84 II 125
und
BGE 85 II 423
ff.).
c) Entgegen den Ausführungen S. 13 oben des angefochtenen Urteils schränke das Bundesgesetz über die Nationalstrassen den Geltungsbereich des EGG nicht ein.
Selbstverständlich kann von einer solchen Einschränkung im formellen, gesetzestechnischen Sinne nicht die Rede sein. Es verhält sich einfach so, dass das EGG in Art. 10 lit. b das Vorkaufsrecht unter anderem dann ausgeschlossen hat, wenn das betreffende Liegenschaftsgeschäft zur Erfüllung öffentlicher usw. Aufgaben abgeschlossen wird. Was unter diese Zwecke fällt, ist im EGG selber nicht umschrieben, sondern hängt von den Aufgaben ab, die der öffentlichen Hand jeweilen obliegen. Dass sich diese Fälle notwendigen Landerwerbs und daherigen Ausschlusses des Vorkaufsrechts seit dem Erlass des EGG zufolge des Baus der Autobahnen stark vermehrt haben, liegt auf der Hand. Von einer Einschränkung oder gar "Aufhebung" des bäuerlichen Vorkaufsrechts kann aber keine Rede sein.
d) Der Kauf sei nicht zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, sondern im Interesse von Privaten erfolgt, weil das erworbene Land dazu bestimmt sei, den vom Nationalstrassenbau direkt betroffenen Landwirten Realersatz zu verschaffen.
Gerade das ist aber die öffentliche Aufgabe, die dem Staat nach dem Nationalstrassengesetz gestellt ist. Wenn die Ansicht zuträfe, dass eine öffentliche Aufgabe nur dann vorliege, wenn der Staat für sich Land erwerbe, also z.B. den Boden für den Strassenkörper, so hätte sich
Art. 10 lit. b EGG
auf den Ausnahmefall 1 beschränken können, nämlich das Vorkaufsrecht für Rechtsgeschäfte
BGE 90 II 62 S. 67
auszuschliessen, für die das Enteignungsrecht gegeben ist. Unter diesem Gesichtspunkt ist denn auch sogar der Verkauf an einen Privaten zu berücksichtigen (vgl.
Art. 10 lit. b Satz 2 EGG
;
BGE 85 II 429
; zit. Urteil i.S. Müller c. Müller und Staat Luzern; A. JOST, Handkommentar zum EGG, N. 2 zu Art. 10; A. COMMENT, Le droit de préemption agricole vu sous l'angle du conservateur du registre foncier, ZBGR 39/1958 S. 24 Ziff. 3).
e) Fehl geht endlich der Einwand, der vorliegende Kauf diene nicht unmittelbar einem bestimmten öffentlichen Zwecke, und allgemeine öffentliche Interessen ohne gezielte Zweckbestimmung genügten nicht. Der Staat Bern hat die streitigen Liegenschaften nicht etwa zum voraus ins Blaue hinein als allgemeine Landreserve für einstweilen noch unbestimmte zukünftige Aufgaben erworben, was allerdings den Ausnahmefall 2 des
Art. 10 lit. b EGG
nicht zu begründen vermöchte, sowenig wie die Ablehnung eines Einspruches nach dem gleichlautenden
Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG
(wozu vgl.
BGE 80 I 413
,
BGE 83 I 70
ff.,
BGE 84 II 125
). Vielmehr erwarb der Staat diese Landstücke im Hinblick auf die definitiv geplante, im Bau befindliche Nationalstrasse Nr. 1, um sie teils bei Landumlegungen einwerfen, teils Grundeigentümern, deren Grundstücke vom Strassentrassee durchschnitten werden, als Realersatz anbieten zu können. Es handelt sich somit offensichtlich um eine mit dem konkreten, lokal fixierten, in Ausführung begriffenen Autostrassenbau unmittelbar zusammenhängende Massnahme.
3.
Erweist sich mithin die Berufung ohne jeden Zweifel als unbegründet, ist sie gemäss
Art. 60 Abs. 2 OG
ohne öffentliche Beratung zu erledigen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes des Kantons Bern, III. Zivilkammer, vom 6. Mai 1963, soweit es angefochten wird, bestätigt. |
doc-53 | Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.11.2011 – 5 Ca 5590/11 – abgeändert:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum 01. Januar bis 31. Juni 2011 rückständiges Ruhegeld in Höhe von EUR 167,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils EUR 27,85 seit dem 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05. und 01.06.2011 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass dem Kläger für die Monate Juli, August, September, Oktober, November und Dezember 2011 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von EUR 7.740,68 brutto zusteht.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, die Betriebsrente des Klägers ungeachtet der Anpassungsprüfungspflicht gemäß § 16 BetrAVG zum 1. eines jeden Kalenderjahres um 2,2 % zu erhöhen.
4. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Die Revision wird zugelassen.
1T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über eine Erhöhung der betrieblichen Altersversorgung des Klägers.
3Der Kläger ist am 1939 geboren und war vom 26.11.1992 bis zum 31.12.2005 bei der Beklagten zu 1) tätig. Er war Leiter des Finanz- und Rechnungswesens. Seit dem 01.01.2006 bezieht er eine monatliche Betriebsrente. Im Kalenderjahr 2010 erhielt er sie in monatlicher Höhe von 7.574,05 € brutto. Seit Januar 2011 erhält er 7.712,83 € brutto.
4Die Betriebsrente beruht auf einer Einzelzusage der Beklagten zu 1), die Arbeitgeberin des Klägers war. Die Zusage wurde erstmals am 26. November 1992 erteilt und durch weitere Versorgungszusagen verändert. Hinsichtlich des Inhalts der Versorgungszusagen wird auf die Anlagen K 1 bis K 5 (Bl. 7 ff d. A.) Bezug genommen.
5Die Beklagte zu 1) beschäftigt ca. 290 Arbeitnehmer. Im Jahr 2008 erhielten 93 ehemalige Mitarbeiter der Beklagten eine Betriebsrente. Die Renten beruhen auf unterschiedlichen Altersversorgungszusagen/Systemen. Das erste Versorgungswerk wurde im Jahr 1970, das zweite im Jahr 1997 geschlossen. Neben diesen beiden Regelungen gibt es seit dem Jahr 2006 eine Betriebsvereinbarung, die betriebliche Altersversorgung regelt. Neben diesen 3 generellen Versorgungswerken haben einzelne Arbeitnehmer – dazu gehört auch der Kläger – im Laufe der Jahre Einzelzusagen der betrieblichen Altersversorgung erhalten. Darüber hinaus gibt es im Unternehmen der Beklagten zu 1) noch anderweitige Systeme zur betrieblichen Altersversorgung, die für Mitarbeiter gelten, die im Laufe der Jahre durch Betriebsübernahme nach § 613 a BGB zur Beklagten zu 1) gekommen sind.
6Im April 2008 hatten 26 ehemalige und aktive Mitarbeiter bzw. Mitglieder der Geschäftsführung Einzelzusagen wie der Kläger. 15 davon waren bereits ausgeschieden. 11 waren noch aktiv. Die Einzelzusagen wurden – mit einer Ausnahme – nur dem „Führungskreis“, das heißt den Abteilungsleitern und Geschäftsführern erteilt. Die eine Ausnahme ist die ehemalige Chefsekretärin, die der Kläger auch zum „Führungskreis“ zählt.
7Mit Schreiben vom 19. Dezember 2007 wurde den Betriebsrentnern der Beklagten zu 1), so auch dem Kläger, mitgeteilt, dass die Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung ab dem 1. Februar 2008 unmittelbar von der Beklagten zu 2) zum Ersten des Monats ausgezahlt würden. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens vom 19. Dezember 2007 wird auf die Anlage K 6 (Bl. 21 d. A.) Bezug genommen. Die Beklagte zu 2) erteilte daraufhin per 01.10.2007 dem Kläger einen Leistungsnachweis (Anlage K 7 Bl. 22 d. A.).
8Mit Schreiben vom 3. April 2008 erhielt eine zwischen den Parteien streitige Zahl derjenigen 26 Betriebsrentner und aktiven Mitarbeiter/Geschäftsführer der Beklagten zu 1), die wie der Kläger über eine Einzelzusage verfügten, folgendes Schreiben (Anlage K 8/Bl. 23):
9Anpassung Ihrer laufenden Betriebsrente aus den Einzelzusagen
10Sehr geehrter
11Ihre Betriebsrente wird wie folgt angepasst:
121.) die von der S auszuzahlende Rente wird jährlich um 2,2 % erhöht. Sollte die S bessere Erträge erwirtschaften, so kann die jährliche Anpassung auch höher ausfallen.
132.) Alle 3 Jahre wird von der S automatisch geprüft, ob die gezahlten Erhöhungen ausreichen, um der im Betriebsrentengesetz vorgesehenen Anpassungsregelung zu entsprechen (die Erhöhung der Betriebsrenten im Prüfungszeitraum wird nicht geringer ausfallen als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland).
142. Sollte der Anstieg des Verbraucherpreisindexes höher sein als die sich aus 1.) und 2.) ergebende Anpassung, so wird die O GmbH, K , die S in die Lage versetzen, die im Betriebsrentengesetz vorgesehene Anpassung auch für Ihre Rente durchzuführen.
15Das Schreiben war unterschrieben von dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) und dem damaligen Personalleiter und Prokuristen N Der Kläger erhielt dieses Schreiben nicht. Während der Kläger ursprünglich behauptet hatte, das Schreiben sei an den gesamten Kreis derjenigen Betriebsrentner und Mitarbeiter/Geschäftsführer gerichtet gewesen, welche über Einzelzusagen verfügten, auch er, der Kläger, habe ursprünglich Empfänger dieses Schreibens sein sollen, hat die Beklagte zu 1) vorgetragen, das Schreiben sei nur an 11 Personen aus dem besagten Kreis gerichtet gewesen, von den 15 zu diesem Zeitpunkt bereits ausgeschiedenen, zu denen auch der Kläger gehörte, hätten nur der ehemalige Geschäftsführer T und der ehemalige Arbeitnehmer Kl dieses Schreiben erhalten, von den 11 noch aktiven hätten es lediglich 9 erhalten, darunter die mittlerweile nicht mehr für die Beklagte zu 1) tätigen Geschäftsführer B , . Ko und R Von den dementsprechend am 3. April 2008 noch aktiven 8 Arbeitnehmern hätten dementsprechend nur 6 Arbeitnehmer diese zusätzliche Zusage erhalten.
16Gegenüber dem Berufen des Klägers auf den Gleichbehandlungsgrundsatz hat die Beklagte zu 1) angeführt, sie habe zwischen den aktiven und nicht mehr aktiven Arbeitnehmern differenzieren dürfen. Im Übrigen sei die Zahl der Begünstigten sowohl insgesamt als auch insbesondere hinsichtlich der ausgeschiedenen Begünstigten so klein, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz keine Anwendung finde.
17Der Kläger hat sich darauf berufen, er sei auch nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten bis zum 30.06.2008 noch für die Beklagte tätig gewesen. Hinsichtlich seines Vortrages dazu wird auf den Schriftsatz vom 20. September 2011, dort Bl. 52 d. A., Bezug genommen. Die Beklagte zu 1) hat sich dazu darauf berufen, dass der Kläger nach seinem Ausscheiden zum 30. Dezember 2005 und dem am nächsten Tag beginnenden Bezug der Betriebsrente jedenfalls keine Tätigkeiten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mehr bei ihr, der Beklagten zu 1), ausgeübt habe. Im Übrigen hat sie sich auf diesen Vortrag des Klägers nicht eingelassen. Die Beklagte zu 2) hat diesen Vortrag des Klägers mit Nichtwissen bestritten und weiter dazu vorgetragen, dass der Vortrag des Klägers jedenfalls insoweit falsch sei, als der bei ihr zuständige Mitarbeiter Andreas P zu keinem Zeitpunkt mit dem Kläger Fragen der Umgestaltung der betrieblichen Altersversorgung der Beklagten zu 1) erörtert habe. Er habe den Kläger lediglich einmal zu Gesicht bekommen, als die Vereinbarungen zwischen der Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2) bereits getroffen gewesen seien. Dem Kläger sei lediglich das Modell der betrieblichen Altersversorgung durch die Beklagte zu 2) als Unterstützungskasse für die Zukunft erläutert worden. Ebenso falsch sei die Behauptung des Klägers, dass das Schreiben vom 3. April 2008 das Ergebnis vom Kläger geführter Gespräche sei.
18Wegen der Berechnung der Klageforderung wird auf die Klageschrift, dort Bl. 5 d. A., Bezug genommen. Dazu hat sich die Beklagte zu 1) nicht konkret eingelassen. Die Beklagte zu 2) weist darauf hin, dass die Betriebsrente des Klägers im Januar 2011 gemäß § 16 BetrAVG um gut 150,00 € monatlich erhöht worden sei. Eine solche Erhöhung müsse der Kläger sich anrechnen lassen.
19Der Kläger hat beantragt,
201. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum 01.01. bis 31.06.2011 rückständiges Ruhegeld in Höhe von 167,10 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 27,85 € seit dem 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05. und 01.06.2011 zu zahlen;
212. festzustellen, dass ihm für die Monate Juli, August, September, Oktober, November und Dezember 2011 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 7.740,68 € brutto zusteht;
223. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, die Betriebsrente des Klägers ungeachtet der Anpassungsprüfungspflicht gemäß § 16 BetrAVG zum 01. eines jeden Kalenderjahres um 2,2 % zu erhöhen.
23Die Beklagten haben beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Die Beklagte zu 1) legt mit erstinstanzlichen und zweitinstanzlichen Rechtsausführungen dar, warum ein Anspruch des Klägers auf Grund des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht gegeben sei. Die Beklagte zu 2) macht darüber hinaus geltend, dass dem Kläger aus Gleichbehandlungsgrundsätzen schon deshalb gegen sie, die Beklagte zu 2) kein Anspruch zustehe, weil die Zusage vom 3. April 2008 nicht Teil ihrer Versorgungsordnung sei.
26Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 4. November 2011 abgewiesen. Gegen dieses ihm am 15.12.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.12.2011 Berufung eingelegt und diese am 13.02.2012 begründet.
27Der Kläger beantragt,
281. das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 4. November 2011 – 5 Ca 5590/11 – wie folgt abzuändern:
291.1 Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Juni 2011 rückständiges Ruhegeld in Höhe von 167,10 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 27,85 € seit dem 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05. und 01.06.2011 zu zahlen.
301.2 Festzustellen, dass dem Kläger für die Monate Juli, August, September, Oktober, November und Dezember 2011 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 7.740,68 € brutto zusteht.
311.3 Festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, die Betriebsrente des Klägers ungeachtet der Anpassungsprüfungspflicht gemäß § 16 BetrAVG zum 1. eines jeden Kalenderjahres um 2,2 % zu erhöhen.
322. Die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
33Die Beklagten beantragen,
34die Berufung zurückzuweisen.
35Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
36E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
37Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg.
38A. Dieses gilt zunächst gegenüber der Beklagten zu 1) als ursprünglicher Versorgungsschuldnerin. Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz.
39I. Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt dazu Folgendes (vgl. hierzu und zum Folgenden insb. BAG 12.10.2011 – 10 AZR 510/10):
40Der Arbeitgeber ist grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er seinen Arbeitnehmern eine vertraglich nicht vereinbarte Leistung freiwillig gewährt. Bei einer solchen Gewährung ist der Arbeitgeber an den Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden, wenn er die freiwillige Leistung nach von ihm selbst gesetzten allgemeinen Regelungen gewährt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage ebenso wie eine sachfremde Differenzierung zwischen Gruppen von Arbeitnehmern. Zwar gilt im Bereich der Vergütung der Gleichbehandlungsgrundsatz nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit für individuell vereinbarte Löhne und Gehälter Vorrang hat. Das Gebot der Gleichbehandlung greift jedoch, wenn der Arbeitgeber Leistungen auf Grund genereller Regelungen für bestimmte Zwecke gewährt. Zahlt er auf Grund einer abstrakten Regelung eine freiwillige Leistung nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip und legt er entsprechend dem mit der Leistung verfolgten Zweck die Anspruchsvoraussetzungen für diese Leistung fest, darf er einzelne Arbeitnehmer von den Leistungen nur ausnehmen, wenn dies den sachlichen Kriterien entspricht. Arbeitnehmer werden nicht sachfremd benachteiligt, wenn nach dem Zweck der Leistung Gründe vorliegen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, ihnen die anderen Arbeitnehmern gewährten Leistungen vorzuenthalten.
41Die Zweckbestimmung der Leistung ergibt sich vorrangig aus ihren tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen. Dementsprechend ist zunächst der Zweck der Leistung zur ermitteln und zu beurteilen, ob der von ihr ausgeschlossene Personenkreis berechtigterweise außerhalb der allgemeinen Zweckrichtung steht. Steht eine unterschiedliche Ausgestaltung der Leistung nach Gruppen von Arbeitnehmern fest, hat der Arbeitgeber die Gründe für eine Differenzierung offen zu legen und substantiiert die sachlichen Unterscheidungskriterien darzutun. Sind die Unterscheidungsmerkmale nicht ohne weiteres erkennbar und legt der Arbeitgeber seine Differenzierungsgesichtspunkte nicht dar oder ist die unterschiedliche Behandlung nach dem Zweck der Leistung nicht gerechtfertigt, kann der benachteiligte Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmer (-gruppe) behandelt zu werden.
42II. Danach gilt im vorliegenden Fall folgendes:
431. Es handelt sich um eine freiwillige Leistung nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip.
44Das Schreiben vom 3. April 2008 betrifft Betriebsrenten aus Einzelzusagen. Danach wird die von der Beklagten zu 2) auszuzahlende Rente jährlich um 2,2 Prozent erhöht. Aus dem Schreiben ergibt sich eine freiwillig gewährte Verbesserung gegenüber den Verpflichtungen aus § 16 BetrAVG. Dieses Schreiben und die damit erteilte Verbesserung der bestehenden Einzelzusage, die unabhängig vom Inhalt der jeweiligen Einzelzusage darauf hinaus läuft, dass die jeweilige Rente jährlich ohne weitere Voraussetzungen um 2,2 Prozent erhöht wird, ist nach dem Beklagtenvortrag an insgesamt 11 aktive und ausgeschiedene Inhaber von Einzelversorgungszusagen erteilt worden, während der Gesamtkreis dieser Personen 26 beträgt. Es handelt sich deshalb offensichtlich nicht um im Einzelnen ausgehandelte Leistungen, sondern um Leistungen auf Grund einer abstrakten Regelung, welche generalisierend unabhängig von dem genauen Inhalt der Einzelzusage die jährliche Erhöhung von 2,2 Prozent gewährt.
452. Die Zweckbestimmung der Leistung ist ersichtlich eine Vereinfachung und eine zu Gunsten der Begünstigten zuverlässig absehbare Anpassung der Versorgungsleistungen an generell zu unterstellende künftige Erhöhungen der Lebenshaltungskosten und damit des Versorgungsbedarfs. Da § 16 BetrAVG insoweit nicht zu Lasten der Arbeitnehmer abbedungen wird, handelt es sich insgesamt um eine ausschließlich begünstigende Leistung.
46Von diesem Zweck der Leistung her ist nicht zu erkennen, dass der von ihr ausgeschlossene Personenkreis in irgendeiner Weise ein solches Interesse an der Verbesserung, nämlich an zuverlässiger und absehbarer Anpassung der Versorgungsleistungen, nicht hätte.
473. Es steht auch eine unterschiedliche Ausgestaltung der Zusatzleistung nach Gruppen fest: Selbst wenn man die aktiven und ehemaligen Geschäftsführer unter den Beteiligten außer Acht lässt, lässt sich eine Gruppe von begünstigten Arbeitnehmern gegenüber einer Gruppe von ausgeschlossenen Arbeitnehmern auch nach dem Vorbringen der Beklagten ausmachen.
48Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz darauf abgehoben hat, der Gleichbehandlungsgrundsatz greife nur ein, wenn die Mehrheit einer vergleichbaren Gruppe begünstigt sei, so lässt sich eine solche Anforderung an den Gleichbehandlungsgrundsatz in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht erkennen. Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 29.09.2004 (5 AZR 43/04) zwar die Erwägung angestellt, ob dann, wenn die Anzahl der begünstigten Arbeitnehmer im Verhältnis zur Gesamtzahl der betroffenen Arbeitnehmer sehr gering sei, der Gleichbehandlungsgrundsatz zum Zuge kommen könne, und dabei auf die frühere Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 13.02.2002 rekurriert. Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung (5 AZR 713/00) ausgeführt, die Begünstigung von weniger als 5 Prozent der außertariflichen Angestellten lasse nicht den Schluss zu, die Beklagte habe eine entsprechende Gruppe von Arbeitnehmern gebildet. Im Übrigen verpflichte der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz einen Arbeitgeber, der durch ein sachlich nicht gerechtfertigtes Merkmal eine außerordentlich kleine Gruppe der Belegschaft besser gestellt habe (dort 4 Prozent zu 96 Prozent) nicht, diesen Vorteil allen Beschäftigten einzuräumen. Das Bundesarbeitsgericht stellt in beiden Entscheidungen aber nicht auf sämtliche Arbeitnehmer des Arbeitgebers, sondern jeweils nur auf „die betroffenen Arbeitnehmer“ (BAG 29.09.2004 a. a. O.) bzw. im konkreten Fall der Entscheidung vom 13.02.2002 (a. a. O.) auf die vergleichbare Arbeitnehmergruppe, dort die AT-Angestellten, ab.
49Im vorliegenden Fall ist auf die Arbeitnehmer mit Einzelzusage abzustellen, da die Beklagte ganz unterschiedliche Versorgungssysteme praktiziert, und insoweit hier nur die mit Einzelzusage vergleichbar sind. Bezogen auf die Arbeitnehmer mit Einzelzusage liegt Anteil der Begünstigten jedoch weit oberhalb der vom Bundesarbeitsgericht in den genannten Entscheidungen als geringfügig angesehenen Prozentsätze. Auch dann, wenn man die vier Geschäftsführer außer Acht lässt, verbleibt nach Beklagtenvorbringen eine Gesamtzahl von 7 Begünstigten zu einer Gesamtzahl von 22 betroffenen Arbeitnehmern (Angestellte mit Einzelzusage), also rund 31 Prozent Begünstigte.
504. Nach dem Vorgesagten steht eine unterschiedliche Ausgestaltung der Zusatzleistung nach Gruppen von Arbeitnehmern fest, so dass der Arbeitgeber die Gründe für eine Differenzierung offen zu legen und substantiiert die sachlichen Unterscheidungskriterien darzutun hat.
51Die Beklagte zu 1) hat sich erst- wie zweitinstanzlich darauf berufen, sie habe nach ausgeschiedenen und aktiven Mitarbeitern differenziert. Weitere Differenzierungskriterien hat sie nicht offen gelegt.
52Die Kammer hat schon erhebliche Zweifel, ob die alleinige Differenzierung nach aktiven und ausgeschiedenen Arbeitnehmern als sachliches Unterscheidungskriterium ausreicht. Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 10.02.2009 – 3 AZR 653/07 – eine Differenzierung nach Rentnern und Aktiven bei einer unterschiedlichen Behandlung in Bezug auf Zusatzleistungen offensichtlich nicht ohne weiteres als sachlich rechtfertigend angesehen, sondern weitere Differenzierungsgründe verlangt.
53Dieses kann jedoch im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn die Beklagte hat auch nach ihrem eigenen Vorbringen zu den Begünstigten offensichtlich tatsächlich anders abgegrenzt. Unter den Begünstigten befinden sich zwei Ausgeschiedene (ein Arbeitnehmer, ein ehemaliger Geschäftsführer). Auch von den 11 noch aktiven Inhabern von Versorgungseinzelzusagen haben nur 9 die Verbesserung bekommen, 2 nicht. Die Beklagte hat mithin (noch) andere Differenzierungsmerkmale angewandt. Sie hat damit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht die Differenzierungsgesichtspunkte nicht in ausreichender Weise dargelegt, so dass in der Konsequenz die benachteiligten Arbeitnehmer, darunter auch der Kläger, verlangen können, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmer (-gruppe) behandelt zu werden. Damit steht dem Kläger die Leistung gegen die Beklagte zu 1) zu.
54B. Dem Kläger steht die Leistung auch gegen die Beklagte zu 2) zu. Die Beklagte zu 2) zahlt als selbständige Unterstützungskasse die Renten aus. Auch die Zusage vom 3. April 2008 läuft ausdrücklich darauf hinaus, dass „die von der S auszuzahlende Rente . . . jährlich um 2, 2 % erhöht“ wird.
55Die Beklagte zu 2) hat zutreffend aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.02.2010 (3 AZR 216/09) gefolgert, dass der Arbeitnehmer, auch wenn gemäß § 1 b Abs. 4 Satz 1 BetrAVG ein Rechtsanspruch gegen die Unterstützungskasse ausgeschlossen ist, doch einen unmittelbaren Anspruch dann hat, wenn der Arbeitgeber die Leistungen der Unterstützungskasse versprochen hat, sich der Anspruch aus dem Wortlaut der Versorgungsordnung ergibt oder sich aus der Versorgungsordnung selbst eine ungleiche Behandlung ergibt.
56Im vorliegenden Fall ist durch die gleichlautenden Zusagen der Beklagten zu 1) an 11 Berechtigte insoweit der Anspruch auf jährliche Erhöhung um 2,2 Prozent Inhalt der Versorgungsordnung der Beklagten zu 2) geworden, sodass der Anspruch sich auch gegen die Beklagte zu 2) aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt.
57C. Hinsichtlich der Höhe der Klageansprüche wird auf die zutreffende Berechnung des Klägers in der Klageschrift (Bl. 4. d. A.) Bezug genommen. Soweit die Beklagte zu 2) (Schriftsatz vom 17.10.2011, Bl. 60/61 d. A.) darauf hinweist, dass Erhöhungen gemäß § 16 BetrAVG anzurechnen seien und dass eine solche im Januar 2011 stattgefunden habe, so ist nicht erkennbar, inwieweit dieses der Berechnung des Klägers entgegenstehen soll. Der Kläger verlangt nur den Differenzbetrag zwischen der Erhöhung im Januar 2011 und der um 2,2 Prozent erhöhten monatlichen Betriebsrente, wie sie im Jahr 2010 mit 7.574,05 € gezahlt wurde.
58Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
59RECHTSMITTELBELEHRUNG
60Gegen dieses Urteil kann von den beklagten Parteien
61R E V I S I O N
62eingelegt werden.
63Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
64Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
65Bundesarbeitsgericht
66Hugo-Preuß-Platz 1
6799084 Erfurt
68Fax: 0361 2636 2000
69eingelegt werden.
70Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
71Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
721. Rechtsanwälte,
732. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
743. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
75In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
76Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
77* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
78Dr. Backhaus Haas Janssen
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doc-54 | [AZA 7]
I 636/00 Ge
II. Kammer
Bundesrichter Rüedi, Meyer und Ferrari; Gerichtsschreiberin
Amstutz
Urteil vom 2. April 2001
in Sachen
F._, 1974, Gesuchsteller, vertreten durch Rechtsanwältin Karin Caviezel, Belmontstrasse 1, Chur,
gegen
IV-Stelle des Kantons Graubünden, Ottostrasse 24, Chur, Gesuchsgegnerin
A.- Mit Verfügung vom 23. September 1997 stellte die IV-Stelle des Kantons Graubünden ihre Rentenleistungen an den 1974 geborenen F._ rückwirkend per 1. Juni 1994 ein mit der Begründung, seit jenem Zeitpunkt habe kein rentenbegründender Invaliditätsgrad mehr bestanden. Am 27. Oktober 1997 verpflichtete die IV-Stelle den Versicherten verfügungsweise zur Rückerstattung von unrechtmässig bezogenen Rentenleistungen im Betrag von Fr. 21'698.-.
Gegen beide Verfügungen erhob F._ Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Dieses bestätigte die Verfügung vom 23. September 1997 mit Entscheid vom 30. Januar 1998, welcher unangefochten in Rechtskraft erwuchs. Die Beschwerde gegen die Rückforderungsverfügung vom 27. Oktober 1997 wies das Verwaltungsgericht mit Entscheid vom 2. Oktober 1998 ab.
B.- Hiegegen liess F._ Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des Entscheids vom 2. Oktober 1998 und der Verwaltungsverfügung vom 27. Oktober 1997 sei eine Rückerstattungspflicht bezüglich der ab 1. Juni 1994 (bis 28. Februar 1997) ausgerichteten Rentenleistungen zu verneinen, eventualiter auf die Zeit ab September 1996 zu beschränken. Das Eidgenössische Versicherungsgericht wies die Beschwerde mit Urteil vom 19. Oktober 2000 ab; auf die sinngemäss beantragte Beurteilung des Erlasses der Rückforderung wurde nicht eingetreten.
C.- Mit Eingabe vom 6. November 2000 lässt F._ die Revision des Urteils vom 19. Oktober 2000 beantragen.
Des Weitern ersucht er für das vorliegende Verfahren um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.
Während die IV-Stelle Graubünden auf Abweisung des Revisionsgesuchs schliesst, hat sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen lassen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- a) Nach Art. 136 OG (in Verbindung mit Art. 135 OG) ist die Revision eines Urteils des Eidgenössischen Versicherungsgerichts u.a. zulässig, wenn einzelne Anträge unbeurteilt geblieben sind (lit. c). Der Gesuchsteller hat den Revisionsgrund sowie dessen rechtzeitige Geltendmachung darzulegen und anzugeben, welche Abänderung des früheren Entscheides und welche Rückleistung verlangt wird (Art. 140 OG). Das Revisionsgesuch ist binnen 30 Tagen vom Eingang der schriftlichen Ausfertigung des Entscheides an beim Eidgenössischen Versicherungsgericht anhängig zu machen (Art. 141 Abs. 1 lit. a OG).
b) Obwohl nach dem Wortlaut des Gesetzes die Zulässigkeit der Revision vom Vorliegen eines Revisionsgrundes abhängt, genügt für das Eintreten auf das Gesuch, dass ein solcher Grund behauptet wird (BGE 96 I 279 Erw. 1 mit Hinweis; unveröffentlichte Urteile in Sachen P. vom 25. Juni 1997 [U 149/96], F. vom 17. August 1994 [B 26/94], S. vom 8. Dezember 1992 [5P. 274.1992] und M. vom 15. Juni 1992 [5P. 153/1992]; Messmer/Imboden, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zürich 1992, S. 48; Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bern 1992, N 1 zu Art. 136 OG). Sind die formellen Voraussetzungen erfüllt, so ist auf das Gesuch einzutreten; wenn es sich als unbegründet erweist, ist es abzuweisen, nicht für unzulässig zu erklären (Messmer/Imboden, a.a.O., S. 52; Poudret, a.a.O., N 1 zu Art. 136 OG; vgl. auch BGE 108 V 175 sowie unveröffentlichtes Urteil F. vom 17. August 1994 [B 26/94]).
c) Im vorliegenden Fall ruft der Gesuchsteller den Revisionsgrund des Art. 136 lit. c an. Das Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 19. Oktober 2000 ist ihm am 1. November 2000 zugestellt worden, weshalb mit der Eingabe vom 6. November 2000 die Frist nach Art. 141 Abs. 1 lit. a OG eingehalten ist. Sind somit die formellen Voraussetzungen erfüllt, ist auf das Revisionsgesuch einzutreten.
2.- a) Der Gesuchsteller bringt vor, das Eidgenössische Versicherungsgericht sei im Urteil vom 19. Oktober 2000 zu Unrecht auf seinen Antrag auf Prüfung der Erlassfrage nicht eingetreten. Entgegen den Erwägungen des Gerichts hätten Vorinstanz und Verwaltung die Anspruchsvoraussetzungen eines Erlasses der Rückforderung unrechtmässig bezogener Leistungen (Art. 49 IVG in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 AHVG) bereits materiell beurteilt. Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde diesbezüglich erhobenen Einwände seien daher zulässig gewesen, so dass entsprechend darauf hätte eingetreten werden müssen.
b) Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat die materiellrechtliche Beurteilung der Erlassfrage im Urteil vom 19. Oktober 2000 aus prozessrechtlichen Gründen versagt und nicht den Antrag als solchen unbeurteilt gelassen. Mit seinen Vorbringen kritisiert der Gesuchsteller, richtig besehen, die Begründung des Nichteintretens, mithin die rechtlichen Erwägungen im angefochtenen Entscheid. Damit verkennt er die Funktion des Revisionsverfahrens gemäss Art. 136 lit. c OG. Nach der Rechtsprechung ist die Revision nicht zulässig, um Rechtsfehler (fälschlicherweise Nichteintreten, Verweigerung des rechtlichen Gehörs und anderes mehr) zu korrigieren (unveröffentlichte Urteile S.
vom 4. Januar 1999 [1P. 378/1998] mit Verweis auf Jean-François Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. V, Bern 1992, N. 4 zu Art. 136 OG, S. 16 f.). Bleiben materielle Anträge unbeurteilt, weil das Gericht auf das Rechtsmittel ganz oder teilweise nicht eintritt, liegt demnach - auch bei irrtümlichem Nichteintreten - kein Revisionsgrund gemäss Art. 136 lit. c OG vor (unveröffentlichtes Urteil X. vom 22. November 2000 [C 182/00]). Da der Gesuchsteller einzig den Revisionsgrund des Art. 136 lit. c OG anruft, ist nicht zu prüfen, ob das Eidgenössische Versicherungsgericht, angesichts der im Urteil vom 19. Oktober 2000 gegebenen Begründung des Nichteintretens, die in den Akten liegende Tatsache übersehen hat, dass sich Verwaltungsverfügung und vorinstanzlicher Entscheid zur Erlassfrage äusserten (Art. 136 lit. d OG).
3.- Weil das Revisionsgesuch einstimmig als unbegründet befunden wird, wird es ohne öffentliche Beratung erledigt (Art. 143 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 135 OG).
4.- Das Verfahren ist kostenpflichtig, da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht (Art. 134 OG e contrario). Die unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten und die unentgeltliche Verbeiständung (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG) können gewährt werden, da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, das Revisionsgesuch nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a mit Hinweisen).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.
II.Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Gesuchsteller auferlegt. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege werden sie einstweilen auf die
Gerichtskasse genommen.
III. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwältin Karin Caviezel für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der
Gerichtskasse eine Entschädigung (einschliesslich
Mehrwertsteuer) von Fr. 500.- ausgerichtet.
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 2. April 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Vorsitzende der II. Kammer:
Die Gerichtsschreiberin: |
doc-55 |
(1) Der Unternehmenswahlvorstand erlässt gleichzeitig mit der Bekanntmachung nach § 13 eine Bekanntmachung über die Abstimmung für den Wahlvorschlag der leitenden Angestellten. Die Bekanntmachung muss folgende Angaben enthalten:
1.
den für die Bekanntmachung bestimmten Zeitpunkt;
2.
die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber, die der Wahlvorschlag der leitenden Angestellten enthalten muss;
3.
bei börsennotierten Unternehmen im Fall der Gesamterfüllung, die zur Erreichung des Geschlechteranteils nach § 96 Absatz 2 Satz 1 und 4 des Aktiengesetzes erforderliche Anzahl an Frauen und Männern im Aufsichtsrat;
4.
bei börsennotierten Unternehmen im Fall der Getrennterfüllung, die zur Erreichung des Geschlechteranteils nach § 7 Absatz 3 des Gesetzes in Verbindung mit § 96 Absatz 2 Satz 4 des Aktiengesetzes erforderliche Anzahl an Frauen und Männern unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer;
5.
dass der Wahlvorschlag der leitenden Angestellten auf Grund von Abstimmungsvorschlägen durch Beschluss der wahlberechtigten leitenden Angestellten in geheimer Abstimmung aufgestellt wird;
6
dass in jedem Abstimmungsvorschlag für jede Bewerberin oder für jeden Bewerber jeweils ein Ersatzmitglied des Aufsichtsrats vorgeschlagen werden kann;
7.
die Mindestzahl der wahlberechtigten leitenden Angestellten, von denen ein Abstimmungsvorschlag für die Abstimmung der leitenden Angestellten unterzeichnet sein muss;
8.
die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber, die jeder leitende Angestellte in der Abstimmung ankreuzen kann;
9.
dass als Bewerberinnen und Bewerber nach der Reihenfolge der auf sie entfallenden Stimmenzahlen nur so viele leitende Angestellte in den Wahlvorschlag aufgenommen werden, wie er insgesamt Bewerberinnen und Bewerber enthalten muss und dass bei Stimmengleichheit das Los entscheidet;
10.
dass die in den Abstimmungsvorschlägen zusammen mit den Gewählten aufgeführten Ersatzmitglieder in den Wahlvorschlag der leitenden Angestellten als Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats aufgenommen werden;
11.
bei börsennotierten Unternehmen, dass das Nachrücken eines Ersatzmitglieds, dessen Wahl nach dem 31. Dezember 2015 erfolgt ist, ausgeschlossen ist, wenn dadurch der Geschlechteranteil nach § 7 Absatz 3 des Gesetzes nicht mehr eingehalten würde;
12.
den Zeitpunkt, bis zu dem Abstimmungsvorschläge für die Abstimmung der leitenden Angestellten beim Unternehmenswahlvorstand eingereicht werden können;
13.
die Anschrift des Unternehmenswahlvorstands;
14.
dass die leitenden Angestellten in Briefwahl abstimmen;
15.
den Zeitpunkt, bis zu dem die Wahlbriefe beim Unternehmenswahlvorstand eingehen müssen.
(2) Der Unternehmenswahlvorstand kann die Bekanntmachungen nach Absatz 1, § 13 und § 26 in einer Bekanntmachung zusammenfassen.
(3) Der Unternehmenswahlvorstand übersendet die Bekanntmachung den Betriebswahlvorständen und teilt ihnen schriftlich den Zeitpunkt mit, von dem ab sie in den Betrieben bekannt zu machen ist. Jeder Betriebswahlvorstand ergänzt die Bekanntmachung um die Angabe, wo oder wie die Abstimmungsberechtigten von den Abstimmungsvorschlägen Kenntnis erlangen können.
(4) § 26 Abs. 4 und 5 ist entsprechend anzuwenden.
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doc-56 | Nr. L 103/ 10 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 22. 4. 88
VERORDNUNG (EWG) Nr. 1049/88 DER KOMMISSION
vom 21 . April 1988
zur Festsetzung der Beträge zur Senkung der Eingangsabgaben bei Rindfleisch
aus den Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean und
zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 777/88
DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN ab 1 . April 1988 festgelegt. Eine Überprüfung hat
GEMEINSCHAFTEN — ergeben, daß der Anhang dieser Verordnung Fehler
enthält. Die genannten Beträge müssen deshalb erneut
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen festgesetzt und die Verordnung (EWG) Nr. 777/88 aufge
Wirtschaftsgemeinschaft, hoben werden —
gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 486/85 des Rates
vom 26. Februar 1985 über die Regelung für landwirt
schaftliche Erzeugnisse und bestimmte aus landwirtschaft HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN :
lichen Erzeugnissen hergestellte Waren mit Ursprung in
den Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazi Artikel 1
fischen Ozean oder in den überseeischen Ländern und
Gebieten ('), zuletzt geändert durch die Verordnung Die in Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr.
(EWG) Nr. 1821 /87 (2), insbesondere auf Artikel 4, 486/85 vorgesehenen Beträge zur Senkung der Eingangs
in Erwägung nachstehender Gründe : abgaben für Rindfleisch, die für die im Laufe des zweiten
Vierteljahres 1988 durchzuführenden Einfuhren gültig
in Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 486/85 sind, werden im Anhang festgesetzt.
ist eine 90prozentige Senkung der Eingangsabgaben für
Rindfleisch vorgesehen. Der Betrag dieser Senkung muß Artikel 2
gemäß Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 552/85 der
Kommission (3), geändert durch die Verordnung (EWG) Die Verordnung (EWG) Nr. 777/88 wird aufgehoben .
Nr. 3815/85 (4), berechnet werden.
Mit der Verordnung (EWG) Nr. 777/88 der Kommis Artikel 3
sion (*) wurden die Beträge zur Senkung der Eingangsab
gaben für Rindfleisch mit Ursprung in den Staaten in Diese Verordnung tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im
Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem
Mitgliedstaat.
Brüssel, den 21 . April 1988
Für die Kommission
Frans ANDRIESSEN
Vizepräsident
(') ABl. Nr. L 61 vom 1 . 3. 1985, S. 4.
O ABl. Nr. L 172 vom 30. 6. 1987, S. 102.
O ABl. Nr. L 63 vom 2. 3. 1985, S. 13.
(4) ABl. Nr. L 368 vom 31 . 12. 1985, S. 11 .
O ABl. Nr. L 80 vom 25. 3. 1988, S. 33.
---pagebreak--- ANHANG — ΠΑΡΑΡΤΗΜΑ — ANNEX — ANNEXE — ALLEGATO — BIJLAGE — ANEXO
22. 4. 88
United
ark Deutschland Ελλάδα Espana France Ireland Italia Nederland
Kingdom
0 kg DM/ 100 kg Δρχ/ 100 χγρ Pta/ 100 kg FF/ 100 kg £ Irl/ 100 kg Lit/100 kg F1./ 100 kg
£/ 100 kg
4,08 281,72 14 011,53 18 400,40 908,00 99,502 189,430 315,82 83,489
4,08 281,72 14 011,53 18 400,40 908,00 99,502 189,430 315,82 83,489
4,08 281,72 14 011,53 18 400,40 908,00 99,502 189,430 315,82 83,489
4,08 281,72 14 011,53 18 400,40 908,00 99,502 189,430 315,82 83,489
4,08 281,72 14 011,53 18 400,40 908,00 99,502 189,430 315.82 83,489
4,75 535,27 26 621,82 34 960,72 1 725,20 189,053 359,918 600,06 158,630
4,75 535,27 26 621,82 34 960,72 1 725,20 189,053 359,918 600,06 158,630
4,75 535,27 26 621,82 34 960,72 1 725,20 189,053 359,918 600,06 158,630
4,75 535,27 26 621,82 34 960,72 1 725,20 189,053 359,918 600,06 158,630
1,79 428,21 21 297,31 27 968,44 1 380,16 151,241 287,933 480,04 126,904
1,79 428,21 21 297,31 27 968,44 1 380,16 151,241 287,933 480,04 126,904
Amtsblatt der
7,69 642,32 31 946,26 41 952,86 2 070,24 226,864 431,901 720,07 190,356
7,69 642,32 31 946,26 41 952,86 2 070,24 226,864 431,901 720.07 190,356
7,12 802,90 50 322,02 52 441,07 2 601,14 286,507 555,258 900.08 244,105
1,09 918,41 50 833,09 59 985,22 2 966,71 325,828 625,175 1 029,57 275,234
7,67 511,54 26 424,62 33 411,29 1 650,01 180,951 345,421 573,46 152,184
7,67 511 ,'54 26 424,62 33 411,29 1 650,01 180,951 345,421 573,46 152,184
2,14 409,23 21 139,71 26 729,00 1 320,00 144,761 276,336 458,77 121,747
Europäischen
7,09 639,43 33 030,86 41 764,14 2 062,50 226,190 431,777 716.83 190,229
6,51 767,31 48 877,87 50 116,85 2 486,87 274,030 531,812 860,19 233,753
7,09 639,43 33 030,86 41 764,14 2 062,50 226,190 431,777 716,83 190,229
7,09 639,43 33 030,86 41 764,14 2 062,50 226,190 431,777 716,83 190,229
9,59 879,85 51 654,83 57 467,23 2 845,96 312,983 603,308 986,36 265,432
1,09 918,41 50 833,09 59 985,22 2 966,71 325,828 625,175 1 029,57 275,234
9,59 879,85 51 654,83 57 467,23 2 845,96 312,983 603,308 986,36 265,432
7,12 802,90 50 322,02 52 441,07 2 601,14 286,507 555,258 900,08 244,105
Gemeinschaften
1,09 918,41 54 191,98 59 985,22 2 971,02 326,774 . 630,148 1 029,57 277,225
1,09 918,41 54 191,98 59 985,22 2 971,02 326,774 630,148 1 029,57 277,225
1,09 918,41 54 191,98 59 985,22 2 971,02 326,774 630,148 1 029,57 277,225
1,09 918,41 54 191,98 59 985,22 2 971,02 326,774 630,148 1 029,57 277,225
1,09 918,41 64 346,86 59 985,22 2 984,06 329,635 645,182 1 029,57 283,245
gina, se definen en el Reglamento (CEE) n° 2658/87 modificado.
er fastsat i den ændrede forordning (EØF) nr. 2658/87.
oten sind durch die geänderte Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 bestimmt.
συμπεριλαμβανομένων των υποσημειώσεων, καθορίζονται στον τροποποιημένο κανονισμό ( ΕΟΚ) αρι9. 2658/87.
amended Regulation (EEC) No 2658/87.
age sont définis au règlement (CEE) n0 2658/87 modifie.
efiniti dal regolamento (CEE) n . 2658/87 modificata.
dening (EEG) nr. 2658 /87.
e-página são definidos no Regulamento (CEE) n? 2658/87 alterado.
Nr. L 103/ 11
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doc-57 |
Avis juridique important
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31983R3199
Verordnung (EWG) Nr. 3199/83 des Rates vom 4. November 1983 zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für andere Gewebe aus Baumwolle der Tarifnummer 55.09 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Spanien (1984)
Amtsblatt Nr. L 315 vom 15/11/1983 S. 0007 - 0009
***** VERORDNUNG (EWG) Nr. 3199/83 DES RATES vom 4. November 1983 zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für andere Gewebe aus Baumwolle der Tarifnummer 55.09 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Spanien (1984) DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN - gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 113, auf Vorschlag der Kommission, in Erwägung nachstehender Gründe: Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hat am 29. Juni 1970 ein Abkommen mit Spanien (1) geschlossen, das durch das Protokoll zum Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Spanien im Anschluß an den Beitritt der Republik Griechenland zur Gemeinschaft (2) ergänzt worden war. Aufgrund dieses Abkommens hat sich die Gemeinschaft verpflichtet, ein jährliches Gemeinschaftszollkontingent von 2 013 Tonnen für andere Gewebe aus Baumwolle der Tarifnummer 55.09 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Spanien zu eröffnen. Die Kontingentszollsätze betragen 40 v. H. der Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für die betreffenden Waren. Dieses Gemeinschaftszollkontingent ist für 1984 zu eröffnen. Es ist vor allem sicherzustellen, daß alle Importeure der Gemeinschaft gleichen und kontinuierlichen Zugang zu diesem Kontingent haben und daß die vorgesehenen Kontingentszollsätze fortlaufend auf sämtliche Einfuhren der betreffenden Waren in allen Mitgliedstaaten bis zur Ausschöpfung des Kontingents angewandt werden. Der Gemeinschaftscharakter dieses Kontingents kann unter Beachtung der oben aufgestellten Grundsätze dadurch gewahrt werden, daß bei der Ausnutzung des Gemeinschaftszollkontingents von einer Aufteilung der Menge auf die Mitgliedstaaten ausgegangen wird. Damit die tatsächliche Marktentwicklung der betreffenden Waren möglichst weitgehend berücksichtigt wird, ist diese Aufteilung entsprechend dem Bedarf der Mitgliedstaaten vorzunehmen, der einerseits anhand der statistischen Angaben über die während eines repräsentativen Bezugszeitraums getätigten Einfuhren dieser Erzeugnisse aus Spanien und andererseits nach den Wirtschaftsaussichten für den betreffenden Kontingentszeitraum zu berechnen ist. Während der letzten drei Jahre, über die vollständige statistische Angaben vorliegen, verteilen sich die Einfuhren der betreffenden Waren aus Spanien in die Gemeinschaft prozentual auf die Mitgliedstaaten wie folgt: 1.2.3.4 // // // // // Mitgliedstaaten // 1980 // 1981 // 1982 // // // // // Benelux // 12,3 // 4,8 // 1,7 // Dänemark // 0,2 // 0,3 // 0,2 // Deutschland // 4,5 // 3,6 // 5,1 // Griechenland // - // - // 0,3 // Frankreich // 75,4 // 74,2 // 60,1 // Irland // 1,5 // 12,0 // 21,2 // Italien // 2,9 // 3,9 // 8,0 // Vereinigtes Königreich // 3,2 // 1,2 // 3,4 // // // // Unter Berücksichtigung dieser Angaben und der voraussichtlichen Entwicklung des Marktes für diese Waren, insbesondere der Vorausschätzungen einiger Mitgliedstaaten, lässt sich die ursprüngliche prozentuale Beteiligung an der Kontingentsmenge annähernd wie folgt ermitteln: Benelux 5,2, Dänemark 0,3, Deutschland 5,2, Griechenland 5,2, Frankreich 52,0, Irland 19,5, Italien 11,0, Vereinigtes Königreich 1,6. Um der Entwicklung der Einfuhren der betreffenden Waren in den einzelnen Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, ist die Kontingentsmenge in zwei Raten zu teilen, wobei die erste Rate auf die einzelnen Mitgliedstaaten aufgeteilt wird und die zweite Rate als Reserve zur späteren Deckung des Bedarfs derjenigen Mitgliedstaaten bestimmt ist, die ihre ursprüngliche Quote ausgeschöpft haben. Um den Importeuren jedes Mitgliedstaats eine gewisse Sicherheit zu geben, ist es angezeigt, die erste Rate des Gemeinschaftszollkontingents auf 77 v. H. der Kontingentsmenge festzusetzen. Die ursprünglichen Quoten der Mitgliedstaaten können mehr oder weniger rasch ausgeschöpft werden. Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen und um Unterbrechungen auszuschalten, sollte jeder Mitgliedstaat, der seine ursprüngliche Quote fast ganz ausgenutzt hat, die Ziehung einer zusätzlichen Quote auf die Reserve vornehmen. Diese Ziehung muß jeder Mitgliedstaat vornehmen, wenn seine einzelnen zusätzlichen Quoten fast ganz ausgenutzt sind und soweit noch eine Reservemenge vorhanden ist. Die ursprünglichen und die zusätzlichen Quoten müssen bis zum Ende des Kontingentszeitraums gelten. Diese Art der Verwaltung erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission, die vor allem die Möglichkeit haben muß, den Stand der Ausnutzung der Kontingentsmenge zu verfolgen und die Mitgliedstaaten davon zu unterrichten. Ist zu einem bestimmten Zeitpunkt des Kontingentzeitraums in einem der Mitgliedstaaten eine grössere Restmenge vorhanden, so muß dieser Staat einen erheblichen Prozentsatz davon auf die Reserve übertragen, damit nicht ein Teil des Gemeinschaftszollkontingents in einem Mitgliedstaat ungenutzt bleibt, während er in anderen Mitgliedstaaten verwendet werden könnte. Da das Königreich Belgien, das Königreich der Niederlande und das Großherzogtum Luxemburg sich zu der Wirtschaftsunion Benelux zusammengeschlossen haben und durch diese vertreten werden, kann jede Maßnahme im Zusammenhang mit der Verwaltung der dieser Wirtschaftsunion zugeteilten Quoten, durch eines ihrer Mitglieder vorgenommen werden - HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN: Artikel 1 Vom 1. Januar bis 31. Dezember 1984 werden die Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für die nachstehend aufgeführten Waren mit Ursprung in Spanien im Rahmen eines Gemeinschaftszollkontingents für eine Gesamtmenge von 2 013 Tonnen bis zu der jeweils angegebenen Höhe teilweise ausgesetzt: 1.2.3 // // // // Nummer des Gemeinsamen Zolltarifs // Warenbezeichnung // Zollsatz in % // // // // 55.09 // Andere Gewebe aus Baumwolle: // // // A. mit einem Anteil an Baumwolle von 85 Gewichtshundertteilen oder mehr: // // // I. mit einer Breite von weniger als 85 cm // 4,6 // // II. andere // 4,8 // // B. andere: // // // I. mit einer Breite von weniger als 85 cm // 4,8 // // II. andere // 5,0 // // // Im Rahmen dieses Zollkontingents wendet Griechenland die nach den entsprechenden Bestimmungen der Beitrittsakte von 1979 und der Verordnung (EWG) Nr. 3559/80 (1) berechneten Zollsätze an. Artikel 2 (1) Von dem in Artikel 1 genannten Gemeinschaftszollkontingent wird eine erste Rate von 1 540 Tonnen auf die Mitgliedstaaten aufgeteilt; die Quoten, die vorbehaltlich des Artikels 5 bis zum 31. Dezember 1984 gelten, belaufen sich auf folgende Mengen: 1.2 // // (in Tonnen) // Benelux // 80 // Dänemark // 5 // Deutschland // 80 // Griechenland // 80 // Frankreich // 800 // Irland // 300 // Italien // 170 // Vereinigtes Königreich // 25 (2) Die zweite Rate in Höhe von 473 Tonnen bildet die Reserve. Artikel 3 (1) Hat ein Mitgliedstaat seine gemäß Artikel 2 Absatz 1 festgesetzte ursprüngliche Quote oder - bei Anwendung des Artikels 5 - die gleiche Quote abzueglich der auf die Reserve übertragenen Menge zu 90 v. H. oder mehr ausgenutzt, so nimmt er unverzueglich durch Mitteilung an die Kommission - soweit die Reservemenge ausreicht - die Ziehung einer zweiten Quote in Höhe von 15 v. H. seiner ursprünglichen Quote vor, die gegebenenfalls auf die höhere Einheit aufgerundet wird. (2) Ist nach Ausschöpfung der ursprünglichen Quote die zweite von einem Mitgliedstaat gezogene Quote zu 90 v. H. oder mehr ausgenutzt, so nimmt dieser Mitgliedstaat gemäß Absatz 1 die Ziehung einer dritten Quote in Höhe von 7,5 v. H. seiner ursprünglichen Quote vor, die gegebenenfalls auf die höhere Einheit aufgerundet wird. (3) Ist nach Ausschöpfung der zweiten Quote die dritte von einem Mitgliedstaat gezogene Quote zu 90 v. H. oder mehr ausgenutzt, so nimmt dieser Mitgliedstaat unter den gleichen Bedingungen die Ziehung einer vierten Quote in Höhe der dritten Quote vor. Dieses Verfahren wird bis zur völligen Ausschöpfung der Reserve angewandt. (4) Abweichend von den Absätzen 1, 2 und 3 können die Mitgliedstaaten niedrigere Quoten als in diesen Absätzen vorgesehen ziehen, wenn Grund zur Annahme besteht, daß diese nicht ausgeschöpft werden können. Sie unterrichten die Kommission über die Gründe, die sie veranlasst haben, diesen Absatz anzuwenden. Artikel 4 Die gemäß Artikel 3 gezogenen zusätzlichen Quoten gelten bis zum 31. Dezember 1984. Artikel 5 Die Mitgliedstaaten übertragen spätestens am 1. Oktober 1984 von ihrer nicht ausgenutzten ursprünglichen Quote den Teil auf die Reserve, der am 15. September 1984 20 v. H. dieser ursprünglichen Quote übersteigt. Sie können eine grössere Menge übertragen, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß die betreffende Menge unter Umständen nicht ausgenutzt wird. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission spätestens am 1. Oktober 1984 die Gesamtmenge der Einfuhren der betreffenden Waren mit, die sie bis zum 15. September 1984 durchgeführt und auf das Gemeinschaftszollkontingent angerechnet haben, sowie gegebenenfalls den Teil ihrer ursprünglichen Quote, den sie auf die Reserve übertragen. Artikel 6 Die Kommission verbucht die Beträge der von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 2 und 3 eröffneten Quoten und unterrichtet die einzelnen Mitgliedstaaten über den Stand der Ausschöpfung der Reserve, sobald ihr die Mitteilungen zugehen. Sie unterrichtet die Mitgliedstaaten spätestens am 5. Oktober 1984 über den Stand der Reserve, die nach den gemäß Artikel 5 erfolgten Übertragungen verbleibt. Sie sorgt dafür, daß die Ziehung, mit der die Reserve ausgeschöpft wird, auf die verfügbare Restmenge beschränkt bleibt, und gibt zu diesem Zweck dem Mitgliedstaat, der diese letzte Ziehung vornimmt, den Restbetrag an. Artikel 7 (1) Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Vorkehrungen, um durch die Eröffnung der zusätzlichen Quoten, die sie gemäß Artikel 3 gezogen haben, die fortlaufende Anrechnung auf ihren kumulierten Anteil an dem Gemeinschaftszollkontingent zu ermöglichen. (2) Die Mitgliedstaaten garantieren den Importeuren der betreffenden Waren freien Zugang zu den ihnen zugeteilten Quoten. (3) Die Mitgliedstaaten rechnen die Einfuhren der betreffenden Waren nach Maßgabe der Gestellung der betreffenden Waren bei der Zollstelle mit einer Anmeldung zur Abfertigung zum zollrechtlich freien Verkehr auf ihre Quoten an. (4) Der Stand der Ausschöpfung der Quoten der Mitgliedstaaten wird anhand der gemäß Absatz 3 angerechneten Einfuhren festgestellt. Artikel 8 Auf Antrag der Kommission teilen die Mitgliedstaaten mit, welche Einfuhren der betreffenden Waren tatsächlich auf ihre Quoten angerechnet worden sind. Artikel 9 Die Mitgliedstaaten und die Kommission arbeiten im Hinblick auf die Einhaltung dieser Verordnung eng zusammen. Artikel 10 Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1984 in Kraft. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Geschehen zu Brüssel am 4. November 1983. Im Namen des Rates Der Präsident C. VAITSOS (1) ABl. Nr. L 182 vom 16. 8. 1970, S. 1. (2) ABl. Nr. L 326 vom 13. 11. 1981. S. 2. (1) ABl. Nr. L 382 vom 31. 12. 1980, S. 71.
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doc-58 | Tenor
1.Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.214,49 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.07.2012 zu zahlen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
3.Der Streitwert wird auf 1.214,49 € festgesetzt.
1T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten im vorliegenden Verfahren um einen Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Teils einer Jahressonderzahlung für das Jahr 2011.
3Der Beklagte unterhält ein Unternehmen im Bereich der Diakonie. Er ist Träger vieler verschiedener sozialer Einrichtungen und beschäftigt mehrere tausend Arbeitnehmer. Die jeweiligen Einrichtungen haben Mitarbeitervertretungen gewählt, die eine Gesamtmitarbeitervertretung gebildet haben.
4Der Kläger ist von Beruf Altenpfleger. Er wird von dem Beklagten beschäftigt seit dem 01.10.1988, zuletzt im Alten- und Pflegeheim Q-Haus in C.
5Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 10.11.1988. Darin heißt es u.a. wie folgt:
6„§ 2 Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) des Diakonischen Werkes – Innere Mission und Hilfswerk – der Evangelischen Kirche in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung. Sie sind im Auszug als Anlage beigefügt.
7 Künftige Änderungen der Richtlinien gelten vom Tage des Inkrafttretens an auch für diesen Dienstvertrag.“
8Bezüglich des weiteren Inhalts des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien wird auf die von dem Kläger zu den Akten gereichten Kopien (Blatt 4 d.A.) verwiesen.
9In der Anlage 14 zur AVR-EKD in der im Jahre 2011 gültigen Fassung heißt es u.a. wie folgt:
10„Jahressonderzahlung
11(1) Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter, die oder der sich am 01. November eines Jahres in einem Beschäftigungsverhältnis befindet, das mindestens bis zum 31. Dezember des Jahres besteht, erhält eine Jahressonderzahlung.
12(2) Die Höhe der Jahressonderzahlung errechnet sich aus der Summe der Bezüge gemäß Unterabsatz 3 der Monate Januar bis einschließlich Oktober des Jahres, dividiert durch zehn. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit denen vertraglich variable Mehrarbeit vereinbart ist, erhöht sich dieser Betrag um die durchschnittliche Vergütung der tatsächlich geleisteten Mehrarbeit.
13…
14(3) Die Jahressonderzahlung wird zur Hälfte im November des laufenden Jahres, die zweite Hälfte im Juni des Folgejahres gezahlt. Die Höhe der Zahlung im Juni ist vom betrieblichen Ergebnis der Einrichtung abhängig. Dies gilt auch für die wirtschaftlich selbständig arbeitenden Teile der Einrichtung, wenn der zuständigen Mitarbeitervertretung eine Liste der wirtschaftlich selbständigen Teile von der Dienststellenleitung vorgelegt wird.
15(4) Weist die Dienstgeberin bzw. der Dienstgeber nach, dass bei voller Juni-Zahlung der anteiligen Bruttopersonalkosten der Jahressonderzahlung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein negatives betriebliches Ergebnis im Vorjahr (Wirtschaftsjahr der geleisteten Novemberzahlung) vorliegen würde, entfällt der Anspruch auch teilweise in dem Maße, in dem die Reduzierung in Summe zu einem ausgeglichenen Ergebnis führt. Der Nachweis gilt als erbracht, wenn die Dienststellenleitung der Mitarbeitervertretung ein Testat eines vereidigten Wirtschaftsprüfers oder einer Treuhandstelle vorlegt, aus dem sich der Umfang des negativen betrieblichen Ergebnisses und die Summe der regulären betrieblichen Juni-Zahlung ergibt. Bestandteil der vorzulegenden Unterlagen ist die Zuordnung der Kosten der zentralen Dienste zu den wirtschaftlich selbständig arbeitenden Teilen der Einrichtung.
16(5) Ein negatives betriebliches Ergebnis liegt vor, wenn der Jahresüberschuss, der sich aus § 243 HGB ableitet
17- ohne betriebsfremde Aufwendungen und Erträge
18- ohne außerordentliche Aufwendungen und Erträge im Sinne von § 277 Abs. 4 HGB
19- ohne aperiodische Aufwendungen und Erträge
20- ohne Ergebnisauswirkungen aus Bilanzierungs- und Bewertungsänderungen
21- mit Pflichtrückstellungen für Altersteilzeit, Jubiläumszuwendungen und bereits beauftragten Instandhaltungsmaßnahmen, die im ersten Quartal des Folgejahres abgeschlossen werden
22- ohne Erträge aus der Auflösung bzw. ohne Aufwendungen aus der Bildung von Aufwandsrückstellungen gemäß § 249 Abs. 2 HGB
23- bei Einrichtungen, die zur Finanzierung laufender Kosten regelmäßig und betriebsüblich Spenden einsetzen, mit Spenden in der entspre-chenden Höhe
24- mit außerordentlichen Erträgen aus Pflegesatzstreitigkeiten
25negativ ist.
26Anmerkung:
27Unter einem wirtschaftlich selbständig arbeitenden Teil einer Einrichtung im Sinne des Abs. 3 Satz 3 ist eine orqanisatorische Einheit der Einrichtung zu verstehen, für die eine vollständige, in sich abgeschlossene Buchhaltung, abgebildet werden kann. Eine abgeschlossene Buchhaltung beinhaltet eine entsprechende Erfassung aller buchungspflichtigen Ereignisse und die mögliche Erstellung aller Nachweise für einen gesetzlichen Einzelabschluss im Sinne von § 242 HGB. Nicht ausreichend ist die Zuordnung einer organisatorischen Einheit der Einrichtung als Kostenstelle im Rahmen der Kostenstellenrechnung. Für den wirtschaftlich selbständig arbeitenden Teil einer Einrichtung ist eine Gewinn- und Verlustrechnung zu erstellen.“
28§ 1 Abs. 5 der AVR hat folgenden Wortlaut:
29„(5) Von den Abweichungsmöglichkeiten in § 17 und den Anlagen 14 und 17 der AVR können Einrichtungen nur Gebrauch machen, wenn
30a) auf alle Dienstverhältnisse der Einrichtung und der mit ihr verbundenen Einrichtungen, die Mitglied in einem Diakonischen Werk sind, die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) oder eine gleichwertige Arbeitsvertragsgrundlage angewandt werden,
31b) Leiharbeitnehmer nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) nur zur kurzfristigen Überbrückung von Personalengpässen eingesetzt werden. Bei Einrichtungsträgern, in deren Einrichtungen insgesamt mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind, ist eine kurzfristige Überbrückung im Sinne dieser Regelung anzunehmen, wenn nicht mehr als 5 v.H. der insgesamt im Jahresdurchschnitt beschäftigten Vollkräfte in den Einrichtungen des Trägers Leiharbeitnehmer i.S.d. AÜG sind. Bei der Ermittlung der Anzahl der Vollkräfte sind Teilzeitbeschäftigte anteilig zu berücksichtigen.“
32Nach diesen Vorschriften wurde die erste Hälfte der Jahressonderzahlung für das Jahr 2011 an den Kläger im November 2011 gezahlt. Die zweite Hälfte der Jahressonderzahlung in unstreitiger Höhe von 1.214,49 € brutto wurde im Juni 2012 an den Kläger und die übrigen Mitarbeiter nicht gezahlt.
33Daraufhin machte der Kläger seine Forderung gegenüber dem Regionalgeschäftsführer der Region C der Beklagten mit Schreiben vom 05.12.2012 allerdings erfolglos geltend. Er erhob schließlich die vorliegende Klage. Bezüglich des weiteren Inhalts des Geltendmachungsschreibens wird auf die von dem Kläger zu den Akten gereichte Kopie (Blatt 11 d.A.) verwiesen.
34Der Beklagte hatte zuvor mit einem Schriftsatz vom 30.04.2012 an die Gesamtmitarbeitervertretung u.a. folgendes mitgeteilt:
35„Nach Abwägung der Sachlage und Chancen und Risiken soll die Anlage 14 AVR für die Kalenderjahre 2011, 2012 und 2013 auf der Ebene der Regionen angewendet werden. Die Ebene der Einrichtungen soll erstmals im Kalenderjahr 2014 betrachtet werden.
36…
37Der Vorstand beschließt zur Anwendung der Anlage 14 AVR im Ev . Kwerk e.V. folgende Grundsätze:
381. In die Liste der wirtschaftlich selbständig arbeitenden Teile des Ev. Kwerk e.V. nach Anlage 14 Abs. 3 AVR werden die folgenden wirtschaftlich selbständig arbeitenden Teile des Ev. Kwerk e.V. aufgenommen:
39Alle Regionen mit Ausnahme der Region X;
Klinik X;
Altenzentrum am T;
Evangelischer Gemeindedienst;
Zentrale Bereiche.
402. Diese Liste gilt für die Wirtschaftsjahre 2011 bis 2013. Daraus resuliert dann die Auszahlung der zweiten Hälfte der Jahressonderzahlung im Monat Juni der Jahre 2012 bis 2014. Nach Ablauf dieses Zeitraums erfolgt die Betrachtung auf Hausebene.“
41Bezüglich des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird auf die von dem Beklagten zu den Akten gereichten Kopien (Blatt 44 – 46 d.A.) verwiesen.
42Nach dem Organigramm des Beklagten zählten zu der Region C, außer dem Einsatzort des Klägers, nämlich dem Q-Haus, zusätzlich folgende Einrichtungen:
43E-C2-Haus
44E1-T2-Haus
45Haus Opark
46K-L-Haus
47KiTa Q3
48KiTa T1
49Mstift
50Nstift
51Bezüglich des weiteren Inhalts des Organigramms der Beklagten wird auf die von der Beklagten zu den Akten gereichte Kopie (Blatt 47 d.A.) verwiesen.
52Des Weiteren legte die Beklagte der Gesamtmitarbeitervertretung im Juni 2012 noch ein Testat der Wirtschaftsprüfer T & N der Fa. D GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 11.05.2012 vor. Darin heißt es u.a. wie folgt:
53„ Bei Berücksichtigung der gesamten 2. Hälfte der Jahressonderzahlung 2011 im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2011 in Höhe von T€ 600 ergibt sich ein negatives Betriebsergebnis von T€ 982. Im Jahresabschluss wurde die 2. Hälfte der Jahressonderzahlung um 100 % in Höhe von T€ 600 gekürzt, somit kommen T€ 0 zur Auszahlung. Das Jahresergebnis der Region C beträgt somit nach Kürzung T€ - 428 zum 31. Dezember 2011.
54D. Bescheinigung
55Hiermit bescheinigen wir, dass für die wirtschaftliche selbständige Region C, des Evangelisches Kwerk e.V., C, ein negatives Betriebsergebnis gemäß Anlage 14 Abs. 5 AVR für das Jahr 2011 vorliegt.“
56Aus dem Testat dieser Wirtschaftsprüfer geht des Weiteren hervor, dass sie bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Situation der Region C auch folgende Einrichtungen mitberücksichtigt hatten:
57Buchungskreis 011, Q1-Haus in C
58Buchungskreis 080 Inkontakt (Hausnotruf)
59Bezüglich des weiteren Inhalts des Gutachtens der Wirtschaftsprüfer wird auf die von dem Beklagten zu den Akten gereichten Kopien (Blatt 48 – 53 d.A.) verwiesen.
60Bei der Einrichtung Inkontakt (Hausnotruf) des Beklagten handelt es sich um eine Einrichtung, die in der Regel von älteren Menschen kontaktiert werden kann, wenn sie in ihrer Wohnung gefallen sind oder andere Probleme haben. Dann begibt sich ein Mitarbeiter des Hausnotrufs zu der anrufenden Person, um die Probleme zu beheben.
61Der Kläger meint, nach den Vorschriften der AVR habe er gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der zweiten Hälfte der Jahressondervergütung für das Jahr 2011 im Juni 2012. Die Regelungen in der Anlage zur AVR seien rechtsunwirksam, da sie einer AGB-Kontrolle nicht standhielten.
62Im Übrigen seien die Regelungen nicht eindeutig. Voraussetzungen für die Zahlung könnten durch den jeweiligen Arbeitgeber beliebig verschoben werden, so dass jeweils für die einzelnen Einheiten ein negatives Ergebnis erzielt werde. Die Zusammenfassung von Dienststellen zur Region C sei rechtlich nicht möglich, sie sei willkürlich erfolgt.
63Im Übrigen sei das Testat des Wirtschaftsprüfers nicht mehr wert, als eine bloße Behauptung des Beklagten. Man könne es glauben oder man könne es sein lassen. Überprüfbar sei es jedenfalls weder für den Kläger noch das Gericht. Der Wirtschaftsprüfer unterstelle lediglich, dass die Region C wirtschaftlich selbstständig sei, was an sich schon falsch sei. Im gesamten Bereich des Beklagten gäbe es keine einzige Einrichtung, die wirtschaftlich selbstständig sei, sondern jeweils Teil des Gesamtunternehmens. Aus dem Testat ergebe sich auch nicht, ob ein Jahresabschluss vorgelegt worden sei. Der Umsatz und die Aufwendungen seien im Übrigen auch nicht genannt worden. Das Betriebsvermögen, aus dem sich ein möglicher Gewinn oder Verlust errechnen ließe, sei nicht angegeben worden. Im Übrigen sei für den Kläger auch nicht nachvollziehbar, ob gemäß § 1 Abs. 5 der AVR mehr als fünf Leiharbeitnehmer in der Einrichtung beschäftigt worden seien. Im Übrigen halte es der Kläger für nicht möglich, wegen der Voraussetzungen des negativen betrieblichen Ergebnisses auf eine willkürlich zusammengestellte Region abzustellen, bei den Voraussetzungen der Leiharbeitsquote aber die gesamte Einrichtung.
64Der Kläger beantragt,
65den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.214,49 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.07.2012 zu zahlen.
66Der Beklagte beantragt,
67die Klage abzuweisen.
68Der Beklagte behauptet, dass die Region C eine organisatorische Einheit des Beklagten sei, für die eine vollständig in sich abgeschlossene Buchhaltung abgebildet werden könne. Die Steuerung des Unternehmens Kwerk erfolge über Regionen. Welche Einrichtungen welchen Regionen zugeordnet sind, werde nicht willkürlich entschieden, sondern sachgerecht und unternehmerisch verantwortlich. Dabei seien die einzelnen Einrichtungen in der Regel getrennt nach verschiedenen Arbeitsfeldern zusammengefasst worden, wie sich aus dem Organigramm ergebe. Die Regionen seien regional in Nordrhein-Westfalen verortet worden.
69Das Q1-Haus habe im Jahr 2011 nicht mehr existiert. Es stünde heute leer. Das Q1 sei im Jahr 2011 jedoch noch gelistet worden, weil es eine Restsumme von ca. 300,00 € gegeben habe.
70Des Weiteren gehöre auch die Einrichtung Hausnotruf zur Region C. Es handele es sich um eine kleine Einheit, die im Organigramm nicht aufgeführt worden sei. Im Jahre 2011 habe der Hausnotruf ca. 12 Arbeitnehmer beschäftigt. Inzwischen sei er umorganisiert worden und gehöre nun zu den zentralen Diensten.
71Im Übrigen würde für jede Region zusammen mit der Regionalgeschäftsführung und den zuständigen Controllern ein Wirtschaftsplan erstellt, welcher im gesamten Unternehmensverbund mit dem Vorstand abgestimmt werde. Die Umsetzung der wirtschaftlichen Steuerung erfolge mit Hilfe der SAP-gestützten Finanzbuchhaltung. Jede Einrichtung im Kwerk werde über einen in sich abgeschlossenen Buchungskreis im SAP-System geführt und bilanziert. Im Rahmen der Buchhaltung würden alle Ereignisse erfasst, welche die Einrichtung oder Region beträfen. Darunter seien alle Geschäftsvorfälle zu verstehen, welche sich innerhalb der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung ergäben.
72Weil jede Einrichtung eigenständig und vollständig bilanziere, könne auch für jede Region als Summe der zugeordneten Einrichtungen ein gesetzlicher Einzelabschluss erstellt werden. Demgemäß werde auch zum Bilanzierungsstichtag ein Abschluss mit Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung erstellt. So habe die Region C einen Verlust im Jahre 2011 in Höhe von 982.000,00 € erzielt. Dazu hat der Beklagte die Verluste bzw. Gewinne der einzelnen Einrichtungen der Region C vorgetragen. Dazu heißt es u.a.:
73011 Q1-Haus 0 €
74080 Inkontakt_ref 18.000,00 €
75Bezüglich des weiteren Inhalts der Aufstellung der einzelnen Gewinne bzw. Verluste der Einrichtungen wird auf Blatt 222 d.A. verwiesen.
76Schließlich habe die Leiharbeitnehmerquote des Beklagten insgesamt 1,12 % betragen im Jahre 2011. Umgerechnet auf Vollzeitstellen beschäftige der Beklagte 3.691,68 Arbeitnehmer. Darüber hinaus seien 29,79 Vollzeitkräfte als Arbeitnehmer des Tochterunternehmens Q2 GmbH und 12,08 Vollzeitkräfte Leiharbeitnehmer externer Verleiher eingesetzt worden. Für die Berechnung der externen Leiharbeitnehmer habe der Beklagte berücksichtigt 90 % der Rechnungssumme der externen Anbieter inklusive Umsatzsteuer, da andere Zahlen nicht zur Verfügung gestanden hätten.
77Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und Protokollniederschriften der Sitzungen vom 03.05.2013 und 07.01.2014 verwiesen.
78E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
79Die Klage ist begründet.
80Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der zweiten Hälfte der Jahressonderzahlung für das Jahr 2011 in Höhe von 1.214,49 € brutto aus dem Arbeitsvertrag der Parteien in Verbindung mit der Anlage 14 zur AVR-EKD.
81Die Vorschriften der AVR-EKD und die Anlagen finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Wie im schriftlichen Vertrag vom 10.11.1988 vereinbart wurde, sollte die AVR auf das Arbeitsverhältnis in der jeweils gültigen Fassung anzuwenden sein.
82Die arbeitsvertraglichen Bestimmungen werden von der Kammer dahingehend ausgelegt, dass nicht nur lediglich die AVR, sondern auch die dazu vereinbarten jeweiligen Anlagen auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden sollten. In den Anlagen werden verschiedene Regelungen für die jeweiligen Arbeitsverhältnisse vereinbart, die in der AVR nicht geregelt worden sind, wie z.B. die Voraussetzungen für die Zahlung einer Jahressondervergütung wie im vorliegenden Fall. Demgemäß geht das Gericht davon aus, dass nach dem Willen beider Parteien nicht nur die AVR, sondern auch die dazu ergangenen Anlagen auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden sollten, um eine abschließende Regelung der arbeitsvertraglichen Ansprüche und Verpflichtungen zu erzielen.
83Nach der Anlage 14 zur AVR-EKD hat der Arbeitnehmer jeweils einen Anspruch auf Zahlung einer bestimmten Jahressonderzahlung in zwei Hälften, und zwar die erste Hälfte im November des laufenden Jahres und die zweite Hälfte im Juni des Folgejahres.
84Voraussetzung für die Zahlung der zweiten Hälfte der Jahressonderzahlung ist u.a., dass sich kein negatives betriebliches Ergebnis der Einrichtung ergeben hat. Dies gilt nach Absatz 3 der Anlage 14 auch für die wirtschaftlich selbstständig arbeitenden Teile der Einrichtung, wenn der zuständigen Mitarbeitervertretung eine Liste der wirtschaftlich selbstständigen Teile von der Dienststellenleitung vorgelegt worden ist.
85Was unter einem wirtschaftlich selbstständigen Teil der Einrichtung zu verstehen ist, wird weiter definiert in der Anmerkung zur Anlage 14 der AVR-EKD.
86Die genannten Vorschriften sind zur Grundlage des Anspruchs des Klägers auf Zahlung der Jahressondervergütung zu machen.
87Bei den als AVR bezeichneten Regelungen und Anlagen handelt es sich um Kollektivvereinbarungen besonderer Art, in denen allgemeine Bedingungen für die Vertragsverhältnisse im diakonischen Werk der evangelischen Kirche in Deutschland festgesetzt worden sind (BAG in Urteil vom 26.10.2006, Az.: 6 AZR 307/06). Diesen Regelungen kommt allerdings keine normative Wirkung zu. Sie finden vielmehr auf das Arbeitsverhältnis kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung.
88Sind die Regelungen durch den sogenannten dritten Weg, d.h. von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten arbeitsrechtlichen Kommission beschlossen worden, und nicht von der Dienstgeberseite einseitig festgelegt worden, finden für die Auslegung dieser allgemeinen Vertragsregelungen die Grundsätze für die Tarifauslegung Anwendung (LAG Hamm Urteil vom 15.10.2009, 15 Sa 860/09; BAG in Urteil vom 22.07.2010, 6 AZR 847/07).
89Danach ist vom Wortlaut der Regelung auszugehen und anhand dessen der Sinn der Regelung zu erforschen, ohne am Wortlaut zu haften. Der wirkliche Wille der Richtliniengeber und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Bestimmungen ist mit zu berücksichtigen, soweit sie in den Vorschriften der Regelung ihren Niederschlag gefunden haben. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG Urteil vom 24.09.2008, 10 AZR 190/08; LAG Hamm a.a.O.).
90Des Weiteren geht das Gericht davon aus, dass die Regelungen in der Anlage zur AVR den Kläger nicht unangemessen benachteiligen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Bei der Inhaltskontrolle der genannten Vorschriften ist gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB als im Arbeitsrecht geltende Besonderheit angemessen zu berücksichtigen, dass diese Arbeitsvertragsgestaltung auf dem sogenannten dritten Weg entstanden ist und von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten arbeitsrechtlichen Kommission beschlossen wurde. Damit liegt eine im Arbeitsrecht zu berücksichtigende Besonderheit im Sinne des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB vor, so dass eine uneingeschränkte Überprüfung nach den §§ 305 ff. BGB nicht vorgenommen werden kann (BAG in Urteil vom 22.07.2010, 6 AZR 847/07).
91Mangels anderslautender Anhaltspunkte geht die Kammer davon aus, dass die AVR-EKD nebst den dazugehörigen Anlagen durch eine paritätisch besetzte Kommission über den sogenannten dritten Weg vereinbart worden ist und nicht von der Dienstgeberseite einseitig festgelegt worden ist.
92Im vorliegenden Verfahren hat der Vorstand des Beklagten beschlossen, wirtschaftlich selbstständig arbeitende Teile der Gesamteinrichtung zu bilden im Sinne des Absatzes 3 der Anlage 14 zur AVR-EKD, in dem für Wirtschaftsjahre 2011 bis 2013 mit einigen Ausnahmen auf die Regionen abgestellt werden sollte. U.a. wurde die Region C gebildet. Welche konkreten Einrichtungen der Region C angehören sollen, ist in der Mitteilung an die Gesamtmitarbeitervertretung nicht aufgeführt worden. Diese Information kann nur dem Organigramm des Beklagten betreffend das Jahr 2011 entnommen werden. Nach dem Organigramm gehörten zu der Region C jedoch nicht das Q1-Haus in C und Inkontakt (Hausnotruf).
93Wie sich aus Absatz 4 der Anlage 14 ergibt, kann der Anspruch auf Zahlung der zweiten Hälfte der Jahressonderzahlung ganz oder teilweise unter der Voraussetzung entfallen, dass der Arbeitgeber nachweist, dass bei Zahlung im Juni des Folgejahres für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich ein negatives betriebliches Ergebnis im Vorjahr ergibt. Nach der Vorschrift gilt der Nachweis dann als erbracht, wenn die Dienststellenleitung der Mitarbeitervertretung ein Testat eines vereidigten Wirtschaftsprüfers oder einer Treuhandstelle vorlegt, aus dem sich der Umfang des negativen betrieblichen Ergebnisses und die Summe der regulären betrieblichen Juni-Zahlung ergibt.
94Nach der Rechtsprechung des BAG (BAG in Urteil vom 19.01.2011, 10 AZR 863/09), der die Kammer folgt, ist das Testat als eine verobjektivierte Feststellung gegenüber der Mitarbeitervertretung zu sehen. Die Vorschrift verlangt keinen testierten Nachweis gegenüber dem jeweiligen anspruchstellenden Arbeitnehmer. Die AVR-Regelung will verhindern, dass nach der externen Begutachtung durch einen Wirtschaftsprüfer und der Prüfung durch die Mitarbeitervertretung es noch zu individuellen rechtlichen Angriffen kommt (BAG a.a.O.).
95Ein solches, die genannte Rechtsfolge auslösendes Testat ist im vorliegenden Verfahren weder erstellt noch der Gesamtmitarbeitervertretung vorgelegt worden.
96Wie sich aus dem von dem Beklagten zu den Akten gereichten Testat für die Region C vom 11.05.2012 ergibt, ist es nicht nur erstellt worden für die Einrichtungen, die der Region C zuzuordnen sind, sondern zusätzlich sind auch die wirtschaftlichen Daten zweier anderer Einrichtungen mit begutachtet worden, die jedenfalls nach dem vorgelegten Organigramm nicht zur Region C zu zählen sind, nämlich dem Q1-Haus und dem Inkontakt (Hausnotruf).
97Danach geht die Kammer davon aus, dass das Testat unter Zugrundelegung falscher Voraussetzungen erstellt worden ist. Es kann nicht zur Grundlage der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Region C gemacht werden. Da es der Gesamtmitarbeitervertretung vorgelegt wurde, ist davon auszugehen, dass die Prüfung durch die Gesamtmitarbeitervertretung aufgrund falscher Angaben gemacht wurde.
98Dazu kann des Weiteren dahingestellt bleiben, ob und ggf. welche Gewinne oder Verluste durch die zusätzlich berücksichtigten Einrichtungen Q1-Haus und Hausnotruf fälschlicherweise in das Testat eingeflossen sind und wie es ausgegangen wäre, wenn beide Einrichtungen nicht zusätzlich in die Berechnungen der Wirtschaftsprüfer mit einbezogen worden wären. Die Zahlen lassen sich im Übrigen auch aus dem Testat auch aus Sicht der Gesamtbetriebsvertretung nicht entnehmen.
99Nach den Vorschriften der Anlage 14 zur AVR-EKD ist ein formelles Verfahren zum Nachweis der fehlenden Bonität vorgesehen. Es ist Voraussetzung, dass das Testat ordnungsgemäß erstellt worden ist und der Mitarbeitervertretung vorgelegt wird. Ein solches Testat kann nicht durch anderweitige Berechnungen ersetzt werden.
100Mangels anderslautender Anhaltspunkte geht die Kammer im Übrigen auch nicht davon aus, dass allen Beteiligten, insbesondere auch der Gesamtmitarbeitervertretung klar war, dass die Einrichtungen, die nach dem Organigramm nicht zur Region C gehörten, nämlich das Q1-Haus und der Inkontakt (Hausnotruf), zur Region C zählen sollten. Denn offensichtlich ordnete der Beklagte in seinem Verständnis zumindest der Region C auch jeweils unterschiedliche Einrichtungen zu, ohne dass das nach Außen u.a. auch gegenüber der Gesamtmitarbeitervertretung deutlich gemacht wurde. Wie sich aus dem Anschreiben an die Gesamtmitarbeitervertretung vom 30.04.2012 ergibt, sollte die Regelung der Aufteilung in Regionen gelten für die Wirtschaftsjahre 2011 bis 2013 und zur Grundlage der Auszahlung der zweiten Hälfte der Jahressonderzuwendung für die Jahre 2012 bis 2014 dienen. Wie oben bereits geschildert, wurde in dem Schreiben jedoch nicht aufgeführt, welche Einrichtungen in den einzelnen Jahren jeweils zu den Regionen, insbesondere zu der Region C, zählen sollten. Wenn zunächst der Hausnotruf im Jahre 2011 zur Region zählen sollte, konnte in den Folgejahren davon jedoch nicht mehr ausgegangen werden, da, wie seitens der Vertreter des Beklagten im Kammertermin angegeben wurde, inzwischen durch eine Umorganisation der Hausnotruf dem Bereich zentrale Dienste zugeordnet worden ist. Auf eine solche Besonderheit wurde in dem Anschreiben an die Gesamtmitarbeitervertretung nicht hingewiesen.
101Da nach Auffassung der Kammer der Nachweis der fehlenden Bonität nach den genannten Vorschriften seitens des Beklagten nicht erbracht worden ist, brauchte vom Gericht nicht weiter überprüft zu werden, inwiefern gemäß § 1 Abs. 5 AVR von dem Beklagten in der Gesamteinrichtung nicht mehr als 5 % der insgesamt im Jahresdurchschnitt beschäftigten Vollkräfte in den Einrichtungen als Leiharbeitnehmer tätig geworden sind.
102Die Zinsentscheidung folgt aus den §§ 286 Abs. 2, 288 BGB.
103Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
104Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus der Höhe der geltend gemachten Forderung.
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doc-59 | Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Entscheid: UV.2018.00057
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Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich
UV.2018.00057
IV. Kammer
Sozialversicherungsrichter Hurst, Vorsitzender
Sozialversicherungsrichterin Philipp
Sozialversicherungsrichter Vogel
Gerichtsschreiberin Muraro
Urteil
vom
10. Januar 2019
in Sachen
X._
Gesuchsteller
vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Kübler
Wiegand Kübler Rechtsanwälte
Stadthausstrasse 125, Postfach 2578, 8401 Winterthur
gegen
Suva
Rechtsabteilung
Postfach 4358, 6002 Luzern
Gesuchsgegnerin
Sachverhalt:
1.
1.1
Der 1956 geborene
X._
war ab dem
1. November 1982 bei der
Y._
als G
artenarbeiter vollzeitlich ange
stellt und dadurch bei der Suva obligatorisch gegen die Folgen
von Unfällen versichert. Am 13.
Juni 2016 meldete die
Y._
, d
er Versicherte habe sich am 13.
Mai 2016 in Tunesien in einem Ferienhotel beim Wasserballspielen an der rechten Schulter verletzt; ein junger Mitspieler sei ihm auf die rechte
Schulter gefallen (Bagatellunfallmeldung, Urk. 5/7/1). Ab dem 13. Juni 2016 wurde
ihm aufgrund von zunehmenden Schmerzen in der rechten Schulter, welche sich in der Folge auf eine ausgedehnte Ro
tatorenmanschettenläsion zurück
führen l
iessen (vgl. Arthro-MRI vom 16. Juni 2016; Urk.
5/7/11), eine 50%ige
(Urk. 5/7/8 und Urk. 5/7/3) und ab dem 30. Juni 2016 eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit atte
stiert (Urk. 5/7/15). Die Suva kam für die Heilbehandlungskosten auf und erbracht
e Taggeldleistungen. Kreisarz
t
Dr.
med. Z._
, Fach
arzt FMH für Chirur
gie, hielt
in seiner Stellungnahme vom 8.
September 2016 fest, der Unfallhergang sei nicht geeignet, eine Rotatorenmanschettenruptur zu verursachen; das MRI zeige auch ausschliesslich degenerative Veränderungen. Es sei vom Erreichen eines status quo sine am 16
. Juni 2016 auszugehen (Urk. 5/7/17). Mit Schreiben vom 20.
September 2016 teilte die Suva dem Versicherten mit, zufolge Erreichens des status quo sine per 1
6.
Juni 2016 würden die Versicherungsleistungen auf diesen
Zeitpunkt hin eingestellt (Urk. 5/
7/22). Damit erklärte sich der Versic
herte nicht einverstanden (Urk. 5/7/24). Am 27.
Septem
ber
2016 nahm Kreisarzt Dr.
Z._
eine Aktenbeurteilung vor (Urk. 5/7/28) und mit Verfügung vom 25.
Oktober 2016 stellte die Suva ihre
Versicherungsleistungen per 18.
Juli 20
16 ein (Urk. 5/7/37; vgl. auch Urk.
5/7/30 sowie Urk.
5/7/34
f.). Dagegen erhob der
Versicherte mit Eingabe vom 18. November 2016 Einsprache (Urk. 5/7/41), welche
die S
uva mit Entscheid vom 22. Dezember 2016 abwies (Urk. 5/2 [= Urk. 5/
7/49]).
1.2
Dagegen erhob der Versicherte mit Eingabe vom 27. Januar 2017 Beschwerde beim hiesigen Gericht (Urk. 5/1), welche mit Urteil vom 22. Dezember 2017 abge
wiesen wurde (Urk. 2 = Urk. 5/9). Noch vor Versand des Urteils an den Versi
cher
ten (12. Januar 2018
,
Urk. 5/
15
[
nach Wiedereingang der Akten des Verfahrens UV.2017.00023
Akturierung rektifiziert
]
) reichte dieser dem Gericht mit Eingaben vom 2
8.
und 29. Dezember 2017 (Urk. 5/10 und Urk. 5/12) den Opera
tionsbericht von Dr. med. A._
, Oberärzt
in am B._
, vom 13. September 2016 (Urk. 5/13) sowie die Stellungnahme von Dr.
A._
vom 5. Dezember 2017 zum Bericht des Kreisarztes vom
27. September 2016 (Urk. 5/11) ein. Mit Schreiben vom 8. Januar 2018
(Urk. 5
/14
) teilte die Gerichtsschreiberin dem Versicherten mit, dass die Eingaben erst nach Fällung des Urteils vom 22. Dezember 2017 eingegangen seien. Daraufhin erhob der Versicherte mit Eingabe vom 14. Februar 2018 (Urk. 3/2) Beschwerde beim Bundesgericht.
2.
Beim hiesigen Gericht stellte der Versicherte mit Eingabe vom 23. Februar 2018
(Urk. 1) zusätzlich ein Revisionsgesuch und beantragte, d
as
Urteil vom 22. Dezem
ber
2017 sei aufzuheben und die Suva sei zu verpflichten, ihm die gesetzlichen Leistungen über den 18. Juli 2016 hinaus zu gewähren; eventuell sei die Sache an die Suva zurückzuweisen, damit diese den medizinischen Sachverhalt rechts
konform abkläre, um hernach erneut über den Leistungsanspruch zu befinden. Die Suva sei sodann zu verpflichten, dem Gesuchsteller die Kosten des Berichts von Dr.
A._
vom 5. Dezember 2017 zu vergüten. In prozessualer Hinsicht beantragte der Gesuchsteller, es sei bereits während des laufenden Be
schwerdeverfahrens vor Bundesgericht über das Revisionsgesuch zu entschei
den.
Mit Verfügung vom 7. März 2018 sistierte das Bundesgericht das Beschwerde
ver
fahren 8C_167/2018 gegen das Urteil des hiesigen Gerichts vom 22. Dezember 2017 (UV.2017.00023) bis zum Entscheid des hiesigen Gerichts über das bei ihm eingereichte Revisionsgesuch betreffend das Urteil vom 22. Dezember 2017 im Verfahren UV.2017.00023 (Urk. 6).
In der Vernehmlassung vom 5. Juni 2018 beantragte die Gesuchsgegnerin die Ab
wei
sung des Revisionsgesuchs, soweit darauf einzutreten sei (Urk. 11). Repli
cando hielt der Gesuchsteller in der Eingabe vom 11. Oktober 2018 an seinen Anträgen fest (Urk. 17). Die Gesuchsgegnerin verzichtete am 12. Oktober 2018 auf die Einreichung einer Duplik (Urk. 20), was dem Gesuchsteller mit Verfügung vom 23. Oktober 2018 angezeigt wurde (Urk. 21).
Das Gericht
zieht in Erwägung:
1.
1.1
Gemäss Art. 61 lit. i des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozial
versicherungsrechts (ATSG) muss die Revision von Entscheiden wegen Entdeck
ung neuer Tatsachen oder Beweismittel oder wegen Einwirkung durch Verbrechen oder
Vergehen gewährleistet sein. Art. 61 lit. i ATSG legt die für das kantonale Gerichtsverfahren massgebenden Revisionsgründe fest, überlässt aber die Ausge
staltung des Revisionsverfahrens im Übrigen dem kantonalen Recht (Kieser, ATSG-Kommentar, 3. Auflage, Art. 61 N 229).
1.2
Nach § 29 des Gesetzes über das Sozialversicherungsgericht (GSVGer) kann gegen rechtskräftige Entscheide des hiesigen Gerichts von den am Verfahren Beteiligten Revision verlangt werden, wenn sie neue erhebliche Tatsachen erfahren oder Beweismittel auffinden, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnten (lit. a), wegen Einwirkung durch Verbrechen oder Vergehen (lit. b) oder wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte oder das Ministerkomitee des Europa
rates eine Individualbeschwerde wegen Verletzung der Konvention vom 4. Novem
ber 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und deren Protokolle gutheisst und eine Wiedergutmachung nur durch eine Revision möglich ist (lit. c).
1.3
Der Begriff „neue Tatsachen oder Beweismittel" ist
bei der Revision eines
kan
to
nalen Gerichtsentscheides gemäss Art. 61 lit. i ATSG
gleich auszulegen wie
bei der (prozessualen) Revision eines Verwaltungsentscheides nach Art. 53 Abs. 1 ATSG
oder bei der Revision eines Bundesgerichtsurteils gemäss Art. 123 Abs. 2 lit. a des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (
Bundesgerichtsgesetz
, BGG). Neu sind demnach Tatsachen, die sich vor Erlass der formell rechtskräftigen Ver
fügung oder des Einspracheentscheides verwirklicht haben, jedoch dem Revi
sions
gesuchsteller trotz hinreichender Sorgfalt nicht bekannt waren. Die neuen Tatsachen müssen erheblich sein, d.h. sie müssen geeignet sein, die tatbe
ständliche Grundlage des zur Revision beantragten Entscheids zu verändern und bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer anderen Entscheidung zu führen. Neue Beweismittel haben entweder dem Beweis der die Revision begründenden neuen erheblichen Tatsachen oder dem Beweis von Tatsachen zu dienen, die zwar im früheren Verfahren bekannt gewesen, aber zum Nachteil des Gesuchstellers unbewiesen geblieben sind (Urteil des Bundesgerichts
8C_333/2016
vom 24. Okto
ber 2016 E. 3.1 mit Hinweisen; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts
8C_797/2011
vom 15. Februar 2012 E. 3.2).
1.4
Gemäss § 30 GSVGer ist das Revisionsgesuch innert 90 Tagen, von der Ent
deckung des Revisionsgrundes an gerechnet, beim Gericht schriftlich einzu
rei
chen (Abs. 1). Nach Ablauf von zehn Jahren seit der Mitteilung des Entscheids ist ein Revisionsgesuch nur noch aus den in § 29 lit. b und c GSVGer genannten Gründen zulässig (
Abs.
2).
1.5
Das kantonale Gericht darf gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts
auf ein Revisionsgesuch nicht einzig mit der
Begründung nicht eintreten
, gegen den zu revidierenden Entscheid sei Beschwerde beim Bundesgericht erhoben worden
. Viel
mehr hat das kantonale Gericht während der Hängigkeit des bundesge
richt
lichen Beschwerdeverfahrens das bei ihr eingereichte Revisionsgesuch auf der Grundlage des für sie massgeblichen Prozessrechts allseitig zu prüfen und ihren Entscheid allenfalls zu revidieren. Um hinsichtlich der Frage, ob ein Revisions
grund auch ein vor Bundesgericht zulässiges Novum sein könnte, Widersprüche mit einer abweichenden Qualifikation im späteren Bundesgerichtsentscheid zu vermeiden, hat das kantonale Gericht von einer eigenständigen Prüfung dieser Frage und einem so begründeten Nichteintreten auf das Revisionsgesuch unter Hinweis auf den Grundsatz der Subsidiarität der Revision abzusehen (
BGE 138 II 386
E. 6.4)
.
2.
2.1
Der Gesuchsteller beruft sich in seiner Eingabe vom
23. Februar 2018 (Urk. 1) primär auf die Stellungnahme von Dr.
A._
vom 5. Dezember 2017 (Urk. 3/1/1) und
macht geltend,
diese Stellungnahme widerlege oder erschüttere zumindest die medizinischen Ausführungen und Schlussfolgerungen des Kreis
arztes Dr.
Z._
. Es müsse angenommen werden, dass das Gericht bei recht
zei
tigem Vorliegen der Stellungnahme von Dr.
A._
anders entschie
den hätte. Bevor darauf einzugehen ist, ob die Stellungnahme von Dr.
A._
vom 5. Dezember 2017 etwas an der Beurteilung des Gerichts im Urteil vom 22. Dezember 2017 (UV.2017.00023) geändert hätte (Erheblichkeit), ist zu prüfen, ob
es sich um eine neue Tatsache oder ein neues Beweismittel handelt
(E. 1.3).
2.2
D
ie Ausführungen von Dr.
A._
sind insoweit
(unecht) neu (vgl. das Urteil des Bundesgerichts
8C_797/2011
vom 15. Februar 2012 E. 3.2),
als sie Tatsachen betreffen, die sich sogar bereits vor Erlass der Verfügung der Gesuchs
-
gegnerin vom 25. Oktober 2016 verwirklicht haben: Dr.
A._
äussert
sich in ihrer Stellungnahme vom 5. Dezember 2017 über die Unfallkausalität, wobei sie auf den MRI-Befund vom 16. Juni 2016 sowie den von ihr erhobenen intraoperativen Befund vom 12. September 2016 Bezug nimmt (Urk. 3/1/1). Es ist daher einzig fraglich, ob diese Tatsachen dem Gesuchsteller bei hinreichender Sorgfalt nicht längst hätten bekannt sein müssen.
2.3
Der Gesuchsteller machte diesbezüglich geltend, er habe die im Bericht von
Dr.
A._
wiedergegebenen Tatsachen nicht früher beibringen können
. Die Beschwerdeverfahren am hiesigen Gericht würden gemäss Homepage rund 1 1⁄2 Jahre dauern. Im Wissen um diese Verfahrensdauer habe sein Rechts
ver
treter der Operateurin Dr.
A._
am 13. Juni 2017 einen Fragen
katalog zum Bericht des Kreisarztes Dr.
Z._
vom 27. September 2016 unter
breitet. Nach telefonischer Klärung der Hono
rarhöhe habe Dr. med. C._
, Oberarzt an der
D._
am
B._
, mit E-Mail vom 14. Juli 2017 mitgeteilt, er werde sich nach seinem Urlaub in der ersten Augusthälfte um die Anfrage kümmern. Am 11. September 2017 habe sich sein Rechtsvertreter nach dem Verbleib des angeforderten Berichts erkundigt, woraufhin Dr.
C._
mitgeteilt habe, er werde dem Anliegen so bald als möglich nachkommen. Eine weitere Nachfrage des Rechtsvertreters
vom 21. November
2017 sei unbeantwortet geblieben. Der Bericht von Dr.
A._
vom 5. Dezember 2017 sei am 21. Dezember 2017 beim Rechtsvertreter eingegangen, wobei Dr.
A._
darauf hingewiesen habe, das Anliegen sei ihr erst nach ihrer Rückkehr aus dem Mutterschaftsurlaub übergeben worden.
In der Replik vom 11. Oktober 2018 fügte der Gesuchsteller ausserdem noch an, aufgrund der Tatsache, dass die Verfahren vor dem Sozialversicherungsgericht in der Regel 1 1⁄2 Jahre dauerten, sei die Beantragung einer Sistierung des Verfahrens nicht indiziert gewesen, auch dann noch nicht, als sich abgezeichnet habe, dass die Erstattung des Berichtes länger dauern würde als erwartet. Ab dem Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung sei noch nicht einmal ein Jahr vergangen gewesen. Es lägen neue Tatsachen vor; es handle sich um neue, objektivierbare medizinische Tatsachen (Urk. 17).
2.4
Auf der Homepage des hiesigen Gerichts zur Dauer der Verfahren (
www.sozial
ver
sicherungsgericht.zh.ch) wurde vor deren Neugestaltung Folgendes angegeben:
„
Die Dauer des Verfahrens hängt einerseits vom Gegenstand der Beschwerde oder Klage und andererseits von der Pendenzenlast ab. Beschwerden oder Klagen, denen vom Gericht Priorität zugemessen wird, werden in der Regel innert weniger Monate erledigt. Die anderen Fälle werden in chronologischer Reihenf
olge und zur Zeit innert rund 1 1⁄2 Jahren erledigt“. Dieser Hinweis ist bloss eine ungefähre Richtschnur und dient dazu, den Rechtssuchenden eine grobe Angabe zur möglichen Verfahrensdauer zu geben. Sie verleiht den Beschwerdeführenden aber keinerlei Anspruch auf eine grundsätzliche Verfahrensdauer von 1 1⁄2 Jahren, hängt die Verfahrensdauer doch – wie auf der Homepage angegeben – von der Pendenzenlast ab und obliegt es dem Gericht zu entscheiden, welchen Fällen allenfalls Priorität zuzumessen ist.
Ausserdem
gab der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers
in seinem E-Mail vom 21. November 2017
gegenüber Dr.
C._
selbst an, er erwarte den Entscheid des Gerichts Anfang des neuen Jahres 2018, wobei die Beschwerde an das hiesige Gericht am 27. Januar 2017 eingereicht worden war. Der Gesuchsteller kann aus dem Hinweis auf der Homepage des Gerichts
daher
nichts zu seinen Gunsten ableiten.
Davon abgesehen ist die Frage, ob dem Revisionsgesuchsteller die neuen Tat
sachen trotz hinreichender Sorgfalt nicht bekannt waren, losgelöst von der mut
masslichen Verfahrensdauer des Beschwerdeverfahrens zu beantworten.
2.5
Die Operation der Schulter des Gesuchstellers erfolgte bereits am 12. September 2016 (Urk. 3/1/2) und somit noch vor Erlass der Verfügung der Suva vom 25. Oktober 201
6.
Der Operationsbericht von Dr.
A._
datiert vom 13. S
eptember 2016; dessen Inhalt wäre
daher bei hinreichender Sorgfalt längst bekannt
gewesen
. Spätestens als der Gesuchsteller von der
Verfügung
der Suva
vom 25.
Oktober 2016
und damit von der Einstellung der Versicherungs
leis
tungen per 18.
Juli 2016
Kenntnis erhalten hatte (UV.2017.00023, Urk. 5/7/37),
hätte er
darum bemüht sein
müssen
, mittels ärztlichem Bericht zu belegen, dass die Leistungseinstellung seiner Ansicht nach zu Unrecht erfolgt war. Dem Opera
tionsbericht vom 13. September 2016 lässt sich nicht entnehmen, ob Dr.
A._
die Schulterverletzung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als trau
matisch oder degenerativ bedingt betrachtete. Die Formulierung, es handle sich um eine „acute on chronic-Verletzung“ (unter dem Titel „Indikation zur Opera
tion“) mag möglicherweise darauf hindeuten, dass Dr.
A._
von einer traumatisch bedingten Verletzung bei degenerativem Vorzustand ausging;
hie
für
fehlt aber jegliche Begründung. Eine Begründung nimmt Dr.
A._
erst in der Stellungnahme vom 5. Dezember 2017 vor. Es fragt sich deshalb, ob eine solche Stellungnahme nicht früher hätte erhältlich gemacht werden können.
Die Chronologie seiner Bemühungen konnte der Rechtsvertreter des Gesuch
stellers belegen. Er wandte sich mit Schreiben vom 13. Juni 2017 an Dr.
A._
und verlangte von ihr eine Stellungnahme (Urk. 3/1/3). Nach Abklä
rung der Honorarhöhe für die Erstellung eines Berichts (E-Mails vom
4.
und 5. Juli
2017) erkundigte sich der Rechtsvertreter des Gesuchstellers am 14. Juli 2017, am 11. September 2017 und am 21. November nach dem Verbleib des Berichts
(Urk. 3/3/1). Die Stellungnahme vom 5. Dezember
2017 (Urk. 3/1/1) ging schliesslich
erst am 21. Dezember 2017 bei ihm ein.
Die
besagten
Bemühungen
ab dem 13. Juni 2017
ändern
aber
nichts daran, dass
eine Stellungnahme
von Dr.
A._
zur Unfallkausalität
(
nicht zuletzt auch aufgrund des intraoperativen Befunds)
unverzüglich
nach Erhalt der
Verfügung
der Suva
vom
25. Oktober 2016
hätte eingeholt werden müssen.
Weshalb damit bis zum 13. Juni
2017 zugewartet wurde, ist nicht nachvollziehbar und wurde auch nicht dargetan. Es ist aber jedenfalls davon auszugehen, dass eine Stellungnahme – sei diese von Dr.
A._
oder von einer Stellvertreterin oder einem Stellvertreter verfasst gewesen – wesentlich früher und damit noch während des Beschwerde
verfahrens UV.2017.00023 eingegangen wäre, hätte sich der Rechtsvertreter des Gesuchstellers rechtzeitig darum gekümmert
und rechtzeitig eine Sistierung des Beschwerdeverfahrens verlangt
.
2.6
Nach dem Gesagten
liegen keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vor.
Es erübrigt sich damit, auf die Ausführungen des Gesuchstellers zur Erheblichkeit
der neu eingereichten Unterlagen
einzugehen.
Das Revisionsgesuch ist abzuweisen, womit dem Gesuchsteller auch die Kosten für
den
Bericht von Dr.
A._
vom 5. Dezember 2017 nicht zu ver
güten sind.
Das Gericht erkennt:
1.
Das Revisionsgesuch
wird abgewiesen.
2.
Das Verfahren ist kostenlos.
3.
Zustellung gegen Empfangsschein an:
-
Rechtsanwalt Stephan Kübler
-
Suva
-
Bundesamt für Gesundheit
sowie an:
-
Bundesgericht, zur Kenntnisnahme im sistierten Beschwerdeverfahren 8C_167/2018
4.
Gegen diesen Entscheid kann innert
30 Tagen
seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (
Art.
82 ff. in Verbindung mit
Art.
90 ff. des Bundes
gesetzes über das Bundesgericht, BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern, vom 1
5.
Juli bis und mit 1
5.
August sowie vom 1
8.
Dezember bis und mit dem
2.
Januar (
Art.
46 BGG).
Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzu
stellen.
Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweis
mittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat (
Art.
42 BGG).
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Der VorsitzendeDie Gerichtsschreiberin
HurstMuraro |
doc-60 | Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Entscheid: IV.2010.00067
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IV.2010.00067
Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich
III. Kammer
Sozialversicherungsrichterin Heine, Vorsitzende
Sozialversicherungsrichterin Annaheim
Ersatzrichter Peter
Gerichtsschreiberin Fischer
Urteil vom 27. Mai 2011
in Sachen
X._
Beschwerdeführerin
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lucien W. Valloni
Froriep Renggli Rechtsanwälte
Bellerivestrasse 201, 8034 Zürich
zusätzlich vertreten durch Rechtsanwalt Marcel Isch
Froriep Renggli Rechtsanwälte
Bellerivestrasse 201, 8034 Zürich
gegen
Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, IV-Stelle
Röntgenstrasse 17, Postfach, 8087 Zürich
Beschwerdegegnerin
Sachverhalt:
1.
1.1
1.1.1 Die 1970 in Polen geborene X._ reiste 1981 in die Schweiz ein (Urk. 8/1). Am 26. November 1986 wurde sie - wegen eines seit der Geburt bestehenden Hüftleidens - erstmals zum Bezug von Leistungen (medizinische Massnahmen, Beiträge an die Mehrkosten der erstmaligen beruflichen Ausbildung, Hilfsmittel) der Eidgenössischen Invalidenversicherung (IV) angemeldet (Urk. 8/2). Nachdem einschlägige Abklärungen getroffen worden waren, wurde das Leistungsbegehren mit Verfügung vom 27. Januar 1987 (Urk. 8/6) mangels Erfüllung der versicherungsmässigen Voraussetzungen abgewiesen.
1.1.2 Am 21. Juni 1989 ersuchte X._, die zwischenzeitlich das Schweizer Bürgerrecht erworben hatte, um Übernahme der Kosten von Hilfsmitteln (Urk. 8/10). In der Folge wurden ihr für die Zeit vom 7. März 1989 bis 31. Januar 2016 Hilfsmittel (orthopädische Änderungen an höchstens drei beziehungsweise - infolge einer am 1. Januar 1993 eingetretenen Gesetzesrevision - ab 1996 an maximal zwei Paar Serienschuhen pro Jahr) gewährt (vgl. Mitteilung vom 18. September 1989, Urk. 8/8; Verfügungen vom 20. November 1989, Urk. 8/14; vom 12. Januar 1996, Urk. 8/19; vom 12. Februar 1996, Urk. 8/20; vom 14. Mai 2004, Urk. 8/36 = Urk. 8/39; vom 18. Oktober 2005, Urk. 8/55; und vom 9. Juni 2006, Urk. 8/63; Einspracheentscheid vom 1. Juli 2004, Urk. 8/41).
1.1.3 Am 17. November 2003 ersuchte die Versicherte um Ausrichtung (auch) einer Invalidenrente (Urk. 8/22). Nachdem sie erwerbliche und medizinische Abklärungen getätigt und die Versicherte vom 13. bis 16. Februar 2006 von den Ärzten des Begutachtungsinstituts W._ polydisziplinär hatte untersuchen lassen (vgl. Expertise vom 28. März 2006, Urk. 8/59), verneinte die IV-Stelle - unter Hinweis auf eine 100%ige Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit - mit Vorbescheid vom 22. September 2006 (Urk. 8/67) den Rentenanspruch von X._. Auf hiegegen erhobenen Einwand (Urk. 8/71) hin verfügte die IV-Stelle am 14. März 2007 die Abweisung des Rentenbegehrens (Urk. 8/73), welcher Entscheid unangefochten blieb.
1.2 Mit Schreiben vom 15. Juli 2009 stellte die Versicherte erneut ein Rentengesuch (Urk. 8/83), und am 10. August 2009 beantragte sie eine Hilflosenentschädigung (Urk. 8/82). Hinsichtlich des Rentenbegehrens räumte ihr die IV-Stelle daraufhin mit Schreiben vom 20. August 2009 (Urk. 8/85) - unter Androhung von Nichteintreten im Unterlassungsfall - eine Frist bis 30. September 2009 ein, um glaubhaft zu machen, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse seit Erlass der letzten Verfügung wesentlich verändert hätten. Nachdem die Versicherte mit Eingabe vom 16. September 2009 verschiedene medizinische Berichte eingereicht hatte (Urk. 8/86-88), teilte ihr die IV-Stelle am 21. Oktober 2009 je mit Vorbescheid mit, dass einerseits kein Anspruch auf Hilflosenentschädigung bestehe (Urk. 8/91) und andererseits auf das Rentengesuch mangels Glaubhaftmachung einer relevanten Veränderung nicht eingetreten werden könne (Urk. 8/92). Mit Verfügungen vom 3. Dezember 2009 wies die IV-Stelle den Antrag auf Hilflosenentschädigung ab (Urk. 8/94) und trat auf das Rentengesuch nicht ein (Urk. 8/93 = Urk. 2).
2. Gegen die das Rentengesuch betreffende Verfügung der IV-Stelle vom 3. Dezember 2009 (Urk. 2) liess die Versicherte am 19. Januar 2010 mit folgenden Begehren und Anträgen Beschwerde erheben (Urk. 1 S. 2):
"1. Es sei der Nichteintretensentscheid der Beschwerdegegnerin vom 3. Dezember 2009 aufzuheben und die Sache zur materiellen Prüfung der Neuanmeldung vom 15. Juli 2009 an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
2. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdegegnerin."
Die IV-Stelle beantragte mit Beschwerdeantwort vom 11. Februar 2010 (Urk. 7) Abweisung der Beschwerde.
Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Unterlagen ist, soweit für die Entscheidfindung erforderlich, in den nachstehenden Erwägungen einzugehen.
Das Gericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Wurde eine Rente (oder eine Hilflosenentschädigung) wegen eines zu geringen Invaliditätsgrades (oder wegen fehlender Hilflosigkeit) verweigert, so wird nach Art. 87 Abs. 4 der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV) eine neue Anmeldung nur geprüft, wenn die Voraussetzungen gemäss Abs. 3 dieser Bestimmung erfüllt sind. Danach ist im Revisionsgesuch glaubhaft zu machen, dass sich der Grad der Invalidität (oder der Hilflosigkeit oder die Höhe des invaliditätsbedingten Betreuungsaufwandes) der versicherten Person in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat (BGE 130 V 75 E. 3.2.2 und 3.2.3, 117 V 198 Erw. 3a, 109 V 115 E. 2b).
1.2 Nach Eingang einer Neuanmeldung ist die Verwaltung zunächst zur Prüfung verpflichtet, ob die Vorbringen der versicherten Person überhaupt glaubhaft sind; verneint sie dies, so erledigt sie das Gesuch ohne weitere Abklärungen durch Nichteintreten. Dabei wird sie unter anderem zu berücksichtigen haben, ob die frühere Verfügung nur kurze oder schon längere Zeit zurückliegt, und dementsprechend an die Glaubhaftmachung höhere oder weniger hohe Anforderungen stellen (ZAK 1966 S. 279, vgl. auch BGE 130 V 64 E. 5.2 und BGE 130 V 71 E. 2.2, mit Hinweisen). Insofern steht ihr ein gewisser Beurteilungsspielraum zu, den das Gericht grundsätzlich zu respektieren hat (BGE 109 V 114 E. 2b).
1.3 Mit Art. 87 Abs. 4 IVV soll verhindert werden, dass sich die Verwaltung nach vorangegangener rechtskräftiger Leistungsverweigerung immer wieder mit gleich lautenden und nicht näher begründeten, das heisst keine Veränderung des Sachverhalts darlegenden Gesuchen befassen muss (BGE 109 V 108 E. 2a, BGE 109 V 262 E. 3). Hingegen kann diese Eintretensvorschrift nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die glaubhaft zu machende Änderung gerade jenes Anspruchselement betreffen muss, welches die Verwaltung der früheren rechtskräftigen Leistungsabweisung zugrunde legte. Vielmehr muss es genügen, wenn die versicherte Person zumindest die Änderung eines Sachverhalts aus dem gesamten für die Anspruchsberechtigung erheblichen Tatsachenspektrum glaubwürdig dartut. Trifft dies zu, ist die Verwaltung verpflichtet, auf das neue Leistungsbegehren einzutreten und es in tatsächlicher (wie selbstverständlich auch in rechtlicher) Hinsicht allseitig zu prüfen (BGE 117 V 198 E. 3a und BGE 117 V 198 E. 4b; vgl. auch BGE 130 V 64 E. 5.2 und BGE 130 V 71 E. 2.2, mit Hinweisen).
2.
2.1 Die IV-Stelle begründete ihr Nichteintreten auf die Neuanmeldung im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin - auch innert der ihr gewährten Nachfrist - nicht glaubhaft gemacht habe, dass es seit Erlass der Verfügung vom 14. März 2007 (Urk. 8/73) zu einer erheblichen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse gekommen sei (Urk. 2 S. 1, Urk. 7 S. 2). Abgesehen vom zwischenzeitlich - vor über drei Jahren - erlittenen Treppensturz, der lediglich zu einer 12%igen und damit an sich nicht anspruchsbegründenden Einschränkung der Arbeitsfähigkeit geführt habe, sei aufgrund der eingereichten medizinischen Akten von einem seit der Begutachtung durch die Ärzte des Begutachtungsinstituts W._ unveränderten Gesundheitszustand auszugehen (Urk. 7 S. 2).
2.2 Die Beschwerdeführerin stellte sich demgegenüber im Wesentlichen auf den Standpunkt, die IV-Stelle sei zu Unrecht nicht auf die Neuanmeldung eingetreten, gehe doch aus dem Gutachten von Dr. med. Y._, Facharzt FMH/FMS für Orthopädische Chirurgie (Urk. 8/87 = Urk. 3/2), und dem Bericht (Urk. 8/86 = Urk. 3/3) von Dr. med. Z._, Praktische Ärztin FMH, Ärztin für Psychosomatische und Psychosoziale Medizin (SAPPM), hervor, dass sich ihr Gesundheitszustand seit Erlass der Verfügung vom 14. März 2007 (Urk. 8/73) - sowohl in physischer als auch in psychischer Hinsicht - massiv verschlechtert habe (Urk. 1 S. 4 ff.).
3.
3.1 Streitig ist, ob die Beschwerdegegnerin am 3. Dezember 2009 zu Recht nicht auf die Neuanmeldung vom 15. Juli 2009 (Urk. 8/83) eingetreten ist (Urk. 2). Zu prüfen ist demnach, ob die Beschwerdeführerin glaubhaft gemacht hat, dass sich ihre tatsächlichen Verhältnisse zwischen dem Zeitpunkt des Erlasses der - unangefochten in Rechtskraft erwachsenen - Verfügung der IV-Stelle vom 14. März 2007 (Urk. 8/73) und der Neuanmeldung am 15. Juli 2009 (Urk. 8/83) in anspruchsrelevanter Weise verändert haben.
3.2
3.2.1 Die Verfügung der IV-Stelle vom 14. März 2007 (Urk. 8/73) erging im Wesentlichen gestützt auf das Gutachten des Begutachtungsinstituts W._ vom 28. März 2006 (Urk. 8/59). Darin waren die Experten aufgrund der im Rahmen der eingehenden internistischen, orthopädischen und psychiatrischen Untersuchungen erhobenen Befunde zum Schluss gelangt, dass die Beschwerdeführerin keinen invalidisierenden psychischen Gesundheitsschaden aufweise (Urk. 8/59 S. 16 und S. 19) und aufgrund der Hüft- und lumbalen Beschwerden (Urk. 8/59 S. 17 f.) in ihrer Arbeitsfähigkeit als Direktionsassistentin beziehungsweise Sekretärin lediglich insofern beeinträchtigt sei, als ihr Rendement um zirka 10 bis 20 % vermindert sei (Urk. 8/59 S. 19 und S. 20).
3.2.2 Dem im Rahmen der Neuanmeldung vom 15. Juli 2009 (Urk. 8/83) eingereichten Gutachten von Dr. Y._ vom 5. März 2008 (Urk. 8/87) ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin am 30. Oktober 2006 - mithin nach der Begutachtung durch die Ärzte des Begutachtungsinstituts W._ im Februar 2006 (Urk. 8/59 S. 1), aber noch geraume Zeit vor Erlass der (in der Folge unangefochten gebliebenen) Verfügung vom 14. März 2007 (Urk. 8/73) - einen Treppensturz erlitten hat (vgl. auch Urk. 8/75), infolge dessen sie unter rechtsseitigen Fussbeschwerden leidet. Soweit diese Gesundheitsstörung angesichts der dargelegten zeitlichen Gegebenheiten überhaupt eine Prüfung im Sinne von Art. 87 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 IVV erforderlich machte, durfte die IV-Stelle aufgrund der von Dr. Y._ bestätigten "medizinisch theoretischen Invalidität" im Umfang von 12 % (Urk. 8/87 S. 8) jedenfalls davon ausgehen, dass sie für sich allein noch keinen rentenbegründenden Schaden darstelle.
Was die überdies - in Form insbesondere einer schweren Belastungsreaktion auf mehrfache Operationen im Kindesalter, ICD-10 F43.23 (vgl. undatierter Bericht Dr. Z._, Urk. 8/86 S. 1) - geltend gemachte psychische Beeinträchtigung anbelangt, geht sowohl aus den Angaben der Beschwerdeführerin selbst, die sich die im Jahr 2007 seitens der Arbeitgeberin erfolgte Auflösung des Arbeitsverhältnisses (Urk. 8/88 S. 7, Urk. 8/87 S. 2) und die seither erfolglose Stellensuche mit dieser Gesundheitsstörung erklärte (Urk. 8/83 S. 1), als auch aus den Ausführungen von Dr. Z._ (Urk. 8/86 S. 1 und S. 2) hervor, dass die fragliche Gesundheitsstörung schon seit längerem besteht und bereits seit 2006 (Urk. 8/82 S. 2) beziehungsweise 3. April 2007 (Urk. 8/86 S. 1) behandelt wird. Dafür, dass sich die psychische Symptomatik seit dem materiell rechtskräftigen Entscheid vom 14. März 2007 (Urk. 8/73) erheblich verschlechtert hätte, gibt es weder im Bericht Dr. Z._s (Urk. 8/86) noch im Gutachten Dr. Y._s vom 5. März 2008 (Urk. 8/87) Anhaltspunkte, wobei die Beschwerdeführerin letzterem gegenüber psychische Beschwerden nicht einmal erwähnte (Urk. 8/87).
3.3 Da demnach mit den von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Neuanmeldung (Urk. 8/83) eingereichten medizinischen Beurteilungen (Urk. 8/86, Urk. 8/87) keine seit dem 14. März 2007 (Urk. 8/73) - aus physischen und/oder psychischen Gründen - eingetretene anspruchsrelevante Verschlechterung des Gesundheitszustandes glaubhaft gemacht wurde, ist die IV-Stelle am 3. Dezember 2009 zu Recht nicht auf das erneute Rentenbegehren eingetreten (Urk. 2).
4. Gemäss Art. 69 Abs. 1
bis
des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG) ist das Beschwerdeverfahren bei Streitigkeiten um die Bewilligung oder die Verweigerung von IV-Leistungen abweichend von Art. 61 lit. a des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vor dem kantonalen Versicherungsgericht kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.-- bis Fr. 1'000.-- festgelegt. Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 600.-- der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.
Das Gericht erkennt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 600.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Rechnung und Einzahlungsschein werden der Kostenpflichtigen nach Eintritt der Rechtskraft zugestellt.
3. Zustellung gegen Empfangsschein an:
- Rechtsanwalt Dr. Lucien W. Valloni und Rechtsanwalt Marcel Isch
- Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, IV-Stelle
- Bundesamt für Sozialversicherungen
sowie an:
- Gerichtskasse (im Dispositiv nach Eintritt der Rechtskraft)
4. Gegen diesen Entscheid kann innert
30 Tagen
seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG).
Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen.
Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat (Art. 42 BGG). |
doc-61 | {"","Urteil Gutheissung/Abweisung Beschwerde
Obergericht des Kantons Zürich II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: RB180012-O/U
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichterin
lic. iur. A. Katzenstein und Oberrichter Dr. P. Higi sowie Gerichts-
schreiberin lic. iur. A. Götschi
Urteil vom 17. April 2018
in Sachen
1. A._,
2. B._,
Beklagte und Beschwerdeführer
gegen
C._ AG,
Klägerin und Beschwerdegegnerin
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. iur. X._","betreffend Forderung (unentgeltliche Rechtspflege)
Beschwerde gegen einen Beschluss des Bezirksgerichtes Meilen vom
6. März 2018; Proz. CG170020
- 2 -","Erwägungen:
1. Sachverhalt und Prozessgeschichte
1.1 Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (nachfolgend: Beschwerdegegnerin)
führt vor dem Bezirksgericht Meilen (nachfolgend: Vorinstanz) eine (Anerken-
nungs-)Klage gegen die Beklagten und Beschwerdeführer (nachfolgend: Be-
schwerdeführer), mit welcher sie namentlich den Betrag von Fr. 8'000'000.– aus
einer Solidarbürgschaftsverpflichtung fordert (vgl. act. 4/2).
1.2 Zur vorinstanzlichen Prozessgeschichte kann grundsätzlich auf die Ausfüh-
rungen im angefochtenen Beschluss verwiesen werden (vgl. act. 4/41 = act. 3/1 =
act. 5 [Aktenexemplar] S. 2 ff. E. 1). Hervorzuheben ist, dass die Beschwerdefüh-
rer mit Eingabe vom 25. September 2017 während laufender Nachfrist zur Beant-
wortung der Klage ein Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege
gestellt hatten, welches die Vorinstanz mit Beschluss vom 3. Oktober 2017 wegen
Aussichtslosigkeit des Rechtsbegehrens abgewiesen hatte; dies vor Eingang der
Klageantwort der Beschwerdeführer vom 5. Oktober 2017 (vgl. act. 4/23). Auf
entsprechende Beschwerde der Beschwerdeführer an die Kammer hob diese den
Beschluss vom 3. Oktober 2017 auf und wies die Sache an die Vorinstanz zu
neuer Entscheidung zurück. In der Folge zog die Vorinstanz den Rechtsöffnungs-
entscheid vom 22. Februar 2017 bei (vgl. act. 4/37-40) und beurteilte die Nicht-
aussichtslosigkeit des Gesuchs der Beschwerdeführer um Bewilligung der unent-
geltlichen Rechtspflege unter Berücksichtigung des beigezogenen Rechtsöff-
nungsentscheides sowie der zwischenzeitlich eingegangenen Klageantwort der
Beschwerdeführer (vgl. act. 5 S. 6 ff. E. 3).
1.3 Mit Beschluss vom 6. März 2018 (act. 5) wies die Vorinstanz das Gesuch
der Beschwerdeführer um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege erneut ab
(Dispositiv-Ziffer 1), unter Verzicht auf die Erhebung von Gerichtskosten (Disposi-
tiv-Ziffer 2).
- 3 -
1.4 Gegen diese Abweisung ihres Gesuches erhoben die Beschwerdeführer
rechtzeitig (vgl. act. 4/42/2-3 i.V.m. act. 4/45 = act. 2 S. 1) mit Eingabe vom
26. März 2018 (Poststempel) Beschwerde (vgl. act. 2) mit folgenden Anträgen:
\"1. Es sei der Beschluss des Bezirksgerichts Meilen, 6. März 2018 (Geschäfts-Nr. CG170020) zurückzuweisen.
2. Es sei das Bezirksgericht anzuweisen, den Beklagten die Rechtspflege in vollem Umfang von Art. 118 ZPO zu .
3. Es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung .
4. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates.\"
1.5 Auf das Einholen einer Beschwerdeantwort kann verzichtet werden
(vgl. Art. 322 Abs. 1 ZPO). Die Akten der Vorinstanz (act. 4/1-47) wurden beige-
zogen. Das Verfahren ist spruchreif.
2. Prozessuales
2.1 Wird die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege ganz oder teilweise
abgelehnt oder entzogen, so kann der Entscheid mit Beschwerde angefochten
werden (vgl. Art. 121 ZPO i.V.m. Art. 319 ff. ZPO). Die Beschwerde ist schriftlich
einzureichen und hat Anträge sowie eine Begründung zu enthalten (vgl. Art. 321
Abs. 1 ZPO). Geltend gemacht werden können unrichtige Rechtsanwendung
(Art. 320 lit. a ZPO) sowie offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts
(Art. 320 lit. b ZPO). An die Begründung des Rechtsmittels werden bei Laien nur
minimale Anforderungen gestellt. Es reicht bereits aus, wenn rudimentär zum
Ausdruck kommt, weshalb der angefochtene Entscheid nach Auffassung der
Partei unrichtig sein soll. Als Antrag genügt eine Formulierung, aus der sich mit
gutem Willen herauslesen lässt, wie das Obergericht entscheiden soll (vgl. statt
vieler OGer ZH LF130019 vom 22. April 2013, E. II. mit Verweis auf OGer ZH
PF110034 vom 22. August 2011). Wiederholungen des bereits vor Vorinstanz
vorgetragenen Standpunktes genügen aber nicht. Bei fehlender Auseinanderset-
zung bzw. Begründung ist ohne Weiteres auf die Beschwerde nicht einzutreten
(vgl. ZR 110 [2011] Nr. 80 S. 246 f.; OGer ZH PS110192 vom 21. Februar 2012,
- 4 -
E. 5.1). Bei Unklarheiten entnimmt die Kammer einer Rechtsschrift das, was sie
bei loyalem Verständnis daraus entnehmen kann (vgl. OGer ZH PS170262 vom
6. Dezember 2017, E. 2.2; OGer ZH RB150008 vom 17. April 2015, E. 2.2).
2.2 Neue Anträge, neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel sind
ausgeschlossen (Art. 327 Abs. 1 ZPO).
Soweit die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde Tatsachenbehauptungen
anbringen, mit welchen sie ihre Klageantwort ergänzen resp. Umstände noch er-
klären (vgl. insb. act. 2 S. 5 Rz. 15, 18 ff., S. 6 Rz. 27) oder Ausführungen zu Kla-
gebeilagen nachholen (vgl. insb. act. 2 S. 4 Rz. 12), sind sie damit im Beschwer-
deverfahren ausgeschlossen. Aus demselben Grund nicht zu berücksichtigen
sind die Vorbringen der Beschwerdeführer, die Hauptschuldnerin werde allenfalls
durch Lizenzvergabe an IP-Rechten von Produkten weitere Einnahmen generie-
ren können, weshalb dies die eingeklagte Forderung der Beschwerdegegnerin
und auch den Prozessausgang in Frage stelle (vgl. act. 2 S. 3 Rz. 8 i.V.m.
Rz. 2 ff.).
Zudem ist der neue, rechtliche Einwand, übervorteilt worden zu sein (vgl.
act. 2 S. 6 Rz. 22), nicht zu berücksichtigen, weil er seinerseits auf neuen Tatsa-
chenbehauptungen basiert (vgl. act. 2 S. 5 f. Rz. 18 ff.).
2.3 Vorauszuschicken ist, dass die im Rahmen des Gesuchs um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege zu beurteilenden Prozesschancen lediglich vor-
läufig und summarisch geprüft werden. Das Beurteilungsergebnis vermag selbst-
redend den Ausgang des Anerkennungsprozesses der Beschwerdegegnerin vor
Vorinstanz nicht vorweg zu nehmen.
3. Vorinstanz und Parteistandpunkt der Beschwerdeführer
3.1 Die Vorinstanz wies das Gesuch der Beschwerdeführer um Bewilligung der
unentgeltlichen Rechtspflege namentlich mit den Erwägungen ab, aus dem Ob-
siegen der Beschwerdeführer im Rechtsöffnungsverfahren lasse sich für die Pro-
zessaussichten im Anerkennungsprozess nichts Entscheidendes gewinnen
(vgl. act. 5 S. 6 f. E. 3.1) und aufgrund des von den Beschwerdeführern in ihrer
- 5 -
Klageantwort Vorgebrachten und den eingereichten Unterlagen würden die
Rechtsbegehren der Beschwerdeführer aussichtslos erscheinen (vgl. act. 5
S. 7 ff. E. 3.2).
Die Beschwerdeführer halten demgegenüber daran fest, dass das Fehlen
einer Schuldanerkennung ihren Standpunkt stütze und dass dies zusammen mit
anderen Vorbringen dazu beitrage, die Nichtaussichtslosigkeit des Begehrens um
Abweisung der Klage darzulegen (vgl. act. 2 S. 4 Rz. 9 f. mit act. 4/19). Soweit die
Beschwerdeführer damit ihren bereits vor Vorinstanz vertretenen Standpunkt wie-
derholen, ohne sich mit den vorinstanzlichen Erwägungen auseinanderzusetzen,
ist darauf nicht weiter einzugehen.
3.2 Die Vorinstanz führte im Einzelnen aus, mangels substantiierter Einwände
gegen die Ausführungen der Beschwerdegegnerin habe deren Darstellung in Be-
zug auf den Bestand und die Höhe von deren Forderung gegenüber der Haupt-
schuldnerin als unbestritten und damit nicht weiter zu beweisen zu gelten. Zumin-
dest die Forderung der Beschwerdegegnerin gegen die Hauptschuldnerin aus den
Kontokorrentkrediten sei gänzlich unkommentiert geblieben (vgl. act. 5 S. 9
E. 3.2.1 mit Verweis auf act. 4/23 Rz. 16 und 19).
Dem halten die Beschwerdeführer lediglich entgegen, aufgrund des Konkur-
ses der Hauptschuldnerin sei eine Verifizierung der von der Beschwerdegegnerin
vorgelegten Dokumente unmöglich, weshalb sie die Forderung nur vorsorglich
bestreiten könnten (vgl. act. 2 S. 4 Rz. 11).
Faktische Probleme in der Beweismittelbeschaffung oder in der Verschaf-
fung von Kenntnis über deren Inhalte entbinden eine beklagte Partei zum einen
nicht davon, im ordentlichen Gerichtsverfahren – wie dies hier der Fall ist – im
Einzelnen darzulegen, welche Tatsachenbehauptungen der klagenden Partei sie
anerkennt oder bestreitet (vgl. Art. 222 Abs. 2 ZPO). Gegenstand eines Beweis-
verfahrens können nur rechtserhebliche Tatsachen sein, die rechtsgenügend be-
stritten wurden (vgl. Art. 150 Abs. 1 ZPO). Nicht rechtsgenügend bestrittene Tat-
sachen sind von der Gegenseite zum vornherein nicht zu beweisen; soweit die
beklagte Partei Tatsachenbehauptungen der klagenden Partei nicht im Einzelnen
- 6 -
bestreitet, schmälert dies ihre Prozesschancen. Zum anderen ändern derartige
faktische Probleme auch an der Obliegenheit der Beschwerdeführer nichts, im
Rahmen ihres Gesuchs um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege die
Nichtaussichtslosigkeit ihrer beantragten Klageabweisung glaubhaft zu machen.
In Bezug auf die Forderung gegenüber einer Hauptschuldnerin, die einer Bürg-
schaftsforderung zugrunde liegen muss, hätten die Beschwerdeführer als mut-
massliche Solidarbürgen Tatsachen vorbringen müssen, welche den Bestand und
die Höhe der Ersteren soweit in Zweifel gezogen hätten, dass die Gewinnaussich-
ten als höchstens nur wenig geringer als die Verlustgefahren einzuschätzen ge-
wesen wären. Der Beschwerdeführer ist gemäss Handelsregisterauszug langjäh-
riger Präsident des Verwaltungsrates der Hauptschuldnerin, der D._ AG
(zurzeit in Liquidation), und die Beschwerdeführerin Mitglied desselben. Alleine
schon aufgrund dieser Mandate müssten sie genauere Kenntnisse über Verbind-
lichkeiten der Hauptschuldnerin im zweistelligen Millionenbereich haben. Dieser
Einwand kann somit nicht überzeugen.
3.3 Weiter erwog die Vorinstanz, der Einwand der Beschwerdeführer verfange
nicht, wonach die Beschwerdegegnerin erst auf deren Bürgschaft zurückgreifen
dürfe, nachdem sie erfolglos versucht habe, die übrigen Sicherheiten für die Ver-
bindlichkeiten der Hauptschuldnerin zu realisieren. Denn Ziff. 17.2 der Rahmen-
kreditvereinbarung mit dem Titel \"Reihenfolge der Verwertung\" sehe vor, dass die Beschwerdegegnerin \"im Falle einer Beanspruchung der Sicherheiten nach eige-
nem Ermessen über den Umfang und die Reihenfolge ihrer Verwertung sowie die
Zuordnung der Verwertungserlöse\" entscheide. Die Behauptung der Beschwerde-
führer, sie seien durch Vertreter der C._ darin bestärkt worden, dass die
C._ alles daran setze, die Sicherstellungen in der Reihenfolge gemäss Ziff. 8
der Rahmenkreditvereinbarung (1. Forderungszession, 2. Garantie und
3. Bürgschaft) zu beanspruchen, sei nicht substantiiert dargelegt worden. Na-
mentlich dazu, wie es zu dieser Willenseinigung gekommen sei, wann, wo etc.
seien keine Behauptungen aufgestellt und die Vertreter der C._ nicht identifi-
zierbar umschrieben worden. Aus den gleichen Gründen sei auch der Einwand
der Beschwerdeführer aussichtslos, sie hätten sich bei Unterzeichnung des Bürg-
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scheins und der Rahmenkreditvereinbarung in einem Willensmangel befunden
(vgl. act. 5 S. 9 ff. E. 3.2.2).
Diesbezüglich bemängeln die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde sinn-
gemäss, die Vorinstanz habe dem Willen der Parteien beim Abschluss der Rah-
menkreditvereinbarung nicht das notwendige Gewicht beigemessen, indem sie
sie zur behaupteten Willenseinigung (zu Zeit, Ort und den weiteren Umstände)
nicht genauer befragt bzw. nicht auf die Angaben hingewiesen habe, welche zur
Beurteilung der Beschwerde (recte: des Gesuchs) um unentgeltliche Rechtspflege
nötig gewesen wären (vgl. act. 2 S. 6 Rz. 23 ff. und S. 7 Rz. 29).
Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten im Sinne von Art. 117 ff. ZPO
bestehen, beurteilt sich, wie bereits erwähnt, aufgrund einer vorläufigen und
summarischen Prüfung der Prozessaussichten (vgl. BGE 138 III 217 ff.; 133 III
614 E. 5). Die fehlende Aussichtslosigkeit muss von der gesuchstellenden Person
glaubhaft gemacht werden, das heisst sie hat sich zu den tatsächlichen Voraus-
setzungen zur Begründetheit ihres Prozessstandpunktes zu äussern (vgl. BK
ZPO-BÜHLER, Bern 2012, Art. 119 N 101 m.w.H.). Die mit dem Gesuch befasste
Behörde hat weder den Sachverhalt von sich aus nach jeder Richtung hin abzu-
klären, noch unbesehen alles, was behauptet wird, von Amtes wegen zu überprü-
fen. Sie muss den Sachverhalt nur dort (weiter) abklären, wo noch Unsicherheiten
und Unklarheiten bestehen; sei es, dass sie von einer Partei auf solche hingewie-
sen wird, sei es, dass sie solche selber feststellt. Die gerichtliche Fragepflicht
dient jedoch weder dazu, die zumutbare Mitwirkung der Parteien bei der Feststel-
lung des Sachverhalts zu ersetzen noch prozessuale Nachlässigkeiten auszuglei-
chen (vgl. BGer 4A_114/2013, vom 20. Juni 2013, E. 4.3.1 f. mit weiteren Verwei-
sen).
Es sind weder Unsicherheiten noch Unklarheiten ersichtlich, welche von der
Vorinstanz zu klären gewesen wären. Die gerichtliche Fragepflicht bedeutet nicht,
dass die Vorinstanz von den Beschwerdeführern fehlende Sachverhaltsbehaup-
tungen und Beweismittelofferten hätte erfragen müssen, damit der entsprechende
Sachverhalt am Ende glaubhaft erscheint. Eine Verletzung der gerichtlichen Fra-
gepflicht ist somit nicht erkennbar.
- 8 -
3.5 An diesem Ergebnis ändert die Tatsache, dass die Klageschrift 25 Seiten
und 64 Beilagen umfasst (vgl. act. 2 Rz. 17), nichts. Zwar sind die tatsächlichen
Voraussetzungen für die gerichtliche Durchsetzung einer Bürgschaftsverpflichtung
zahlreich, was entsprechend umfassende Ausführungen zum Klagefundament er-
fordert. Doch ist zur vorläufigen und summarischen Beurteilung der Prozesschan-
cen der Beschwerdeführer vor allem entscheidend, was sie einem solchen Klage-
fundament entgegenhalten und wie ihre Chancen stehen, mit den gestellten
Rechtsbegehren im Anerkennungsprozess zu obsiegen.
3.6 Nach dem Gesagten ist die Beschwerde offensichtlich unbegründet und da-
her abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Es bleibt beim angefochtenen Be-
schluss der Vorinstanz vom 6. März 2018 (Geschäfts-Nr. CG170010/Z06).
4. Antrag auf Aufschub der Vollstreckbarkeit
Der prozessuale Antrag der Beschwerdeführer um Aufschub der Vollstreckbarkeit
des angefochtenen Beschlusses wird damit gegenstandslos und ist abzuschrei-
ben. Selbst wenn darauf einzutreten gewesen wäre, hätte es nichts aufzuschie-
ben gegeben, weil der vorinstanzliche Beschluss ohnehin keinen vollstreckbaren
Inhalt hat. Und soweit dieser Antrag bezwecken sollte, dass die Vorinstanz den
Beschwerdeführern während der Dauer des Beschwerdeverfahrens vor der
Kammer keine Frist zur Duplik ansetzt, ist die Vorinstanz dem – auf entsprechen-
den Antrag der Beschwerdeführer hin – ohnehin bereits nachgekommen
(vgl. act. 4/44 i.V.m. act. 4/46/1).
5. Kosten- und Entschädigungsfolgen
5.1 Das Beschwerdeverfahren gegen einen Entscheid über die unentgeltliche
Rechtspflege ist kostenpflichtig (vgl. BGE 137 III 470 ff., E. 6.5.5). Bei diesem
Verfahrensausgang werden die Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren
kostenpflichtig (vgl. Art. 106 ZPO).
Der Entscheid über die Gewährung oder Verweigerung der unentgeltlichen
Rechtspflege ist prozessleitender Natur. Die Entscheidgebühr des Beschwerde-
verfahrens ist daher in Anwendung von § 12 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 9 Abs. 1
- 9 -
GebV OG Fr. 1'200.– festzusetzen und den Beschwerdeführern aufzuerlegen. Es
ist die solidarische Haftbarkeit anzuordnen (Art. 106 Abs. 3 ZPO).
5.2 Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen: den Beschwerdeführern
nicht, weil sie unterliegen (vgl. Art. 106 ZPO) und der Beschwerdegegnerin nicht,
weil ihr keine Umtriebe entstanden sind, die es zu entschädigen gölte, da sie die
Beschwerde nicht beantworten musste (vgl. Art. 322 Abs. 1 ZPO).","Es wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2. Der Antrag auf Aufschub der Vollstreckbarkeit wird abgeschrieben.
3. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 1'200.– festgesetzt.
4. Die Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden den Beschwerdefüh-
rern auferlegt, unter solidarischer Haftung eines jeden für den gesamten Be-
trag.
5. Parteientschädigungen werden keine zugesprochen.
6. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Beschwerdegegnerin unter
Beilage von Doppeln der Beschwerdeschrift (act. 2) und (act. 3/1-2), sowie
an das Bezirksgericht Meilen, je gegen Empfangsschein, und an die
Obergerichtskasse.
Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmit-
telfrist an die Vorinstanz zurück.
7. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert
30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht,
1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Be-
schwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder
Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42
des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
- 10 -
Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG. Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 8'000'000.–. Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Götschi
versandt am:
Urteil vom 17. April 2018 Erwägungen: Es wird erkannt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 2. Der Antrag auf Aufschub der Vollstreckbarkeit wird abgeschrieben. 3. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 1'200.– festgesetzt. 4. Die Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden den Beschwerdeführern auferlegt, unter solidarischer Haftung eines jeden für den gesamten Betrag. 5. Parteientschädigungen werden keine zugesprochen. 6. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Beschwerdegegnerin unter Beilage von Doppeln der Beschwerdeschrift (act. 2) und (act. 3/1-2), sowie an das Bezirksgericht Meilen, je gegen Empfangsschein, und an die Obergerichtskasse. 7. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (...",""} |
doc-62 | Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 11. April 2016 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in zehn Fällen und wegen versuchten Diebstahls zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs.
I.
2
1. Nach den Feststellungen leidet der im Jahr 2015 einmal wegen mehrerer Diebstahlstaten zu einer Bewährungsstrafe verurteilte Angeklagte spätestens seit dem Jahr 2014 an einer paranoiden Schizophrenie mit inzwischen chronifiziertem Verlauf. Es kommt zu formalen Denkstörungen, Gedankenabrissen und sprunghaftem Denken. Außerdem leidet er unter Halluzinationen; er hört Stimmen, denen er mit Gegenreden zu begegnen versucht, und fühlt sich fremdbeeinflusst, verfolgt und beobachtet. Daneben leidet er auch an einer Polytoxikomanie, die aber nach Auffassung des Sachverständigen, der sich die Strafkammer angeschlossen hat, „nicht auslösend für dessen rechtswidrige Handlungen gewesen sei“ (UA 20).
3
Im Januar 2014 traf der Angeklagte nach vielen Jahren seine beiden Cousinen A. und J. M. wieder. Um den abgebrochenen Kontakt zwischen ihm und seiner pflegebedürftigen Mutter wiederherzustellen, boten die Schwestern dem Angeklagten ihre Unterstützung an und tauschten die Telefonnummern aus. Der Angeklagte deutete die Zuwendung von Seiten der J. M. als persönliches Interesse an ihm und versuchte deshalb, zu ihr eine Liebesbeziehung aufzubauen. Dies wiesen J. und A. M. unmissverständlich zurück. Der Angeklagte suchte gleichwohl ständig die Nähe von J. M. und den Kontakt zu ihr. Er schrieb ihr zu jeder Tages- und Nachtzeit unzählige Nachrichten mit seinem Mobiltelefon und versuchte, sie anzurufen. Er war der Vorstellung verhaftet, mit ihr zusammen zu sein und sie heiraten zu wollen. Mit der von beiden Schwestern nachdrücklich geäußerten Bitte, Distanz zu halten und sie in Ruhe zu lassen, konnte der Angeklagte sich nicht abfinden. Er steigerte sich in die Vorstellung hinein, A. M. wolle die Beziehung zu ihrer Schwester vereiteln, obwohl diese mit ihm zusammen sein wolle. Der Angeklagte begann schließlich „gegen A. M. Drohungen auszusprechen, die bis zu der Vorstellung, sie zu töten, reichten und sie um ihr Leben fürchten ließen“ (UA 6). Er meinte, sie zerstöre seine Liebe und töte seine Seele, das rechtfertige einen „Ehrenmord“. Er warf Briefe oder Postkarten in ihren Briefkasten, erschien auch wiederholt - teilweise nachts - plötzlich vor der Haustür der beiden Schwestern und verlangte, J. M. zu sprechen. Die zunehmenden Nachstellungen versetzten beide Schwestern in Angst und Schrecken. Trotz eines gegen ihn schließlich erwirkten Kontaktverbots schrieb er aus in anderer Sache verhängter Untersuchungshaft drei Briefe an J. M. . Auch nach Entlassung aus dieser Haft kreisten seine Gedanken um seine unerfüllte Liebe zu ihr. Er litt unter der Situation und suchte nach Ausgleich und Entlastung. Auch nach seiner vorläufigen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in dieser Sache wandte er sich brieflich an J. M. und fantasierte von einer Beziehung und sexuellem Kontakt. A. M. steht er unverändert feindselig gegenüber. Er ist davon überzeugt, sich an seinen Cousinen rächen zu dürfen (UA 27).
4
2. Der Verurteilung des Angeklagten liegen im Wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde:
5
Der Angeklagte hatte aufgrund seiner schwierigen finanziellen Lage und seiner durch die schizophrene Erkrankung hervorgerufenen psychischen Beeinträchtigung das dringende Bedürfnis, ein Gegengewicht schaffen zu müssen. Obwohl er sich krank fühlte, zog er nicht in Erwägung, ärztliche oder andere Hilfe zu suchen. Aufgrund seiner krankheitsbedingt erheblich eingeschränkten Kritikfähigkeit sah er einen Ausweg hierfür nur darin, erneut Diebstähle zu begehen und so seinen Lebensunterhalt und seinen täglichen Drogenkonsum zu finanzieren.
6
In der Zeit vom 16. November 2015 bis zum 24. November 2015 beging er im Zustand einer manifesten paranoiden Schizophrenie (UA 22) die abgeurteilten Anlasstaten. Er war zu den jeweiligen Tatzeitpunkten mit dem Fahrrad unterwegs und suchte gezielt nach geparkten Kraftfahrzeugen, in denen er vom Besitzer zurückgelassene verwertbare Gegenstände, insbesondere Brieftaschen, Navigationsgeräte oder Mobiltelefone, vermutete. Bevor er die Seitenscheiben der Fahrzeuge einschlug, schaute er deshalb in das Wageninnere. Wenn er meinte, dort etwas Verwertbares entdeckt zu haben, schlug er die Scheibe mit einem Stein oder einem Notfallhammer ein. Ihm war dabei bewusst, dass er rechtswidrig handelte und sich strafbar machte. Durch seine ihm als ausweglos erscheinende Lage und seine psychische Verfassung, durch die er sich zu den Taten gedrängt fühlte, war er in seiner Steuerungsfähigkeit jeweils erheblich vermindert.
7
Vor diesem Hintergrund beging er in zehn Fällen jeweils einen Diebstahl im besonders schweren Fall aus geparkten Kraftfahrzeugen gemäß § 242 Abs. 1, § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 StGB; in einem weiteren Fall verblieb es beim Versuch, weil der Angeklagte im Wageninneren nichts für ihn Verwertbares finden konnte. Die Schäden blieben - soweit festgestellt - jeweils im zumeist unteren dreistelligen Bereich.
II.
8
Die Revision ist begründet, soweit das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat.
9
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig.
10
2. Zum Schuld- und Strafausspruch erweist sich die Revision als unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
11
3. Der Maßregelausspruch hält jedoch materiell-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
Der Senat hat § 63 StGB in der seit 1. August 2016 geltenden Neufassung anzuwenden (§ 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO). Die Neufassung der Anordnungsvoraussetzungen von § 63 StGB greift im Wesentlichen die Konkretisierungen auf, die vom Bundesverfassungsgericht und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung in den vergangenen Jahren vorgenommen worden sind. Es handelt sich damit vorrangig um bestätigende Kodifizierungen (vgl. BT-Drucks. 18/7244, S. 42; BGH, Beschluss vom 3. August 2016 - 4 StR 305/16, StV 2017, 35).
13
Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerfrei dargelegt, dass der Angeklagte bei Begehung der Anlasstaten aufgrund eines überdauernden psychischen Defekts vermindert schuldfähig war und die Tatbegehungen auf diesem Zustand beruhen (UA 26). Die Gefährlichkeitsprognose begegnet indes durchgreifenden Bedenken.
14
Ergibt sich die Erheblichkeit drohender Taten - wie hier (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2011 - 4 StR 267/11 mwN) - nicht aus den Anlasstaten selbst, ordnet das Gericht nach § 63 Satz 2 StGB nF die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur an, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2016 - 4 StR 230/16).
15
Hierbei kommt es auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an, da das Gesetz keine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1994 - 1 StR 689/94, NStZ 1995, 228; BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, StraFO 2008, 300 f.). Das bedeutet, dass auch Bedrohungen im Sinne des § 241 StGB nicht von vornherein als unerheblich im Sinne des § 63 StGB angesehen werden können. Todesdrohungen, die geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen, stellen eine schwerwiegende Störung des Rechtsfriedens dar und sind nicht bloße Belästigungen (BGH, Beschluss vom 26. Juli 2006 - 2 StR 285/06, NStZ-RR 2006, 358 f.). Schon im Hinblick auf das Gewicht eines Eingriffs gemäß § 63 StGB ist jedoch erforderlich, dass die Bedrohung in ihrer konkreten Ausgestaltung aus der Sicht des Betroffenen die naheliegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2008 - 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563 f., Beschlüsse vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, aaO und vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202 f.).
16
Dies wird in den bisher getroffenen Feststellungen und der ihnen zugrunde liegenden Beweiswürdigung nicht hinreichend belegt. Freilich hat der Angeklagte aufgrund seines psychischen Defekts immer wieder den Kontakt mit J. und A. M. gesucht. Er hat hierbei und auch bei den Explorationen gegenüber dem Sachverständigen Todesdrohungen gegen beide Schwestern ausgestoßen. Auch hat er bei den Explorationen J. M. für sein Beeinträchtigungserleben und die ihn sehr belastenden Stimmen verantwortlich gemacht. Er ist sich sicher, dass J. M. ihn auch körperlich über die Distanz manipulieren könne (UA 21 f.). Nach der von der Strafkammer geteilten Einschätzung des Sachverständigen ist die Gefahr, dass der Angeklagte in krankheitsbedingter Verkennung von Situationen Gewaltstraftaten begehen werde, sehr hoch (UA 28). Allerdings kann der Senat dem angefochtenen Urteil auch in seinem Gesamtzusammenhang nicht entnehmen, dass der Angeklagte im Zusammenhang mit den Drohungen gegenüber den Schwestern etwa gefährliche Gegenstände bei sich geführt und damit ein erhebliches Druckpotential aufgebaut (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2008 - 4 StR 140/08, aaO; Beschluss vom 18. November 2013 - 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 75, 77) oder sich auch nur gedanklich mit näher spezifizierten Tötungsarten beschäftigt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2013 - 1 StR 594/13, aaO). Deswegen ist nach den bisherigen Feststellungen nicht belegt, dass die Drohungen zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens geführt haben (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 29. September 2015 - 1 StR 287/15, NJW 2016, 341, 342; Beschluss vom 18. Juli 2013 - 4 StR 168/13, NJW 2013, 3383, 3385).
17
Erst recht ist die Annahme des Landgerichts nicht belegt, dass von dem bislang wegen Gewaltdelikten nicht in Erscheinung getretenen Angeklagten die Gefahr einer Umsetzung der Gewaltfantasien gegen die beiden Schwestern ausging. Denn er hat bislang trotz der wiederholten Nähe zu ihnen nichts unternommen, um seine Drohungen in die Tat umzusetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2006 - 2 StR 285/06, aaO). Die Strafkammer hat auch nicht festgestellt, dass bei ihm eine latente Neigung zu Gewalttätigkeiten zu erkennen gewesen wäre. Allein mit der im Allgemeinen erhöhten Kriminalitätsbelastung schizophren Erkrankter kann die Gefahrenprognose nicht begründet werden (BGH, Urteil vom 11. August 2011 - 4 StR 267/11; Beschluss vom 7. Juni 2016 - 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306 f.; vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 17. Februar 2016 - 2 StR 545/15, StV 2016, 720 ff.).
18
4. Der Senat schließt nicht aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung weiter gehende Feststellungen getroffen werden können, welche die erforderliche Gefährlichkeitsprognose belegen. Die Sache bedarf daher zum Maßregelausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat schließt aus, dass sich die Maßregelanordnung auf die Höhe der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe sowie auf die Bewährungsentscheidung ausgewirkt hat.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak
Quentin
Feilcke
|
doc-63 | Tenor
Die Überbeurteilung der Beklagten vom 27. Mai 2011 zur Beurteilung der Rheinischen Notarkammer vom 11. Mai 2011 und der Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2011 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut dienstlich zu beurteilen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
1T a t b e s t a n d :
2Der Kläger, der beide juristische Staatsexamina mit der Note "gut" (13,00 Punkte bzw. 12,26 Punkte) bestanden hat und im Jahr 2006 in den Anwärterdienst für das Amt des Notars übernommen worden ist, wendet sich gegen eine aus Anlass eines Stellenbewerbungsverfahrens betreffend die im Justizministerialblatt für Nordrhein-Westfalen vom 15. März 2011 ausgeschriebene Notarstelle in S, Notar O, erteilte Überbeurteilung der Beklagten vom 27. Mai 2011 zur dienstlichen Beurteilung der Rheinischen Notarkammer vom 11. Mai 2011. Er ist der Ansicht, dass die Anlassbeurteilung mit der Note "sehr gut, 17 Punkte" hätte abgeschlossen werden müssen.
3Der Kläger belegt nach der Bewertung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Köln im Auswahlverfahren für die Stelle in S den zweiten Platz hinter dem Notarassessor M, dem Beigeladenen im Parallelverfahren 2 VA (Not) 13/11, einer Konkurrentenklage des Klägers gegen den Präsidenten des Oberlandesgerichts Köln. Der Präsident des Oberlandesgericht Köln hat in seiner Besetzungsentscheidung dem Präsidenten der Rheinischen Notarkammer folgend ausgeführt, dass der Kläger gegenüber Notarassessor M bei weniger guter dienstlicher Beurteilung - "sehr gut" (16 Punkte) gegenüber "sehr gut" (17 Punkte) - aber um 1,07 Punkte und einer Notenstufe besserem Ergebnis im 2. juristischen Staatsexamen - "gut" (12,26 Punkte gegenüber "vollbefriedigend" (11,19 Punkte) - fachlich annähernd gleich geeignet sei, so dass dem Notarassessor M wegen seiner um insgesamt ca. 10 Monate längeren Dienstzeit der Vorrang zu geben sei.
4Die Leistungsentwicklung des Klägers, der sich von Dezember 2006 bis April 2008 bei dem Notar T in W in Ausbildung befunden hatte, von Mai 2008 bis Oktober 2010 beim Deutschen Notarinstitut in Würzburg tätig gewesen war und seit Oktober 2010 dem Notar L in E zur Ausbildung zugewiesen ist, stellte sich bis zur streitgegenständlichen Beurteilung aus Mai 2011 wie folgt dar:
5Januar 2008 Dienstalter 1 Jahr 1 Monat "vollbefriedigend" (10 Punkte)
6Juni 2008 Dienstalter 1 Jahr 6 Monate "vollbefriedigend" (11 Punkte)
7Januar 2011 Dienstalter 4 Jahre 1 Monat "sehr gut" (16 Punkte).
8In seinem Beitrag vom 02. Mai 2011 zur streitgegenständlichen Beurteilung hat der Notar L angeführt:
9"Der Leistungsstand [des Klägers] liegt weit über dem Durchschnitt. Er ist in jeglicher Weise unbedenklich geeignet, ein Notariat selbständig zu führen.
10Ich halte - wie bereits in meiner vorhergehenden Beurteilung - [den Kläger] für das Amt des Notars für hervorragend geeignet."
11Die Rheinische Notarkammer hat den Kläger in ihrer dienstlichen Beurteilung vom 11. Mai 2011 wie folgt bewertet:
12"Unter Bezugnahme auf den Beurteilungsbeitrag von Notar L aus E vom 2. Mai 2011 und im Einvernehmen mit dem Ausschuss für Personal- und Standesangelegenheiten der Rheinischen Notarkammer beurteile ich die Fähigkeiten und fachlichen Leistungen des Notarassessors mit der Note "sehr gut" (16 Punkte). Das Dienstalter des Notarassessors beläuft sich bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist am 15. April 2011 auf vier Jahre und vier Monate. Ausweislich des vorliegenden Beurteilungsbeitrags hat er sich als Mitarbeiter und Vertreter seines Ausbildungsnotars bestens bewährt. Ich halte den Notarassessor für das Notaramt für besonders geeignet."
13Das Ergebnis des zweiten juristischen Staatsexamens ist in diese Beurteilung nicht mit eingeflossen.
14Der Beurteilung vom 11. Mai 2011 ist der Kläger in einer Gegenäußerung vom 25. Mai 2011 entgegengetreten. Die Beurteilung vollziehe die im Zeugnis des Notars L enthaltenen, positiv zu bewertenden Ergänzungen nicht nach. Die ihm von L bescheinigte "hervorragende Eignung" stehe in Einklang mit früheren Beurteilungen und werde bestätigt durch seine Tätigkeit für das Deutsche Notarinstitut, seine Vortragstätigkeit für die Rheinische Notarkammer und das Institut für Notarrecht des Deutschen Anwaltsinstituts sowie seine überdurchschnittliche Anzahl von Fachveröffentlichungen.
15Unter dem 27. Mai 2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie nach einer Woche zu der dienstlichen Beurteilung vom 11. Mai 2011 die Überqualifikation
16"Der vorstehenden Beurteilung trete ich nach Anhörung des Präsidenten des Landgerichts Düsseldorf nicht entgegen"
17zur Personalakte nehmen werde. Mit Bescheid vom 20. Juni 2011 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger, dass dessen Gegenäußerung nach nochmaliger Prüfung zu einer Abänderung ihrer Überbeurteilung vom 27. Mai 2011 keine Veranlassung gebe. Sie schließe sich einer Stellungnahme der Rheinischen Notarkammer vom 14. Juni 2011 an; der Beurteilungsbeitrag des Notars L vom 02. Mai 2011 lasse keine Anhaltspunkte erkennen, die innerhalb von vier Monaten eine außergewöhnliche Steigerung der Eignung des Klägers seit der letzten Beurteilung des Präsidenten der Rheinischen Notarkammer vom 12. Januar 2011 und dem dazugehörigen Beurteilungsbeitrag des Notars L vom 30. Dezember 2010 belegen würden.
18Daraufhin hat der Kläger mit bei Gericht am 18. Juli 2011 eingegangenem Schriftsatz die vorliegende Klage erhoben. Die Überbeurteilung sei unter Verletzung des der Beklagten zustehenden Beurteilungsspielraums zustande gekommen. Die Beklagte habe seine Vortragstätigkeit, seine Veröffentlichungen und seine Tätigkeit für das Deutsche Notarinstitut berücksichtigen müssen. Bereits sein früherer Ausbilder, der Notar T, und das Deutsche Notarinstitut hätten ihm einen erheblich überdurchschnittlichen Leistungsstand sowie weitaus überdurchschnittliche Kenntnisse in sämtlichen für die notarielle Tätigkeit relevanten Rechtsgebieten bescheinigt, was belege, dass die dienstliche Beurteilung durch den Notar L keine Momentaufnahme oder Einzelmeinung sei. Der von der Beklagten geforderte "Eignungssprung" für eine Benotung mit 17 statt 16 Punkten sei von § 3 Abs. 3 der Verordnung über die Ausbildung von Notarassessorinnen und Notarassessoren vom 18. Oktober 1999 (GV. NRW 1999, 577 - NotAssAusbV NW) nicht gedeckt, und die schematische Praxis, 17 Punkte vor Ablauf von sechs oder zumindest fünf Dienstjahren nicht zu vergeben, unterschreite den zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraum. Formell sei zu rügen, dass die Entscheidung der Rheinischen Notarkammer ausweislich deren Schreibens vom 14. Juni 2011 von den sog. "drei Weisen" gefertigt worden sei, obwohl die Zuständigkeit nach § 69 BNotO beim Vorstand liege. Schließlich bestünden grundlegende Bedenken gegen das generell unbrauchbare und rechtswidrig schematisch gehandhabte Beurteilungssystem.
19Der Kläger beantragt,
20die Beklagte zu verurteilen, die Überbeurteilung vom 27. Mai 2011 und den Bescheid vom 20. Juni 2011 aufzuheben und ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut dienstlich zu beurteilen.
21Die Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Ihre Überbeurteilung sei rechtmäßig.
24Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Klageschrift vom 15. Juli 2011 nebst Anlagen, die nachfolgenden Schriftsätze des Klägers vom 09. September 2011 und vom 21. Oktober 2010 nebst Anlage, die Klageerwiderung vom 23. August 2011, die weiteren Schriftsätze der Beklagten vom 05. Oktober 2011 und 24. Oktober 2011, die Stellungnahmen der Rheinischen Notarkammer vom 19. August 2011 und 07. Oktober 2011 sowie den Inhalt des Verwaltungsvorgangs 3830 E 6.90 und des Verwaltungsvorgangs des Präsidenten des Oberlandesgerichts Köln 3830 S 8.
25E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
26I.
27Die gemäß §§ 111 Abs. 1, 111b BNotO, §§ 42 ff., 68 ff., 74 VwGO, § 110 Abs. 1 JustG NW statthafte und zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Klage ist begründet.
28Die Überbeurteilung der Beklagten vom 27. Mai 2011 zur Beurteilung der Rheinischen Notarkammer vom 11. Mai 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, so dass sie aufzuheben ist, § 111b BNotO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dementsprechend ist auch der die Abänderung der Überbeurteilung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2011 aufzuheben. Die Beklagte ist nach § 7 Abs. 5 Satz 2 BNotO, § 3 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 6 NotAssAusbV NW verpflichtet, anlässlich der Bewerbung um die Notarstelle in S eine neue, den rechtlichen Vorgaben entsprechende Überbeurteilung zu erstellen.
29Dienstliche Beurteilungen sind gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Nur der Dienstherr oder Vorgesetzte sollen eine persönlichkeitsbedingte Wertung dazu abgeben, ob und inwieweit der zu Beurteilende den - vom Dienstherrn grundsätzlich selbst zu bestimmenden - persönlichen und fachlichen Anforderungen genügt. Die Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich gegenüber dieser Beurteilungsermächtigung darauf zu beschränken, ob Verfahrensvorschriften missachtet, die anzuwendenden Begriffe oder der gesetzliche Rahmen verkannt, unrichtige Sachverhalte zugrundegelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind.
30Im vorliegenden Fall haben die Rheinische Notarkammer und - ihr folgend - die Beklagte die Rechtsvorschriften über die dienstliche Beurteilung der Notarassessoren nicht hinreichend beachtet. Ihre Beurteilungspraxis steht nicht in Einklang mit § 7, 6 BNotO, § 3 NotAssAusbV NW, da sie - ausgehend von unterschiedlichen Eignungsbegriffen nach § 6 Abs. 1, 3 BNotO einerseits und § 3 NotAssAusbV NW andererseits - das Ergebnis des zweiten Staatsexamens bei der Leistungs- und Eignungsbeurteilung nach § 3 NotAssAusbV NW außen vor lässt. Nach den Angaben der Rheinischen Notarkammer fließt das Ergebnis des zweiten juristischen Staatsexamens in das Eignungsurteil erstmals im Vorschlag zur Besetzungsentscheidung unmittelbar ein, neben der nach ihrer Ansicht nur die "fachspezifische Eignung" betreffenden dienstlichen Beurteilung. Die Rheinische Notarkammer und die Beklagte erachten es als eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, dass das zweite Staatsexamen als objektives und jederzeit greifbares Kriterium erst bei der Auswahlentscheidung eine Rolle spielt.
31Dem kann nicht beigetreten werden. Weder der Wortlaut der Rechtsvorschriften noch deren Sinn und Zweck lassen den Schluss zu, dass der Eignungsbegriff in § 6 Abs. 3 BNotO von dem Eignungsbegriff des § 3 NotAssAusbV NW abweicht.
32a)
33Die NotAssAusbV NW basiert auf § 7 Abs. 5 Satz 2 BNotO, nach dem die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle die näheren Bestimmungen über die Ausbildung der Notarassessoren durch Rechtsverordnung trifft. Auch wenn § 3 NotAssAusbV NW keine Ausführungsvorschrift zu § 6 BNotO darstellt, ist vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass die in der Rechtsverordnung verwendete Terminologie inhaltlich der der BNotO entspricht. Dies gilt insbesondere für Begriffe, denen im Zusammenspiel zwischen der NotAssAusbV NW und der BNotO eine wesentliche Bedeutung zukommt, wie hier dem Begriff der "Eignung" für das Amt des Notars, der an der Schnittstelle zu der die Ausbildung des Notarassessors beendenden Bestellung zum Notar oder Entlassung aus dem Dienst steht.
34Die NotAssAusbV NW ist in §§ 3,4 auf die Prüfung und regelmäßige Bewertung dieser Eignung angelegt:
35Gemäß § 3 Abs. 1 NotAssAusbV NW ist der Notarassessor vor dem Ende des ersten Ausbildungsjahres, nach Ableistung des dreijährigen Regelanwärterdienstes, nach der Beendigung eines Ausbildungsabschnitts und bei jeder Bewerbung um eine freie Notarstelle zu beurteilen. Nach § 4 NotAssAusbV NW ist u.a. anhand der Beurteilung zu überprüfen, ob der Notarassessor für das Notaramt geeignet ist und voraussichtlich das Ziel des Anwärterdienstes erreichen wird. Die Beurteilung verhält sich auch über die Eignung des Notarassessors für das Notaramt, § 3 Abs. 3 NotAssAusbV NW. Der Anwärterdienst endet mit der Bestellung zum Notar oder der Entlassung aus dem Dienst, § 7 Abs. 6 BNotO. Nach § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 BNotO kann der Notarassessor entlassen werden, wenn er sich zur Bestellung als Notar als ungeeignet erweist. Gemäß § 6 Abs. 1 BNotO sind nur solche Bewerber zu Notaren zu bestellen, die nach ihrer Persönlichkeit und ihren Leistungen für das Amt des Notars geeignet sind. Die Reihenfolge bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern richtet sich nach der persönlichen und fachlichen Eignung unter Berücksichtigung der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung und der bei der Vorbereitung auf den Notarberuf gezeigten Leistungen, § 6 Abs. 3 BNotO.
36Die "Eignung" nach allen angeführten Vorschriften - auch nach § 6 Abs. 3 BNotO -
37beziehen sich dabei jeweils auf das Notaramt. Sie enthält eine persönliche und eine fachliche Komponente, § 6 Abs. 1 BNotO. Wesentliche Gesichtspunkte bei der Beurteilung der fachlichen Eignung nach § 6 BNotO sind zum einen die bei der Vorbereitung auf den Notarberuf gezeigten Leistungen und zum anderen das Ergebnis des zweiten Staatsexamens (Schippel/Bracker-Görk, Kommentar zur BNotO, 9. Aufl., § 6 Rn. 13). Dem entsprechend sind in § 6 Abs. 3 BNotO die Leistungen im Vorbereitungsdienst und das zweite Staatsexamen als maßgebliche Kriterien zur Beurteilung der fachlichen Eignung ausdrücklich angeführt; § 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO wiederholt damit nur die bereits in § 6 Abs. 1 BNotO erwähnten Bedingungen (Arnd/Lerch/Sandkühler-Lerch, Kommentar zur BNotO, 6. Aufl., § 6 Rn. 58).
38Dass - abweichend hiervon - die Eignungsbeurteilung nach § 3 Abs. 3 NotAssAusbV NW nur eingeschränkt, nämlich hinsichtlich der fachlichen Seite ohne Berücksichtigung des zweiten Staatsexamens erfolgen soll, ergibt sich aus dem Wortlaut der Verordnung nicht und ist auch sonst nicht begründbar.
39aa)
40Die Ansicht der Rheinischen Notarkammer, die Eignungsbewertung in der dienstlichen Beurteilung beziehe sich nur auf die Eignung speziell für das Notaramt, nicht aber unmittelbar und/oder ausdrücklich auch auf das zweite Staatsexamen, wohingegen bei der vergleichenden Eignungsbeurteilung in § 6 Abs. 3 BNotO die beiden Kriterien des zweiten Staatsexamens und der Leistungen im Vorbereitungsdienst in den Blick zu nehmen seien, steht in Widerspruch dazu, dass sich der Eignungsbegriff in § 6 BNotO ebenfalls ausdrücklich auf die persönliche und fachliche Eignung "für das Amt des Notars" bezieht, § 6 Abs. 1 BNotO, und § 6 Abs. 3 BNotO dem Wortlaut nach gerade nicht zwischen einerseits der fachlichen Eignung nur unter Berücksichtigung der Leistungen im Vorbereitungsdienst - im Sinne einer "fachlichen Eignung (speziell) für das Notaramt" - und andererseits dem Ergebnis des zweiten Staatsexamens als ergänzendem Abwägungskriterium bei der Auswahlentscheidung differenziert. Insoweit geht auch der Einwand fehl, der Gesetzgeber messe beiden kumulativ zu betrachtenden Abwägungskriterien einen jeweils eigenständigen Aussagegehalt für die fachliche Eignung zu, so dass - würde das zweite Staatsexamen in der dienstlichen Beurteilung mit berücksichtigt - es bei der Auswahlentscheidung nach § 6 Abs. 3 BNotO zu einer "Doppelverwertung" käme.
41Von einer Differenzierung zwischen spezieller und vergleichender Eignungsbeurteilung gehen, entgegen der Darstellung der Rheinischen Notarkammer, weder Egerland (in: Die Notarbestellung im hauptberuflichen Notariat, 2009) aus, noch das von diesem analysierte und gebilligte bayrische Punktesystem. Egerland betont im Gegenteil, dass das zweite Staatsexamen und die im Vorbereitungsdienst gezeigten Leistungen keine eigenständigen Auswahlkriterien sind, sondern beide systematisch der fachlichen Eignung zuzuordnen und berufsspezifisch sind (Egerland, a.a.O., S. 259, 261, 268, 291). Das bayerische Punktesystem gilt für die Bewerbung ausschließlich außerbayerischer Bewerber um eine Notarstelle und beinhaltet, dass pro Bewerber höchstens 50 Punkte vergeben werden, wobei auf das zweite Staatsexamen maximal 15 Punkte entfallen, auf das erste Staatsexamen maximal 2 Punkte, auf das Leistungsbild bei der Vorbereitung für den Notarberuf maximal 15 Punkte, auf die Dauer notarspezifischer Tätigkeit maximal 6 Punkte, auf das Vorliegen notarspezifischer Zusatzqualifikationen maximal 2 Punkte und auf die Bewertung beim Vorstellungsgespräch maximal 10 Punkte (s. BGH MittBayNot 2005, 335). Das Leistungsbild bei der Vorbereitung auf den Notarberuf war dabei im konkreten Fall nach dem Gesamtinhalt der Zeugnisse der Ausbilder bewertet worden, nicht nach der Eignungsbeurteilung der Rheinischen Notarkammer.
42§ 6 Abs. 3 Satz 3 BNotO stützt die von der Rheinischen Notarkammer vertretene Ansicht ebenfalls nicht. Nach dieser das Anwaltsnotariat betreffenden Regelung setzt sich die mit Punkten zu bewertende fachliche Eignung für das Notaramt aus der Leistung im zweiten Staatsexamen und den Leistungen in der Ausbildung zum Notar, hier in Form des Ergebnisses der notariellen Fachprüfung, zusammen, wobei sich die Punktzahl zu 60 % nach dem Ergebnis der Fachprüfung bestimmt und zu 40 % nach dem Ergebnis des zweiten Staatsexamens. Das Ergebnis der notariellen Fachprüfung ist mit einer dienstlichen Beurteilung der Rheinischen Notarkammer nach § 3 Abs. 3 NotAssAusbV NW nicht vergleichbar. Die Prüfung beschränkt sich auf eine Feststellung zur fachlichen Leistung des Assessors. Die Beurteilung nach § 3 Abs. 3 NotAssAusbV NW soll sich demgegenüber nicht nur über die - ebenfalls mit Note und Punktzahl, entsprechend § 17 Abs. 1 JAG, zu bewertenden - fachlichen Leistungen des Notarassessors verhalten, sondern darüber hinaus über seine Persönlichkeit, die im Beurteilungszeitraum wahrgenommenen Aufgaben, seine Fähigkeiten, seine Kenntnisse sowie über seine Eignung für das Notaramt.
43bb)
44Nicht beigetreten werden kann ferner dem Einwand der Beklagten, die vergleichende Eignungsbewertung nach § 6 Abs. 3 BNotO werde erleichtert und ihre Transparenz gefördert, wenn die Examensergebnisse nicht in die dienstliche Beurteilung einbezogen würden, weil die Beschränkung der Beurteilung auf die Beobachtungen während des Anwärterdienstes dazu zwinge, die Bewertungsschritte offenzulegen. Nach der bisherigen Bewertungspraxis der Rheinischen Notarkammer werden die Bewertungsschritte in der Beurteilung selbst gerade nicht offengelegt, was der Kläger im vorliegenden Verfahren auch ausdrücklich rügt; die Rheinische Notarkammer nimmt in ihren dienstlichen Beurteilungen lediglich auf die Beurteilungsbeiträge sowie das Einvernehmen mit ihrem Ausschuss für Personal- und Standesangelegenheiten pauschal Bezug. Würden dagegen bereits in der Eignungsbeurteilung der Rheinischen Notarkammer alle tragenden Kriterien angeführt und abschließend bewertet, würde das spätere Besetzungsverfahren für die Bewerber nicht nur berechenbarer sondern auch akzeptabler, weil die Konkurrenten dann ihre eigene Stellung im Bewerberfeld vorab sicherer einschätzen können.
45Die nach der derzeitigen Praxis bestehende Inkonsistenz im Beurteilungssystem wird augenfällig z.B. bei einem Vergleich der Besetzungsvorschläge der Rheinischen Notarkammer im Parallelverfahren 2 VA (Not) 13/11, der Konkurrentenklage des Klägers betreffend die Notarstelle in S, und dem Besetzungsverfahren für eine Notarstelle in E (beigezogener Verwaltungsvorgang E 6.90):
46Im Besetzungsverfahren betreffend die Notarstelle in E hatte die Rheinische Notarkammer in ihrem Vorschlag vom 30. Mai 2011 dem Notarassessor I den Vorrang von dem Notarassessor M, dem Beigeladenen im Parallelverfahren 2 VA (Not) 13/11, gegeben. Notarassessor M müsse Notarassessor I den Vortritt lassen, da dieser bei weniger guter dienstlicher Beurteilung - "besonders geeignet" (16 Punkte) gegenüber "hervorragend geeignet" (17 Punkte) - jedoch um 0,51 Punkte und eine Notenstufe besserem Ergebnis im 2. Staatsexamen (nämlich I: "gut" 11,70 Punkte, M: "vollbefriedigend" 11,19 Punkte) als fachlich annähernd gleich geeignet gelte, so dass dem Dienstalter (I: 6 Jahre und 10 Monate, M: 6 Jahre und 3 Monate) als nachgelagertem Kriterium eine besondere Bedeutung zukomme (M hat seine Bewerbung um die Notarstelle in E nach Eingang der Stellungnahme der Rheinischen Notarkammer zurückgezogen, die Beklagte hat daher zu dessen Eignung in ihrer Besetzungsentscheidung im Verwaltungsvorgang E 6.90 nicht Stellung genommen).
47Der Kläger hat das zweite Staatsexamen mit "gut" (12,26 Punkte) bestanden, d.h. ein um 0,56 Punkte besseres Ergebnis als der Notarassessor I und ein um 1,19 Punkte besseres Ergebnis als der Notarassessor M erzielt.
48Beiden Besetzungsverfahren lagen dienstliche Beurteilungen der Rheinischen Notarkammer vom 11. Mai 2011 zugrunde. Die Fähigkeiten und fachliche Leistungen des Klägers und des Notarassessors I sind dort jeweils mit "sehr gut" (16 Punkte) bewertet worden und ihre Eignung für das Notaramt jeweils mit "besonders geeignet". Die Fähigkeiten und fachliche Leistungen des Notarassessors M sind mit "sehr gut" (17 Punkte) bewertet worden und seine Eignung für das Notaramt mit "hervorragend geeignet". Ausgehend von der Tatsache, dass das um 0,51 Punkte bessere zweite Staatsexamen des Notarassessors I nach der Beurteilung der Rheinischen Notarkammer im Besetzungsverfahren für die Notarstelle in E zu einer annähernd gleich guten Eignung für das Notaramt geführt hat (so dass dann das nachrangige Kriterium des Dienstalters greifen konnte), müsste bei einem Vergleich aller drei Notarassessoren an sich der Kläger gegenüber I - und damit im Ergebnis auch gegenüber M - als für das Amt des Notars besser geeignet erscheinen, da er bei gleicher dienstlicher Beurteilung wie I gegenüber I ein um 0,56 Punkte besseres Ergebnis im zweiten Staatsexamen aufweist. Tatsächlich hat die Rheinische Notarkammer aber die Eignung des Klägers im Besetzungsverfahren für die Notarstelle in S - nur - mit der des Notarassessors M als annähernd vergleichbar angesehen (so dass ebenfalls wieder das nachrangige Kriterium des Dienstalters greifen konnte: 10 Monate mehr bei M).Die Verwendung der Examensnote als Korrektiv für das Ergebnis der dienstlichen Beurteilungen jeweils erst im konkreten Bewerbungsverfahren führt daher dazu, dass die Eignungsbeurteilungen der Rheinischen Notarkammer insgesamt betrachtet als widersprüchlich erscheinen, abgesehen davon, dass unklar bleibt, ab welchem Punkteunterschied bei den Ergebnissen des zweiten Staatsexamens unterschiedlich beurteilte Notarassessoren als "annähernd vergleichbar" angesehen werden können.
49Bei der vom Senat für richtig erachteten Vorgehensweise entfällt auch der vom Kläger im streitgegenständlichen Besetzungsverfahren geäußerte Verdacht einer unzulässigen "Handsteuerung" (unter der die Rheinische Notarkammer, wie sich aus ihrem Vortrag im Parallelverfahren 2 VA (Not) 13/11 ergibt, "die Selbstverständlichkeit [versteht], dass die Entscheidung über eine dienstliche Beurteilung und eine Bewerberkonkurrenz unter Berücksichtigung bzw. Abwägung aller rechtlich relevanten, individuelle Belange als Akt wertender Erkenntnis getroffen wird, also gerade nicht rein schematisch"), weil die Rheinischen Notarkammer dann ihre Eignungsbeurteilungen generell und nicht nur jeweils bezogen auf ein konkretes Besetzungsverfahren abgibt, so dass sie bei anderen Besetzungsverfahren an ihre eigenen Bewertungen gebunden bleibt.
50b)
51Dass die fachliche Eignung i.S.d. BNotO identisch ist mit der nach der NotAssAusbV NW ist, entspricht auch dem Sinn und Zweck der dienstlichen Beurteilung. Die Beurteilung dient der Eignungsprüfung nach Ablauf des ersten Jahres des Anwärterdienstes, § 4 NotAssAusbV NW, ferner der regelmäßigen Überprüfung der Eignung für das Notaramt im Hinblick auf § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 BNotO und schließlich der Vorbereitung der Besetzungsentscheidung nach § 6 BNotO.
52Die Eignung i.S.d. § 7 BNotO und i.S.d. §§ 3, 4 NotAssAusbVO NW sind notwendig identisch. Die Prüfung der Eignung nach § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 BNotO obliegt zwar den Aufsichtsbehörden, § 92 BNotO, Anhaltspunkte geben aber die dienstlichen Beurteilungen (Schippel/Bracker, a.a.O., § 7 Rn. 104). Die dienstlichen Beurteilungen der Rheinischen Notarkammer würden ad absurdum geführt, wenn z.B. zunächst dem Assessor eine fehlende fachspezifische "spezielle" Eignung zum Notaramt i.S.d. § 3 Abs. 3, § 4 NotAssAusbV bescheinigen und damit eine Entlassungs-Prüfung der Aufsichtsbehörde veranlasst würde, die Rheinische Notarkammer dann aber anschließend, nunmehr unter Einbeziehung des besonders guten zweiten Staatsexamens, davon ausginge, dass der Notarassessor voraussichtlich doch noch das Ziel des Anwärterdienstes erreichen werde, so dass eine ausreichende generelle Eignung i.S.d. § 7 Abs. 7, 6 Abs. 1, 3 BNotO vorliege. Die Rheinische Notarkammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2011 in diesem Zusammenhang dann auch erklärt, dass das zweite Staatsexamen ggf. in die Beurteilung "automatisch mittelbar" einfließe, nämlich dann, wenn das Examen des Notarassessors und seine Leistungen im Vorbereitungsdienst auseinanderfielen.
53Sind der Eignungsbegriff in § 7 BNotO und in §§ 3,4 NotAssAusbVO NW gleich, kann nichts anderen für den Eignungsbegriff des § 6 BNotO gelten.
54Ob die weiteren Rügen des Klägers gegen die generelle Bewertungspraxis der Beklagten bzw. der Rheinischen Notarkammer und gegen die im konkreten Einzelfall getroffene Entscheidung begründet sind, ist für das vorliegende Verfahren nicht entscheidungserheblich und kann daher dahinstehen.
55II.
56Die Kostenentscheidung beruht auf § 111b BNotO, § 154 Abs. 1 VwGO, und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 111b BNotO, § 167 VwGO, § 709 ZPO,
57III.
58Die Berufung wird gemäß § 111b BNotO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.
59IV.
60Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt, § 111g Abs. 1 BNotO, § 52 Abs. 1 GKG, § 111g Abs. 2 BNotO analog.
61R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
62Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach dessen Zustellung Berufung eingelegt werden. Dies hat schriftlich bei dem Oberlandesgericht - Senat für Notarsachen - in Köln zu erfolgen. Dabei muss das angefochtene Urteil bezeichnet werden. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses ist die Berufung zu begründen. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bundesgerichtshof - Senat für Notarsachen -, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen aufzuführenden Gründe der Anfechtung.
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doc-64 | Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Familiensenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 12. September 2017 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.
Der Wert der Rechtsmittelverfahren wird - hinsichtlich des Werts des Beschwerdeverfahrens in Abänderung des vorbezeichneten Beschlusses des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg - auf 8.236 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Antragsgegner wendet sich dagegen, dass das Oberlandesgericht seine Beschwerde in einer Trennungsunterhaltssache wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist verworfen hat.
2
Die vier Antragsteller sind die Kinder und Erben der ursprünglichen Antragstellerin. Diese hatte ihren Ehemann, den Antragsgegner, vor dem Amtsgericht auf Trennungsunterhalt in Anspruch genommen und ist während des erstinstanzlichen Verfahrens verstorben. Das Amtsgericht hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 9. Mai 2017 zur Zahlung von insgesamt 8.236 € nebst Zinsen an die Antragsteller verpflichtet. Der dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 15. Mai 2017 zugestellte Beschluss enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung, die wie folgt lautet:
"Gegen diesen Beschluss findet das Rechtsmittel der Beschwerde statt. (…) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von 1 Monat bei dem Amtsgericht (…) einzulegen. (…) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt. (…) Die Beschwerde soll begründet werden."
3
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten am 27. Mai 2017 Beschwerde beim Amtsgericht eingelegt und diese mit am 19. Juli 2017 beim Amtsgericht eingegangenem Rechtsanwaltsschriftsatz begründet. Das Amtsgericht hat diesen Schriftsatz an das Oberlandesgericht weitergeleitet, wo er am 26. Juli 2017 eingegangen ist. Nach einem Hinweis des Oberlandesgerichts, dass die Beschwerdebegründungsfrist versäumt sei, hat der Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Diesen Antrag hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen und die Beschwerde verworfen.
II.
4
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt. Der Antragsteller vermag auch nicht aufzuzeigen, dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre. Das Oberlandesgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt und die Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist verworfen. Damit hält es sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
5
1. Das Oberlandesgericht hat richtig gesehen, dass es sich bei dem auf Zahlung von Trennungsunterhalt gerichteten Verfahren gemäß §§ 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 Nr. 2 FamFG um eine Familienstreitsache handelt, für die § 117 Abs. 1 FamFG gilt. Danach war hier binnen zwei Monaten nach der schriftlichen Bekanntgabe des erstinstanzlichen Beschlusses eine Beschwerdebegründung beim Oberlandesgericht einzureichen. Diese Frist lief am 17. Juli 2017, einem Montag, ab, so dass der erst am 26. Juli 2017 beim Oberlandesgericht eingegangene Begründungsschriftsatz die Frist nicht gewahrt hat.
6
2. Auch die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt zu Rechtsbedenken keinen Anlass. Denn die Fristversäumung ist nicht unverschuldet im Sinne von §§ 117 Abs. 5 FamFG, 233 Satz 1 ZPO. Ohne Erfolg macht der Antragsgegner geltend, gemäß §§ 117 Abs. 5 FamFG, 233 Satz 2 ZPO müsse das Fehlen des Verschuldens vermutet werden. Vielmehr hat das Oberlandesgericht zu Recht angenommen, dass die Fristversäumung trotz der unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung auf dem Verschulden des anwaltlichen Vertreters des Antragsgegners beruht, das sich dieser gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
7
a) Allerdings darf auch ein Rechtsanwalt grundsätzlich auf die Richtigkeit einer durch das Gericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung vertrauen. Gleichwohl muss von ihm erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kennt. Das Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung kann er deshalb nicht uneingeschränkt, sondern nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die inhaltlich fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwalts geführt hat. Die Fristversäumung ist mithin auch in den Fällen einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung nicht unverschuldet, wenn diese offenkundig falsch gewesen ist und deshalb - ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand - nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Dezember 2013 - XII ZB 38/13 - FamRZ 2014, 643 Rn. 19 f. und vom 13. Juni 2012 - XII ZB 592/11 - FamRZ 2012, 1287 Rn. 9; BGH Beschlüsse vom 18. Oktober 2017 - LwZB 1/17 - NJW 2018, 165 Rn. 7; vom 12. Oktober 2016 - V ZB 178/15 - NJW 2017, 1112 Rn. 11 f. und vom 12. Januar 2012 - V ZB 198/11, V ZB 199/11 - NJW 2012, 2443 Rn. 10 f.).
8
b) Nach diesen Maßstäben war die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist durch den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners nicht unverschuldet. Die Unterteilung in Familienstreit- und Ehesachen einerseits und Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit andererseits gehört ebenso zu den verfahrensrechtlichen Grundkenntnissen eines im Familienrecht tätigen Rechtsanwalts wie das Wissen darum, dass in Familienstreitsachen die fristgebundene Rechtsmittelbegründung Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwerde und eine (Trennungs-)Unterhaltssache als Familienstreitsache einzuordnen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um einen Fachanwalt für Familienrecht handelt. Vielmehr nimmt der Rechtsanwalt mit der Übernahme eines entsprechenden Mandats diese verfahrensrechtliche Sachkunde für sich in Anspruch.
9
Daran ändert der Umstand nichts, dass diese einfachen Anforderungen genügende Kenntnis des Verfahrensrechts selbstverständlich auch vom Familiengericht zu verlangen und der Fehler in der Rechtsbehelfsbelehrung daher nicht nachvollziehbar ist. Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde schließlich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einer hinsichtlich des örtlich zuständigen Berufungsgerichts in Wohnungseigentumssachen unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung (vgl. BGH Beschluss vom 28. September 2017 - V ZB 109/16 - ZfIR 2018, 23 Rn. 14 mwN). Anders als dort unterliegt in der vorliegenden Sache weder die verfahrensrechtliche Einordnung (als Familienstreitsache) noch eine der Zulässigkeitsanforderungen des Rechtsmittels einer Unwägbarkeit, die den Rechtsirrtum des Rechtsanwalts nachvollziehbar erscheinen lassen könnte (vgl. auch BGH Beschluss vom 18. Oktober 2017 - LwZB 1/17 - NJW 2018, 165 Rn. 8).
Dose
Schilling
Nedden-Boeger
Botur
Guhling
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doc-65 |
11.3.2010
DE
Amtsblatt der Europäischen Union
L 62/52
BESCHLUSS DES GEMEINSAMEN EWR-AUSSCHUSSES
Nr. 151/2009
vom 4. Dezember 2009
zur Änderung von Anhang XXI (Statistik) des EWR-Abkommens
DER GEMEINSAME EWR-AUSSCHUSS —
gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, geändert durch das Anpassungsprotokoll zum Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, nachstehend „Abkommen“ genannt, insbesondere auf Artikel 98,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)
Anhang XXI des Abkommens wurde durch den Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 113/2009 vom 22. Oktober 2009 (1) geändert.
(2)
Die Verordnung (EG) Nr. 250/2009 der Kommission vom 11. März 2009 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 295/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Definitionen der Merkmale, das technische Format für die Datenübermittlung, die erforderlichen Doppelmeldungen gemäß NACE Rev. 1.1 und NACE Rev. 2 und die zuzulassenden Abweichungen bei der strukturellen Unternehmensstatistik (2) ist in das Abkommen aufzunehmen.
(3)
Die Verordnung (EG) Nr. 251/2009 der Kommission vom 11. März 2009 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 295/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die zu erstellenden Datenreihen für die strukturelle Unternehmensstatistik bzw. die nach der Überarbeitung der statistischen Güterklassifikation in Verbindung mit den Wirtschaftszweigen (CPA) erforderlichen Anpassungen (3) ist in das Abkommen aufzunehmen.
(4)
Die Verordnungen (EG) Nr. 2700/98 (4) und (EG) Nr. 2702/98 (5), die in das Abkommen aufgenommen wurden, werden mit der Verordnung (EG) Nr. 250/2009 aufgehoben, gelten jedoch weiterhin für die Erhebung, Erstellung und Übermittlung von Daten für die Berichtsjahre bis einschließlich 2007.
(5)
Die Verordnung (EG) Nr. 2701/98 (6), die in das Abkommen aufgenommen wurde, wird mit der Verordnung (EG) Nr. 251/2009 aufgehoben; sie gilt jedoch weiterhin für die Datenreihen, die für die Berichtsjahre bis einschließlich 2007 zu übermitteln sind —
BESCHLIESST:
Artikel 1
Anhang XXI des Abkommens wird wie folgt geändert:
1.
Unter Nummer 1 (Verordnung (EG) Nr. 295/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates) wird Folgendes angefügt:
„ , geändert durch:
—
32009 R 0251: Verordnung (EG) Nr. 251/2009 der Kommission vom 11. März 2009 (ABl. L 86 vom 31.3.2009, S. 170)“
2.
Nach Nummer 1j (Verordnung (EG) Nr. 1670/2003 der Kommission) werden folgende Nummern eingefügt:
„1k.
32009 R 0250: Verordnung (EG) Nr. 250/2009 der Kommission vom 11. März 2009 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 295/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Definitionen der Merkmale, das technische Format für die Datenübermittlung, die erforderlichen Doppelmeldungen gemäß NACE Rev. 1.1 und NACE Rev. 2 und die zuzulassenden Abweichungen bei der strukturellen Unternehmensstatistik (ABl. L 86 vom 31.3.2009, S. 1).
1l.
32009 R 0251: Verordnung (EG) Nr. 251/2009 der Kommission vom 11. März 2009 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 295/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die zu erstellenden Datenreihen für die strukturelle Unternehmensstatistik bzw. die nach der Überarbeitung der statistischen Güterklassifikation in Verbindung mit den Wirtschaftszweigen (CPA) erforderlichen Anpassungen (ABl. L 86 vom 31.3.2009, S. 170).
Die Verordnung gilt für die Zwecke dieses Abkommens mit folgender Anpassung:
Liechtenstein ist von der Erhebung der Daten der Datenreihen 9C und 9D nach Anhang I befreit. Liechtenstein liefert nur Daten der Ebene der Aufschlüsselung nach Tätigkeiten auf der zweistelligen Ebene der NACE Rev. 2.“
3.
Unter den Nummern 1a (Verordnung (EG) Nr. 2700/98 der Kommission) und 1c (Verordnung (EG) Nr. 2702/98 der Kommission) wird folgende Anpassung angefügt:
„Die Verordnung gilt für die Zwecke dieses Abkommens mit folgender Anpassung:
Die Verordnung wird mit Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 250/2009 aufgehoben. Sie gilt jedoch weiterhin für die Erhebung, Erstellung und Übermittlung von Daten für die Berichtsjahre bis einschließlich 2007.“
4.
Unter Nummer 1b (Verordnung (EG) Nr. 2701/98 der Kommission) wird folgende Anpassung angefügt:
„Die Verordnung gilt für die Zwecke dieses Abkommens mit folgender Anpassung:
Die Verordnung wird mit Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 251/2009 aufgehoben. Sie gilt jedoch weiterhin für die Datenreihen, die für die Berichtsjahre bis einschließlich 2007 zu übermitteln sind.“
Artikel 2
Der Wortlaut der Verordnungen (EG) Nr. 250/2009 und (EG) Nr. 251/2009 in isländischer und norwegischer Sprache, der in der EWR-Beilage des Amtsblatts der Europäischen Union veröffentlicht wird, ist verbindlich.
Artikel 3
Dieser Beschluss tritt am 5. Dezember 2009 in Kraft, sofern dem Gemeinsamen EWR-Ausschuss alle Mitteilungen nach Artikel 103 Absatz 1 des Abkommens vorliegen (7).
Artikel 4
Dieser Beschluss wird im EWR-Abschnitt und in der EWR-Beilage des Amtsblatts der Europäischen Union veröffentlicht.
Geschehen zu Brüssel am 4. Dezember 2009.
Für den Gemeinsamen EWR-Ausschuss
Die Vorsitzende
Oda Helen SLETNES
(1) ABl. L 334 vom 17.12.2009, S. 15.
(2) ABl. L 86 vom 31.3.2009, S. 1.
(3) ABl. L 86 vom 31.3.2009, S. 170.
(4) ABl. L 344 vom 18.12.1998, S. 49.
(5) ABl. L 344 vom 18.12.1998, S. 102.
(6) ABl. L 344 vom 18.12.1998, S. 81.
(7) Ein Bestehen verfassungsrechtlicher Anforderungen wurde nicht mitgeteilt.
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doc-66 |
Wichtiger rechtlicher Hinweis
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2013/363/Euratom: Beschluss der Kommission vom 17. Mai 2013 über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) und der Organisation für die Entwicklung der Energiewirtschaft auf der koreanischen Halbinsel (KEDO) - Abkommen zwischen der Europäischen Atomgemeinschaft und der Organisation für die Entwicklung der Energiewirtschaft auf der koreanischen Halbinsel
Amtsblatt Nr. L 188 vom 09/07/2013 S. 0001 - 0002
Beschluss der Kommissionvom 17. Mai 2013über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) und der Organisation für die Entwicklung der Energiewirtschaft auf der koreanischen Halbinsel (KEDO)(2013/363/Euratom)DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 101 Absatz 2,mit Zustimmung des Rates,in Erwägung nachstehenden Grundes:Das Abkommen zwischen der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) und der Organisation für die Entwicklung der Energiewirtschaft auf der koreanischen Halbinsel (KEDO) sollte abgeschlossen werden —BESCHLIESST:Artikel 1Das Abkommen zwischen der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) und der Organisation für die Entwicklung der Energiewirtschaft auf der koreanischen Halbinsel (KEDO) wird im Namen der Europäischen Atomgemeinschaft genehmigt. Der Wortlaut des Abkommens ist diesem Beschluss beigefügt.Artikel 2Der Präsident der Kommission und das für Energie zuständige Kommissionsmitglied werden hiermit ermächtigt, das Abkommen zu unterzeichnen und alle notwendigen Schritte für das Inkrafttreten dieses Abkommens, das im Namen der Europäischen Atomgemeinschaft abgeschlossen werden soll, einzuleiten.Brüssel, den 17. Mai 2013Für die KommissionGünther OettingerMitglied der Kommission--------------------------------------------------Abkommenzwischen der Europäischen Atomgemeinschaft und der Organisation für die Entwicklung der Energiewirtschaft auf der koreanischen HalbinselDIE EUROPÄISCHE ATOMGEMEINSCHAFT, —im Folgenden "Gemeinschaft" genannt, undDIE ORGANISATION FÜR DIE ENTWICKLUNG DER ENERGIEWIRTSCHAFT AUF DER KOREANISCHEN HALBINSEL,im Folgenden "KEDO" genannt,in Erwägung nachstehender Gründe:(1) Die KEDO wurde auf der Grundlage des am 19. September 1997 geänderten Abkommens vom 9. März 1995 über die Errichtung der Organisation für die Entwicklung der Energiewirtschaft auf der koreanischen Halbinsel zwischen den Regierungen der Republik Korea, Japans und der Vereinigten Staaten von Amerika errichtet.(2) Das fünfte Abkommen zwischen der Gemeinschaft und der KEDO ist am 31. Mai 2012 erloschen.(3) Nach seinem Beschluss, das Leichtwasserreaktor-Projekt der KEDO zu beenden, und der Entscheidung von 2007, die Aufgaben des Sekretariats mit deutlich gekürzter Personalausstattung und minimalen Bürokapazitäten zu erfüllen, hat der KEDO-Exekutivrat im Jahr 2011 beschlossen, die KEDO nach dem 31. Mai 2012 weiterzuführen.(4) Sowohl die Gemeinschaft als auch die KEDO haben den Wunsch geäußert, ihre Zusammenarbeit fortzusetzen, um das LWR-Projekt zu beenden und für eine ordnungsgemäße Abwicklung der KEDO zu sorgen —SIND WIE FOLGT ÜBEREINGEKOMMEN:Artikel 1Anwendung der Bestimmungen des vorherigen AbkommensSofern in einem der nachstehenden Artikel nichts anderes bestimmt ist, finden die Bestimmungen des vorherigen Abkommens zwischen der Gemeinschaft und der KEDO, das am 31. Mai 2012 erloschen ist, im Rahmen dieses Abkommens weiterhin Anwendung.Artikel 2Beitrag der GemeinschaftIm Rahmen dieses Abkommens leistet die Gemeinschaft keinen finanziellen Beitrag zum Haushalt der KEDO.Artikel 3LaufzeitDieses Abkommen erlischt am 31. Mai 2013. Es verlängert sich jedes Jahr automatisch um jeweils ein Jahr, es sei denn, dass eine Vertragspartei mindestens einen Monat vor Ablauf des Abkommens der anderen mitteilt, dass sie das Abkommen beenden möchte. Es kann auch mit sofortiger Wirkung nach Austritt einer der anderen derzeit im Exekutivrat vertretenen Mitglieder aus KEDO beendet werden. Dieses Abkommen wird nicht über den 31. Mai 2015 hinaus verlängert.Artikel 4InkrafttretenDieses Abkommen tritt mit seiner Unterzeichnung durch die Gemeinschaft und die KEDO in Kraft und wird ab dem 1. Juni 2012 wirksam.Geschehen zu Brüssel am vierundzwanzigsten Juni zweitausenddreizehn in zwei Urschriften.Für die Europäische AtomgemeinschaftGünther OettingerGeschehen zu New Jersey am vierten Juli zweitausenddreizehn in zwei Urschriften.Für die Organisation für die Entwicklung der Energiewirtschaft auf der koreanischen HalbinselDavid Wallace--------------------------------------------------
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doc-67 | Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 07.08.1997 und seines Widerspruchsbescheides vom 01.09.1997 verpflichtet, den Klägern die Fahrkosten für den Besuch des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums Severinstraße durch ihren Sohn E. im Schuljahr 1997/98 zu erstatten.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
1T a t b e s t a n d
2Mit Bescheid vom 07.08.1997 lehnte es der Beklagte gegenüber den Klägern ab, die Fahrkosten für den Besuch des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums Severinstraße in Köln durch den Sohn E. der Kläger für das Schuljahr 1997/1998 zu erstatten, weil es sich bei diesem Gymnasium nicht um die nächstgelegene Schule handele. Es könne nur die Übernahme der Fahrkosten zum - nächstgelegenen - Gymnasium Schaurtestraße beansprucht werden.
3Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machten die Kläger geltend, sie hätten für ihren Sohn das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium gewählt, weil diese Schule Latein als 1. Fremdsprache anbiete. Außerdem sei diese Schule leichter zu erreichen als die nächstgelegene Schule in Deutz, da ein Umsteigen nicht erforderlich sei.
4Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.1997 unter Wiederholung der Begründung des Ausgangsbescheids zurück und führte ergänzend aus, dass das unterschiedliche Angebot der ersten Fremdsprache keinen eigenen Schultyp begründe.
5Mit ihrer am 16.09.1997 dagegen erhobenen Klage machen die Kläger geltend, dem Besuch des nächstgelegenen Gymnasiums Schaurtestraße stünden schulorganisatorische Gründe entgegen, da dessen Kapazität erschöpft sei. Zudem habe die Grundschullehrerin aus pädagogischen Gründen ihrem Sohn empfohlen, ein Gymnasium zu besuchen, in dem er nicht mehr mit ehemaligen Grundschulmitschülern zusammen sei.
6Die Kläger legen eine Bescheinigung des Gymnasiums Schaurtestraße vom 04.09.1997 vor, aus der hervorgeht, dass der Sohn der Kläger nicht in die Jahrgangsstufe 5 aufgenommen werden kann, da die Kapazität der beiden Klassen erschöpft sei.
7Die Kläger beantragen sinngemäß,
8den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 07.08.1997 und seines Widerspruchsbescheides vom 01.09.1997 zu verpflichten, ihnen die Fahrkosten für den Besuch des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums Severinstraße durch ihren Sohn E. im Schuljahr 1997/98 zu erstatten.
9Der Beklagte beantragt,
10 die Klage abzuweisen.
11Zur Begründung wird ausgeführt, das nächstgelegene Gymnasium Schaurtestraße sei von der Wohnung der Kläger aus mit einer durchgängigen Straßenbahnlinie und einem kurzen Fußweg zu erreichen. Die vom 04.09.1997 stammende Bescheinigung, wonach die Klassenkapazitäten erschöpft seien, sei für den Rechtsstreit ohne Belang, da die Kläger ihren Sohn nicht innerhalb der jeweils Ende Februar für das kommende Schuljahr endenden Anmeldefrist am Gymnasium Schaurtestraße angemeldet hätten.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
14Das Gericht entscheidet gemäß § 84 Abs. 1 VwGO nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
15Die zulässige Klage ist auch begründet.
16Der Bescheid des Beklagten vom 07.08.1997 in Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 01.09.1997 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Den Klägern steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der im Schuljahr 1997/98 aufgewendeten Fahrkosten für die Fahrt ihres Sohnes E. zum Friedrich-Wilhelm-Gymnasium Severinstraße zu.
17Die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme liegen vor.
18Der Beklagte hat gemäß §§ 1, 2 Abs. 1, 4, 5 Abs. 1 der Verordnung zur Ausführung des § 7 Schulfinanzgesetz vom 24.03.1980 - SchFG -, hier anwendbar in der Fassung der Verordnung vom 20.01.1995 (BASS 1996/97 - 11-04 Nr. 3.1) - SchfkVO - die Kosten zu tragen, die für die Beförderung von Schülern von der Wohnung zur Schule und zurück notwendig entstehen.
19Notwendig können Fahrkosten gemäß §§ 5 Abs. 2, 7 Abs. 1 SchfkVO nur für den kürzesten Weg (Fußweg) zwischen der Wohnung des Schülers und der nächstgelegenen Schule entstehen, soweit dieser Schulweg - bei Schülern der Sekundarstufe 1, zu denen der Sohn der Kläger gehört - in der einfachen Entfernung mehr als 3,5 km beträgt. Wird eine andere als die nächstgelegene Schule besucht, sind Schülerfahrkosten vom Schulträger der besuchten Schule nur in Höhe des Betrages zu übernehmen, der beim Besuch der nächstgelegenen Schule anfallen würde (§ 9 Abs. 7 SchfkVO).
20Nächstgelegene Schule ist gemäß § 9 Abs. 3 SchfkVO für Schüler der nicht bereits in § 9 Abs. 1 und Abs. 2 SchfkVO aufgeführten Schulen, wenn - wie hier - für sie kein Schuleinzugsbereich gebildet worden ist, die Schule der gewählten Schulform, der gewählten Schulart, bei Sonderschulen und berufsbildenden Schulen auch des gewählten Schultyps sowie bei Gymnasien die Schule mit dem gewählten bilingualen Bildungsgang, die mit dem geringsten Aufwand an Kosten und einem zumutbaren Aufwand an Zeit erreicht werden kann und deren Besuch schulorganisatorische Gründe nicht entgegenstehen.
21Für den Sohn der Kläger war im Schuljahr 1997/98 das von ihm besuchte Friedrich-Wilhelm-Gymnasium Severinstraße nächstgelegene Schule im Sinne dieser Vorschrift. Denn seinem Besuch des räumlich näher gelegenen Gymnasiums Schaurtestraße standen zu Beginn des Schuljahres 1997/1998 schulorganisatorische Gründe entgegen.
22Zu den schulorganisatorischen Gründen im Sinne des § 9 Abs. 3 S. 2 SchfkVO sind alle diejenigen Maßnahmen und Umstände zu rechnen, die von einem Schulträger oder der Leitung einer Schule im Rahmen der Organisationsbefugnisse zur Regelung des Schulbesuchs getroffen bzw. verursacht werden, wie die Festlegung der Zahl der Klassen und der Anzahl der Schüler pro Klasse auf der Grundlage der dazu ergangenen gesetzlichen Bestimmungen und Verwaltungsvorschriften, ferner die auf die Zahl der vorhandenen Plätze abgestellte Entscheidung über die Aufnahme eines Schülers. Bei einer von einer Schulleitung erklärten Ablehnung der Aufnahme eines Schülers aus Kapazitätsgründen stehen damit dem Besuch dieser Schule durch den betroffenen Schüler schulorganisatorische Gründe entgegen,
23 vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.08.1979 - VIII A 1716/77 -, Urteil vom 15.09.1995 - 19 A 1262/94 -, Beschluss vom 19.10.2000 - 19 E 113/00 -.
24Solche Gründe haben aber Anfang September 1997 der Aufnahme des Sohnes der Kläger in die Klasse 5 des Gymnasiums Schaurtestraße entgegenzunehmen. Denn aus der vorgelegten, von diesem Gymnasium den Klägern ausgestellten Bescheinigung geht hervor, dass ihr Sohn aus Kapazitätsgründen nicht in die Jahrgangsstufe 5 dieses Gymnasiums aufgenommen werden konnte.
25Damit sind die in der Verordnung festgelegten Voraussetzungen für die Feststellung, dass die räumlich nächste Schule nicht die „nächstgelegene“ Schule ist, erfüllt. Weitere Voraussetzungen sind dem Wortlaut des hier einschlägigen § 9 Abs. 3 S. 2 SchfkVO nicht zu entnehmen. Insbesondere ergibt sich daraus kein Hinweis dafür, dass darauf abzustellen ist, wer die schulorganisatorischen Hinderungsgründe für eine Aufnahme des Schülers verschuldet oder zu vertreten hat,
26 vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.08.1979 - VIII A 1716/77 -, Beschluss vom 19.10.2000 - 19 E 113/00 -.
27Die Versäumung der für die Anmeldung von Schülern vorgesehenen Anmeldefrist durch die Kläger ist in diesem Zusammenhang entgegen der Auffassung des Beklagten nicht von entscheidender Bedeutung. Die in Verwaltungsvorschriften festgesetzten Anmeldefristen dienen nur der Erleichterung der organisatorischen Maßnahmen der Schulträger und Schulleiter, haben aber mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht zur Folge, dass derjenige Schüler, der die Anmeldefrist versäumt hat, vom Schulbesuch für dieses Schuljahr ausgeschlossen ist. Ihre Nichteinhaltung führt deshalb nicht dazu, dass allein aus diesem Grunde die Anmeldung und Aufnahme eines Schülers abgelehnt werden kann. Rechtlich besteht damit stets die Möglichkeit, dass Schüler, die während der Anmeldezeiten aus welchen Gründen auch immer nicht zum Schulbesuch für eine bestimmte Schule angemeldet worden sind, nachträglich - auch während eines Schuljahres - noch in eine Schule zum Schulbesuch aufgenommen werden und aufgenommen werden müssen, soweit Plätze vorhanden sind,
28 vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.08.1979, a.a.O..
29Vorliegend war also die Aufnahme des Sohnes der Kläger in das Gymnasium Schaurtestraße im September 1997 allein deshalb unmöglich, weil bei diesem Gymnasium zu diesem Zeitpunkt nicht genügend Plätze vorhanden gewesen sind.
30Ist damit das - von der Wohnung der Kläger unstreitig mehr als 3,5 km entfernte - Friedrich-Wilhelm-Gymnasium Severinstraße als nächstgelegene Schule anzusehen, hat der Beklagte den Klägern die für dessen Besuch anfallenden Schülerfahrkosten in vollem Umfang zu erstatten.
31Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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doc-68 | Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 15.1.2013 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Olpe vom 7.1.2013 aufgehoben.Der Kostenfestsetzungsantrag der Bevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 26.11.2012 wird zurückgewiesen.Die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 254,07 € festgesetzt.
1Gründe:2I.3In dem Ausgangsverfahren hat der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich in Höhe von 4.500,00 € geltend gemacht. Durch gerichtlichen Vergleich vom 30.5.2012 hat sich die Antragsgegnerin verpflichtet, an den Antragsteller 1.100,00 € zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs sind dem Antragsteller zu 3/4 und der Antragsgegnerin zu 1/4 auferlegt worden. Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 12.6.2012 ist der Verfahrenswert auf 4.500,00 € festgesetzt worden.4Mit Schriftsatz vom 1.6.2012 haben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin gemäß § 106 ZPO beantragt, Kosten in Höhe von 1.204,64 € festzusetzen. Die Vertreter des Antragstellers haben durch Schriftsatz vom 9.7.2012 beantragt, Kosten in Höhe von 1.160,85 € nach § 106 ZPO festzusetzen.5Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21.9.2012 hat das Amtsgericht unter Absetzung von Fahrtkosten auf Seiten des Antragstellers den Antragsteller verpflichtet, einen Betrag von 254,07 € an die Antragsgegnerin zu zahlen.6Mit Schriftsatz vom 26.11.2012 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin beantragt, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21.9.2012 zu seinen Gunsten umzuschreiben.7Mit Beschluss vom 7.1.2013 hat das Amtsgericht einen neuen Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen, wonach aufgrund des Vergleichs vom 30.5.2012 vom Antragsteller an die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin ein Betrag von 254,07 € zu erstatten sind. Des Weiteren wurde festgestellt, dass der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.9.2012 außer Kraft tritt.8Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Er weist darauf hin, dass bereits am 8.10.2012 die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem in diesem Verfahren erwirkten Titel erklärt wurde. Die Forderung der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller sei damit erloschen. Eine Berechtigung nach § 126 ZPO, die Gebühren im Namen der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin festzusetzen, bestehe nicht mehr.9II.10Die gemäß § 104 Abs. 3 ZPO zulässige Beschwerde hat Erfolg. Der Kostenfestsetzungsantrag der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin ist unbegründet.11Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin haben für die Antragsgegnerin nach § 106 ZPO einen eigenen Kostenfestsetzungsantrag gestellt. Dies ist ungeachtet der Vorschrift des § 126 ZPO möglich, weil die Kostenerstattungsansprüche der Partei aus den §§ 91 ff. ZPO und des beigeordneten Rechtsanwalts nach § 126 ZPO nebeneinander stehen (vgl. OLG Koblenz FamRZ 2012, 1968; Zöller-Geimer, ZPO, 29. Auflage 2012, § 126 Rn. 9). Dem folgend hat das Amtsgericht am 9.7.2012 einen Kostenfestsetzungsbeschluss zu Gunsten der Antragsgegnerin erlassen. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel eingelegt worden.12Die Forderung der Antragsgegnerin ist durch die durch Schriftsatz vom 8.10.2012 erklärte Aufrechnung erloschen. § 126 Abs. 2 S. 1 ZPO steht einer Aufrechnung nicht entgegen. Nach der ganz herrschenden Meinung muss ein Rechtsanwalt jedenfalls dann eine Erfüllung gegenüber der Partei gegen sich gelten lassen, wenn zu Gunsten der Partei ein Kostenfestsetzungsbeschluss erwirkt wurde (OLG Koblenz FamRZ 2012, 1968; MünchKommZPO-Motzer, 4. Auflage 2013, § 126 Rn. 13; Zöller-Geimer, ZPO, 29. Auflage 2012, § 126 Rn. 18; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 6. Auflage 2012, Rn. 787). Wenn ein vollstreckbarer Titel gegen einen Kostenschuldner vorliegt, muss es diesem erlaubt sein, an den Gegner zu zahlen bzw. ihm gegenüber aufzurechnen. Unerheblich ist insoweit, ob der Verfahrensbevollmächtigte seine Forderung bereits geltend gemacht hat (Zöller-Geimer, ZPO, 29. Auflage 2012, § 126 Rn. 18).13Wenn aber die Forderung erloschen ist, ist eine erneute Festsetzung nach § 126 ZPO zu Gunsten des Verfahrensbevollmächtigten (diese Vorschrift ermöglicht keine Titelumschreibung nach § 727 ZPO, vgl. MünchKommZPO-Motzer, 4. Auflage 2013, § 126 Rn. 9) nicht mehr möglich (OLG Koblenz FamRZ 2012, 1968).14Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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doc-69 | Urteilskopf
98 V 270
68. Auszug aus dem Urteil vom 13. Dezember 1972 i.S. Hochrainer gegen Ausgleichskasse des Kantons Aargau und Obergericht des Kantons Aargau
Regeste
Medizinische Massnahmen wegen Geburtsgebrechen (
Art. 13 IVG
): Zeitpunkt der Entstehung des Anspruches auf Behandlung (
Art. 4 Abs. 2 IVG
und Art. 22 Abs. 2 des Sozialversicherungsabkommens zwischen der Schweiz und Österreich).
Erwägungen
ab Seite 270
BGE 98 V 270 S. 270
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss Art. 22 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Schweiz und Österreich über Soziale Sicherheit erhalten minderjährige Kinder österreichischer Staatsbürgerschaft unter anderem dann Eingliederungsmassnahmen der schweizerischen Invalidenversicherung, wenn sie in der Schweiz ihren Wohnsitz haben und sich unmittelbar, bevor diese Massnahmen in Betracht kommen - bzw. die Invalidität eingetreten ist (vgl. dazu EVGE 1969 S. 223 f. Erw. 2, ZAK 1972 S. 671) -, ununterbrochen während mindestens eines Jahres dort aufgehalten haben.
2.
Laut
Art. 4 Abs. 2 IVG
gilt die Invalidität als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat. Dieser Zeitpunkt hängt einzig vom Zustand des Versicherten ab; zufällige externe Faktoren sind dabei unerheblich (EVGE 1969 S. 224 Erw. 3). Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers beurteilt sich die Frage des Eintritts der Invalidität auch nicht nach dem Zeitpunkt, in dem eine Anmeldung eingereicht oder von dem an eine Leistung gefordert wird.
Nach der Verwaltungspraxis (Wegleitung über Invalidität und Hilflosigkeit, Rz. 46), welche auf EVGE 1966 S. 175 beruht, gilt bei einem minderjährigen Versicherten, der an einem
BGE 98 V 270 S. 271
Geburtsgebrechen leidet, die Invalidität dann als eingetreten, wenn das festgestellte Gebrechen eine medizinische Behandlung oder eine ständige Kontrolle erstmals notwendig macht. Dieser Grundsatz ist in dem Sinne zu präzisieren, dass die erstmalige Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung oder einer ständigen Kontrolle in dem Zeitpunkt gegeben ist, in welchem die Behandlungs- oder Kontrollbedürftigkeit beginnt und keine Gegenindikation besteht.
3.
Im vorliegenden Fall stellte Dr. S. am 1./8. September 1971 die Behandlungsbedürftigkeit der Geburtsgebrechen (Leistenhernie und Kryptorchismus) des im August 1970 in Österreich geborenen Versicherten fest. Nach den Ausführungen des Bundesamtes für Sozialversicherung, auf die abzustellen ist, kann einerseits eine Hernie in jedem Lebensalter operiert werden, auch wenn der Eingriff üblicherweise erst nach Vollendung des 1. Lebensjahres vorgenommen wird. Anderseits ergeben sich aus den Akten keine hinreichenden Anhaltspunkte, welche zwingend auf eine Gegenindikation schliessen liessen. Weil der Versicherte am 1. November 1970 in die Schweiz einreiste, waren im Zeitpunkt der Behandlungsbedürftigkeit die versicherungsmässigen Voraussetzungen nach den zutreffenden Feststellungen von Verwaltung und Vorinstanz nicht erfüllt. Bei diesem Ausgang des Verfahrens kann offen bleiben, ob die Behandlungsbedürftigkeit bereits seit der Geburt des Versicherten bestanden hatte.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. |
doc-70 | [AZA 7]
H 181/00 Vr
II. Kammer
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari;
Gerichtsschreiber Fessler
Urteil vom 15. Dezember 2000
in Sachen
X._ AG in Liquidation, Beschwerdeführerin, vertreten durch den Liquidator Rechtsanwalt Karl Wüthrich, Mühlebachstrasse 20, Zürich,
gegen
Ausgleichskasse der Papierindustrie, Rütistrasse 28, Schlieren, Beschwerdegegnerin,
und
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn
A.- Mit Verfügung vom 10. August 1998 verpflichtete die Ausgleichskasse Papierindustrie die X._ AG in Liquidation zur Entrichtung von paritätischen Beiträgen in der Höhe von Fr. 94'685. 45 (einschliesslich Verzugszinsen) auf nicht abgerechneten "Bezügen" des S._ (vom
1. Januar 1994 bis 28. Februar 1997 Chief Executive Officer der Gruppe Y._), dies u.a. in Form von Zahlungen der Firma an die Vorsorgeeinrichtung für die Kaderangehörigen von insgesamt Fr. 763'359.- in den Jahren 1996/97.
B.- Die vom Liquidator, Rechtsanwalt Karl Wüthrich, hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 30. März 2000 in dem Sinne teilweise gut, dass es die Verfügung vom 10. August 1998 aufhob und die Sache an die Ausgleichskasse zurückwies, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre.
C.- Die X._ AG in Liquidation führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es seien Entscheid und Verfügung aufzuheben.
Während Ausgleichskasse und Bundesamt für Sozialversicherung die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen, lässt sich der als Mitinteressierter beigeladene S._ im Sinne der Gutheissung des Rechtsmittels vernehmen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Streitgegenstand bildet die beitragsrechtliche Qualifikation der 1996/97 erfolgten Zahlungen der beschwerdeführenden Firma an die Vorsorgeeinrichtung für die Kaderangehörigen zugunsten ihres Arbeitnehmers S._ in der Höhe von insgesamt Fr. 763'359.-.
Nicht zu prüfen ist der kantonale Entscheid, soweit er bezüglich der Zahlungen für die Kollektiv-Lebensversicherung massgebenden Lohn verneint hat.
2.- Nach altArt. 8 lit. a AHVV (in der bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung), erlassen durch den Bundesrat gestützt auf Art. 5 Abs. 4 AHVG, gehören nicht zum massgebenden Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG übliche Aufwendungen des Arbeitgebers, die ausschliesslich und unwiderruflich der beruflichen Vorsorge für die Arbeitnehmer und ihre Hinterlassenen dienen, wie Einlagen in Personalvorsorgeeinrichtungen oder in Sparhefte, Prämienzahlungen für Einzel- und Gruppenlebensversicherungen. Gemäss dem seit 1. Januar 1997 geltenden Wortlaut fallen unter die Ausnahmeregelung des Art. 8 lit. a AHVV reglementarische Beiträge des Arbeitgebers an Vorsorgeeinrichtungen, welche die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach dem Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG) erfüllen.
3.- Das kantonale Gericht hat im Wesentliche erwogen, die fraglichen Zahlungen der Firma an die Vorsorgeeinrichtung der Kaderangehörigen seien zwecks Schliessung einer Deckungslücke erfolgt. Diese Leistungen stellten somit begriffsnotwendig eine reglementarisch vorgesehene Sonderzuwendung dar, mit denen einzelne Arbeitnehmer im Sinne von Rz 2164 der bundesamtlichen Wegleitung über den massgebenden Lohn (WML, in der ab 1. Januar 1997 geltenden Fassung) individuell begünstigt werden; demzufolge seien diese Zahlungen der Beitragspflicht unterworfen. Dies habe, wiewohl nicht ausdrücklich festgehalten, schon unter dem alten Recht gegolten, sodass zu Recht die gesamte zugunsten des Arbeitnehmers in die 2. Säule einbezahlte Summe verabgabt worden sei.
Die Beschwerdeführerin hält der vorinstanzlichen Argumentation entgegen, mit den Sonderzuwendungen gemäss Rz 2164 WML seien offensichtlich Sondervergütungen gemeint, welche als Gratifikationen im Sinne von Art. 322d OR zu qualifizieren und als Entgelt für geleistete Arbeit demzufolge beitragsrechtlich massgebenden Lohn darstellten.
Davon deutlich zu unterscheiden seien Einkaufsleistungen des Arbeitgebers zur Schliessung von Deckungslücken in einem Vorsorgeplan, der für alle der entsprechenden Arbeitnehmer-Kategorie angehörenden Angestellten die gleichen Beiträge und Vorsorgeleistungen vorsehe, ohne dass einzelnen Vorsorgenehmern reglementarische Vorzugsstellungen in Bezug auf die Versicherung bestimmter Lohnbestandteile gewährt würden. Solche Einkaufssummen stellten, wenn und soweit sie, wie im vorliegenden Fall, das Angemessenheitsprinzip nicht verletzten, nicht massgebenden Lohn im Sin- ne von Art. 5 Abs. 2 AHVG dar. Diese Rechtsauffassung wer- de durch die bundesamtlichen Erläuterungen in AHI 1996 S. 270 ff. zu der am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Änderung von Art. 8 lit. a AHVV gestützt.
4.- Ob es sich bei den fraglichen Zahlungen der Firma an die Vorsorgeeinrichtung für die Kaderangehörigen zugunsten ihres Arbeitnehmers S._ um Sonderzuwendungen im Sinne von Rz 2164 WML handelt, braucht nicht näher geprüft zu werden, ebenso nicht die Vorfrage der Verordnungs- und Gesetzmässigkeit dieser Verwaltungsweisung. Entscheidend für die beitragsrechtliche Qualifikation der betreffenden Leistungen ist, wie das Bundesamt in seiner Vernehmlassung zutreffend festhält, dass sie nicht aus freien Mitteln der Firma stammten, sondern durch Verrechnung mit arbeitsvertraglichen Ansprüchen des Begünstigten finanziert wurden.
Aus den Akten und den Ausführungen in der Beschwerde an die Vorinstanz ergibt sich, dass die Summe von Fr. 763'359.- im Umfang von Fr. 94'350.- mit dem (nicht ausbezahlten) Lohn für November und Dezember 1995 und der Restbetrag mit einem Teil der vertraglich zugesicherten Salärpauschale bestritten wurde. Bei den betreffenden Einzahlungen der Firma in die 2. Säule handelt es sich somit um eine Form indirekter Lohnzahlung, was eine Beitragsbefreiung gestützt auf altArt. 8 lit. a AHVV ausschliesst (nicht veröffentlichtes Urteil S. SA vom 7. Mai 1996 [H 264/95] mit Hinweis auf ZAK 1952 S. 98). Das selbe gilt auch unter der Herrschaft der seit 1. Januar 1997 in Kraft stehenden Neufassung dieser Verordnungsbestimmung. Die Berufung der Beschwerdeführerin auf die bundesamtlichen Erläuterungen zu dieser Änderung (vgl. AHI 1996 S. 273) dringt nicht durch. Vielmehr wird dort in Bezug auf einen wichtigen Anwendungsfall (Vergütungen im Sinne von Art. 322d OR [Gratifikationen]) exemplarisch festgehalten, dass es für die Frage, ob Leistungen des Arbeitgebers zugunsten des Arbeitnehmers unter die Ausnahmeregelung des Art. 8 lit. a AHVV fallen, nicht darauf ankomme, dass sie im Reglement oder in den Statuten der Vorsorgeeinrichtung als Sondereinlagen bezeichnet werden.
Der angefochtene Entscheid ist somit im Ergebnis rechtens (Art. 114 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 132 OG und BGE 122 V 36 Erw. 2b).
5.- Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 135 OG).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II.Die Gerichtskosten von Fr. 4500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, dem Bundesamt für Sozialversicherung und S._ zugestellt.
Luzern, 15. Dezember 2000
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: |
doc-71 | Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_613/2020
Urteil vom 3. Dezember 2020
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichterin Hänni,
Gerichtsschreiber Zollinger.
Verfahrensbeteiligte
1. A.A._,
2. B.A._,
Beschwerdeführer
beide vertreten durch Alexandra Hellige, Rechtsanwältin und Nicola Corvi, Rechtsanwalt,
gegen
Kantonale Steuerverwaltung Wallis, Bahnhofstrasse 35, 1951 Sitten,
Gemeinde U._.
Gegenstand
Direkte Bundessteuer sowie Kantons- und Gemeindesteuer des Kantons Wallis, Steuerperiode 2013,
Beschwerde gegen das Urteil der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis vom 28. Mai 2020 (2017/58).
Sachverhalt:
A.
Das Restaurant "G._" auf der V._ stand auf der Parzelle Nr. xxx (Plan Nr. yyy) gelegen in der Gemeinde U._. Anfänglich befand sich dieses Grundstück zur Hälfte im Miteigentum der Erbengemeinschaft C.A._ (Miteigentumsanteil Nr. xxx-1) und zur anderen Hälfte im Miteigentum der Erbengemeinschaft H._ (Miteigentumsanteil Nr. xxx-2). Die Erbengemeinschaft C.A._ bestand aus D.A._ (Witwe des C.A._) sowie den drei Kindern E.A._, F.A._ und A.A._.
Ende Dezember 1987 nahm A.A._ eine selbständige Erwerbstätigkeit auf, um das Restaurant "G._" zu führen. Dazu erwarb er mit Kaufvertrag vom 27. November 1987 den Miteigentumsanteil Nr. xxx-2 von der Erbengemeinschaft H._. Den anderen Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 pachtete A.A._ von der Erbengemeinschaft C.A._. Am 7. Januar 2011 wurde A.A._ zum Alleineigentümer der Parzelle Nr. xxx samt des Restaurants "G._", nachdem ihm mittels Erbteilungsvertrag der Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 zugeteilt wurde.
Ende November 2013 veräusserte A.A._ das Restaurant "G._" zum Kaufpreis von Fr. 1.4 Mio. an eine Drittperson. Zugleich beendete er seine selbständige Erwerbstätigkeit.
B.
Mit Verfügung vom 3. November 2016 veranlagte die Kantonale Steuerverwaltung Wallis beim Ehepaar A.A._ und B.A._ im Rahmen der direkten Bundessteuer sowie der Kantons- und Gemeindesteuer für die Steuerperiode 2013 ein Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit von Fr. 801'429.-- inklusive eines Liquidationsgewinns von Fr. 645'887.--. Der auf den Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 entfallende Liquidationsgewinn wurde damit vollumfänglich bei ihnen besteuert. Die von A.A._ und B.A._ gegen diese Veranlagung vom 3. November 2016 erhobene Einsprache wies die Kantonale Steuerverwaltung Wallis mit Einspracheentscheid vom 6. Juli 2017 ab. Ebenso blieb die Beschwerde bei der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis ohne Erfolg (Urteil vom 28. Mai 2020).
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 23. Juli 2020 gelangen A.A._ und B.A._ an das Bundesgericht. Sie beantragen die Aufhebung des Urteils vom 28. Mai 2020. Der auf den Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 entfallende Liquidationsgewinn sei nicht zu versteuern und bei der Veranlagung der Steuerperiode 2013 nicht zu berücksichtigen.
Während die Kantonale Steuerverwaltung Wallis und die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) auf eine Vernehmlassung verzichten, beantragt die Steuerrekurskommission die Abweisung der Beschwerde. Die Gemeinde U._ lässt sich nicht vernehmen.
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 146 II 276 E. 1 S. 279; 141 II 113 E. 1 S. 116).
1.1. Die frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht (Art. 42 BGG) eingereichte Eingabe betrifft eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG) und richtet sich gegen das kantonal letztinstanzliche (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), verfahrensabschliessende (Art. 90 BGG) Urteil eines oberen Gerichts (Art. 86 Abs. 2 BGG). Das Rechtsmittel ist als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (Art. 83 BGG), zumal ein Beschwerderecht gemäss Art. 146 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) und Art. 73 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14) vorgesehen ist.
1.2. Die Beschwerdeführer sind bereits im kantonalen Verfahren als Parteien beteiligt gewesen und dort mit ihrem Antrag, der auf den Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 entfallende Liquidationsgewinn sei nicht zu versteuern und bei der Veranlagung der Steuerperiode 2013 nicht zu berücksichtigen, nicht durchgedrungen. Ausserdem sind sie durch das angefochtene Urteil vom 28. Mai 2020 in ihren schutzwürdigen Interessen besonders berührt. Sie sind somit zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG).
1.3. In der vorliegenden Angelegenheit hat die Vorinstanz in zulässiger Weise über die direkte Bundessteuer sowie die Kantons- und Gemeindesteuer ein Urteil gefällt (vgl. E. 1a des angefochtenen Urteils). Unter diesen Umständen und im Lichte der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung dürfen die Beschwerdeführer in derselben Eingabe sowohl gegen die direkte Bundessteuer als auch gegen die Kantons- und Gemeindesteuer ein Rechtsmittel einlegen (vgl. BGE 142 II 293 E. 1.2 S. 296; 135 II 260 E. 1.3.1 f. S. 262 ff.). Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten.
2.
Mit der Beschwerde kann namentlich die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), wobei es - unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) - grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen prüft, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (vgl. BGE 142 I 135 E. 1.5 S. 144; 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Seinem Urteil legt das Bundesgericht den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt kann nur erfolgreich gerügt, berichtigt oder ergänzt werden, wenn er offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 142 I 135 E. 1.6 S. 144 f.; 140 III 16 E. 1.3.1 S. 17 f.) Rügt die beschwerdeführende Partei eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung, haben ihre Vorbringen den Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG zu genügen (vgl. BGE 139 I 72 E. 9.2.3.6 S. 96; 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255; zur qualifizierten Rüge- und Begründungspflicht vgl. BGE 143 I 1 E. 1.4 S. 5; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254).
3.
Die vorliegende Angelegenheit betrifft die Frage, in welcher Höhe in der Steuerperiode 2013 ein Liquidationsgewinn auf dem Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 erzielt worden ist und ob der gesamte auf den Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 entfallende Liquidationsgewinn bei den Beschwerdeführern zu versteuern ist oder nicht.
3.1. Die Beschwerdeführer vertreten die Auffassung, dass der auf den Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 entfallende Liquidationsgewinn zumindest nicht in diesem Ausmass bei ihnen zu versteuern sei. Der Betrieb des Restaurants "G._" auf dem Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 sei im Zeitraum zwischen dem Ableben von C.A._ bis zur Erbteilung am 7. Januar 2011 bei allen Erben des Nachlasses im Gesamteigentum als Geschäftsvermögen zu qualifizieren. Mit der Übernahme des Betriebs durch den beschwerdeführenden Ehemann im Rahmen der Erbteilung am 7. Januar 2011 hätten die übrigen Erben der Erbengemeinschaft ihre selbständige Erwerbstätigkeit aufgegeben und dabei einen steuerbaren Liquidationsgewinn realisiert. Sie seien für den Wert der stillen Reserven mit anderen Vermögenswerten aus dem Nachlass abgefunden worden. Da diese Vermögenswerte den Wert der stillen Reserven aber noch nicht genügend abgedeckt hätten, habe der beschwerdeführende Ehemann noch einen Betrag von Fr. 9'612.35 an die anderen Erben bezahlt. Es hätte damals über die bestehenden stillen Reserven steuerlich abgerechnet werden müssen, da die Beschwerdeführer unbestrittenermassen kein Gesuch für einen Steueraufschub im Sinne von Art. 18a Abs. 3 DBG eingereicht hätten. Mangels Gesuch bilde die Erbteilung vom 7. Januar 2011 einen Realisationstatbestand bei den anderen Erben. Der in der Steuerperiode 2013 steuerbare Liquidationsgewinn könne sich demzufolge bloss aus der Differenz zwischen den Anlagekosten im Zeitpunkt der Erbteilung am 7. Januar 2011 und dem Verkehrswert im Zeitpunkt der Veräusserung im November 2013 berechnen.
3.2. Demgegenüber geht die Vorinstanz davon aus, dass im Zeitpunkt der Erbteilung keine Überführung vom Geschäftsvermögen in das Privatvermögen erfolgt sei. Der beschwerdeführende Ehemann habe den Betrieb bereits vor der Erbteilung geführt, sodass der Betrieb im Rahmen seiner selbständigen Erwerbstätigkeit auch nach der Erbteilung im Geschäftsvermögen verblieben sei. Werde ein Geschäftsbetrieb von einem der Erben unentgeltlich erworben, indem die anderen Erben im Rahmen der Erbteilung im Gegenzug andere Aktiven der Erbengemeinschaft erhielten, würden diese nicht besteuert, da sie keine stillen Reserven realisierten. Der vom beschwerdeführenden Ehemann bezahlte Betrag von Fr. 9'612.35 würde bloss eine vertraglich vereinbarte Zahlung darstellen, um die wertmässige Differenz zwischen den Grundstücken auszugleichen. Die Steuerverwaltung habe im Zeitpunkt der Erbteilung zu Recht keine Besteuerung vorgenommen und den Liquidationsgewinn in rechtmässiger Weise erst in der Steuerperiode 2013 vollumfänglich bei den Beschwerdeführern besteuert (vgl. S. 6 f. des angefochtenen Urteils).
3.3. Für die Beurteilung der vorliegenden Angelegenheit auf der Ebene der direkten Bundessteuer sind die Bestimmungen zur selbständigen Erwerbstätigkeit massgebend (vgl. Art. 18 ff. DBG; vgl. auch Art. 8 StHG).
3.3.1. Gemäss Art. 18 Abs. 2 DBG zählen auch alle Kapitalgewinne aus Veräusserung, Verwertung oder buchmässiger Aufwertung von Geschäftsvermögen zu den Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit. Der Veräusserung gleichgestellt ist die Überführung von Geschäftsvermögen in das Privatvermögen oder in ausländische Betriebe oder Betriebsstätten. Als Geschäftsvermögen gelten alle Vermögenswerte, die ganz oder vorwiegend der selbständigen Erwerbstätigkeit dienen. Deshalb ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung der Ausgangspunkt des Geschäftsvermögens einer natürlichen Person deren selbständige Erwerbstätigkeit. Das weitere Vermögen der betreffenden natürlichen Person gehört dem Privatvermögen an. Über die Zuweisung eines Vermögenswertes zum Privat- oder Geschäftsvermögen entscheidet die Gesamtheit der individuell-konkreten Umstände. Ausschlaggebendes Zuweisungskriterium ist die aktuelle technisch-wirtschaftliche Funktion des fraglichen Vermögensgegenstands. Werden Vermögenswerte aus dem Geschäftsvermögen ins Privatvermögen überführt, ist aufgrund des Systemwechsels im Sinne einer steuersystematischen Realisation über die realisierten stillen Reserven abzurechnen (vgl. BGE 143 II 661 E. 2.1 S. 663; 134 V 250 E. 4.2 S. 254; 133 II 420 E. 3.2 S. 422; Urteil 2C_332/2019 vom 1. Mai 2020 E. 2.1 f.; vgl. auch Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 StHG).
3.3.2. Im Rahmen der Unternehmenssteuerreform II vom 23. März 2007, die am 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist (vgl. AS 2008 2893, S. 2902), hat der Bundesgesetzgeber Aufschubtatbestände geschaffen, sodass entweder einstweilen nur über die wieder eingebrachten Abschreibungen abzurechnen ist (vgl. Art. 18a Abs. 1 DBG; Art. 8 Abs. 2bis StHG) oder es vorerst nicht zur Privatentnahme kommt (vgl. Art. 18a Abs. 2 DBG; Art. 8 Abs. 2ter StHG). Ausserdem bestimmt Art. 18a Abs. 3 DBG Folgendes: Wird bei einer Erbteilung der Geschäftsbetrieb nicht von allen Erben fortgeführt, so wird die Besteuerung der stillen Reserven auf Gesuch der den Betrieb übernehmenden Erben bis zur späteren Realisierung aufgeschoben, soweit diese Erben die bisherigen für die Einkommenssteuer massgebenden Werte übernehmen (vgl. auch Art. 8 Abs. 2quater StHG).
3.4. Mit dem Ableben von C.A._ ging der Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 und der damit zusammenhängende Betrieb des Restaurants "G._" nach dem in Art. 560 ZGB verankerten Prinzip der Universalsukzession auf sämtliche Erben über.
3.4.1. Dieser Vorgang ist steuerneutral (vgl. Botschaft vom 22. Juni 2005 zum Bundesgesetz über die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeiten und Investitionen [Unternehmenssteuerreformgesetz II], BBl 2005 4733 ff. [nachfolgend: Botschaft USR II], S. 4822). Die Erben sind damals an die Stelle des Verstorbenen getreten und zu selbständig Erwerbstätigen geworden. Dies gilt auch, wenn sie den Betrieb selber nicht weiterführen, sondern verkaufen, liquidieren oder verpachten (vgl. Urteile 2C_1081/2013 und 2C_1164/2013 vom 2. Juni 2014 E. 5.4; 2C_515/2013 vom 27. November 2013 E. 2.4.2; vgl. auch Reich/von Ah, in: Zweifel/Beusch [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 3. Aufl. 2017, N. 38 zu Art. 18). Letzteres ist vorliegend geschehen, indem der beschwerdeführende Ehemann von den anderen Erben den Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 und den dazugehörigen Betrieb gepachtet hat.
3.4.2. Nicht von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob der beschwerdeführende Ehemann den Pachtzins an seine Mutter (D.A._) als Vertreterin der Erbengemeinschaft bezahlt oder ob sie den Pachtzins aufgrund einer exklusiven erbvertraglichen Nutzniessungsberechtigung am Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 erhalten hat. In ersterem Fall wären die bezahlten Pachtzinsen bei sämtlichen Erben als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu erfassen, während im Falle einer Nutzniessung nur bei D.A._ Einkommen anfiele. Dies ändert indes nichts am Umstand, dass sich der Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 und der dazugehörige Betrieb bis zur Erbteilung am 7. Januar 2011 im Geschäftsvermögen der Erbengemeinschaft befunden hat und sämtliche Erben in diesem Umfang als selbständig erwerbstätig gelten. Die Sachverhaltsrüge der Beschwerdeführer mit Blick auf die Nutzniessung ist demnach nicht massgebend für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG; E. 2 hiervor).
3.5. Mit Erbteilungsvertrag vom 7. Januar 2011 teilten die Erben den Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 dem beschwerdeführenden Ehemann zu, während die übrigen Erben andere Vermögenswerte erhielten. Ausserdem zahlte der beschwerdeführende Ehemann den anderen Erben einen Betrag von Fr. 9'612.35.
3.5.1. Demzufolge hat der beschwerdeführende Ehemann im Rahmen der Erbteilung den Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 und den dazugehörigen Betrieb übernommen. Im Grundsatz gilt, dass jene Erben, die aus einer Erbengemeinschaft ausscheiden, ihre anteilsmässige Beteiligung aufgeben und für den von ihnen erzielten (Veräusserungs-) Gewinn einschliesslich des Gewinns aus der Realisierung stiller Reserven steuerpflichtig werden (vgl. Botschaft USR II, S. 4823; Kreisschreiben Nr. 26 der ESTV vom 16. Dezember 2009 betreffend Neuerungen bei der selbständigen Erwerbstätigkeit aufgrund der Unternehmenssteuerreform II, Ziff. 2.1 und Ziff. 2.3; E. 3.3.1 hiervor). In diesem Sinne stellt bei den ausscheidenden Erben die erbteilungsweise Zuweisung des Miteigentumsanteils Nr. xxx-1 samt Betrieb an den beschwerdeführenden Ehemann einen Realisationstatbestand im Sinne von Art. 18 Abs. 2 DBG dar. Der von den ausscheidenden Erben realisierte Liquidationsgewinn ist infolgedessen grundsätzlich steuerbar. Gemäss dem klaren Wortlaut von Art. 18a Abs. 3 DBG kann dieser Realisationstatbestand lediglich aufgeschoben werden, wenn die übernehmenden Erben ein Gesuch stellen und die bisherigen für die Einkommenssteuer massgebenden Werte übernehmen (vgl. E. 3.3.2 hiervor).
3.5.2. Wie die Beschwerdeführer zu Recht vorbringen, haben sie im Rahmen der Erbteilung unbestrittenermassen kein Gesuch gestellt, mit dem sie die Anwendung des Aufschubtatbestands von Art. 18a Abs. 3 DBG beantragt hätten. Folglich hätte bei den ausscheidenden Erben über die stillen Reserven - d.h. über den Teilungswert des Miteigentumsanteils Nr. xxx-1 samt Betrieb, der den Einkommenssteuerwert ihres Anteils übersteigt - steuerlich abgerechnet werden müssen. Lediglich bei den Beschwerdeführern ist mit Blick auf den Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 keine steuersystematische Realisation eingetreten, da der beschwerdeführende Ehemann den Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 samt Betrieb - nunmehr als Alleineigentümer - weiterhin als selbständig Erwerbstätiger im Geschäftsvermögen behalten hat.
3.6. Der beschwerdeführende Ehemann veräusserte im November 2013 das Alleineigentum an der Parzelle Nr. xxx sowie das darauf betriebene Restaurant "G._" zum Kaufpreis von Fr. 1.4 Mio. Zugleich beendete er seine selbständige Erwerbstätigkeit.
3.6.1. Dieser Vorgang wird aus steuerlicher Hinsicht von Art. 18 Abs. 2 DBG erfasst. Es liegt eine Veräusserung und Verwertung von Geschäftsvermögen in der Steuerperiode 2013 vor. Insofern hat die Vorinstanz zu Recht die Besteuerung eines Liquidationsgewinns bei den Beschwerdeführern bestätigt. Sie hat es jedoch unterlassen, eine zeitliche Differenzierung bei der Berechnung des Liquidationsgewinns je Erbanteil vorzunehmen.
3.6.2. Soweit die Erbanteile der anderen Erben betroffen sind, berechnet sich der in der Steuerperiode 2013 bei den Beschwerdeführern steuerbare Liquidationsgewinn bloss aus der Differenz zwischen den Anlagekosten im Zeitpunkt der Erbteilung am 7. Januar 2011 und dem Verkehrswert im Zeitpunkt der Veräusserung (Kaufpreis) im November 2013. Für den davor entstandenen Liquidationsgewinn ist eine Besteuerung nur bei den anderen Erben möglich (zur steuersystematischen Realisation bei den anderen Erben vgl. E. 3.5 hiervor). Im Umfang des Erbanteils des beschwerdeführenden Ehemanns ist über die stillen Reserven hingegen noch nicht abgerechnet worden, da sich der Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 samt Betrieb seit Beginn seiner selbständigen Erwerbstätigkeit im Geschäftsvermögen befunden hat. Erst mit der Veräusserung im November 2013 ist diesbezüglich ein Realisationstatbestand erfüllt. Da die Vorinstanz von der Annahme ausgegangen ist, der Liquidationsgewinn sei vollumfänglich von den Beschwerdeführern zu versteuern, hat sie die für eine differenzierte Berechnung des Liquidationsgewinns notwendigen Sachverhaltsfeststellungen nicht getroffen. Diese sind im Sinne der Erwägungen nachzuholen.
3.7. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerdeführer einen Liquidationsgewinn auf dem Miteigentumsanteil Nr. xxx-1 und dem dazugehörigen Betrieb zu versteuern haben. Für die Zeit vor der Erbteilung vom 7. Januar 2011 beschränkt sich dieser Liquidationsgewinn indes auf die stillen Reserven im Umfang des entsprechenden Erbanteils des beschwerdeführenden Ehemanns. Erst ab der Erbteilung am 7. Januar 2011 ist der entstandene Liquidationsgewinn ausschliesslich bei den Beschwerdeführern zu besteuern. Die Kantonale Steuerverwaltung Wallis hat die für diese Besteuerung massgebenden Werte zu ermitteln und die Veranlagung neu vorzunehmen.
4.
Die vorliegende Angelegenheit ist ebenso mit Blick auf die Kantons- und Gemeindesteuer des Kantons Wallis zu beurteilen.
4.1. Art. 14 Abs. 2 des Steuergesetzes des Kantons Wallis vom 10. März 1976 (StG VS; SGS 642.1) bestimmt, dass zu den Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit auch alle Kapitalgewinne aus Veräusserung, Verwertung oder buchmässiger Aufwertung von Geschäftsvermögen zählen. Der Veräusserung gleichgestellt ist die Überführung von Geschäftsvermögen in das Privatvermögen oder in ausländische Betriebe oder Betriebsstätten. Als Geschäftsvermögen gelten alle Vermögenswerte, die ganz oder vorwiegend der selbständigen Erwerbstätigkeit dienen. Ausserdem sieht Art. 14a Abs. 3 StG VS für den Fall, in dem bei der Erbteilung der Geschäftsbetrieb nicht von allen Erben fortgeführt wird, vor, dass die Besteuerung der stillen Reserven auf Gesuch der den Betrieb übernehmenden Erben bis zur späteren Realisierung aufgeschoben wird, soweit diese Erben die bisherigen für die Einkommenssteuer massgebenden Werte übernehmen. Diese Bestimmungen sind gleichlautend mit Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 StHG sowie Art. 8 Abs. 2quater StHG (vgl. auch E. 3.3 hiervor).
4.2. Als detaillierte Regelungen belassen Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 StHG betreffend die selbständige Erwerbstätigkeit und Art. 8 Abs. 2quater StHG als Aufschubtatbestand dem kantonalen Gesetzgeber keinen Gestaltungsspielraum. Die Bestimmungen kämen gemäss Art. 72 Abs. 2 StHG direkt zur Anwendung, falls sich erweisen sollte, dass das kantonale Steuerrecht ihnen widerspricht. Wo die bundessteuerrechtlichen und die steuerharmonisierungsrechtlichen Regelungen im Wortlaut übereinstimmen, drängt sich im Grundsatz zudem deren identische Auslegung auf. Dies ist im Interesse der vertikalen Steuerharmonisierung, die verlangt, dass Rechtsfragen im kantonalen und im eidgenössischen Recht mit Bezug auf die direkten Steuern nach Möglichkeit gleich beurteilt werden (vgl. BGE 133 II 114 E. 3.2 S. 116; vgl. auch BGE 139 II 363 E. 3.2 i.f. S. 371; 130 II 65 E. 5.2 S. 72 ff.).
4.3. Die Erwägungen zur direkten Bundessteuer gelten somit gleichermassen für die Kantons- und Gemeindesteuer des Kantons Wallis.
5.
Im Ergebnis erweist sich die Beschwerde sowohl betreffend die direkte Bundessteuer als auch betreffend die Kantons- und Gemeindesteuer als begründet, weshalb sie gutzuheissen ist. Das Urteil vom 28. Mai 2020 ist aufzuheben. Die Angelegenheit ist zur Neubeurteilung des Liquidationsgewinns an die Kantonale Steuerverwaltung Wallis (Art. 107 Abs. 2 BGG) und zur Neuverlegung der vorinstanzlichen Kosten- und Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz (Art. 67 BGG) zurückzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang trägt der Kanton Wallis, der in seinem amtlichen Wirkungskreis tätig wird und Vermögensinteressen wahrnimmt, die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 4 BGG). Der Kanton Wallis hat den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde betreffend die direkte Bundessteuer wird gutgeheissen. Das Urteil der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis vom 28. Mai 2020 wird aufgehoben.
2.
Die Beschwerde betreffend die Kantons- und Gemeindesteuer wird gutgeheissen. Das Urteil der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis vom 28. Mai 2020 wird aufgehoben.
3.
Die Angelegenheit wird zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Kantonale Steuerverwaltung Wallis zurückgewiesen.
4.
Die Angelegenheit wird zur Neuverlegung der vorinstanzlichen Kosten- und Entschädigungsfolgen an die Steuerrekurskommission des Kantons Wallis zurückgewiesen.
5.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Kanton Wallis auferlegt.
6.
Der Kanton Wallis hat den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung von Fr. 4'000.-- zu entrichten.
7.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. Dezember 2020
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Seiler
Der Gerichtsschreiber: Zollinger |
doc-72 |
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers wird hinsichtlich der unter Ziffer 3 des Bescheides vom 27. April 2017 vorgenommenen Zwangsgeldfestsetzung angeordnet, soweit sich diese auf die in diesem Bescheid unter Ziffer 2 getroffene Anordnung erstreckt.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Antragsteller begehrt die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen eine zwangsmittelbewehrte Anordnung der Antragsgegnerin, für die Teilnahme seiner Tochter an einer Klassenreise zu sorgen.
2
Die im April 2005 geborene Tochter des Antragstellers besucht die sechste Klasse einer Stadtteilschule in Hamburg. Für den Zeitraum vom 29. Mai bis zum 2. Juni 2017 ist eine Klassenreise nach Teterow in Mecklenburg-Vorpommern geplant.
3
Nachdem an der Stadtteilschule pädagogische und normverdeutlichende Gespräche mit der Tochter des Antragstellers, dem Antragsteller und seiner Ehefrau geführt worden waren, beantragte der Schulleiter der Stadtteilschule bei der Antragsgegnerin die Einleitung eines Bußgeldverfahrens wegen der drohenden Nichtteilnahme der Antragstellerin an der geplanten Klassenfahrt.
4
Mit dem an den Antragsteller gerichteten Bescheid vom 27. April 2017 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Tochter des Antragstellers verpflichtet sei, regelmäßig am Unterricht und an den pflichtmäßigen Schulveranstaltungen der Schule teilzunehmen, insbesondere an der Klassenreise. Sie verfügte:
5
„1. Ihnen wird aufgegeben, dafür zu sorgen, dass Ihr Kind an der Klassenreise der Klasse 6a der o.g. Bildungseinrichtung vom 29.5.207 bis 2.6.2017 (nach Teterow) teilnimmt.
6
2. Sollte Ihr Kind wegen Krankheit daran gehindert sein, an der o.g. Klassenreise teilzunehmen, wird ihnen auferlegt, die Krankheit umgehend durch Vorlage eines schulärztlichen Attests nachzuweisen. Zuständig für die Erteilung dieser Atteste ist das Gesundheitsamt Bezirksamt … – schulärztlicher Dienst, … Hamburg.
7
3. Für den Fall, dass Sie dieser Anordnung nicht nachkommen, wird hiermit gem. §§ 11,14 des Hamburgischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vom 04.12.2012 (Hamburgisches Gesetz- u. Verordnungsblatt S. 510 – HmbVwVG in der jeweils geltenden Fassung) ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro gegen Sie festgesetzt.“
8
4. Die sofortige Vollziehung zu Ziffer 1 dieses Bescheides wird angeordnet.“
9
Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, der Antragsteller sei als Sorgeberechtigter nach § 41 Abs. 1 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) dafür verantwortlich, dass die Schulpflichtige am Unterricht und an den Unterrichtsveranstaltungen (Klassenreise) der Schule regelmäßig teilnehme. Darüber hinaus begründete sie die Erforderlichkeit der Festsetzung eines Zwangsgeldes damit, dass der Antragsteller zuvor seiner Tochter verboten habe, an der Fahrt teilzunehmen. Hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung betonte die Antragsgegnerin das gewichtige öffentliche Interesse an der Erfüllung der Schulpflicht. Auf den weiteren Inhalt des Bescheides wird Bezug genommen.
10
Der Antragsteller legte persönlich am 22. April 2017 bei der Antragsgegnerin Widerspruch gegen diesen Bescheid ein und gab an, seine Tochter habe Angst, an der bevorstehenden Reise teilzunehmen. Denn ihr sei bereits im vergangenen Jahr vor einer anderen Reise von einem Mitschüler angedroht worden, sie während der Reise zu vergewaltigen. Die Angst sei nun so stark, dass der Reiseantritt nicht erfolgen werde. Ausweislich eines Gesprächsvermerks eines Mitarbeiters der Antragsgegnerin gab die Tochter des Antragstellers darüber hinaus an, dass Taschenmesser auf die Reise mitgenommen werden dürften, um Flöße zu bauen. Vor diesem Hintergrund befürchte sie erst recht, dass der Mitschüler seine Drohung tatsächlich wahr mache und das Messer zu Hilfe nehme. Selbst wenn der Mitschüler nicht mitreisen würde, habe sie Angst, beim Bau der Flöße ins Wasser zu fallen und zu ertrinken.
11
Am selben Tag hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Hamburg - ausdrücklich handelnd in Vollmacht für seine Frau wiederum für die gemeinsame Tochter - einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs bis zur rechtskräftigen Entscheidung gestellt. Zur Begründung nimmt er auf seinem Widerspruch Bezug. Er erklärt ferner, dass der Antrag ausschließlich als für seine Person gestellt anzusehen sei, wenn sich der Bescheid nur gegen ihn richte.
12
Die Antragsgegnerin hat telefonisch angegeben, dass ausweislich der Schülerakten der Antragstellerin und des benannten Mitschülers keine Hinweise auf eine Bedrohungssituation ersichtlich seien.
II.
13
Der Antrag wird zunächst gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO dahingehend ausgelegt, dass der Antragsteller selbst für sich und nicht in Vollmacht für seine Tochter tätig werden möchte. Denn der angegriffene Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. April 2017 ist ausdrücklich an den Antragsteller als Inhaltsadressaten gerichtet und er allein hat Widerspruch eingelegt.
14
Darüber hinaus wird der Antrag dahingehend verstanden, dass der Antragsteller insoweit die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs begehrt, wie diese von der Antragsgegnerin durch eine Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ausgeschlossen worden ist - nämlich hinsichtlich der Ziffer 1 des ergangenen Bescheides vom 27. April 2017. Hinsichtlich der Ziffer 2 des angegriffenen Bescheides ist dagegen kein einstweiliger Rechtsschutz erforderlich, weil die Antragsgegnerin insoweit ausweislich des Tenors die sofortige Vollziehung nicht angeordnet hat und der Widerspruch des Antragstellers insoweit aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 1 VwGO besitzt. Zwar hat sich die Antragsgegnerin in der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung auch auf Ziffer 2 des Bescheides bezogen, jedoch - zusätzlich zum klar gefassten Tenor - auch in einem weiteren Hinweis auf Seite 2 des Bescheides klargestellt, dass ein Widerspruch nur hinsichtlich der Ziffer 1 des Bescheides und der Zwangsgeldfestsetzung keine aufschiebende Wirkung besitzt.
15
Vor dem Hintergrund, dass hinsichtlich der unter Ziffer 3 verfügten Zwangsgeldfestsetzung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs von Gesetzes wegen gemäß § 29 HmbVwVG ausgeschlossen ist, entspricht es dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers, dass er auch insoweit einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Da hier ein gesetzlicher Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO vorliegt, ist sein Antrag bezogen auf die Zwangsgeldfestsetzung dahingehend zu verstehen, dass er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs begehrt.
III.
16
Der so verstandene Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft, aber nur teilweise begründet. Sofern Widerspruch und Anfechtungsklage aufgrund gesetzlicher Anordnung des Sofortvollzugs (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 - 3 VwGO) keine aufschiebende Wirkung haben, unterscheidet sich die gerichtliche Interessenabwägung bei der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Entscheidung über die Aussetzung des Sofortvollzugs von der Abwägung, wie sie in den Fällen einer behördlichen Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO stattfindet. So ist im Anwendungsbereich dieser Bestimmung bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) von besonderer Bedeutung, während in den Fällen der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzugs zu berücksichtigen ist, dass - umgekehrt - der Gesetzgeber den grundsätzlichen Vorrang des öffentlichen Interesses am Vollzug des Bescheides ungeachtet eines noch schwebenden Widerspruchs- oder Klageverfahrens angeordnet hat. Im Hinblick auf unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe ist somit zwischen dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (1.) und dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (2.) zu differenzieren.
17
1. Soweit der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die unter Ziffer 1 erlassene Verfügung, dafür zu sorgen, dass sein Kind an der Klassenreise teilnehme, begehrt, ist der Antrag unbegründet.
18
a. Die Antragsgegnerin hat im Bescheid vom 27. April 2017 ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der in der Ziffer 1 des Bescheidtenors getroffenen Entscheidung angenommen und dieses besondere Interesse in einer den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechenden Weise begründet. Bei der Prüfung dieser Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Erwägungen in der Sache zutreffend sind. Erforderlich ist vielmehr, dass die Anordnung überhaupt mit einer auf die Umstände des Einzelfalles bezogenen Begründung versehen ist (OVG Hamburg, Beschl. v. 20.2.2012, 2 Bs 14/12, juris Rn. 10). Diesen Anforderungen genügt die knappe Begründung, mit der die Antragsgegnerin die öffentlichen Interessen an der Erfüllung der Schulpflicht und der Teilnahme der Schülerin an der Klassenreise betont und gegenüber den persönlichen Belangen als vorrangig angesehen hat.
19
b. Die vom Gericht gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung bezieht sich hinsichtlich des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung allein auf das private Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehbarkeit der Ziffer 1 des Bescheides vom 27. April 2017 verschont zu bleiben. Die Abwägung dieses Interesses und dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug der Ziffer 1 dieser Verfügung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die Ziffer 1 der angefochtenen Verfügung erweist sich nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein vorzunehmenden summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig (aa.) und es besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnung (bb.).
20
aa. Der Widerspruch des Antragstellers dürfte gegenüber der Ziffer 1 des Bescheides vom 27. April 2017 erfolglos bleiben.
21
(1) Die konkretisierende Verfügung der Antragstellerin findet ihre Rechtsgrundlage in § 41 Abs. 1 Satz 1 HmbSG. Danach sind die Sorgeberechtigten dafür verantwortlich, dass die Schulpflichtigen am Unterricht und an den Unterrichtsveranstaltungen der Schule regelmäßig teilnehmen. Die Rechtsnorm des § 41 Abs. 1 Satz 1 HmbSG stellt eine taugliche Ermächtigungsgrundlage (Befugnisnorm) für den Erlass eines Verwaltungsakts dar, obwohl die Befugnis, einen Verwaltungsakt in Gestalt eines normkonkretisierenden Bescheides zu erlassen, dort nicht ausdrücklich geregelt ist. Vielmehr regelt diese Norm nur die Verantwortung der Sorgeberechtigten für die Einhaltung der Schulpflicht. In der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, der die Kammer folgt (vgl. Beschl. der Kammer v. 23.5.2017, 2 E 4284/17 zu § 13 MZG und v. 5.5.2015, 2 E 2501/15 zu § 34 HmbSG), ist jedoch anerkannt, dass die Befugnis der Verwaltung, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben des Mittels des Verwaltungsakts zu bedienen (sog. Verwaltungsaktsbefugnis) nicht ausdrücklich in der gesetzlichen Grundlage erwähnt sein muss, die in materieller Hinsicht zu einem Eingriff ermächtigt. Denn als Handlungsform, in der die Verwaltung Privatpersonen in der Regel gegenübertritt, ist der Verwaltungsakt allseits bekannt. Es reicht deshalb für die Qualität einer Ermächtigungsgrundlage im Hinblick auf den Vorbehalt des Gesetzes aus, wenn sich die Verwaltungsaktbefugnis dem Gesetz im Wege der Auslegung entnehmen lässt (BVerwG, Urt. v. 10.12.2014, 1 C 11/14, juris Rn. 13; Urt. v. 7.12.2011, 6 C 39/10, BVerwGE 141, 243, juris Rn. 14; ebenso VG Leipzig, Beschl. v. 22.9.2016, 4 L 585/16, juris Rn. 15). Dies ist vorliegend der Fall.
22
Zwar gibt der Wortlaut keinen ausdrücklichen Hinweis darauf. Demgegenüber zeigt die Systematik des Hamburgischen Schulgesetzes, dass gesetzestechnisch grundsätzlich keine gesonderten Befugnisnormen vorgesehen sind, um normierte Pflichten der Sorgeberechtigten durch einen Verwaltungsakt umzusetzen. Ebenso wie bei § 41 Abs. 1 HmbSG verhält es sich nämlich mit der in § 34 Abs. 2 HmbSG enthaltene Verpflichtung, Angaben für schulärztliche, schulpsychologische und sonderpädagogische Untersuchungen zu machen. Auch hier sieht das Hamburgische Schulgesetz keine gesonderte Befugnisnorm vor, um eine Regelung im Einzelfall zu erlassen (vgl. dazu Beschl. der Kammer v. 5.5.2015, a.a.O.). Dasselbe gilt für die Verpflichtung der Sorgeberechtigten nach § 42 Abs. 1 Satz 1 HmbSG, die Kinder vor der Einschulung an einer regional zuständigen Grundschule vorzustellen, wo eine Überprüfung des Entwicklungsstandes stattfinden soll, und für die Verpflichtung der Sorgeberechtigten nach § 42 Abs. 2 HmbSG, das jeweilige Kind nach öffentlicher Bekanntmachung rechtzeitig vor Beginn der Schulpflicht an einer regional zuständigen Grundschule anzumelden. Insofern liegt hier keine Situation vor, in der hinsichtlich einzelner Pflichten gesonderte Befugnisnormen bestehen, hinsichtlich anderer jedoch nicht (vgl. dazu VG Leipzig, Beschl. v. 22.9.2016, a.a.O., juris Rn. 16).
23
Diese Auslegung entspricht auch dem Verständnis des Gesetzgebers, der z.B. auch anlässlich der zum 18. Mai 2005 vorgenommenen Einfügung des § 41a HmbSG zum Schulzwang keine gesonderten Befugnisnormen für die verschiedenen Verpflichtungen der Sorgeberechtigten in das Hamburgische Schulgesetz aufgenommen hat. Vielmehr ging der Gesetzgeber davon aus, dass nach bisher geltendem Recht Anordnungen zur Durchsetzung von Schulpflicht und Vorstellung getroffen und mit Zwangsmitteln versehen werden können (vgl. Bü.-Drs. 18/1962 v. 15.3.2005, S. 2 und 4), dass diese Maßnahmen jedoch ohne den einzuführenden Schulzwang nicht ausreichen würden. Der Schulzwang sei erst als „ultima ratio“ einzusetzen.
24
Auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wurde in der Vergangenheit fast durchgängig die Norm des § 41 Abs. 1 HmbSG - allerdings ohne ausdrückliche Infragestellung - als ausreichende Befugnisnorm angesehen, um eine gegen die Sorgeberechtigten gerichtete Maßnahme anzuordnen, mit der diese zur Einhaltung der Schulpflicht einer Schülerin oder eines Schülers verpflichtet wurden - und nicht etwa die polizeiliche Generalklausel des § 3 Abs. 1 HmbSOG (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 20.7.2006, 1 So 105/06; Beschl. v. 24.4.2006, 1 So 56/06; st. Rspr. der Kammer 15 des VG Hamburg, vgl. z.B. Beschl. v. 20.4.2012, 15 E 1056/12, juris; a.A.: VG Hamburg, Beschl. v. 6.2.2015, 2 E 651/15, n.v., S. 4 BA).
25
(2) Die Anwendung der Befugnisnorm des § 41 Abs. 1 HmbSG ist vorliegend nicht zu beanstanden; die Tochter des Antragstellers ist hinsichtlich der Klassenfahrt schulpflichtig und der Antragsteller kann zur Einhaltung dieser Schulpflicht herangezogen werden.
26
Die in Hamburg wohnhafte zwölfjährige Tochter des Antragstellers ist schulpflichtig gemäß § 28 Abs. 2 i.V.m. §§ 37 Abs. 1 und 3, 38 Abs. 1 HmbSG. Gemäß § 28 Abs. 2 HmbSG sind Schülerinnen und Schüler verpflichtet, regelmäßig am Unterricht und an den pflichtgemäßen Schulveranstaltungen teilzunehmen. Schülerinnen und Schüler müssen daher auch an den Exkursionen und Klassenfahrten teilnehmen, welche von der Schule organisiert und durchgeführt werden, sofern sie zu dem Teilnehmerkreis dieser Veranstaltungen gehören (vgl. z.B. Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, S. 77 Rn. 276). Dass die Tochter des Antragstellers zum allgemeinen Teilnehmerkreis der Klassenreise gehört, wurde vom Antragsteller nicht bestritten.
27
Entgegen der Auffassung des Antragstellers besitzt die Tochter des Antragstellers keinen Anspruch auf Befreiung von einer bestimmten Unterrichtsveranstaltung nach § 28 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 HmbSG. Danach kann die Schule auf Antrag Schülerinnen und Schüler aus wichtigem Grund von der Teilnahme an einzelnen Unterrichtsveranstaltungen befreien, ohne dass das Schulverhältnis unterbrochen wird. Ob die Tochter des Antragstellers den hierfür erforderlichen Antrag ausdrücklich oder konkludent und zudem wirksam vertreten gestellt hat, kann dahinstehen. Denn ein wichtiger Grund im Sinne der oben genannten Vorschrift ist von dem insoweit darlegungspflichtigen Antragsteller nicht glaubhaft gemacht worden.
28
Die vom staatlichen Erziehungsauftrag umfasste Schulpflicht in der Gestalt der Teilnahmepflicht an einer Klassenfahrt hat eine ganz besondere pädagogische Bedeutung. Die Klassenfahrt ist, anders als der herkömmliche Schulunterricht, nicht auf die Vermittlung von schulischem Wissen, sondern auf die Einübung sozialer Verhaltensweisen im Klassenverband und die Verfestigung der Klassengemeinschaft gerichtet. Insofern ist die Klassenreise eine pädagogische Veranstaltung, in welcher der Staat seinen in Art. 7 Abs. 1 GG verankerten Anspruch, auch an der Formung des Persönlichkeitsbildes der ihm anvertrauten Schüler mitzuwirken, konkretisiert. Die vorstehend skizzierten Hauptfunktionen einer mehrtägigen Klassenreise sind an dem Menschenbild des Grundgesetzes, nämlich der eigenverantwortlich handelnden, der sozialen Gemeinschaft verpflichteten und auf Toleranz und Respekt gerichteten Persönlichkeit, orientiert (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 7.4.2009, 15 K 3337/08, juris Rn. 27). Bei der Durchsetzung der Schulpflicht muss der Staat generell und auch bezogen auf besondere Veranstaltungen wie eine Klassenfahrt seinen in Art. 7 Abs. 1 GG verankerten Erziehungsauftrag unter Beachtung dieser prinzipiell gleichrangigen Grundrechte der Eltern und Schüler konkretisieren und dabei einen schonenden Ausgleich im Sinne „praktischer Konkordanz“ beider Rechtspositionen herstellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.8.1993, 6 C 8/91, BVerwGE 94, 82 ff., juris Rn. 14, 18; VG Hamburg, Urt. v. 7.4.2009, 15 K 3337/08, juris Rn. 25; Beschl. v. 20.4.2012, 15 E 1056/12, juris Rn. 13). Dabei sind die im Einzelfall vom staatlichen Erziehungsauftrag umfassten Belange und die betroffenen Rechtspositionen der Eltern und Schüler konkret zu gewichten und einander gegenüberzustellen.
29
Im vorliegenden Verfahren macht der Antragsteller sinngemäß geltend, seine Tochter fürchte Gefahren für ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie auf sexuelle Selbstbestimmung, da ein Mitschüler sie bedrohe. Um gegenüber dem staatlichen Erziehungsauftrag und der oben geschilderten Bedeutung von Klassenfahrten das erforderliche berücksichtigungsfähige Gewicht zu erreichen, müssen die entgegenstehenden persönlichen Belange jedoch hinreichend substantiiert dargelegt werden. Denn allein der Umstand, dass eine zwölfjährige Schülerin auf einer Klassenfahrt in einer gemeinsamen Unterkunft mit weiteren Mitschülerinnen und Mitschülern übernachten wird, begründet die konkrete Gefahr eines Übergriffs nicht. Es ist darzulegen, aufgrund welcher konkreten Anhaltspunkte die geltend gemachte Gefahr zu befürchten ist, sowie, weshalb die mitreisenden Lehrer und gegebenenfalls weitere Aufsichtspersonen nicht in der Lage seien, die Schülerin vor den beschriebenen Gefahren zu schützen. Anderenfalls kann nicht von einer hinreichend wahrscheinlichen Gefährdung der schulpflichtigen Schülerin ausgegangen werden, die einen Befreiungsanspruch rechtfertigen würde.
30
Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Antragstellers im vorliegenden Fall nicht. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die vorgetragene Bedrohung durch den Mitschüler das maßgebliche Motiv für die vorgetragene Weigerung seiner Tochter darstellt, mitzureisen. Denn die Tochter des Antragstellers hat gegenüber der Antragsgegnerin auch angegeben, nicht am Bau von Flößen teilnehmen zu wollen, weil sie Angst habe, zu ertrinken. Darüber hinaus steht im Raum, dass der Antragsteller selbst gegenüber seiner Tochter ein Verbot ausgesprochen habe, mitzureisen. Doch selbst wenn nur auf die geltend gemachte Bedrohung abzustellen wäre, würde der Vortrag mangels hinreichender Substantiierung nicht ausreichen. Der Antragsteller hat sich allein darauf bezogen, dass seiner Tochter vor etwa einem Jahr - zu einem nicht näher konkretisierten Zeitpunkt - von einem Mitschüler gedroht worden sei, er werde sie (auf einer anderen Klassenfahrt) vergewaltigen. Dieser Mitschüler belästige sie weiterhin. Der Vortrag des Antragstellers ist bereits hinsichtlich einer gegenwärtigen, konkreten Bedrohungssituation, die zumindest durch die Angabe von Daten und Fakten hätte substantiiert werden müssen, nicht ausreichend. Auch benennt der Antragsteller nicht, wann und bei wem konkret seine Tochter um Hilfe nachgesucht hat, in welchem Umfang er sich als Sorgeberechtigte eingeschaltet hat, welche Maßnahmen von Seiten der Schule ergriffen worden seien etc. Er macht auch keine Angaben dazu, weshalb seine Tochter trotz der üblichen Unterbringung mit mehreren Mitschülerinnen in Gruppenzimmern und der Anwesenheit von Aufsichtspersonal einen Übergriff fürchtet. Ausweislich der Angaben der Antragsgegnerin sind in den Schulakten der Tochter des Antragstellers und des benannten Schülers, von dem die Bedrohung ausgehen soll, zudem keine dementsprechenden Hinweise zu finden. Die Angst, beim Bau von Flößen in tiefes Wasser zu fallen, stellt keinen hinreichen Grund für eine Befreiung dar, denn es ist weder glaubhaft gemacht worden noch ernstlich zu befürchten, dass mitreisende Lehrkräfte die Tochter des Antragstellers veranlassen würden, ohne hinreichende Sicherung ein Floß zu betreten, wenn sie ihnen gegenüber zu erkennen gibt, dass sich nicht schwimmen kann.
31
Der Antragsteller durfte auch als Adressat der erlassenen Verfügung zu Ziffer 1 in Anspruch genommen werden. Denn er ist Sorgeberechtigter seiner schulpflichtigen Tochter.
32
Soweit die Antragsgegnerin auf der Grundlage des § 41 Abs. 1 HmbSG berechtigt ist, eine konkretisierende Verfügung hinsichtlich der Pflicht der Sorgeberechtigten zur Einhaltung der Schulpflicht zu erlassen, hat sie jedenfalls ein Entschließungsermessen auszuüben und ihr Auswahlermessen hinsichtlich des oder der in Anspruch genommenen Sorgeberechtigten rechtmäßig zu betätigen. Ausweislich des vorliegenden Bescheides vom 27. April 2017 bestehen keine Zweifel daran, dass sich die Antragsgegnerin dieses Ermessens bewusst war. Sie hat nicht nur abgewogen, ob die entsprechende Verfügung zu erlassen ist, sondern hat sich auch bewusst an den Antragsteller als einen von zwei Sorgeberechtigten gewandt, da er sich zuvor gegen eine Teilnahme seiner Tochter an der Klassenfahrt ausdrücklich ausgesprochen und ihr diese verboten hat. Dieser Feststellung ist der Antragsteller nicht entgegen getreten. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anordnung der Teilnahme an der Klassenfahrt nicht verhältnismäßig sei. Sie dient - wie oben ausgeführt - dem legitimen Ziel der Durchsetzung der Schulpflicht und ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich. Mildere Mittel sind nicht ersichtlich.
33
Unschädlich ist für die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung, dass die Antragsgegnerin lediglich einen von beiden Sorgeberechtigten, und nicht auch die Mutter des schulpflichtigen Mädchens in Anspruch genommen hat. Denn dass ein weiterer Sorgeberechtigter existiert, berührt nicht die Rechtmäßigkeit der Verfügung etwa im Rahmen der Störerauswahl, sondern wirkt sich allenfalls auf der Ebene der Vollstreckung aus.
34
bb. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen und der Eilbedürftigkeit der Entscheidung ist auch ein besonderes Vollzugsinteresse, das im Rahmen der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erforderlich ist, vorliegend zu bejahen. Denn über den eingelegten Widerspruch bzw. über eine gegebenenfalls noch zu erhebende Klage wäre in keinem Fall vor dem Beginn der am 29. Mai 2017 beginnenden streitigen Klassenfahrt entschieden worden. Ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung hätte die Antragsgegnerin die Schulpflicht der Tochter des Antragstellers nicht effektiv durchsetzen können.
35
2. Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die in Ziffer 3 der Verfügung vorgenommene Zwangsgeldfestsetzung begehrt, hat sein Antrag teilweise Erfolg.
36
Die in der Verfügung vom 27. April 2017 unter Ziffer 3 vorgenommene Zwangsgeldfestsetzung bezieht sich ihrem Wortlaut laut nach auf „diese Anordnung“ und differenziert nicht nach der unter Ziffer 1 vorgenommen Verpflichtung, seine Tochter zur Einhaltung der Schulpflicht anzuhalten, und der unter Ziffer 2 verfügten Auflage, im Krankheitsfall der Tochter einen Schularzt aufzusuchen. Der Adressat kann die Zwangsgeldfestsetzung daher nur umfassend dahingehend verstehen, dass jeder Verstoß gegen eine der beiden Teilanordnungen dazu führen würde, dass das Zwangsgeld verwirkt ist.
37
Soweit sich die Zwangsgeldfestsetzung auf Ziffer 1 des Bescheides vom 27. April 2017 bezieht, ist sie nicht zu beanstanden. Sie stützt sich auf § 14 HmbVwVG. Nach § 14 Abs. 2 HmbVwVG kann das Zwangsgeld zugleich mit dem durchzusetzenden Verwaltungsakt festgesetzt werden. Es wird in diesem Fall wirksam, wenn die pflichtige Person die ihr obliegende Handlung nicht fristgemäß vorgenommen hat oder gegen eine Duldungs- oder Unterlassungspflicht verstößt und die Voraussetzungen des § 8 HmbVwVG vorliegen. Darüber hinaus muss ein zu vollstreckender Titel im Sinne des § 3 HmbVwVG vorliegen. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Zwangsgeldfestsetzung zu Ziffer 1 des Bescheides erfüllt. Insbesondere handelt es sich bei dieser Verfügung um einen vollstreckbaren Verwaltungsakt im Sinne des § 3 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVG, da die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung dieses Verwaltungsakts angeordnet und die Kammer die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht wiederhergestellt hat.
38
Die Zwangsgeldfestsetzung ist hinsichtlich der Ziffer 1 des Bescheides auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der sorgeberechtigten Ehefrau keine ausdrückliche Verpflichtung auferlegt wurde, die Veranlassung ihres Ehemanns zur Einhaltung der Schulpflicht der gemeinsamen Tochter zu dulden und dadurch ein Vollstreckungshindernis bestehen könnte. Denn eine Duldungsverfügung darf nicht rein vorsorglich ausgesprochen werden; ein Bedarf dafür besteht nur, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Duldungsverfügung der gegen den Vollzug aus „eigenem“ Recht Einwände erheben oder sich widersetzen wird (OVG Schleswig, Beschl. v. 17.11.2015, 1 MB 25715, juris Rn. 22 m.w.N.). Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte.
39
Soweit die Zwangsgeldfestsetzung sich jedoch auf Ziffer 2 des Bescheides vom 27. April 2017 bezieht, liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVG nicht vor: wie bereits oben ausgeführt, hat die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung dieser Regelung nicht angeordnet.
IV.
40
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Dem Antragsteller waren die Kosten des Verfahrens ganz aufzuerlegen, da die Antragsgegnerin nur zu einem sehr geringen Teil - hinsichtlich eines Teils der Zwangsgeldandrohung - unterlegen war.
41
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Die Kammer legt in der Hauptsache für den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs den Auffangstreitwert zugrunde, der in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 (NordÖR 2014, 14 ff.) im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zur Hälfte in Ansatz gebracht wird. Nach Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs 2013 erhöht der zugleich verfolgte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs den Streitwert nicht, da die Höhe des festgesetzten Zwangsgelds geringer ist.
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doc-73 | Urteilskopf
84 I 221
31. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung als staatsrechtlicher Kammer vom 20. November 1958 i.S. Lippuner gegen Margelisch und Kantonsgericht Schwyz.
Regeste
Verbot der Klageänderung (§ 205 Ziff. 1 der ZPO des Kantons Schwyz).
Verletzt der Richter dieses Verbot in willkürlicher Weise durch Berücksichtigung einer nachträglichen eventuellen Faustpfandansprache im Widerspruchsprozess, nachdem anfänglich nur auf Anerkennung des Eigentums geklagt worden war?
Gegenstand der Widerspruchsklage (
Art. 106-109 SchKG
).
Sachverhalt
ab Seite 222
BGE 84 I 221 S. 222
Aus dem Tatbestand:
In einer von Lippuner gegen Janser angehobenen Betreibung wurde ein auf der Liegenschaft des Schuldners errichteter, im Besitze des Bauunternehmers Margelisch befindlicher Inhaberschuldbrief von Fr. 10'000.-- gepfändet. An diesem Pfandtitel beanspruchte Margelisch ein Faustpfandrecht für eine Forderung von Fr. 7000.--. Es handelte sich um eine restliche Bauforderung mit Verzugszinsen. Das Betreibungsamt eröffnete über dieses Pfandrecht ein Widerspruchsverfahren nach Art. 106/7 SchKG (mit Klägerrolle des Pfandansprechers, der sich darüber nicht beschwerte), bezeichnete dann aber bei der Ansetzung der Klagefrist den vom betreibenden Gläubiger bestrittenen Anspruch als Eigentumsanspruch. Hierauf klagte Margelisch auf Anerkennung des ihm an diesem Schuldbrief zustehenden Eigentums und brachte zur Begründung vor, Janser habe ihm den Schuldbrief an Zahlungsstatt übergeben. In der Klagebeantwortung wies Lippuner darauf hin, dass Margelisch bisher den Schuldbrief immer nur als Sicherheit für seine restliche Bauforderung beansprucht habe. Erst nach Abschluss dieses Schriftenwechsels stellte Margelisch ein Eventualbegehren um Anerkennung eines ihm am streitigen Schuldbrief zustehenden Faustpfandrechtes. Darin sah Lippuner eine unzulässige Klageänderung, und er stellte den Antrag, es sei auf das Eventualbegehren nicht einzutreten. Die kantonalen Gerichte verwarfen diese Einrede und hiessen das Eventualbegehren gut.
BGE 84 I 221 S. 223
Gegen das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz vom 22. April 1958 richtet sich die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde des Beklagten Lippuner. Er rügt insbesondere eine willkürliche Verletzung des in § 205 Ziff. 1 der kantonalen ausgesprochenen Verbotes der Klageänderung.
Diese Vorschrift lautet: "§ 205.
Die Rechtshängigkeit der Klage hat folgende Wirkungen: 1. jede Änderung des aufgestellten Rechtsbegehrens und der Parteibezeichnungen, vorbehältlich der blossen Verdeutlichung derselben, sowie der Berichtigung von Rechnungsirrtümern oder offenbaren Schreibfehlern, ist ausgeschlossen;"
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Nach Ansicht des Beschwerdeführers durfte in diesem Widerspruchsprozess nur über das mit der Klage geltend gemachte Eigentum an dem gepfändeten Inhaberschuldbrief entschieden werden. Das erst nach Abschluss des Schriftenwechsels in eventuellem Sinn gestellte Rechtsbegehren betrachtet er, wie er sogleich nach Empfang der Nachtragseingabe vom 9. Mai 1957 einwendete, als eine vom kantonalen Prozessrecht (§ 205 Ziffer 1 der schwyzerischen ZPO) verpönte Klageänderung.
Demgegenüber beruft sich der Kläger in der Beschwerdebeantwortung auf die rechtliche Natur der Widerspruchsklage. Es geht im Widerspruchsprozess nach seinen Ausführungen gar nicht um ein bestimmtes vom Dritten beanspruchtes dingliches Recht, sei es Eigentum oder Pfandrecht, sondern einfach um "ein die Pfändungspfandrechte des betreibenden Gläubigers ausschliessendes oder zurückdrängendes Recht". Der Drittansprecher habe in seinem Rechtsbegehren nur dies zu behaupten; die dingliche Qualität seines Anspruchs habe also nicht als Gegenstand des Widerspruchsprozesses zu gelten, und das Urteil habe darüber und namentlich über eine dem dinglichen Recht zugrunde liegende Forderung nichts Verbindliches auszusagen. Dieser Betrachtungsweise ist nicht beizutreten.
BGE 84 I 221 S. 224
Man mag zwar zusammenfassend das Recht eines Dritten an gepfändeten Sachen als "ein die Pfändung ausschliessendes oder zurückdrängendes Recht" bezeichnen. Es ist aber für die Wirkung des Urteils auf den Fortgang der Betreibung von Belang, ob ein "die Pfändung ausschliessendes Recht" (Eigentum) oder bloss ein "sie zurückdrängendes Recht" (Pfandrecht) vorliege. Das Rechtsbegehren des Ansprechers hat daher anzugeben, ob das eine oder das andere dieser Rechte oder beide, nämlich in erster Linie Eigentum und in eventuellem Sinn Pfandrecht, geltend gemacht werden. Übrigens würde statt von einem "die Pfändung zurückdrängenden Recht" besser von einem "bei der Verwertung zu berücksichtigenden Vorzugsrecht" gesprochen. Denn das Pfandrecht lässt im Unterschied zum Eigentum die Pfändung als solche gänzlich zu Recht bestehen, so dass unter den gesetzlichen Voraussetzungen alsdann die Verwertung anzuordnen sein wird. Zum Zuschlag bei der Zwangsversteigerung (oder zu einem Freihandverkaufe) darf es dann aber nur kommen, wenn die als pfandgesichert befundenen Forderungen überboten werden, da nur ein nach deren Deckung verbleibender Überschuss den pfändenden Gläubigern zufällt (
Art. 126 SchKG
). Daher hat das Urteil im Widerspruchsprozess die Art des Drittmannsrechtes zu bezeichnen und bei Anerkennung eines Pfandrechtes auch den Betrag der pfandgesicherten Forderung, der bei der Verwertung überboten werden muss, rechtsverbindlich festzusetzen (wenn auch natürlich nur für das betreffende Betreibungsverfahren und mit Rechtskraftwirkung nur für die Parteien des Rechtsstreites). Nur so wird Klarheit darüber geschaffen, ob die Sache gepfändet bleibe und, bei blossem Pfandrecht, unter welchen Bedingungen sie verwertet werden dürfe. Dementsprechend unterscheiden die Betreibungsbehörden genau zwischen Eigentums- und Pfandansprachen (vgl.
BGE 81 III 54
ff.). Auch die für die Fristansetzungen nach
Art. 107 und 109 SchKG
zu verwendenden obligatorischen Formulare (vgl. Nr. 18 und 24) verlangen
BGE 84 I 221 S. 225
die Angabe des beanspruchten Rechtes und bei Pfand- und Retentionsrechtsansprachen die Bezifferung der gesicherten Forderung. Somit erweist sich der Einwand des Beschwerdegegners, es liege von vornherein keine Klageänderung vor, weil die Angabe der Art des von ihm beanspruchten dinglichen Rechtes keinen wesentlichen Bestandteil des Klagebegehrens bilde, als unzutreffend.
Nun bestanden aber sachlich vertretbare Gründe, das nachträglich vom Kläger gestellte Eventualbegehren nicht unter das Klageänderungsverbot der kantonalen Prozessordnung fallen zu lassen. In der Lehre des Prozessrechts ist allgemein anerkannt, dass die blosse Verminderung des anfänglich gestellten Klagebegehrens, sei es durch teilweisen Verzicht oder durch Stellung eines weniger weit gehenden Eventualbegehrens, nicht als Klageänderung zu gelten hat (vgl. GULDENER, Schweizeriches Zivilprozessrecht, 2. Auflage, S. 244/45; LEUCH, Kommentar zur bernischen ZPO, N. 2 zu Art. 94). Ein Pfandrecht kann allerdings im allgemeinen gegenüber dem Eigentum nicht in dem Sinn als ein geringeres Recht gelten, dass es in jenem begrifflich schon enthalten wäre und also jede Eigentumsklage eine Pfandrechtsklage in sich schlösse. Vielmehr wird oft um das Eigentum gestritten, ohne dass bei dessen Verneinung ein Pfandrecht in Frage käme. Hängt doch des Pfandrecht notwendig mit einer durch es zu sichernden Forderung zusammen, was für das Eigentum nicht zutrifft. Beruft sich aber der dritte Besitzer einer gepfändeten Sache auf ein ihm mit Rücksicht auf eine ihm zustehende unbeglichene Forderung übertragenes Eigentum, so kann es sich um endgültige Eigentumsübertragung (an Zahlungsstatt oder zahlungshalber) oder um fiduziarischen Eigentumserwerb (Sicherungsübereignung) handeln, und es mag sich alsdann im Prozess erweisen, dass ihm gar nicht Eigentum, wohl aber ein Pfandrecht zusteht. Bei der Übertragung einer Sache oder eines Inhaberpapiers an einen drängenden Gläubiger wird denn auch mitunter der Inhalt des ihm daran zustehenden Rechtes nicht eindeutig vereinbart.
BGE 84 I 221 S. 226
Deshalb kommt es bei Pfändungen häufig zu Drittansprachen, die auf Eigentum und zugleich eventuell auf Pfandrecht lauten, worauf in der Regel über die beiden alternativ erhobenen Ansprachen ein einheitliches WWiderspruchsverfahren durchzuführen ist (vgl.
BGE 69 III 38
ff.). Bei solchem Zusammenhang des Bestzierwerbs mit einer unbeglichenen Forderung erscheint fiduziarisches Eigentum (zur Sicherstellung) als ein geringeres Recht als endgültig (an Zahlungsstatt oder zahlungshalber) übertragenes Eigentum und ein Pfandrecht als geringeres Recht als fiduziarisches Eigentum. Diese dem Zweck der Tilgung oder Sicherstellung entsprechende praktische Betrachtungsweise kann es hinreichend rechtfertigen, gegenüber einem erst im Laufe des Widerspruchsprozesses erfolgenden Übergang von einem stärkeren zum schwächeren dieser Ansprüche, und ebenso gegenüber der ergänzenden Geltendmachung eines schwächern Anspruchs in eventuellem Sinne, ein vom Prozessgesetz aufgestelltes Klageänderungsverbot nicht Platz greifen zu lassen. Es handelt sich um eine sinnvolle Milderung, nicht um eine willkürliche Missachtung dieses Verbotes. So hat denn das zürcherische Obergericht sogar eine im Widerspruchsprozess nachträglich erhobene eventuelle Faustpfandansprache, die beim Betreibungsamt nicht angemeldet worden war, vom Klageänderungsverbot ausgenommen (BlZR 11 Nr. 49), was JAEGER, Schuldbetreibungs- und Konkurspraxis I, N. 5 C zu
Art. 107 SchKG
, billigen zu dürfen glaubte. Von willkürlicher Nichtanwendung des Klageänderungsverbotes kann im vorliegenden Falle vollends nicht gesprochen werden. Hat doch der Kläger mit seinem Eventualbegehren das beim Betreibungsamt einzig, und zwar ordnungsgemäss schon anlässlich der Pfändung, angemeldete Faustpfandrecht zur Geltung gebracht, nachdem er sich durch die unrichtige Benennung des bestrittenen Rechtes in der betreibungsamtlichen Klagefristansetzung hatte dazu verleiten lassen, vorerst Eigentum einzuklagen. Durfte somit das Eventualbegehren als dem Klageänderungsverbot
BGE 84 I 221 S. 227
nicht unterstehend gelten, so brauchte auch der vom Beschwerdeführer aufgezeigte Weg einer Klageänderung (
§ 317 ZPO
) nicht beschritten zu werden. |
doc-74 | Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_216/2019
Urteil vom 29. August 2019
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Klett, Niquille,
Gerichtsschreiber Luczak.
Verfahrensbeteiligte
A._,
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Lücke,
Beschwerdeführer,
gegen
B._ GmbH,
vertreten durch Fürsprecher Hans Roth,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Arbeitsvertrag; missbräuchliche Kündigung,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg, II. Zivilappellationshof, vom 26. März 2019
(102 2017 248).
Sachverhalt:
A.
A._ (Arbeitnehmer, Kläger, Beschwerdeführer) war vom 15. September 1997 bis zum 30. April 2015 in verschiedenen Funktionen, zuletzt als ICH Division Marketing Manager, bei der B._ GmbH (Arbeitgeberin, Beklagte, Beschwerdegegnerin) angestellt. Nachdem er zuerst eine einvernehmliche sexuelle Beziehung mit der ebenfalls bei der B._ angestellten G._ (die Mitarbeiterin) geführt hatte, beschuldigte diese ihn, sie sexuell belästigt zu haben. Die Arbeitgeberin hörte den Arbeitnehmer sowie die Mitarbeiterin an, wobei ersterer anlässlich dieser Anhörung die sexuelle Belästigung bestritt und unter Berufung auf sein Privatleben keine weiteren Angaben zur Beziehung zwischen ihm und der Mitarbeiterin machte. Aufgrund des massiven Vertrauensverlustes kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis am 4. Juli 2014 ordentlich.
B.
B.a. Nach erfolgloser Schlichtungsverhandlung beantragte der Arbeitnehmer mit Klage vom 2. März 2016 beim Arbeitsgericht des Seebezirks sinngemäss, die Arbeitgeberin sei zu verpflichten, ihm den Lohn für den Monat April 2015 (abzüglich des von ihm erwirtschafteten Lohns) und einen Bonus pro rata für die Monate Januar bis April 2015 zu bezahlen sowie ein Arbeitszeugnis gemäss beigelegtem Entwurf auszustellen. Ausserdem verlangte er, die Beklagte sei zu verpflichten, ihm eine Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung in Höhe von drei Monatslöhnen, mithin Fr. 49'500.--, zu bezahlen.
An der Sitzung des Arbeitsgerichts vom 25. April 2017 wurden der Kläger sowie C._ und D._ als Vertreter der Beklagten befragt. Alle offenen Beweisanträge wurden abgewiesen. Mit Urteil vom 9. Mai 2017 hiess das Arbeitsgericht die Klage teilweise gut und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger einen Lohn von Fr. 5'770.15 brutto nebst Zins zu 5 % seit dem 1. Mai 2015 sowie einen Bonus von Fr. 21'515.-- zu bezahlen und ihm ein Arbeitszeugnis gemäss dem eingereichten Entwurf auszustellen.
B.b. Gegen diesen Entscheid reichte der Kläger Berufung beim Kantonsgericht Freiburg ein, mit der er sinngemäss und im Wesentlichen insofern eine Abänderung des erstinstanzlichen Entscheids verlangte, als die Beklagte zusätzlich zu verpflichten sei, ihm eine Entschädigung von Fr. 49'500.-- wegen missbräuchlicher Kündigung zu bezahlen.
Mit Urteil vom 26. März 2019 wies das Kantonsgericht die Berufung kostenfällig ab. Es verwarf prozessuale Einwände des Klägers betreffend ungenügende Bestreitung durch die Beklagte und dem Fehlen einer ausdrücklichen Verfügung über die Zulassung eines Novums. Der Entscheid des Arbeitsgerichts sei genügend begründet und insofern der Anspruch auf rechtliches Gehör des Klägers nicht verletzt worden. Insbesondere habe das Arbeitsgericht auch durch den Verzicht auf die Einvernahme der beantragten Zeugen E._, F._, G._, H._ und I._ den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 13. Mai 2019 beantragt der Kläger dem Bundesgericht sinngemäss, das Urteil des Kantonsgerichts vom 26. März 2019 sei kostenfällig aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihm eine Entschädigung von Fr. 49'500.-- wegen missbräuchlicher Kündigung zu bezahlen. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
Die Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist - unter Vorbehalt zulässiger Anträge (Art. 42 Abs. 1 BGG) und einer hinreichenden Begründung (Art. 42 Abs. 2 sowie Art. 106 Abs. 2 BGG) -einzutreten.
1.1. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unerlässlich ist, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 140 III 86 E. 2 S. 89, 115 E. 2 S. 116).
Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 99 E. 1.7.2 S. 106 mit Hinweis).
Soweit die Beschwerdeschrift den genannten Begründungsanforderungen nicht genügt, ist darauf nicht einzutreten (BGE 142 I 99 E. 1.7.2 S. 106;140 III 115 E. 2 S. 116; 134 II 244 E. 2.1 S. 245 f.).
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 17 f. mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2 S. 117, 264 E. 2.3 S. 266). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG). Auch für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was wiederum näher darzulegen ist (BGE 134 V 223 E. 2.2.1 S. 226; 133 III 393 E. 3 S. 395).
1.3. Zu beachten ist, dass das Bundesgericht in die Beweiswürdigung des Sachgerichts nur eingreift, wenn diese willkürlich ist. Willkür liegt nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls in Betracht zu ziehen oder gar vorzuziehen wäre, sondern nur, wenn der angefochtene Entscheid im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f.; 129 I 8 E. 2.1 S. 9). Die Beweiswürdigung ist mithin nicht schon dann willkürlich, wenn sie nicht mit der Darstellung der beschwerdeführenden Partei übereinstimmt, sondern bloss, wenn sie offensichtlich unhaltbar ist (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266; 135 II 356 E. 4.2.1 S. 362).
2.
Der Beschwerdeführer erläutert unter "III. Formelles" gleichsam vorsorglich, dass seines Erachtens das Bundesgericht keine wirksame Beschwerdemöglichkeit im Sinn von Art. 13 EMRK gewährleistet. Da er diese Ausführungen vor Kenntnis des bundesgerichtlichen Urteils (offensichtlich im Hinblick auf eine Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte) macht, ist darauf nicht weiter einzugehen.
3.
Strittig ist, ob die Kündigung vom 4. Juli 2014 missbräuchlich im Sinn von Art. 336 OR war.
3.1. Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist gekündigt werden (Art. 335 Abs. 1 OR). Damit gilt das Prinzip der Kündigungsfreiheit. Es bedarf grundsätzlich keiner besonderen Gründe, um kündigen zu können. Die Kündigungsfreiheit findet aber ihre Grenzen am Missbrauchsverbot. Missbräuchlich ist eine Kündigung nur, wenn sie aus bestimmten unzulässigen Gründen ausgesprochen wird, die in Art. 336 OR umschrieben werden, wobei die Aufzählung nicht abschliessend ist (BGE 136 III 513 E. 2.3 S. 514 f.; 134 III 108 E. 7.1 S. 110; 132 III 115 E. 2.1 S. 116).
Missbräuchlichkeit kann sich darüber hinaus aus der Art und Weise der Ausübung des Kündigungsrechts ergeben (BGE 136 III 513 E. 2.3 S. 515; 132 III 115 E. 2.2 S. 117; Urteil 4A_224/2018 vom 28. November 2018 E. 3.1). In Konfliktsituationen, insbesondere bei einseitigen Anschuldigungen, kann eine Kündigung missbräuchlich sein, wenn die Arbeitgeberin die Vorwürfe nicht genügend untersucht (vgl. BGE 132 III 115 E. 2.2 S. 117; Urteil 4A_166/2018 vom 20. März 2019 E. 3.2; 4A_510/2010 vom 1. Dezember 2010 E. 3.1 f.).
3.2. Massgeblich für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit ist das tatsächliche Kündigungsmotiv. Die Bestimmung des Kündigungsmotivs ist Tatfrage (BGE 136 III 513 E. 2.3 S. 515 mit Hinweisen; zit. Urteil 224/2018 E. 3.1). Demgegenüber ist Rechtsfrage, ob dieses Motiv missbräuchlich ist (zit. Urteil 4A_224/2018 E. 3.1 mit Hinweis).
3.3. Der Arbeitnehmer, der sich auf die Missbräuchlichkeit beruft, trägt hierfür die Beweislast (BGE 130 III 699 E. 4.1 S. 703; zit. Urteil 4A_510/2010 E. 3.1).
4.
Die Vorinstanz gab weitgehend nur die Begründung des Arbeitsgerichts wieder, womit sie diese zu ihrer eigenen machte. Dieses hatte erwogen, die Beschwerdegegnerin habe im Rahmen ihrer allgemeinen Fürsorgepflicht die Vorwürfe der Mitarbeiterin gegen den Beschwerdeführer abklären müssen. Es sei somit grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer und die Mitarbeiterin separat je zweimal angehört habe. Ebenfalls nicht zu beanstanden sei, dass die Beschwerdegegnerin nach der Anhörung vom 4. Juli 2014 keine weiteren Abklärungen vorgenommen habe und unmittelbar nach der Anhörung eine Entscheidung (zu kündigen) getroffen habe. Zu diesem Zeitpunkt seien sich die zwei völlig verschiedenen Aussagen des Beschwerdeführers einerseits und der Mitarbeiterin andererseits gegenüber gestanden. Darüber hinaus sei an der Anhörung protokolliert worden, dass der Beschwerdeführer die Mitarbeiterin am 18. Juni 2014 bei ihr zuhause getroffen habe, dass dies (nach Angaben des Beschwerdeführers) auf privater Basis geschehen sei, dass Privates und Geschäft ("Business") klar zu trennen seien, dass er über Privates nicht diskutiere und dass das, was er mit der Mitarbeiterin mache, keinen Einfluss ("Impact") auf das Geschäft habe. Aufgrund dieses Verhaltens an der Anhörung vom 4. Juli 2014 habe die Beschwerdegegnerin davon ausgehen müssen, dass weitere Abklärungen keinen Sinn machten. Insbesondere sei nicht ersichtlich, welche anderen Mitarbeiter zum Vorwurf der sexuellen Belästigung bzw. zur Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und der Mitarbeiterin hätten Auskunft geben können, hätten diese doch keine öffentliche Beziehung geführt. Im Übrigen sei nicht bewiesen, dass die Beschwerdegegnerin die Kündigung schon vor der Anhörung vom 4. Juli 2014 beschlossen habe. C._ habe an der Verhandlung vor Arbeitgericht des Seebezirks glaubwürdig ausgeführt, dass der Entscheid erst nach der Anhörung gefällt worden sei und zwar im Kollegium mit F._, I._, J._, K._ und ihm selber. Insgesamt sei daher der Nachweis einer missbräuchlichen Kündigung nicht erbracht worden. An dieser rechtlichen Würdigung hätte die zusätzliche Einvernahme der beantragten Zeugen nichts geändert, denn es sei davon auszugehen, dass diese als aktuelle bzw. ehemalige Mitarbeiter der Beschwerdegegnerin lediglich die Aussagen von C._ bestätigt hätten. Zudem sei für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit nicht relevant, welche Vorwürfe genau die Mitarbeiterin gegenüber F._ und H._ erwähnt habe. Die Vorinstanz fügte dem bei, zudem seien die streitgegenständlichen Vorfälle im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Hauptverhandlung bereits fast drei Jahre zurückgelegen und wäre unklar gewesen, welcher Wert den Aussagen nach dieser Zeit noch hätte zugemessen werden können.
5.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 des internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, abgeschlossen in New York am 16. Dezember 1966 [von der Bundesversammlung genehmigt am 13. Dezember 1991; in Kraft getreten für die Schweiz am 18. September 1992; SR 0.103.2]) durch die verweigerte Einvernahme der Zeugen E._, F._, G._, H._ und I._.
5.1. Das Recht auf Beweis ist in Art. 152 ZPO gesetzlich vorgesehen und wird auch aus Art. 8 ZGB abgeleitet (Urteile 4A_70/2018 vom 20. August 2018 E. 4.2; 5A_597/2017 vom 23. April 2018 E. 3.2; vgl. auch Urteil 5A_641/2013 vom 25. Februar 2014 E. 1). Danach hat die beweispflichtige Partei einen bundesrechtlichen Anspruch darauf, für rechtserhebliche bestrittene Vorbringen zum Beweis zugelassen zu werden, wenn ihr Beweisantrag nach Form und Inhalt den Vorschriften des anwendbaren Prozessrechts entspricht (vgl. BGE 133 III 295 E. 7.1 S. 299; 114 II 289 E. 2a S. 290; Urteil 4A_13/2019 vom 9. August 2019 E. 4.1). Dieses Recht wird auch vom in Art. 29 Abs. 2 BV gewährleisteten Anspruch auf rechtliches Gehör (BGE 131 I 153 E. 3 S. 157 mit Hinweisen) und Art. 6 EMRK umfasst. Das Recht auf Beweis schliesst eine vorweggenommene (antizipierte) Würdigung von Beweisen nicht aus (zu alledem BGE 143 III 297 E. 9.3.2 S. 332; Urteil des Bundesgerichtes 4A_427/2017 vom 22. Januar 2018 E. 5.1).
5.2. Der Beschwerdeführer legt nicht rechtsgenüglich dar, womit er die Missbräuchlichkeit der Kündigung begründet hat und welche Beweisanträge er konkret dazu gestellt hat. Aus dem angefochtenen Entscheid ergibt sich dies auch nicht.
5.2.1. Bekannt ist aufgrund des von der Vorinstanz festgestellten und für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen Sachverhalts (vgl. E. 1.2 hiervor), dass die Beschwerdeführerin das Arbeitsverhältnis wegen massiven Vertrauensverlusts kündigte. Aus den von der Vorinstanz zitierten Ausführungen des Arbeitsgerichts ergibt sich, dass die Arbeitgeberin dem Beschwerdeführer eine Verletzung der Treuepflicht vorwarf, weil er nicht aktiv zur Aufklärung des Sachverhalts beitrug und sich darauf berief, über Privates nicht zu diskutieren. In ihrer Kündigungsbegründung verwies die Beschwerdegegnerin auch darauf, das Vertrauensverhältnis - das für einen Kadermitarbeiter noch erhöhte Bedeutung habe - sei aufgrund seiner Verweigerungshaltung zerstört. Es ist nicht klar, ob der Beschwerdeführer allenfalls das angegebene Kündigungsmotiv des Vertrauensverlustes bestreiten oder andererseits eventuell die Art und Weise der Kündigung (z.B. ungenügende Abklärungen) rügen will. Nur wenn klar ist, welches der Missbrauchsvorwurf ist, kann bestimmt werden, ob eine zu beweisende Tatsache rechtserheblich (und damit beweisbedürftig) ist.
Damit im Zusammenhang steht, dass der Beschwerdeführer auch nicht darlegt, welche Tatsachen konkret mit welchen Zeugen er beweisen wollte und wo im kantonalen Verfahren er entsprechend substanziierte Beweisanträge gestellt hat. Das Arbeitsgericht hatte wie erwähnt auf Seiten der Beschwerdegegnerin C._ und andererseits den Beschwerdeführer zum ganzen Sachverhalt befragt. Es kam gestützt darauf zusammenfassend zum Schluss, der Nachweis einer missbräuchlichen Kündigung sei nicht erbracht und ergänzte dann, an dieser rechtlichen Würdigung hätte die zusätzliche Einvernahme von E._, F._, G._, H._ und I._ nichts geändert. Der Beschwerdeführer müsste somit im Beschwerdeverfahren aufzeigen, welche vom Arbeitsgericht angenommene Tatsache mit welchem Zeugen er hätte beweisen wollen und dass er - nachdem das Arbeitsgericht dem nicht nachgekommen war - dieses Unterlassen wiederum entsprechend substanziiert vor der Vorinstanz gerügt hat.
5.2.2. Vor Bundesgericht rügt er aber nur die von der Vorinstanz übernommene Annahme des Arbeitsgerichts, die Zeugen würden die Angaben von C._ bestätigen sowie die Ausführung der Vorinstanz, wonach die Vorfälle im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Verhandlung schon über drei Jahre zurückgelegen seien, weshalb unklar gewesen wäre, ob sich die Zeugen noch daran erinnert hätten. Er verweist sodann auf Rz. 13 und 15 seiner Berufungsschrift und bemängelt, die Vorinstanz sei darauf nicht eingegangen. An den angegebenen Stellen in der Berufungsschrift äussert er sich unter Hinweis auf die Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), BBl 2006 7326, Ziff. 5.10.3 zu Art. 188 E-ZPO allgemein zum geringen Beweiswert, den das Beweismittel der Parteibefragung besitze, weshalb diese mit einem anderen Beweismittel überprüft werden sollte, und verweist dann auf Rz. 75 seiner Replik, wo er behauptet hatte, der Kündigungsbrief vom 4. Juli 2014 sei bereits vor Beginn seiner Anhörung an diesem Tag geschrieben worden und sich dazu auf seine eigene Parteiaussage, jene von C._ sowie die Zeugeneinvernahme von E._ berief. Weitere Zeugen rief er an diesen Stellen hierfür nicht an. Das Arbeitgericht und mit ihm die Vorinstanz gingen aber davon aus, es sei nicht entscheiderheblich, ob das Kündigungsschreiben bereits vor der Sitzung geschrieben worden sei, denn damit wäre noch nicht bewiesen, dass die Kündigung selber bereits vor der Anhörung des Beschwerdeführers beschlossen worden sei. Dies würde lediglich zeigen, dass der Arbeitgeber allenfalls damit gerechnet habe, je nach Ausgang der Anhörung den Kündigungsentscheid fällen zu müssen, was bei Vorwürfen der sexuellen Belästigung zweifellos nicht ausgeschlossen werden könne. Nach den gemäss der Beweiswürdigung der Vorinstanz und des Arbeitsgerichts glaubwürdigen Angaben von C._ sei der Entscheid nach der Sitzung vom 4. Juli 2014 im Kollegium mit F._, I._, J._, K._ und ihm selber gefällt worden. Dazu, dass der Kündigungsentscheid tatsächlich erst nach der Anhörung des Beschwerdeführers und aufgrund des Vertrauensverlustes wegen seiner mangelnden Kooperation gefällt wurde, könnten somit nur diese Personen etwas aussagen, die am Kollegialentscheid mitgewirkt haben, nicht aber der vom Beschwerdeführer angerufene Zeuge E._. Die übrigen Zeugen (F._, G._, H._, I._) werden in diesem Zusammenhang überhaupt nicht erwähnt.
5.2.3. Es kann somit offenbleiben, ob namentlich die Annahmen, dass eine Einvernahme der genannten Zeugen aufgrund des vergangenen Zeitraums unterbleiben könne und dass diese wohl lediglich die Ausführungen von C._ bestätigt hätten, eine unzulässige antizipierte Beweiswürdigung darstellt. Denn wenn nicht klar gesagt wird, worauf sich der Vorwurf der Missbräuchlichkeit stützt und inwiefern die beantragten Zeugen zur Klärung dieses Vorwurfs entscheidwesentlich beitragen können, ist dessen rechtliche Beurteilung durch das Bundesgericht nicht möglich. Deshalb liegt eine ungenügende Rüge vor, auf die das Bundesgericht nicht eintreten kann.
5.2.4. Der Beschwerdeführer rügt weiter, die Vorinstanz habe seinen Hinweis auf eine Unstimmigkeit zwischen den Ausführungen von C._ und einem von der Beschwerdegegnerin eingereichten Bericht einfach übergangen. Er legt aber nicht rechtsgenüglich dar, inwieweit die behauptete Unstimmigkeit zur Klärung der konkreten Streitfrage erheblich wäre (vgl. BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188). Auch diese Rüge einer Gehörsverletzung ist nicht hinreichend begründet.
6.
Auf die Beschwerde ist insgesamt nicht einzutreten. Der Beschwerdeführer wird bei diesem Ausgang des Verfahrens kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen, da keine Vernehmlassung eingeholt wurde (Art. 68 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Freiburg, II. Zivilappellationshof, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 29. August 2019
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Kiss
Der Gerichtsschreiber: Luczak |
doc-75 | Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
ur
{T 0/2}
5D_117/2010
Urteil vom 21. Oktober 2010
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter Marazzi, von Werdt,
Gerichtsschreiber V. Monn.
Verfahrensbeteiligte
X._,
Beschwerdeführer,
gegen
Bezirksgerichtspräsidium Zurzach,
Hauptstrasse 50, 5330 Bad Zurzach,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Unentgeltliche Rechtspflege (Wiederherstellung der Appellationsfrist; Ehescheidung),
Verfassungsbeschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer, vom 25. Juni 2010.
Sachverhalt:
A. A.a Auf Klage von Z._ (geb. 1981) hin schied das Bezirksgericht Zurzach mit Urteil vom 13. April 2004 ihre Ehe mit X._ (geb. 1976), übertrug die elterliche Sorge über die gemeinsame Tochter Y._ (geb. 1998) der Mutter und verpflichtete den Vater, monatlich bestimmte Beiträge an den persönlichen Unterhalt der Mutter sowie an denjenigen der Tochter zu bezahlen. X._ hatte keine Klageantwort eingereicht und war nicht zur Hauptverhandlung erschienen, zu welcher er öffentlich vorgeladen worden war. Zufolge unbekannten Aufenthaltes ordnete das Bezirksgericht die Zustellung des Dispositivs an X._ mittels öffentlicher Bekanntmachung im Amtsblatt an.
A.b X._ kam seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nach. In der Folge wurde ein Strafverfahren wegen Vernachlässigung von Unterhaltspflichten eröffnet. Nachdem er aus Serbien-Montenegro in die Schweiz zurückgekehrt war, befragte ihn die Kantonspolizei dazu am 18. Juni 2008.
A.c Am 28. August 2008 beantragte X._ beim Bezirksgericht Zurzach prinzipaliter die Wiederherstellung der Frist zur Appellation gegen das Scheidungsurteil vom 13. April 2004; eventualiter sei das Gesuch als Appellation entgegenzunehmen. Ferner ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege unter Beiordnung seines Anwalts als unentgeltlichen Rechtsbeistand. Der Präsident des Bezirksgerichts wies das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege am 9. Oktober 2009 mangels Bedürftigkeit ab.
B. Das Obergericht des Kantons Aargau wies die am 23. Oktober 2009 von X._ gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde in der Hauptsache wie auch das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das oberinstanzliche Verfahren wegen Aussichtslosigkeit ab (Entscheid vom 25. Juni 2010). Den am 25. Mai 2010 eingereichten Antrag auf Feststellung, wonach die Verfahrensdauer gegen das Beschleunigungsgebot verstosse, hiess es dagegen gut, weil das Gerichtspräsidium Zurzach die dort eingereichte Beschwerde "ohne ersichtlichen Grund" erst am 21. April 2010 an das Obergericht weitergeleitet hatte. Diese Feststellung fand keinen Eingang in das obergerichtliche Dispositiv.
C. Mit als subsidiäre Verfassungsbeschwerde bezeichneter Eingabe vom 6. September 2010 gelangt X._ (nachfolgend Beschwerdeführer) an das Bundesgericht und beantragt, die Verfügung des Bezirksgerichtspräsidenten vom 9. Oktober 2009 und den Entscheid des Obergerichts vom 25. Juni 2010 aufzuheben und ihm für das ganze vorinstanzlich hängige Hauptverfahren sowie für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Ferner verlangt er die Feststellung, dass die Behandlung der Beschwerde durch die kantonalen Behörden gegen das Beschleunigungsgebot verstossen hat.
Es sind die Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
Erwägungen:
1. 1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, der dem Beschwerdeführer für die Durchführung des erst- und des zweitinstanzlichen kantonalen Verfahrens die unentgeltliche Rechtspflege verweigert. Mithin geht es um einen Zwischenentscheid, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann und daher gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG selbständig anfechtbar ist (Urteile 5A_10/2007 vom 23. März 2007 E. 2.3; 5A_262/2008 vom 8. September 2008 E. 1.1; vgl. auch BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131).
1.2 Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (Urteile 5A_10/2007 vom 23. März 2007 E. 2.3; 5A_262/2008 vom 8. September 2008 E. 1.2; vgl. auch BGE 133 III 645 E. 2.2 S. 647 f.). Bei dieser geht es um eine Fristwiederherstellung in einem Ehescheidungsverfahren. Nachdem der Beschwerdeführer die im Scheidungsurteil vom 13. April 2004 angeordnete Unterhaltsregelung anfechten will, liegt eine vermögensrechtliche Zivilsache vor (Art. 72 Abs. 1 BGG), deren Streitwert Fr. 30'000.-- übersteigt (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). In der Hauptsache kann somit die Beschwerde in Zivilsachen ergriffen werden (Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG), weshalb die Beschwerde in Zivilsachen auch gegen den angefochtenen Entscheid betreffend die unentgeltliche Rechtspflege grundsätzlich offensteht. Die unrichtige Bezeichnung der Beschwerde schadet nicht (BGE 134 III 379 E. 1.2 S. 382).
1.3 Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege wird in erster Linie durch das kantonale Prozessrecht geregelt. Unabhängig davon besteht ein solcher Anspruch auf Grund von Art. 29 Abs. 3 BV (bzw. Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK). Während das Bundesgericht die Rüge der Verletzung von direkt aus Art. 29 Abs. 3 BV (bzw. Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK) hergeleiteten Rechtspflegeansprüchen mit freier Kognition untersucht, prüft es die Auslegung und Anwendung der kantonalen Gesetzesbestimmungen über den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege nur unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbotes (BGE 120 Ia 179 E. 3 S. 180 mit Hinweisen).
Für die Geltendmachung der Verletzung verfassungsmässiger Rechte gilt das Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254). Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene Rügen, die soweit möglich zu belegen sind, während es auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht eintritt (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246).
1.4 An die kantonalen Sachverhaltsfeststellungen ist das Bundesgericht grundsätzlich gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann einzig vorgebracht werden, der Sachverhalt sei offensichtlich unrichtig festgestellt worden (Art. 97 Abs. 1 BGG), wobei "offensichtlich unrichtig" mit "willkürlich" gleichzusetzen ist (Botschaft, BBl 2001 IV 4338; BGE 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252).
Was die Rüge willkürlicher Sachverhaltsfeststellung anbelangt, ist neben der Erheblichkeit der gerügten Feststellungen für den Ausgang des Verfahrens (BGE 135 I 19 E. 2.2.2 S. 22) im Einzelnen darzulegen, inwiefern diese offensichtlich unhaltbar sein, d.h. mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen, auf einem offenkundigen Versehen beruhen oder sich sachlich in keiner Weise rechtfertigen lassen sollen (Urteil 4A_223/2007 vom 30. August 2007 E. 3.2).
2. Zunächst beanstandet der Beschwerdeführer die Verweigerung des Rechts auf unentgeltliche Rechtspflege, weil sein Begehren im Wiederherstellungsverfahren entgegen der vorinstanzlichen Annahme nicht aussichtslos sei. In seiner Begründung bezieht er sich - zumindest teilweise - auf Normen des kantonalen Prozessrechts, macht aber nicht geltend, diese würden die unentgeltliche Verbeiständung unter weniger strengen Bedingungen gewähren als Art. 29 Abs. 3 BV. Praxisgemäss ist daher die Beschwerde einzig unter dem Blickwinkel der verfassungsrechtlichen Norm zu prüfen (BGE 124 I 1 E. 2 S. 2).
2.1 Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung diejenigen Begehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde; eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich aufgrund einer vorläufigen und summarischen Prüfung der Prozessaussichten (BGE 133 III 614 E. 5 S. 616 mit Hinweisen).
Rechtsfrage ist in diesem Zusammenhang, welche Umstände bei der Beurteilung der Prozessaussichten in Betracht fallen und ob sie für oder gegen eine hinreichende Erfolgsaussicht sprechen, Tatfrage hingegen, ob und wieweit einzelne Tatumstände erstellt sind (BGE 124 I 304 E. 2c S. 307).
2.2 Das Obergericht erwog, da das Urteil bloss im Dispositiv zugestellt worden sei, handle es sich der Sache nach um ein Gesuch um Wiederherstellung der Frist für das Begehren um Zustellung einer vollständigen Ausfertigung des Urteils (§ 277 Abs. 1 des Zivilrechtspflegegesetzes des Kantons Aargau vom 18. Dezember 1984, nachfolgend "ZPO/AG"). Gemäss § 98 Abs. 3 ZPO/AG sei ein solches Gesuch innert zehn Tagen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. Für den Beginn der Frist sei massgebend, von welchem Zeitpunkt an der Gesuchsteller objektiv zu handeln in der Lage gewesen sei. Für die Berechnung der Frist sei daher nicht entscheidend, wann der Vertreter des Gesuchstellers Kenntnis vom Urteil erhalten habe. Unbehelflich sei deshalb die Begründung, der Vertreter des Gesuchstellers habe erstmals am 22. August 2008 vom Urteil Kenntnis erhalten und dieses anschliessend dem Gesuchsteller gezeigt, womit die zehntägige Frist zur Einreichung des Wiederherstellungsgesuchs mit dem Gesuch vom 28. August 2008 gewahrt gewesen sei. Dem Gesuchsteller sei an der Einvernahme zur Sache betreffend Vernachlässigung von Unterhaltspflichten durch die Kantonspolizei am 18. Juni 2008 mitgeteilt worden, dass er aufgrund des Scheidungsurteils des Bezirksgerichts Zurzach vom 7. April 2004 [recte: vom 13. April 2004] zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen für seine geschiedene Ehefrau und die Tochter Y._ verpflichtet sei. Er habe somit bereits am 18. Juni 2008 Kenntnis vom Scheidungsurteil gehabt und sei daher in der Lage gewesen, sich beim Gericht um ein Urteilsexemplar zu kümmern und sofort die notwendigen Schritte in die Wege zu leiten. Das Gesuch um Wiederherstellung der Frist vom 28. August 2008 sei verspätet eingereicht und demnach offenbar aussichtslos, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Wiederherstellungsverfahren aus eben diesem Grund abzuweisen sei.
2.2 Das Obergericht erwog, da das Urteil bloss im Dispositiv zugestellt worden sei, handle es sich der Sache nach um ein Gesuch um Wiederherstellung der Frist für das Begehren um Zustellung einer vollständigen Ausfertigung des Urteils (§ 277 Abs. 1 des Zivilrechtspflegegesetzes des Kantons Aargau vom 18. Dezember 1984, nachfolgend "ZPO/AG"). Gemäss § 98 Abs. 3 ZPO/AG sei ein solches Gesuch innert zehn Tagen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. Für den Beginn der Frist sei massgebend, von welchem Zeitpunkt an der Gesuchsteller objektiv zu handeln in der Lage gewesen sei. Für die Berechnung der Frist sei daher nicht entscheidend, wann der Vertreter des Gesuchstellers Kenntnis vom Urteil erhalten habe. Unbehelflich sei deshalb die Begründung, der Vertreter des Gesuchstellers habe erstmals am 22. August 2008 vom Urteil Kenntnis erhalten und dieses anschliessend dem Gesuchsteller gezeigt, womit die zehntägige Frist zur Einreichung des Wiederherstellungsgesuchs mit dem Gesuch vom 28. August 2008 gewahrt gewesen sei. Dem Gesuchsteller sei an der Einvernahme zur Sache betreffend Vernachlässigung von Unterhaltspflichten durch die Kantonspolizei am 18. Juni 2008 mitgeteilt worden, dass er aufgrund des Scheidungsurteils des Bezirksgerichts Zurzach vom 7. April 2004 [recte: vom 13. April 2004] zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen für seine geschiedene Ehefrau und die Tochter Y._ verpflichtet sei. Er habe somit bereits am 18. Juni 2008 Kenntnis vom Scheidungsurteil gehabt und sei daher in der Lage gewesen, sich beim Gericht um ein Urteilsexemplar zu kümmern und sofort die notwendigen Schritte in die Wege zu leiten. Das Gesuch um Wiederherstellung der Frist vom 28. August 2008 sei verspätet eingereicht und demnach offenbar aussichtslos, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Wiederherstellungsverfahren aus eben diesem Grund abzuweisen sei.
2.3 2.3.1 Der Beschwerdeführer rügt diese Begründung als aktenwidrig. Zunächst gehe es gar nicht nur um eine Wiederherstellung, sondern er habe vollumfänglich Appellation erklärt und entsprechende Anträge gestellt. Der Beschwerdeführer habe bis heute nie ein Originalurteil erhalten und es bestünden erhebliche Zweifel daran, ob das Bezirksgericht überhaupt berechtigt gewesen sei, ohne weitere Abklärungen und insbesondere ohne Zustellungsversuch an die ihm bekannte Wohnadresse eine Publikation im Kantonsblatt vorzunehmen. Daher bestünden gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass bis heute noch nie eine korrekte Zustellung erfolgt sei. Folglich habe auch nie eine Frist zu laufen begonnen. Unter diesen Umständen liege mit grosser Wahrscheinlichkeit gar kein Fall der Wiederherstellung im Sinne von § 98 ZPO/AG vor. Dementsprechend sei auch keine Frist verpasst worden. Es obliege dem zuständigen Gericht, im Hauptverfahren darüber zu befinden. Es könne daher nicht gesagt werden, die Wiederherstellungsfrist sei verpasst und das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege deswegen aussichtslos.
2.3.2 Der Beschwerdeführer verkennt die Begründungsanforderungen, welche das Bundesgerichtsgesetz an seine Beschwerde stellt (E. 1.3 und E. 1.4 oben). In seinen Ausführungen äussert er "Zweifel" daran, dass das Bezirksgericht berechtigt gewesen sei, eine öffentliche Zustellung vorzunehmen. Er macht geltend, es bestünden daher "gewichtige Anhaltspunkte", dass bis heute noch nie eine korrekte Zustellung erfolgt sei, und stellt die Vermutung an, es liege "mit grosser Wahrscheinlichkeit" gar kein Fall der Wiederherstellung vor. Freilich will der Beschwerdeführer damit zum Ausdruck bringen, man habe die Sache auch anders sehen können. Allein mit solchen Mutmassungen und vagen Behauptungen lässt sich keine Verfassungsverletzung begründen und die von der Vorinstanz angenommene Aussichtslosigkeit seiner Begehren in der Hauptsache nicht widerlegen. Vielmehr hätte der Beschwerdeführer aufzeigen müssen, weshalb und inwiefern das Obergericht kantonales Prozessrecht willkürlich angewendet hat, indem es seine Eingabe als Gesuch um Wiederherstellung der Frist für das Begehren um Zustellung einer vollständigen Ausfertigung des Urteils behandelt und nicht - seinem Eventualbegehren entsprechend - als Appellationserklärung entgegengenommen hat. Dies aber tut er nicht, weshalb auf seine diesbezügliche Rüge nicht eingetreten werden kann.
2.3.2 Der Beschwerdeführer verkennt die Begründungsanforderungen, welche das Bundesgerichtsgesetz an seine Beschwerde stellt (E. 1.3 und E. 1.4 oben). In seinen Ausführungen äussert er "Zweifel" daran, dass das Bezirksgericht berechtigt gewesen sei, eine öffentliche Zustellung vorzunehmen. Er macht geltend, es bestünden daher "gewichtige Anhaltspunkte", dass bis heute noch nie eine korrekte Zustellung erfolgt sei, und stellt die Vermutung an, es liege "mit grosser Wahrscheinlichkeit" gar kein Fall der Wiederherstellung vor. Freilich will der Beschwerdeführer damit zum Ausdruck bringen, man habe die Sache auch anders sehen können. Allein mit solchen Mutmassungen und vagen Behauptungen lässt sich keine Verfassungsverletzung begründen und die von der Vorinstanz angenommene Aussichtslosigkeit seiner Begehren in der Hauptsache nicht widerlegen. Vielmehr hätte der Beschwerdeführer aufzeigen müssen, weshalb und inwiefern das Obergericht kantonales Prozessrecht willkürlich angewendet hat, indem es seine Eingabe als Gesuch um Wiederherstellung der Frist für das Begehren um Zustellung einer vollständigen Ausfertigung des Urteils behandelt und nicht - seinem Eventualbegehren entsprechend - als Appellationserklärung entgegengenommen hat. Dies aber tut er nicht, weshalb auf seine diesbezügliche Rüge nicht eingetreten werden kann.
2.4 2.4.1 Der Beschwerdeführer stellt sich (eventualiter) auf den Standpunkt, für den Wiederherstellungsfall habe er die Frist gewahrt. Der befragende Polizist habe einleitend auf die diversen ausstehenden Unterhaltsbeiträge hingewiesen. Daraus sei ersichtlich, dass bereits vor dem Ehescheidungsurteil gerichtliche Entscheide im Rahmen vorsorglicher Massnahmen oder des Eheschutzes ergangen sein müssen. Für ihn als Laien sei somit trotz des Hinweises auf ein Gerichtsurteil aus dem Frühjahr 2004 in keiner Art und Weise klar, dass es sich um ein neues Urteil handle, das ihm nicht zugestellt worden sein könnte. Dies gelte umso mehr, als er in dieser Zeit offensichtlich noch in der Schweiz gemeldet gewesen sei. Es habe für ihn somit aufgrund der Fragestellung in einem polizeilichen Verhör überhaupt keine Veranlassung bestanden, beim Bezirksgericht ein Urteil einzuverlangen bzw. ein Wiederherstellungsgesuch zu deponieren. Eine solche Auffassung verstosse in krasser Weise gegen das Verbot des überspitzten Formalismus und gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 29 Abs. 1 BV). Aus dem Polizeiprotokoll ergebe sich ferner, dass man ihm weder das Scheidungsurteil gezeigt noch etwas ausgehändigt oder weitergehende Informationen oder Erläuterungen abgegeben habe. Auch gestützt darauf könne weder von einer rechtskonformen Zustellung bzw. Urteilseröffnung noch von zureichenden Angaben oder Hinweisen ausgegangen werden, welche ihn veranlasst hätten, nach einem nicht zugestellten Urteil zu forschen. Dem Anwalt, den er einzig aufgrund des Strafverfahrens aufgesucht habe, sei das Scheidungsurteil erst mit der Zustellung der Strafakten am 22. August 2008 zu Kenntnis gekommen. Das Hindernis im Sinne von § 98 Abs. 3 ZPO/AG sei daher frühestens in diesem Zeitpunkt weggefallen. Folglich sei das am 28. August 2008 gestellte Begehren rechtzeitig erfolgt.
2.4.2 Die Ausgangslage ist gegenüber den Ausführungen des Beschwerdeführers wie folgt zu ergänzen bzw. richtigzustellen: Aus dem vom Beschwerdeführer eingereichten Schreiben des Bezirksgerichts Zurzach vom 23. Oktober 2008 (Beschwerdebeilage 10) ergibt sich, dass ihm die Scheidungsklage samt Aufforderung zur Einreichung einer Klageantwort anlässlich einer Gerichtsverhandlung im Verfahren betreffend die Anfechtung der Vermutung der Vaterschaft am 9. April 2003 persönlich übergeben wurde. Mithin hatte der Beschwerdeführer schon zum damaligen Zeitpunkt Kenntnis von der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens. Sodann hat der Polizeibeamte den Beschwerdeführer gemäss dem von diesem selbst angerufenen Polizeiprotokoll vom 18. Juni 2008 präzise gefragt, ob er Kenntnis vom "Gerichtsurteil vom Bezirksgericht Zurzach vom 13.04.2004 bezüglich Scheidung und Unterhaltsbeiträge" habe. Der Beschwerdeführer hat darauf nicht etwa geantwortet, er habe vom fraglichen Scheidungsurteil überhaupt keine Kenntnis, sondern erwiderte, dieses Urteil sei ihm "nicht im Detail bekannt". Die Frage, ob er das Urteil schriftlich erhalten habe, beantwortete er unklar: "Das kann ich nicht sagen." Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, dass für den Beschwerdeführer unklar blieb, worum es ging. Vielmehr hatte dieser alle Veranlassung, sich beim Bezirksgericht Zurzach nach dem Scheidungsurteil zu erkundigen. Das hat er jedoch nicht getan. Es kann daher nicht gesagt werden, das Obergericht sei offensichtlich zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer seit dem 18. Juni 2008 von der Existenz des Ehescheidungsurteils vom 13. April 2004 Kenntnis gehabt hat.
2.4.3 Die Möglichkeit, eine unverschuldet versäumte Frist wiederherzustellen, ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz (BGE 117 Ia 297 E. 3c S. 301, mit Hinweis; 108 V 109 E. 2c S. 110; Urteil U 162/96 vom 17. Juli 1997 E. 3a, mit Hinweis, in: SVR 1998 UV Nr. 10 S. 27; s. auch Urteil 1C_491/2008 vom 10. März 2009 E. 1.2). Es geht darum, unverschuldet erlittene verfahrensrechtliche Nachteile zu beseitigen. Die Wiederherstellung ist indes nur dann möglich, wenn der Partei (und gegebenenfalls ihrem Vertreter) kein Vorwurf gemacht werden kann (BGE 110 Ib 94 E. 2 S. 95; 107 Ia 168 E. 2a S. 169). Die Frist für das Wiederherstellungsgesuch beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses zu laufen.
Wer Kenntnis davon erhält, dass in einem ihm bekannten Verfahren ein ihm bisher unbekanntes Urteil ergangen ist, muss sich umgehend darum bemühen, eine Kopie davon zu beschaffen. Unternimmt der vom Urteil Betroffene unter diesen Umständen nichts, so hat er sich die Konsequenzen selbst zuzuschreiben. Es liegt ein Fall verschuldeten Nichtwissens vor. Dieses bildet wiederherstellungsrechtlich kein relevantes Hindernis.
Nach Auffassung des Obergerichts ist das Hindernis einige Tage nach der polizeilichen Einvernahme vom 18. Juni 2008 weggefallen, weshalb das erst am 28. August 2008 gestellte Wiederherstellungsbegehren unter allen Titeln als verspätet zu betrachten sei. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden; unter den gegebenen Umständen durfte das Obergericht davon ausgehen, dass die Gewinnaussichten im Fristwiederherstellungsverfahren beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren, und das Hauptverfahren als aussichtslos bezeichnen, ohne Art. 29 Abs. 3 BV zu verletzen.
3. Der Beschwerdeführer beantragt ferner die Feststellung, dass die Behandlung der Beschwerde durch die kantonalen Behörden gegen das Beschleunigungsgebot verstossen hat.
3. Der Beschwerdeführer beantragt ferner die Feststellung, dass die Behandlung der Beschwerde durch die kantonalen Behörden gegen das Beschleunigungsgebot verstossen hat.
3.1 3.1.1 Das Obergericht stellte eine Verletzung des Beschleunigungsgebots durch das Bezirksgericht fest, weil dieses die gegen seinen Entscheid vom 9. Oktober 2009 am 23. Oktober 2009 eingereichte Beschwerde ohne ersichtlichen Grund erst am 21. April 2010 an das Obergericht weitergeleitet hat. Weiter erwog es, mit dieser Feststellung sei dem Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers Genüge getan. Ein darüber hinausgehender Anspruch sei nicht zu sehen; insbesondere bestehe kein Grund, ihn deswegen für das Verfahren aus der Staatskasse zu entschädigen.
3.1.2 Der Beschwerdeführer wendet ein, das Obergericht habe seine Rüge zwar behandelt und eine Verletzung des Beschleunigungsgebots festgestellt, es habe aber diese Feststellung nicht in das Dispositiv aufgenommen und auch nicht erklärt, weshalb die festgestellte Verletzung keine Auswirkungen auf die Kostenverlegung haben soll.
3.2 Der Antrag auf Feststellung (im Dispositiv) einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes durch die Vorinstanz setzt wie bei jedem anderen Begehren auf Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder Umfanges von Rechten oder Pflichten ein Feststellungsinteresse voraus (vgl. Urteil 5A_349/2009 vom 23. Juni 2009 E. 2.4). Das geltend gemachte Rechtsschutzinteresse kann rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein; es muss aber erheblich sein. Verlangt ist ein aktuelles und praktisches Interesse (Urteil 5A_229/2997 vom 31. August 2007 E. 2) an der sofortigen Feststellung der gerügten Rechtsverletzung, dem keine erheblichen öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen. Ausserdem darf dieses schutzwürdige Interesse nicht anderweitig - durch eine rechtsgestaltende Verfügung - gewahrt werden können (BGE 126 II 300 E. 2c S. 303; 125 V 21 E. 1b S. 24, je mit Hinweisen). Auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses, welches bei Gegenstandslosigkeit regelmässig wegfällt, wird ausnahmsweise verzichtet, wenn sich die gerügte Rechtsverletzung jederzeit wiederholen könnte, eine rechtzeitige gerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre, die aufgeworfenen Fragen sich jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen können und an ihrer Beantwortung wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht (BGE 2C_899/2008 vom 18. Juni 2009 E. 1.2.2; Urteil 8C_760/2008 vom 30. April 2009 E. 4.1).
Mit dem Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege vom 25. Juni 2010 wurde die behauptete Rechtsverzögerung beendet und der während des laufenden Verfahrens erhobene Vorwurf damit gegenstandslos. Wer unter solchen Voraussetzungen eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes durch die Vorinstanz rügt und dispositivmässig festgestellt haben will, hat darzulegen, inwiefern er daran ein schutzwürdiges Interesse hat oder ein Ausnahmetatbestand im dargelegten Sinne gegeben ist (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.1 S. 251). Der Beschwerdeführer tut dies nicht. Er behauptet auch nicht und legt nicht dar, dass ihm das kantonale Prozessrecht in diesem Punkt einen unbedingten Feststellungsanspruch einräumt. Daher kann das Bundesgericht auf diese Rüge nicht eintreten.
3.3 Hinsichtlich der geltend gemachten Parteientschädigung rügt der Beschwerdeführer zunächst mindestens sinngemäss eine Verletzung der Begründungspflicht. Dies trifft offensichtlich nicht zu, denn das Obergericht hat seinen Entscheid in diesem Punkt damit begründet, mit der Feststellung der Verfahrensverzögerung sei dem Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers Genüge getan; ein darüber hinausgehender Anspruch sei nicht ersichtlich. Mit dieser Begründung setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Er unterlässt jeden Hinweis auf einschlägige Gesetzes- oder Verfassungsbestimmungen, aus denen sich der geltend gemachte Anspruch ableiten liesse. Ebenso wenig ruft er eine Rechtsprechung an, mit welcher ein genereller Anspruch auf eine Parteientschädigung bei festgestellter Verfahrensverzögerung begründet wurde. Insofern kommt er seiner Rügepflicht nicht nach (E. 1.3), so dass auf diesen Einwand nicht eingetreten werden kann.
4. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der Beschwerdeführer unterliegt und wird kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Aus den vorstehenden Erwägungen geht hervor, dass der Beschwerde von Anfang an kein Erfolg beschieden sein konnte, weshalb es an der materiellen Voraussetzung der fehlenden Aussichtslosigkeit für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gebricht und das Gesuch demzufolge abzuweisen ist. Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
2. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.
3. Dem Beschwerdeführer werden die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- auferlegt.
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 21. Oktober 2010
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
Hohl V. Monn |
doc-76 | [AZA 0]
H 415/00 Gb
IV. Kammer
Bundesrichter Borella, Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiber
Hadorn
Urteil vom 10. August 2001
in Sachen
R._, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Bauer, Pestalozzistrasse 2, 9000 St. Gallen,
gegen
Ostschweizerische AHV-Ausgleichskasse für Handel und Industrie, Lindenstrasse 137, 9016 St. Gallen, Beschwerdegegnerin,
und
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen
Mit Verfügung vom 18. März 1998 verpflichtete die Ostschweizerische AHV-Ausgleichskasse für Handel und Industrie R._, Verwaltungsratsmitglied der in Konkurs gefallenen Firma X._ AG, Schadenersatz im Ausmass von Fr. 123'978. 85 für nicht abgelieferte Sozialversicherungsbeiträge zuzüglich Verzugszinsen und Mahngebühren zu leisten.
Nach Einspruch von R._ klagte die Kasse auf Bezahlung des genannten Betrages. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen sistierte zunächst das Verfahren.
Mit Entscheid vom 29. September 2000 wies es die Klage ab (Dispositiv-Ziffer 1). Die Forderungen der Kasse hätten inzwischen mit den Konkursdividenden vollständig gedeckt werden können, weshalb das Verfahren gegenstandslos geworden sei. Da die Klage andernfalls vollständig hätte gutgeheissen werden müssen, sprach das Gericht R._ keine Parteientschädigung zu (Dispositiv-Ziffer 3).
R._ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei ihm für den kantonalen Prozess eine Parteientschädigung zuzusprechen.
Das kantonale Versicherungsgericht schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Bei der Klageabweisung gemäss Dispositiv-Ziffer 1 handle es sich um einen offensichtlichen Verschrieb, welcher in dem Sinne zu berichtigen sei, dass das Verfahren zufolge Gegenstandslosigkeit vom Geschäftsverzeichnis abgeschrieben werde.
Die Ausgleichskasse enthält sich eines Antrages; das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich nicht vernehmen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
2.- Es ist auf Grund der Erwägungen im vorinstanzlichen Entscheid offensichtlich, dass das kantonale Gericht die Klage der Kasse wegen Gegenstandslosigkeit vom Geschäftsverzeichnis abgeschrieben und entgegen Dispositiv-Ziffer 1 nicht abgewiesen hat. Soweit der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf eine Parteientschädigung darauf gründet, dass die Klage abgewiesen worden sei und er somit obsiegt habe, geht seine Argumentation fehl. Er kann aus dem Verschrieb der Vorinstanz in der erwähnten Dispositiv-Ziffer nichts zu seinen Gunsten ableiten.
3.- a) Fällt, wie hier, von einer Sache alles Streitige ab, entscheidet das Gericht über die Nebenfolgen, gegebenenfalls über den Anspruch auf Parteientschädigung, mit summarischer Begründung gestützt auf die Sachlage vor Eintritt des zur Gegenstandslosigkeit führenden Grundes (Art. 135 OG in Verbindung mit Art. 40 OG und Art. 72 BZP).
Dabei ist besonders auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen (BGE 125 V 374 Erw. 2a mit Hinweisen).
b) Wären keine Konkursdividenden angefallen, hätte die Vorinstanz die Klage der Kasse gutheissen müssen. Die konkursite Firma hat über längere Zeit ihre Beitragspflichten nicht korrekt erfüllt. Dafür sind keine stichhaltigen Exkulpationsgründe ersichtlich. Der strafrechtliche Freispruch entlastet den Beschwerdeführer ahv-rechtlich nicht.
Die Kasse musste sodann angesichts der kurzen Verwirkungsfristen nach Art. 81 und 82 AHVV rechtzeitig handeln und konnte sich nicht damit begnügen, den im damaligen Zeitpunkt noch ungewissen Ausgang der Konkursverwertung abzuwarten.
4.- Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach Art. 36a OG erledigt.
5.- Der vorliegende Prozess ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II. Die Gerichtskosten von total Fr. 1300.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 10. August 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: |
doc-77 | Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C_900/2012
Urteil vom 2. November 2012
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Gerichtsschreiber Traub.
Verfahrensbeteiligte
M._,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle Schwyz,
Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz
vom 14. August 2012.
Nach Einsicht
in die Beschwerde vom 11. Oktober 2012 gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 14. August 2012,
in Erwägung,
dass ein Rechtsmittel gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG unter anderem die Begehren und deren Begründung enthalten muss, wobei in der Begründung in gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt,
dass aus der Begründung mithin ersichtlich sein muss, in welchen Punkten und weshalb der angefochtene Entscheid beanstandet wird (BGE 134 II 244 E. 2.1 S. 245; 131 II 449 E. 1.3 S. 452),
dass die Beschwerdeschrift vom 11. Oktober 2012 diesen inhaltlichen Mindestanforderungen nicht genügt, da sie keinen rechtsgenüglichen Antrag enthält und den Ausführungen auch nicht entnommen werden kann, inwiefern die einlässlich begründeten vorinstanzlichen Feststellungen über den medizinischen Sachverhalt im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG qualifiziert unzutreffend und die darauf beruhenden Erwägungen rechtsfehlerhaft sein sollen,
dass sich der Beschwerdeführer nicht mit den Darlegungen des kantonalen Gerichts zur Ermittlung der für den Einkommensvergleich nach Art. 16 ATSG heranzuziehenden Vergleichseinkommen auseinandersetzt,
dass das Gesagte auch für die am 25. Oktober 2012 nachgereichte Eingabe gilt, wobei diese nach Art. 100 Abs. 1 BGG zudem verspätet ist (Fristablauf am 12. Oktober 2012),
dass deshalb im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG auf die Beschwerde nicht einzutreten ist,
dass auf die Erhebung von Gerichtskosten umständehalber verzichtet wird (Art. 66 Abs. 1 zweiter Satz BGG),
erkennt der Präsident:
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 2. November 2012
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Meyer
Der Gerichtsschreiber: Traub |
doc-78 | Gründe
1
Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) auf Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist in Bezug auf die Streitjahre 1999, 2002 und 2003 begründet; in Bezug auf das Streitjahr 1997 ist sie unbegründet.
2
1. Soweit die Beschwerde die Streitjahre 1999, 2002 und 2003 betrifft, führt sie zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Finanzgericht (FG). Der Kläger macht insoweit zu Recht sinngemäß als Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend, das Urteil sei (teilweise) nicht i.S. von § 119 Nr. 6 FGO mit Gründen versehen. Dieser Verfahrensmangel liegt tatsächlich vor. Die Vorentscheidung beruht auch auf diesem Verfahrensmangel.
3
a) Nach § 119 Nr. 6 FGO ist ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist. Es reicht aus, wenn die Gründe nur zum Teil fehlen und das Gericht ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das für sich allein den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bildet, übergangen hat (vgl. die ständige Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. April 2003 X B 105/02, BFH/NV 2003, 1193, unter II.2., m.w.N.; vom 23. September 2009 IX B 52/09, BFH/NV 2010, 220, unter 1.a; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 23 ff.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 FGO Rz 359 ff.).
4
b) Im Streitfall hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) durch Bescheide vom 17. April 2008 die Umsatzsteuer für 1997 auf 2.850 DM, für 1999 auf 0 DM, für 2002 auf 0 €, für 2003 auf 792 € und für 2004 auf 2.548,80 € festgesetzt. Soweit das FA in diesen Bescheiden Umsatzsteuer festgesetzt hat, geschah dies wegen unberechtigt ausgewiesener Steuerbeträge nach § 14 Abs. 3 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) a.F. bzw. § 14c Abs. 2 Satz 2 2. Alternative UStG.
5
Der Kläger hatte mit seiner Klage beantragt, die Umsatzsteuer erklärungsgemäß für 1997 auf 0 DM, für 1999 auf ./. 95 DM, für 2002 auf ./. 8.281,60 €, für 2003 auf ./. 23,20 € und für 2004 auf ./. 31,78 € festzusetzen.
6
c) Das FG hat den Umsatzsteuerbescheid für 2004 aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Klageabweisung für die Streitjahre 1997, 1999, 2002 und 2003 hat es in den Entscheidungsgründen seines Urteils nur zu den Steuerfestsetzungen des FA nach § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG a.F. bzw. § 14c Abs. 2 Satz 2 2. Alternative UStG in den Streitjahren 1997 und 2003 Stellung genommen und diese für rechtmäßig erachtet.
7
Den vom Kläger für die Streitjahre 1999, 2002 und 2003 geltend gemachten Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG --einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG)-- hat das FG im Tatbestand seines Urteils erwähnt, ohne sich dazu aber in den Entscheidungsgründen zu äußern. Dies wäre aber erforderlich gewesen, weil der Kläger für diese Streitjahre jeweils einen Vorsteuererstattungsanspruch und folglich eine negative Steuerfestsetzung begehrt hatte.
8
Die vom FG zu § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG a.F. bzw. § 14c Abs. 2 Satz 2 2. Alternative UStG gegebene Begründung des FG impliziert nicht, dass dem Kläger demzufolge auch kein Vorsteuerabzug zustand.
9
Das FG hat die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG a.F. bzw. des § 14c Abs. 2 Satz 2 2. Alternative UStG mit der Begründung bejaht, das Gericht könne nicht ausschließen, dass den Rechnungen des Klägers lediglich abgerechnete und tatsächlich nicht durchgeführte Leistungen zugrunde gelegen hätten. Die vom FG dafür nachfolgend gegebene Begründung ist ausschließlich auf die einzelnen vom Kläger erteilten Rechnungen bezogen.
10
Ihr kann nicht entnommen werden, dass das FG (stillschweigend) den vom Kläger geltend gemachten Vorsteuerabzug mit der Begründung versagt hat, dass der Kläger in den Streitjahren überhaupt keine Umsätze ausgeführt und dies auch nicht beabsichtigt hat und deshalb kein zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer war (vgl. dazu z.B. BFH-Beschluss vom 5. Juli 2007 V B 117/06, BFH/NV 2008, 119). Derartiges ergibt sich auch nicht aus den angefochtenen Bescheiden oder der Einspruchsentscheidung. Das FA hat zwar im Klageverfahren vorgetragen, dass der Vorsteuerabzug "mangels Existenz" eines Unternehmens (erst) ab dem 1. August 2000 zu versagen sei. Darauf ist das FG aber in den Entscheidungsgründen nicht eingegangen.
11
2. In Bezug auf das Streitjahr 1997 ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet.
12
Das FG hat insoweit nicht verfahrensfehlerhaft entschieden. Ein Verstoß gegen § 119 Nr. 6 FGO liegt nicht vor, weil der Kläger für dieses Streitjahr keinen Vorsteuerabzug begehrt hat. Er hat auch keinen sonstigen Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), geltend gemacht.
13
3. Bezüglich des Streitjahres 2004 ist das FG-Urteil rechtskräftig. Der Kläger hat innerhalb der Beschwerdefrist (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO) nur Beschwerde wegen Umsatzsteuer 1997, 1999, 2002 und 2003 eingelegt (Schriftsatz vom 15. November 2010). Eingangs der Beschwerdebegründung vom 17. Januar 2011 wird zwar auch das Streitjahr 2004 erwähnt. Die Begründung der Beschwerde betrifft aber nicht dieses Streitjahr, weil das FG insoweit Ausführungen zum Vorsteuerabzug gemacht hat (Urteil, S. 8).
14
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO ab.
15
5. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg hat, hält der Senat es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
16
6. Für den zweiten Rechtsgang weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
17
a) Das FG hat --wie bereits dargelegt-- die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG a.F. bzw. des § 14c Abs. 2 Satz 2 2. Alternative UStG mit der Begründung bejaht, das Gericht könne "nicht ausschließen, dass den Rechnungen des Klägers ... lediglich abgerechnete und tatsächlich nicht durchgeführte Leistungen zugrunde lägen". Ferner heißt es am Ende der Entscheidungsgründe, der Kläger habe "demzufolge nicht nachgewiesen, dass er die in den streitbefangenen Rechnungen ... ausgewiesenen Leistungen nicht lediglich zum Schein gestellt hat." Er schulde deshalb die ausgewiesene Umsatzsteuer.
18
b) Die Festsetzung von Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG a.F. bzw. § 14c Abs. 2 Satz 2 2. Alternative UStG (vgl. dazu BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 39/09, BFHE 233, 94, m.w.N.) verlangt aber die (positive) Feststellung, dass eine in einer Rechnung ausgewiesene Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausgeführt wurde. Dafür reicht nicht aus, dass dies "nicht auszuschließen" ist.
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Für das Vorliegen der Voraussetzungen der --einen Steueranspruch des FA begründenden-- Vorschrift des § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG a.F. bzw. § 14c Abs. 2 Satz 2 2. Alternative UStG trägt nach allgemeinen Grundsätzen das FA die Feststellungs- und Beweislast (vgl. dazu z.B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Rz 83 ff.; Lange in HHSp, § 96 FGO Rz 148 ff., 154 ff.; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 96 Rz 50 ff.).
20
7. Die Kostenentscheidung folgt --wegen des Prinzips der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung-- insgesamt aus § 143 Abs. 2 FGO (vgl. dazu z.B. Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 143 FGO Rz 15, m.w.N.). Dabei ist unerheblich, ob die Sache durch Urteil nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO oder durch Beschluss nach § 116 Abs. 6 FGO zurückverwiesen wird (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 220).
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doc-79 | Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5A_173/2010
Urteil vom 15. Juli 2010
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter L. Meyer,
Gerichtsschreiber von Roten.
Verfahrensbeteiligte
K._,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Franz Breitenmoser,
Beschwerdeführer,
gegen
1. H._, Inhaberin der Einzelfirma B._,
2. B._ GmbH,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Alexander Eckenstein,
Beschwerdegegnerinnen.
Gegenstand
Durchleitungsrecht aus Vertrag,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Zug vom 4. Februar 2010.
Sachverhalt:
A. K._ ist Inhaber einer im Handelsregister eingetragenen Einzelfirma. Er erwarb am 19. November 1999 das Grundstück Nr. 3143, einen Gewerbebau an der S._strasse in T._. Seine Einzelfirma kaufte am 11. Oktober 2002 von der A._ AG die angrenzenden Grundstücke Nrn. 3144, 3145, 3146 und 2462, alles Gewerbebauten. Unter dem Titel "III. Uebrige Vertragsbedingungen" des Kaufvertrags vereinbarten die Vertragschliessenden in Ziffer 7 Folgendes:
Die Verkäuferschaft wird auf der Nachbarliegenschaft der Firma F._ AG auch nach dem 1. Januar 2003 den bereits heute bestehenden Lager- und Werkstattplatz weiterhin benutzen (separater Mietvertrag mit Firma F._ AG). Auch ist die Verkäuferschaft (und deren Rechtsnachfolgerin, die Einzelfirma A._ nach wie vor berechtigt, diesen Anbau in der heute bestehenden Form und Art beizubehalten und uneingeschränkt zu nutzen.
Damit die Bewirtschaftung dieses überdachten Lager- und Werkstattplatzes gewährleistet ist, räumt der neue Eigentümer der Liegenschaft GS Nr. 2462 der Verkäuferschaft resp. der Nachfolgefirma, der Einzelfirma A._, in obligatorischer Hinsicht ohne Grundbucheintrag auf der Liegenschaft GS Nr. 2462 ein unbeschränktes Fuss- und Fahrwegrecht entschädigungslos ein. Fällt der Mietvertrag zwischen der Verkäuferschaft resp. der Einzelfirma A._ und der Firma F._ AG dahin, fällt auch das Fuss- und Fahrwegrecht als gegenstandslos dahin. Ebenso ist die Verkäuferschaft resp. die Einzelfirma A._ berechtigt, auf GS Nr. 2462 (und allenfalls Nachbargrundstück) auf eigene Kosten Anschlüsse für Wasser, Kanalisation, Strom und Telefon inkl. allen notwendigen baulichen Massnahmen (auch an der Fassade) vorzunehmen (mit eigenen Zählern). Die Details der Lei[s]tungsführung werden die Vertragsparteien absprechen. Diese Rechte bleiben solange bestehen, als die Firma A._ AG oder die Einzelfirma A._ diese Lagerfläche mit Werkstatt auf der Liegenschaft der Firma F._ AG bewirtschaftet.
A._, Inhaber der beiden Firmen seines Namens, war bereits vor Vertragsabschluss am 3. September 2002 gestorben. Als neuer Geschäftsführer und Ansprechpartner wurde in Ziff. III/3 des Vertrags G._ genannt. Er erstellte Ende 2002 die Strom- und Telefonleitung, die ab dem Grundstück Nr. 3139 in einem sichtbaren Kabelkanal an der Decke der Tiefgarage unter anderem über das Grundstück Nr. 3143 von K._ auf das im Eigentum der F._ AG stehende Grundstück Nr. 2825 führt, wo sich der im Kaufvertrag erwähnte Lager- und Werkstattplatz befindet (Gebäude Nr. 2358a). Nach dem Tod von A._ wurde seine Einzelfirma A._ am 29. Oktober 2002 im Handelsregister gelöscht. Witwe H._ liess sich am 18. November 2002 als Inhaberin der Einzelfirma B._ im Handelsregister eintragen. Sie gründete gemeinsam mit G._ am 25. September 2003 die B._ GmbH, die am 30. September 2003 im Handelsregister eingetragen wurde. Die Generalversammlung der A._ AG wiederum beschloss am 8. November 2004 ihre Auflösung. Die Firma wurde nach durchgeführter Liquidation am 13. Mai 2009 im Handelsregister gelöscht.
B. K._ (Beschwerdeführer) verlangte am 15. Oktober 2008 von der Einzelfirma B._ und der B._ GmbH (Beschwerdegegnerinnen) die Entfernung der Kabel. Am 9. März 2009 erhob er Klage gegen die Beschwerdegegnerinnen und gegen die A._ AG in Liquidation mit dem Antrag, die Strom- und Telefonleitungen auf seinem Grundstück Nr. 3143 seien zu entfernen. Die beklagten Firmen schlossen auf Abweisung der Klage und machten gestützt auf Ziff. III/7 des Vertrags vom 11. Oktober 2002 ein Durchleitungsrecht geltend. Das Kantonsgericht Zug schrieb die Klage gegen die im Handelsregister inzwischen gelöschte A._ AG zufolge Gegenstandslosigkeit vom Protokoll ab. Die Klage gegen die Beschwerdegegnerinnen wies es ab (Urteil vom 4. Februar 2010).
C. Vor Bundesgericht erneuert der Beschwerdeführer am 3. März 2010 sein Klagebegehren gegen die Beschwerdegegnerinnen. Es sind die Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
Erwägungen:
1. Die Abweisung der sog. Eigentumsfreiheitsklage mit der Begründung, die Strom- und Telefonleitungen seien keine ungerechtfertigte Einwirkung im Sinne von Art. 641 Abs. 2 ZGB, sondern auf Grund vertraglicher Pflicht zu dulden (BGE 132 III 651 E. 7 S. 654), betrifft eine Zivilsache in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit, deren Streitwert das Kantonsgericht auf Fr. 3'000.-- (E. 6 S. 9) und der Beschwerdeführer auf weniger als Fr. 8'000.-- beziffern (S. 2 Ziff. 1). Da der Streitwert den gesetzlichen Mindestbetrag nicht überschreitet und der Beschwerdeführer eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung hier zu Recht nicht geltend macht, erweist sich die subsidiäre Verfassungsbeschwerde als grundsätzlich zulässig (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 und Art. 113 BGG). Der Einzelrichter am Kantonsgericht Zug hat als letzte kantonale Instanz geurteilt, zumal er über Zivilrechtsstreitigkeiten mit einem Streitwert von weniger als Fr. 8'000.-- endgültig entscheidet (§ 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Organisation der Gerichtsbehörden, BGS 161.1) und sein Urteil weder der Berufung noch in der Sache der Beschwerde unterliegt (§ 200 und § 208 der Zivilprozessordnung für den Kanton Zug, BGS 222.1). Der Beschwerdeführer ist als im kantonalen Verfahren unterlegener Kläger zur Beschwerde und zur Rüge der willkürlichen Auslegung des Kaufvertrags berechtigt (Art. 115 und Art. 116 BGG; BGE 135 I 265 E. 1.3 S. 269 f.). Soweit er in Begründung seiner Willkürrügen auf die Ausführungen in der Klage bzw. Replik verweist (S. 6 Ziff. 3, S. 13 Ziff. 31 und S. 15 Ziff. 34), ist seine Beschwerde unzulässig (Art. 117 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 396 E. 3.1 S. 399 f.). Mit diesem Vorbehalt kann auf die Verfassungsbeschwerde grundsätzlich eingetreten werden.
2. Einleitend hat das Kantonsgericht die möglichen Grundlagen für die Strom- und Telefonleitung auf dem Grundstück Nr. 3143 - Dienstbarkeit, Vertrag oder prekaristische Gestattung - aufgezählt (E. 4.1 S. 5). Es ist gestützt auf den Wortlaut der Ziff. III/7 des Kaufvertrags davon ausgegangen, die Vertragsparteien hätten keine Dienstbarkeit begründen wollen. Der Beschwerdeführer habe sich obligatorisch verpflichtet, die Durchleitung zu dulden (E. 4.2 S. 5 f.). Das Kantonsgericht hat festgestellt, in Ziff. III/7 des Kaufvertrags würden als Berechtigte einzig die A._ AG und deren Rechtsnachfolgerin bzw. Nachfolgefirma, die Einzelfirma A._, genannt und mit der Durchleitung seien allein "GS Nr. 2462 (und allenfalls Nachbargrundstück)" belastet. Es ist in Auslegung des Vertrags zum Ergebnis gelangt, (1.) dass es sich bei der Einzelfirma B._ und der gelöschten Einzelfirma A._ um das selbe Unternehmen handle und dass die B._ GmbH als Nachfolgegesellschaft der A._ AG zu betrachten sei und (2.) dass ihnen gegenüber die vertragliche Verpflichtung des Beschwerdeführers bestehe, die Durchleitung auf dem Grundstück Nr. 3143 zu dulden (E. 4.2.1 - 4.2.3 S. 6 ff. des angefochtenen Urteils).
3. Der Beschwerdeführer rügt Willkür in der Anwendung der Auslegungs-grundsätze (S. 5 f. Ziff. 9-13 und S. 11 Ziff. 24 der Beschwerdeschrift).
3.1 Der Inhalt eines Vertrages ist wie dessen Bestand durch Auslegung der Willensäusserungen der Parteien zu bestimmen. Ziel der Vertragsauslegung ist es, in erster Linie den übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen festzustellen (Art. 18 Abs. 1 OR). Diese subjektive Vertragsauslegung beruht auf Beweiswürdigung (Tatfrage). Bleibt eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Willens der Parteien deren Erklärungen auf Grund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie nach den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten (Rechtsfrage; vgl. BGE 133 III 675 E. 3.3 S. 681 f.; 135 III 410 E. 3.2 S. 412 f.). Auf diese Auslegungsgrundsätze hat das Kantonsgericht abgestellt.
3.2 Der Beschwerdeführer erblickt Willkür darin, dass das Kantonsgericht den Vorrang der subjektiven Vertragsauslegung missachtet habe.
3.2.1 Der Vorrang der subjektiven vor der objektivierten Vertragsauslegung ergibt sich aus Art. 18 OR als Auslegungsregel und kann deshalb als Verletzung eines bundesrechtlichen Grundsatzes gerügt werden (BGE 131 III 467 E. 1.1 S. 469 f.). Die Behauptungs- und Beweislast für Bestand und Inhalt eines vom normativen Auslegungsergebnis abweichenden subjektiven Vertragswillens trägt jene Partei, welche aus diesem Willen zu ihren Gunsten eine Rechtsfolge ableitet (BGE 121 III 118 E. 4b/aa S. 123). Wo er entsprechende Behauptungen und Beweisofferten im kantonalen Verfahren gemacht hätte, legt der Beschwerdeführer nicht dar (Art. 106 Abs. 2 BGG).
3.2.2 Mit Bezug auf die erste Streitfrage heisst es im angefochtenen Urteil, es sei aufgrund des Vertragszwecks anzunehmen, "dass es der Wille der Vertragsparteien war bzw. gewesen sein muss", die vertraglich bestimmten Durchleitungsrechte zur Bewirtschaftung der Lagerhalle nicht nur der A._ AG und der namentlich erwähnten Einzelfirma A._, sondern allen Nachfolgefirmen der A._ AG zu gewähren (E. 4.2.2 S. 8 des angefochtenen Urteils). Was der Wille war, d.h. was die Parteien in einem bestimmten Zeitpunkt wollten, ist Tatfrage (BGE 132 III 24 E. 4 S. 28). Das Kantonsgericht ist damit von der subjektiven Vertragsauslegung ausgegangen. Dass es angefügt hat, es habe - objektiviert - auch der Wille gewesen sein müssen, bedeutet eine Zusatzbegründung, aber keine willkürliche Verkennung des Vorrangs der subjektiven gegenüber der objektivierten Auslegung.
3.2.3 Die zweite Streitfrage, ob ein vertragliches Durchleitungsrecht zu Lasten des Grundstücks Nr. 3143 besteht, hat das Kantonsgericht auf Grund des Verhaltens des Beschwerdeführers bejaht. Es hat auf dessen Verhalten nach Abschluss des Kaufvertrags abgestellt, wonach der Beschwerdeführer die strittige Leitung Anfang Januar 2003 entdeckt und fast sechs Jahre ohne Widerspruch geduldet habe (E. 4.2.3 S. 9 des angefochtenen Urteils). Später eintretende Umstände wie hier das nachträgliche Verhalten der Parteien lassen erkennen, wie sie selbst den Vertrag seinerzeit gemeint hatten und ergeben den wirklichen und nicht den hypothetischen Parteiwillen (BGE 107 II 417 E. 6 S. 418). Im Weiteren hat das Kantonsgericht beachtet, dass der Beschwerdeführer und die Beschwerdegegnerinnen auf Grund der äusseren Umstände zumindest konkludent ein obligatorisches Durchleitungsrecht vereinbart hätten (E. 4.2.3 S. 9 des angefochtenen Urteils). Die äusseren Umstände sind Indizien, deren Würdigung eine tatsächliche Willenseinigung ergeben kann (BGE 85 II 452 E. 3b S. 454 f.; 89 II 370 E. 7 S. 385 f.). Auch diesbezüglich ist eine willkürliche Missachtung des Vorrangs der subjektiven Auslegung nicht ersichtlich.
3.3 Der Beschwerdeführer leitet aus der öffentlichen Beurkundung des Kaufvertrags (Art. 216 Abs. 1 OR) wie auch aus der Beweiskraft öffentlicher Urkunden (Art. 9 ZGB) eine Auslegungsregel ab, die das Kantonsgericht willkürlich übersehen habe. Entgegen seiner Darstellung sind formbedürftige wie formfreie Rechtsgeschäfte nach denselben allgemeinen Grundsätzen auszulegen, d.h. es ist nach den gesamten Umständen zu ermitteln, was die Parteien tatsächlich gewollt haben oder wie ihre Erklärungen nach Treu und Glauben zu verstehen sind (BGE 122 III 361 E. 4 S. 366; 127 III 248 E. 3c S. 254 und 529 E. 3c S. 532). Eine willkürliche Anwendung von Bundesrecht vermag der Beschwerdeführer mit seinen Vorbringen insgesamt nicht darzutun (Art. 9 BV; vgl. zum Begriff: BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211).
4. Hat nach dem soeben Gesagten das Kantonsgericht den wirklichen Parteiwillen und eine tatsächliche Willenseinigung festgestellt, entscheidet sich der Streit auf der Sachverhaltsebene. Die Vorbringen in der Beschwerdeschrift unter "Rechtliches" (S. 14 f. Ziff. 32-33) gehen insoweit an der Sache vorbei. Der Beschwerdeführer rügt denn auch, das Kantonsgericht habe - näher bezeichnete - Tatsachen übersehen, den Sachverhalt statt ermittelt nur nach seiner Vorstellung interpretiert und sein Resultat bzw. seine Ausführungen dazu seien willkürlich und unhaltbar (S. 10 Ziff. 22 der Beschwerdeschrift). Willkür in der Sachverhaltsfeststellung und in der Beweiswürdigung liegt vor, wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt hat, wenn es ohne sachlichen Grund ein wichtiges Beweismittel, das für den Entscheid wesentlich sein könnte, unberücksichtigt gelassen hat oder wenn es auf Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen getroffen hat. Vorausgesetzt ist dabei, dass die angefochtene Tatsachenermittlung das Urteil im Ergebnis und nicht bloss in der Begründung als willkürlich erscheinen lässt (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9). Namentlich in der Indizienbeweiswürdigung ist zu beachten, dass Willkür nicht schon dann vorliegt, wenn die vom Sachrichter gezogenen Schlüsse nicht mit der Darstellung des Betroffenen übereinstimmen, sondern nur, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (Art. 9 BV; BGE 135 II 356 E. 4.2.1 S. 362; 135 III 513 E. 4.3 S. 522).
5. Zur ersten Streitfrage hat das Kantonsgericht auf Grund verschiedener Indizien festgehalten, dass es beim Abschluss des Kaufvertrags vor allem darum gegangen sei, eine Nachfolgeregelung für die Zeit nach dem Tod von A._ zu finden, und dass es deshalb der Wille der Vertragsparteien gewesen sei, die Durchleitungsrechte zur Bewirtschaftung der Lagerhalle nicht nur der A._ AG und der namentlich erwähnten Einzelfirma A._, sondern allen Nachfolgefirmen der A._ AG zu gewähren. Es könnten sich deshalb auch die Beschwerdegegnerinnen als Nachfolgefirmen unmittelbar auf den Kaufvertrag berufen (E. 4.2.2 S. 7 f. des angefochtenen Urteils). Der Beschwerdeführer rügt praktisch jeden Satz des Kantonsgerichts als willkürlich (S. 6 ff. Ziff. 14-23 der Beschwerdeschrift). Unter Willkürgesichtspunkten entscheidend ist Folgendes:
5.1 Das Kantonsgericht hat dafürgehalten, unbestritten sei, dass A._ im Juni 2002, drei Monate vor seinem (absehbaren) Tod, mit einem Verkaufsangebot an den Beschwerdeführer herangetreten sei. Der Beschwerdeführer sei sich auch bewusst gewesen, dass die A._ AG, von der er bereits im Jahr 1999 das Grundstück Nr. 3143 erworben habe, ihm die übrigen Grundstücke in Anbetracht des bevorstehenden Todes von A._ und somit zum Zweck der Nachfolgeregelung zum Kauf angeboten habe. Bei den Verhandlungen über den Kaufvertrag und insbesondere bei dessen Unterzeichnung im Oktober 2002 sei somit allen Beteiligten, insbesondere auch dem Beschwerdeführer als langjährigem Mieter und Nachbarn der A._ AG, bewusst gewesen, dass der (absehbare) Tod von A._ personelle Änderungen betreffend Organisation und Führung der A._ AG zur Folge haben werde (E. 4.2.2 S. 7 des angefochtenen Urteils).
5.2 Der Beschwerdeführer rügt die Feststellungen als willkürlich, dass er nicht nur Nachbar, sondern auch langjähriger Mieter der A._ AG gewesen sei, und dass der Kaufvertrag vor dem Hintergrund des bevorstehenden Todes von A._ geschlossen worden sei. Die Bestreitungen erfolgen wider besseres Wissen, hat doch der Beschwerdeführer an der Parteibefragung vom 1. Juli 2009 wörtlich ausgesagt, was folgt: "A._ sel. hat die Gebäude auf den Grundstücken Nr. 3143, 3144, 3145, 3146 und 2462 im Jahr 1985 erbaut. Im Jahr 1992 habe ich mich bei A._ sel. eingemietet. Ungefähr dreieinhalb Jahre später, d.h. im Jahr 1995, hat er mir das Grundstück Nr. 3143 verkauft. Im Jahr 2002 sagte mir A._ sel., dass er innert drei Monaten sterben werde, und bot mir die übrigen Grundstücke zum Kauf an, worauf es dann zum Abschluss der entsprechenden Verträge kam" (S. 3 Ziff. 4 der Beilage Nr. 5 der kantonalen Akten, Unterstreichungen beigefügt). Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers erscheint auch die Feststellung nicht als willkürlich, ihm sei bewusst gewesen, dass A._ die Grundstücke zum Zweck der Nachfolgeregelung verkaufen wollte. Zum einen ergibt sich die tatsächliche Folgerung aus der zitierten Aussage des Beschwerdeführers. Zum anderen wird in Ziff. III/7 des Kaufvertrages ausdrücklich nicht nur die A._ AG als Verkäuferin erwähnt, sondern wiederholt deren Rechtsnachfolgerin bzw. Nachfolgefirma, die Einzelfirma A._, als aus dem Vertrag berechtigt erklärt. Aus einer derartigen Regelung kann willkürfrei geschlossen werden, dass die Vertragsparteien wussten oder ihnen zumindest bewusst war, es könnte der vereinbarte Fall der Unternehmensnachfolge bevorstehen.
5.3 Zur zeitlichen Abfolge steht fest, dass A._ am 3. September 2002 starb und der öffentlich beurkundete Kaufvertrag am 11. Oktober 2002 unterzeichnet wurde. In Ziff. III/3 des Kaufvertrags wird bereits G._ als neuer Geschäftsführer der A._ AG bezeichnet, mit dem der Beschwerdeführer die Details der Übernahme des Kaufobjekts absprechen sollte. Da der Beschwerdeführer selber Inhaber einer Einzelfirma ist, darf willkürfrei angenommen werden, er habe gewusst, dass eine Einzelfirma mit ihrem Inhaber steht und fällt, d.h dass die Einzelfirma A._ als Rechtsnachfolgerin bzw. Nachfolgefirma der A._ AG im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gar nicht mehr bestand und infolge Todes des Einzelunternehmers A._ untergegangen war. Ist ihm dieser Sachverhalt aber bewusst gewesen, erscheint auch die weitere tatsächliche Annahme nicht als willkürlich, der Beschwerdeführer habe den Kaufvertrag über die Grundstücke abschliessen wollen, ungeachtet dessen, wer im Sinne der Ziff. III/7 des Kaufvertrags dereinst Rechtsnachfolgerin bzw. Nachfolgefirma der A._ AG sein werde. Gestützt wird die Annahme zum einen durch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer den Vertrag vorbehaltlos unterzeichnet und nicht auf eine Streichung, Änderung oder Erläuterung der Nachfolgeregelung in Ziff. III/7 gedrängt hat. Zum anderen ist zu beachten, dass der Beschwerdeführer die Durchleitung in einem Zeitpunkt noch widerspruchslos geduldet hat, als die Beschwerdegegnerinnen ab Eintrag im Handelsregister vom 18. November 2002 und vom 30. September 2003 bereits an der "S._strasse" tätig waren und die Strom- und Telefonleitung zunächst gemeinsam mit der A._ AG und nach deren Auflösung durch Beschluss vom 8. November 2004 allein benutzt haben (vgl. die Handelsregisterauszüge, KB 6-8).
5.4 Der Beschwerdeführer wendet ein, die Beschwerdegegnerinnen könnten nicht als Nachfolgefirmen der A._ AG und der Einzelfirma A._ angesehen werden. Der Willkürvorwurf ist unbegründet.
5.4.1 Die Einzelfirma A._ war mit dem Tod ihres Inhabers untergegangen und wurde am 29. Oktober 2002 im Handelsregister formell gelöscht, worauf die Ehefrau von A._ bereits am 18. November 2002 die Einzelfirma B._ im Handelsregister eintragen liess mit dem gleichem Zweck, an der nämlichen Adresse und mit demselben Prokuristen G._ (vgl. die Handelsregisterauszüge, KB 5 und 7). Mit Blick auf die Übereinstimmungen erscheint die Annahme nicht als willkürlich, es handle sich faktisch um ein und dieselbe Einzelfirma, d.h. um die Weiterführung der Geschäftstätigkeit, die nach dem Tod des Inhabers nur aus handelsregisterrechtlichen Gründen die Löschung und die Neueintragung einer Einzelfirma erforderlich gemacht hat (vgl. ECKERT, Basler Kommentar, 2008, N. 6 zu Art. 938 OR). Dass die Einzelfirma in Anbetracht des Alters der Inhaberin nie tätig gewesen sei, ist eine unbelegte Behauptung des Beschwerdeführers, der nach eigenen Angaben immer wieder mit G._, Prokurist der Einzelfirma, verhandelt haben will.
5.4.2 Mit Bezug auf die A._ AG steht fest, dass deren Auflösung am 8. November 2004 beschlossen wurde. Bereits am 25. September 2003 (Statutendatum) gründeten die Ehefrau von A._ und G._ die B._ GmbH und liessen sie am 30. September 2003 im Handelsregister eintragen mit demselben Zweck und an der gleichen Geschäftsadresse wie die A._ AG und mit G._ als Geschäftsführer, der auch für die A._ AG tätig war (vgl. die Handelsregisterauszüge, KB 6 und 8). Derartige Umwandlungen von Unternehmen auf dem Weg über Liquidation und Neugründung war in der damaligen Zeit (2003) nicht aussergewöhnlich (vgl. zu den verschiedenen Möglichkeiten: BGE 125 III 18 E. 3a S. 20). Es erscheint deshalb nicht als willkürlich, die B._ GmbH als übernehmende der zu liquidierenden Gesellschaft und faktisch als Nachfolgerin der A._ AG zu bezeichnen.
5.4.3 Ob der Beschwerdeführer von all diesen Vorgängen Kenntnis hatte, ist zu bezweifeln, letztlich aber belanglos, da er nach dem in E. 5.3 soeben Gesagten den Kaufvertrag über die Grundstücke abschliessen wollte, ungeachtet dessen, wer im Sinne der Ziff. III/7 dereinst Rechtsnachfolgerin bzw. Nachfolgefirma der A._ AG sein werde.
5.5 Aus den dargelegten Gründen muss die Verfassungsbeschwerde abgewiesen werden, soweit sie die kantonsgerichtliche Antwort auf die erste Streitfrage betrifft, dass die Beschwerdegegnerinnen als Rechtsnachfolgerinnen im Sinne von Ziff. III/7 des Kaufvertrags zu betrachten und daraus berechtigt sind.
6. Die zweite Streitfrage hat dahin gehend gelautet, ob die Durchleitung das Grundstück Nr. 3143 belastet. In Ziff. III/7 des Kaufvertrags werden "GS 2462 (und allenfalls Nachbargrundstück)" erwähnt. Das Kantonsgericht hat die Frage aus drei Gründen bejaht (E. 4.2.3 S. 8 f. des angefochtenen Urteils), die der Beschwerdeführer allesamt als willkürlich rügt (S. 11 ff. Ziff. 25-30 der Beschwerdeschrift).
6.1 Das Kantonsgericht hat einleitend die widersprüchliche Darstellung zum Verhalten des Beschwerdeführers nach Erstellung der Leitung Ende 2002 geschildert und festgehalten, aktenkundig sei lediglich, dass der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15. Oktober 2008 die Beschwerdegegnerinnen aufgefordert habe, die Leitungen zu entfernen. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die strittige Leitung, die er nach eigenen Angaben Anfang Januar 2003 entdeckt habe, fast sechs Jahre ohne Widerspruch geduldet habe. Im Weiteren hat das Kantonsgericht auf Grund der bereits erwähnten Umstände (E. 5.2 - 5.4 hiervor) angenommen, der Beschwerdeführer und die Beschwerdegegnerinnen hätten zumindest konkludent ein obligatorisches Durchleitungsrecht vereinbart, das nach wie vor Bestand habe, sei doch nicht einzusehen, dass der Beschwerdeführer fast sechs Jahre lang eine Leitungsführung geduldet habe, mit der er angeblich von Anfang an explizit nicht einverstanden gewesen sei. Schliesslich hat das Kantonsgericht das Vorgehen als nicht nachvollziehbar und als rechtsmissbräuchlich betrachtet, dass der Beschwerdeführer die Entfernung der Leitungen lediglich von seinem Grundstück Nr. 3143 verlange, wo die Leitungen bekanntlich auch über seine Grundstücke Nrn. 3144 und 3145 führten (E. 4.2.3 S. 9 des angefochtenen Urteils).
6.2 Unter Willkürgesichtspunkten entscheidend ist das Verhalten des Beschwerdeführers nach Abschluss des Vertrags. Dass er die Durchleitung während beinahe sechs Jahren ohne Widerspruch geduldet habe, räumt der Beschwerdeführer heute selber ein. Er begründet sein Verhalten damit, dass er vorher nicht genau habe wissen können und gewusst habe, wann die aus dem Vertrag berechtigte A._ AG mit der Bewirtschaftung der Grundstücke aufgehört habe und damit die Durchleitungsrechte erloschen seien, zumal die A._ AG zwar durch Beschluss der Generalversammlung vom 8. November 2004 in Liquidation gesetzt, aber erst am 13. Mai 2009 im Handelsregister gelöscht worden sei (S. 12 Ziff. 27 der Beschwerdeschrift). Der Beschwerdeführer räumt heute offenbar ein, was bereits aus seinem Verhalten nach Vertragsabschluss willkürfrei abgeleitet werden darf (E. 3.2.3 hiervor). Der Beschwerdeführer hat die tatsächliche Willenseinigung bei Vertragsabschluss selber so verstanden, dass die Durchleitung gemäss Ziff. III/7 des Kaufvertrags über sein Grundstück Nr. 3143 führt. Dass die im Vertrag verwendete Formulierung "auf GS 2462 (und allenfalls Nachbargrundstück)" unglücklich ist und nach dem wirklichen Parteiwillen auch im vorgenannten Sinn verstanden wurde, belegen die örtlichen Verhältnisse, worauf auch der Beschwerdeführer verweist (S. 11 f. Ziff. 25 der Beschwerdeschrift). Soll gemäss Vertrag die Leitung für die A._ AG ab der Parzelle Nr. 3139 über die Parzelle Nr. 2462 zum Lager- und Werkstattplatz (Gebäude Nr. 2358a) gezogen werden, muss sie technisch beinahe zwangsläufig über die dazwischen liegenden Parzellen Nrn. 3140 bis 3146 geführt werden. Dem entspricht auch der wirkliche Wille der Parteien und ihre tatsächliche Einigung in Ziff. III/7 des Kaufvertrags.
6.3 Aus den dargelegten Gründen durfte das Kantonsgericht willkürfrei davon ausgehen, Ziff. III/7 des Kaufvertrags habe dazu berechtigt, auf dem Grundstück Nr. 3143 Anschlüsse für Wasser, Kanalisation, Strom und Telefon inkl. allen notwendigen baulichen Massnahmen (auch an der Fassade) vorzunehmen (mit eigenen Zählern). Bei diesem Auslegungsergebnis erübrigt es sich, auf die weiteren Urteilsgründe und die diesbezüglichen Willkürrügen einzugehen.
7. Insgesamt hat das Kantonsgericht die beiden ihm gestellten Auslegungsfragen willkürfrei beantwortet und die Klage des Beschwerdeführers abweisen dürfen. Die Verfassungsbeschwerde muss deshalb abgewiesen werden, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführer wird damit kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG), nicht hingegen entschädigungspflichtig, da keine Vernehmlassungen eingeholt wurden (vgl. Art. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Zug schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. Juli 2010
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
Hohl von Roten |
doc-80 |
3.12.2008
DE
Amtsblatt der Europäischen Union
C 308/7
Keine Einwände gegen einen angemeldeten Zusammenschluss
(Sache COMP/M.5020 — Lesaffre/GBI UK)
(Text von Bedeutung für den EWR)
(2008/C 308/03)
Am 11. Juli 2008 hat die Kommission entschieden, keine Einwände gegen den obengenannten angemeldeten Zusammenschluss zu erheben und ihn insofern für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären. Diese Entscheidung stützt sich auf Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Ratsverordnung (EG) Nr. 139/2004. Der vollständige Text der Entscheidung ist nur auf Englisch erhältlich und wird nach Herausnahme eventuell darin enthaltener Geschäftsgeheimnisse veröffentlicht. Er ist erhältlich:
—
auf der Europa-Wettbewerb-Website (http://ec.europa.eu/comm/competition/mergers/cases/). Diese Website ermöglicht, einzelne Entscheidungen der Fusionskontrolle aufzufinden, einschließlich Suchmöglichkeiten nach Unternehmen, Fallnummer, Datum und Sektor,
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in elektronischem Format auf der EUR-Lex Website unter der Dokumentennummer 32008M5020. EUR-Lex ist der Online-Zugang für das Gemeinschaftsrecht (http://eur-lex.europa.eu).
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doc-81 | Tenor
Der Antrag des Beteiligten, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13. Februar 2002 - A 12 K 10369/00 - zuzulassen, wird abgelehnt.
Der Beteiligte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungszulassungsverfahrens.
Gründe
1
Der auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung kann keinen Erfolg haben.
2
Die durch Senatsurteil vom 11.4.2002 - A 2 S 712/01 - bejahend geklärte Frage, ob für irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit aus dem Zentralirak eine inländische Fluchtalternative im Gebiet der autonomen Kurdenprovinzen im Nordosten des Irak (kurz: Nordirak) auch dann besteht, wenn sie über keine verwandtschaftlichen oder sozialen Beziehungen dorthin verfügen, stellt sich in dem für die Zulassung maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 AsylVfG) nicht mehr.
3
Derzeit und für die nächste Zukunft ist eine politische Verfolgung im Irak, die eine Verknüpfung mit einer etwaigen früheren Verfolgung durch das Regime Saddam Husseins aufweisen könnte, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, so dass eine etwa - mangels Bestehens einer Fluchtalternative - anzunehmende Vorverfolgung durch dieses Regime keinen Anspruch auf Abschiebungsschutz zu begründen vermag (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 27.4.1982 - 9 C 308/81 -, BVerwGE 65, 250).
4
Vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich eingetretenen tiefgreifenden politischen Veränderungen im Irak ist die Möglichkeit einer derartigen Verfolgung nicht mehr als derart „real“ zu erachten, dass ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr nicht mehr auf sich nähme. Vielmehr können Verfolgungsmaßnahmen, die an die Machtausübung des Regimes Saddam Husseins anknüpfen, auf der Basis der vorliegenden Erkenntnisse über die tatsächlichen aktuellen Verhältnisse im Irak ausgeschlossen werden. Diese Prognose kann trotz der zu berücksichtigenden gegenwärtigen instabilen Verhältnisse im Herkunftsland des Klägers getroffen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.12.1985 - 9 C 22.85 -, NVwZ 1986, 760).
5
Die politische Situation im Irak hat sich - wie auf Grund der umfangreichen und detaillierten Presseberichterstattung allgemeinkundig ist - durch den am 20.3.2003 begonnenen und am 2.5.2003 weitgehend beendeten 3. Golfkrieg grundlegend verändert. Das bis zu diesem Zeitpunkt herrschende Regime Saddam Husseins besteht nicht mehr fort. Anhaltspunkte für eine Wiedererlangung der Macht durch dieses Regime gibt es nicht (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.8.2003 - 20 A 430/02.A - und Urteil vom 18.11.2003 - 9 A 4107/99.A -; SächsOVG , Beschluss vom 28.8.2003 - A 4 B 573/02 -; NdsOVG , Beschluss vom 30.10.2003 - 1 LB 39/03 -; BayVGH, Urteil vom 13.11.2003 - 15 B 02.31751 -; HessVGH, Beschluss vom 21.11.2003 - 10 UZ 984/03.A -; VG Stade vom 22.9.2003 - 6 A 1963/02 -; VG Magdeburg vom 30.10.2003 - 4 A 142/02 MD -; VG Leipzig, Urteil vom 7.1.2004 - A 6 K 30201/02 -).
6
Seit Beendigung der militärischen Kampfhandlungen steht der Irak unter Besatzungsrecht der alliierten Streitkräfte des 3. Golfkrieges. Zum Neuaufbau wurde eine Zivilverwaltung unter Leitung des Sonderbeauftragten Paul Bremer eingerichtet. Sie stützt sich auf amerikanische Streitkräfte, eine multinationale Truppe sowie Polizeikontingente aus verschiedenen Ländern der Militärkoalition. Die amerikanische Zivilverwaltung löste die Stützpfeiler des alten Regimes, vor allem die Baath-Partei, die republikanische Garde und die irakischen Streitkräfte auf. Viele der Vertrauenspersonen des früheren Diktators Saddam Hussein wurden mittlerweile gefasst. Seine Söhne Udai und Qusai, die wesentliche Stütze des Regimes waren, wurden im Juli 2003 bei einem Festnahmeversuch getötet. Saddam Hussein selbst wurde am 13.12.2003 verhaftet.
7
Die Vereinigten Staaten haben sich verpflichtet, die Besatzung des Iraks zum 30.6.2004 zu beenden. Derzeit besteht ein irakischer Übergangsrat. Am 1.3.2004 hat sich der Regierungsrat auf eine Übergangsverfassung geeinigt und sie am 8.3.2004 unterzeichnet. Die ehemals kurdische autonome Zone im Nordirak blieb von der militärischen Intervention der Koalition der USA und Großbritanniens weitgehend unberührt.
8
Unabhängig davon, ob eine Gesamtwürdigung der derzeit von Kämpfen radikaler Schiiten gegen die Besatzer geprägten Verhältnisse im Irak die Annahme der Herausbildung einer irakischen Staatsgewalt als Grundvoraussetzung für eine mögliche politische Verfolgung in nächster Zeit erlaubt, ist jedenfalls davon auszugehen, dass eine neue politische Führung des Landes die Politik des Regimes Saddam Husseins nicht fortführen wird, so dass Verfolgungshandlungen, die an das Vorgängerregime anknüpfen, hinreichend sicher auszuschließen sind. Die etwaige Schutzunfähigkeit eines künftig neu entstehenden Staates oder einer quasi-staatlichen Macht allein könnte im Übrigen schon nicht die Gefahr politischer Verfolgung begründen. Eine derartige Annahme würde die Gefahr von Verfolgungsmaßnahmen Dritter voraussetzen, die ihrerseits politischen Charakter im Rechtssinne aufwiesen (BVerwG, Urteil vom 2.8.1983, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG, Nr.12). Dass Derartiges den zur Zeit stattfindenden Attentaten und Übergriffen anhaftet, ist nicht ersichtlich.
9
Auch soweit die Besatzungsmächte im Irak Herrschaftsgewalt ausüben, fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass sie irakische Staatsangehörige, die angeben, von Saddam Husseins Regime politisch verfolgt gewesen zu sein oder derartige Verfolgung bei Rückkehr wegen Stellung eines Asylantrags und illegaler Ausreise befürchten zu müssen, mit hieran anknüpfenden oder anderen politischen Verfolgungsmaßnahmen überziehen werden. Derartige früher gefahrbegründende Vorgänge haben ihre Bedeutung verloren, weil ihr damals gefährdender Charakter entscheidend auf dem Unrechtsregime Saddam Husseins beruhte.
10
11
In einem Berufungsverfahren wäre auch über die nachträglich eingetretene Divergenz in der o.a. Frage (vgl. Senatsurteil vom 11.4.2002 - A 2 S 712/01 -) nicht mehr zu entscheiden. Da die aufgeworfene Frage weder für die streitige Entscheidung noch für künftige Entscheidungen der Instanzgerichte in „Altfällen“ von Bedeutung wäre, könnte in einem solchen Verfahren die aufgezeigte Divergenz nicht berichtigt und damit auch der ihretwegen geforderte Beitrag zur Rechtseinheit nicht geleistet werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.6.1996, NVwZ 1996,1010; BVerwG, Beschluss vom 27.2.1997, Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff.1 VwGO Nr. 15; vgl. auch Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde 1990, Rdnrn. 168, 171). Eine Berufungszulassung wegen der unzweifelhaft eingetretenen nachträglichen Divergenz kam daher ebenfalls nicht in Betracht.
12
Der Senat bemerkt abschließend, dass es die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der nachträglich eingetretenen Divergenz dem Berufungsgericht nicht erlauben, die Berufung nur deshalb zuzulassen, weil die vom Verwaltungsgericht getroffene Entscheidung auf Grund der durch den 3. Golfkrieg hervorgerufenen - allgemeinkundigen - grundlegenden Änderung der innenpolitischen Verhältnisse im Irak überholt ist und heute so nicht mehr ergehen würde. Dies bedeutet freilich in der Sache nicht, dass die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter unter allen Umständen Bestand haben muss (vgl. § 73 AsylVfG).
13
Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG).
14
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 (entspr.) VwGO, 83b Abs. 1 AsylVfG.
15
Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).
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doc-82 | Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5A_541/2007 /blb
Urteil vom 10. Oktober 2007
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Füllemann.
Parteien
X._,
Beschwerdeführerin,
gegen
Obergericht des Kantons Schaffhausen,
Postfach 568, 8201 Schaffhausen.
Gegenstand
Fürsorgerische Freiheitsentziehung,
Beschwerde nach Art. 72ff. BGG gegen den Entscheid vom 27. August 2007 des Obergerichts des Kantons Schaffhausen.
Das Bundesgericht hat nach Einsicht
in die (gestützt auf Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG erhobene) Beschwerde gegen den Entscheid vom 27. August 2007 des Obergerichts des Kantons Schaffhausen, das eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Beschwerdeführerin gegen ihre am 10. August 2007 in Anwendung von Art. 397a ZGB angeordnete Einweisung in das Psychiatriezentrum P._ in S._ abgewiesen hat,
in Erwägung,
dass das Obergericht des Kantons Schaffhausen - auf Grund ärztlicher Berichte und nach Anhörung der Beschwerdeführerin - erwog, die an einer paranoiden Schizophrenie sowie an einer Persönlichkeitsstörung leidende Beschwerdeführerin habe keine Krankheitseinsicht und müsse stationär behandelt werden, weil sie sonst die Medikamente nicht mehr einnehmen und sich selbst gefährden würde (Gefahr der Chronifizierung der Krankheit, der Verwahrlosung und der Verarmung als Folge der Einbusse der Fähigkeit zur Berufsausübung), zumal sie auch über keine Wohnung verfüge,
dass die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art. 72ff. BGG voraussetzt, dass sie nebst einem Antrag eine Begründung enthält, in welcher in gedrängter Form dargelegt wird, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht (Art. 95f. BGG) verletzt (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG),
dass die Beschwerdevorbringen über angebliche Mängel im kantonalen Verfahren und die Befangenheit von Gerichtspersonen diesen Anforderungen zum Vornherein nicht genügen, weshalb darauf nicht einzutreten ist, zumal der Gerichtsexperte Dr. D._ (entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin) nicht zugleich als Richter geamtet hat,
dass sodann das Bundesgericht seinem Beschwerdeentscheid den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zu Grunde zu legen hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, die für den Verfahrensausgang entscheidenden Feststellungen sind offensichtlich unrichtig, d.h. unhaltbar und damit willkürlich nach Art. 9 BV (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4207ff., Ziff. 4.1.4.2 zu Art. 92 Entwurf, S. 4338), oder beruhen auf einer anderweitigen Rechtsverletzung (Art. 97 Abs. 1 BGG),
dass die bundesgerichtliche Überprüfung eines verfassungswidrig festgestellten Sachverhalts voraussetzt, dass in der Beschwerdeschrift die Verfassungsverletzung gerügt (Art. 106 Abs. 2 BGG), d.h. (entsprechend den altrechtlichen Begründungsanforderungen des Art. 90 Abs. 1 lit. b OG: Botschaft, a.a.O. Ziff. 4.1.2.4 zu Art. 39 Entwurf, S. 4294) neben der Erheblichkeit der gerügten Tatsachenfeststellungen (Botschaft, a.a.O. Ziff. 4.1.4.2 zu Art. 92 Entwurf, S. 4338) dargelegt wird (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261f.), inwiefern diese verfassungswidrig, namentlich unhaltbar sind, weil sie den Tatsachen klar widersprechen, auf einem offenkundigen Versehen beruhen oder sich sachlich nicht vertreten lassen (BGE 120 Ia 31 E. 4b S. 40),
dass im vorliegenden Fall die Beschwerdeführerin in ihren Eingaben an das Bundesgericht keine den erwähnten Begründungsanforderungen entsprechenden Sachverhaltsrügen erhebt,
dass somit das Bundesgericht von den tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts über den Krankheitszustand der Beschwerdeführerin, ihre Behandlungsbedürftigkeit und die drohende Selbstgefährdung auszugehen hat, zumal auch kein Anlass besteht, den Sachverhalt von Amtes wegen zu berichtigen oder zu ergänzen (Art. 105 Abs. 2 BGG),
dass auf Grund des vom Obergericht festgestellten Sachverhalts die gestützt auf Art. 397a Abs. 1 ZGB verfügte Einweisung der Beschwerdeführerin in das Psychiatriezentrum P._ bundesrechtskonform ist,
dass nämlich gemäss dieser Bestimmung eine Person wegen Geisteskrankheit in eine geeignete Anstalt eingewiesen und darin zurückbehalten werden darf, wenn ihr die nötige persönliche Fürsorge nicht anders zuteil werden kann,
dass im vorliegenden Fall der zufolge des Krankheitszustandes der Beschwerdeführerin nötige Schutz vor Selbstgefährdung nur durch die angeordnete stationäre Behandlung gewährleistet werden kann, bis die freiwillige Medikamenteneinnahme sichergestellt ist,
dass im Übrigen auf die zutreffenden Erwägungen im Entscheid des Obergerichts verwiesen wird (Art. 109 Abs. 3 BGG),
dass sich somit die Beschwerde, soweit sie zulässig ist, als offensichtlich unbegründet erweist,
dass keine Gerichtsgebühr erhoben wird,
im Verfahren nach Art. 109 BGG erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.
3. Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. Oktober 2007
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: |
doc-83 | Title
Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversiche-
rungsrecht
vom 8. März 2017 (710 17 331 / 66)
_
Alters- und Hinterlassenenversicherung
Anspruch einer Versicherten mit einer hochgradigen Sehschwäche auf eine Hilflosenent-
schädigung der AHV
Besetzung Präsidentin Doris Vollenweider, Kantonsrichterin Elisabeth Berger
Götz, Kantonsrichter Markus Mattle, Gerichtsschreiber Markus
Parteien A._, vertreten durch B._
gegen
Ausgleichskasse Swissmem, Pfingstweidstrasse 102, Postfach 615, 8037 Zürich, Beschwerdegegnerin
Betreff Hilflosenentschädigung
A. Die 1932 geborene A._ ist Bezügerin einer Altersrente der Eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV). Am 18. März 2011 hatte sie sich, damals noch C._ (ZH) wohnhaft, zum Bezug einer Hilflosenentschädigung der AHV angemeldet. Gestützt auf die Abklärungsergebnisse der IV-Stelle Zürich sprach ihr die Ausgleichskasse Swissmem (: Ausgleichskasse) mit Verfügung vom 18. Mai 2011 rückwirkend ab 1. Januar 2011 eine Hilflosenentschädigung für eine Hilflosigkeit leichten Grades zu. Am 16. Oktober 2016 gelangte
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A._ unter Hinweis, dass sich ihr Gesundheitszustand seit Mai 2016 stark verschlechtert , mit einem Gesuch um Erhöhung der Hilflosenentschädigung an die Ausgleichskasse. Gleichzeitig gab sie in ihrem Gesuch an, dass sie am 28. Oktober 2016 in das Wohn- und D._ in E._ (BL) eintreten werde. Aufgrund dieses Hinweises teilte die IV-Stelle Zürich der Ausgleichskasse mit Schreiben vom 9. November 2016 vorerst einmal mit, dass ab 1. Dezember 2016 aufgrund des Heimeintritts der Versicherten kein Anspruch mehr auf eine Hilflosenentschädigung leichten Grades bestehe. In der Folge gelangte die IV-Stelle Zürich im Rahmen ihrer Abklärungen zum Schluss, dass weiterhin eine Hilflosigkeit leichten Grades . Die Entschädigung entfalle jedoch aufgrund des Heimaufenthaltes der Versicherten. auf diese Einschätzung der für die Bemessung der Hilflosigkeit materiell zuständigen lehnte die Ausgleichskasse mit Verfügung vom 19. Januar 2017 das Erhöhungsgesuch der Versicherten vom 16. Oktober 2016 ab. Daran hielt die Ausgleichskasse auf Einsprache der Versicherten hin mit Einspracheentscheid vom 13. Juni 2017 fest.
B. Gegen diesen Einspracheentscheid erhob A._, vertreten durch ihre Tochter B._, am 3. Juli 2017 Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich. beantragte sie, es sei die Ausgleichskasse zu verpflichten, ihr eine Hilflosenentschädigung für eine Hilflosigkeit mittleren Grades ab Revisionsdatum (“10/2017“, richtig: 2016) zu leisten.
C. Mit Beschluss vom 13. Juli 2017 trat das Sozialversicherungsgericht des Kantons auf die Beschwerde mangels örtlicher Zuständigkeit nicht ein. Gleichzeitig hielt es fest, dass die Sache nach Eintritt der Rechtskraft an das Kantonsgericht Basel-Landschaft zur überwiesen werde. Nachdem dieser Beschluss unangefochten in Rechtskraft erwachsen war, überwies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die am 2. Oktober 2017 dem hiesigen Kantonsgericht, Abteilung Sozialversicherungsrecht (Kantonsgericht).
D. Obwohl das Kantonsgericht die Ausgleichskasse mit Schreiben vom 3. Oktober 2017 und 22. November 2017 zur Vernehmlassung aufgefordert hatte, reichte diese keine ein; stattdessen beschränkte sie sich auf die Zustellung der in der Sache ergangenen Akten.
Das Kantonsgericht zieht i n E r w ä g u n g :
1.1 Gemäss Art. 56 Abs. 1 und Art. 57 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000, dessen Bestimmungen laut Art. 2 ATSG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Alters- und (AHVG) vom 20. Dezember 1946 auf die Alters- und anwendbar sind, kann gegen Einspracheentscheide der Ausgleichskassen beim kantonalen Versicherungsgericht Beschwerde erhoben werden. Örtlich zuständig ist, soweit es sich - wie vorliegend - nicht um einen Einspracheentscheid einer kantonalen handelt, nach Art. 58 ATSG das Versicherungsgericht desjenigen Kantons, in dem die versicherte Person zur Zeit der Beschwerdeerhebung ihren Wohnsitz hat. Vorliegend hat die
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Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz im Oktober 2016 von C._ (ZH) nach E._ (BL) . Dieser Umzug erfolgte zeitlich vor der Erhebung der vorliegend zu beurteilenden , so dass die örtliche Zuständigkeit des Kantonsgerichts Basel-Landschaft zu bejahen ist. Laut § 54 Abs. 1 lit. a des Gesetzes über die Verfassungs- und Verwaltungsprozessordnung (VPO) vom 16. Dezember 1993 beurteilt das Kantonsgericht als Versicherungsgericht als gerichtliche Instanz des Kantons Beschwerden gegen Einspracheentscheide der gemäss Art. 56 ATSG. Es ist somit auch sachlich zur Behandlung der vorliegenden Beschwerden zuständig.
1.2 Die Versicherte reichte ihre Beschwerde vom 3. Juli 2017 - wie in der des angefochtenen Einspracheentscheids vom 13. Juni 2017 angegeben - beim des Kantons Zürich ein. Dieses trat mit Beschluss vom 13. Juli 2017 örtlicher Zuständigkeit auf die Beschwerde nicht ein. Gestützt auf Art. 58 Abs. 3 ATSG, wonach das angerufene kantonale Versicherungsgericht, das sich als unzuständig erachtet, die Beschwerde ohne Verzug an das zuständige Versicherungsgericht weiterzuleiten hat, überwies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Angelegenheit nach Eintritt der seines Beschlusses dem hiesigen Kantonsgericht zur Behandlung. Zu ergänzen ist in Zusammenhang, dass mit der rechtzeitigen Einreichung der Beschwerde bei der Behörde die Beschwerdefrist gewahrt wird (Art. 60 Abs. 2 ATSG in Verbindung mit Art. 39 Abs. 2 ATSG). Somit ist auf die Beschwerde der Versicherten vom 3. Juli 2017 .
2.1 Gemäss Art. 43bis Abs. 1 Satz 1 AHVG haben Bezüger von Altersrenten oder mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz, die in schwerem, mittlerem oder leichtem Grad hilflos sind, Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung. Als hilflos gilt eine Person, die wegen der Beeinträchtigung der Gesundheit für alltägliche dauernd der Hilfe Dritter oder der persönlichen Überwachung bedarf (Art. 9 ATSG). Nach Art. 43bis Abs. 1bis AHVG entfällt der Anspruch auf die Entschädigung für eine Hilflosigkeit leichten Grades bei einem Aufenthalt im Heim. Als Heim im Sinne dieser Bestimmung gilt jede Einrichtung, die von einem Kanton als Heim anerkannt wird oder über eine kantonale als Heim verfügt (Art. 66bis Abs. 3 der Verordnung über die Alters- und [AHVV] vom 31. Oktober 1947). Die Bemessung der Hilflosigkeit zuhanden der Ausgleichskassen obliegt den IV-Stellen (Art. 43bis Abs. 5 Satz 2 AHVG).
2.2 Nach Art. 43bis Abs. 3 AHVG beträgt die monatliche Entschädigung für eine Hilflosigkeit schweren Grades 80 Prozent, für eine Hilflosigkeit mittleren Grades 50 % und für eine leichten Grades 20 Prozent des Mindestbetrages der Altersrente nach Art. 34 Abs. 5 AHVG. Für die Bemessung der Hilflosigkeit erklären Art. 43bis Abs. 5 Satz 1 AHVG die des IVG und Art. 66bis Abs. 1 AHVV die Art. 37 Abs. 1, Abs. 2 lit. a und b sowie Abs. 3 lit. a-d der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV) vom 17. Januar 1961 für anwendbar. Demnach gilt laut Art. 37 Abs. 1 IVV die Hilflosigkeit als schwer, wenn die versicherte Person vollständig hilflos ist. Dies ist der Fall, wenn sie in allen alltäglichen regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist und der dauernden Pflege oder der persönlichen Überwachung bedarf. Mittelschwer ist die
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Hilflosigkeit gemäss Art. 37 Abs. 2 IVV, wenn die versicherte Person trotz der Abgabe von Hilfsmitteln in den meisten alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist (lit. a), oder in mindestens zwei alltäglichen regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist und überdies einer dauernden persönlichen Überwachung bedarf (lit. b). Schliesslich gilt die Hilflosigkeit nach Art. 37 Abs. 3 IVV als leicht, wenn die versicherte Person trotz der Abgabe von Hilfsmitteln in mindestens zwei alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist (lit. a), einer dauernden persönlichen Überwachung bedarf (lit. b), einer durch das Gebrechen bedingten ständigen und besonders aufwendigen Pflege bedarf (lit. c), oder wegen einer schweren Sinnesschädigung oder eines schweren körperlichen nur dank regelmässiger und erheblicher Dienstleistungen Dritter gesellschaftliche Kontakte pflegen kann (lit. d).
2.3 Das Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung (KSIH, in der vorliegend anwendbaren, seit 1. 2015 gültigen Fassung) regelt in den Ziff. 8057 ff. verschiedene sog. “Sonderfälle von leichter Hilflosigkeit“. So gelten beispielsweise gemäss Ziff. 8064 KSIH die Voraussetzungen einer leichten Hilflosigkeit im Sinne von Art. 37 Abs. 3 lit. d IVV bei Blinden und hochgradig Sehschwachen als erfüllt. Eine hochgradige Sehschwäche ist dabei nach Massgabe von Ziff. 8065 KSIH anzunehmen, wenn ein korrigierter Fernvisus von beidseitig weniger als 0,2 oder wenn beidseitig eine Einschränkung des Gesichtsfeldes auf 10 Grad Abstand vom Zentrum (20 Grad horizontaler Durchmesser) vorliegt (Gesichtsfeldmessung: Goldmann-Perimeter III/4). Bestehen gleichzeitig eine Verminderung der Sehschwäche und eine , ohne dass aber die Grenzwerte erreicht werden, so ist eine hochgradige anzunehmen, wenn sie die gleichen Auswirkungen wie eine Visusverminderung oder Gesichtsfeldeinschränkung vom erwähnten Ausmass haben. Dies gilt auch bei anderen des Gesichtsfeldes (z.B. sektor- oder sichelförmige Ausfälle, Hemianopsien, Zentralskotome).
2.4 Zu ergänzen bleibt, dass Ziff. 8056 KSIH einen sog. “Sonderfall von schwerer “ umschreibt. Danach gelten Taubblinde und Taube mit hochgradiger Sehschwäche als schwer hilflos. Durch die Kombination dieser beiden schweren Sinnesschädigungen, bei das Fehlen oder die Beeinträchtigung des einen Sinnes nicht mit dem anderen werden kann, werden mehrere relevante Lebensaktivitäten der Betroffenen tangiert. Sie beeinflusst deren Alltag dergestalt, dass sie als schwere Behinderung zu qualifizieren ist, den Betroffenen ohne weitere Abklärungen eine Entschädigung für eine Hilflosigkeit schweren Grades zusteht.
3.1 Wie den Akten entnommen werden kann, hatte sich die Versicherte im März 2011 zum Bezug einer Hilflosenentschädigung der AHV angemeldet. Die IV-Stelle Zürich stellte in der Folge im Rahmen ihrer Abklärungen fest, dass bei der Versicherten eine hochgradige nach Massgabe von Ziff. 8065 KSIH und somit eine Sonderfall von leichter vorliege. Gestützt auf dieses Ergebnis sprach die Ausgleichskasse der Versicherten mit Verfügung vom 18. Mai 2011 rückwirkend ab 1. Januar 2011 eine Hilflosenentschädigung leich-
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ten Grades zu. Am 16. Oktober 2016 gelangte die Versicherte unter Hinweis, dass sich der seit Mai 2016 stark verschlechtert habe, mit einem Gesuch um Erhöhung der Hilflosenentschädigung bzw. um Zusprache einer Hilflosenentschädigung für eine Hilflosigkeit (mindestens) mittleren Grades an die Ausgleichskasse. Gleichzeitig gab sie in ihrem Gesuch an, dass sie am 28. Oktober 2016 in das Wohn- und Pflegeheim D._ in E._ eintreten werde. Aufgrund dieses Hinweises teilte die im Zeitpunkt der Einreichung des für die Bemessung der Hilflosigkeit materiell zuständige IV-Stelle Zürich der mit Schreiben vom 9. November 2016 vorerst einmal mit, dass ab 1. Dezember 2016 aufgrund des Heimeintritts der Versicherten kein Anspruch mehr auf eine leichten Grades bestehe.
3.2 In ihrem Gesuch vom 16. Oktober 2016 gab die Versicherte als gesundheitliche die starke Seheinschränkung, eine Gangunsicherheit, Schwindel, eine und eine allgemeine Schwäche an. Diese Beeinträchtigungen würden seit ca. 2005 bestehen, wobei es im Mai 2016 zu einer starken Verschlechterung gekommen sei, welche stationären Spitalaufenthalt und eine vorübergehende Betreuung im Alterszentrum F._ in C._ erforderlich gemacht habe. Hilfe sei beim An- und Auskleiden, neu ab Mai 2016 beim Essen, bei der Körperpflege und beim Verrichten der Notdurft, sowie schon seit Dezember 2009 bei der Fortbewegung und bei der Pflege gesellschaftlicher Kontakte notwendig. Am 11. bestätigte Dr. med. G._, Allgemeine Innere Medizin FMH, dass diese Angaben über die Hilflosigkeit mit ihren Feststellungen übereinstimmen würden. Gestützt auf diese Unterlagen gelangte die IV-Stelle Zürich in ihrem Beschluss vom 19. Januar 2017 zur Auffassung, dass weiterhin eine Hilflosigkeit leichten Grades bestehe. Die Entschädigung entfalle jedoch des Heimaufenthaltes der Versicherten. Mit einer gleichentags erlassenen Verfügung lehnte die Ausgleichskasse deshalb das Erhöhungsgesuch der Versicherten vom 16. Oktober 2016 ab.
3.3 Im Rahmen des Einspracheverfahrens ersuchte die IV-Stelle Zürich das Wohn- und Pflegeheim D._ um Auskünfte zur Hilflosigkeit der Versicherten. Im entsprechenden, am 24. März 2017 erstatteten Fragebogen gab die zuständige Betreuungsperson an, die benötige Hilfe beim An- und Auskleiden, beim Essen und bei der Körperpflege. Ebenso sie dauernde Pflege beim Richten der Medikamente sowie bei der Fortbewegung und gesellschaftlicher Kontakte (“schwach auf den Beinen, im Freien mit Rollstuhl, im Haus mit Rollator“). Dr. med. H._, Allgemeine Innere Medizin FMH, bestätigte auf dem Formular, dass diese Angaben der Betreuungsperson zum Ausmass der Hilflosigkeit zutreffen würden. wies er ergänzend darauf hin, dass die Beschwerdeführerin vor allem wegen ihres sehr eingeschränkten Visus auf Hilfe angewiesen sei. Zusätzlich bestünden aber auch eine deutliche Gangunsicherheit und ein Schwindel, ein Diabetes Mellitus Typ II, eine hypertensive , eine chronische Niereninsuffizienz und eine deutliche Presbyakusis beidseits. Diese werden im Übrigen auch im Überweisungsschreiben des früheren Hausarztes Dr. med. I._, Allgemeine Innere Medizin FMH, an Dr. G._ vom 17. Oktober 2016 aufgelistet. werden darin als weitere Diagnosen eine Gonarthrose beidseits und eine depressive genannt.
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3.4 Die IV-Stelle Zürich gelangte in der Folge (auch) in Berücksichtigung dieser zusätzlich eingeholten Unterlagen zur Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine mittleren Grades nicht erfüllt seien. Die Ausgleichskasse wies deshalb die Einsprache der Versicherten mit dem vorliegend angefochtenen Einspracheentscheid vom 13. Juni 2017 ab. Dieser vorinstanzlichen Beurteilung kann nun allerdings nicht gefolgt werden. Die zuständige Betreuungsperson des Wohn- und Pflegeheims D._ hat am 24. März 2017 bestätigt, dass die Versicherte beim An- und Auskleiden, beim Essen, bei der Körperpflege sowie bei der und der Pflege gesellschaftlicher Kontakte nicht nur wegen der Sehschwäche, auch aus anderen Gründen - insbesondere wegen einer Bewegungseinschränkung, akuter Sturzgefahr und einem Schwindel bzw. einer Gangunsicherheit - auf Hilfe angewiesen sei. haben sowohl Dr. G._ als auch Dr. H._ bestätigt, dass diese Angaben der zum Ausmass der Hilflosigkeit zutreffen würden. Wenn die Beschwerdeführerin also tatsächlich trotz der Abgabe von Hilfsmitteln in vier und somit in den meisten alltäglichen Lebensverrichtungen im Sinne von Art. 37 Abs. 2 lit. a IVV regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist, so hat sie Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung für eine Hilflosigkeit mittelschweren Grades.
4.1 Auch die Ausgleichskasse anerkennt im angefochtenen Einspracheentscheid, dass die Beschwerdeführerin in mindestens vier alltäglichen Lebensverrichtungen (An- und Auskleiden, Essen, Körperpflege, Fortbewegung) eingeschränkt ist. Sie lehnt einen Anspruch der auf eine Hilflosenentschädigung mittleren Grades aber trotzdem ab. Zur Begründung stellt sie sich auf den Standpunkt, dass die Versicherte bei drei der sechs Lebensverrichtungen (An- und Auskleiden, Essen, Fortbewegung) aufgrund ihrer Sehschwäche regelmässig und erheblich auf Dritthilfe angewiesen sei. Einzig bei der Körperpflege beruhe die Einschränkung auf einer anderen Diagnose. Dem Gesuch um Erhöhung der Hilflosenentschädigung könne aber nur werden, wenn bei drei Lebensverrichtungen eine erhebliche Dritthilfe aufgrund einer anderen Diagnose als der Sehschwäche notwendig sei.
4.2 Dieser Argumentation der Ausgleichskasse liegt die Auffassung zu Grunde, dass hochgradig Sehschwachen zwar ohne weitere Abklärungen - als Sonderfall für leichte im Sinne von Ziff. 8064 KSIH - eine Hilflosenentschädigung für eine Hilflosigkeit leichten Grades zugesprochen werden dürfe, eine höhergradige Hilflosenentschädigung allein aufgrund dieser Beeinträchtigung könne einer betroffenen Person aber nicht zugesprochen werden. ein Anspruch auf eine höhere Hilflosenentschädigung bejaht werden könne, müsse die Dritthilfe zusätzlich in mindestens drei weiteren Lebensverrichtungen durch ein medizinisches Leiden notwendig sein. Dies lässt sich nun aber den massgebenden, (vgl. E. 2.1 und 2.2 hiervor) wiedergegebenen Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen nicht entnehmen. Ebenso ist auch Ziff. 8064 KSIH nicht in diesem leistungseinschränkenden Sinne zu verstehen. Wie die Beschwerdeführerin zu Recht einwendet, ist die genannte Ziffer des KSIH als “Beweiserleichterungs“-Regel bei hochgradig Sehschwachen gedacht, und zwar in dem Sinne, dass bei den Betroffenen weitere Abklärungen zur Zusprechung einer für eine Hilflosigkeit leichten Grades nicht als notwendig erachtet werden. Sie soll aber nicht, wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist, dazu führen, den Weg zu einer Hilflosenentschädigung für eine Hilflosigkeit mittelschweren oder schweren Grades zu versper-
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ren, selbst wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen würden. Andernfalls würden hochgradig sehschwache Versicherte im Vergleich zu Personen ohne Seheinschränkung, die eine beanspruchen können, schlechter gestellt.
4.3 Aus dem Gesagten folgt als Zwischenergebnis, dass die Versicherte, welche in vier alltäglichen Lebensverrichtungen (An- und Auskleiden, Essen, , Fortbewegung) regelmässig und erheblich auf Dritthilfe angewiesen ist, ab 1. Oktober 2016 - dem Monat, in welchem das Revisionsbegehren gestellt wurde (vgl. dazu Art. 88bis Abs. 1 lit. a IVV) - mindestens (vgl. dazu E. 5 hiernach) Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung für eine Hilflosigkeit mittelschweren Grades hat.
4.4 Zu ergänzen bleibt der Vollständigkeit halber, dass der angefochtene Entscheid auch dann nicht bestätigt werden könnte, wenn man der Auffassung der Ausgleichskasse folgend davon ausgehen würde, dass bei hochgradig Sehschwachen ein Anspruch auf eine höhere nur dann bejaht werden kann, wenn die erhebliche Dritthilfe zusätzlich in mindestens drei weiteren Lebensverrichtungen durch andere Gesundheitsbeeinträchtigungen notwendig ist. Wie oben ausgeführt, liegt bei der Versicherten nicht nur eine hochgradige vor, darüber hinaus ist sie auch durch eine Gangunsicherheit und einen Schwindel beeinträchtigt und sie leidet an einem Diabetes Mellitus Typ II, einer hypertensiven , einer chronischen Niereninsuffizienz und einer deutlichen Presbyakusis beidseits (vgl. die Angaben von Dr. H._ vom 24. März 2017). Aufgrund der aktuell vorhandenen Akten kann jedenfalls nicht abschliessend entschieden werden, ob bei der Versichertenn die Hilfe in den vier betroffenen alltäglichen Lebensverrichtungen (An- und Auskleiden, Essen, Körperpflege, Fortbewegung) tatsächlich vorwiegend wegen der mangelnden Sehkraft notwendig ist oder ob die Dritthilfe in einzelnen Bereichen vielmehr (auch) wegen der vorstehend genannten Gesundheitsbeeinträchtigungen erforderlich ist. Um dies beurteilen zu können, wären der für die materielle Anspruchsprüfung zuständigen IV-Stelle weitere Abklärungen gewesen. Diese hat aber vor ihrem Entscheid weder eine Abklärung der Hilflosigkeit vor Ort durch eine unabhängige fachkundige Person in Auftrag gegeben noch eine einlässlichere ärztliche Beurteilung der entsprechenden Fragen eingeholt. Daraus folgt, dass der Einspracheentscheid auch dann aufgehoben werden müsste, wenn man der Argumentation der Ausgleichskasse folgen würde. In diesem Fall müsste die Angelegenheit gleichzeitig zur weiteren Abklärung des massgebenden (medizinischen) Sachverhalts an die zurückgewiesen werden.
5. Wie bereits weiter oben festgehalten (vgl. E. 2.4 hiervor), umschreibt Ziff. 8056 KSIH einen sog. “Sonderfall von schwerer Hilflosigkeit“. Danach gelten Taubblinde und Taube mit hochgradiger Sehschwäche als schwer hilflos, sodass den Betroffenen ohne weitere eine Entschädigung für eine Hilflosigkeit schweren Grades zusteht. Den Akten kann werden, dass die Versicherte an einer deutlichen Presbyakusis, also an einer „Altersschwerhörigkeit“ beidseits leidet. Über das aktuelle Ausmass dieser enthalten die medizinischen Unterlagen keinerlei Angaben. So kann aber auch nicht werden, dass ein Sonderfall im erwähnten Sinne vorliegt, bei welchem ohne Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung für eine Hilflosigkeit schweren Grades besteht.
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Die Angelegenheit ist deshalb zur weiteren Abklärung des aktuellen Ausmasses der deutlichen beidseitigen Presbyakusis und zur Beurteilung der Frage, ob die Beschwerdeführerin im Lichte der Regelung von Ziff. 8056 der KSIH allenfalls Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung für eine schwere Hilflosigkeit hat, an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
6. Zusammenfassend folgt als Ergebnis, dass der angefochtene Einspracheentscheid der Ausgleichskasse aufzuheben und festzustellen ist, dass die Beschwerdeführerin mit Wirkung ab 1. Oktober 2016 mindestens Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung für eine mittelschwere Hilflosigkeit hat. Im Übrigen ist die Angelegenheit zur weiteren Abklärung und Beurteilung der Frage, ob die Beschwerdeführerin in Anwendung der Regelung von Ziff. 8056 KSIH Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung für eine schwere Hilflosigkeit hat, an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Die vorliegende Beschwerde ist in dem Sinne gutzuheissen.
7.1 Art. 61 lit. a ATSG hält fest, dass der Prozess vor dem kantonalen Gericht für die kostenlos zu sein hat. Es sind deshalb für das vorliegende Verfahren keine Kosten zu .
7.2 Laut Art. 61 lit. g ATSG hat die obsiegende Beschwerde führende Person Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Darunter sind die Kosten zu verstehen, die einer Beschwerde versicherten Person im gerichtlichen Verfahren für den Beizug einer Rechtsanwältin bzw. eines Rechtsanwaltes entstanden sind. Vorliegend hat die Beschwerdeführerin zwar obsiegt, da sie sich jedoch nicht anwaltlich hat vertreten lassen, entfällt ein Anspruch auf Ersatz der im Sinne der genannten Bestimmung. Die ausserordentlichen Kosten des Verfahrens können demnach wettgeschlagen werden.
Seite 9 http://www.bl.ch/kantonsgericht
Demgemäss wird e r k a n n t :
://: 1. Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, als der Einspracheentscheid der Ausgleichskasse Swissmem vom 13. Juni 2017 aufgehoben und festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin mit Wirkung ab 1. Oktober 2016 mindestens Anspruch auf eine für eine mittelschwere Hilflosigkeit hat. Im Übrigen wird die Angelegenheit zur weiteren Abklärung und Beurteilung der Frage, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine für eine schwere Hilflosigkeit hat, an die zurückgewiesen.
2. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
3. Die ausserordentlichen Kosten werden wettgeschlagen.
http://www.bl.ch/kantonsgericht |
doc-84 |
Avis juridique important
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31980R3348
Verordnung (EWG) Nr. 3348/80 der Kommission vom 23. Dezember 1980 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2726/80 über eine Beihilfe für konzentrierte Traubenmoste und rektifizierte konzentrierte Traubenmoste, die im Weinwirtschaftsjahr 1980/81 für die Weinbereitung verwendet werden
Amtsblatt Nr. L 351 vom 24/12/1980 S. 0016 - 0016 Griechische Sonderausgabe: Kapitel 03 Band 32 S. 0071
**** ( 1 ) ABL . NR . L 54 VOM 5 . 3 . 1979 , S . 1 . ( 2 ) ABL . NR . L 305 VOM 14 . 11 . 1980 , S . 1 . ( 3 ) ABL . NR . L 54 VOM 5 . 3 . 1979 , S . 48 . ( 4 ) ABL . NR . L 57 VOM 29 . 2 . 1980 , S . 32 . ( 5 ) ABL . NR . L 281 VOM 25 . 10 . 1980 , S . 18 . VERORDNUNG ( EWG ) NR . 3348/80 DER KOMMISSION VOM 23 . DEZEMBER 1980 ZUR ÄNDERUNG DER VERORDNUNG ( EWG ) NR . 2726/80 ÜBER EINE BEIHILFE FÜR KONZENTRIERTE TRAUBENMOSTE UND REKTIFIZIERTE KONZENTRIERTE TRAUBENMOSTE , DIE IM WEINWIRTSCHAFTSJAHR 1980/81 FÜR DIE WEINBEREITUNG VERWENDET WERDEN DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN - GESTÜTZT AUF DEN VERTRAG ZUR GRÜNDUNG DER EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT , GESTÜTZT AUF DIE VERORDNUNG ( EWG ) NR . 337/79 DES RATES VOM 5 . FEBRUAR 1979 ÜBER DIE GEMEINSAME MARKTORGANISATION FÜR WEIN ( 1 ), ZULETZT GEÄNDERT DURCH DIE VERORDNUNG ( EWG ) NR . 2930/80 ( 2 ), INSBESONDERE AUF ARTIKEL 14 ABSATZ 2 UND ARTIKEL 65 , GESTÜTZT AUF DIE VERORDNUNG ( EWG ) NR . 338/79 DES RATES VOM 5 . FEBRUAR 1979 ZUR FESTLEGUNG BESONDERER VORSCHRIFTEN FÜR QUALITÄTSWEINE BESTIMMTER ANBAUGEBIETE ( 3 ), ZULETZT GEÄNDERT DURCH DIE VERORDNUNG ( EWG ) NR . 459/80 ( 4 ), INSBESONDERE AUF ARTIKEL 8 ABSATZ 2 DRITTER UNTERABSATZ , IN ERWAEGUNG NACHSTEHENDER GRÜNDE : NACH DER VERORDNUNG ( EWG ) NR . 2726/80 DER KOMMISSION ( 5 ) WIRD DEN ERZEUGERN VON KELTERTRAUBEN , DIE ZUR ANREICHERUNG IHRER ERNTEN KONZENTRIERTEN MOST VERWENDEN , EINE BEIHILFE GEWÄHRT . DIESE BEIHILFE MÜSSEN DIE ERZEUGER BEI DER ZUSTÄNDIGEN INTERVENTIONSSTELLE SPÄTESTENS AM 15 . DEZEMBER 1980 BEANTRAGEN . NACH DER GENANNTEN VERORDNUNG KÖNNEN DIE MITGLIEDSTAATEN HINSICHTLICH DER BETEILIGTEN ERZEUGER BESTIMMTE MASSNAHMEN TREFFEN . DIE ANNAHME DIESER MASSNAHMEN HAT SICH IN EINEM MITGLIEDSTAAT WEGEN VERWALTUNGSMÄSSIGER SCHWIERIGKEITEN VERZÖGERT ; DIE ERZEUGER SIND DAHER NICHT ALLE IN DER LAGE , DIE FRISTEN FÜR DIE ANTRAGSTELLUNG EINZUHALTEN . EINIGE FRISTEN , INSBESONDERE DIE FÜR DIE EINREICHUNG DER ANTRAEGE , SOLLTEN DAHER VERLÄNGERT WERDEN , DAMIT ALLE ERZEUGER IN DEN GENUSS DER DURCH DIE VERORDNUNG ( EWG ) NR . 2726/80 VORGESEHENEN MASSNAHMEN KOMMEN . DIE IN DIESER VERORDNUNG VORGESEHENEN MASSNAHMEN ENTSPRECHEN DER STELLUNGNAHME DES VERWALTUNGSAUSSCHUSSES FÜR WEIN - HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN : ARTIKEL 1 DIE VERORDNUNG ( EWG ) NR . 2726/80 WIRD WIE FOLGT GEÄNDERT : 1 . DER DRITTE UNTERABSATZ VON ARTIKEL 1 ABSATZ 1 ERHÄLT FOLGENDE FASSUNG : " IN DIESEM FALL UNTERRICHTEN SIE DIE KOMMISSION SPÄTESTENS AM 15 . JANUAR 1981 DAVON . " 2 . IN ARTIKEL 3 ABSATZ 1 ERSTER UNTERABSATZ WIRD DAS DATUM " 15 . DEZEMBER 1980 " DURCH DAS DATUM " 15 . JANUAR 1981 " ERSETZT . ARTIKEL 2 DIESE VERORDNUNG TRITT AM TAG IHRER VERÖFFENTLICHUNG IM AMTSBLATT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN IN KRAFT . SIE GILT AB 16 . DEZEMBER 1980 . DIESE VERORDNUNG IST IN ALLEN IHREN TEILEN VERBINDLICH UND GILT UNMITTELBAR IN JEDEM MITGLIEDSTAAT . BRÜSSEL , DEN 23 . DEZEMBER 1980 FÜR DIE KOMMISSION FINN GUNDELACH VIZEPRÄSIDENT
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doc-85 | (1) Hängt die Fälligkeit der Forderung von einer Kündigung ab, so ist die Kündigung für die Schiffshypothek nur wirksam, wenn sie von dem Gläubiger dem Eigentümer oder von dem Eigentümer dem Gläubiger erklärt wird. Zugunsten des Gläubigers gilt als Eigentümer, wer im Schiffsregister als Eigentümer eingetragen ist.
(2) Hat der Eigentümer weder einen Wohnsitz im Inland noch die Bestellung eines inländischen Bevollmächtigten dem Gläubiger angezeigt, so hat das Registergericht ihm auf Antrag des Gläubigers einen Vertreter zu bestellen, dem gegenüber der Gläubiger kündigen kann; das gleiche gilt, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist oder der Gläubiger ohne Fahrlässigkeit nicht weiß, wer der Eigentümer ist.
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doc-86 | Entscheid Versicherungsgericht, 29.10.2009 - Publikationsplattform
© Kanton St.Gallen 2021 Seite 1/10
Publikationsplattform
St.Galler Gerichte
Fall-Nr.: AVI 2008/72
Stelle: Versicherungsgericht
Rubrik: AVI - Arbeitslosenversicherung
Publikationsdatum: 04.03.2020
Entscheiddatum: 29.10.2009
Entscheid Versicherungsgericht, 29.10.2009 Art. 15 Abs. 1 AVIG. Vermittlungsfähigkeit. Vermittlungsbereitschaft verneint, da Beschwerdeführer ungenügende Arbeitsbemühungen vorwies und davon auszugehen war, dass er nicht bereit war, die während geltend gemachtem Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausgeübte Tätigkeit als Vermittler zugunsten einer Dauerstelle aufzugeben (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 29. Oktober 2009, AVI 2008/72).
Vizepräsidentin Marie-Theres Rüegg Haltinner, Versicherungsrichterin Marie Löhrer,
Ver-sicherungsrichter Franz Schlauri; Gerichtsschreiberin Andrea Keller
Entscheid vom 29. Oktober 2009
in Sachen
A._,
Beschwerdeführer,
gegen
RAV Rapperswil-Jona, Neue Jonastrasse 59, Postfach, 8640 Rapperswil,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Amt für Arbeit, Unterstrasse 22, 9001 St. Gallen,
betreffend
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Vermittlungsfähigkeit
Sachverhalt:
A.
A.a A._ meldete sich am 5. März 2008 beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum
Rapperswil-Jona (nachfolgend: RAV) zur Arbeitsvermittlung an (act. G 5.1.C1). Am 25.
März 2008 stellte er Antrag auf Arbeitslosenentschädigung per 1. März 2008 (act. G
5.1.C9). Am 10. April 2008 überwies die Kantonale Arbeitslosenkasse die
Angelegenheit dem RAV zur Prüfung der Vermittlungsfähigkeit des Versicherten ab
Antragstellung. Der zuständige Personalberater des RAV habe mit Meldung vom 31.
März 2008 mitgeteilt, der Versicherte habe eine Anstellung als Versicherungsberater bei
der B._ gefunden. Diese würde als selbstständiger Zwischenverdienst abgerechnet.
Ebenfalls habe sie (die Kantonale Arbeitslosenkasse) am 3. April 2008 eine Kopie des
Mietvertrags für Geschäftsräume, lautend auf den Versicherten, erhalten. Auch der
Versicherte habe am 8. April 2008 mitgeteilt, er sei seit anfangs November 2007 als
selbstständigerwerbender Versicherungsberater tätig. Bereits vor der Arbeitslosigkeit
habe er sich dieser selbstständigen Erwerbstätigkeit im Umfang von 100% gewidmet
und würde dies auch weiterhin machen, sicher bis zum Finden einer neuen Stelle (act.
G 5.1.C21). Mit Schreiben vom 30. April 2008 teilte das RAV dem Versicherten mit, es
gehe davon aus, dass er ab Antragstellung nicht vermittlungsfähig sei, und gewährte
ihm das rechtliche Gehör (act. G 5.1.C51). Mit Verfügung vom 27. Mai 2008 verneinte
das RAV die Vermittlungsfähigkeit des Versicherten ab Antragstellung vom 5. März
2008 (act. G 5.1.C52).
A.b Gegen diese Verfügung erhob der Versicherte am 25. Juni 2008 Einsprache,
welche er am 29. August 2008 durch die Fortuna Rechtsschutz-Versicherungs-
Gesellschaft begründen liess (act. G 1.3), und beantragte, die Verfügung vom 27. Mai
2008 sei aufzuheben. Es sei die Vermittlungsfähigkeit ab 5. März 2008 anzuerkennen
und es sei ab diesem Datum Arbeitslosenentschädigung zu bezahlen. Die Tätigkeit bei
der B._ sei ab 5. März 2008 als Zwischenverdienst anzurechnen.
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A.c Mit neuerlicher Verfügung vom 9. September 2008 bejahte das RAV die
Vermittlungsfähigkeit des Versicherten ab 1. Juli 2008. Der Vermittlervertrag mit der
B._ sei per 30. Juni 2008 aufgehoben worden. Damit könne nicht mehr von der
Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen werden. Über die
Vermittlungsfähigkeit im Zeitraum 5. März bis 30. Juni 2008 werde mit
Einspracheentscheid zu befinden sein (act. G 5.1.B33). Diese Verfügung erwuchs in der
Folge unangefochten in Rechtskraft.
B.
Mit Entscheid vom 8. Oktober 2008 wies das RAV die Einsprache ab und verneinte die
Vermittlungsfähigkeit des Versicherten für die Zeit vom 5. März bis 30. Juni 2008.
Dieser habe gemäss Vermittlervertrag mit der B._ eine selbstständige Tätigkeit
aufgenommen. Um Kunden zu empfangen, habe er Geschäftsräumlichkeiten gemietet,
die auf sechs Monate kündbar seien und deren Kosten sich auf monatlich Fr. 520.--
beliefen. Aufgrund dessen habe es (das RAV) annehmen müssen, dass es sich dabei
um eine auf Dauer ausgerichtete, wirtschaftliche Selbstständigkeit gehandelt habe (act.
G 5.1.B36).
C.
C.a Mit Eingabe vom 10. November 2008 erhebt der Versicherte Beschwerde und
beantragt, der Einspracheentscheid vom 8. Oktober 2008 sei aufzuheben. Seine
Vermittlungsfähigkeit sei ab 5. März 2008 anzuerkennen. Es sei ihm ab 5. März 2008
Arbeitslosenentschädigung zu bezahlen. Es sei seine Erwerbstätigkeit bei der B._ ab
5. März 2008 als Zwischenverdienst anzurechnen. Zur Begründung bringt er im
Wesentlichen vor, für die Beurteilung der Vermittlungsfähigkeit sei nicht die
selbstständige Erwerbstätigkeit massgebend. Vielmehr müsse die Vermittlungsfähigkeit
gesondert geprüft werden. Bei seiner Tätigkeit bei der B._ habe es sich um eine
unselbstständige Erwerbstätigkeit gehandelt. Im Rahmen seines Antrags auf
Arbeitslosenentschädigung sowie im späteren Abklärungsverfahren habe er immer
wieder zu verstehen gegeben, dass er in der Lage und berechtigt sei, ab 5. März 2008
eine Arbeit anzunehmen und an Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen. Er sei auch
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jederzeit bereit gewesen, die Tätigkeit bei der B._ für einen neuen Arbeitgeber
aufzugeben (act. G 1).
C.b Mit Beschwerdeantwort vom 16. Januar 2009 beantragt der Beschwerdegegner
die Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend,
wie mittlerweile bekannt sei, übe der Beschwerdeführer auch heute noch eine
selbstständige Erwerbstätigkeit aus, die er gegenüber der Arbeitslosenkasse und ihm
(dem Beschwerdegegner) allerdings nicht mehr deklariert habe. Mit der Fortführung
seiner Tätigkeit bekräftige er sein Vorhaben, primär selbstständig erwerbstätig sein zu
wollen. Die dafür getroffenen Dispositionen habe er nie rückgängig gemacht. Er
schrecke auch nicht davor zurück, unwahre oder unvollständige Angaben zu machen,
um trotz ausgeübter selbstständiger Tätigkeit die ungekürzte
Arbeitslosenentschädigung zu erhalten. So habe er ihm (dem Beschwerdegegner)
neben unwahren Angaben in den Formularen "Angaben der versicherten Person"
beispielsweise eine Kopie eines Bewerbungsschreibens abgegeben, dessen
Abfassungsdatum nicht mit dem im Bemühungsnachweis angegebenen
Bewerbungsdatum übereinstimme. Dass er mittlerweile auch wegen ungenügender
Arbeitsbemühungen in der Anspruchsberechtigung habe eingestellt werden müssen,
vervollständige das Bild. Es sei nach wie vor davon auszugehen, dass der
Beschwerdeführer seit Antragstellung eine auf Dauer angelegte selbstständige Tätigkeit
ausübe, womit die Vermittlungsfähigkeit für den zu beurteilenden Zeitraum zu Recht
verneint worden sei (act. G 5).
C.c Mit Replik vom 14. Februar 2009 hält der Beschwerdeführer an seinen Anträgen
fest. Als ihm die B._ gekündigt habe, habe er noch pendente Arbeiten gehabt. Um
diese nicht zu verlieren, habe er eine andere Firma gesucht. So sei er zur C._
gekommen. Er habe lediglich Anträge abgegeben, die er bei der B._ getätigt habe. Er
sei nie selbstständig gewesen und habe nie gearbeitet. Das Büro könne er nicht
bezahlen. Sein Sohn habe das Büro zusammen mit einem Kollegen übernommen, um
diverse Arbeiten zu tätigen. Das Büro habe man "auf seinen (des Beschwerdeführers)
Namen gelassen", da es dafür mehrere Interessenten gegeben habe und es sein Sohn
eventuell nicht erhalten hätte. Den Eintrag im Telefonbuch habe ein Mitarbeiter der
C._ gemacht. Bezüglich der Arbeitsbemühungen könne es sein, dass er einen Fehler
gemacht habe (act. G 7).
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C.d Der Beschwerdegegner verzichtet auf das Einreichen einer Duplik (act. G 9).
Erwägungen:
1.
Eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ist die
Vermittlungsfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 lit. f des Bundesgesetzes über die obligatorische
Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung [AVIG; SR 837.0]). Die
arbeitslose Person ist vermittlungsfähig, wenn sie bereit, in der Lage und berechtigt ist,
eine zumutbare Arbeit anzunehmen und an Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen
(Art. 15 Abs. 1 AVIG). Vermittlungsfähigkeit verlangt objektiv die Arbeitsberechtigung
und Arbeitsfähigkeit einer versicherten Person und subjektiv ihre Bereitschaft, die
Arbeitskraft entsprechend den persönlichen Verhältnissen während der üblichen
Arbeitszeit einzusetzen (BGE 120 V 388 E. 3a mit Hinweisen). Wesentliches Merkmal
der Vermittlungsbereitschaft ist die Bereitschaft zur Annahme einer Dauerstelle (ARV
2004 Nr. 13 S. 126 E. 2.3 mit Hinweis = Urteil des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts [EVG; ab 1. Januar 2007: Sozialrechtliche Abteilungen des
Bundesgerichts] vom 17. Juni 2003, C 272/02). Der Wille allein oder die bloss verbal
erklärte Vermittlungsbereitschaft genügen nicht. Bei fehlenden Aktivitäten oder bei
Dispositionen, die der Annahme der Vermittlungsbereitschaft entgegenstehen, kann
sich die versicherte Person nicht darauf berufen, sie habe die Vermittlung und Suche
einer Arbeit gewollt (BGE 122 V 266 f. E. 4). Fortdauernd ungenügende Bemühungen
um eine neue Stelle können ein wesentlicher Hinweis darauf sein, dass die versicherte
Person während einer bestimmten Zeitdauer nicht gewillt ist, ihre Arbeitskraft
anzubieten. Im Allgemeinen ist aber eine unzureichende Stellensuche nur Ausdruck
davon, dass die versicherte Person ihrer Schadenminderungspflicht ungenügend
nachkommt (BGE 112 V 218 E. 1b; ARV 1996/97 Nr. 19 S. 98, Nr. 8 S. 31 E. 3, mit
Hinweisen).
2.
Zunächst ist umstritten, ob es sich bei der Tätigkeit des Beschwerdeführers bei der
B._ um eine selbstständige oder um eine unselbstständige Tätigkeit gehandelt hat.
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Diese Frage braucht jedoch nicht beantwortet zu werden, ist vorliegend doch einzig die
Vermittlungsfähigkeit des Beschwerdeführers zu prüfen. Diesbezüglich ist
entscheidend, ob der Beschwerdeführer trotz seiner Tätigkeit bei der B._
vermittlungsbereit war. Ausschlaggebend hierfür ist, wie oben erwähnt (E. 1), die
Bereitschaft zur Annahme einer Dauerstellte. Diese kann unabhängig von der Frage
beurteilt werden, ob die Tätigkeit bei der B._ selbstständiger oder unselbstständiger
Natur gewesen ist. In zeitlicher Hinsicht ist dabei die Vermittlungsfähigkeit vom 5. März
bis 30. Juni 2008 zu prüfen, ist doch lediglich dieser Zeitraum Gegenstand des
angefochtenen Einspracheentscheids.
3.
3.1 Aus den Akten geht hervor, dass der Beschwerdeführer vom 1. Februar bis 30.
Juni 2008 bei der B._ tätig war, wobei der Vermittlervertrag am 30. Juni 2008 durch
die B._ per sofort gekündigt wurde (act. G 5.1.B3 und 5.1.B26). Gegenüber der
Kantonalen Arbeitslosenkasse gab der Beschwerdeführer am 8. April 2008 an, dieser
Tätigkeit bereits seit Anfang November 2007 nachzugehen und zwar im Umfang von
100% bzw. 45 Stunden pro Woche. Er wolle diese Tätigkeit weiterhin im Umfang von
100% ausüben, bis er eine neue Stelle gefunden habe (act. G 5.1.C19). Offenbar
konnte er mit dieser Tätigkeit kein Einkommen erzielen, gab er doch in den
Bescheinigungen über Zwischenverdienst für die vorliegend interessierenden Monate
März bis und mit Juni 2008 an, ein Bruttoeinkommen von Fr. 0.-- erzielt und Material-
bzw. Warenkosten in Höhe von Fr. 520.-- gehabt zu haben (act. G 5.1.C18, 5.1.C41,
5.1.C54, 5.1.C56), wobei es sich bei den deklarierten Kosten um den Mietzins für vom
Beschwerdeführer gemietete Büroräumlichkeiten handelt (act. G 5.1.C14). Nachdem
die B._ dem Beschwerdeführer gekündigt hatte, schloss er mit der C._ am 30. Juni
2008 per 1. Juli 2008 einen Vermittler-/Zuführervertrag ab, wovon der
Beschwerdegegner jedoch erst im Dezember 2008/Januar 2009 erfuhr (vgl. act. G
5.1.B63 ff.).
Aus den Protokollen der Beratungsgespräche vom 5. und 26. März 2008 geht hervor,
dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung von Anfang
an als fraglich angesehen und dem Beschwerdeführer dies auch so mitgeteilt wurde
(act. G 5.1.B2, 5.1.B10). Mit Schreiben vom 26. März 2008 wies der
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Beschwerdegegner den Beschwerdeführer darauf hin, dass er nicht früh genug mit der
Stellensuche begonnen habe und die Anzahl seiner Bemühungen klar ungenügend sei;
das RAV verlange normalerweise mindestens zwei Bemühungen pro Woche (act. G
5.1.B11); im Beratungsgespräch vom 31. März 2008 wurden dann offenbar sechs
Arbeitsbemühungen pro Monat vereinbart (act. G 5.1.B13). Der Beschwerdeführer hielt
dem entgegen, er habe sofort mit der Stellensuche begonnen. Er sei bei der D._, bei
E._ und auch bei F._ gewesen. Weil er momentan jedoch keinen Fahrzeugausweis
(wohl: Führerausweis) habe, hätten sie abwarten wollen, bis er diesen wieder
zurückerhalte. Er habe sich direkt mit einigen Maklerfirmen in Verbindung gesetzt und
sei zuletzt auf die B._ gestossen. Dort arbeite er auf selbstständiger Basis, bis er
seinen Führerausweis zurückerhalte und somit eine neue Stelle in der
Versicherungsbranche antreten dürfe. Er habe mit der Stellensuche aufgehört, weil er
bei der B._ tätig sei und bei anderen Versicherungen keine Chance habe ohne
Führerausweis (act. G 5.1.B11).
Für die Zeit vor der Anmeldung zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung weist der
Beschwerdeführer vier Stellenbewerbungen aus, davon eine im November 2007, zwei
im Dezember 2007 und eine im Januar 2008 (act. G 5.1.B12). Für Februar und März
2008 vermag er demgegenüber keine Arbeitsbemühungen nachzuweisen. In der Folge
belief sich die Zahl seiner Arbeitsbemühungen für April 2008 auf fünf (act. G 5.1.B19),
für Mai 2008 auf sieben (act. G 5.1.B23) und für Juni 2008 auf fünf (act. G 5.1.B25). Bei
den Arbeitsbemühungen von April bis und mit Juni 2008 handelte es sich ausnahmslos
um telefonische bzw. persönliche Bewerbungen; eine schriftliche Bewerbung ist nicht
erfolgt. Zudem hat sich der Beschwerdeführer grösstenteils um Stellen in der
Versicherungsbranche beworben. Auch fällt auf, dass die Bewerbungen bei der G._
sowie bei der H._ doppelt aufgeführt sind; einmal im Mai 2008 mit dem Vermerk
"Termin am 2. Juni 2008" bzw. "Test am 3. Juni 2008" und dann nochmals im Juni
2008, jeweils mit dem Vermerk "Absage, Betreibungen". Ebenso wird zweimal eine
Bewerbung bei I._ angegeben, wobei unklar ist, ob es sich dabei um dieselbe
Gesellschaft handelt, wird sie doch einmal als "I._ I._" mit einer Stelle als
Immobilienberater und einmal als "I._ Z._" mit einer Stelle als "Immobilien Verk."
bezeichnet. Bei vielen Absagen gab der Beschwerdeführer als Grund "ohne Ausweis
keine Anstellung" an.
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3.2 Die Arbeitsbemühungen des Beschwerdeführers sind ungenügend. Obwohl er
sich per 1. März 2008 zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung anmeldete, kann er
für den betreffenden Monat und den Monat davor keine Arbeitsbemühungen
vorweisen. Dieses Verhalten steht im Gegensatz zur Behauptung, die im Februar 2008
aufgenommene Vermittlertätigkeit bei der B._ nur vorübergehend bis zum Finden
einer neuen Stelle ausüben zu wollen. Nur im Mai 2008 kann der Beschwerdeführer
sieben Bewerbungen, und damit eine mehr als vereinbart, belegen. In qualitativer
Hinsicht ist zu bemängeln, dass sich der Beschwerdeführer von März bis und mit Juni
2008 nirgends schriftlich beworben hat. Der Stellungnahme vom 31. März 2008 an den
Beschwerdegegner ist zu entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer keine Chancen
ausrechnete, ohne Führerausweis eine Stelle in der Versicherungsbranche zu finden
(act. G 5.1.B11). Dennoch beschränkte er seine Stellensuche in der Folge
hauptsächlich auf diese Branche und erhielt offenbar mehrere Absagen mit der
Begründung, er habe derzeit keinen Führerschein. Um seine Arbeitslosigkeit beenden
zu können, hätte sich der Beschwerdeführer (auch) um andere Stellen bewerben
müssen, was er nicht bzw. nur unzureichend getan hat. So geht aus seiner
Stellungnahme vom 31. März 2008 denn auch hervor, dass er sich einzig für Stellen in
der Versicherungsbranche interessierte (act. G 5.1.B11).
Neben den ungenügenden Arbeitsbemühungen deuten auch andere Umstände darauf
hin, dass der Beschwerdeführer nicht vermittlungsbereit - und damit auch nicht
vermittlungsfähig - war. So gab er am 31. März 2008 gegenüber dem
Beschwerdegegner an, mit der Stellensuche aufgehört zu haben, weil er eine Stelle bei
der B._ gefunden habe (act. G 5.1.B11). Offenbar war der Beschwerdeführer davon
überzeugt, mit dieser Tätigkeit ein angemessenes Einkommen erzielen zu können, ist
doch davon auszugehen, dass er sich andernfalls weiterhin um Stellen bemüht und
sich früher zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung angemeldet hätte. Für eine
längerfristige Tätigkeit bei der B._ spricht auch der Umstand, dass der
Beschwerdeführer am 31. Januar 2008 einen Mietvertrag über Büroräumlichkeiten mit
einer Kündigungsfrist von sechs Monaten abgeschlossen hat (act. G 5.1.C41). Zwar
dauerte das Vertragsverhältnis mit der B._ in der Folge nur bis 30. Juni 2008, doch
ging die Kündigung nicht vom Beschwerdeführer, sondern von der B._ aus (act. G
5.1.B26). Anstatt sich spätestens in jenem Zeitpunkt umso intensiver der Stellensuche
zu widmen (Juli bis und mit September 2008: je sechs Arbeitsbemühungen [act. G
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5.1.B30 f., 5.1.B34], Oktober 2008: fünf Arbeitsbemühungen [act. G 5.1.B42]), schloss
der Beschwerdeführer noch am 30. Juni 2008 einen Vertrag mit der C._ per 1. Juli
2008 ab, gemäss welchem er - wie zuvor bei der B._ - auf Provisionsbasis tätig war.
Für die Tätigkeit bei der C._ war der Beschwerdeführer im Telefonbuch verzeichnet
(act. G 5.1.B63), wobei die dort angegebene Adresse mit der Adresse der vom
Beschwerdeführer gemieteten Büroräumlichkeiten für die Tätigkeit bei der B._
übereinstimmt. Es erübrigt sich, in diesem Zusammenhang auf die Vorbringen des
Beschwerdeführers einzugehen, wonach er den Vertrag mit der C._ nur eingegangen
sei, um pendente Aufträge zu Ende zu führen, und der Mietvertrag über die
Büroräumlichkeiten zwar auf seinen Namen laute, diese aber von seinem Sohn und
einem Kollegen genutzt würden. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers bei der C._ ist
nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens. Dennoch lässt das diesbezügliche
Verhalten des Beschwerdeführers Rückschlüsse auf den vorliegend zu prüfenden
Zeitraum und seine damaligen (längerfristigen) Absichten zu. In Würdigung der
gesamten Umstände ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit des Beschwerdeführers
bei der B._ auf Dauer angelegt war und er nicht bereit war, im fraglichen Zeitraum
eine Dauerstelle (welche infolge des damals fehlenden Führerausweises wohl in einer
anderen Branche hätte gesucht werden müssen) anzutreten. Vielmehr macht das
Verhalten des Beschwerdeführers den Anschein, dass er die (in der Anfangsphase)
ausbleibenden Einkünfte durch den Bezug von Arbeitslosenentschädigung
kompensieren, die Tätigkeit bei der B._ jedoch weiterführen wollte. Daran ändern
auch die Beteuerungen des Beschwerdeführers, wonach er die Tätigkeit bei der B._
sofort zugunsten einer Dauerstelle aufgegeben hätte, nichts, spricht doch das effektiv
an den Tag gelegte Verhalten für das Gegenteil. Folglich war der Beschwerdeführer
vom 5. März bis 30. Juni 2008 nicht vermittlungsbereit, weshalb ihm der
Beschwerdegegner für diesen Zeitraum zu Recht die Vermittlungsfähigkeit
abgesprochen hat.
4.
Im Sinne der obigen Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen. Gerichtskosten sind
keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht
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im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG
entschieden:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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doc-87 |
(Fundstelle: BGBl. I 2017, 3888 — 3889)
Soweit die nachfolgenden Angaben über die in § 4e Absatz 1 genannten Mindestanforderungen hinausgehen und sie für die Entscheidung über die Zulassung des UVP-pflichtigen Vorhabens erforderlich sind, muss nach § 4e Absatz 2 der UVP-Bericht hierzu Angaben enthalten.
1.
Eine Beschreibung des UVP-pflichtigen Vorhabens, insbesondere
a)
eine Beschreibung des Standorts,
b)
eine Beschreibung der physischen Merkmale des gesamten UVP-pflichtigen Vorhabens, einschließlich der erforderlichen Abrissarbeiten, soweit relevant, sowie des Flächenbedarfs während der Bau- und der Betriebsphase,
c)
eine Beschreibung der wichtigsten Merkmale der Betriebsphase des UVP-pflichtigen Vorhabens (insbesondere von Produktionsprozessen), z. B.
aa)
Energiebedarf und Energieverbrauch,
bb)
Art und Menge der verwendeten Rohstoffe und
cc)
Art und Menge der natürlichen Ressourcen (insbesondere Fläche, Boden, Wasser, Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt),
d)
eine Abschätzung, aufgeschlüsselt nach Art und Quantität,
aa)
der erwarteten Rückstände und Emissionen (z. B. Verunreinigung des Wassers, der Luft, des Bodens und Untergrunds, Lärm, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlung) sowie
bb)
des während der Bau- und Betriebsphase erzeugten Abfalls.
2.
Eine Beschreibung der von dem Träger des UVP-pflichtigen Vorhabens geprüften vernünftigen Alternativen (z. B. in Bezug auf Ausgestaltung, Technologie, Standort, Größe und Umfang des UVP-pflichtigen Vorhabens), die für das Vorhaben und seine spezifischen Merkmale relevant sind, und die Angabe der wesentlichen Gründe für die getroffene Wahl unter Berücksichtigung der jeweiligen Auswirkungen auf die in § 1a genannten Schutzgüter.
3.
Eine Beschreibung des aktuellen Zustands der Umwelt und ihrer Bestandteile im Einwirkungsbereich des UVP-pflichtigen Vorhabens und eine Übersicht über die voraussichtliche Entwicklung der Umwelt bei Nichtdurchführung des UVP-pflichtigen Vorhabens, soweit diese Entwicklung gegenüber dem aktuellen Zustand mit zumutbarem Aufwand auf der Grundlage der verfügbaren Umweltinformationen und wissenschaftlichen Erkenntnissen abgeschätzt werden kann.
4.
Eine Beschreibung der möglichen erheblichen Auswirkungen des UVP-pflichtigen Vorhabens auf die in § 1a genannten Schutzgüter.
Die Darstellung der Auswirkungen auf die in § 1a genannten Schutzgüter soll den Umweltschutzzielen Rechnung tragen, die nach den Rechtsvorschriften, einschließlich verbindlicher planerischer Vorgaben, maßgebend sind für die Entscheidung über die Zulassung des UVP-pflichtigen Vorhabens. Die Darstellung soll sich auf die Art der Auswirkungen auf die in § 1a genannten Schutzgüter nach Buchstabe a erstrecken. Anzugeben sind jeweils die Art, in der Schutzgüter betroffen sind nach Buchstabe b, und die Ursachen der Auswirkungen nach Buchstabe c.
a)
Art der Auswirkungen auf die in § 1a genannten Schutzgüter
Die Beschreibung der möglichen erheblichen Auswirkungen auf die in § 1a genannten Schutzgüter soll sich auf die direkten und die etwaigen indirekten, sekundären, kumulativen, grenzüberschreitenden, kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen, ständigen und vorübergehenden, positiven und negativen Auswirkungen des UVP-pflichtigen Vorhabens erstrecken.
b)
Art, in der Schutzgüter betroffen sind
Bei der Angabe, in welcher Hinsicht die Schutzgüter von den Auswirkungen des UVP-pflichtigen Vorhabens betroffen sein können, sind in Bezug auf die nachfolgenden Schutzgüter insbesondere folgende Auswirkungen zu berücksichtigen:
Schutzgut (Auswahl)
mögliche Art der Betroffenheit
Menschen, insbesondere die menschliche Gesundheit
Auswirkungen sowohl auf einzelne Menschen als auch auf die Bevölkerung
Tiere, Pflanzen, biologische Vielfalt
Auswirkungen auf Flora und Fauna
Fläche
Flächenverbrauch
Boden
Veränderung der organischen Substanz, Bodenerosion, Bodenverdichtung, Bodenversiegelung
Wasser
hydromorphologische Veränderungen, Veränderungen von Quantität oder Qualität des Wassers
Luft
Luftverunreinigungen
Klima
Veränderungen des Klimas, z. B. durch Treibhausgasemissionen, Veränderung des Kleinklimas am Standort
Kulturelles Erbe
Auswirkungen auf historisch, architektonisch oder archäologisch bedeutende Stätten und Bauwerke und auf Kulturlandschaften.
c)
Mögliche Ursachen der Auswirkungen auf die in § 1a genannten Schutzgüter
Bei der Beschreibung der Umstände, die zu erheblichen Auswirkungen des UVP-pflichtigen Vorhabens auf die in § 1a genannten Schutzgüter führen können, sind insbesondere folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:
aa)
die Durchführung baulicher Maßnahmen, einschließlich der Abrissarbeiten, soweit relevant, sowie die physische Anwesenheit der errichteten Anlagen oder Bauwerke,
bb)
verwendete Techniken und eingesetzte Stoffe,
cc)
die Nutzung natürlicher Ressourcen, insbesondere Fläche, Boden, Wasser, Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt und, soweit möglich, jeweils auch die nachhaltige Verfügbarkeit der betroffenen Ressource,
dd)
Emissionen und Belästigungen sowie Verwertung oder Beseitigung von Abfällen,
ee)
Risiken für die menschliche Gesundheit, für Natur und Landschaft sowie für das kulturelle Erbe, z. B. durch schwere Unfälle oder Katastrophen,
ff)
das Zusammenwirken mit den Auswirkungen anderer bestehender oder zugelassener Vorhaben oder Tätigkeiten; dabei ist auch auf Umweltprobleme einzugehen, die sich daraus ergeben, dass ökologisch empfindliche Gebiete nach Anlage 3 Nummer 2.3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung betroffen sind oder die sich aus einer Nutzung natürlicher Ressourcen ergeben,
gg)
Auswirkungen des UVP-pflichtigen Vorhabens auf das Klima, z. B. durch Art und Ausmaß der mit dem Vorhaben verbundenen Treibhausgasemissionen,
hh)
die Anfälligkeit des UVP-pflichtigen Vorhabens gegenüber den Folgen des Klimawandels (z. B. durch erhöhte Hochwassergefahr am Standort),
ii)
die Anfälligkeit des UVP-pflichtigen Vorhabens für die Risiken von schweren Unfällen oder Katastrophen, soweit solche Risiken nach der Art, den Merkmalen und dem Standort des UVP-pflichtigen Vorhabens von Bedeutung sind.
5.
Die Beschreibung der grenzüberschreitenden Auswirkungen des UVP-pflichtigen Vorhabens soll in einem gesonderten Abschnitt erfolgen.
6.
Eine Beschreibung und Erläuterung der Merkmale des UVP-pflichtigen Vorhabens und seines Standorts, mit denen das Auftreten erheblicher nachteiliger Auswirkungen auf die in § 1a genannten Schutzgüter vermieden, vermindert oder ausgeglichen werden soll.
7.
Eine Beschreibung und Erläuterung der geplanten Maßnahmen, mit denen das Auftreten erheblicher nachteiliger Auswirkungen auf die in § 1a genannten Schutzgüter vermieden, vermindert oder ausgeglichen werden soll, sowie eine Beschreibung geplanter Ersatzmaßnahmen und etwaiger Überwachungsmaßnahmen des Trägers des UVP-pflichtigen Vorhabens.
8.
Soweit Auswirkungen aufgrund der Anfälligkeit des UVP-pflichtigen Vorhabens für die Risiken von schweren Unfällen oder Katastrophen zu erwarten sind, soll die Beschreibung, soweit möglich, auch auf vorgesehene Vorsorge- und Notfallmaßnahmen eingehen.
9.
Die Beschreibung der Auswirkungen auf Natura 2000-Gebiete soll in einem gesonderten Abschnitt erfolgen.
10.
Die Beschreibung der Auswirkungen auf besonders geschützte Arten soll in einem gesonderten Abschnitt erfolgen.
11.
Eine Beschreibung der Methoden oder Nachweise, die zur Ermittlung der erheblichen Auswirkungen auf die in § 1a genannten Schutzgüter genutzt wurden, einschließlich näherer Hinweise auf Schwierigkeiten und Unsicherheiten, die bei der Zusammenstellung der Angaben aufgetreten sind, insbesondere soweit diese Schwierigkeiten auf fehlenden Kenntnissen und Prüfmethoden oder auf technischen Lücken beruhen.
12.
Eine Referenzliste der Quellen, die für die im UVP-Bericht enthaltenen Angaben herangezogen wurden.
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doc-88 |
3.6.2014
DE
Amtsblatt der Europäischen Union
L 164/10
DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) Nr. 586/2014 DER KOMMISSION
vom 2. Juni 2014
zur Abweichung von der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006 des Rates hinsichtlich des Verbots der Fischerei über geschützten Lebensräumen, der Mindestentfernung von der Küste und der Mindestwassertiefe für die „Gangui“-Trawler beim Fischfang in bestimmten Hoheitsgewässern Frankreichs (Provence-Alpes-Côte d'Azur)
DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1967/2006 des Rates vom 21. Dezember 2006 betreffend die Maßnahmen für die nachhaltige Bewirtschaftung der Fischereiressourcen im Mittelmeer (1), insbesondere auf Artikel 4 Absatz 5, Artikel 13 Absatz 5 und Artikel 10,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)
Gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006 ist die Fischerei mit Schleppnetzen, Dredgen, Ringwaden, Bootswaden, Strandwaden oder ähnlichen Netzen über Seegraswiesen (insbesondere Wiesen von Posidonia oceanica) oder anderen Phanerogamen verboten.
(2)
Die Kommission kann eine von Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006 abweichende Genehmigung erteilen, wenn eine Reihe von Bedingungen nach Artikel 4 Absatz 5 erfüllt sind.
(3)
Gemäß Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006 darf gezogenes Gerät nicht innerhalb von drei Seemeilen vor den Küsten oder diesseits der 50-Meter-Isobathe, wenn diese Wassertiefe in einer geringeren Entfernung erreicht ist, eingesetzt werden.
(4)
Auf Antrag eines Mitgliedstaats kann die Kommission eine von dem Verbot in Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006 abweichende Genehmigung erteilen, wenn die Bedingungen des Artikels 13 Absätze 5 und 9 erfüllt sind.
(5)
Am 18. Mai 2011 erhielt die Kommission einen Antrag Frankreichs auf eine Ausnahmegenehmigung von Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 1, Artikel 13 Absatz 1 Unterabsatz 1 und Artikel 13 Absatz 2 der genannten Verordnung für die Nutzung von „Gangui“-Trawlern in bestimmten Meeresgebieten innerhalb der Hoheitsgewässer Frankreichs über Seegraswiesen von Posidonia oceanica innerhalb von 3 Seemeilen vor der Küste, unabhängig von der Wassertiefe.
(6)
Frankreich hat aktuelle wissenschaftliche und technische Begründungen für die Ausnahmegenehmigung vorgelegt.
(7)
Der Wissenschafts-, Technik- und Wirtschaftsausschuss für die Fischerei (STECF) hat die von Frankreich beantragte Ausnahmegenehmigung und den entsprechenden Entwurf eines Bewirtschaftungsplans auf seiner Plenarsitzung vom 11. bis 15. Juli 2011 bewertet.
(8)
Die von Frankreich beantragte Ausnahmegenehmigung erfüllt die Bedingungen nach Artikel 4 Absatz 5 und Artikel 13 Absätze 5 und 9 der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006.
(9)
Der Antrag betrifft Fangtätigkeiten von Schiffen mit einer Länge über alles von bis zu 12 Metern und einer Motorleistung von bis zu 85 kW mit Bodenschleppnetzen, traditionell über Posidonia-Wiesen, gemäß Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006.
(10)
Die Fangtätigkeiten betreffen rund 27,5 % der mit Seegraswiesen von Posidonia oceanica bedeckten Fläche innerhalb des Gebiets, für das der Bewirtschaftungsplan gilt, und 9 % der Seegraswiesen in den Hoheitsgewässern Frankreichs, im Einklang mit den Vorgaben der Ziffern ii und iii von Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006.
(11)
Angesichts der geringen Größe des Festlandsockels bestehen besondere geografische Zwänge.
(12)
Die Fischerei hat keine signifikanten Auswirkungen auf die Meeresumwelt.
(13)
Die von Frankreich beantragte Ausnahmegenehmigung betrifft nur eine begrenzte Zahl von 36 Schiffen.
(14)
Die Fischerei mit „Gangui“-Trawlern zielt auf eine große Vielfalt von Arten ab, die einer ökologischen Nische entsprechen; die Fangzusammensetzung dieser Fischerei kann insbesondere in Bezug auf die Anzahl der gefangenen Arten mit keinem anderen Fanggerät erzielt werden. Daher kann die Fischerei nicht mit anderen Fanggeräten durchgeführt werden.
(15)
Durch den Bewirtschaftungsplan wird eine künftige Erhöhung des Fischereiaufwands ausgeschlossen, da Fanggenehmigungen nur für 36 bestimmte, bereits von Frankreich zum Fischfang berechtigte Schiffe mit einem Gesamtaufwand von 1 745 kW ausgestellt werden.
(16)
Der Antrag gilt für Schiffe, die seit über fünf Jahren in der Fischerei tätig sind und den von Frankreich am 15. April 2014 (2) gemäß Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006 verabschiedeten Bewirtschaftungsplan befolgen.
(17)
Diese Schiffe sind in einer Liste aufgeführt, die der Kommission im Einklang mit den Anforderungen des Artikel 13 Absatz 9 der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006 übermittelt wurde.
(18)
Die betreffenden Fangtätigkeiten entsprechen den Anforderungen von Artikel 4, Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe h und Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006.
(19)
Die betreffenden Fangtätigkeiten erfüllen die Aufzeichnungsanforderungen von Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 des Rates (3).
(20)
Die betreffenden Fangtätigkeiten behindern nicht die Tätigkeiten von Schiffen, die andere Fanggeräte als Schleppnetze, Ringwaden oder ähnliche gezogene Netze verwenden.
(21)
Die Tätigkeit der „Gangui“-Trawler ist im französischen Bewirtschaftungsplan geregelt, um sicherzustellen, dass die Fangmengen bei den in Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006 genannten Arten minimal sind.
(22)
„Gangui“-Trawler nehmen keine gezielte Befischung von Kopffüßern vor.
(23)
Der französische Bewirtschaftungsplan umfasst Maßnahmen zur Überwachung der Fangtätigkeiten und erfüllt damit die Bedingungen gemäß Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 5 und Artikel 13 Absatz 9 Unterabsatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006.
(24)
Die beantragten Ausnahmegenehmigungen sollten daher gewährt werden.
(25)
Frankreich sollte der Kommission zu gegebener Zeit und in Einklang mit dem im französischen Bewirtschaftungsplan vorgesehenen Überwachungsplan Bericht erstatten.
(26)
Eine zeitliche Begrenzung der Ausnahmegenehmigung sollte vorgesehen werden, um umgehend Abhilfemaßnahmen ergreifen zu können, wenn der Bericht an die Kommission einen schlechten Erhaltungszustand der befischten Art aufzeigt, während gleichzeitig Spielraum geschaffen wird, um die wissenschaftliche Grundlage und damit den Bewirtschaftungsplan zu verbessern.
(27)
Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ausschusses für Fischerei und Aquakultur —
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Artikel 1
Ausnahmeregelungen
Artikel 4 Absatz 1 und Artikel 13 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006 gelten nicht in den an die Küste von Provence-Alpes-Côte d'Azur angrenzenden Hoheitsgewässern Frankreichs für „Gangui“- Trawler, die
a)
mit einer im französischen Bewirtschaftungsplan aufgeführten Registriernummer versehen sind;
b)
seit mehr als fünf Jahren in der Fischerei tätig sind und für die eine künftige Steigerung des Fischereiaufwands ausgeschlossen wird und
c)
über eine Fanggenehmigung verfügen und den von Frankreich gemäß Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006 verabschiedeten Bewirtschaftungsplan befolgen.
Artikel 2
Überwachungsplan und -bericht
Frankreich übermittelt der Kommission innerhalb von drei Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung einen nach Maßgabe des im Bewirtschaftungsplan (siehe Artikel 1 Buchstabe c) festgelegten Überwachungsplans erstellten Bericht.
Artikel 3
Inkrafttreten und Geltungsdauer
Diese Verordnung tritt am dritten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Sie gilt bis zum 6. Juni 2017.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Brüssel, den 2. Juni 2014
Für die Kommission
Der Präsident
José Manuel BARROSO
(1) ABl. L 36 vom 8.2.2007, S. 6.
(2) JORF Nr. 0101 vom 30. April 2014, S. 7452.
(3) Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 des Rates vom 20. November 2009 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Kontrollregelung zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorschriften der Gemeinsamen Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 847/96, (EG) Nr. 2371/2002, (EG) Nr. 811/2004, (EG) Nr. 768/2005, (EG) Nr. 2115/2005, (EG) Nr. 2166/2005, (EG) Nr. 388/2006, (EG) Nr. 509/2007, (EG) Nr. 676/2007, (EG) Nr. 1098/2007, (EG) Nr. 1300/2008, (EG) Nr. 1342/2008 sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 2847/93, (EG) Nr. 1627/94 und (EG) Nr. 1966/2006 (ABl. L 343 vom 22.12.2009, S. 1).
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doc-89 | 1 . 4. 82 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 86/41
VERORDNUNG (EWG) Nr. 746/82 DER KOMMISSION
vom 31 . März 1982
zur Festsetzung des Höchstbetrags der Ausfuhrerstattung für Weißzucker für die
35 . Teilausschreibung, die im Rahmen der in der Verordnung (EWG) Nr. 2041/81
genannten Haupt-Dauerausschreibung durchgeführt wurde
DIE KOMMISSION DER EUROPAISCHEN marktes in der Gemeinschaft sowie des Weltmarktes
GEMEINSCHAFTEN — festzusetzen .
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europä Nach Prüfung der Angebote ist es angebracht, für die
ischen Wirtschaftsgemeinschaft, 35. Teilausschreibung die in Artikel 1 genannten
gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 des Bestimmungen zu erlassen.
Rates vom 30. Juni 1981 über die gemeinsame Markt Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen
organisation für Zucker ('), zuletzt geändert durch die entsprechen der Stellungnahme des Verwaltungsaus
Verordnung (EWG) Nr. 606/82 (2), insbesondere auf schusses für Zucker —
Artikel 19 Absatz 4 erster Unterabsatz Buchstabe b),
in Erwägung nachstehender Gründe :
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN :
Gemäß Verordnung (EWG) Nr. 2041 /81 der Kommis
sion vom 16. Juli 1981 betreffend eine Haupt-Dauer
Artikel 1
ausschreibung für die Festsetzung von Abschöpfungen
und/oder Erstattungen bei der Ausfuhr von Weiß Für die gemäß Verordnung (EWG) Nr. 2041 /81 durch
zucker (3) werden Teilausschreibungen für die Ausfuhr geführte 35. Teilausschreibung wird der Höchstbetrag
dieses Zuckers durchgeführt. der Ausfuhrerstattung auf 25,270 ECU je 100 kg
Gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. Weißzucker festgesetzt.
2041 /81 ist gegebenenfalls ein Höchstbetrag der
Ausfuhrerstattung für die betreffende Teilausschrei Artikel 2
bung insbesondere unter Berücksichtigung der Lage
und der voraussichtlichen Entwicklung des Zucker Diese Verordnung tritt am 1 . April 1982 in Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem
Mitgliedstaat.
Brüssel, den 31 . März 1982
Für die Kommission
Poul DALSAGER
Mitglied der Kommission
(') ABl. Nr. L 177 vom 1 . 7. 1981 , S. 4.
O ABl. Nr. L 74 vom 18. 3. 1982, S. 1 .
3) ABl. Nr. L 200 vom 21 . 7. 1981 , S. 22.
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doc-90 | (1) Reichen die das Geschäftsjahr betreffenden Informationen über die fälligen Beiträge oder die eingetretenen Versicherungsfälle auf Grund der Besonderheiten des Versicherungsgeschäfts zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung zu einer ordnungsgemäßen Schätzung nicht aus, so ist eine der in den Absätzen 2 und 3 beschriebenen Methoden anzuwenden. Der Betrag der so gebildeten versicherungstechnischen Rückstellungen ist erforderlichenfalls soweit aufzustocken, daß er zur Erfüllung derzeitiger und künftiger Verpflichtungen ausreicht.
(2) In Versicherungszweigen oder Versicherungsarten, in denen nach Zeichnungsjahren abgerechnet wird, ist die versicherungstechnische Rückstellung aus dem Überschuß der gebuchten Beiträge über die Zahlungen für Versicherungsfälle und die Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb für im Zeichnungsjahr beginnende Verträge zu bilden. Diese Rückstellung kann auch auf der Grundlage eines bestimmten Prozentsatzes der gebuchten Beiträge ermittelt werden, wenn nach der Eigenart des versicherten Risikos ein solches Verfahren zweckmäßig ist. Sobald ausreichende Informationen vorliegen, jedoch spätestens am Ende des dritten auf das Zeichnungsjahr folgenden Jahres, ist die so gebildete Rückstellung durch eine nach den allgemeinen Grundsätzen ermittelte Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle zu ersetzen. Zeichnungsjahr ist das Geschäftsjahr, in dem die Versicherungsverträge in dem betreffenden Versicherungszweig oder der betreffenden Versicherungsart begonnen haben.
(3) In der versicherungstechnischen Rechnung können die Zahlen des Jahres eingesetzt werden, das dem Geschäftsjahr ganz oder teilweise, jedoch um nicht mehr als zwölf Monate, vorausgeht.
(4) Die Anwendung eines Verfahrens nach Absatz 2 oder 3 ist im Anhang anzugeben und zu begründen; bei Änderung des angewandten Verfahrens ist ihr Einfluß auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im Anhang darzulegen. Bei der Anwendung eines Verfahrens nach Absatz 2 ist im Anhang der Zeitraum bis zur Bildung einer nach den allgemeinen Grundsätzen ermittelten Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle anzugeben. Bei der Anwendung des Verfahrens nach Absatz 3 ist im Anhang anzugeben, um welchen Zeitraum das Jahr, dessen Zahlen ausgewiesen werden, dem Geschäftsjahr vorausgeht und welchen Umfang die betreffenden Geschäfte haben.
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doc-91 | C 44/12 DE Amtsblatt der Europäischen Union 22.2.2003
Klage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vember 2002, in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen
gegen die Italienische Republik, eingereicht am 16. Okto- am 29. November 2002, in dem Rechtsstreit Arnold André
ber 2002 GmbH & Co. KG gegen Landrat des Kreises Herford, um
Vorabentscheidung über folgende Frage:
(Rechtssache C-374/02)
Ist die Vorschrift des Art. 8 der Richtlinie 2001/37/EG (1),
(2003/C 44/22) durch die zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvor-
schriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufma-
chung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen das Inver-
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat am kehrbringen von Tabak zum oralen Gebrauch unbeschadet des
16. Oktober 2002 eine Klage gegen die Italienische Republik Art. 151 der Akte über den Beitritt Österreichs, Finnlands und
beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften einge- Schwedens verboten wird, mit höherrangigem Recht der
reicht. Bevollmächtigte der Klägerin sind Minas Konstantinidis Europäischen Gemeinschaften vereinbar?
und Roberto Amorosi.
(1 ) ABl. L 194, S. 26.
Die Klägerin beantragt,
— festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen
ihre Verpflichtungen aus Artikel 18 der Richtlinie 1999/
31/EG ( 1) des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldepo-
nien verstoßen hat, dass sie nicht die Rechts- und
Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich
sind, um dieser Richtlinie nachzukommen, oder sie Ersuchen um Vorabentscheidung, vorgelegt aufgrund des
jedenfalls der Kommission nicht mitgeteilt hat; Beschlusses des Landgerichts Essen vom 25. November
2002 in der Handelsregistersache Axel Springer AG gegen
— der Italienischen Republik die Kosten des Verfahrens Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. Essen KG
aufzuerlegen.
(Rechtssache C-435/02)
Klagegründe und wesentliche Argumente (2003/C 44/24)
Artikel 249 EG-Vertrag, wonach die Richtlinie für jeden
Mitgliedstaat, an den sie gerichtet werde, hinsichtlich des zu
erreichenden Zieles verbindlich sei, verpflichte die Mitgliedstaa- Das Landgericht Essen ersucht den Gerichtshof der Euro-
ten, die ihnen in der Richtlinie zur Umsetzung gesetzten päischen Gemeinschaften durch Beschluss vom 25. November
Fristen einzuhalten. Diese Frist sei abgelaufen, ohne dass die 2002, in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen am
Italienische Republik die erforderlichen Vorschriften erlassen 2. Dezember 2002, in der Handelsregistersache Axel Springer
habe, um der im Klageantrag genannten Richtlinie nachzukom- AG gegen Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. Essen KG,
men. um Vorabentscheidung über folgende Fragen:
1) Ist die Richtlinie 90/605/EWG (1) in Verbindung mit
( 1) ABl. L 182 vom 16.7.1999, S. 1. Art. 47 der Richtlinie 78/660/EWG ( 2) insoweit mit dem
Gemeinschaftsgrundrecht der Berufsfreiheit vereinbar, als
dadurch die Kommanditgesellschaften, deren persönlich
haftender Gesellschafter eine Gesellschaft mit beschränk-
ter Haftung ist, verpflichtet werden, den Jahresabschluss
und den Lagebericht insbesondere ohne Beschränkung
des Kreises der zur Einsichtnahme berechtigten Personen
Ersuchen um Vorabentscheidung, vorgelegt aufgrund des offen zu legen?
Beschlusses des Verwaltungsgerichts Minden vom 14. No-
vember 2002 in dem Rechtsstreit Arnold André GmbH 2) Ist die Richtlinie 90/605/EWG in Verbindung mit Art. 47
& Co. KG gegen Landrat des Kreises Herford der Richtlinie 78/660/EWG insoweit mit den Gemein-
schaftsgrundrechten der Presse- und Rundfunkfreiheit
(Rechtssache C-434/02) vereinbar, als dadurch die Kommanditgesellschaften, de-
ren persönlich haftender Gesellschafter eine Gesellschaft
(2003/C 44/23) mit beschränkter Haftung ist und die im Bereich des
Presse- und Verlagswesens bzw. im Rundfunkbereich
tätig sind, verpflichtet werden, den Jahresabschluss und
den Lagebericht insbesondere ohne Beschränkung des
Das Verwaltungsgericht Minden ersucht den Gerichtshof der Kreises der zur Einsichtnahme berechtigten Personen
Europäischen Gemeinschaften durch Beschluss vom 14. No- offen zu legen?
---pagebreak--- 22.2.2003 DE Amtsblatt der Europäischen Union C 44/13
3) Ist die Richtlinie 90/605/EWG insoweit mit dem allgemei- als solcher für den Beweis des ihr vorgeworfenen rechtswidri-
nen Gleichheitssatz vereinbar, als sie zu einer Benachteili- gen Verhaltens ausreiche. Die Guardia di Finanza sei lediglich
gung der Kommanditgesellschaften, deren Komplementär befugt, in ihren Berichten die von ihr im Zuge ihrer Ermittlun-
eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, gegenüber gen festgestellten Tatsachen festzuhalten, nicht jedoch dazu,
Kommanditgesellschaften, deren Komplementär eine eine spezifische Beurteilung dieser Tatsachen abzugeben. Die
natürliche Person ist, führt, obwohl die Gläubiger der Kommission hätte eine eigene unabhängige Prüfung des Falles
GmbH & Co. KG durch die Offenlegungspflicht der einleiten müssen. Das Gericht habe dadurch, dass es dem
GmbH besser geschützt werden als Gläubiger einer Bericht der Guardia di Finanza eine hinreichende Beweiskraft
Kommanditgesellschaft, deren Komplementär als natürli- zuerkannt habe, eine fehlerhafte rechtliche Beurteilung vorge-
che Person keinen Offenlegungspflichten unterliegt? nommen, die die Gültigkeit des Urteils beeinträchtige.
( 1) ABl. L 317 vom 16.11.1990, S. 60.
( 2) ABl. L 222 vom 14.08.1978, S. 11. Das Urteil des Gerichts sei auch insofern fehlerhaft, als das
Gericht das subjektive Element als maßgebliches Kriterium für
die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung über
die Streichung einer Beihilfe nicht geprüft habe. Das Gericht
hätte den Fall eines fahrlässigen und nicht betrügerischen
Verstoßes gegen die Finanzierungsbedingungen, der nur eine
Kürzung oder eine Aussetzung der Beihilfe rechtfertigen würde,
von dem Fall eines vorsätzlichen Verstoßes gegen diese
Rechtsmittel der Sgaravatti Mediterranea Srl gegen das Bedingungen unterscheiden müssen, bei dem die Kommission
Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Ge-
befugt sei, die gesamte Beihilfe zu streichen.
meinschaften (Fünfte Kammer) vom 26. September 2002
in der Rechtssache T-199/99, Sgaravatti Mediterranea Srl
gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
eingelegt am 13. Dezember 2002 Schließlich sei die Behauptung des Gerichts, dass kein Verstoß
gegen den Grundsatz Ne bis in idem vorliege, fragwürdig, denn
(Rechtssache C-455/02 P) die mit dem nationalen Bußgeldbescheid auferlegte Sanktion
sei nach der gemeinschaftlichen Entscheidung ergangen. Als
die Kommission entschieden habe, die geschuldete Beihilfe zu
(2003/C 44/25) streichen, habe sie gewusst oder hätte wissen müssen, dass
eine nationale Verwaltungssanktion verhängt werden würde.
Die Sgaravatti Mediterranea Srl mit Sitz in Capoterra (CA)
(Italien) hat am 13. Dezember 2002 ein Rechtsmittel gegen
das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemein-
schaften (Fünfte Kammer) vom 26. September 2002 in der
Rechtssache T-199/99, Sgaravatti Mediterranea Srl gegen Kom-
mission der Europäischen Gemeinschaften, beim Gerichtshof
der Europäischen Gemeinschaften eingelegt. Prozessbevoll-
mächtigte der Rechtsmittelführerin sind die Avvocati Massimo
Merola und Piero A.M. Ferrari. Ersuchen um Vorabentscheidung, vorgelegt durch Urteil
des Tribunal du travail de Bruxelles, 15. Kammer, vom
21. November 2002 in dem Rechtsstreit Michel Trojani
Die Rechtsmittelführerin beantragt, gegen Centre Public d’Aide Sociale de Bruxelles, C.P.A.S.
(Öffentliches Sozialhilfezentrum)
— das Urteil des Gerichts vom 26. September 2002 in der
Rechtssache T-199/99 aufzuheben;
(Rechtssache C-456/02)
— die Entscheidung K(1999) 1502 der Kommission vom
4. Juni 1990 für nichtig zu erklären, oder hilfsweise, die
Sache gemäß Artikel 54 der EG-Satzung des Gerichtshofes
(2003/C 44/26)
an das Gericht zur Entscheidung zurückzuverweisen;
— der Kommission auf jeden Fall die Kosten des Verfahrens
beider Rechtszüge aufzuerlegen.
Das Tribunal du travail de Bruxelles, 15. Kammer, ersucht den
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften durch Urteil
Klagegründe und wesentliche Argumente vom 21. November 2002, bei der Kanzlei des Gerichtshofes
eingegangen am 18. Dezember 2002, in dem Rechtsstreit
Michel Trojani gegen Centre Public d’Aide Sociale de Bruxelles,
Die Klägerin macht geltend, dass der Bericht der Guardia di C.P.A.S. (Öffentliches Sozialhilfezentrum), um Vorabentschei-
Finanza als Beweismittel ungeeignet sei, und bestreitet, dass er dung über folgende Fragen:
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doc-92 | Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit.
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doc-93 | 422/ 66 AMTSBLATT DER EUROPAISCHEN GEMEINSCHAFTEN 16 2 66
EUROPÄISCHE WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT
INFORMATIONEN
DIE KOMMISSION
RICHTLINIEN UND ENTSCHEIDUNGEN
ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION
vom 28. Januar 1966
über die Gewährung eines Zollkontingents an die Italienische Republik
für 3 000 Stück Stiere, Kühe und Färsen der Schwyzer, Simmentaler oder
Freiburger Rasse, nicht zum Schlachten
(Der italienische Text ist allein verbindlich)
(66/ 112/EWG)
DIE KOMMISSION DER EUROPAISCHEN Vor dem 1 . Januar 1962 hat die Italienische
WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT — Republik die genannten Tiere zollfrei eingeführt.
Der autonome Zollsatz des Gemeinsamen Zolltarifs
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der beträgt für die Tarifnummer 01.02 A II 16 v. H. ;
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere im Rahmen des GATT ist ein jährliches Zollkontin
auf Artikel 25 Absatz (3) und Artikel 29, gent für 3 000 Stück dieses Viehs zum Zollsatz
gestützt auf das Schreiben der Italienischen 6 v. H. konsolidiert worden, vorausgesetzt, daß für
die Tiere der vorstehend bezeichneten Rassen fol
Republik vom 15 . Dezember 1965, mit dem diese
die Gewährung eines Zollkontingents zum Zollsatz gende Nachweise erbracht werden :
1,8 v. H. für 3 000 Stück Stiere, Kühe und Färsen — Stiere : Abstammungsnachweis ;
der Schwyzer, Simmentaler oder Freiburger Rasse,
nicht zum Schlachten, der Tarifnummer ex 01.02 — weibliche Rinder : Abstammungsnachweis oder
A II des Gemeinsamen Zolltarifs — die in Anhang Nachweis der Eintragung in das ,, Herdbuch" zur
II des Vertrages zur Gründung der Europäischen Bescheinigung der Rassereinheit .
Wirtschaftsgemeinschaft aufgeführt ist — für das
Jahr 1966 beantragt hat, und Der antragstellende Mitgliedstaat hat für Nutz
vieh aller Rassen nachstehende statistische Angaben
in Erwägung nachstehender Gründe : übermittelt :
---pagebreak--- 16 . 2 . 66 AMTSBLATT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN 423/ 66
( In Stück )
1965
1961 1962 196S 1964 (7 Monate )
j
Einfuhren aus :
— EWG-Ländern 96 113 174 10 457 7 263
davon :
— Bundesrepublik I
Deutschland 96 113 174 2 128 197
— Niederlande 1 —
— I — 8 329 6 953
— dritten Ländern 8 941 15111 ; 25 506 23 366 7 263
davon : Schweiz 4 074 7 240 12 420 7 522 - t1)
(') Italien hat das für 1965 gewährte Zollkontingent erst am 26 . 7 . 1965 eröffnet .
Die Gewährung von Zollkontingenten gemäß Die italienischen Einfuhren aus dritten Ländern
Artikel 25 zugunsten eines einzigen Mitgliedstaats haben in den letzten Jahren erheblich die bean
ist eine Abweichung von der normalen Zeitfolge tragte Kontingentsmenge von 3 000 Stück über
der schrittweisen Einführung des Gemeinsamen schritten ; da diese Menge dem vorgenannten GATT
Zolltarifs, um Nachteilen zu begegnen, die aus dem gebundenen Zollkontingent entspricht, erscheint es
schrittweisen Übergang von der nationalen Zoll folglich zweckmäßig, die Kontingentsmenge für
tarifgesetzgebung, die vor der ersten Angleichung 1966 in der beantragten Höhe von 3 000 Stück
der nationalen Zollsätze an die des Gemeinsamen festzusetzen .
Zolltarifs angewandt wurde, zur Zolltarifgesetz
gebung der Gemeinschaft für die Versorgung eines
Mitgliedstaats entstehen können . Bei der Festsetzung des Kontingentszollsatzes
ist die besondere Lage der betreffenden Ware so
wie der Grad der Verwirklichung der Zollunion zu
In Ausübung ihrer Ermessensbefugnis im Bereich berücksichtigen, da die Mitgliedstaaten am 1 . Januar
der Zollkontingente muß die Kommission Artikel 1966 einmal die zweite Angleichung der Zollsätze
der nationalen Zolltarife an die des Gemeinsamen
25 unter Berücksichtigung der Artikel 2, 3 und 9
Zolltarifs für dieses Vieh und zum anderen eine
sowie unter Beachtung der Richtlinien von Artikel
29 anwenden . erneute Senkung der EWG-Binnenzölle durchfüh
ren mußten. Diese Überlegungen würden es zweck
mäßig erscheinen lassen, das Zollkontingent für
diese Waren mit einem Zollsatz von 4,8 v. H. zu
Der antragstellende Mitgliedstaat ist vor allem versehen, der der Hälfte der Angleichung an den
bestrebt, seine herkömmlichen Einfuhrströme aus Zollsatz von 16 v. H. des Gemeinsamen Zolltarifs
dritten Ländern und insbesondere aus der Schweiz
entspräche. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß
bei diesem für seinen Rinderbestand erforderlichen
für diese Tiere ein GATT-gebundenes Zollkontin
Vieh zu möglichst niedrigen und gleichbleibenden gent zum Zollsatz 6 v. H. in Höhe einer jährlichen
Preisen aufrechtzuerhalten und daher die für diese
Menge von 3 000 Stück besteht ; diese GATT-Bin
Tiere geltenden Erhöhungen der Sätze seines Zoll dung macht es erforderlich, den vorstehend ange
tarifs zu vermeiden. Überdies reicht die Erzeugung führten Kontingentszollsatz zu senken und ihn so
innerhalb der Gemeinschaft bei weitem nicht zur
festzusetzen, daß er nicht höher ist als der schritt
Deckung des Gesamtbedarfs der Gemeinschaft aus weise an den Vertragszollsatz angeglichene Zoll
und wird , zumindest noch in nächster Zeit, unzu satz ; somit erschiene ein Kontingentszollsatz von
reichend bleiben .
3,6 v. H. angemessen . Da jedoch die von Italien
beantragte Kontingentsmenge im Verhältnis zu sei
nem Einfuhrbedarf gering ist, dürfte es gerecht
Diese Lage zeigt, daß dem antragstellenden fertigt sein, den Kontingentszollsatz in der bean
Mitgliedstaat Nachteile entstehen, die eine Ab tragten Höhe, d . h . 1,8 v. H. , festzusetzen .
weichung von dem Gebot der zeitgerechten Ein
führung des Gemeinsamen Zolltarifs rechtfertigen ;
außerdem wirkt sich diese Abweichung günstig auf In den zusammengestellten Unterlagen, die im
den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten wesentlichen in dieser Entscheidung aufgeführt
und dritten Ländern aus . sind , findet sich kein Hinweis, der den Schluß
---pagebreak--- 424/ 66 ÄMTSBLATT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN 16 . 2 . 66
zuläßt, daß die Gewährung dieses Zollkontingents Für die Gewährung der Zollbegünstigung im
in der vorgenannten Höhe schwerwiegende Stö Rahmen dieses Kontingents müssen für die Tiere
rungen auf dem Viehmarkt auslösen könnte. der vorstehend bezeichneten Rassen außerdem fol
gende Nachweise erbracht werden :
Aus der schrittweisen Errichtung des Gemein — Stiere : Abstammungsnachweis ;
samen Marktes ergibt sich, daß die Mitgliedstaaten
den Einfuhren aus den anderen Mitgliedstaaten — weibliche Rinder : Abstammungsnachweis oder
Zollvorteile einräumen, die zumindest ebenso gün Nachweis der Eintragung in das „Herdbuch" zur
stig sind wie die den Einfuhren aus dritten Bescheinigung der Rassereinheit.
Ländern gewährten Zollvorteile. In keinem Fall darf jedoch der Zollsatz für
die im Rahmen dieses Zollkontingents eingeführ
Aus der oben dargelegten Funktion der Zoll ten Tiere unter dem Zoll liegen, der erhoben wird,
kontingente ergibt sich, daß diese auf Grund von wenn die betreffenden Tiere mit einer Warenver
Artikel 25 Absatz (3) nur zur Deckung des Eigen kehrsbescheinigung aus den anderen Mitgliedstaa
bedarfs der Abnehmer des betreffenden Mitglied ten eingeführt werden .
staats eröffnet werden können, wobei eine Wieder
ausfuhr der eingeführten Tiere in der Beschaffen
Artikel 2
heit, die sie im Zeitpunkt der Einfuhr hatten ,
ausgeschlossen ist — Diese Entscheidung gilt vom 1 . Januar bis 31 .
Dezember 1966 .
HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN :
Artikel 3
Artikel 1 Dies Entscheidung ist an die Italienische Re
publik gerichtet.
Der Italienischen Republik wird für ihre Ein
fuhren aus dritten Ländern und zur Verwendung Brüssel, den 28 . Januar 1966
im Zollgebiet ein Zollkontingent zum Zollsatz von
1,8 v. H. für 3 000 Stück Stiere, Kühe und Färsen Für die Kommission
der Schwyzer, Simmentaler oder Freiburger Rasse, Der Präsident
nicht zum Schlachten, der Tarifnummer ex 01.02
A II des Gemeinsamen Zolltarifs gewährt . Walter HALLSTEIN
ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION
vom 28. Januar 1966
über die Gewährung eines Zollkontingents an das Königreich Belgien
und das Großherzogtum Luxemburg für Pilchards der Sorte sardina
ocellata, frisch, gekühlt oder gefroren, für die Konservenindustrie
(Der französische und der niederländische Text sind allein verbindlich)
( 66/ 113/ EWG)
DIE KOMMISSION DER EUROPAISCHEN frisch, gekühlt oder gefroren, für die Konserven
WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT — industrie, der Tarifnummer ex 03.01 B I c des Ge
meinsamen Zolltarifs — die in Anhang II des
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirt
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere schaftsgemeinschaft aufgeführt ist — beantragt hat,
auf Artikel 25 Absatz (3) und Artikel 29, und
gestützt auf die Schreiben vom 17 . Mai und
vom 13. November 1965, mit denen die Belgisch in Erwägung nachstehender Gründe :
Luxemburgische Wirtschaftsunion für 1966 die
Gewährung eines zollfreien Zollkontingents von 400 Die Belgisch-Luxemburgische Wirtschaftsunion
Tonnen für Pilchards der Sorte sardina ocellata. hat diese Pilchards bis zum 1 . Januar 1962, dem
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doc-94 |
Urteil des Gerichts (Dritte Kammer) vom 27. Juni 2012 –YKK u. a./Kommission
(Rechtssache T-448/07)
„Wettbewerb – Kartelle – Märkte für Reißverschlüsse, ‚andere Verschlüsse‘ und Ansetzmaschinen – Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Koordinierte Preiserhöhungen, Festsetzung von Mindestpreisen, Aufteilung der Kunden und der Märkte sowie Austausch sonstiger
Geschäftsinformationen – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Beweis – Art und Begehung der Zuwiderhandlung – Tatsächliche Auswirkungen – Mitteilung über die Zusammenarbeit – Geldbußen – Obergrenze – Abschreckungswirkung der Geldbuße – Gleichbehandlung – Verhältnismäßigkeit“
1. Gerichtliches Verfahren – Beweisaufnahme – Anhörung von Zeugen – Ermessen des Gerichts (Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 68)
(vgl. Randnrn. 43-44)
2. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Heranziehung
von Erklärungen anderer an der Zuwiderhandlung beteiligter Unternehmen als Beweise – Zulässigkeit – Beweiskraft der freiwilligen
Angaben, die die Hauptbeteiligten an einem Kartell machen, um in den Genuss der Anwendung der Mitteilung über die Zusammenarbeit
zu kommen (Art. 81 Abs. 1 EG; Mitteilungen der Kommission 96/C 207/04 und 2002/C 45/03) (vgl. Randnrn. 52-58)
3. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Art des
Nachweises – Indizienbündel – Anforderungen an die Beweiskraft der einzelnen Indizien (Art. 81 Abs. 1 EG) (vgl. Randnrn. 71,
80, 105)
4. Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Begriff – Willensübereinstimmung bezüglich des künftigen Marktverhaltens
(Art. 81 Abs. 1 EG) (vgl. Randnrn. 74-75, 79)
5. Kartelle – Abgestimmte Verhaltensweise – Begriff – Informationsaustausch im Rahmen oder zur Vorbereitung eines Kartells (Art. 81
Abs. 1 EG) (vgl. Randnrn. 76-79)
6. Kartelle – Teilnahme an Zusammenkünften mit wettbewerbswidrigem Zweck – Umstand, der bei fehlender Distanzierung von den getroffenen
Beschlüssen auf die Beteiligung an der daraus resultierenden Absprache schließen lässt – Öffentliche Distanzierung – Enge
Auslegung (Art. 81 Abs. 1 EG) (vgl. Randnrn. 113-117)
7. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Zuwiderhandlungen, die bereits aufgrund ihres Wesens als besonders schwer qualifiziert
werden – Erfordernis, ihre Auswirkungen und ihren räumlichen Umfang zu bestimmen – Fehlen (Art. 81 Abs. 1 EG; Verordnung Nr.
1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 3; Mitteilung der Kommission 98/C 9/03, Nr. 1 Teil A) (vgl. Randnrn. 123-126, 138-139, 143)
8. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Messung der tatsächlichen Fähigkeit,
auf dem betroffenen Markt eine Schädigung herbeizuführen – Erheblichkeit der Marktanteile des betroffenen Unternehmens (Art. 81
Abs. 1 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3) (vgl. Randnrn. 147-148)
9. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Grundsatz der Gleichbehandlung – Entscheidungspraxis der Kommission – Hinweischarakter
(Art. 81 Abs. 1 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3) (vgl. Randnrn. 149-151)
10. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Nichtverhängung oder Herabsetzung einer Geldbuße als Gegenleistung für die Zusammenarbeit
des beschuldigten Unternehmens – Erforderlichkeit eines Verhaltens, das es der Kommission erleichtert hat, die Zuwiderhandlung
festzustellen – Ermessen der Kommission – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen (Art. 81 Abs. 1 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des
Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung der Kommission 96/C 207/04) (vgl. Randnrn. 170-172)
11. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Höchstbetrag – Berechnung – Zu berücksichtigender Umsatz – Gesamtumsatz aller
Gesellschaften, aus denen die als Unternehmen handelnde wirtschaftliche Einheit besteht (Art. 81 Abs. 1 EG; Verordnung Nr.
1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2) (vgl. Randnrn. 192-193)
Gegenstand
Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung K(2007) 4257 endgültig der Kommission vom 19. September 2007 in einem Verfahren
nach Artikel 81 [EG] (Sache COMP/39.168 – PO/Hartkurzwaren: Verschlüsse), soweit sie die Klägerinnen betrifft, und, hilfsweise,
Nichtigerklärung oder Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbußen
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die YKK Corp., die YKK Holding BV und die YKK Stocko Fasteners GmbH tragen die Kosten.
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doc-95 | Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6S.448/2003 /pai
Arrêt du 13 février 2004
Cour de cassation pénale
Composition
MM. les Juges Schneider, Président,
Kolly et Zünd.
Greffière: Mme Kistler.
Parties
J. M._,
recourant, représenté par Me Alexandre Curchod, avocat,
contre
Ministère public du canton de Vaud,
rue de l'Université 24, case postale, 1014 Lausanne.
Objet
Fixation de la peine (agression, injure, etc.), refus du sursis et expulsion,
pourvoi en nullité contre l'arrêt du Tribunal cantonal du canton de Vaud, Cour de cassation pénale, du 28 mars 2003.
Faits:
Faits:
A. Par jugement du 29 novembre 2002, le Tribunal correctionnel de l'arrondissement de Lausanne a condamné J. M._ à une peine ferme de sept mois d'emprisonnement pour agression, dommages à la propriété, injure, violence ou menace contre les autorités et les fonctionnaires ainsi que pour contravention à la loi fédérale sur les stupéfiants. Il a révoqué le sursis accordé à J. M._ le 28 juin 1996 et ordonné l'exécution de dix jours d'emprisonnement. Il a enfin prononcé l'expulsion de J. M._ du territoire suisse pour une durée de cinq ans avec sursis pendant trois ans.
Par arrêt du 28 mars 2003, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois a rejeté le recours de J. M._ et confirmé le jugement de première instance.
Par arrêt du 28 mars 2003, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois a rejeté le recours de J. M._ et confirmé le jugement de première instance.
B. Cet arrêt repose pour l'essentiel sur les faits suivants:
B.a Le 16 avril 1999, J. M._ s'est adressé en ces termes à l'appointé G._ qui s'apprêtait à déposer un bulletin d'amende d'ordre sous l'essuie-glace d'une voiture Opel Corsa, qui était en stationnement interdit: "Toi, je te crèverai - je te percerai un jour que tu n'auras pas ton uniforme - je te retrouverai en dehors du boulot". Ensuite, alors que l'agent tentait de quitter les lieux au volant du véhicule de police, J. M._ s'est agrippé à sa veste.
Le 20 novembre 1999, J. M._ a injurié deux agents de police qui verbalisaient une voiture Opel Corsa, stationnée sur une zone interdite. Son frère, A. M._, a donné une gifle à l'un d'eux, D._, qui a fait usage de son spray au poivre. L'agent D._ a alors été encerclé par des individus, dont notamment J. M._, qui l'ont bousculé et violemment frappé, en lui assenant de nombreux coups de pied et coups de poing à la nuque et dans le dos, puis en le repoussant avec force contre le véhicule de police.
B.b Ressortissant espagnol, actuellement titulaire d'un permis C, J. M._ est né en 1974 à Madrid. Aîné d'une fratrie de quatre enfants, il a été élevé dans son pays d'origine par ses grands-parents paternels et y a suivi sa scolarité primaire jusqu'à l'âge de douze ans. En 1986, il est venu rejoindre ses parents en Suisse en compagnie de ses trois frères. Sa scolarité obligatoire terminée, il a entrepris une formation d'ébéniste pendant quatre ans, sans toutefois obtenir de CFC. En 1994, il a travaillé durant un an pour la commune de Pully. Puis, après quelques emplois temporaires, il a été engagé, le 11 mai 2000, en qualité de formiste dans l'entreprise F._ Sàrl, formes de découpes, à C._, pour un salaire mensuel d'environ 5'000 francs net, à l'entière satisfaction de son employeur. Sur le plan personnel, J. M._ est célibataire. Ses parents sont rentrés en Espagne, et il n'a pas d'autres attaches en Suisse que ses trois frères.
A son casier judiciaire, figurent les condamnations suivantes:
- le 23 juillet 1991, le Président du Tribunal des mineurs de Lausanne l'a condamné, pour infraction et contravention à la LStup, à quatre jours de détention avec sursis pendant un an;
- le 9 septembre 1993, le Juge informateur de Lausanne l'a condamné, pour contravention à la LStup, à quatre jours d'arrêts avec sursis pendant un an, sursis qui a été révoqué le 28 juin 1996;
- le 28 juin 1996, le Juge d'instruction de Lausanne l'a condamné, pour opposition aux actes de l'autorité, infraction et contravention à la LStup, à dix jours d'emprisonnement avec sursis pendant trois ans, ainsi qu'à une amende de 600 francs avec un délai d'épreuve et de radiation de même durée.
B.c Le frère de J. M._, A. M._, qui a participé aux deux agressions, a été condamné à une peine ferme de six mois d'emprisonnement. Il a bénéficié d'une responsabilité diminuée.
B.c Le frère de J. M._, A. M._, qui a participé aux deux agressions, a été condamné à une peine ferme de six mois d'emprisonnement. Il a bénéficié d'une responsabilité diminuée.
C. J. M._ se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Invoquant une violation des art. 63, 41 ch. 1 al. 1 et 55 al. 1 CP, il conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué.
Le Ministère public vaudois conclut au rejet du pourvoi.
L'effet suspensif a été accordé au recourant le 19 janvier 2004.
Le Tribunal fédéral considère en droit:
Le Tribunal fédéral considère en droit:
1. Saisi d'un pourvoi en nullité, le Tribunal fédéral contrôle l'application du droit fédéral (art. 269 PPF) sur la base exclusive de l'état de fait définitivement arrêté par l'autorité cantonale (cf. art. 277bis et 273 al. 1 let. b PPF). Le raisonnement juridique doit se fonder sur les faits retenus dans la décision attaquée, dont le recourant ne peut s'écarter.
Le Tribunal fédéral n'est pas lié par les motifs invoqués, mais il ne peut aller au-delà des conclusions du recourant (art. 277bis PPF). Celles-ci, qui doivent être interprétées à la lumière de leur motivation, circonscrivent les points litigieux (ATF 126 IV 65 consid. 1 p. 66).
Le Tribunal fédéral n'est pas lié par les motifs invoqués, mais il ne peut aller au-delà des conclusions du recourant (art. 277bis PPF). Celles-ci, qui doivent être interprétées à la lumière de leur motivation, circonscrivent les points litigieux (ATF 126 IV 65 consid. 1 p. 66).
2. Invoquant une violation de l'art. 63 CP, le recourant soutient que la peine qui lui a été infligée est arbitrairement sévère.
2.1 Aux termes de l'art. 63 CP, le juge fixe la peine d'après la culpabilité du délinquant, en tenant compte des mobiles, des antécédents et de la situation personnelle de ce dernier. Le critère essentiel est celui de la gravité de la faute. Le juge doit prendre en considération, en premier lieu, les éléments qui portent sur l'acte lui-même, à savoir sur le résultat de l'activité illicite, le mode et l'exécution de l'acte et, du point de vue subjectif, sur l'intensité de la volonté délictueuse ainsi que sur les mobiles. L'importance de la faute dépend aussi de la liberté de décision dont disposait l'auteur. Plus il lui aurait été facile de respecter la norme qu'il a enfreinte, plus lourdement pèse sa décision de l'avoir transgressée et, partant, plus grave est sa faute (ATF 127 IV 101 consid. 2a p. 103). Les autres éléments concernent la personne de l'auteur, soit ses antécédents, sa situation personnelle, familiale et professionnelle, sa formation et sa réputation (ATF 118 IV 21 consid. 2b p. 25).
Le Tribunal fédéral, qui n'interroge ni les accusés ni les témoins et qui n'établit pas les faits, est mal placé pour apprécier l'ensemble des paramètres pertinents pour individualiser la peine. Son rôle est au contraire d'interpréter le droit fédéral et de dégager des critères et des notions qui ont une valeur générale. Il n'a donc pas à substituer sa propre appréciation à celle du juge de répression ni à ramener à une sorte de moyenne toute peine qui s'en écarterait. Il ne peut intervenir, en considérant le droit fédéral comme violé, que si la sanction a été fixée en dehors du cadre légal, si elle est fondée sur des critères étrangers à l'art. 63 CP, si les éléments d'appréciation prévus par cette disposition n'ont pas été pris en compte ou enfin si la peine apparaît exagérément sévère ou clémente au point que l'on doive parler d'un abus du pouvoir d'appréciation (ATF 127 IV 101 consid. 2c p. 104).
2.2 Le recourant estime que la gravité des actes qui lui sont reprochés devrait être relativisée, dès lors que ces actes relèvent surtout d'une violence verbale. En particulier, il n'aurait pas frappé l'agent D._ et ne saurait être qualifié de "meneur" comme le lui reproche l'autorité cantonale.
Ce faisant, le recourant critique non pas l'application du droit, mais des constatations de fait, ce qu'il n'est pas habilité à faire dans le cadre d'un pourvoi (art. 277bis al. 1 PPF). De manière à lier la Cour de céans, l'autorité cantonale a retenu que le recourant avait joué un rôle important lors des deux agressions incriminées et qu'il ne s'était pas contenté d'invectives, mais avec d'autres, avait encerclé l'agent D._, avant de le repousser violemment contre le véhicule de police.
Le grief du recourant est donc irrecevable.
2.3 Le recourant fait valoir que la peine de sept mois d'emprisonnement qui lui a été infligée est excessivement sévère par rapport à celles des autres coaccusés, en particulier par rapport à la peine de six mois d'emprisonnement qui a été prononcée à l'encontre de son frère, A. M._.
En conformité avec le principe d'égalité, des peines semblables doivent être prononcées dans des cas semblables, et il est arbitraire d'infliger des peines semblables dans des cas dissemblables (Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2e éd., Zurich 1997, n. 25 ad art. 63, p. 290). Toute comparaison avec d'autres affaires ou avec d'autres coaccusés sera toutefois délicate en pratique vu les nombreux paramètres, notamment les données personnelles, entrant en ligne de compte pour la fixation de la peine (ATF 120 IV 136 consid. 3a p. 144). Il n'en demeure pas moins qu'une différence de traitement entre plusieurs accusés comparaissant devant le même tribunal à raison des mêmes faits doit être fondée sur des motifs pertinents (ATF 121 IV 202 consid. 2d/bb p. 204 s.; 120 IV 136 consid. 3b p. 145).
En l'espèce, l'autorité cantonale a infligé une peine plus sévère au recourant, principalement pour deux raisons. D'une part, elle a retenu que le recourant avait une position de "cerveau", "de meneur" de la fratrie. D'autre part, la responsabilité pénale du recourant est pleine et entière, alors que celle de son frère est diminuée. Pour le surplus, l'affirmation du recourant selon laquelle les antécédents d'A. M._ seraient plus graves que les siens ne saurait être suivie. En effet, si la condamnation prononcée à l'égard d'A. M._ est plus grave (vingt jours) et plus récente (1999) que celles inscrites au casier judiciaire du recourant, elle est néanmoins unique. Il convient à cet égard de relever que le recourant a été frappé entre 1991 et 1996 de trois peines (deux fois quatre jours et une fois dix jours), prononcées chaque fois avec sursis et que les deux derniers sursis ont été révoqués. Au vu de l'ensemble de ces considérations, l'écart entre les deux peines, qui s'élève à un mois et qui est dès lors relativement faible, apparaît tout à fait légitime et ne saurait être considéré comme inéquitable.
Mal fondé, le grief du recourant doit dès lors être rejeté.
2.4 Le recourant reproche à l'autorité cantonale de ne pas avoir tenu compte du peu de gravité des condamnations antérieures ni de leur ancienneté. Il estime notamment qu'il convient de relativiser la prise en compte de sa condamnation du 9 septembre 1993, dès lors que sa radiation aurait dû intervenir dix ans après la fin de la durée de la peine fixée (art. 80 ch. 1 al. 1 CP).
En fixant la peine, le juge doit tenir compte des antécédents du condamné (cf. consid. 2.1). S'agissant de la prise en considération de condamnations antérieures, la notion d'antécédents ne se limite cependant pas aux peines encore inscrites au casier judiciaire, mais s'étend à toute sanction dont le juge a connaissance au moment de statuer. Rien ne s'oppose ainsi à ce qu'il soit fait référence à une inscription radiée, dont le juge a droit à la communication selon l'art. 363 al. 4 CP, ni même à une inscription éliminée en application des règles relatives au casier judiciaire (art. 397 bis al. 1 lit. h CP) et qui parviendrait à la connaissance du juge par l'instruction de la cause. La radiation ou l'élimination de l'inscription peuvent cependant être l'indice que la condamnation ancienne n'a plus guère d'importance pour fixer la sanction (ATF 121 IV 3 consid. 1c/dd p. 9 s.).
En l'espèce, il ne saurait être reproché à l'autorité cantonale d'avoir donné une trop grande importance aux peines antérieures et d'avoir négligé leur ancienneté. L'autorité cantonale a en effet précisé, dans la partie fait de l'arrêt, la date et la durée des peines antérieures et a même rappelé la date de la dernière condamnation lors de la motivation de la peine.
Mal fondé, le grief du recourant doit être rejeté.
2.5 Le recourant reproche enfin à l'autorité cantonale de ne pas avoir pris en considération les conséquences que la peine pouvait avoir sur son activité professionnelle. En effet, comme la peine infligée est supérieure à six mois d'emprisonnement, elle ne peut pas être purgée sous la forme de la semi-détention et aura donc pour effet d'exclure durablement le recourant du monde du travail, dans lequel il est intégré.
Lors de la fixation de la peine, le juge devra tenir compte des effets de la peine sur la vie professionnelle de l'auteur (cf. consid. 2.1; ATF 121 IV 97 consid. 2d/bb p. 102). Celle-ci ne jouera cependant qu'un rôle limité, n'intervenant en principe que sur le plan de la sensibilité à la peine (ATF 118 IV 21 consid. 1b p. 25; Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Berne 1989, n. 45 ad § 7); elle pourra justifier le prononcé d'une peine compatible avec la semi-détention (ATF 121 IV 97 consid. 2d/bb p. 102), mais encore faut-il que la peine ainsi prononcée corresponde à la culpabilité du condamné.
En l'espèce, vu les actes reprochés et les antécédents du recourant, l'autorité cantonale n'a pas abusé de son pouvoir d'appréciation en prononçant une peine de sept mois d'emprisonnement. Celle-ci correspond en effet à la culpabilité du recourant. Quant au bon comportement du recourant à son poste de travail, il conviendra d'en tenir compte lors de l'examen des conditions du sursis (cf. consid. 3.3).
Infondé, le grief du recourant doit être écarté.
2.6 En définitive, dans le cadre du large pouvoir d'appréciation dont elle bénéficie en la matière, l'autorité cantonale a tenu compte de tous les éléments nécessaires et pertinents et n'en a omis aucun pour arrêter la peine qu'elle a prononcée à l'égard du recourant. Elle a motivé par ailleurs la peine de manière suffisante. Au regard, notamment, de la gravité de la faute du recourant et de ses antécédents, la peine prononcée de sept mois d'emprisonnement ne procède pas d'un abus du pouvoir d'appréciation. Le grief de violation de l'art. 63 CP est dès lors infondé.
2.6 En définitive, dans le cadre du large pouvoir d'appréciation dont elle bénéficie en la matière, l'autorité cantonale a tenu compte de tous les éléments nécessaires et pertinents et n'en a omis aucun pour arrêter la peine qu'elle a prononcée à l'égard du recourant. Elle a motivé par ailleurs la peine de manière suffisante. Au regard, notamment, de la gravité de la faute du recourant et de ses antécédents, la peine prononcée de sept mois d'emprisonnement ne procède pas d'un abus du pouvoir d'appréciation. Le grief de violation de l'art. 63 CP est dès lors infondé.
3. Le recourant soutient que l'autorité cantonale aurait fait une fausse application de l'art. 41 ch. 1 CP, en refusant d'assortir la peine prononcée du sursis. Il reproche en particulier à cette dernière de ne pas avoir examiné si l'exécution de la peine de dix jours ordonnée à la suite de la révocation du sursis était de nature à permettre son amendement et de ne pas avoir tenu compte des conséquences d'une peine ferme sur son activité professionnelle.
3.1 Selon l'art. 41 ch. 1 al. 1 CP, le sursis à l'exécution d'une peine privative de liberté peut être octroyé si la durée de la peine n'excède pas dix-huit mois et si les antécédents et le caractère du condamné font prévoir que cette mesure le détournera de commettre d'autres crimes ou délits. Selon l'al. 2, le sursis ne peut pas être accordé lorsque le condamné a subi, à raison d'un crime ou d'un délit intentionnel, plus de trois mois de réclusion ou d'emprisonnement dans les cinq ans qui ont précédé la commission de l'infraction.
En l'espèce, le recourant a été condamné à sept mois d'emprisonnement et n'a pas exécuté préalablement de peine privative de liberté de plus de trois mois. Les conditions objectives du sursis sont donc réunies. La seule question litigieuse est de savoir si la condition dite subjective est réalisée, c'est-à-dire si l'on peut prévoir, en fonction des antécédents et du caractère du condamné, que cette mesure sera de nature à le détourner de commettre d'autres crimes ou délits. Il s'agit en d'autres termes de faire un pronostic quant au comportement futur du condamné.
3.2 Le juge posera son pronostic, quant aux chances d'amendement et, partant, quant à l'efficacité du sursis, sur la base des éléments propres à éclairer l'ensemble du caractère du délinquant. Il tiendra compte de sa conduite antérieure, de la nature des mobiles qui l'ont déterminé à agir, des particularités de l'infraction elle-même, de la réputation et de la situation personnelle du prévenu au moment du jugement, et notamment de son état d'esprit, ainsi que des connaissances personnelles de l'accusé que lui procurent les débats (ATF 118 IV 97 consid. 2b p. 100 s.).
Une précédente condamnation, dans un passé récent, pour une infraction de même nature, constituera un élément défavorable important. Elle n'exclura cependant pas automatiquement le sursis (ATF 118 IV 97 consid. 1a p. 99). Celui-ci pourra être envisagé si l'auteur manifeste une véritable prise de conscience de ses fautes et un revirement complet de son comportement rendant improbable une nouvelle infraction. De vagues espoirs quant à la conduite future du délinquant ne suffisent cependant pas pour poser un pronostic favorable (ATF 115 IV 81 consid. 2a p. 82). En cas de révocation d'un sursis pendant, le juge devra également rechercher si l'exécution de la peine privative de liberté qui en résulte aura un effet de réinsertion suffisant et tenir compte de cet élément en statuant sur l'octroi du sursis relatif à la nouvelle condamnation qu'il prononce (ATF 116 IV 97 consid. 2b p. 100; 177 consid. 3d p. 178). Vu le large pouvoir d'appréciation laissé au juge de répression pour effectuer le pronostic, le Tribunal fédéral n'interviendra qu'en cas d'abus de ce pouvoir (ATF 119 IV 195 consid. 3b p. 198).
3.3 En l'espèce, l'autorité cantonale a tenu compte de la situation professionnelle du recourant, mais a estimé qu'un pronostic favorable ne pouvait être formulé, dès lors que le recourant avait déjà été condamné à trois reprises et avait récidivé pendant l'enquête. En révoquant le sursis accordé le 28 juin 1996 et en ordonnant l'exécution d'une peine de dix jours d'emprisonnement, prononcée notamment pour opposition aux actes de l'autorité, elle a cependant omis d'examiner si l'exécution de cette peine était susceptible d'avoir un effet sur le recourant propre à le détourner de la délinquance et partant à fonder un pronostic favorable. Par cette omission, elle a violé le droit fédéral (cf. ATF 116 IV 177 consid. 3d p. 178). La cause doit donc lui être retournée pour nouvel examen. A cette occasion, l'autorité cantonale tiendra aussi compte du fait que les deux condamnations de 1991 et 1993 à quatre jours de détention et quatre jours d'arrêts sont anciennes et de caractère mineur.
3.3 En l'espèce, l'autorité cantonale a tenu compte de la situation professionnelle du recourant, mais a estimé qu'un pronostic favorable ne pouvait être formulé, dès lors que le recourant avait déjà été condamné à trois reprises et avait récidivé pendant l'enquête. En révoquant le sursis accordé le 28 juin 1996 et en ordonnant l'exécution d'une peine de dix jours d'emprisonnement, prononcée notamment pour opposition aux actes de l'autorité, elle a cependant omis d'examiner si l'exécution de cette peine était susceptible d'avoir un effet sur le recourant propre à le détourner de la délinquance et partant à fonder un pronostic favorable. Par cette omission, elle a violé le droit fédéral (cf. ATF 116 IV 177 consid. 3d p. 178). La cause doit donc lui être retournée pour nouvel examen. A cette occasion, l'autorité cantonale tiendra aussi compte du fait que les deux condamnations de 1991 et 1993 à quatre jours de détention et quatre jours d'arrêts sont anciennes et de caractère mineur.
4. Dans son dernier moyen, le recourant se plaint d'une violation de l'art. 55 CP, faisant valoir que l'autorité cantonale n'a pas tenu compte du fait qu'il vivait en Suisse depuis l'âge de douze ans et qu'il était intégré dans le monde du travail.
4.1 Selon l'art. 55 al. 1 CP, le juge peut expulser du territoire suisse, pour une durée de trois à quinze ans, tout étranger condamné à la réclusion ou à l'emprisonnement. En cas de récidive, l'expulsion peut être prononcée à vie.
Doit être considéré comme étranger celui qui n'est pas suisse, même s'il est au bénéfice d'un permis d'établissement (ATF 123 IV 107 consid. 1 p. 108/109). Le juge doit toutefois faire preuve de retenue avant de prononcer l'expulsion d'un étranger qui vit depuis longtemps en Suisse, qui y est enraciné, qui n'a plus guère de rapport avec l'étranger et qui serait dès lors lourdement frappé par une expulsion (ATF 117 IV 112 consid. 3a p. 117/118). Cependant, l'expulsion d'une personne au bénéfice d'un permis d'établissement n'est pas absolument exclue (ATF 112 IV 70). Il en va de même pour un étranger né en Suisse.
L'expulsion est à la fois une peine accessoire réprimant une infraction et une mesure servant à la protection de la sécurité publique. La jurisprudence récente admet qu'elle a principalement le caractère d'une mesure de sûreté. Pour décider de prononcer ou non une expulsion, le juge doit tenir compte à la fois des critères qui régissent la fixation d'une peine et du but de sécurité publique que remplit l'expulsion (ATF 123 IV 107 consid. 1 p. 108/109; 117 IV 112 consid. 3a p. 117/118, 229 consid. 1 p. 230/231).
La décision sur l'expulsion ne se confond cependant pas entièrement avec la fixation de la peine principale. Elle suppose un examen spécifique de la situation personnelle de l'intéressé (ATF 104 IV 222 consid. 1b p. 223/224). Le juge doit ainsi tenir compte du fait que l'expulsion touchera modérément l'étranger qui n'est venu en Suisse que pour y commettre des infractions et qui n'a pas de liens particuliers avec notre pays. A l'inverse, elle représentera une sanction très lourde pour celui qui vit et travaille en Suisse, y est intégré depuis plusieurs années et y a, le cas échéant, fondé une famille. La situation du condamné détermine ainsi les conséquences qu'aura pour lui l'expulsion et influence donc largement la gravité que revêtira cette sanction.
4.2 En l'espèce, l'autorité cantonale justifie la mesure d'expulsion, en tant que mesure de sûreté, par la persistance du recourant à s'opposer aux actes de l'autorité et par la dangerosité sociale qui en résulte. Selon l'autorité cantonale, l'expulsion ne constitue pas une peine accessoire trop sévère même si le recourant vit depuis l'âge de douze ans en Suisse et y a un travail. L'arrêt constate en effet que le recourant est célibataire et que, ses parents étant rentrés en Espagne, il n'a pas d'autre attache dans notre pays que ses frères, qui, ayant eux-mêmes des problèmes avec la justice, ne l'aident pas à se remettre sur le droit chemin. Au vu de l'ensemble de ces faits, la mesure d'expulsion prononcée par l'autorité cantonale peut paraître sévère, mais elle ne viole pas le droit fédéral.
Infondé, le grief du recourant doit être rejeté.
Infondé, le grief du recourant doit être rejeté.
5. Au vu de ce qui précède, le pourvoi doit être admis sur la question du sursis à l'exécution de la peine principale, la cause étant renvoyée à l'autorité cantonale pour nouvelle décision sur ce point. Pour le surplus, le pourvoi est rejeté dans la mesure où il est recevable.
Le recourant obtient partiellement gain de cause, de sorte qu'il y a lieu de considérer que la part des frais qui devrait être mise à sa charge pour la partie où il succombe (art. 278 al. 1 PPF) est compensée par l'indemnité qui devrait lui être allouée pour celle où il obtient gain de cause (art. 278 al. 3 PPF). Il n'y a donc pas lieu de percevoir de frais ni d'allouer d'indemnité au recourant.
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
1. Le pourvoi est partiellement admis, l'arrêt attaqué est annulé et la cause est renvoyée à l'autorité cantonale pour nouvelle décision.
1. Le pourvoi est partiellement admis, l'arrêt attaqué est annulé et la cause est renvoyée à l'autorité cantonale pour nouvelle décision.
2. Il n'est pas perçu de frais, ni alloué d'indemnité.
2. Il n'est pas perçu de frais, ni alloué d'indemnité.
3. Le présent arrêt est communiqué en copie au mandataire du recourant, au Ministère public vaudois et au Tribunal cantonal du canton de Vaud, Cour de cassation pénale.
Lausanne, le 13 février 2004
Au nom de la Cour de cassation pénale
du Tribunal fédéral suisse
Le président: La greffière: |
doc-96 | (1) § 3 Abs. 2 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege gilt bei Ausbildungen nach § 4 Abs. 7, die an Hochschulen stattfinden, mit der Maßgabe, dass die Prüfung an der Hochschule abzulegen ist.
(2) § 4 Abs. 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege gilt bei Ausbildungen nach § 4 Abs. 7 mit der Maßgabe, dass dem Prüfungsausschuss zusätzlich zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege die ärztlichen Fachprüferinnen und Fachprüfer anzugehören haben, die die Ausbildungsteilnehmerinnen und Ausbildungsteilnehmer in den erweiterten Kompetenzen zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten unterrichtet haben, die Gegenstand der staatlichen Prüfung sind. Abweichend von § 4 Abs. 1 Satz 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege wird bei diesen Ausbildungen, soweit sie an Hochschulen stattfinden, der Prüfungsausschuss an der Hochschule gebildet.
(3) Dem Zeugnis nach § 8 Abs. 2 Satz 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege ist bei Ausbildungen im Rahmen von Modellvorhaben nach § 4 Abs. 7 eine Bescheinigung der Ausbildungsstätte beizufügen, aus der sich die heilkundlichen Tätigkeiten ergeben, die Gegenstand der zusätzlichen Ausbildung und der erweiterten staatlichen Prüfung waren.
(4) Der schriftliche Teil der Prüfung erstreckt sich bei Ausbildungen im Rahmen von Modellvorhaben nach § 4 Abs. 7 zusätzlich zu den Themenbereichen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege auf den Themenbereich zur Ausübung von heilkundlichen Tätigkeiten, der entsprechend dem Ausbildungsplan der Ausbildungsstätte Gegenstand der zusätzlichen Ausbildung war. Der Prüfling hat zu diesem Themenbereich in einer Aufsichtsarbeit schriftlich gestellte Fragen zu bearbeiten. Die Aufsichtsarbeit dauert 120 Minuten und ist an einem gesonderten Tag durchzuführen. § 13 Abs. 1 Satz 5 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege gilt entsprechend. Die Aufgaben für die Aufsichtsarbeit werden von der oder dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses auf Vorschlag der Schule oder Hochschule ausgewählt, an der die Ausbildung stattgefunden hat. § 13 Abs. 2 Satz 3 und 4 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege gilt entsprechend. § 13 Abs. 2 Satz 5 und 6 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass die Note für den schriftlichen Teil der Prüfung aus den vier Aufsichtsarbeiten zu bilden ist, die Gegenstand der Prüfung waren, und der schriftliche Teil der Prüfung bestanden ist, wenn jede der vier Aufsichtsarbeiten mindestens mit „ausreichend“ benotet wird.
(5) Der mündliche Teil der Prüfung erstreckt sich bei Ausbildungen im Rahmen von Modellvorhaben nach § 4 Abs. 7 zusätzlich zu den Themenbereichen nach § 14 Abs. 1 Satz 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege auf den Themenbereich zur Ausübung von heilkundlichen Tätigkeiten, der entsprechend dem Ausbildungsplan der Ausbildungsstätte Gegenstand der zusätzlichen Ausbildung war. § 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, 3 bis 6 und Abs. 4 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege gilt entsprechend. Die Prüfung im zusätzlichen Themenbereich nach Satz 1 soll für den einzelnen Prüfling mindestens 15 Minuten und nicht länger als 30 Minuten dauern. Für die Prüfung sind die ärztlichen Fachprüferinnen oder Fachprüfer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege vorzusehen.
(6) Der praktische Teil der Prüfung erstreckt sich bei Ausbildungen im Rahmen von Modellvorhaben nach § 4 Abs. 7 zusätzlich zu § 15 Abs. 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege auf eine Aufgabe zur Anwendung der in § 3 Abs. 3 beschriebenen erweiterten Kompetenzen zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten bei Patientinnen oder Patienten, die entsprechend dem Ausbildungsplan der Ausbildungsstätte Gegenstand der zusätzlichen Ausbildung waren. Der Prüfling übernimmt dabei alle Aufgaben, die Gegenstand der Behandlung sind, einschließlich der Dokumentation. In einem Prüfungsgespräch hat der Prüfling seine Diagnose- und Behandlungsmaßnahmen zu erläutern und zu begründen sowie die Prüfungssituation zu reflektieren. Dabei hat er nachzuweisen, dass er in der Lage ist, die während der Ausbildung erworbenen erweiterten Kompetenzen in der beruflichen Praxis anzuwenden, und dass er befähigt ist, die Aufgaben gemäß § 3 Abs. 3, die Gegenstand seiner zusätzlichen Ausbildung waren, eigenverantwortlich zu lösen. Die Auswahl der Patientinnen oder Patienten erfolgt durch eine Fachprüferin oder einen Fachprüfer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege im Einvernehmen mit der Patientin oder dem Patienten. Die Prüfung soll für den einzelnen Prüfling in der Regel nicht länger als drei Stunden dauern. § 15 Abs. 2 Satz 2 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege bleibt unberührt. Die Prüfung wird von zwei Fachprüferinnen oder Fachprüfern nach § 4 Abs. 1 Satz 3 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege abgenommen und benotet. Aus den Noten der Fachprüferinnen oder Fachprüfer bildet die oder der Vorsitzende des Prüfungsausschusses die Note für die zusätzliche Aufgabe der praktischen Prüfung. § 15 Abs. 3 Satz 3 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege gilt mit der Maßgabe, dass der praktische Teil der Prüfung bestanden ist, wenn die Prüfungsnote für die Prüfung nach § 15 Abs. 1 und 4 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege jeweils mindestens „ausreichend“ ist.
(7) Die Absätze 4 bis 6 gelten entsprechend im Hinblick auf den schriftlichen, mündlichen und praktischen Teil der Prüfung nach den §§ 16 bis 18 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege, soweit Modellvorhaben nach § 4 Abs. 7 sich auf zusätzliche Ausbildungen in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege erstrecken.
(8) § 2 Abs. 5 gilt entsprechend für Personen, die Staatsangehörige eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes sind und über einen Ausbildungsnachweis verfügen, der eine einem Modellvorhaben nach § 4 Abs. 7 entsprechende Ausbildung bestätigt und zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeit berechtigt.
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doc-97 |
Avis juridique important
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62001J0185
Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 6. Februar 2003. - Auto Lease Holland BV gegen Bundesamt für Finanzen. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesfinanzhof - Deutschland. - Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Ort des steuerbaren Umsatzes - Mehrwertsteuer, die in einem anderen Mitgliedstaat gezahlt wurde - Überlassung eines Kraftfahrzeugs aufgrund eines Leasingvertrags - Übereinkunft über Kraftstoffverwaltung - Person, an die der Kraftstoff geliefert wurde. - Rechtssache C-185/01.
Sammlung der Rechtsprechung 2003 Seite I-01317
LeitsätzeParteienEntscheidungsgründeKostenentscheidungTenor
Schlüsselwörter
Steuerrecht - Harmonisierung - Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - Lieferung von Gegenständen - Überlassung von Fahrzeugen aufgrund eines Leasingvertrags - Tanken durch den Leasingnehmer im Namen und für Rechnung des Leasinggebers - Keine Lieferung des Leasinggebers(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 5 Absatz 1)
Leitsätze
$$Artikel 5 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, wonach als Lieferung eines Gegenstands" die Übertragung der Befähigung gilt, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, ist dahin auszulegen, dass in einem Fall, in dem ein Leasingnehmer das geleaste Fahrzeug im Namen und für Rechnung des Leasinggebers bei Tankstellen betankt, keine Kraftstofflieferung des Leasinggebers an den Leasingnehmer vorliegt.( vgl. Randnr. 37 und Tenor )
Parteien
In der Rechtssache C-185/01betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom deutschen Bundesfinanzhof in dem bei diesem anhängigen RechtsstreitAuto Lease Holland BVgegenBundesamt für Finanzenvorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)erlässtDER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Wathelet sowie der Richter C. W. A. Timmermans, P. Jann, S. von Bahr und A. Rosas (Berichterstatter),Generalanwalt: P. LégerKanzler: R. Grassunter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen- der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und M. Lumma als Bevollmächtigte,- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und K. Gross als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Böhlke,aufgrund des Berichts des Berichterstatters,nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. September 2002,folgendesUrteil
Entscheidungsgründe
1 Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluss vom 22. Februar 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 30. April 2001, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, nachstehend: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Auto Lease Holland BV (nachstehend: Klägerin) und dem Bundesamt für Finanzen (nachstehend: Bundesamt) über den Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Mehrwertsteuer auf in ihrem Namen und für ihre Rechnung von deutschen Unternehmen an die Leasingnehmer von Kraftfahrzeugen gelieferten Kraftstoff.Rechtlicher RahmenGemeinschaftsrecht3 Nach Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt".4 Nach Artikel 5 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie gilt [a]ls Lieferung eines Gegenstands ... die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen". Nach Artikel 6 Absatz 1 gilt [a]ls Dienstleistung ... jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des Artikels 5 ist".5 Die Artikel 8 und 9 der Sechsten Richtlinie betreffen den Ort des steuerbaren Umsatzes. Nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b, der die Lieferung von Gegenständen betrifft, gilt für den Fall, dass der Gegenstand nicht versandt oder befördert wird, als Ort der Lieferung der Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Lieferung befindet. Nach Artikel 9 Absatz 1 gilt als Ort einer Dienstleistung der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird.6 Nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie ist die Besteuerungsgrundlage im Inland bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter den Buchstaben b bis d genannt sind, alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll ..."7 Unter der Überschrift Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug" bestimmt Artikel 17 Absätze 2 und 3 der Sechsten Richtlinie:(2) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:a) die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden,...(3) Die Mitgliedstaaten gewähren jedem Steuerpflichtigen darüber hinaus den Abzug oder die Erstattung der in Absatz 2 genannten Mehrwertsteuer, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden für Zwecke:a) seiner Umsätze, die sich aus den im Ausland ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 ergeben, für die das Recht auf Vorsteuerabzug bestuende, wenn diese Umsätze im Inland bewirkt worden wären;..."8 Die Durchführungsbestimmungen zu den in Artikel 17 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Erstattungen sind in der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (ABl. L 331, S. 11) festgelegt. Danach kann jeder in einem Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige, der für die ihm in einem anderen Mitgliedstaat erbrachten Dienstleistungen oder gelieferten Gegenstände Mehrwertsteuer entrichtet hat, von diesem Staat die Erstattung der Mehrwertsteuer verlangen, sofern er in diesem Mitgliedstaat keine Gegenstände geliefert und keine Dienstleistungen erbracht hat.Nationales Recht9 Die auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Bestimmungen sind das Umsatzsteuergesetz 1980 und die Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1980. Letztere sieht ein Verfahren zur Vergütung der Umsatzsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige vor.Ausgangsverfahren und Vorlagefrage10 Die Klägerin ist ein Leasingunternehmen mit Sitz in den Niederlanden, das an seine Kunden Kraftfahrzeuge verleast. Für die Bereitstellung des Fahrzeugs zahlt der Leasingnehmer an die Klägerin monatliche Raten gemäß dem Leasingvertrag.11 Daneben bietet die Klägerin dem Leasingnehmer an, mit ihr eine Übereinkunft über Kraftstoffverwaltung zu treffen. Er hat dann das Recht, im Namen und für Rechnung der Klägerin Kraftstoff zu tanken und vereinzelt Ölprodukte zu kaufen. Zu diesem Zweck erhält er einen so genannten ALH-Pass" sowie eine Tankkreditkarte des deutschen Kreditkartenunternehmens DKV. Die Karte nennt die Klägerin als Kundin des DKV. Der DKV rechnet regelmäßig mit der Klägerin ab, wobei die einzelnen Kraftstofflieferungen nach Fahrzeugen getrennt aufgeführt werden.12 Die Leasingnehmer zahlen ihrerseits an die Klägerin monatlich vorab ein Zwölftel ihrer voraussichtlichen jährlichen Kraftstoffkosten. Am Jahresende wird nach dem tatsächlichen Verbrauch abgerechnet. Hinzu kommt eine Gebühr für die Kraftstoffverwaltung.13 Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass die Klägerin die gesamten Leasingleistungen einschließlich der Kraftstoffkosten" in den Niederlanden versteuert.14 Soweit den Kraftstoffkosten Lieferungen deutscher Unternehmen zugrunde lagen, beantragte die Klägerin die Vergütung der von den deutschen Behörden auf die Kraftstofflieferungen in den Jahren 1989 bis 1993 erhobenen Umsatzsteuer.15 Das Bundesamt entsprach den Anträgen für die Jahre 1989 bis 1991 zunächst, änderte dann aber die Bescheide, indem es die Vergütung auf 0 DM festsetzte und die zuvor erstatteten Beträge zurückforderte. Die Anträge für die Jahre 1992 und 1993 lehnte das Bundesamt von Anfang an ab. Die Vorsteuern seien nicht für die Klägerin, sondern für den jeweiligen Leasingnehmer entrichtet worden.16 Die Einsprüche der Klägerin gegen diese Bescheide und die Klage beim Finanzgericht Köln (Deutschland) hatten keinen Erfolg.17 Die Klägerin legte gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln Revision an den Bundesfinanzhof ein. Dieser hob das Urteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs hätte das Finanzgericht nicht offen lassen dürfen, ob der Kraftstoff von den Mineralölgesellschaften unmittelbar an die Leasingnehmer oder zunächst an die Klägerin geliefert worden sei. Im letztgenannten Fall sei nämlich zweifelhaft, ob der Kraftstoff von der Klägerin im Inland, wo er gekauft worden sei, an die Leasingnehmer weitergeliefert worden sei oder ob die Klägerin eine in den Niederlanden zu versteuernde einheitliche sonstige Leistung erbracht habe, die auch die Kraftstoffverwaltung einschließe. Diese Zweifelsfrage sei aber erst nach weiterer Sachverhaltsaufklärung dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorzulegen.18 Das Finanzgericht hat daraufhin im zweiten Rechtsgang Kraftstofflieferungen der Mineralölgesellschaften an die Klägerin verneint. Es handele sich vielmehr um Kraftstofflieferungen der Mineralölgesellschaften an die Leasingnehmer im Mitgliedstaat der Mehrwertsteuererhebung. Die Klage wurde folglich abgewiesen.19 Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Revision an den Bundesfinanzhof. Sie beantragt, ihr unter Aufhebung der Vorentscheidung die ursprünglich gewährte Umsatzsteuervergütung zu belassen und das Bundesamt zu verpflichten, die Vorsteuervergütung auf die von ihr für die Vergütungszeiträume 1992 und 1993 geforderten Beträge festzusetzen.20 Da der Bundesfinanzhof für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits eine Auslegung der Sechsten Richtlinie für erforderlich hält, hat er das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:Liegt in einem Fall, in dem ein Leasingnehmer das geleaste Auto im Namen und für Rechnung des Leasinggebers bei Tankstellen betankt, eine Treibstofflieferung des Leasinggebers an den Leasingnehmer vor, und ist diese Lieferung an dem in Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 77/388/EWG genannten Lieferort zu versteuern, oder geht die Weiterlieferung" in der nach Artikel 9 der Richtlinie 77/388/EWG zu besteuernden Dienstleistung des Leasinggebers auf?Zur Vorlagefrage21 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Klägerin die Erstattung der Mehrwertsteuer erlangen kann, die auf dem Kraftstoff lastet, den die Leasingnehmer in Deutschland zur Betankung der geleasten Fahrzeuge gekauft haben.22 Wie der Generalanwalt in den Nummern 18 bis 22 seiner Schlussanträge zutreffend ausgeführt hat, wirft das Ersuchen des Bundesfinanzhofs zwei Fragen auf.23 Die erste Frage betrifft die Auslegung von Artikel 5 der Sechsten Richtlinie. Sie geht dahin, ob unter den Umständen des Ausgangsverfahrens eine Kraftstofflieferung des Leasinggebers an den Leasingnehmer vorliegt, wenn Letzterer das geleaste Fahrzeug bei Tankstellen betankt. Für diese Frage ist jedoch zu klären, ob zuvor eine Kraftstofflieferung der Mineralölgesellschaften an die Klägerin stattgefunden hat oder ob die Lieferung unmittelbar an den Leasingnehmer erfolgt ist. Wenn nämlich die Mineralölgesellschaften den Kraftstoff unmittelbar an den Leasingnehmer und nicht an die Klägerin geliefert haben, stellt sich die Frage der Qualifizierung einer Weiterlieferung durch die Klägerin an den Leasingnehmer nicht.24 Die zweite Frage stellt sich nur für den Fall, dass die Mineralölgesellschaften den Kraftstoff an die Klägerin geliefert haben. In diesem Fall ist zu entscheiden, ob die Weiterlieferung durch die Klägerin an den Leasingnehmer eine eigenständige Lieferung darstellt, die an dem Ort, an dem sich der Kraftstoff zum Zeitpunkt der Lieferung befand (Deutschland), zu versteuern ist, oder ob sie als Teil der Leasingleistung an dem Ort zu versteuern ist, an dem der Leasinggeber seinen Hauptsitz hat (Niederlande).Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen25 Die deutsche Regierung und die Kommission sind der Ansicht, die Kraftstofflieferungen der Mineralölgesellschaften seien unter den Umständen des Ausgangsverfahrens ausschließlich an die Leasingnehmer erfolgt.26 Die deutsche Regierung führt aus, nach Artikel 5 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie gelte als Lieferung eines Gegenstands" die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Der Gerichtshof habe diesen Begriff insbesondere im Urteil vom 8. Februar 1990 in der Rechtssache C-320/88 (Shipping and Forwarding Enterprise Safe, Slg. 1990, I-285) erläutert; danach sei die wirtschaftliche und nicht die rechtliche Übertragung maßgeblich. Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass ein anderer als der Abnehmer, hier der Leasinggeber, Empfänger der Kraftstofflieferung sein könne. Nach den Umständen des Ausgangsverfahrens spreche nichts dafür, dass dies der Fall sei.27 Nach Auffassung der Kommission kann das vom vorlegenden Gericht angeführte Urteil vom 8. März 1988 in der Rechtssache 165/86 (Intiem, Slg. 1988, 1471) nicht herangezogen werden. Im Ausgangsverfahren lägen die Umstände anders als in der Rechtssache Intiem. Dort hätten die Arbeitnehmer ihre eigenen Fahrzeuge auf Kosten des Arbeitgebers betankt, um sie im Rahmen ihrer Tätigkeit zu verwenden. Dagegen seien im Ausgangsverfahren die Leasingnehmer keine Arbeitnehmer der Klägerin und verwendeten den Kraftstoff für ihre eigenen Zwecke.28 Die Kraftstofflieferungen seien nur vordergründig auf Kosten der Klägerin erfolgt. Die von den Leasingnehmern monatlich an sie gezahlten Raten stellten nur einen Vorschuss dar. Letztlich maßgebend sei der am Jahresende abgerechnete tatsächliche Verbrauch, für den sie aufzukommen hätten. Die Kosten der Kraftstofflieferung würden daher voll und ganz von den Leasingnehmern getragen. Die Klägerin übernehme diesen gegenüber die Funktion eines Kreditgebers und erhalte für ihre Leistungen eine gesonderte Gebühr.29 Die deutsche Regierung und die Kommission gelangen daher zu dem Ergebnis, dass das Betanken der Kraftfahrzeuge eine unmittelbare Kraftstofflieferung der Mineralölgesellschaften an die Leasingnehmer darstelle, so dass der vom Bundesfinanzhof gestellten Frage die Grundlage fehle.30 Nur hilfsweise prüfen die deutsche Regierung und die Kommission die Frage, ob die Kraftstofflieferung eine Weiterlieferung an die Leasingnehmer im Rahmen einer einheitlichen Leasing"-Leistung oder aber im Rahmen einer von der Leistung aufgrund des Leasingvertrags unabhängigen Hauptleistung ist. Im Licht der Rechtsprechung sei beim Sachverhalt des Ausgangsverfahrens davon auszugehen, dass es sich um zwei unterschiedliche Leistungen handele, zum einen eine Leasingleistung und zum anderen eine Kraftstofflieferung. Die Weiterlieferung des Kraftstoffs an die Leasingnehmer stelle in diesem Fall eine Hauptleistung dar, deren Lieferort sich nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie bestimme.Antwort des Gerichtshofes31 Nach Artikel 5 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie gilt [a]ls Lieferung eines Gegenstands ... die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen".32 Wie der Gerichtshof in den Randnummern 7 und 8 des Urteils Shipping and Forwarding Enterprise Safe ausgeführt hat, ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, dass der Begriff Lieferung eines Gegenstands" sich nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen bezieht, sondern dass sie jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei umfasst, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Der Zweck der Sechsten Richtlinie wäre möglicherweise gefährdet, wenn die Feststellung, dass eine Lieferung von Gegenständen - einer der drei steuerbaren Umsätze - vorliegt, von der Erfuellung von je nach Mitgliedstaat unterschiedlichen Voraussetzungen abhinge, wie es die Voraussetzungen für die zivilrechtliche Eigentumsübertragung sind.33 Daher ist zur Beantwortung der Vorlagefrage zu untersuchen, auf wen - den Leasinggeber oder den Leasingnehmer - die Mineralölgesellschaften im Ausgangsverfahren diese Befähigung, über den Kraftstoff faktisch wie ein Eigentümer zu verfügen, übertragen haben.34 Unstreitig ist der Leasingnehmer befugt, über den Kraftstoff so zu verfügen, als wäre er der Eigentümer, weil er ihn unmittelbar von den Tankstellen erhält und die Klägerin zu keiner Zeit darüber entscheiden kann, wie und wozu der Kraftstoff verwendet werden soll.35 Der Auffassung, der Kraftstoff werde an die Klägerin geliefert, da der Leasingnehmer ihn in ihrem Namen und für ihre Rechnung kaufe und sie den Kaufpreis vorschieße, kann nicht gefolgt werden. Wie die Kommission zu Recht geltend gemacht hat, erfolgen die Lieferungen nur vordergründig auf Kosten der Klägerin. Zum einen stellen die monatlich an sie gezahlten Raten nur einen Vorschuss dar. Zum anderen kommt der Leasingnehmer für den am Jahresende abgerechneten tatsächlichen Verbrauch auf und trägt daher die Kosten der Kraftstofflieferung in voller Höhe.36 Die Übereinkunft über Kraftstoffverwaltung ist somit kein Vertrag über Kraftstofflieferung, sondern vielmehr ein Vertrag über die Finanzierung des Bezugs von Kraftstoff. Nicht die Klägerin kauft den Kraftstoff - in der Absicht, ihn an den Leasingnehmer weiterzuliefern -, sondern dieser kauft ihn, wobei er dessen Qualität und Menge sowie den Zeitpunkt des Kaufs frei wählt. Die Klägerin übernimmt dem Leasingnehmer gegenüber in Wirklichkeit die Funktion eines Kreditgebers.37 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 5 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass in einem Fall, in dem ein Leasingnehmer das geleaste Fahrzeug im Namen und für Rechnung des Leasinggebers bei Tankstellen betankt, keine Kraftstofflieferung des Leasinggebers an den Leasingnehmer vorliegt.38 Unter diesen Umständen ist die zweite durch das Ersuchen des Bundesfinanzhofs aufgeworfene Frage nicht zu beantworten (siehe oben, Randnr. 24).
Kostenentscheidung
Kosten39 Die Auslagen der deutschen Regierung und der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor
Aus diesen GründenhatDER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)auf die ihm vom Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 22. Februar 2001 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:Artikel 5 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass in einem Fall, in dem ein Leasingnehmer das geleaste Fahrzeug im Namen und für Rechnung des Leasinggebers bei Tankstellen betankt, keine Kraftstofflieferung des Leasinggebers an den Leasingnehmer vorliegt.
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doc-98 |
Avis juridique important
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61969J0039
URTEIL DES GERICHTSHOFES (ERSTE KAMMER) VOM 13. MAI 1970. - BERNARD FOURNIER GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - RECHTSSACHE 39-69.
Sammlung der Rechtsprechung 1970 Seite 00267 Dänische Sonderausgabe Seite 00051 Griechische Sonderausgabe Seite 00309 Portugiesische Sonderausgabe Seite 00343
LeitsätzeEntscheidungsgründeKostenentscheidungTenor
Schlüsselwörter
++++ BEAMTE - HILFSKRÄFTE - BEENDIGUNG DES BESCHÄFTIGUNGSVERHÄLTNISSES - ERNENNUNG ZUM BEDIENSTETEN AUF ZEIT FÜR BESTIMMTE DAUER - URLAUB - WÄHREND DER BESCHÄFTIGUNG ALS HILFSKRAFT NICHT GENOMMENE URLAUBSTAGE - ÜBERTRAGUNG NICHT GERECHTFERTIGT - VERGÜTUNG ( BESCHÄFTIGUNGSBEDINGUNGEN FÜR DIE SONSTIGEN BEDIENSTETEN, ART . 58 )
Leitsätze
WIRD EINE HILFSKRAFT AUF BESTIMMTE DAUER ZUM BEDIENSTETEN AUF ZEIT ERNANNT, SO KÖNNEN DIE BEGRENZTE DAUER DES VERTRAGES UND DIE HINSICHTLICH SEINER VERLÄNGERUNG BESTEHENDE UNGEWISSHEIT VERHINDERN, DASS DIE ÜBERTRAGUNG VON URLAUBSTAGEN ERNSTLICH IN BETRACHT KOMMT . DIESE TAGE SIND DAHER WIE ABGELEISTETE ARBEITSTAGE ZU VERGÜTEN .
Entscheidungsgründe
1 DIE KLAGE IST ZUNÄCHST AUF DIE AUFHEBUNG DER VERFÜGUNG VOM 13 . MAI 1969 GERICHTET, MIT DER DER GENERALDIREKTOR FÜR PERSONAL UND VERWALTUNG DEM KLAEGER DIE VERGÜTUNG FÜR 47 WÄHREND SEINER BESCHÄFTIGUNGSZEIT ALS HILFSKRAFT AUS DIENSTLICHEN GRÜNDEN NICHT GENOMMENE URLAUBSTAGE VERSAGT HAT; FERNER WIRD MIT IHR DIE VERURTEILUNG DER KOMMISSION ZUR ZAHLUNG VON 77 093 BFRS ALS VERGÜTUNG FÜR DIESE URLAUBSTAGE ZUZUEGLICH DER GESETZLICHEN ZINSEN BEGEHRT . 2 DIE STREITIGE VERGÜTUNG WURDE MIT DER BEGRÜNDUNG VERWEIGERT, DASS DER KLAEGER MIT WIRKUNG VOM 1 . JANUAR 1969 IN DER BESOLDUNGSGRUPPE B 1 ZUM BEDIENSTETEN AUF ZEIT ERNANNT WORDEN UND DAHER OHNE UNTERBRECHUNG IM DIENST DER KOMMISSION VERBLIEBEN SEI, WENN AUCH IN ANDERER EIGENSCHAFT ALS ZUVOR . 3 AUSSERDEM WURDE DEM KLAEGER MIT DER ANGEFOCHTENEN VERFÜGUNG IN ANWENDUNG EINER IM PERSONALKURIER NR . 41 VOM 7 . NOVEMBER 1968 ERSCHIENENEN MITTEILUNG NUR DIE ÜBERTRAGUNG VON 29 NICHT GENOMMENEN URLAUBSTAGEN BEWILLIGT . ZUR ZULÄSSIGKEIT 4/6 DER GENERALDIREKTOR FÜR PERSONAL UND VERWALTUNG, DEM GEMÄSS ARTIKEL 31 DER HAUSHALTSORDNUNG DER GEMEINSCHAFTEN VOM 30 . JULI 1968 DIE FRAGE DER VERGÜTUNG DER VOM KLAEGER NICHT GENOMMENEN URLAUBSTAGE VORGELEGT WORDEN WAR, HAT ALS ANWEISUNGSBEFUGTER DIE BEANTRAGTE VERGÜTUNG VERSAGT . DIESE VERFÜGUNG IST EINE DEN KLAEGER BESCHWERENDE MASSNAHME . DIE KLAGE IST DAHER ZULÄSSIG . ZUR BEGRÜNDETHEIT 7/8 ARTIKEL 58 DER BESCHÄFTIGUNGSBEDINGUNGEN FÜR DIE SONSTIGEN BEDIENSTETEN BESTIMMT, DASS, " SOFERN EINEM BEDIENSTETEN ( HILFSKRAFT ) DER URLAUB ... WÄHREND DER ZEIT SEINER BESCHÄFTIGUNG AUS DIENSTLICHEN GRÜNDEN NICHT GEWÄHRT WERDEN KONNTE, ... NICHT GENOMMENE URLAUBSTAGE WIE ABGELEISTETE ARBEITSTAGE VERGÜTET ( WERDEN ) ". ES IST ZU PRÜFEN, OB DIESE VORSCHRIFT ANWENDBAR IST, WENN DER BEDIENSTETE ANSCHLIESSEND IN ANDERER EIGENSCHAFT ALS DERJENIGEN EINER HILFSKRAFT IM DIENST DES ORGANS VERBLIEBEN IST, BEI DEM ER BESCHÄFTIGT WAR . 9/10 NACH ANSICHT DER BEKLAGTEN IST DIE ÜBERTRAGUNG NICHT GENOMMENER URLAUBSTAGE ALS DIE REGEL ANZUSEHEN . BEI DEN HILFSKRÄFTEN RECHTFERTIGE SICH DER IN ARTIKEL 58 VORGESEHENE FINANZIELLE AUSGLEICH NUR DADURCH, DASS SICH DIE ÜBERTRAGUNG FÜR DIESE BEDIENSTETEN OFT WEGEN DER KÜRZE UND DER UNGEWISSHEIT DER VERLÄNGERUNG IHRER BESCHÄFTIGUNGSZEIT ALS UNMÖGLICH ERWEISE . 11 WENN INDESSEN EINE HILFSKRAFT AUF BESTIMMTE DAUER ZUM BEDIENSTETEN AUF ZEIT ERNANNT WIRD, SO KÖNNEN DIE BEGRENZTE DAUER DES VERTRAGES UND DIE HINSICHTLICH SEINER VERLÄNGERUNG BESTEHENDE UNGEWISSHEIT VERHINDERN, DASS DIE ÜBERTRAGUNG VON URLAUBSTAGEN ERNSTLICH IN BETRACHT KOMMT . 12/13 IM VORLIEGENDEN FALL WURDE DER KLAEGER MIT WIRKUNG VOM 1 . JANUAR 1969 FÜR DREI MONATE ALS BEDIENSTETER AUF ZEIT EINGESTELLT; SEIN VERTRAG WURDE DANN IN MEHREREN ZEITABSCHNITTEN VON VIER, FÜNF ODER SECHS MONATEN BIS ZUM 30 . JUNI 1970 VERLÄNGERT . UNTER DIESEN UMSTÄNDEN WAR EINE VERNÜNFTIGE VORAUSSICHT DER MÖGLICHKEITEN ZUR URLAUBSÜBERTRAGUNG ZUMINDEST VOM ZUFALL ABHÄNGIG, SO DASS DIE GRÜNDE, AUF DENEN ARTIKEL 58 DER BESCHÄFTIGUNGSBEDINGUNGEN FÜR DIE SONSTIGEN BEDIENSTETEN BERUHT, IHRE VOLLE GÜLTIGKEIT BEHIELTEN . 14 HIERNACH IST DIE DIENSTANWEISUNG VOM 7 . NOVEMBER 1968, WELCHE DIE ÜBERTRAGUNG NICHT GENOMMENEN URLAUBS AUF 29 TAGE BESCHRÄNKT, AUF DEN VORLIEGENDEN FALL NICHT ANWENDBAR, SO DASS IHRE RECHTMÄSSIGKEIT NICHT GEPRÜFT ZU WERDEN BRAUCHT . 15 DIE ANFECHTUNGSKLAGE IST BEGRÜNDET . 16/17 UNSTREITIG VERFÜGTE DER KLAEGER AM 31 . OKTOBER 1968 ÜBER INSGESAMT 47 URLAUBSTAGE, DIE ER AUS DIENSTLICHEN GRÜNDEN NICHT HATTE NEHMEN KÖNNEN . NACH SEINEM VORBRINGEN BELÄUFT SICH DIE VERGÜTUNG HIERFÜR AUF EINEN BETRAG VON 77 093 BFRS, DEN DIE BEKLAGTE NICHT BESTRITTEN HAT . 18 DER KLAEGER HAT DAHER ANSPRUCH AUF DIESEN BETRAG, AUSSERDEM SIND IHM DIE IN DER KLAGESCHRIFT BEANTRAGTEN VERZUGSZINSEN ZUZUSPRECHEN, DIE AUF 4,5 PROZENT SEIT KLAGEERHEBUNG BEMESSEN WERDEN .
Kostenentscheidung
19/20 GEMÄSS ARTIKEL 69 PARAGRAPH 2 DER VERFAHRENSORDNUNG IST DIE UNTERLIEGENDE PARTEI ZUR TRAGUNG DER KOSTEN ZU VERURTEILEN . DIE BEKLAGTE IST MIT IHREM VORBRINGEN UNTERLEGEN .
Tenor
HAT DER GERICHTSHOF ( ERSTE KAMMER ) UNTER ABWEISUNG ALLER WEITERGEHENDEN ODER GEGENTEILIGEN ANTRAEGE FÜR RECHT ERKANNT UND ENTSCHIEDEN : 1 . DIE VERFÜGUNG DES GENERALDIREKTORS FÜR PERSONAL UND VERWALTUNG VOM 13 . MAI 1969 WIRD AUFGEHOBEN . 2 . DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN WIRD VERURTEILT, AN DEN KLAEGER SIEBENUNDSIEBZIGTAUSENDDREIUNDNEUNZIG BELGISCHE FRANKEN ZUZUEGLICH 4,5 PROZENT SEIT KLAGEERHEBUNG ZU ZAHLEN . 3 . DIE BEKLAGTE WIRD ZUR TRAGUNG DER KOSTEN VERURTEILT .
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doc-99 | {"","Urteil Rückweisung an die Vorinstanz
Obergericht des Kantons Zürich II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: PF150057-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. A. Katzenstein, Vorsitzende, Oberrichterin
lic. iur. E. Lichti Aschwanden und Ersatzrichter lic. iur. H. Meister
sowie Gerichtsschreiber lic. iur. T. Engler
Beschluss und Urteil vom 21. Oktober 2015
in Sachen
A._,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X1._ und / oder Rechtsanwalt lic. iur.
X2._,
gegen
Notariat B._ Zürich,
Beschwerdegegner,","betreffend Aufsichtsbeschwerde gegen das
Notariat B._-Zürich im Rahmen der Mitwirkung bei der Erbteilung
Beschwerde gegen eine Verfügung des Einzelgerichtes Freiwillige Gerichtsbarkeit des Bezirksgerichtes Zürich vom 26. August 2015 (EA150005)
- 2 -
Verfügung des Notariats B._-Zürich vom 10./14. Juli 2015 (act. 3/2, 3/3, sinngemäss)
1. Die Kosten des Notariats B._-Zürich für die Mitwirkung an der Erbteilung im Nachlass von C._ (geb. tt.mm.1927, am tt.mm.2012) für den Erben A._ werden aus dem Erbteil von A._ bezogen.
2. Vom beim Notariat eingegangenen Erbanteil von A._ im von Fr. 98'113.82 wird eine Abschlagszahlung von Fr. 80'000.00 an A._ erstattet. Der Restbetrag von Fr. 18'113.82 wird für die Deckung der Kosten zurückbehalten. Die Schlussabrechnung bleibt vorbehalten.
[Mitteilung, Rechtsmittel]
Aufsichtsbeschwerde an das Einzelgericht Freiwillige Gerichtsbarkeit des Bezirksgerichts Zürich vom 22. Juli 2015
(act. 1 S. 2):
\"1. Es sei festzustellen, dass die Verfügung des Notariats B. vom 10. Juli 2015 nichtig ist, eventualiter sei sie .
2. Es sei die Entschädigung für die Mitwirkung des festzulegen und der D._ AG, ... [Adresse], .
3. Eventualiter sei die Entschädigung für die Mitwirkung des festzulegen und die Aufwendungen bis zum 11. Dezember 2014 seien dem Beschwerdeführer bzw. ab dem 12. Dezember 2014 der D._ AG, ... [Adresse], aufzuerlegen.
4. Der Beschwerdegegner sei anzuweisen, sämtliche Zahlungen, die er in der Nachlasssache C._, geboren am tt.mm.1927, gestorben am tt.mm.2012, erhalten hat, umgehend an das Zürich 9 zu überweisen.
5. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MwSt.- Ersatz) zulasten des Beschwerdegegners.\"
- 3 -
Verfügung des Einzelgerichts Freiwillige Gerichtsbarkeit des Zürich vom 26. August 2015
(act. 11= act. 13 = act. 15):
\"1. Auf die Aufsichtsbeschwerde wird nicht eingetreten. 2. Die Entscheidgebühr fällt ausser Ansatz. 3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
[4.-5. Mitteilung, Rechtsmittel]\"
Beschwerdeanträge
des Beschwerdeführers zur Sache (act. 14 S. 2): \"1. Die Verfügung des Bezirksgerichts Zürich, Einzelgericht – Freiwil-
lige Gerichtsbarkeit, vom 26. August 2015 (Geschäfts-Nr.: EA150005) sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung bzw. zur Beurteilung in der Sache an die Vorinstanz .
2. Eventualiter sei die Verfügung des Bezirksgerichts Zürich, – Freiwillige Gerichtsbarkeit, vom 26. August 2015 (-Nr.: EA150005) aufzuheben und die Aufsichtsbeschwerde vom 22. Juli 2015 gutzuheissen.
3. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. ) zu Lasten des Beschwerdegegners.\"
des Beschwerdeführers zum Verfahren (act. 14 S. 2): \"Es sei das vorliegende Verfahren zu sistieren, bis die Finanzdirektion des Kantons Zürich über ihre Zuständigkeit bezüglich des in derselben Sache eingereichten Rekurses vom 11. August 2015 (Referenz-Nr. ...) entschieden hat.\"
des Beschwerdegegners (act. 22 S. 1): \"1. Die Beschwerde sei vollumfänglich abzuweisen, soweit darauf
eingetreten wird. 2. Eventualiter sei festzustellen, dass das Notariat B._-Zürich
befugt ist, seine entstandenen Kosten dem Anteil des an der Erbschaft seines Vaters in Abzug zu bringen und dem Betreibungsamt Zürich 9 den dadurch resultierenden zu überweisen.
3. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des .\"
- 4 -","Erwägungen:
I.
1. Am tt.mm.2012 verstarb C._ (geb. tt.mm.1927). Einer seiner ge-
setzlichen Erben ist der Sohn A._, der Beschwerdeführer im vorliegenden
Verfahren (act. 3/4).
2. Die D._ AG ist eine Gläubigerin des Beschwerdeführers. Sie er-
warb am 18. Mai 2005 auf dem Weg der Zession eine Konkursforderung der
E._ AG aus dem Konkurs über den Beschwerdeführer sowie den entspre-
chenden Verlustschein (act. 1 S. 4).
3. Mit Urteil vom 12. Dezember 2013 ordnete das Einzelgericht Erb-
schaftssachen des Bezirksgerichts Zürich auf Gesuch der Gläubigerin D._
AG gestützt auf Art. 609 ZGB die amtliche Mitwirkung der Behörde an der Erbtei-
lung im Nachlass von C._ anstelle des Beschwerdeführers an. Das Einzelge-
richt beauftragte das Notariat B._-Zürich (den Beschwerdegegner im vorlie-
genden Verfahren) mit der Mitwirkung bei der Erbteilung und auferlegte die Kos-
ten dieser Anordnung der D._ AG, in deren Interesse die behördliche Mitwir-
kung an der Erbteilung anzuordnen sei (act. 3/4).
Am 14./15. Juli 2014 erwirkte die D._ einen Arrest gegenüber dem Be-
schwerdeführer (act. 3/7 S. 3). Sie prosequierte den Arrest auf dem Betreibungs-
weg beim Betreibungsamt Zürich 9. Der Rechtsvorschlag des Beschwerdeführers
wegen fehlenden neuen Vermögens wurde teilweise bewilligt (vgl. act. 23/ 1). Am
5. Januar 2015 pfändete das Betreibungsamt Zürich 9 (u.a.) den Liquidationsan-
teil des Beschwerdeführers an der Erbschaft von C._ (vgl. act. 3/9).
4. Mit einem als Verfügung betitelten Schreiben an das Betreibungsamt
Zürich 9 vom 10. Juli 2015 machte der Beschwerdegegner zunächst Angaben
zum Erbteilungsverfahren im Nachlass von C._. Weiter hielt der Beschwer-
degegner fest, er überweise vom Erbanteil des Beschwerdeführers von
Fr. 98'113.82 eine Abschlagszahlung von Fr. 80'000.00 an das Betreibungsamt
- 5 -
Zürich 9. Er würde, so der Beschwerdegegner weiter, seine Kosten für die Mitwir-
kung bei der Erbteilung vom Anteil des Beschwerdeführers in Abzug bringen. Bis
anhin seien Kosten von Fr. 9'740.60 angefallen. Ein allfälliges Restguthaben wür-
de zusammen mit der Schlussabrechnung überwiesen (act. 3/2).
Mit weiterem Schreiben vom 14. Juli 2015 korrigierte der Beschwerdegegner
einen Fehler bei der Rechtsmittelbelehrung zur Verfügung vom 10. Juli 2015 (An-
schrift des Einzelgerichts des Bezirksgerichts Zürich als Beschwerdeinstanz, vgl.
act. 3/3).
Sinngemäss beinhaltet das Schreiben vom 10. Juli 2015 die eingangs ange-
führten Anordnungen.
5. Der Beschwerdeführer erhob mit Eingabe vom 22. Juli 2015 Be-
schwerde an das Einzelgericht Erbschaftssachen des Bezirksgerichts Zürich als
Aufsichtsbehörde nach § 139 Abs. 1 GOG. Er stellte die eingangs angeführten
Beschwerdeanträge (act. 1 S. 2).
6. Mit der oben angeführten Verfügung vom 26. August 2015 trat das Ein-
zelgericht Freiwillige Gerichtsbarkeit des Bezirksgerichts Zürich (Vorinstanz) auf
die Aufsichtsbeschwerde nicht ein (act. 11 = act. 13 = act. 15). Die Vorinstanz
verneinte unter Hinweis auf § 31 des Notariatsgesetzes (NotG, Ordnungs-Nr. 242)
ihre Zuständigkeit, weil die angefochtene Verfügung sich auf Notariatsgebühren
beziehe und daher der Rekurs an die Finanzdirektion des Kantons Zürich offen
stehe (act. 13 S. 4-6).
Die Verfügung wurde dem Beschwerdeführer am 2. September 2015 zuge-
stellt (der Empfangsschein befindet sich unakturiert in den erstinstanzlichen Ak-
ten).
7. Mit Eingabe vom 14. September 2015 erhob der Beschwerdeführer
Beschwerde an das Obergericht als Rechtsmittelinstanz nach § 139 GOG i.V.m.
§ 84 f. GOG) und stellte die angeführten Rechtsmittelanträge (act. 14).
- 6 -
8. Die vom Beschwerdeführer in der vorliegenden Sache ebenfalls ange-
rufene Finanzdirektion des Kantons Zürich teilte dem Obergericht mit Schreiben
vom 23. September 2015 (im Sinne der Anregung eines Meinungsaustausches)
mit, dass sie der Ansicht sei, es sollte zuerst rechtskräftig über die Zuständigkeit
der Zivilgerichte entschieden werden (act. 18). Sodann wurde mit der Finanzdirek-
tion abgesprochen, dass das Obergericht der Finanzdirektion seinen Entscheid
mitteilen werde und die Finanzdirektion bis dann über den bei ihr hängigen Re-
kurs nicht entscheide (act. 21).
9. Mit Verfügung vom 6. Oktober 2015 wurde dem Beschwerdegegner
Frist zur Beantwortung der Beschwerde angesetzt (act. 19).
10. Der Beschwerdegegner erstattete mit Eingabe vom 16. Oktober 2015
die Beschwerdeantwort und stellte die eingangs angeführten Anträge (act. 22).
11. Die Akten des erstinstanzlichen Verfahrens wurden beigezogen (act. 1-
11). Von der Auferlegung eines Kostenvorschusses wurde abgesehen (Art. 98
ZPO). Das Beschwerdeverfahren ist spruchreif. Dem Beschwerdeführer sind in-
des noch die Doppel der act. 22 und 23/1-5 zuzustellen.
II.
1. Prozessrechtliche Vorbemerkungen:
1.1 Auf Antrag eines Gläubigers eines Erben, der den Anspruch eines Er-
ben auf die angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat oder der gegen
ihn Verlustscheine besitzt, hat die zuständige Behörde anstelle dieses Erben an
der Teilung mitzuwirken (Art. 609 Abs. 1 ZGB). Nach Art. 54 SchlT ZGB regeln
die Kantone die zuständige Behörde und das Verfahren.
1.2 Das zürcherische Recht bezeichnet das Einzelgericht am örtlich zu-
ständigen Bezirksgericht als zuständige Behörde im aufgezeigten Sinn (§ 137 lit. i
GOG). Wird ein entsprechender Antrag gestellt (und ist ihm zu folgen), so beauf-
tragt das Einzelgericht die Notarin oder den Notar mit der Mitwirkung bei der Erb-
- 7 -
teilung (§ 138 Abs. 1 i.V.m. § 137 lit. i GOG). Das Einzelgericht ist auch Auf-
sichtsbehörde über die von ihm Beauftragten (§ 139 Abs. 1 GOG).
Für die Rechtsmittelordnung gegenüber Aufsichtsentscheiden des Einzelge-
richts ist nach dem massgeblichen kantonalen Recht auf § 85 i.V.m. § 84 GOG
abzustellen. Danach sind die Bestimmungen über den Weiterzug der Aufsichts-
beschwerde nach § 82 ff. GOG (für den das GOG auf die Beschwerde nach
Art. 319 ff. ZPO verweist) auch für andere richterliche Aufsichtsverfahren nach
eidgenössischem oder kantonalem Recht einschlägig. Erstinstanzliche Aufsichts-
entscheide können somit innert 10 Tagen mit Aufsichtsbeschwerde beim Oberge-
richt angefochten werden (§ 84 GOG). Die Bestimmungen von Art. 319 ff. ZPO
gelten dabei als kantonales Recht.
Die Qualifizierung des Rechtsmittels als Beschwerde nach Art. 319 ff. ZPO
(sinngemäss) hängt aus diesem Grund entgegen dem Beschwerdeführer (act. 14
S. 3) nicht vom Streitwert ab. Es liegt kein erstinstanzlicher Erledigungsentscheid
im (direkten) Anwendungsbereich der ZPO vor, der je nach dessen Streitwert mit
Berufung (Art. 308 ff. ZPO) oder Beschwerde (Art. 319 ff. ZPO) anzufechten wäre
(vgl. zum Ganzen OGer ZH PF130013 vom 23. Dezember 2013, E. II./2-7).
1.3 Auf die rechtzeitig schriftlich und begründet erhobene Beschwerde ist
somit einzutreten.
2. Sistierungsantrag:
Wie eingangs aufgezeigt, ersucht der Beschwerdeführer um Sistierung des
vorliegenden Beschwerdeverfahrens, bis die Finanzdirektion über ihre Zuständig-
keit bezüglich des in derselben Sache eingereichten Rekurses vom 11. August
2015 entschieden habe (act. 14 S. 2).
Der hier zu treffende Entscheid über die Zuständigkeit der Vorinstanz hängt
nicht von einem vorherigen Zuständigkeitsentscheid der Finanzdirektion ab. Wie
eingangs erwähnt, wurde mit der Finanzdirektion abgesprochen, dass das Ober-
gericht der Finanzdirektion seinen Entscheid mitteilen werde und die Finanzdirek-
tion bis dann über den bei ihr hängigen Rekurs nicht entscheide. Für eine Sistie-
- 8 -
rung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens besteht daher kein Anlass. Der Sis-
tierungsantrag des Beschwerdeführers ist folglich abzuweisen.
3. Zum angefochtenen Entscheid:
Die Vorinstanz erwog, die angefochtene Verfügung des Beschwerdegegners
vom 10. Juli 2015 betreffe, soweit überhaupt von einer Verfügung ausgegangen
werden könne, die Kostenauflage. Zwar sei, so die Vorinstanz weiter, nach § 139
Abs. 1 GOG das Einzelgericht zuständig zur Festsetzung der Entschädigung der
von ihm Beauftragten. Für die Notariate geniesse die Notariatsgebührenverord-
nung (NotGebV, Ordnungs-Nr. 243) indes als lex specialis Vorrang. Nach § 24
NotG erhebe das Notariat für seine Verrichtungen Gebühren. Der Beschwerde-
gegner sei daher zuständig, seine Gebühr festzusetzen. Gegen entsprechende
Verfügungen stehe der Rekurs an die Finanzdirektion offen. Das Einzelgericht sei
deshalb sachlich nicht zuständig zur Beurteilung der angefochtenen Kostenaufla-
ge (act. 13 S. 5 f.).
4. Standpunkte der Parteien:
4.1 Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass die Vorinstanz über seine
Beschwerde zu entscheiden habe. Die Entschädigung des Beschwerdegegners
sei nach § 139 Abs. 1 GOG durch das Einzelgericht festzusetzen, das dabei die
Notariatsgebührenverordnung anzuwenden habe. Der Beschwerdegegner hätte
beim Einzelgericht einen Antrag auf Festsetzung der Entschädigung stellen müs-
sen. Dass er selber entschieden habe, die Kosten vom Erbteil des Beschwerde-
führers zu beziehen, und dass er einen Teil des gepfändeten Erbteils dafür zu-
rückbehalten habe, stelle Pflichtverletzungen des Beschwerdegegners dar. Diese
seien mit Beschwerde beim Einzelgericht zu rügen (act. 14 S. 7-9).
4.2 Der Beschwerdegegner ist der Auffassung, für die Festsetzung der No-
tariatsgebühr habe keine Anfrage beim Einzelgericht als auftraggebende Behörde
zu erfolgen. Der Entscheid des Notariats über die Höhe der Gebühr und über den
Gebührenadressat könne bei der Finanzdirektion mit Rekurs angefochten werden.
Vorliegend sei ein solcher abschliessender Entscheid noch nicht gefällt worden.
- 9 -
Zur Diskussion stehe, ob die Gebühr vom Erbteil des Beschwerdeführers abge-
zogen werden dürfe. Die Frage, ob das Notariat damit seine Pflichten verletzt ha-
be, sei nicht mit Gebührenrekurs auf dem Verwaltungsrechtsweg zu entscheiden.
Er habe, so der Beschwerdegegner weiter zu dieser Thematik, der Vorinstanz ei-
ne Anfrage zugestellt, mit dem Antrag, seinem Vorgehen mit dem Abzug der Ge-
bühren vom Treffnis des Schuldners statt zu geben. Diesem Antrag sei die Vorin-
stanz gefolgt (act. 22 S. 3-5, act. 23/3-4).
Ungeachtet des eingangs angeführten Antrags des Beschwerdegegners auf
Abweisung der Beschwerde ergibt sich somit aus den Ausführungen in der Be-
schwerdeantwort, dass der Beschwerdegegner sich der Auffassung des Be-
schwerdeführers hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit der Vorinstanz an-
schliesst (jedenfalls soweit es um die Prüfung einer Pflichtverletzung geht – der
Beschwerdegegner gab denn auch in der Rechtsmittelbelehrung zu seiner Verfü-
gung die Beschwerde an das Bezirksgericht Zürich bzw. an das dortige Einzelge-
richt an, vgl. act. 3/2-3). Im Weiteren legt der Beschwerdegegner dar, dass er der
Ansicht ist, mit seinem Vorgehen keine Pflichtverletzung begangen zu haben (vgl.
act. 22 S. 4 f.).
5. Zur sachlichen Zuständigkeit der Vorinstanz:
5.1 Die Vorinstanz hat richtig festgehalten, dass der Beschwerdegegner
mit der angefochtenen Verfügung vom 10./14. Juli 2015 den Bezug seiner Kosten
aus dem bei ihm (dem Notariat) eingegangenen Erbanteil des Beschwerdeführers
anordnete. Auch wenn die definitive Höhe der Kosten noch nicht festgelegt wurde
(so richtig der Beschwerdegegner, act. 22 S. 3), beinhaltet die Verfügung doch die
klare Äusserung, dass die Kosten auf diese Weise bezogen würden und dass zu
diesem Zweck vom Erbteil des Beschwerdeführers (nur) eine Abschlagszahlung
von Fr. 80'000.00 an das Betreibungsamt überwiesen werde (act. 3/2, 3/3; vgl.
auch die eingangs angeführte sinngemässe Zusammenfassung der Verfügung
vom 10./14. Juli 2015).
Sodann hat die Vorinstanz auch die im vorliegenden Fall interessierenden
gesetzlichen Grundlagen der Aufsichts- und Rechtsmittelordnung zutreffend auf-
- 10 -
gezeigt (act. 13 S. 4 f.): Wenn die Notariate als Beauftragte des Einzelgerichts
handeln, stehen sie unter dessen Aufsicht und kann gegen die Verweigerung und
Verzögerung von Amtshandlungen und gegen andere Verletzungen von Amts-
pflichten beim Einzelgericht Beschwerde erhoben werden (§ 139 Abs. 1 GOG,
§ 85 i.V.m. § 83 GOG). § 31 Abs. 1 NotG bestimmt, dass Verfügungen der Nota-
riate, die sich auf Notariats- und Grundbuchgebühren beziehen, mit Rekurs bei
der Finanzdirektion anzufechten sind.
Hat das Notariat (wie hier) in einem Geschäft, in dem es im Auftrag des Ein-
zelgerichts handelt, eine Verfügung im Zusammenhang mit Notariatsgebühren er-
lassen, so fragt sich, welches Rechtsmittel zu ergreifen ist.
5.2 Die Vorinstanz verkennt mit Blick auf die aufgezeigten Normen zur
Entschädigungsregelung der Notariate (vgl. vorne II./3.) das Verhältnis von lex
specialis und lex generalis: Im Allgemeinen ist das Notariat nach § 24 NotG be-
fugt, für seine Amtshandlungen Gebühren zu erheben. Demgegenüber ist die Be-
stimmung von § 139 Abs. 1 GOG, wonach das Einzelgericht die Entschädigung
der von ihm Beauftragten (also insbesondere des Notariats, vgl. §138 Abs. 1
GOG) festsetzt, die speziellere Regel. Diese geht daher vor. Die Regelung im
GOG ist im Übrigen auch neuer.
Dass die Regelung des Notariatsgesetzes vorginge, ergibt sich auch nicht
aus dem von der Vorinstanz herangezogenen Zitat von HAUSER/SCHWERI/LIEBER,
GOG-Kommentar, § 139 N 6 (vgl. act. 13 S. 5). Die genannten Autoren halten
(was die Vorinstanz richtig wiedergab) lediglich fest, dass für die Auftragsbesor-
gung durch den Notar die Notariatsgebührenverordnung gilt. Dass das Notariat
seine Gebühr gemäss § 24 des Notariatsgesetzes selber festsetzen würde und
die entsprechende Zuständigkeit des Einzelgerichts entfiele (mit der Konsequenz,
dass die vom Notariat erhobenen Gebühren mit Rekurs bei der Finanzdirektion zu
rügen wären), ist damit nicht gesagt.
Würden die Notariate ihre Gebühren als Beauftragte des Einzelgerichts sel-
ber festsetzen, so würde – das ist nur nebenbei zu bemerken – die (wie gesehen
neuere) Regelung von § 139 Abs. 1 GOG (wonach das Einzelgericht die Ent-
- 11 -
schädigung der von ihm Beauftragten festsetzt) weitgehend obsolet, da es sich
bei den Beauftragten im Sinne der Bestimmung in den meisten Fällen um Notaria-
te handelt (vorbehalten sind nur die Ausnahmen nach § 138 lit. b GOG, wonach
auch andere geeignete Personen mit der Erbschaftsverwaltung, der amtlichen Li-
quidation und der Vertretung der Erbengemeinschaft betraut werden können).
Die Frage der definitiven Festsetzung der Gebühr ist von allfälligen Kosten-
vorschüssen zu unterscheiden. Dass der Notar als vom Einzelgericht Beauftragter
nach § 14 Abs. 2 NotGebV von der Person, die das entsprechende Begehren
stellte, einen Kostenvorschuss verlangen kann (vgl. OGer ZH LF150014 vom 22.
Juni 2015, E. II./ 4.2; der Fall betraf die Aufnahme eines öffentlichen Inventars
nach Art. 580 ZGB), heisst nicht, dass der Notar auch berechtigt wäre, den defini-
tiven Entscheid über seine Entschädigung selber zu treffen.
5.3 Dass für die Entschädigung der Handlungen im Auftrag des Einzelge-
richts etwas anderes gilt als für die allgemeine Tätigkeit der Notare, ist auch unter
Berücksichtigung des Regelungsinhalts der Notariatsgebührenverordnung ge-
rechtfertigt:
Der der Verordnung als Anhang beigefügte Gebührentarif setzt für eine Viel-
zahl von Geschäften der Notare (etwa Beurkundungen und Beglaubigungen) die
Gebühr als Fixbetrag oder als Prozentbetrag von den betroffenen Werten fest. In-
soweit ist die Anwendung des Tarifs durch das Notariat selber unproblematisch.
Allfällige Rechenfehler oder Streitigkeiten über die betroffenen Werte können im
Rekursverfahren der Finanzdirektion geklärt werden.
Bei den Geschäften, welche das Notariat als Beauftragter des Einzelgerichts
führt, wird dagegen eine Gebühr nach Zeitaufwand auf Basis eines im Anhang
festgelegten Stundentarifs verrechnet (vgl. Ziff. 3 des Gebührentarifs; so auch
richtig der Beschwerdegegner, act. 22 S. 4). Im Anwendungsbereich dieser Be-
stimmungen ist das Einzelgericht Erbschaftssachen bzw. das zuständige Einzel-
gericht im summarischen Verfahren die zur Entscheidung geeignete Behörde. Es
ist (als auf Erbschaftssachen spezialisierte zivilgerichtliche Instanz) besser in der
Lage, den Aufwand für die Besorgung eines erbrechtlichen Geschäfts zu beurtei-
- 12 -
len, als es die Finanzdirektion wäre, die (wenn nach der allgemeineren Regel in
der Notariatsgesetzgebung vorgegangen würde) die entsprechenden Kostenauf-
lagen des Notariats im Rekursverfahren zu überprüfen hätte.
5.4 Der erwähnte Verweis von HAUSER/SCHWERI/LIEBER ist somit (nur) da-
hingehend zu verstehen, dass der Gebührentarif der Notariatsgebührenverord-
nung, d.h. die erwähnten darin festgesetzten Stundenansätze, für die Entschädi-
gung des vom Einzelgericht beauftragten Notariats in der Regel massgeblich sind.
An der in § 139 Abs. 1 GOG vorgeschriebenen Zuständigkeit des Einzelgerichts
zur Festsetzung der Entschädigung ändert das nichts. Das Einzelgericht hat diese
Entschädigung auf Antrag des Notariats festzusetzen, und es wird sich dabei in
der Regel an die Ansätze gemäss Gebührentarif halten.
5.5 Anders als bei der allgemeinen Festsetzung von Notariats- und Grund-
buchgebühren ist es in Fällen, in denen das Notariat im Auftrag des Einzelgerichts
nach § 138 Abs. 1 GOG handelt, folglich nicht am Notariat, seine Gebühr selber
festzulegen, sondern das obliegt dem Einzelgericht. Dieses hat im Rahmen seiner
Zuständigkeit als Aufsichtsbehörde (§ 139 Abs. 1 GOG) auch entsprechende Ent-
scheide der Notariate zu überprüfen, um der aufgezeigten Zuständigkeitsordnung
zum Durchbruch zu verhelfen. Die Frage, ob das Notariat zu Unrecht selber über
den Bezug seiner Kosten entschied und damit (bzw. mit dem Rückbehalt erhalte-
ner Gelder zum Zweck der Gebührendeckung) seine Pflichten verletzte, ist daher
im Aufsichtsbeschwerdeverfahren zu prüfen. Der verwaltungsrechtliche Rechts-
weg nach § 31 Abs. 1 NotG (Gebührenrekurs an die Finanzdirektion) tritt demge-
genüber in den Hintergrund. Die Vorinstanz hat sich somit zu Unrecht für unzu-
ständig erklärt.
6. Das Gesagte führt in Gutheissung der Beschwerde zur Aufhebung des
angefochtenen Nichteintretensentscheids. Gemäss den vorstehenden Erwägun-
gen ist von diesem Entscheid die Aussage mit umfasst, dass der Beschwerde-
gegner nicht befugt ist, selber über seine Entschädigung zu entscheiden.
Im Übrigen ist der Prozess zur allfälligen Ergänzung des Verfahrens und zur
Entscheidung in der Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Vorinstanz
- 13 -
wird dabei auch zu prüfen haben, ob die Gläubigerin D._ AG (mit Blick auf
die vom Beschwerdeführer verlangte Auferlegung der Kosten zulasten der Gläu-
bigerin) anzuhören ist.
III.
1. Für den vorliegenden Entscheid ist keine Entscheidgebühr zu erheben
(Art. 107 Abs. 2 ZPO).
2. Der Beschwerdeführer beantragt, der Beschwerdegegner sei zur Be-
zahlung einer Parteientschädigung zu verpflichten (act. 14 S. 2).
Die Notariate sind in Verfahren wie diesem nicht Vorinstanz, sondern Ge-
genpartei, da sie eine zivilrechtliche Funktion wahrnehmen. Sie können daher im
Falle ihres Unterliegens im aufsichtsrechtlichen Beschwerdeverfahren kosten-
und entschädigungspflichtig werden. Der Beschwerdeführer kann dabei aufgrund
anwaltlicher Vertretung grundsätzlich eine Parteientschädigung verlangen (Art. 95
Abs. 3 lit. b ZPO). Der Beschwerdegegner dagegen war nicht anwaltlich vertreten
und hat seinen Antrag auf Zusprechung einer Parteientschädigung nicht begrün-
det. Ihm könnte daher für das vorliegende Beschwerdeverfahren ohnehin keine
Entschädigung zugesprochen werden.
Mit Blick auf eine allfällige Verpflichtung des Beschwerdegegners zur Leis-
tung einer Parteientschädigung an den Beschwerdeführer fällt allerdings was folgt
in Betracht: Wenn nach dem Endentscheid über die Beschwerde Pflichtverletzun-
gen des Beschwerdegegners feststünden, so könnte dieser sich darauf berufen,
dass die Vorinstanz sein Vorgehen beim Kostenbezug genehmigt habe (vgl.
act. 23/3-4). Daher rechtfertigt es sich, den vorliegenden Fall analog zu Fällen zu
behandeln, in welchen zu prüfen ist, ob sich eine Partei gegen einen qualifiziert
unrichtigen Entscheid zur Wehr setzt und ihr daher eine Parteientschädigung aus
der Staatskasse zuzusprechen ist. Die vorliegende Konstellation kann aufgrund
der aufgezeigten unklaren Abgrenzung der Rechtsgrundlagen (§ 139 GOG und
§§ 24 und 31 NotG) nicht mit der Anfechtung eines qualifiziert unrichtigen Ent-
scheids verglichen werden. Vielmehr ist von einer Situation auszugehen, in der
- 14 -
zwischen den verschiedenen Instanzen naturgemäss unterschiedliche Auffassun-
gen herrschen können (vgl. dazu OGer ZH PQ140037 vom 28. Juli 2014, E. 3.1
mit weiteren Hinweisen). Daher sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen.","Es wird beschlossen:
1. Der Antrag auf Sistierung des Beschwerdeverfahrens wird abgewiesen.
2. Mitteilung und Rechtsmittel richten sich nach dem nachfolgenden Erkennt-
nis.
und erkannt:
1. In Gutheissung der Beschwerde wird die Verfügung des Einzelgerichts Frei-
willige Gerichtsbarkeit des Bezirksgerichtes Zürich vom 26. August 2015
aufgehoben und der Prozess zur Entscheidung in der Sache an die Vorin-
stanz zurückgewiesen.
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an den Beschwerdeführer unter Bei-
lage der Doppel von act. 22 und 23/1-5, an die Finanzdirektion des Kantons
Zürich, sowie – unter Beilage der Akten – an das Bezirksgericht Zürich, je
gegen Empfangsschein.
5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert
30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht,
1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Be-
schwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder
Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42
des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
- 15 -
Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 92 BGG. Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 18'113.82. Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich II. Zivilkammer
Der Gerichtsschreiber:
lic. iur. T. Engler
versandt am:
Beschluss und Urteil vom 21. Oktober 2015 Verfügung des Notariats B._-Zürich vom 10./14. Juli 2015 (act. 3/2, 3/3, sinngemäss) Aufsichtsbeschwerde an das Einzelgericht Freiwillige Gerichtsbarkeit des Bezirksgerichts Zürich vom 22. Juli 2015 (act. 1 S. 2): Verfügung des Einzelgerichts Freiwillige Gerichtsbarkeit des Bezirksgerichts Zürich vom 26. August 2015 (act. 11= act. 13 = act. 15): Beschwerdeanträge Erwägungen: I. II. III.
Es wird beschlossen: und erkannt: 1. In Gutheissung der Beschwerde wird die Verfügung des Einzelgerichts Freiwillige Gerichtsbarkeit des Bezirksgerichtes Zürich vom 26. August 2015 aufgehoben und der Prozess zur Entscheidung in der Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen. 2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an den Beschwerdeführer unter Beilage der Doppel von act. 22 und 23/1-5, an die Finanzdirektion des Kantons Zürich, sowie – unter Beilage der Akten – an das Bezirksgericht Zürich, je gegen Empfangsschein. 5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (...",""} |